Mit freundlicher Genehmigung des Colloquium-Verlages, Berlin Dahlem, bringen wir nachstehend das Kapitel „Der Weg nach oben" (1924— 1933) aus der Biographie „Adolf Hitler" von Helmut Heiber zum Abdruck.
Der Weg nach oben
Für Hitler galt es in der wiedergewonnenen Freiheit zunächst zwei vordringliche Ziele zu erreichen: die Aufhebung des Parteiverbots und das Einfängen seiner wild durcheinandergaloppierenden Partei-genossen. Im ersten Falle kam es ihm zustatten, daß er sich in der Haftzeit zu einem grundsätzlichen Wechsel der Taktik entschlossen hatte: nicht mehr durch einen Putsch, sondern auf „legalem Wege“ gedachte er jetzt die Macht zu erringen. Trotz seiner unverminderten Abneigung gegen die Parlamente wollte er nunmehr seine Gegner auf ihrem eigenen Turniergelände heimsuchen, auch wenn er sich darüber wohl im klaren war, daß es — wie er damals mit feinem Humor geäußert haben soll — mehr Zeit benötigen würde, diese niederzustimmen, als sie niederzuschießen. Schon vierzehn Tage nach seiner Entlassung saß dann der Exhäftling von Landsberg dem bayerischen Ministerpräsidenten gegenüber, machte ihn mit seinen neuen Methoden vertraut — nicht ohne geschickt auch einige versöhnliche Bemerkungen in Richtung auf die Katholische Kirche einzustreuen — und erreichte im Verein mit den Vorstellungen Gürtners tatsächlich die Aufhebung des Verbots seiner Partei und seiner Zeitung.
Auch die andere Aufgabe bereitete keine nennenswerten Schwierigkeiten. Als der Dompteur den Raubtierkäfig betrat, eilte alles, was sich bisher angefaucht hatte, wieder auf die Plätze. In der „Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung" lösten sich die ehemaligen Hitler-Anhänger von den Völkischen und beendeten damit eine Symbiose, die bereits durch den Verlust von mehr als der Hälfte der Stimmen und Mandate in den neuerlichen Reichstagswahlen vom Dezember 1924 angeschlagen war. Für Hitler — wie schon erwähnt — war „Zusammenarbeit“ eine unbekannte Vokabel, für ihn gab es nur „bedingungslose Eingliederung“. Unter dem Titel „Der Starke ist am mächtigsten allein" wird er diesen Überlegungen dann im zweiten Band von „Mein Kampf“ ein eigenes Kapitel widmen, in dem er Julius Streicher als Vorbild für eine solche Haltung preist, dem er ja auch als Dank bis zuletzt die Treue gehalten hat trotz aller Belastung, die dieser Mann mit seinen schmierigen Affären für das Regime bedeutete.
Streichers „Großdeutsche Volksgemeinschaft“ löste sich natürlich ebenfalls auf, und die Sektionen veröffentlichten im VB, der seit dem 26. Februar wieder erschien, laufend Treuebekenntnisse für Hitler. Bewußt wählte dieser den mit seiner Niederlage von 1923 verbundenen Bürgerbräukeller zum Schauplatz der ersten Revue nach nur scheinbar verlorener Schlacht. Vor 4000 schreienden, die Tische erklimmenden, jubelnden und sich schluchzend in die Arme fallenden Menschen gründet Hitler am 27. Februar 1925 die Partei neu. LInter dem tosenden Beifall der Arena schütteln sich die verfeindeten Diadochen unter den strengen Augen ihres Meisters die Hände: die Reichsleitung der NSDAP hat . sich wieder formiert.
Hitler ist aus diesen Wirrungen hervorgegangen, fast ohne eine Feder zu lassen. Lediglich den Aufbau der NSDAP in Norddeutschland hat er vorläufig den Brüdern Strasser abgetreten. Aber das liegt ganz in seinem Sinne: erst gilt es die bayerische Hausmacht neu zu ordnen, dann wird er den Strassers schon zeigen, wer der Herr ist. Verlustig gegangen ist eigentlich nur der Feldherr des Weltkrieges. Die ersten Risse in diesem Verhältnis datierten allerdings schon von der Stunde an der Feldherrnhalle. Der General, der damals — was mehr für seinen Mut als für seinen Verstand sprach — im Feuer der Landespolizei unbeirrt weitermarschiert war, hatte mit Mißfallen bemerkt, daß der Gefreite und Anführer des ganzen Unternehmens in Deckung ging, wie er es im Kriege gelernt hatte. 1925 nun sah sich Ludendorff auf dem politischen Schlachtfeld mit einer ähnlichen Enttäuschung konfrontiert. Für die nach dem Tode Friedrich Eberts am letzten Februartag 1925 notwendig gewordene Neuwahl des Reichspräsidenten hatte er sich von Hitler nominieren lassen, wurde jedoch dann zugunsten des zugkräftigeren Kompromißkandidaten der Rechtsparteien und Konkurrenten um den kaum verblichenen Lorbeer der Weltkriegssiege, des Feldmarschalls Hindenburg fallengelassen, als im ersten Wahlgang nur ein Prozent der an die LIrne getretenen Wähler dem Wunsch nach einem Präsidenten Ludendorff Ausdruck gab. Von nun an verfolgte der einstige Bundesgenosse den kometenhaften Aufstieg des werdenden „Führers“ mit grimmigem Haß, obwohl dieser dem renommierten Heros zumindest äußerlich noch bis zu dessen Begräbnis im Jahre 1937 freundliches Wohlwollen zu bezeigen für gut hielt.
So endgültig dieser Bruch war, so vorübergehend nur war die Entfremdung mit dem SA-und Frontbannführer. Röhm hatte sich zwar sofort Hitler zur Verfügung gestellt, wollte jedoch lediglich von einer politischen Unterordnung etwas wissen und hegte im übrigen eigene Vorstellungen von der Selbständigkeit seines Wehrverbandes gegenüber der Partei. Schon im April 1925 gab er daher seine Posten ab und zog sich für Jahre ins Privatleben zurück. In dem Hauptmann Pfeffer von Salomon glaubte Hitler einen gefügigeren Nachfolger gefunden zu haben, jedoch konnte der Dualismus zwischen der politischen Organisation und der Parteiarmee endgültig erst durch die Salven der Stadelheimer SS-Pelotons am und nach dem 30. Juni 1934 entschieden werden.
Mit dieser Ausschaltung der drei stärksten Persönlichkeiten seines Lagers bekam Hitler die Hand frei für die ihm vorschwebende Neuordnung. An jenem 27. Februar 1925 hatte er sich von seinen Parteigenossen die Führung der Partei „provisorisch“ auf ein Jahr übergeben lassen, wie er auch später für das Reich zunächst einmal lediglich „vier Jahre Zeit“ verlangte. „Bis dahin aber“, so hatte er angeführt, „gilt: ich führe die Bewegung allein, und Bedingungen stellt wir niemand, solange ich persönlich die Verantwortung trage.“ Und dabei sollte es bleiben. Hitler räumte endgültig auf mit den meisten Relikten, die sich in der alten Partei auch nach 1921 noch aus der in demokratischen Bahnen verlaufenen Vereinszeit erhalten hatten. Fast schon vollendet wurde damit die straff organisierte Führerpartei, in der nur ein, keiner wie auch immer gearteten Instanz verantwortlicher Wille maßgebend war. So entstand Schritt für Schritt jene eisige Isoliertheit des einen Führers, der völlig einsam einer blind vertrauenden Masse gegenübersteht und von dem allein alle denkbare Gewalt abgeleitet werden kann. Einige Jahre danach hätte es nicht einmal mehr einer Berücksichtigung der im Grunde haltlosen Persönlichkeit des österreichischen Kunstmaler-Aspiranten bedurft, um diesem in wachsender Verehrung wie Verachtung sich ständig weiter ausladenden Wechselverhältnis ein Ende in Hybris vorauszusagen, sofern es nur lange genug anhielt. Der Gang der Geschichte schließlich hat es verhindert, daß hier einer neuen Religion ein neuer Gott entstand, aber auf dem besten Wege dazu war man wahrhaftig.
Die Anfänge von 1925 ließen davon allerdings kaum etwas ahnen, — abgesehen vielleicht von einigen einseitigen Fanatikern. Es mußten erst noch neue Faktoren in den Ablauf der Ereignisse gemischt werden, um diesem Manne Hitler den Weg ins Verderben zu ebnen. Denn noch die folgenden fünf Jahre hindurch stellten er und seine Partei eine von den Gegnern mehr oder weniger bewitzelte Quantite negligeable dar, deren monotones Gedröhn im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Bedeutung stand. Nur mühsam quälte sich die Mitgliederzahl der Partei an die 100 OOOer-Grenze heran, und bei den Wahlen vermochte sie nur in wenigen, unbedeutenden Einzelfällen mehr als drei Prozent der abgegebenen Stimmen zu erringen. Die Ursache dafür lag darin, daß sich die Verhältnisse in Deutschland während des Jahres, das Hitler in Landsberg verbrachte, grundlegend verändert hatten.
Mit der neuen, stabilen Währung waren ausländische Anleihen gekommen und mit beidem eine Beruhigung der wirtschaftlichen Verhältnisse und die Aussicht auf einen beträchtlichen Aufschwung auf vielen Gebieten. Die letzten Wogen des Weltkrieges schienen verebbt, die Bürgerkriegsarmeen von rechts und links waren überall geschlagen, aufgelöst und endlich wieder in das Zivilleben eingegliedert worden, und auf dem außenpolitischen Parkett öffnete eine zielstrebige Politik — wenn auch natürlich nicht ohne Jede Konzession — langsam wieder Tür um Tür. Mochte zwar die junge Demokratie nach wie vor kaum auf viele Demokraten zählen dürfen, so betrachtete doch die apolitische große Masse — ruhig und einigermaßen zufrieden geworden — die schwache Republik nicht mehr als das größte Übel und die hemmungslose Agitation ihrer Gegner als einigermaßen lächerliche und grundlose Quengeleien.
