. Und wenn niemand leugnen wird, daß es der Mitte auch jetzt noch keineswegs an Kräften gebräche, feste Machtgrenzen im Westen wie im Osten wieder herzustellen, sobald eine das Zusammenfassen der zerspli terten Kräfte in der Weise des Kaiserreichs ermöglichende staatliche Gestaltung wiedergewonnen wäre, wenn niemand weiß, weldien Einfluß unvorherzusehende Wediselfälle hier gewinnen können: so wird sich nach Maßgabe der bisherigen tatsädilichen Entwicklung auch kaum der Gedanke unterdrücken lassen, daß dieser Zustand des Schwankens und gewaltsamer Erschütterungen möglicherweise erst dadurch sein Ende finden wird, daß eine Grenze zwischen einem französischeti Westreiche und einem russischen Ostreiche die Mitte des Weltteiles durchzieht und dadurdt eine Machtstellung gewonnen sein wird, welche dann längere oder kürzere Zeit einen Zustand der Ruhe verbürgen mag, bis die jüngere östlidce Macht sich etwa befähigt fühlen wird, den letzten Kampf um die Herrsdiaft der Welt aufzunehmen.“
Es war im Jahre 1861, als der Ordinarius für Deutsche Reichs-und Rechtsgeschichte der juridischen Fakultät der Universität Innsbruck, Julius v. Ficker, noch im Banne von Ereignissen stehend, die sich heuer zum 100. Male jähren, also der Ereignisse des Jahres 1859, dieses Epochenjahres europäischer und deutscher Geschichte, wie es Heinrich Ritter v. Srbik genannt hat, eines schicksalhaften Jahres also, dessen Lehren wir Heutige, nunmehr nach genau einem Jahrhundert von ungeheurer Tragik überschatteter europäischer Geschichte zutiefst bedenken sollten, als Julius v. Ficker die oben zitierten Worte im Rahmen seiner im Ferdinandeum gehaltenen Vorlesungen über „Das Deutsdie Kaiserreich in seinen universalen und nationalen Beziehungen“ aussprach.
Im Jahre 1933 war es, in dem Jahr, in welchem der Nationalsozialismus in Deutschland die Macht ergriff, wahrlich auch einem Epochen-jahr nicht nur deutscher und europäischer Geschichte, sondern der Weltgeschichte, als dem Verfasser diese Schrift Julius v. Fickers in die Hände fiel. Ihr Inhalt, ihre aus subtilster Kenntnis der deutschen und europäischen Geschichte erwachsenen Mahnungen, ja fast Beschwörungen, haben ihn nicht mehr verlassen, bis im Jahre 1945 das, was Julius v. Ficker ahnend vorausgesehen hatte, wenn auch nicht dem Buchstaben, so doch dem Sinne nach in seiner ganzen furchtbaren Tragweite eintraf, noch nicht einmal ein volles Jahrhundert nachdem es ausgesprochen war.
Es ist bekannt,'daß die erwähnten Vorlesungen Julius v. Fickers ein Teil der historischen Auseinandersetzung gewesen sind, welche die Geschichtswissenschaft bis heute in Atem gehalten hat, nämlich des großen wissenschaftlichen Streites zwischen dem damaligen Großdeutschen v. Ficker und dem damaligen Kleindeutschen v. Sybel. Es ging um die historisch richtige Beurteilung vor allem der Kaiserpolitik des Mittelalters. Es ging aber auch um bestimmte Schlußfolgerungen, die beide Gelehrten aus dieser Beurteilung für ihre Zeit zogen. Ich glaube, in der Geschichtswissenschaft besteht heute keine Meinungsverschiedenheit mehr darüber, daß die Beurteilung der mittelalterlichen Geschichte durch v. Ficker der historischen Wahrheit am nächsten kam, wogegen v. Sybel, geblendet durch politische Haltungen und Forderungen seiner Zeit, diese Wahrheit verfehlt hat.
Im Hinblick auf die politische Fragestellung schien aber v. Sybel gegenüber v. Ficker rechtbehalten zu haben. Die kleindeutsche Auffassung siegte auf den Schlachtfeldern von Königgrätz, vor Sedan und Paris. Mit der Schaffung des neudeutschen Kaiserreiches glaubte Bismarck die deutsche Uhr für ein Jahrhundert richtig gestellt zu haben. Er hat sich ebenso getäuscht wie v. Sybel. Eingetreten ist, was v. Ficker warnend für den Fall vorausgesagt hat, daß die europäische Politik jene bewährten Prinzipien, die durch Jahrhunderte überkommen die Grundlage der Völkerordnung darstellten, verlassen würde, um sich neuen, noch nicht erprobten, ja ihm gefährlich und abwegig erscheinenden Grundlinien zuzuwenden.
