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Autorität und Freiheit Ober die Anfänge der deutschen Jugendbewegung | APuZ 2-3/1960 | bpb.de

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APuZ 2-3/1960 Autorität und Freiheit Ober die Anfänge der deutschen Jugendbewegung

Autorität und Freiheit Ober die Anfänge der deutschen Jugendbewegung

FRANZ STREBIN

Aufgezeigt an dem Beispiel der politischen Erziehung in der Jugendbewegung von ihren Anfängen bis 1917

Vorwort

(Autorität und Freiheit) Inhalt Vorwort Einleitung 1. Die Jugendbewegung 2. Politische Erziehung I. Der erzieherische Charakter der Jugendbewegung II. Die mittelbare politische Erziehung 1. Das Autonomiestreben der Jugendbewegung — Schaffung eines freien Jugendraumes a) Selbstgesetzgebung b) Selbstregierung und Selbstverwaltung c) Selbstjustiz 2. Autorität a) Ablehnung der Autorität der Erwachsenen b) Die neue Autorität der Jugend c) Verantwortungsbewußtsein aus Freiheit d) Die erwachsenen Führer Zusammenf

Die Entwicklung Deutschlands zu einer Demokratie ist kaum mit der anderer Länder zu vergleichen. Für die Demokratie hat der Deutsche weder die „Bastille" erstürmt, noch ist sie in Deutschland in der großen Stunde eines nationalen Befreiungskampfes geboren worden, sondern im Gegenteil: sie ist dem Deutschen in der Stunde nationalen Unglücks von Siegermächten zur Auflage gemacht worden. So ist sie also nicht aus einem allgemeinen freien Willensakt entstanden, sondern dem deutschen Bundesbürger von außen aufgedrängt worden. Ihr Fortbestehen und ihre weitere Entwicklung wird davon abhängen, wie weit der einzelne Deutsche sich auch innerlich zu ihr durchringt. So gesehen ist die Anschauung durchaus vertretbar, daß es sich hierbei in der Bundesrepublik in hervorragendem Maße auch um eine Frage der Menschenbildung durch eine breit aufgezogene politische Erziehungsarbeit handelt.

Der Verfasser hat in einer zweijährigen Lehrertätigkeit an einer Berufsschule und in einer ebenso langen Erfahrung als Jugendbildungsreferent für politische Bildungsarbeit an der nichtorganisierten Jugend in der Bundesrepublik den Eindruck gewonnen, daß die politische Bildungsarbeit an der Jugend sich zu sehr auf die Unterweisung und Schulung stützt und nicht genug auf Formung durch eine erzieherische Anbahnung staats-und sozialpolitischen Handelns. Mit dieser Einseitigkeit ist aber die Gefahr verbunden, daß entweder überhaupt keine tiefere Wirkung oder nur eine dem Aufwand entsprechend geringe Wirkung erreicht wird, denn vom politischen Wissen zum politischen Wollen oder gar zum politischen Handeln ist noch ein sehr weiter Weg.

Es scheint die Notwendigkeit zu bestehen, in der politischen Erziehungsarbeit der Bundesrepublik nach Wegen zu suchen, diese Erziehung als Lebensvorgang des einzelnen und der verschiedenen Gemeinschaften zu gestalten. Wenn das gelänge, dürfte man hoffen, eine organische Entwicklung des deutschen Bundesbürgers zu einem verantwortungsbewußten und mündigen demokratischen Mitgestalter des Staatslebens zu erreichen.

Für eine Untersuchung der Möglichkeiten einer politischen Erziehung und Bildung der Jugend scheint die Anerkennung der Tatsache, daß ebenso wie die Schule „infolge der sielt immer mehr differenzierenden Kultur und des Zerfalls der Großfamilie auch die Jugendgruppe heute eine Notwendigkeit geworden ist,“ 1a) unbedingte Voraussetzung zu sein.