Hinzu kam noch, daß Hitlers Wort damals lange Zeit hindurch nicht einmal mehr das Ohr, geschweige denn das Herz jener satt und damit allen revolutionären Verlockungen gegenüber vorübergehend immun Gewordenen zu erreichen vermochte. Bereits seine ersten Darbietungen vom 27. Februar und in einigen folgenden Sektionsversammlungen hatten die bayerische Regierung veranlaßt, am 9. März ein Redeverbot über ihn zu verhängen, dem sich bald auch die wichtigsten übrigen Länder, darunter am 25. September Preußen, anschlossen. In der folgenden Zeit durfte Hitler nur noch in Württemberg, Thüringen, Braunschweig und Mecklenburg-Schwerin öffentlich sprechen, und erst seit dem 11. Februar 1927 ließ man den Tribun in Sachsen, seit dem 5. März des gleichen Jahres in Bayern und gar erst seit dem 28. September 1928 in Preußen wieder auf die Rostra.
Welches Handicap dies für die junge Bewegung bedeutete, das kann wohl nur ermessen, wer Hitler selbst einmal gehört hat. Seit seinen ersten Vorträgen als „Bildungsoffizier“ hatte er sich zum genialen Volksredner par excellence entwickelt. In'seinem sonst so mäßigen Buche konnte er mit Recht der „Bedeutung der Rede“ ein eigenes Kapitel widmen, das von einem maßgebenden, ihm politisch akeineswegs nahestehenden Lehrer der Publizistik als eine Redelehre bezeichnet worden ist, die „an Frische und Lebendigkeit ihresgleichen sucht.“ Obwohl Hitler schon bald viele seiner Reden vorher ausgearbeitet hat, ihr Text also im wesentlichen von vornherein festlag, ist doch jede einzelne erst im lebendigen Kontakt mit den Hörern wirklich entstanden und in rhapsodischer Steigerung bis zu jener Art Orgasmus angewachsen, der diesem Redner eine völlig hörige Masse als gleichsam weibliches Substitut in die Hände lieferte.
Alle seine Reden begannen zögernd, das jeweilige Auditorium abtastend, in starrer Haltung und mit durchgedrückten Knien, — auch später noch wird jede Staatsrede mit monotonen, dabei aber die Spannung bis zur Unerträglichkeit steigernden Reminiszenzen aus der Kampfzeit oder aus dem Jahre 1933 beginnen. Rauh und stockend holpern so seine Worte über die ersten Absätze hinweg, bis der Motor sich warm gelaufen, bis der Redner plötzlich Kontakt gefunden, Witterung genommen hat und der erste Beifall zu ihm emporbrandet. Dann aber gibt es kein Halten mehr, und seine Worte verschmelzen zu einem tosenden Katarakt. Er ist begeistert, er glaubt zumindest in diesem Augenblick an das, was er sagt, und es gelingt ihm, seine Begeisterung und seinen Glauben auf die anderen zu übertragen, von denen sich (einige verstockte Intellektuelle spielen da keine Rolle) bald jeder persönlich angesprochen fühlt, — so, als ob Hitler nur zu ihm allein und zu niemandem sonst spräche. Gerade das aber würdigt den Hörer, ohne daß er es recht gewahr wird, herab zum bloßen Glied jener Masse, die ihn umgibt, macht ihn zum kritiklosen Teilnehmer an einem Gemeinschaftserlebnis, zur gedankenlosen Stimme eines frenetisch heulenden Chorus.
In solchen Fällen ist es beinahe gleichgültig, was Hitler sagt. Wie er es bringt, ist das Ausschlaggebende, denn er ist der Meister einer Form, hinter welcher der Inhalt zur Bedeutungslosigkeit verblaßt. Es ist heute leicht, über das hohle Pathos, über die billigen Klischees, über die immer wiederkehrenden leeren Phrasen jener Redetexte zu lachen. Selbst die von der Platte abgespielte Stimme kann den heutigen Hörer völlig kalt und ihn verwundert fragen lassen, wie nur in aller Welt diese Menschen bei einem so banalen Unsinn in derartige Verzückung geraten konnten. Denn sie ist nicht zu wiederholen, die Atmosphäre, die jener Mann instinktsicher zu wittern, potenziert neu zu erzeugen und in einem solch intensiven Wechselspiel von Suggestion und Auto-suggestion wieder auszustrahlen vermochte, daß sich ihr damals selbst diejenigen kaum entziehen konnten, die mittels des doch gewiß stark ernüchternden Mediums Rundfunk teilnahmen. Ob er vor einer Massenveranstaltung von Anfang an hingerissener und enthusiastischer BDM-Führerinnen sprach oder vor einem Club skeptisch-nüchterner und süffisant lächelnder Großindustrieller, ob in einem niedrigen Bier-keller oder im weiten Sportpalast, ob im heimischen Bayern und Österreich oder in kühl-reservierten Hansestädten: immer hatte er mutatis mutandis den gleichen Erfolg, immer erfühlte er genau die Stimmung und brachte er die richtigen, erfolgverheißenden Mittel und Argumente zum Einsatz, auch wenn bei diesem echten Demagogen manchmal der eine seiner Zuhörer nicht hätte wissen dürfen, was er dem anderen erzählte und versprach. So wurde die Rede, das ständig erneuerte Ringen um sein Corpus mysticum, um die Massenseele, zu Hitlers schärfster, ja vielleicht sogar entscheidender Waffe im Kampf um die Macht, und er hat sich denn auch nicht gescheut, sie ohne Rücksicht auf seine Gesundheit in die Waagschale zu werfen. Die übrigen publizistischen Mittel wurden zweitrangig, die Rede war das Instrument Hitlers und seiner Partei, — denn nicht zufällig kommt „hörig“ von „hören".
Eben gerade an dieser wichtigen Tür zum Aufstieg nach oben schoben die erwähnten Redeverbote vorläufig einen Riegel vor, und wenn zwar gewiß die wirtschaftliche Saturierung den Ausschlag gab, so war doch auch jenes Faktum mit Anlaß für das praktische Stagnieren der Bewegung. Die so wider Willen gewonnene Zeit nützte Hitler dazu, sich nach Berchtesgaden auf den Obersalzberg zurückzuziehen und den dann im Dezember 1926 erscheinenden zweiten Band von „Mein Kampf“ zu diktieren, der bestimmt sein sollte, seinen Ruf auch als maßgebender Partei-Ideologe und -Theoretiker zu festigen. Lind obwohl nur von einigen seiner Gegner auch wirklich gelesen, wurde das nun komplette Werk, das natürlich kein Parteigenosse auf seinem Bücherbrett missen wollte, dank der rührigen Propaganda schon bald ein ziemlicher Verkaufserfolg, noch bevor später die amtliche Verteilung an wehrlose Brautpaare, „Gefolgschaftsmitglieder“ und Sieger in allen möglichen Wettkämpfen die Gesamtauflage in die Millionen jagte.
Die Honorare machten Hitler zum wohlhabenden Mann. Schon 1926 erwarb er, der wie manch andere Inhaber der Macht dem Rausch der Geschwindigkeit verfallen war, einen Mercedes-Kompressor und zwei Jahre danach das von ihm bereits seit 1925 gemietete und später zur Residenz „Berghof“ umgebaute „Haus Wachenfeld“ auf dem Obersalzberg, den er durch den inzwischen verstorbenen Dietrich Eckart kennen-und liebengelernt hatte und wo auch die Bechsteins ihre Villa besaßen. In seinem Münchener Domizil allerdings machten sich die Zeichen des wachsenden Wohlstands nur langsam bemerkbar. Schon seit dem Krieg wohnte er zwar nicht mehr unter dem Dach beim Schneidermeister Popp, sondern hatte sich in der etwa eine Stufe höher rangierenden Thierschstraße bei einer Witwe eingemietet, jedoch war auch hier sein mit abgetretenem Linoleum ausgelegtes und kaum möbliertes Zimmer klein und schäbig, wie dies dem Stil eines Arbeiter-führers und bissigen Bekämpfers der Weimarer „Bonzokratie" entsprach. Erst Ende 1929 bezog der darin fast konservative Hitler eine Neun-Zimmer-Wohnung am vornehmen Prinzregentenplatz, die er dann bis zum Ende beibehielt, ohne übrigens die anderen Mieter des Hauses zu behelligen.
Auch der Parteisitz mauserte sich in diesem Zeitraum. Hatte man nach der Neugründung zunächst beim Eher-Verlag ebenfalls in der Thierschstraße eine bescheidene Notunterkunft gefunden, so konnte schon im Juni 1925 durch Vermittlung des Photographen Hoffmann in der Schellingstraße eine eigene Geschäftsstelle eröffnet werden, — Quartier der „Reichsleitung" bis zum Bezug des im Juli 1929 erworbenen und zum „Braunen Haus" umgebauten Barlow-Palais an der Brienner Straße Anfang Januar 1931. Diese letzten Umzüge von 1929 und 1930 bildeten das äußere Wahrzeichen für die bis auf vorübergehende Krisenmomente (wie etwa im Jahr der vielen Wahlen 1932) nunmehr behobene Finanzkalamität der NSDAP. Von der Neugründung bis zu jener Zeit nämlich war es Hitler trotz seinem Kokettieren mit den konservativen Mächten, das bereits 1926 in der Beteiligung am Niederstimmen der von den Arbeiterparteien geforderten Fürsten-enteignung weithin sichtbaren Ausdruck gefunden hatte, nicht gelungen, aus den politischen Fonds der Schwerindustrie wesentliche Geldströme auf seine Mühlen zu leiten. Recht und schlecht nährte sich die Partei von den kargen Beiträgen und den Spenden ihrer Mitglieder, wozu noch die Zuwendungen einiger Hitler-Verehrerinnen aus dem In-und Ausland sowie die nicht gerade überwältigenden Überschüsse der Parteipresse und des ebenfalls von Hitlers ehemaligem Kompaniefeldwebel Amann geleiteten Parteiverlages kamen.