Wenn wir Heutige bedenken, daß das, was der große Innsbrucker Historiker ahnend geschaut hat, eingetroffen ist, so erscheint es als unabdingbare Verpflichtung, zu prüfen, welche Prinzipien es sind, deren Verlassen die von ihm vorausgesehene Katastrophe herbeiführen würde, und welche diesen entgegengesetzten v. Ficker für so unheilvoll ansah. Es geht uns also unmittelbar um die der europäischen Völker-rechtsordnung zugrundeliegenden historischen Strukturprinzipien und erst mittelbar um die europäische Völkerrechtsordnung selbst.
Drei politische Grundgedanken
Drei große politische Grundgedanken sind es, die, soweit ich sehe, v. Ficker als jene auffaßt, welche die abendländische Ordnung gestalten, und denen er jeweils Gegenprinzipien gegenüberstellt. 1. Da ist zunächst der universale Gedanke und ihm gegenüber der nationalistische. a) Das Ordnungsdenken entsprechend dem universalen Prinzip ist weit, weltoffen, große Räume überschauend und bedenkend, sei es in zeitlicher, sei es in geographischer Sicht. Es sieht und anerkennt nicht nur die Belange des engeren Kreises, des eigenen Volkes; es betrachtet den Lebenswillen aller Stämme und Völker; es bekennt sich zur Notwendigkeit des Zusammenschlusses in größeren, umfassenderen Einheiten, mögen sie sich aus einer bestimmten geschichtlichen Situation, aus geographischen, wirtschaftlichen oder sozialen oder aus welchen Gründen immer als erforderlich erweisen. Diesem Denken ist jede kleinliche Enge, jede bloße Ichbezogenheit, jedes nur Auf-sich-selbst-Schauen, jedes nur-auf-die-eigenen-Sorgen-und-Nöte-Achten, kurz alles das, was man mit dem Begriff Kirchturmpolitik treffend gekennzeichnet hat, fremd. Ein solches Denken verbindet die Liebe zur Heimat, zur Muttersprache, zum eigenen Volk und Vaterland mit der Ehrfurcht vor diesen Werten bei anderen Völkern und in anderen Staaten. Die Überzeugung, daß eine Friedensordnung nur verbürgt Sein kann, wenn allsei-t i g Lebensrecht, Lebenswille, Lebensnotwendigkeiten der Völker anerkannt werden, ist eine der Grundlagen dieses Denkens, das damit aber keineswegs lebensfremd in jener gewissen abwertenden Bedeutung ist. Gerade dem universalen Gedanken ist ein gesundes Machtbewußtsein zu eigen. Ihm ist durchaus klar, daß in diesem Äon das Recht zu seiner Durchsetzung der Macht bedarf, gerade auch im Völkerleben, einer Macht aber, die dem Recht dient und die darum in sich des rechten Maßes nicht entbehrt, wohl aber nach dem Maße des Rechtes genutzt wird. Eine solche gerechte Macht aber verbürgt eben der Zusammenschluß in einen größeren Kreis, in einen Machtblock, wenn dieser nach innen in sich ausgewogen ist und nach außen eine Friedensordnung der ihm angehörigen Völker darstellt, aber auch der umgebenden Staaten-welt sichert.
Der so aufgefaßte universale Gedanke ist nicht etwa auf eine einzige rechtliche Verwirklichungsform beschränkt; er kann sich der verschiedensten Rechtsformen bedienen; seien es solche des Staatsrechts oder des Völkerrechts. So kann er sich in der staatsrechtlichen Form des Bundesstaates oder in der völkerrechtlichen des Staatenbundes, aber auch in der gleichfalls dem Völkerrecht angehörigen Form des bloßen Bündnisses, der Allianz, verwirklichen, wenngleich diese Form zumeist nur einem militärischen Zweckmäßigkeitsdenken entspringt. Er kann jedoch, wie die modernste Entwicklung im Völkerrecht zeigt — wir kommen noch darauf zurück — neue Formen erfinden, die sich aus den Notwendigkeiten der Zeit heraus als zweckmäßig erwiesen haben. b) Dem universalen Denken steht das nationalistische unvereinbar gegenüber. Es ist eng, ichbezogen, nur das eigene Volk, die eigene Nation sehend, ihr Lebensrecht, ihren Lebenswillen, ihre Lebenstüchtigkeit bejahend. In seiner extremsten Ausprägung hat dieses Denken behauptet, Recht sei nur das, was dem eigenen Volk nütze, Unrecht, was im schade, also brutaler und ehrlicher ausgedrückt; right or wrong — my coutry. Nach innen will es eine Friedensordnung verbürgen, nach außen aber ist ihm der Staat, wie ein Völkerrechtslehrer (ich meine Lasson) um die Jahrhundertwende gesagt hat, ein ungezügelter Wille zur Selbstsucht, für den es keine sittliche Pflicht und keine Rechtsordnung gäbe, denen er zu gehorchen hätte. Der Nationalstaat ist diesem Denken die Erfüllung seiner tiefsten Wünsche. Denkt der Nationalismus aber in großen Räumen, so ist sein Streben Hegemonie, die in ihren schärfsten Auswirkungen nicht maßvolle, sondern des Maßes bare, bloße Gewaltordnung bedeutet, welche der Nationalstaat anderen Völkern auferlegt.