Von dieser Voraussetzung aus hält es der Verfasser für sehr günstig, Ansatzpunkte für eine politische Erziehung in Jugendgemeinschaften bereits in der Vergangenheit zu suchen. In der deutschen Vergangenheit kann man positive und wichtige Erkenntnisse gewinnen, wenn man die Anfänge selbstgestaltetenjugendlebens in der historischen „Jugendbewegung“ sucht, denn diese war es, die die deutsche Jugend um 1900 in einer dynamischen Bewegung zur Bildung und Betonung eines neuen sozialen Lebensraumes trieb, nämlich zur Gründung von freienjugendgemeinschaften.

Der Verfasser hat seinen Erwägungen entsprechend gehandelt und legt nun die Resultate seiner Untersuchung 1b) der an so einem Thema interessierten Öffentlichkeit vor, um dieser damit Anhaltspunkte für eine politische Erziehungsarbeit an der deutschen Jugend zu geben und um in Kritik und Anerkennung zu einem fruchtbaren Gespräch über das von ihm behandelte Anliegen zu kommen. Einleitung Die Jugendbewegung Die vorliegende Untersuchung befaßt sich mit dem Teil der deutschen „Jugendbewegung", der als die „klassische" oder die „eigentliche, originale“ oder die „autonome“ Jugendbewegung von Erscheinungen, die ebenfalls als „Jugendbewegung“ bezeichnet werden, unterschieden werden kann.

Wenn wir die Formen der einzelnen Jugendverbände, in denen die einzelnen Jugendgenerationen von 1900 bis heute auftraten, jeweils als „Jugendbewegung“ auffassen, so meint die Bezeichnung „klassische Jugendbewegung" die erste Generationsform in dieser Reihe 1). Sie ist dem Zeitraum von 1896 — dem ersten Auftreten der Wandervögel — bis 1917 zuzuordnen.

Durch den Begriff „eigentliche, originale Jugendbewegung" grenzen wir uns gegen die zweite Phase der deutschen Jugendbewegung, gegen die „hündische Jugend“, ab. Diese ist eine Mischung von durch Staat, Kirche und Verbände getragener Jugendpflege und Resten der originalen Jugendbewegung, aber nicht mehr wie jene eine „spontan aus der Jugend entporsteigende breite Emanzipationswelle" Die „eigentliche" Jugendbewegung unterscheidet sich auch von einer zur gleichen Zeit bestehenden „uneigentlichen“ Jugendbewegung, unter der alle Jugendverbände gemeint sind, die von den politischen Parteien, vom Militär, von Berufsverbänden, von den Kirchen und Konfessionen usw. ins Leben gerufen wurden.

Die Bezeichnung „autonome Jugendbewegung“ soll aufzeigen, daß nur jene Gruppen der deutschen Jugendbewegung einbezogen werden sollen, die das Charakteristische der Jugendbewegung, ihren Willen zur Selbständigkeit und freier Selbstentscheidung deutlicher verkörpern. Demnach wollen wir die Jugendverbände untersuchen, für die zutrifft, daß sie „ 1. von Jugendlichen gegründet, 2. von Jugendlichen geführt und nicht konfessionell, nicht an Parteien oder Zweckbestrebungen gebunden“ waren. 3).

Wenn wir alle in den Jahren 1896 bis 1917 bestehenden Jugendverbände, auf die obige Merkmale nicht zutreffen, ausscheiden, so bleiben für unsere Betrachtung die „Wandervögel", die „Wanderer" — es ist anteilsmäßig nur der weitaus kleinere Teil — und die „Deutschen Akademischen Freischaren“ übrig. Seit dem „Hohen Meißner“ im Jahre 1913 werden sie alle unter dem Namen „Freideutsche Jugend“ zusammengefaßt

Zur soziologischen Zusammensetzung ist zu sagen, daß in diesem Teil der Jugendbewegung ursprünglich Schüler höherer Lehranstalten, Studenten und jüngere Kaufleute zusammengefaßt waren. Meist waren es junge Leute aus kleinbürgerlichen Kreisen. Bei den „Wanderern" und in den „Akademischen Freischaren“ befanden sich auch Söhne angesehenster und reichster Familien. In allen drei Verbänden schließlich befanden sich vereinzelt auch einige Werktätige.