Diese Jahre aber, in denen Hitler fast in ganz Deutschland — soweit man seinen Namen überhaupt bereits gehört oder noch im Gedächtnis behalten hatte — als eine jener ephemeren Eintagsfliegen und einer der halbverrückten Sonntagspolitiker galt, an denen es gerade im Lande Bayern noch nie gemangelt hat, — diese Jahre dienten ihm dazu, seine Stellung innerhalb der Partei endgültig zu festigen. In erster Linie war die nur verschobene Auseinandersetzung mit den Strassers fällig. Die beiden Brüder hatten in Norddeutschland überraschend schnell eine Organisation aufgebaut, ihren Einfluß ausgedehnt und eine Anhängerschaft gewonnen, die Hitler zwar nominell als Parteiführer gerade noch anerkannte, de facto jedoch eine so gut wie selbständige Gruppe bildete, deren schroff antikapitalistisches und föderalistisches Programm dem nach allen Seiten lavierenden Münchener Oberhaupt ohnehin ein Dorn im Auge war.
Zum Krach kam es schließlich über die bereits erwähnte Frage der Fürstenenteignung, in der die mehr als dem bloßen Namen nach sozialistischen Norddeutschen um Strasser mit den Sozialisten vom linken Flügel zusammengingen. Zu einem Parteikongreß der norddeutschen Gauleiter in Hannover am 25. Januar 1926, der mit der einen Gegenstimme Leys einen entsprechenden Beschluß faßte, war Hitlers „Spitzel" Feder nur mit knapper Müh und Not zugelassen worden; und hier soll es angeblich auch geschehen sein, daß Gregor Strassers Privatsekretär, ein verkrüppelter ehemaliger Albertus-Magnus-Stipendiat namens Goebbels, in einer flammenden Rede den Antrag stellte, „den kleinen Bourgeois Adolf Hitler" aus der Partei auszuschließen. Da der Kongreß überdies noch Strassers Programm an die Stelle von Hitlers „ 25 Punkten“ zu setzen gewagt hatte, konnte dieser eine solche offene Auflehnung, selbst wenn er es gewollt hätte, nicht ungeahndet durchgehen lassen.
Die Palastrevolte hatte jedoch — ebenfalls in Hannover — bereits am 22. November des vergangenen Jahres mit der Gründung einer anti-münchnerischen „Arbeitsgemeinschaft" der nord-und westdeutschen Gauleiter begonnen, und schon damals hatte Strasser sein häretisches Programm entwickelt. Es war nun typisch für Hitler, daß er wieder und wie auch später vor großen Entscheidungen zunächst einmal zurückschreckte. Ob es hier die Meuterei von Hannover oder ob es 1934 die gefährliche Haltung der SA, ob es der Beginn des Krieges oder ob es der Angriff auf Rußland war, — stets zögerte er zunächst länger, als es seiner Umgebung vielfach für gut erschien, um dann allerdings blitzartig zuzuschlagen. So verging auch jetzt ein ganzes Vierteljahr, und es bedurfte erst noch jenes zweiten Eklats von Hannover, ehe Hitler sämtliche Gauleiter für den 14. Februar 1926 zu einer Führertagung nach Bamberg zusammenrief. Im Gegensatz zu dem, was Otto Strasser später kolportiert hat, waren dort immerhin die wichtigsten nord-und westdeutschen Gauführer erschienen. Als jedoch Hitler gesprochen hatte, erhob sich allein Gregor Strasser selbst. Die übrigen duckten sich und schwiegen, — auch der wortgewaltige Goebbels, das As der Meuterer, auf den die Bliche seiner Freunde gerichtet waren. Vor sich selbst hat er diesen feigen Rückzug damit gerechtfertigt, daß er von der Bamberger Selbstentlarvung des Reaktionärs Hitlers geradezu erschlagen gewesen sei. In Wirklichkeit freilich dürfte es mehr der prunkvolle und massive Aufmarsch der süddeutschen Garde Hitlers gewesen sein, der den kleinen Hungerleider aus dem Kohlenpott beeindruckt hat. Zeit seines Lebens von wenig wirklicher Überzeugung angekränkelt, dafür aber vom Ehrgeiz zerfressen und in jenen Jahren gerade dabei, aus der Misere seines Kleinstbürgertums wild rudernd an die soziale Oberfläche durchzustoßen, machte sich'Goebbels nun langsam daran, der deutlich erkennbaren Machtkonstellation Rechnung zu tragen und die erschütterte Festung Strasser zu räumen. Und so schwieg denn auch er, als das Strasserprogramm verdammt und die Arbeitsgemeinschaft aufgelöst wurde.
Wenn daher Strasser zwar in allem überstimmt war, meinte Hitler den offenen Bruch denn doch nicht riskieren zu dürfen, und es gehört zu den eindrucksvollsten Kunststücken seiner Verführungstechnik, wie er es fertigbrachte, den auf ganzer Linie Unterlegenen trotzdem in der Partei zu halten, wobei dahingestellt bleiben mag, ob wirklich die unverblümte Aufforderung zu einem herzhaften Griff in die Partei-kasse mit zu seinen Überredungsmitteln gehört hat. Auf einer soge-nannten Generalmitgliederversammlung am 22. Mai, der letzten ihrer Art übrigens, baute Hitler seinen Sieg aus. Mit Hilfe der Register-Eintragung neuer Satzungen des „Nationalsozialistischen Deutschen Arbeitervereins", dessen Vorstand nunmehr für immer mit der Leitung der Münchener NSDAP identisch sein sollte, verankerte er für alle Zukunft die dominierende Stellung seiner oberbayerischen Hausmacht und damit die Kontinuität seiner Führerschaft. Seine „ 25 Punkte" wurden — was für Hitler jetzt zu einer Prestigefrage geworden war — als Parteiprogramm für „unabänderlich" erklärt. Eine andere und wichtigere Verbesserung aber bestand darin, daß die Gauleiter von nun an nicht mehr — wie bisher — gewählt, sondern vielmehr vom Parteivorsitzenden ernannt wurden. Damit hatte sich Hitler zum unumschränkten und unangreifbaren Herrn der Bewegung aufgeschwungen, der junge Kukkuck hatte auch die letzten Überreste des Alten hinausgedrängt und füllte das Nest nun völlig aus. Die Partei war zu seiner Partei geworden.
Noch im November des gleichen Jahres holte er zu einem weiteren Schlag aus. Er belehnte den von den Strassers halbwegs schon als „Verräter von Bamberg“ betrachteten Goebbels mit der Würde eines Gau-leiters von Berlin, der zu allem Überfluß aus dem allgemeinen Partei-gefüge herausgelöst und, statt wie gewöhnlich über das zwischengeschaltete Relais des „Reichsorganisationsleiters" Strasser, vielmehr Hitler unmittelbar unterstellt wurde. Damit war den Strassers ein Aufpasser mitten in das Herz ihrer Stammlande gesetzt worden, der sich bald mit unheimlicher Energie und dem Eifer des Apostaten daranmachte, den Einfluß seiner ehemaligen Gönner, notfalls auch mit Brachialgewalt, auszuschalten und seinem Führer die Reichshauptstadt nicht nur von Rot-Front und Reaktion, sondern auch von den Häretikern aus dem eigenen Lager zu säubern.
Im Juli 1926 hatte Hitler erstmalig wieder einen Reichsparteitag auf gezogen, Nummer 2 in der parteioffiziellen Zählung und infolge der Redeverbote ausnahmsweise in Weimar stattfindend. Im August des kommenden Jahres bestand ein solcher Verlegungsgrund nicht mehr, so daß Hitler seinen Parteikongreß nun wieder im Kronland Bayern abhalten konnte — und zwar im Nürnberg Julius Streichers, welchen dafür hervorragend geeigneten Schauplatz er mit seinem ausgeprägten Sinn für den propagandistischen Nutzeffekt von Traditionen in Zukunft (1929 und 1933— 1938) als „Stadt der Reichsparteitage“ beibehielt. 1927 durften hier die braunen Marschierer aus allen Teilen Deutschlands — 50 000 verstand man inzwischen auf die Beine zu bringen — ihr Idol zum ersten Male ebenfalls im Schmuck des Braunhemds bewundern, während Hitler bislang seine Paraden in einer Art Räuberzivil — zerknautschtem Filzhut, lieblos zusammengeschnürtem Trenchcoat und bajuwarischer Unterleibsbekleidung — abzunehmen pflegte. Zwar hatte der Byzantinismus noch längst nicht den Pegelstand späterer Jahre würdelosen Heroenkults erreicht, und wenn man vom „Führer“ sprach, so meinte man damals noch das gedruckte Programm. Immerhin hatte Hitler aber in den vorangegangenen, relativ ruhigen Zeiten sein Wissen um das zweckmäßigste, nämlich auf seine Person hinzielende und in seinem Erscheinen hymnisch gipfelnde Ritual solcher politischen Massendelirien zu perfektionieren gewußt: gewiß schon in Zusammenarbeit mit dem auf diesem Gebiet unerhört talentierten jungen Goebbels war er zum unbestrittenen Meister auf der Klaviatur der demagogischen Liturgie herangereift.