Sicher sind damit — ich habe das schon angedeutet — die extremsten Ausprägungen nationalistischen Denkens gekennzeichnet. Der Natio-nalstaatsgedanke des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts war größtenteils durchaus maßvoll. Aber die Enge des Denkens, das auch dann, wenn es sich auf größere Räume richtete, dies fast ausschließlich nur im eigenen Interesse und nicht im Interesse des größeren Ganzen tat, ist ihm eigentümlich. Daß er damit die ganze Wirklichkeit verfehlte und dadurch zu verhängnisvollen Fehlentscheidungen kommen mußte, davon zeugt die neuere Geschichte Europas. Gerade das den Innsbrucker Historiker so sehr berührende Jahr 1859 war es, mit dem die Destruktion der wenigstens teilweise noch auf dem alten unive-salen Prinzip beruhenden europäischen Völkerordnung zugunsten des nationalistischen Denkens begann. Dem Nationalstaatsgedanken entsprach — wenn auch nicht notwendigerweise — der im Verlauf des 19. Jahrhunderts im Anschluß an Hegel entwickelte Begriff der absoluten Souveränität. Er hatte die Vorstellung zum Inhalt, daß sich über dem Staat als der höchsten Ordnung keine andere Ordnung mehr erheben könne, eine Auffassung, die in den eben zitierten Worten Lassens kulminierte, und der Jellinek dahingehend Ausdruck verlieh, Widerspruch in sich!, daß das Völkerrecht anarchisches Recht sei. Folglich wurde daraus das sogenannte ius ad bellum entwickelt, d. h. die Rechtsauffassung, ein Staat könne aus welchem Grunde immer zum Kriege schreiten, ohne damit ein völkerrechtliches Unrecht zu begehen, ein Gedanke, der zu einem Chaos im Bereiche des Völkerrechts führte, und dessen Über-windung auch heute trotz größter Anstrengungen der Völkergemeinschaft noch lange nicht gelungen ist. 2. Eine weitere Grundlage der überkommenen Ordnung Europas war nach Julius v. Ficker das Prinzip von der Subsidiarität des Staates, das er allerdings noch nicht unter diesem Namen kennt. Er führt es mit dem Begriff des germanischen Staatsgedankens ein, dem er den romanischen Staatsgedanken als unvereinbaren Gegensatz gegenüberstellt. In der heutigen Begriffsformulierung würde man hinsichtlich der letzterwähnten Staatsauffassung vom Grundsatz der Vorrangigkeit des Staates sprechen. Dem ersten Prinzip würde eine föderalistisch gestaltete, dem zweiten Prinzip eine unitaristisch ausgerichtete Staatsordnung entsprechen. a) Nach dem Subsidiaritätsprinzip baut sich der Staat von unten her in wachsenden Gemeinschaftskreisen auf. Grundlage hierfür ist die Tatsache, daß der Staat sich aus menschlichen Gliedern zusammensetzt, die deshalb einen ontologischen Vorrang vor dem Staat haben, weil eben sie und nur sie personhaftes Sein im philosophischen Sinn des Wortes besitzen, d. h. geistbegabt sind und damit die Gabe der vernunftsmäßigen Einsicht und der freien, d. i. verantwortlichen Entscheidung haben.
Was heute auf der Grundlage der Personnatur des Menschen erkannt ist, sah Julius v. Ficker in der politischen Realität der germanischen Staatsgestaltungen verwirklicht. . Freie Bewegung des Einzelnen ist die Regel, ist der Ausgangspunkts nur soweit darf sie beschränkt werden, als umfassende Aufgaben, welchen der Einzelne nicht mehr gewachsen ist, das umgänglich erfordern.“
Daß zum Prinzip der Subsidiarität jenes der Solidarität ergänzend hinzugehört, wird hier andeutungsweise sichtbar. Und weiter bei Fik-ker: „Non der Unverletzlichkeit des Hauses ausgehend, von dem Rechte des Mannes frei zu schalten auf seinem Eigen, baut der Staat sich auf in einer Stufenfolge sich erweiternder Genossenschaften; die Familien schließen sich zur Gemeinde, die Gemeinden zu Marken, zu Gauen, zu Ländern, endlich zum Reiche. Was der kleinere Kreis für sich besorgen kann, dazu hat er die Hilfe des größeren nicht in Anspruch zu nehmen und dieser hat kein Recht, sie ihm aufzudrängen; was nur den kleineren Kreis betrifft, das mag er ordnen wie er will, solange er umfassendere Interessen dadurch nickt verletzt.“