Es gab Verbände, die nur aus Jungen und solche, die sowohl aus Jungen als auch aus Mädchen bestanden. Die Mädchen spielten aber in den letzteren kaum eine bestimmende Rolle.

Die Jugendbewegung umfaßte bis 1917 entwicklungsmäßig gesehen, drei Altersstufen: „die Schuljugend, die akadewisd-ten Jungwannsdtaften und die Mannschaft, die schon int Berufsleben stand und sich auch uw das politisdie Leben küwwern wußte“

Für die erste Stufe bestand die selbstergriffene Aufgabe darin, sich in Jugendgemeinschaften ein eigenes jugendgemäßes Leben aufzubauen und es voll zu leben. Für die Jugendlichen der zweiten Stufe trat zu dieser Aufgabe noch die Erziehungsund Führungsarbeit in diesen Jugendgemeinschaften und die eigene Vorbereitung auf den Eintritt in das öffentliche Leben durch „Erkennung der eigenen Lebensaufgabe und der Klärung der Begriffe und weltansdtaulidien Vorstellungen“

Leistung der letzten Entwicklungsstufe, war schließlich die unmittelbare Vorbereitung zur eigenen und gemeinsamen Betätigung im Dienste des öffentlichen Wohles. Hier galt es die Tatgemeinschaft der Mannschaft zu formen, „die sich aus der einheitlichen Grundhaltung der Jugendbewegung heraus in das öffentliche und politisdie Leben eingliedern sollte“

Alle drei Altersstufen verband die Gemeinschaft gleicher Lebensführung in einem eigenen Jugendreich. Die zweite und die dritte aber hatten noch die Gemeinsamkeit gleicher Problematik aufgrund größerer Reife und größerer Nähe zum öffentlichen Leben.

Die Dauer der so verstandenen Jugendbewegung ist bis zum Jahre 1917 anzusetzen, da hier ihr Entfaltungsund Selbstgestaltungsprozeß beendet war. Die Energien der Selbstentfaltung und -gestaltung waren bis zu diesem Zeitpunkt erschöpft. In der Zeit zwischen 1917 etwa und 1923 kämpfte Neues und Altes um eine neue Form und um neue Ziele, die dann ab 1923 ihren Ausdruck in einem politischen Engagement und in dem Wunsche nach „Bündigung“ fanden. Vieles vom Stil der eigentlichen Jugendbewegung setzt sich in dieser Zeit tischen haben innerhalb des angesetzten Zeitraumes die Jahre von gen", der „Übergang zu Großorganisationen“ und die „Radikalisierung der Gegensätze“ kurz: die Formung durch die Erwachsenen kommt hinzu, leitet ganz neue Entwicklungen ein und schließt die eigentliche Selbstentfaltung und -gestaltung endgültig ab.

Bei der Untersuchung der Stellung der Jugendbewegung zum Politischen haben innerhalb des angesetzten Zeitraumes die Jahre von 1914 bis 1917 nochmals eine besondere Bedeutung. Mit dem Krieg vollzog sich, äußerlich bedingt, aber — wie zu zeigen sein wird — innerlich vorbereitet, in der Jugendbewegung eine zwangsweise Hinwendung auf staatliche und politische Probleme, und erst mit dem Kriege ist es für die Jugendbewegung auch als Ganzes notwendig geworden, ihre Grundsätze und ihre Gemeinschaftsethik auch im praktischen staatlichen Leben zu erproben. Die Jugendbewegung selber empfand sich immer als unpolitisch. Sie hatte dementsprechend jede Verpolitisierung durch Parteien immer abgewehrt. Aber durch das gewaltige Ereignis des Kriegsausbruches konnte sie nicht mehr in ihrer vorherigen Distanz vom politischen Leben bleiben. Lind analog zu ähnlichen Vorgängen in vielen Erwachsenenverbänden, schlug die antistaatliche Haltung in handelnde Hingabe und Verantwortungswille für den deutschen Staat um.

Der Krieg bildet somit in der Entwicklung der Jugendbewegung eine Zäsur und gab ihr eine neue Richtung. Diesen Umbruch aber meisterte die Jugendbewegung in einer ihr ganz eigentümlichen Weise, die vor allem auf ihre vorhergehende Selbsterziehung zurückzuführen war.