Da wartet etwa dichtgedrängt in einer Halle eine Menschenmenge auf den Redner Adolf Hitler, der sich verspätet, eine halbe Stunde, eine Stunde, — nicht weil er eine Abhaltung hätte, nein: er sitzt irgendwo in einer Parteigeschäftsstelle oder in einem Hotelzimmer und erhält alle paar Minuten telefonisch einen Stimmungsbericht aus dem Saal übermittelt, wie dort die spannungsgeladenen Zuhörer durch hämmernde Marschrhythmen langsam „angeheizt“ werden, wie geschickt arrangierte Durchsagen wirken, wie die Massen singen, wie der Fahnen-einmarsch „ankommt", wie alles sich in Richtung auf jenen Augenblick zuspitzt, wo ER unter ohrenbetäubendem Jubel seinen Einzug halten wird. Ist es hier die Kundgebung, so ist es dort die „Demonstration“, der Aufmarsch, im Kraftgefühl von gemeinsamem Marschtritt und gemeinsamer Uniform ausgehender „Verschworenheit“, das sich ablösende Zeremoniell von Hacken-Zusammenschlagen, Strammstehen, Marschieren, Melden und Grüßen, bis dann der ersehnte Moment gekommen ist, da sich das ob seiner suggestiven Kraft berühmte Auge Hitlers mit geübter Meisterschaft gerade diesen und diesen, jeden einzelnen der aus der vorbeiströmenden Kolonne schwärmerisch zu ihm emporgerichteten Blicke zu suchen und zu erwidern scheint.
Das war gekonnt, das machte ihm so leicht keiner nach. „Herrgott, Leute", hat Hitler einmal über die Katholische Kirche gesagt, „das ist eine Institution, di. von müssen wir lernen. Da steckt Witz und Mensdienkenntnis drin, die kennen ihre Leute.“ Und er kannte sie auch, er witterte instinktiv jene — in zwangsläufiger Pendelbewegung und Antithese zu der behäbigen Bürgermoral langer Vorkriegsjahre herangewachsene — Aufgeschlossenheit für das Düster-Heroische, die sich nur in scheinbarem Widerspruch befand zu einem in gesteigertem Herdentrieb Ausdruck findenden Sekuritätsbedürfnis, — welche beiden Pole Hitler in einem raffinierten schaurig-erhabenen Kult des Gigantischen zu überbrücken verstand. Noch mußten freilich eine flinke Organisation und eine geschickte Photographie manche Blöße der Unvollkommenheit bedecken, und es war noch ein weiter Weg bis zu jenen Weihestunden, in denen ein einsamer Hitler, nur von Scheinwerferbündeln und zwei in respektvoller Entfernung folgenden Großen geleitet, unter seinem „Lichtdom“ auf breitem Betonband durch die nächtlich-dunklen Blöcke einer nach Zigtausenden zählenden Menschenmasse schritt, — das aber war dann nur noch eine Frage der Mittel, der technisch perfektionierten Regie, der Macht. Jener Macht, um die als Zentrum die gesamte Hitlersche Scheinideologie kreiste und zu der er ein beinahe mystisches Verhältnis gewonnen hatte, was in dem häufigen Gebrauch solch eigenartiger Begriffe wie „an die Macht gelangen", „die Macht übernehmen" seinen Ausdruck fand. Den Weg zu dieser so heiß begehrten Macht jedoch ebneten dem weithin unbekannten Sektierer, der sich bislang nur wenig vom 1000-Mark-Schein-Winter oder vom Weißkäsepropheten Weißen-berg unterschied, zwei Ereignisse: der Young-Plan und die Weltwirtschaftskrise.
Am 7. Juni 1929 hatte der „Sachverständigenausschuß“ unter dem amerikanischen Bankier Young seinen Plan zur endgültigen Festlegung der deutschen Reparationsleistungen vorgelegt, der zwar in einer gleitenden Skala weitere 59 Jahreszahlungen festsetzte, die jedoch um durchschnittlich eine halbe Milliarde Mark unter den bisherigen Annuitäten lagen. Ferner sollten die ausländischen Kontrollen der deutschen Wirtschaft — zum Beispiel der Reichsbahn — aufgehoben werden, und schließlich gelang es zwei Monate später in Den Haag dem todkranken Stresemann, von Briand die vorzeitige Räumung des Rhein-landes bis Ende Juni 1930 konzediert zu erhalten. Dies alles war zwar keine völlig den deutschen Wünschen entsprechende Lösung, aber doch immerhin ein schöner Schritt vorwärts, wobei man noch nicht einmal vorauszusehen brauchte, daß das ganze Reparationsproblem zwei Jahre später (von Hitler) sowieso gänzlich liquidiert werden würde.
Für die Rechtsparteien jedoch bedeutete der Kampf gegen die „YoungSklaverei" einen willkommenen Hebel gegen das verhaßte „System“. Hauptrufer im Streit, der sich über ein gerade noch mit 0, 02 Prozent erfolgreiches Volksbegehren und einem mit nur sechs statt der nötigen 21 Millionen Stimmen gescheiterten Volksentscheid bis zur Verabschiedung des Young-Gesetzes im März 1930 hinzog, war der deutschnationale Parteiboß Alfred Hugenberg, — Herr über ein dichtes Geflecht von Zeitungen und Nachrichtenagenturen sowie über den Ufa-Filmkonzern. Hier schlossen nun die konservativen Magnaten, denen alles zur Verfügung stand bis auf das erforderliche Stimmvieh, zum ersten Male einen Pakt mit dem „Trommler“ Hitler, und es begann somit die Geschichte eines fatalen Irrtums, über den jene Herren trotz mancher zwischenzeitlichen Ernüchterung endgültig erst im Verlauf des Jahres 1933 aufgeklärt werden sollten.
Hitler aber machte diese Allianz des Jahres 1929 hoffähig und bekannt. Die Fernschreiber, Rotationen und Zelluloidstreifen des Hugenbergschen Propaganda-Trusts hämmerten sein Gesicht und seine Paraphrasen zum unerschöpflichen Young-Thema in Millionen Hirne, die bisher nichts gehört hatten von diesem Mann, der hier Arm in Arm mit dem renommierten Statthalter des Kapitals in der politischen Arena erschien. So war es kein Wunder, daß schließlich allein Hugenberg der Verlierer der Schlacht gegen den Young-Plan war, während Hitlers Aktien von nun an beispiellose Kursgewinne notierten. In den folgenden Landtagswahlen sprengten die Nationalsozialisten ihre bisherige Bedeutungslosigkeit, und am 23. Januar 1930 zog in Thüringen Wilhelm Frick als erster Nationalsozialist in ein Ministerium ein.
Aber das waren noch Vorgeplänkel von lediglich lokaler Bedeutung; erstmalig an den schwachen Fundamenten der Republik selbst rüttelte die Hand Hitlers in der Nacht zum 15. September jenes Jahres. Am Tage zuvor hatte das deutsche Volk die Reichstags-Stimmzettel in die Urnen geworfen, sieben Prozent Wahlberechtigte mehr hatten sich beteiligt als bei der letzten Wahl. Gegen drei Uhr morgens erfuhr die Welt von einem politischen Erdrutsch, dessen Ausmaße selbst Hitler vorher nicht für möglich gehalten hatte: statt des bisherigen verlorenen Häufleins von ganzen 12 Abgeordneten wird er in den neuen Reichstag eine Sturmabteilung von 107 Mann abkommandieren können, — Abgeordnete eines Parlaments mit nur dem einen Auftrag, eben dieses Parlament funktionsunfähig zu machen. In jener Nacht aber atmete Hitler tief auf: nun war es geschafft, nun würde den anderen wohl das Lachen vergangen sein! Jetzt konnte er sein Spiel beginnen, das ihm dadurch erleichtert werden wird, daß im Reichstag die für das Bestehen des Staates lebenswichtige, beide Flügelgruppen abtrennende Grenzziehung zwischen demokratischen und antidemokratischen Parteien unglücklicherweise immer wieder verwischt wurde durch den überkommenen, von leicht angestaubten Ressentiments auf der einen, einer schon mehr liturgisch gewordenen Tradition auf der anderen und Interessentenrücksichten auf beiden Seiten genährten Gegensatz zwischen „bürgerlich“ und „sozialistisch".
Wichtigster Sattelhelfer Hitlers bei diesem wie bei den folgenden Erfolgen war jedoch die Weltwirtschaftskrise, die in Deutschland auf eine weitere Krisenerscheinung traf. Denn zweifellos war es eine nicht nur oberflächliche und zeitbedingte, sondern eine strukturelle Krise, in der sich die erste deutsche Demokratie eigentlich latent schon immer befunden hatte, die nach einigen Jahren scheinbarer Ruhe seit 1930 wieder zum offenen Ausbruch kam und zwei Jahre später den jungen Staat in die Agonie stürzte. Vielfältig waren die Hypotheken, mit denen die Republik von Weimar seit ihrer Geburt in den Augen mit zunehmender zeitlicher Entfernung und damit Vergeßlichkeit immer breiter werdender Volksschichten belastet war. Alle die Kosten des vom ve gangenen System verlorenen Krieges hatte der neue Staat einzutreiben, all seine Folgen seit der Demütigung der Niederlage auf sich zu nehmen. Und überdies war es für die Anhänger des Gestürzten, die sich nach kurzem Rückzug aus der Öffentlichkeit bald wieder ins Rampenlicht drängten, ein leichtes gewesen, die neue Staatsform selbst als eine Kriegsfolge, als einen —wie es triumphierend hieß: offenbar vergeblichen — Tribut an die Feindmächte zwecks Erlangung besserer Friedensbedingungen zu diskreditieren.