Mit Recht wird daraus die Folgerung gezogen, daß ein so das Prinzip der Subsidiarität verwirklichendes Gemeinwesen in der Lage ist, sowohl den Notwendigkeiten des größeren Ganzen wie den Eigentümlich-keiten der kleineren Kreise gerecht zu werden. Gerade eine aus dem universalen Gedanken lebende, übernationale Gemeinschaft, mag sie sich in staatsrechtlichen oder in völkerrechtlichen Rechtsformen verwirklichen, kann des Subsidiaritätsprinzips nicht entbehren. Dieses ist geradezu die Voraussetzung für ein glückliches Gedeihen größerer Zusammenschlüsse. Daß solche Gestaltungen ia ihrem Aufbau wie in ihrer Lenkung und Verwaltung nicht leicht zu handhaben sind, ist einleuchtend. Gerade die europäische (und in ihr) insbesondere die Geschichte des alten Österreich, hat gezeigt, daß bei gutem Willen aller Beteiligten Schwierigkeiten durchaus überwindbar sind. b) Das Prinzip der Vorrangigkeit des Staates, der romanische Staats-gedanke, wie v. Ficker es bezeichnet, sieht nun den Staat nicht von unten nach oben, sondern von oben nach unten gebaut. Diesem Denken ist der Staat, wie v. Ficker es ausdrückt, ein einheitlicher, von der Staatsspitze her durchkonstruierter Mechanismus. Es kennt keine natürlich oder historisch gewachsenen Gliederungen, nichts von Besonderheiten in Rechten und Pflichten, die in solchen natürlichen oder historischen Grundlagen begründet sein könnten. Nur der ganze Staat ist der Träger von Staatsrecht und Staatsgewalt. Alle Berechtigungen im Staat leiten sich daher vom Staat ab. -Entsprechend wird das ganze Staatswesen einheitlich von öben aus geordnet und gestaltet. Es gibt daher auch keine Aufgaben, die der Zentralgewalt entzogen wären, weil sie wesensmäßig den kleineren Gemeinschaften im Staat zugehören würden. Es gil. keine selbständige Beteiligung am Staat von unten herauf, keine Grenze, wo der Gewaltbereich des Ganzen aufhört, und die Wirksamkeit von Gliedern beginnen könnte.
Einheitlich geordnet, einheitlich gelenkt, einheitlich gebaut, wird der Staat dieses Prinzips zu einem begehrten Ziel des nationalstaalichen Denkens. Unitarisches Prinzip, Grundsatz der wesenhaften staatlichen Vorrangigkeit und nationalstaatliches Denken stehen in einer gewissen Entsprechung zueinander, ähnlich wie auf der anderen Seite Föderalismus, Subsidiarität des Staates und universale Idee einander zugeordnet erscheinen. 3. Noch zwei weitere gegensätzliche Prinzipien sieht Ficker in der Geschichte der europäischen Staatenwelt walten, das des Gleichgewichts und das der Hegemonie. a) Das Denken, das auf dem Prinzip des Gleichsgewichts gründet, sieht die Gewähr für ein geordnetes Zusammenleben der Völker in der Waage der Macht. Das Bewußtsein, daß kein Volk, kein Staat einer bestimmten Staatenkonstellation über eine solche überragende Macht verfüge, die den anderen Völkern und Staaten gefährlich werden könnte, daß vielmehr ein gesunder Ausgleich der Machtverhältnisse besteht, kann tatsächlich ein starker Antrieb sein, die bestehende Friedensordnung zu wahren. Das lehrt gerade die europäische Geschichte.
Der Eigenart des universalstaatlichen, den Prinzipien der Subsidiarität und des Föderalismus verbundenen Denkens ist nun gerade auch der Gedanke des Gleichgewichts nicht fremd, sondern nahe verwandt. Bildet doch schon das Innere eines von diesen Prinzipien durchwalteten Staatswesens eine in sich ausgewogene Ordnung, welche gerade in dieser ihr eigentümlichen Struktur auch ein Gegengewicht gegen die äußere Machtfülle einer solchen universalen Staatsbildung darstellt. Bei dem großen universalen Staatswesen der europäische Geschichte, beim mittelalterlichen Reich, kam das Dasein von sacerdotium und imperium hinzu, um ein Gleichgewicht der verschiedenen Kräfte und Mächte der abendländischen Völkergemeinschaft zu bilden. Der Gedanke der hierarchischen Ordnung, der dieses Reich mitbestimmte, steht dem nicht entgegen. Lag doch dieser Hierarchie ein Gemeinschaftswesen zugrunde, in dem auf der Grundlage des Gedankens der Subsidiarität Recht und Macht den Stufen des hierarchischen Aufbaus genau zugemessen war.
Wir können somit als wesensverwandte Grundsätze feststellen: Begrenzte Universalität, Subsidiarität, Föderalismus, Gleichgewicht.
b) Das hegemoniale Denken sieht demgegenüber eine Friedensordnung der Völker nur gewährleistet, wenn ein Staat die absolute Vorherrschaft über die anderen Staaten ausüben kann. Dieser Gedanke der Hegemonie ist hinwiederum dem nationalstaatlichen und unitaristischen sehr nahe. Denn die Auffassung von der überragenden Geltung der eigenen Nation, von der Notwendigkeit des Sich-Behaupten-müssens in einem Reigen von Staaten, die jeweils je für sich den gleichen Gedanken hegen, führt mit fast logischer Konsequenz zum Streben nach Hegemonie, nach einer vom eigenen Staat und nicht vom aktuellen oder potentiellen Gegner bestimmten Ordnung der Staaten.