Um ein sachrichtiges Bild der Jugendbewegung zu erhalten, hat der Verfasser zunächst als Quelle die Zeitschriften der größten Verbände nachgelesen. Da es sich aber hier nur um Äußerungen von Menschen handelt, die noch selber mitten in den Vorgängen stehen, die sie berichten, so war es auch nötig, über die gleichen Dinge auch die Äußerungen von Autoren beizuziehen, die später schrieben und daher die Entwicklung und Tatsachen objektiver schildern konnten. Trotzdem sind die Originalquellen das wichtigere Fundament für unsere Untersuchung. Gerade sie zeigen z. B.den großen Einschnitt an, den der Krieg bewirkte. Ab 1914 wechselt nämlich in fast allen Zeitschriften die Problematik — allerdings kommen die Zeitschriften der Jüngeren gegen Ende des Krieges wieder mehr auf die Fragen ihres Jugendlebens zurück —. Besonders stark tritt die neue, nämlich die politische Thematik in der Zeitschrift „Freideutsche Jugend" auf. Sie erscheint allerdings erst seit 1914, so daß ein Vergleich mit früheren Jahrgängen nicht möglich ist.

Hier als Beleg verwendete Zitate werden nur ausgewählt, wenn sie durch viele andere Äußerungen der Zeitschriften gestützt werden. Nur an wenigen Stellen wurden auch die Worte einer einzigen Zeitschrift oder eines einzelnen Schreibers übernommen, jedoch nur, wenn aus verschiedenen Anzeichen ersichtlich war, daß es sich hierbei um eine in der Jugendbewegung allgemein anerkannte Wahrheit oder um eine repräsentative Persönlichkeit handelte.

Eine große Hilfe für den Verfasser waren die Gespräche mit ehemaligen „Freideutschen“. So konnte er mit dem Begründer des Hamburger Wandervereins und dem Initiator der ersten Deutschen Akademischen Freischar, Knud Ahlborn, einige Tage hindurch Gespräche zur Erörterung mancher Probleme führen. Anläßlich des 70. Geburtstages von Knud Ahlborn hatte der Verfasser auch mit anderen noch lebenden Mitgliedern und Führern der Freideutschen Jugend rege Aussprachen. Dieselbe Möglichkeit bot ihm auch Hans Wolf auf der Jugend-burg Ludwigstein. Die Gespräche und die Gemeinschaften mit „Freideutschen halfen sehr zum Verständnis vieler nur durch das Erlebnis zu begreifender Erscheinungen in der Jugendbewegung bis 1917.

Es wurde darauf geachtet, nur allgemein anerkannte Autoren zu zitieren oder nur von ihren Aussagen auszugehen. Um sicher zu sein, daß die Schreiber auch Gültiges gesagt haben, wurden stets die anderen auf das betreffende Ereignis bezogenen Aussagen beachtet. Auf diese Weise waren Lügen und Übertreibungen sowie subjektive Gedanken-konstruktionen schnell als solche zu entdecken und auszuschalten. Eine große Gefahr bildete in dieser Hinsicht vor allem der vielfach polemische Charakter der Zeitschriften der Jugendbewegung und der Schriften ausgesprochener Freunde oder Feinde. Deren Berichte waren oft durch Interessen und besondere Neigungen, von Parteileidenschaft und Haß und andernteils von zu nachsichtiger oder gar schmeichlerischer Gesinnung geprägt. Doch die große Fülle des Quellenmaterials und der Literatur über die Jugendbewegung ermöglichte eine Überwindung dieser Gefahr, da sie die Möglichkeit einer Kontrolle durch Vergleiche gab.