Es war wirklich nicht schwer, diese Weimarer Republik in Mißkredit zu bringen, diese Demokratie, in der die Demokraten schon 1920 in der Minderheit gewesen waren und die seitdem nur noch von der Duldung durch die Gemäßigteren ihrer Gegner und von den Gegensätzen unter den Extremisten lebte. Wenn man, wie früher vielfach üblich, Beamtenschaft und Heer als die hauptsächlichen Säulen eines Staates bezeichnet, so kann man die Weimarer Demokratie getrost als freischwebende Konstruktion ansprechen. Daß sie die Verwaltungsbeamten, die Richter, die Lehrer und die Offiziere vom alten System übernommen hatte, war wohl zweckmäßig gewesen und zwecks Verhütung eines Chaos unvermeidlich. Daß jedoch in einem zwar honorigen, aber letzten Endes unheilvollen Sinn für die Kontinuität „wohlerworbener Rechte“ all diese potentiellen Feinde trotz vorübergehender gegenteiliger Überlegungen und trotz andersgearteter ausländischer Beispiele wiederum fest in ihren Ämtern und Funktionen verankert worden waren, das hatte das Trojanische Pferd gleich zu Beginn in das neue Haus gebracht. So war es zwar zu einer Demokratisierung der obersten Behördenspitzen und zu einer flüchtigen demokratischen Übertünchung der Amtsstuben gekommen, darunter aber wucherte das zähe Geflecht derjenigen, die dem neuen Staat im besten Falle aus vernunftmäßigen Überlegungen oder in formaler Loyalität dienten, mit dem Herzen jedoch der „guten, alten Zeit“ verhaftet blieben und daraus auch gar kein Hehl machten.
In dieses Staatswesen, das aus einer Minderheit staatstragender Bürger, einer ebensolchen, vielleicht stärkeren, zumindest aber unheimlich aktiveren Minorität entschlossener, mit allen Mitteln der Hetze und Versöhnung arbeitender Gegner und einer großen, zunächst mehr oder weniger desinteressierten, dabei aber meist skeptischen Masse bestand, fuhr die Weltwirtschaftskrise mit der vernichtenden Gewalt eines Orkans. Von dem Herzen der Weltwirtschaft, von den USA, war im Oktotober 1929 die Flutwelle ausgegangen, — dort wie in anderen Ländern richtete sie kaum geringere Verheerungen an. Im Weimarer Deutschland jedoch radikalisierte sie die Massen eines Staates, der von der Mehrheit des Volkes nicht geliebt, sondern nur geduldet wurde. Für die auf der Lauer liegenden erklärten Feinde der Republik war es nicht schwierig, dem „System“ die Schuld an der doch weltweiten Katastrophe in die Schuhe zu schieben und die Arbeitslosenheere wie auch das existenz-bedrohte und sich angstvoll windende Kleinbürger-und Bauerntum einzufangen.
Die Flut umspülte die durch kurzfristige Ausländsanleihen zu einer Scheinblühte gedopte und deshalb besonders anfällige deutsche Volkswirtschaft. Das ausländische Kapital floß ab, die Produktion sank, das Lohnniveau brach zusammen, Geschäfte mußten schließen und Fabriken stillgelegt werden, Banken fallierten, der Export schrumpfte auf ein Minimum. Wenn auch Ereignisse wie etwa im Sommer 1931 der Schalterschluß der Danat-Bank mit folgenden allgemeinen Bankfeiertagen und Börsenschluß zu gewaltigen Stürmen führten, so war doch das drängendste der durch die Wirtschaftskrise hervorgerufenen Probleme die lawinenartig anschwellende Arbeitslosigkeit. Allein die offizielle Voll-arbeitslosenstatistik verzeichnete im Februar 1930 mehr als 31/4 Millionen, ein Jahr später knapp 5 Millionen und ein weiteres Jahr darauf sogar über 6 Millionen Menschen, die auf der Straße lagen und zusammen mit ihren Familien ein Heer von Deklassierten bildeten, das keinen . Vernunftargumenten mehr zugänglich war, — eine Armee des Elends, die gebieterisch Rettung forderte.
Aus allen sozialen Schichten rekrutierte sich diese schier endlose Kolonne der Hoffnungslosigkeit, denn überall mähte die Krise die Existenzen. Erschwerend kam hinzu, daß vor allem die Jugend radikalisiert wurde, da sie in diese Misere gleichsam hineinwuchs und kaum eine andere Möglichkeit mehr vor sich sah als die des dauernd Arbeitslosen. Für alle jedoch hält Hitler einen geeigneten Schuldigen an der augenblicklichen Lage bereit und einen Weg aus jenem Elend, das er selbst so fleißig nährt durch die Auswirkungen seines Bramarbasierens und seiner Wahlerfolge auf die ausländischen Investitionen wie durch seine bewußte „Katastrophenpolitik", die unverhüllt alles fördert, was den Staat und die Wirtschaft zu beeinträchtigen geeignet ist. Er fischt in den Menschenreservoiren aller in ihrem Dasein bedrohten Schichten, er sammelt mit seinen variantenreichen Appellen an die Gefühle die Verzweifelten aller Klassen und gräbt so seiner Konkurrenz vom linken Flügel das Wasser ab, die mit überwiegend rationeller Argumentation lediglich das „Proletariat“ umwirbt.
Zu Hitlers Taktik aber gehört es gerade, nach allen Richtungen zu lavieren, ohne sich irgendwo fest zu verpflichten. So hat er etwa inzwischen längst schon die deutsche Landwirtschaft in sein ursprünglich asphalt-gezeugtes und keineswegs vom erdigen Blubo-Geruch späterer Jahre durchzogenes Aktionsprogramm ausgenommen: eine Zusatzerklärung zu Punkt 17 hatte im April 1928 die einst in den Bierkellern erwachsene Forderung nach „Bodenreform" und „unentgeltlicher Enteignung“ auf die „jüdischen Grundspekulationsgesellschaften“ eingeschränkt. Nun verkündete Hitler am 6. März 1930 ein Agrarprogramm, das den Wünschen der Landwirtschaft voll und ganz entgegenkommt, obwohl diese mit ihren Zuschüssen und Schutzzöllen die geschrumpfte Kaufkraft wahrhaftig schon genügend belastet. Wahlerfolge gerade in den landwirtschaftlichen Gegenden werden die gemachten Versprechungen schon bald zufriedenstellend honorieren.
Bereits sein Bündnis mit Hugenberg hat dem Führer dieser „Arbeiterpartei“ aber auch Kanäle zu den politischen Fonds der Schwerindustrie gegraben. Kirdorf, Thyssen, Voegeler, Springorum, Deterding, Otto Wolff steuern nun ihre Scherflein in die NSDAP-Parteikasse; der Frontwechsel des einstigen Young-Plan-Unterzeichners, nach dem Tumult von rechts aber schleunigst von seinem Posten als Reichsbankpräsident zurückgetretenen Dr. Schacht, schafft Hitler außerdem Kontakte zu den Großbanken. Dies alles darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß gewichtige Kreise der Wirtschaft dem Rechtsradikalismus bis 1933 ablehnend gegenüberstanden; und auch die von den Düpierten beigesteuerte Gesamtsumme wird kaum viel mehr als 5 Millionen Mark betragen haben. Mußte ein solcher warmer Regen Hitler gewiß recht willkommen sein, so langte er jedoch nicht annähernd aus, um das Idol der Hoffnungslosen an die berühmte goldene Kette zu legen, ihn an den Fäden der Schwerindustrie oder des Finanzkapitals tanzen zu lassen. Die Wahlzettel des Kleinbürgertums waren Hitler weitaus wichtiger als die Schecks der Wirtschaftsführer, die dann später beiläufig mit Rüstungsaufträgen und dem Sozialfrieden der „Arbeitsfront" eingelöst wurden.
Einige Folgen zog das Techtelmechtel mit dem Gold aus Schwarz-Rot-Gold allerdings nach sich. Seine Reichstagsfraktion ließ Hitler ohne jede Rücksicht auf ihr Prestige den eigenen Gesetzentwurf gegen „Bankund Börsenmagnaten" zurückziehen und niederstimmen, und auch den sozialistischen Parteiideologen Gottfried Feder opferte er auf dem Altar der neuen Freundschaft: der in der Anfangszeit so einflußreiche Theoretiker fristete von Stund an bis zu seinem Tode nur noch ein Schattendasein in den Randbezirken der Macht. Schon vorher, im Mai 1930, hatte Hitler ebenfalls mit Otto Strasser gebrochen, als dieser sich weigerte, mit seinen Zeitungen die Hitler von den Geldgebern „nahegelegte“ Abwürgung eines Streiks in Sachsen zu unterstützen. In einem zweitägigen Ringen mit Strasser zog Hitler — erstmalig vielleicht sogar vor sich selbst — die Konsequenzen und distanzierte seine rassistisch verbrämte Machtpolitik von dem, was er als „doktrinäre Narreteien politisdier Wandervögel“ bezeichnete: „Halten Sie mich für so verrückt, daß ich die deutsche Großindustrie zerstören will? Die Unternehmer haben sich auf Grund ihrer Tüchtigkeit an die Spitze gearbeitet. Und auf Grund dieser Auslese, die wiederum nur die höhere Rasse beweist, haben sie ein Recht zu führen.“
Mit Otto Strasser „verließen die Sozialisten die Partei“, — so wenigstens proklamierte dieser. Es zeigte sich jedoch, daß offenbar so gut wie keine darin waren, denn der Effekt war gleich Null. Angesichts ihrer Existenznot interessierten die Massen solche Querelen nicht im geringsten; was sie benötigten, dringend benötigten, war die Rettung aus ihrer Angst. Die aber erwarteten sie von Hitler, von dem Manne Hitler, nicht von seiner Partei und auch nicht von seinen Prinzipien. Schon jetzt waren Worte nur noch Bla-Bla, die Ratio hatte vor dem, was aus tieferen Schichten hervorgebrochen war, kapituliert, und nur Hitler vermochte dieses Bedürfnis nach irrationalem Trost zu stillen, — Faszination und Hoffnung waren alles.