So finden wir hier die Linie: Nationalstaat, Vorrang des Staates im inneren Staatsleben, Unitarismus, Hegemonie.
Es soll nun nicht behauptet werden, daß die beiden erwähnten Zugehörigkeitsreihen absolute Gültigkeit hätten. Es sollte nur herausgestellt werden, daß die jeweils in den beiden Linien erwähnten Prinzipien eine gewisse Verwandschaft zueinander haben, ohne die Möglichkeit auszuschließen, daß der eine oder andere Grundsatz in der Praxis auch in der anderen Reihe aufscheinen könnte. So war sicherlich auch zur Zeit der Geltung des Nationalstaatsgedankens der Gedanke des Gleichgewichts noch sehr lebendig.
Es dürfte kein Zweifel bestehen, daß der universale Gedanke in Verbindung mit dem der Subsidiarität, dem des Föderalismus und dem des Gleichgewichts durch lange Zeit bis an den Rand des 19. Jahrhunderts die abendländische Geschichte als ein Ordnungsfaktor von weittragender Wirksamkeit und Bedeutung bestimmt hat. Mitten im Werden der nationalen Staatenwelt, noch im 19. und bis zum beginnenden 20. Jahrhundert hat das alte Österreich, wenn auch auf beschränkterem Raum, diesen Gedanken verwirklicht und schließlich in, wie wir heute wissen, aussichtsloser Position gegen eine'immer größere Übermacht von Völkern, die dem nationalstaatlichen Denken verfallen waren, verteidigt. Es sollte wohl so sein, daß Europa durch das Zeitalter des Nationalismus hindurch finden mußte. Metternich hatte ahnend vorausgesagt, daß es ein Weg durch ein Chaos sein würde.
Das Jahr 1859 aber war es, dem — man denke an Villafranca — ein wesentlicher Stein herausgerissen wurde zugunsten des von Napoleon III. so sehr begünstigten Nationalstaatsgedankens. So wurde dieses Jahr der Beginn der Destruktion der noch verbliebenen Reste der übernationalen, der universalen Idee. Es siegte der Nationalstaat! Und mit ihm drangen die Prinzipien des unbedingten staatlichen Vorrangs, der absoluten Souveränität, des unitarisch gestalteten Staatswesens und der nationalstaatlichen Hegemonie nach vorne. Sie haben die neueste Geschichte Europas bestimmt. Der universale Gedanke wurde im ersten Weltkrieg endgültig zu Grabe getragen. Europa zerfiel in eine Unzahl von Nationalstaaten, die sich gegenseitig heimlich oder offen — wenn auch nicht im blutigen Krieg — bekämpften, oder sich zumindest mit äußerstem Mißtrauen beobachteten. Und schließlich hat ein Teil jenes Volkes, das wie kein anderes in Europa, die konstruktiven Gedanken des Universalismus, der staatlichen Subsidiarität, des Föderalismus und des Gleichgewichts maßvoll verwalteter Macht durch Jahrhunderte vorgelegt hatte, in tragischer geschichtlicher Verblendung die Prinzipien des Nationalstaates, des absoluten Vorranges des Staates, der unitarisch zentralistischen Staatsgestaltung, der unbedingten Hegemonie bis in die letzten Konsequenzen durchgeführt, auf diese Weise vor aller Augen die destruktiven Möglichkeiten demonstrierend, welche diesen Grundsätzen innewohnen.
Und so haben sich mit dem zweiten Weltkrieg die Geschicke erfüllt, die der Innsbrucker Historiker zu einer Zeit voraussagte, als noch der Deutsche Bund mit Österreich als Präsidialmacht bestand, als noch dieses Österreich in seiner universalen Staatsgestaltung, wenn auch schon durch die Ereignisse des Jahres 1859 geschwächt, einen großen Teil der westslawischen Völkerschaften an die Mitte des Erdteils band, als die Grenzen des großen russischen Kolosses noch weit, weit östlich verliefen.
Für das Volk der Erdteilsmitte sind die Folgen des Obsiegens des nationalistischen Staatsgedankens am fruchtbarsten gewesen. Das sollte man sich immer wieder vor Augen halten. Es gibt kein rechtliches Band mehr, welches irgendwie einend das deutsche Volk umfaßte, selbst nicht mehr in der losen Form eines Staatenbundes. Der deutsche National-staat von 1870, das Werk Bismarcks, ist zerschlagen. Auf dem ehemaligen Boden dieses Staates existieren zwei deutsche staatliche Gebilde. Ein dritter Teil ist von fremdem Volkstum okkupiert. Österreich ist eingeschränkt auf seine deutschsprachigen Gebietsteile. Die gesamte deutsche Ostsiedlung, das Werk deutschen Fleißes durch ein Jahrtausend ist mit einem einzigen Schlag vernichtet.