Sehr mit Vorsicht als Quellen zu gebrauchen waren die Werke von Hans Blüher und die Schriften, die in der nationalsozialistischen Zeit geschrieben wurden. Der Verfasser mußte eine Vielzahl von Stellungnahmen zu Blühers Hauptwerken lesen, bevor er es wagen konnte, daraus Erkenntnisse zu gewinnen und brauchbare Zitate auszuwählen. Da Hans Blüher zu einer Zeit schrieb, als er von solchen Zeitgenossen, die den wahren Tatbestand kannten, und die aus Interesse an der Jugendbewegung willens waren, ihn zu korrigieren und, wo es nötig war, glatter Unrichtigkeiten zu überführen, war es möglich, die wahren Tatsachen auch aus seinen Werken herauszulesen. Auf Hans Blüher im Zitat ganz zu verzichten, wäre unangebracht, weil gerade seine Schilderungen meisterhaft anschaulich sind.

Schwieriger war es, dasselbe und die Möglichkeit zu korrekter Schilderung bei den Autoren vorauszusetzen, die während der Zeit der nationalsozialistischen Bücherzensur schrieben. Hier blieb nur die Möglichkeit des Vergleichs mit anderen Schriften und die Überprüfung mancher nach Tendenz aussehender Thesen. Die Tendenzen, die in solchen Schriften enthalten sein konnten, sind hinreichend bekannt, so daß sie leicht ausgeschieden werden konnten.

Ebenso schwierig für eine Verwertung war das Buch von Howard Becker: „Vom Barette schwankt die Feder“. Auch dieser Autor war tendenziös, denn er richtete seine Schilderungen danach aus, daß sie zur Erhellung der Situation nach 1945 dienen konnten. Diese „Ausrichtung" war bei der Verwendung mancher Gedanken einzurechnen.

Da Quellenschriften wie Sekundärliteratur über die Jugendbewegung gleichermaßen benutzt wurden, war es möglich, die Schwächen der einen durch die Stärke der anderen und umgekehrt auszugleichen. Wo uns beispielsweise die Subjektivität und die Befangenheit im direkt geschilderten Erlebnis für die Erkenntnis des wahren Sachverhalts ungut erschien, nahmen wir den Bericht eines Autors hinzu, der aus einer größeren Distanz zu den Dingen und mit dem Willen zur Wissenschaftlichkeit eine sachlichere Schau zu vermitteln im Stande war. Aus diesem Grunde wird der Leser in unserer Studie eine häufige Literatur angegeben finden, die erst nach 1917 — also dem zeitlichen Endpunkt unseres untersuchten Gegenstandes — geschrieben wurde.

Ein zweiter Grund für die Hinzuziehung der Literatur nach 1917 ist der, daß hier bereits Versuche unternommen wurden, die Fülle der Erscheinungen in der Jugendbewegung zu sichten und nach allgemeinen Gesichtspunkten zu ordnen. In diesen Untersuchungen sieht der Verfasser notwendige Grundlagen für eine Studie, die ein ähnliches Ziel hat.

Eine sehr reichliche Sammlung von Zeitschriftenartikeln und Zeitungsabschnitten aus den Jahren 1913 und 1914, boten Aufklärung über Bedeutung und Haltung der Öffentlichkeit gegenüber der Jugend-bewegung. — Vor allem gegenüber dem Fest auf dem Hohen Meißner. — Zusammenfassend läßt sich der Gegenstand, auf den sich die Untersuchung richtet, folgendermaßen beschreiben: Es handelt sich bei der Jugendbewegung um diejenigen Verbände in der Zeit von 1896 bis 1917, die von Jugendlichen gegründet und geführt und nicht konfessionell, nicht an Parteien und nicht an Zweckbestrebungen gebunden waren. Diese Jugendbewegung stand in einem Prozeß der Selbstentfaltung und Selbstgestaltung, der seinen Höhepunkt 1913/14 hatte, in den der Kriegsausbruch tief eingriff und dessen Auflösung und Erschöpfung nach 1917 begann. Als Unterlagen dienten die Zeitschriften der größten Jugendverbände innerhalb der Jugendbewegung, die zahlreichen Schriften von Autoren, die aus eigener Anschauung und aufgrund von wissenschaftlichen Studien über die Jugendbewegung geschrieben haben, und schließlich noch zahlreiche persönliche Aussprachen mit noch lebenden Mitgliedern der „Freideutschen Jugend".