Deshalb änderte sich auch nichts, als im Frühjahr 1931 die Berliner SA-Führung unter Hauptmann a. D. Stennes vergeblich im Sinne Otto Strassers gegen den Münchener Kurs putschte. Damals hatte Hitler gerade ein halbes Jahr zuvor den Obersten SA-Führer Pfeffer ausgeschaltet, sich selbst zum „OSAF“ gemacht und als seinen „Stabschef" zum Jahresbeginn Röhm aus Bolivien zurückberufen. Damit war eine gewaltige Umorganisation angelaufen, die den Umfang der braunen Partei-armee auf mehrere Hunderttausend anschwellen ließ, in ihrer Führung jedoch die Gruppe der „Offiziere“ ausschaltete zugunsten eines wilden Haufens verwegener Schläger und professioneller Landsknechte, untereinander durch die Liebe und der politischen Organisation der Partei gegenüber durch die der SA von Anfang an inhärente Verachtung der „Bonzen“ verbunden, — mit dem trotzigen Selbstgefühl einer im Kampf auf sich gestellten Flibustier-Besatzung herabblickend auf die von Hitler auf Gedeih und Verderb abhängige, jederzeit auswechselbare Partei-bürokratie.
Hitler wußte wohl und sehr genau, was das für Leute waren, die Röhm wie ein Magnet anzog, auch wenn ihm dieses Treiben gewiß als kompromittierend zuwider war und obwohl er sich dann 1934 so frisch entrüstet zeigte. Er hatte aber seit einiger Zeit ein Eisen im Feuer, das für die künftige Bedeutung seiner Revolutionsgarde als Faktor und Teilhaber der Macht sowieso nicht viel Gutes verhieß. Im Jahre 1929 nämlich hatte er begonnen, 1923 auf bayerischem Provinzparkett zerrissene Fäden nun im Reichsmaßstab neu zu knüpfen: mit dem für ihn charakteristischen Gemisch von Zuckerbrot und Peitsche umwarb er wieder Offizierskorps und Generalität der Reichswehr, die der Republik bestenfalls in formaler Loyalität, meist aber mit kaum verhohlener Verachtung dienten. Im Ulmer-Reichswehr-Prozeß vor dem Reichsgericht versicherte der Zeuge Hitler am 25. September 1930, daß er jede Zersetzung der Reichswehr ablehne, vielmehr bot er ihr einen bevorzugten Platz in seinem künftigen NS-Staat an. Hier in Leipzig bestätigte er auch feierlich sein Kampfprinzip, über das er sich zwar bereits in Landsberg klargeworden war, an das Feinde wie Anhänger nicht so recht glauben zu lassen jedoch zu seinen Kampfmitteln gehörte: die Legalität.
Das aber war tatsächlich der Trick, der Hitler den Weg in die Wilhelmstraße ebnete. Gegen einen offenen Revoluzzer hätte sich die Reichswehrführung vielleicht doch zu einer Aktion aufgeschwungen, hätte sich die seit dem Sommer 1930 nur noch mittels präsidialer Not-verordnungen regierte und dadurch kaum selbstbewußter gewordene Republik von Weimar vielleicht doch zu einem Verbot durchgerungen, vor dem Hitler sich fürchtete wie der Teufel vor dem Weihwasser. So jedoch spottete man über den „schönen Adolf Lgalit", den man als „Popanz für die Masse“ auszustopfen gedachte, und hielt dafür, die Kalamitäten der Republik nicht durch eigene Entschlüsse noch zu vermehren und einen Mann nicht zum äußersten zu treiben, der versprochen hatte, sein Ziel mit den verfassungsmäßigen Mitteln zu erreichen, die Verfassung mit der Verfassung zu überwinden, die Demokratie auf demokratische Weise zu vernichten. Was machte es schon, daß Hitler es als ein Ziel jenseits der nur für den Weg bindenden Verfassung bezeichnet hatte, den Staat „in die Form zu gießen, die unseren Ideen entspricht , — obwohl aus „Mein Kampf“ unschwer entnommen werden konnte, welcher Art diese waren. Angesichts solcher Überlegungen vermochten die braunen Catilinarier im großen und ganzen — von vorübergehenden Nadelstichen wie Uniform-, Rede-und Demonstrationsverboten abgesehen — unbehelligt aus den Gossen emporzusteigen und zu ihrer organisierten Verschwörung gegen den Staat zusammenzutreten. Mächtigste Persönlichkeit im Reichswehrministerium war damals der General von Schleicher, ein Mann, der gern Fäden zog und gern an Fäden zog, der jedoch sozialen Gedanken bis zu einem gewissen Grade aufgeschlossen und überdies nach dem Abschied des Reorganisators Seeckt gerade bemüht war, dessen Axiom von der apolitischen Reichs-wehrzugunsten aktiver Einmischung in die Politik beiseite zu schieben. Hierbei erschien ihm nun der Trommler Hitler recht geeignet als Zu-treiber der erforderlichen Massen, wobei dieser gewiß kluge Vertreter eines nur selten von außergewöhnlicher politischer Weitsicht angekränkelten Berufsstandes zu seiner Entschuldigung hätte anführen können, nicht der einzige in solchem Irrtum gewesen zu sein. Alle diese Dilettanten aus Heer und Wirtschaft konnten nur Statistenrollen spielen, wo ein Mann von der Willenskraft, der Bedenkenlosigkeit und dem taktisch-politischen Geschick eines Hitler auf der Bildfläche erschien.
Schleicher war es auch, der den senilen Hindenburg bewog, sich doch den „böhmischen Gefreiten" einmal aus der Nähe anzusehen. Diese bemerkenswerte Begegnung fand am 10. Oktober 1931 statt, — einen Tag bevor die Führer aller Rechtsverbände und -parteien in Bad Harz-burg eine gemeinsame „Front“ zu gründen suchten, an der ein mißgestimmter Hitler jedoch nur widerwillig und mit dem festen Vorsatz, diese Reaktionäre lediglich als Sprungbrett auf dem Wege zur Macht zu benutzen, teilnahm. Schuld an Hitlers Unbehagen trug damals gewiß auch der nicht überaus erfolgreiche Ausgang seiner Unterredung mit dem „Marschall-Präsidenten", der von seinem Leibjournalisten Goebbels kein halbes Jahr zuvor öffentlich als Trottel beschimpft worden war. Hier hatte Hitler einen seiner endlosen Monologe vom Stapel gelassen, damit aber weniger beeindruckt als vielmehr gelangweilt, da sein Gesprächspartner — nicht nur Soldat, sondern alt gewordener Soldat, der er war — knappe, präzise Antworten solchen weitschweifigen, längere Aufmerksamkeit fordernden Exkursen vorzog. „Höchstens Post-minister“ könne der Mann einmal werden, hatte der „alte Herr“ anschließend resümiert, — keine 500 Tage vor dem 30. Januar. So zunächst im Ergebnis zwar ein Fehlschlag, war diese Audienz doch allein durch ihre bloße Tatsache ein Erfolg für Hitler, hatte man doch erstmalig auf höchster Ebene mit ihm zu verhandeln für notwendig erachten müssen.
Dieser alte Mann aber war nicht nur Präsident einer Republik, die für ihre Spitzenstellung offenbar keinen besseren Republikaner hatte finden können als den aus seinem handfesten Monarchismus nie ein Hehl machenden Feldmarschall Wilhelms II., — dieser alte Mann, der nach seiner nun zwanzig Jahre zuvor erfolgten Pensionierung wenigstens nominell die Schlacht bei Tannenberg und einige weitere gewonnen hatte, war eine nationale Institution, war der geometrische Ort all des meist zwar verkitschten, deshalb aber noch nicht ungefährlicheren bürgerlichen Patriotismus. Daher konnte es keine reine Freude sein, als dann im folgenden Jahr 1932 der Gefreite aus Braunau gegen diesen nationalen Mythos in den Ring steigen mußte. Es war dies das letzte Jahr der Republik von Weimar, das Jahr von fünf Wahlen und zwei Intriganten, ein Jahr, in dem Hitler eigentlich nichts weiter zu tun brauchte, als die Nerven zu behalten, um schließlich die Sense zum Ernteschnitt ansetzen zu können.