Aber auch die anderen Völker der europäischen Mitte und des europäischen Westens sind schwerstens betroffen. Die einen schmachten unter der Herrschaft eines ihnen fremden und verhaßten, des russisch-bolschewistischen Systems; die anderen sind durch das Vorrücken dieses Systems bis über die Mitte Deutschlands genau so bedroht, wie das deutsche Volk selbst.
Rückbesinnung auf alte Prinzipien
Will der Rest des Abendlandes der östlichen Bedrohung seines Seins, seiner Freiheit vor allem, noch entgegentreten können, dann erscheint eine Rückbesinnung auf die alten Prinzipien, welche die Völkerrechtsordnung Europas trugen, unvermeidlich. Denn worauf sonst sollte man noch gründen, nach dem furchtbaren Versagen des Gedankens des Nationalismus und der mit ihm verbundenen Ideen, als auf die Prinzipien.
Es scheint, daß sich die des Abendlandes auch tatsächlich Völker den alten Grundsätzen wieder zuwenden, mag auch der Gedanke eines Vereinigten Europas, nach dem Kriege zuerst enthusiastisch begrüßt, wieder etwas verblaßt sein. Zuviel wollte man offenbar im ersten Ansturm erreichen, in Verkennung des Umstandes, daß nur in mühevoller Kleinarbeit wieder aufgebaut werden kann, was im Laufe einer langsamen, jahrhundertelangen Entwicklung zerstört worden war.
Am Beginn jeden europäischen Aufbaues muß die Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland stehen. Ohne sie ist alle europäische Neuordnung Illusion. Es hat den Anschein, als ob die europäische Katastrophe, als ob die mit ihr eingetretene unmittelbare östliche Bedrohung endlich diese beiden Völker ihre langdauernde Feindschaft vergessen läßt. Man bedenke, daß der eigentliche Initiator des französischen Widerstandes und jetzige Staatschef Frankreichs, daß die deutsche Bundesregierung, daß ferner die französische wie die deutsche Öffentlichkeit zur gegenseitigen Verständigung bereit sind und daß wichtige Schritte bereits getan sind, welche, diese beiden Völker und Staaten enger miteinander verbinden, aber nicht nur sie, sondern auch andere europäische Völker, die sich für ein Zusammenstehen und -gehen der noch Menschenrecht und -würde anerkennenden Staaten einsetzen.
Die sich so neu anbahnende Ordnung steht erst in ihrem Anfang. Wie sie endgültig aussehen wird, läßt sich noch nicht erkennen. Das eine ist sicher: die Neuordnung hält sich nicht sklavisch an alte Vorbilder. Neue Gedanken, neue Möglichkeiten, die der Situation entsprechen, werden durchdacht und durchgeführt. Aber: aus ihnen sind die alten Prinzipien der Universalität, der Subsidiarität, der gleichge-
wichtigten Ordnung erkennbar.
Vom universalen Gedanken sind die neuen überstaatlichen Ordnungsgebilde getragen, die in den letzten 10 Jahren entstanden sind.
Man denke an den Europarat, der im Jahre 1949 geschaffen wurde, dem die übergroße Mehrzahl der Westeuropäischen Staaten angehört, und der sich zum Ziel gesetzt hat, im Zusammenschluß seiner Mitglieder „zum Schutz und zur Förderung der Ideale und Prinzipien, die ihr gemeinsames Erbe bilden, und zum Besten ihres wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts“ beizutragen. Mag der Europarat in erster Linie auch ein europäisches Ausspracheorgan sein, mag ihm auch die rechtliche Möglichkeit, eine eigene aktive Politik zu betreiben, weitgehend ermangeln: er hat sich doch als ein Integrationsfaktor von nicht zu unterschätzender Bedeutung erwiesen. Vor allem ist zu beachten, daß im Jahre 1950 in seinem Schoße die europäische MenschenrechtsKonvention abgeschlossen wurde, diese Magna Charta all jener Rechte, die mit der personalen Natur des Menschen untrennbar verbunden sind; diese Konvention stellt nunmehr den Schutz der Menschen-Rechte auch auf übernationaler Basis sicher, ein Unterfangen, das der Organisation der Vereinten Nationen noch nicht gelungen ist.