Zunächst also war die Neuwahl des Reichspräsidenten fällig, nachdem die Rechtsparteien eine parlamentarische Verlängerung der Amtszeit abgelehnt hatten. Am 22. Februar ließ Hitler — wiederum nach wochenlangem Zögern — Goebbels im vor Begeisterung rasenden Sportpalast seine Kandidatur verkünden. Das kleine Hindernis seiner Staatenlosigkeit (Hitler war 1925 auf eigenen Antrag aus der österreichischen Staatsbürgerschaft entlassen worden) ließ sich schnell überwinden. 1930 noch hatten die thüringischen Koalitionspartner Frick das Handwerk gelegt, als er im Juli seinen Führer für den gleichen Zweck zum Gendarmeriekommissar in Hildburghausen hatte ernennen wollen, jetzt aber ging die Sache in Braunschweig glatt über die Bühne, wo die Nationalsozialisten einen der beiden Minister stellten. Beinahe wäre die dortige TH mit einem Professor Hitler beehrt worden (seine Antritts-vorlesung über politische Pädagogik war schon ins Auge gefaßt), dann aber entschloß man sich, den Ex-Österreicher lieber zum Regierungsrat bei der braunschweigischen Gesandtschaft in Berlin zu ernennen. Am 26. Februar wurde der neue Beamte vereidigt. Wie es heißt (die Akten allerdings verzeichnen das aus begreiflichen Gründen nicht), ließ er zu dieser feierlichen Handlung seinen Vorgesetzten im Hotel Kaiserhof antreten. Sein Dienstgebäude wird der Regierungsrat Hitler zwar während seiner — formal ein Jahr dauernden — „Amtszeit“ kaum betreten haben, jedoch soll es ihm immerhin gelungen sein, die ihm obliegend'„wirtschaftlichen Interessen“ seines Landes durch einen LKW-Auftrag für die Autofirma Büssing tatkräftig zu fördern.
e Im ersten Wahlgang brachte Hitler es trotz eines Wahlkampfes voll hemmungslosester Agitation und trotz hochgespannter Erwartungen nur auf 111/3 Millionen Stimmen, 30 Prozent der abgegebenen, weshalb er niedergeschlagen von einem „Kunersdorf der Bewegung“ sprach. Da dem Sieger Hindenburg aber 0, 4 Prozent an der erforderlichen absoluten Mehrheit fehlten, war ein zweiter Wahlgang erforderlich, der Hitler — sein deutschnationaler Rivale Duesterberg war aus dem Rennen genommen worden — weitere 2 Millionen Wählerstimmen einbrachte. In diesem Wahlgang hatte Hitler alle Register gezogen und erstmalig von einem amerikanisch anmutenden Mittel Gebrauch gemacht, das er auch in den drei weiteren Wahlen jenes Jahres mit erheblichem psychologischen Erfolg einsetzte: er charterte ein Flugzeug und raste über Deutschland, sprach an einem Abend in drei oder vier weit auseinanderliegenden Städten je eine Viertelstunde und enthusiasmierte bei der An-und Abfahrt auch gleich noch die neugierigen Menschenmengen rund um die Flugplätze. Auf dem von seiner Presse gehörig breit-gewalzten „ 1. Deutschlandflug" besuchte er einundzwanzig Städte in sieben Tagen, auf dem 2. fünfundzwanzig Städte in acht Tagen, auf dem 3. fünfzig Städte in sechszehn und auf dem 4. ebenfalls fünfzig Städte in vierundzwanzig Tagen.
Mit solcher Hilfe hatten die Landtagswahlen vom 24. April die Nationalsozialisten in Preußen und einigen anderen Ländern zur stärksten Fraktion gemacht, in Oldenburg gar erhielten sie einen Monat darauf erstmalig die absolute Mehrheit. In diesem Mai 1932 aber stürzte Schleicher im Namen der Reichswehr den Zentrumskanzler Brüning, der seit Jahren lediglich mit Hilfe der Notverordnungen eines Reichspräsidenten regiert hatte, welcher ihm jetzt die Wiederwahl mit den Stimmen der verachteten demokratischen Parteien nicht zu verzeihen gewillt war. Als Unterstützung für das neue Präsidialkabinett des „Herrenreiters“ von Papen, den er irrtümlich für dumm genug hielt, um brauchbar zu sein, versicherte sich Schleicher Hitlers und seiner Partei: für die Duldung des neuen Kanzlers bot er die Aufhebung des von Brüning im April verhängten, Hitler recht ustangenehmen Verbots von SA und SS sowie neue Reichstagswahlen. „Wählen, wählen!“ schrieb Goebbels am 30. Mai begeistert in sein Tagebuch. „Heran ans Volk! Wir sind alle sehr glücklich.“
Als die SA nun wieder die Straße betritt, beginnen Monate wildester, blutiger Kämpfe; kaum eine Nacht vergeht, ohne daß irgendwo Schießereien stattfinden. Am 31. Juli — elf Tage zuvor hat Papen seinen preußischen Staatsstreich über die Bühne gehen lassen und die demokratische Preußenregierung so gut wie widerstandslos überfahren — wird der neue Reichstag gewählt: 230 seiner 608 Mitglieder werden das Braunhemd tragen; 37, 4 ’/o aller Wähler, das sind 13, 8 Millionen, haben Hitler ihre Stimme gegeben auf das bloße Versprechen hin, alles müsse und werde anders werden. Das neue Parlament ist völlig manövrierunfähig, Nationalsozialisten und Kommunisten verfügen zusammen über die absolute Mehrheit. Aber Hitler ist deshalb noch längst nicht am Ziel: parlamentarisch regieren könnte er allein zusammen mit dem Zentrum, seine Forderung nach einer Präsidial-Kanzlerschaft aber lehnen Papen, Schleicher und Hindenburg in der ersten Augusthälfte ab.
Hitler begeht hier den Fehler, coram publico nach der „Macht“ zu greifen, und muß sich ebenfalls coram publico — dafür sorgt Papen — am schwarzen 13. August von dem greisen kaiserlichen Reichsverweser wie ein Schuljunge abkanzeln lassen. Derartig beschämend „eingeseift“, sieht sich Hitler also gezwungen, erneut zu kämpfen; seine Reserven jedoch sind nahezu erschöpft. Finanziell ist aufgebraucht, was ihm sein demagogisch vollendeter Auftritt vor dem Düsseldorfer Industrieclub zu Kaisers Geburtstag eingebracht hatte; gefährlicher aber noch ist die Unzufriedenheit in den Reihen seiner ungeduldigen Kohorten: hungrig und beutegierig sind sie, mit Hinweis auf die in Griffweite lockenden Futterkrippen hatte ihr Herr und Meister sie losgekettet, — und nun sollen sie kurz vor Erreichen des Zieles wieder anhalten, weiterhungern wegen irgendwelcher unverständlichen Überlegungen und Hirngespinste? Warum jetzt nicht endlich Schluß mit diesem dummen Legalitätsgetue, 40 Prozent des Volkes stehen hinter uns, warum nicht mit einem letzten Stoß die morsche, todgeweihte Republik völlig zertrümmern?
Es zählt zu Hitlers größten Leistungen, hier die Nerven behalten zu haben. Er weiß, daß es noch genügend starke Kräfte gibt, die alles andere als erpicht sind auf seine Herrschaft und denen äußerst gedient wäre mit einem hinreichenden Rechtfertigungsgrund, seine Bewegung mit Gewalt niederzuschlagen und den Ausweg über Militärdiktatur und Restauration zu suchen. So bleibt Hitler hart, auch als Papen der porös gewordenen Bewegung einen weiteren Wahlkampf aufzwingt (der letzte Reichstag unter der neuartigen Präsidentschaft Görings hatte es nur zu einer einzigen, turbulenten Sitzung gebracht). Und Papens Zermürbungstaktik scheint von Erfolg gekrönt zu sein: am 6. November verliert Hitler 2 Millionen Stimmen und 34 Mandate. Papen triumphiert, der Bann ist gebrochen, die Enttäuschten sind erneut enttäuscht, die Bewegung zeigt sich gelähmt unter dem Eindruck dieser Schlappe. Eine Ressentiment-Partei aber wie die Hitlers ist auf Erfolg, auf immer neuen Erfolg angewiesen, ein solcher Rückschlag vermag unübersehbare Kettenreaktionen auszulösen.
Es spricht also viel dafür, daß die Republik nur noch etwas länger hätte aushalten müssen, um Hitler auszumanövrieren. Wer allerdings hätte da „aushalten“ sollen? Die Beamtenschaft, die ihren Staat günstigstenfalls tolerierte? Die bewaffnete Macht, deren „unpolitische“, jedenfalls aber antidemokratische Haltung bereits so nationalistisch unterwandert war, daß die unentschlossenen Konservativen schnell wieder ihre zur Verhütung der Hitlerschen Machtergreifung vorübergehend aufgetauchten Staatsstreichpläne begraben mußten? Die sozialistische Arbeiterschaft, die untereinander tödlich verfeindet und überdies ebenfalls schon so nationalsozialistisch durchsetzt war, daß die trotz der Arbeitslosigkeit immer noch gefährliche Waffe des Generalstreiks nicht einmal ernsthaft zur Diskussion gestellt werden konnte? Oder vielleicht gar der Greis am Schalthebel, dessen Aristokraten-Ressentiment gegen das aufkommende Plebejertum zuletzt allein noch die Republik am Leben erhielt?
Es rettete schließlich den Mann aus Braunau ein Faktum, das außerhalb seines Einflusses lag: interessanteste Gewinner am 6. November nämlich waren die Kommunisten gewesen, die 11 Mandate erobert hatten. Noch waren es bloß 100 insgesamt, — 96 weniger, als ihre braunen Konkurrenten hatten, genügend aber immerhin, um an verschiedenen Masten die Notsignale hochgehen zu lassen. Die Gefahr, die hier aufzuziehen schien, war entsetzlich; dann akzeptierte man schon lieber diese zwar gräßlich lauten, ungehobelten und schockierenden, aber doch wenigstens verhandlungsbereiten und gewiß letzten Endes lenkbaren Nazis. So stürzte der Herr von Schleicher den wenige Monate zuvor als willfähriges Werkzeug auf den Schild gehobenen, nach seinem Teilerfolg jedoch intransigent gewordenen Herrn von Papen (das ging alles furchtbar einfach jetzt: man brauchte keine umständlichen parlamentarischen Mehrheiten mehr dazu, sondern lediglich die momentane Aufgeschlossenheit des nach seiner „Demokratenwahl" hilflos vergrämten Herrn von Hindenburg). Der bisherige Mann im Dunkeln, der Sprecher der Reichswehr, übernahm nun selbst die Regierung, für die er sich die Unterstützung einer breiten Front von den „vernünftigen Sozialdemokraten bis zu den „vernünftigen“ Nationalsozialisten versprach.
Allein, zu Schleichers Bestürzung war Vernunft weitaus rarer, als er erwartet hatte. Die Sozialdemokraten sagten „nein“, und Hitler sagte nach einigem Zögern ebenfalls „nein“. Allerdings gelang es dem Kanzler, die NSDAP in ihre schwerste Krise zu stürzen, indem er mit dem Angebot, sein Vize zu werden, für seine Pläne den braunen Kronprinzen Gregor Strasser zu gewinnen vermochte, der einen einigermaßen wahrhaftigen Sozialismus vertrat und nach dem Rückschlag einen Kompromiß für zwingend geboten erachtete. Als Hitler aber den Mann der „antikapitalistischen Sehnsucht“ desavouierte, warf der alte Kampfgefährte seine Ämter hin. Hitler trug sich mit Selbstmordabsichten, die Partei drohte auseinanderzubrechen und wäre wohl auch auseinander-gebrochen, zumal sie gerade eben bei den Thüringer Gemeindewahlen eine weitere, schwere Niederlage hatte hinnehmen müssen, wenn Strasser nicht resigniert und die Bühne verlassen hätte, — Hitler somit Gelegenheit gebend, die Opposition wieder auf Vordermann zu bringen, die Gauleiter in einer herzbewegenden Rührszene, in der der „Führer" virtuos auf die Tränendrüsen seiner rauhen Paladine drückte, neu zu vergattern und das ausbrechende Parteiroß wieder fest an die Zügel zu stellen. Der bisher kaum bekannte, Hitler aber bedingungslos ergebene Privatsekretär Heß wird der Haupterbe der Strasserschen Machtposition, den Rest heimst der ebenso lediglich durch seine hemmungslose Bewunderung hervoragende alte Strasser-Renegat Ley ein.
Immerhin war dieses Ereignis zusammen mit der trostlosen Finanzmisere ein Signal für Hitler, den Bogen nicht zu Überspannen. Eine solche Erkenntnis traf sich mit Papens Rachedurst in Richtung Schleicher. Im Hause des Kölner Bankiers von Schroeder schlossen die beiden am 4. Januar die vorerst geheimen Präliminarien ihres Ehevertrages und räumten vergangene „Mißverständnisse“ beiseite. Unmittelbare, willkommene Frucht dieser Entente war die Beseitigung der katastrophalen Geldkalamität: die verzweifelten Parteikassierer konnten aufatmen, denn ihr bislang über beide Ohren verschuldeter Führer verfügte plötzlich wieder über beträchtliche Mittel, die er allerdings sofort in ein etwas eigenartiges Unternehmen steckte. Die 100 000 wahlberechtigten Einwohner des östlich von Bielefeld gelegenen Freistaates Lippe nämlich hatten am 15. Januar 1933 einen neuen Landtag zu küren. Diesen kümmerlichen Detmolder Sperling nahm die Bewegung nun unter den konzentrischen Beschuß ihrer gesamten schweren Artillerie. Auf ganzen 1215 Quadratkilometern sprach Hitler, der dort gleich Wohnung genommen hatte, allein sechzehnmal. Auch Goebbels klapperte sechzehn Kaffs ab, und es gab wohl keinen Weiler, der damals nicht wenigstens ein Mitglied der brauen Prominenz erblickt hätte. Die gerührten Lippe-Detmolder konnten denn nicht umhin, solch schmeichelhafte Aufmerksamkeit mit 39 000 ihrer 100 000 Stimmen und 9 der 21 Mandate zu belohnen.
Hitler und seine Mannen schlachteten ihren „Wahlsieg“ weidlich a 'S. Der Lärm drang bis in die zahlreichen „Ohren" des Feldmarschalls, der damals ärgerlich den von verschiedenen Seiten angedrohten Enthüllungen über den „Osthilfe" -Skandal entgegensah, in den zumindest seine ostpreußischen Agrarier-Freunde verwickelt waren. Am 22. Januar begann Hitler seine abschließenden Verhandlungen mit Papen und dem „in der Verfassung nicht vorgesehenen" Sohn des Reichspräsidenten, die nach einer Woche zu schöner Harmonie gediehen. Neben der „Osthilfe" -Drohung war es wohl nicht zuletzt Hitlers damaliger hefti-
ger Flirt und der Hohenzollernschen Restauration, der ihm das treu-monarchische alte Herz erschloß. Die Konservativen waren selig, glaubten sie doch nunmehr den „Popanz“ vor ihren Wagen gespannt zu haben: Und fürwahr: auf der neuen Kabinettsliste waren die Nationalsozialisten kaum zu entdecken, so wurden sie — nach Hugenbergs berühmt gewordenen Ausspruch — von zuverlässigen Deutschnationalen und Männern des persönlichen Vertrauens „eingerahmt".
Gewiß, Hitler wurde Kanzler, das hatte sich nun einmal nicht mehr umgehen lassen. Aber sonst? Von seinem parteiinternen „Schattenkabinett" fehlte so gut wie jede Spur. Da war noch Göring als überzähliger „Reichsminister ohne Geschäftsbereich“ (er hatte allerdings bald einen, und daß er daneben noch preußischer Innenminister wurde, fiel erst später richtig auf), und da war schließlich noch Wilhelm Frick, ehemals Oberamtmann von Beruf und als unangenehmer Krakeeler aus dem Reichstag bekannt, aber immerhin doch ein Mann ohne Ballonmütze, mit dem gleichen vertrauenerweckenden Eckenkragen, wie seine neuen Kabinettskollegen ihn trugen. Diese aber besetzten massiert die übrigen Ministerien: selbst abgesehen von den beiden Partnern genehmen General von Blomberg, der auf seinem ostpreußischen Kommando zusammen mit seinem Stabschef von Reichenau mehrfach Sympathien für die Nationalsozialisten bekundet und dem man ziemlich überraschend das Reichswehrministerium anvertraut hatte, waren es immerhin neun Stimmen insgesamt, — alles integre, vertrauenswürdige Männer, viele noch aus Papens „Kabinett der Reserveoffiziere“ stammend, nicht gerade Demokraten, aber doch Leute, die dem „Anstreicher aus Braunau" schon Paroli bieten würden, sollte es ihm jemals einfallen, allzu üppig zu werden. Zwar hatte man ihm, der die Schlappe vom 6. November auswetzen wollte, neue Wahlen zugestanden, aber nur — so raffiniert war man! — gegen das feierliche Versprechen, daß an der Zusammensetzung des Kabinetts dadurch nichts geändert werden sollte.
Darüber war man am 30. Januar 193 3, einem Montag, einig geworden, als sich das neue Kabinett vor seiner Vereidigung durch den Präsidenten versammelte. Der alte Hugenberg hatte sich noch in letzter Minute mit seinem berühmten Dickschädel quergelegt, hatte den kommenden Ablauf der Ereignisse in einem lichten Moment vorausgeahnt. Aber siehe da, von seinen deutschnationalen „Rahmen“ -Kollegen war er glatt im Stich gelassen worden und hatte sich schließlich dem Argument gebeugt, daß man wegen einer solchen Lappalie unmöglich den Herrn Reichspräsidenten und Generalfeldmarschall länger dürfe warten lassen.
So war denn alles noch zum guten Ende gekommen, und Hitler konnte „die Macht übernehmen“. Als es Nacht wurde über Deutschland, wälzt sich von sieben Uhr bis ein Uhr früh durch das Brandenburger Tor, die Wilhelmstraße hinauf ein endloser, mit Fackeln gespickter Wurm: SA, SS, HJ, Zivilisten und immer wieder Spielmanns-züge und Musikkapellen. An einem Fenster der Reichskanzlei (sein Palais wird gerade umgebaut, wozu eigentlich noch?) schlägt der schon recht tatterige Sieger von Tannenberg mit seinem Stock den Takt, ein paar Fenster weiter aber grüßt der Sieger von Berlin, der einstige Schlawiner aus dem Wiener Männerheim. „Das ist der Aufbruch der Nation“, notiert ein verzückter Goebbels spät nachts in sein Tagebuch, und Hitler schwört sich am Fenster der Reichskanzlei: „Keine Macht der Weit wird widt jetnals lebend hier wieder herausbringen!“ Seine nunmehrigen Kollegen und Freunde, die enervierten Enkel der preußischen Junker wie die müden Söhne der Industrie-und Finanzhaie der Gründerjahre, — alle diese vermeintlichen „Führer des Führers“ werden bald gewahr werden, daß hier nicht einfach auf den 20. Reichskanzler der 21. gefolgt ist.
Politik und Zeitgeschichte
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Ernst Deuerlein: „Deutschland in Vorstellung und Aussage des Marxismus-Leninismus" Alexander Hohenstein: „Wartheländisches Tagebuch"
W. Jaide: „Die Einstellung heutiger Jugendlicher zur Politik"
Karl C. Thalheim: „Die Wachstumsproblematik der Sowjetwirtschaft"
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Walter Wehe: „Die wirtschaftspolitische Entwicklung Europas seit dem Marshallplan"
Stefan Yowev: „Die ideologischen Gegensätze zwischen Chruschtschow und Mao Tse-tung" > 1* „Peking spielt mit hohem Einsatz ((Peking Bids High')"