Man denke ferner an die 1951 vereinbarte „Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl“, deren Gründungsvertrag 1952 in Kraft trat. Mit ihr wurde, wenn auch nur in einem begrenzten, aber umso wichtigeren Sachbereich, eine echte übernationale Staatenverbindung geschaffen. Das Charakteristikum einer solchen übernationalen Staatenvereinigung besteht darin, daß sie unabhängige übernationale Organe aufweist, die ohne Weisungen der Regierungen der in ihr vereinigten Staaten selbständig unmittelbar in dem ihnen übertragenen Aufgabenbereich — hier also auf dem Gebiet der Montanwirtschaft — verbindliche Anweisungen nicht nur für die verbundenen Staaten sondern auch für deren Bewohner erlassen können. Die vereinbarenden Staaten haben somit in diesem Rahmen auf die Dauer der Vereinbarung — in unserem Falle also auf 50 Jahre — auf die Ausübung ihrer Hoheitsrechte verzichtet, haben einen Teil ihrer Souveränität zugunsten eines größeren Rechtsgebildes aufgegeben.
Die vereinbarenden Staaten haben damit nicht nur der Notwendigkeit der Schaffung von die einzelnen Staaten übergreifenden, universaleren Gemeinschaftsbildungen auf dem alten europäischen Boden Rechnung getragen; sie haben auch den Gedanken der Subsidiarität in neuer Form angewendet, indem eine geeignete Verteilung öffenlicher Aufgaben nicht nur, wie bisher in den nach dem Prinzip der Subsidiarität aufgebauten Staaten innerhalb des Staates erfolgt, sondern jetzt auch oberhalb der Staaten. Dem Gedanken, daß der Staat nicht allein der Verwalter aller dem öffentlichen Wohl gewidmeten Tätigkeit ist, wurde nunmehr in einer Weise entsprochen, die die Einschaltung sowohl von innerstaatlichen wie überstaatlichen Rechtskörperschaften ermöglicht. Auch das alte Wissen um die Waage der Macht findet in solchen übernationalen Gemeinschaften Berücksichtigung. Gerade daß sich die vereinbarenden Staaten auf einem so überragend wichtigen Gebiet wie dem der Montanwirtschaft darauf geeinigt haben, gewisse Souveränitätsrechte auf die übernationale Organisation zu übertragen, zeugt von einer Einsicht in die Notwendigkeit einer innerlich ausgewogenen Ordnung der Macht, die für die Zukunft gute Hoffnungen begründet.
Es ist richtig, daß die junge und zarte Pflanze schon manchen rauhen Winden ausgesetzt war. Bis jetzt hat sie ihnen widerstanden. Möge es so bleiben. Möge es den vereinbarenden Staaten gelingen, auf dem hier in Frage stehenden Felde jeweils Wege zu finden, welche die nationalen Interessen mit den übernationalen in Einklang zu bringen vermögen. Ähnliches gilt für die jüngst ins Leben gerufene Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Ihr großes Ziel ist, die Partnerstaaten über die Harmonisierung des Wirtschaftsniveaus, über die gegenseitige Anpassung der Wirtschaftsstrukturen im Rahmen eines großen umfassenden Wirtschaftsgebiets näher zusammenzuführen. Jedermann, dem die Bedeutung der Wirtschaft für das gesamte staatliche Leben bewußt ist, wird ermessen können, daß die gemeinsame Wirtschaftspolitik im Bereich einer großen, mehrere Staaten einbegreifenden Wirtschaftseinheit eine integrierende Kraft stärksten Ausmaßes aufweisen kann. Dies ist einer der Hauptgründe, warum wir den alten Gedanken des Universalismus in Verbindung mit dem der Subsidiarität und Solidarität in einer neuen, den Verhältnissen unserer modernen Welt angepaßten Weise verwirklicht finden. Richtig ist zwar, daß der supranationale Charatker der Organe der EWU nicht so ausgeprägt ist, wie bei der Montanunion. Es mag vielleicht sogar bezweifelt werden, ob ihnen dieser Charakter überhaupt zukommt. Gewisse Erfahrungen im Bereich der Montanunion haben die vereinbarenden Staaten offenbar davon zurückgehalten, die-sen Organen die gleiche 'Rechtsstellung zu geben, wie bei der Montanunion. Man mag es bedauern, daß es hier somit nicht gelungen ist, den Gedanken der nationalen Souveränität selbst in einem relativ beschränkten Bereich zu überwinden. Die Tatsache, daß es überhaupt gelungen ist, im wirtschaftlichen Bereich zu einer doch weitgehenden Einigung zu kommen, zeigt, daß die Völker und die leitenden Staatsmänner erkannt haben, daß die Zeit des engen nationalstaatlichen Denkens endgültig überwunden werden muß. Die Vielheit der Formen in denen diese geschieht, ist der Ausdrude eines kräftigen Lebensgefühls, das Leben sich verwirklichen sehen kann in eben dem Prinzip allen Lebens, dem Grundsatz der Einheit in der Vielheit, der auch das Grundprinzip des universalen Gedankens ist.
Daß ist hierbei nach einer jahrhundertelangen Entwicklung zur Verwirklichung der Idee des souveränen Staates und schließlich des souveränen Nationalstaates hin zu Rückschlägen kommen kann, solte man nicht allzu tragisch nehmen, wenn nur der Wille wach bleibt, sollte man überwinden. Daß es dabei zu Haltungen kommen kann, die wir als sehr schmerzlich empfinden, zeigt das Minderheitenproblem. Ich glaube, man darf ohne zu übertreiben sagen, daß die Haltung eines Staates gegenüber einer seinem Hoheitsbereich zugehörenden Minderheit als Maßstab dafür zu gelten hat, inwieweit er sich innerlich von der überlebten Welt des nationalstaatlich-egoistischen Denkens gelöst hat. Auch auf diesem Gebiet wird es, wie auf zahlreichen anderen, eines steten, geduldigen Bemühens bedürfen, um das Denken der Völker und Staaten vom egozentrischen Blick auf das eigene nationale Ich zu lösen und es dahin zu befreien, einzusehen, daß die eigene völkische Existenz nur gesichert ist, wenn das gleiche Lebensrecht auch für die anderen anerkannt wird.
Die Bedrohung durch ein System, das dem unsrigen einer freien Entfaltung der Glieder im größeren Ganzen absolut entgegengesetzt ist, mag dazu beitragen, daß der nationale Egoismus endgültig überwunden wird. In gewissem Sinne sollte man daher für diese Bedrohung dankbar sein. Man sollte sie aber auch dauernd im Auge haben.
Wie sehr dieses System danach strebt, die Welt nicht zu einer lebendigen Einheit in der Vielheit, sondern zu einem Gebilde blockhafter Erstarrung auszugestalten, möge ein einziges Beispiel aufzeigen. Die Prawda vom 26. Dezember 1958, eine Nummer also aus jüngster Zeit, brachte den Text eines vom Obersten Sowjet angenommenen Gesetzes über die strafrechtliche Verantworlichkeit bei Staatsverbrechen. Als Straftatbestände, die mit dem Tode bestraft werden, sind dort unter anderem genannt: Spionage, Terror, Diversion, Subversion, Agitation. Nun gut, das mag innersowjetisches Recht sein.
Von besonderem Interesse ist aber der Artikel 10 dieses Gesetzes. Sein Inhalt lautet: „Kraft der internationalen Solidarität aller Werktätigen werden Staatsverbrechen, wie sie in den Artikeln 1— 9 des vor liegenden Gesetzes beschrieben wurden, auch dann bestraft, wenn sie gegen die Werktätigen eines anderen Staates begangen wurden.“ Die Sowjetunion dehnt damit ihre Jurisdiktion über politische Straftatbestände in einer geschichtlich einmaligen Weise auf das Hoheitsgebiet anderer Staaten aus.
Jeder, der die Nomenklatur des sowjetischen Systems kennt, weiß, daß unter „Werktätigen“ im Sinne einer solchen Begriffsbestimmung die von Moskau einheitlich gelenkten kommunistischen Parteien gemeint sind, deren Interessen also mit denen der kommunistischen Parteien identisch sind. Die angeführte Strafbestimmung will somit jede gegen eine kommunistische Partei gerichtete Handlung der erwähnten Art erfassen, in einer Art Vorwegnahme des vom Sowjetismus erstrebten Staatensystem monolithisch erstarrten Charakters.
Mit dieser Erwägung kehren wir aber zum Ausgangspunkt unserer Betrachtung zurück. Julius v. Ficker hatte vor ungefähr einem Jahrhundert gesagt, daß der von ihm voraus gesagte „Zustand des Schwankens und gewaltsamer Ersduitterungen möglicherweise erst dadurch sein Ende finden wird, daß seine Grenze zwischen einem französisdten Westreiche und einem russischen Ostreiche die Mitte des Weltteiles durchzieht und dadurch eine Machtstellung gewonnen sein wird, welche dann längere oder kürzere Zeit einen Zustand der Ruhe verbürgen mag, bis die jüngere östliche Macht sich etwa befähigt fühlen wird, den letzten Kampf um die Herrsdtaft der Welt aufzunehmen.“
Die von ihm gesehene Möglichkeit ist eingetroffen — ich betone nochmals: mit gewissen Modifikationen — allerdings in einer Art, die von ihm damals nicht geahnt werden konnte. Es ist die Aufgabe der noch nicht vom sowjetischen System erfaßten europäischen Völker, nicht nur äußerlich, d. h. machtmäßig, zur Verteidigung ihrer Lebensordnung bereit zu sein. Es gilt vor allem, den Raum des Politischen, d. h. im umfassenden antiken Sinn des Wortes den Raum des Gemeinschaftslebens so glaubwürdig zu gestalten, ihm einen solchen Inhalt zu geben, daß er allen Menschen das Bewußtsein gibt, in einer ihre Rechte achtenden und bewahrenden Friedensordnung zu leben, in einer Ordnung, die dem einzelnen ebenso wie den verschiedenen Stufungen des Gemeinschaftsaufbaues Daseins-und Lebensrecht verbürgt. Dies wird nur geschehen können, wenn man die alten Prinzipien der europäischen Staaten-und Völkerordnung, wenn auch in gewandelten Formen, fortschreitend zu neuem Leben erweckt.