Die so abgegrenzte Jugendbewegung soll nun in Hinsicht auf ihre politische Erziehung untersucht werden. Dabei geht es nicht zuerst darum, die Erscheinungen in ihren historischen Zusammenhang einzuordnen. Es soll vielmehr versucht werden, die historische Erscheinung der Jugendbewegung unter dem Gesichtspunkt der Aufgabe einer politischen Erziehung, wie wir sie heute erkennen, zu analysieren, um aus den historischen Vorgängen vielleicht Erkenntnisse zu gewinnen für unsere augenblickliche Problematik in der politischen Erziehungsarbeit. Also kein vorwiegend historisches sondern eigentlich ein sozialpädagogisches Anliegen liegt der vorliegenden Untersuchung zugrunde.

2. Politische Erziehung

Das Lexikon für Pädagogik definiert die politische Erziehung als die Gesamtheit aller „Bestrebungen, den jungen Menschen als mitverantwortliches und mittätiges Glied in die staatliche Gemeinschaft einzuführen“. Es betont, daß es hier „um die Erziehung zum Staat“ ginge, „d. h. um die pädagogische Hilfe bei der in jeder Generation erneut notwendigen Formung und Sicherung der staatlidien Ordnung. Damit ist mehr erstrebt als unterrichtliche Einführung und praktische Einübung in Verfassung, Gesetz und Verwaltung des konkreten Einzel-staates“

Aus dieser Definition ergeben sich zwei grundsätzliche Fragen: Die erste Frage bezieht sich auf die Arbeitsweise, die eine politische Erziehung einzuhalten habe und die zweite auf die Materie oder den Inhalt einer politischen Erziehung.

Hinsichtlich der Arbeitsweise sind heute zwei Hauptbestrebungen zu beobachten: „I. Vom Staat, seinen Aufgaben, Funktionen und Gliederungen K u n d e zu geben, 2. in den Erziehungsgemeinschaften (Schule, Heim, Jugendbund u. a.) staatsbürgerliche Tugenden praktisch zu üben, gleichsam in ihnen den , S t a a t im K l e i n e n in Gestalt einer staatsartig aufgebauten Gemeinschaft . . . zu verwirklichen“

Es ist wohl die Leistung Eduard Sprangers, einen Zusammenhang zwischen beiden Arbeitsweisen festgelegt zu haben. Er zeigt nämlich die Möglichkeit auf, durch eine bestimmte Methode der Unterweisung, die Gegebenheiten des sozialen Lebensraumes der Jugendlichen einzubeziehen und so gleichsam das Übungsfeld natürlicher sozialer Gewohnheiten der direkten politischen Erziehung nutzbar zu machen. Spranger nennt diese Methode, das „Anknüpfen an die Urphänomene“ der menschlichen Gesellschaft, die der Jugendliche in seinem Lebenskreis erlebt und auch erkennen kann Ähnliches hat Weniger im Auge, wenn er schreibt: „Die erzieherische Aufgabe der politischen Erziehung besteht also darin, erstens Erfahrungen zu vermitteln und zweitens Erfahrungen zu deuten mit Hilfe einer wirklichen Theorie“

Die Auffassung von politischer Bildung, die der Untersuchung zugrunde liegen soll, läßt sich also wie folgt umreißen: An erster Stelle kommen die Erfahrung und ihre nebenlaufende Sinndeutung, und an letzter Stelle kommt dann die Aufgabe, „die Vermittlung von Kenntnissen, welche die Anwendung dieser Erfahrungen auf die Teilnahme am politischen Leben ermöglichen“

Diese Auffassung wird einmal durch die Rücksicht auf die jugendliche Psyche bestimmt. Der heranwachsende und reifende Mensch lernt mehr durch das Erlebnis, als durch theoretische Belehrung.

Aus dem Begriff der politischen Erziehung, sind genau die gleichen Bildungsformen abzuleiten, wie aus den entwicklungspsychologischen Bedürfnissen. Es bedarf nach Wenigers Worten „der Weckung der Spontaneität, der Erfahrung, die aus dem Selbsttun und aus dem Miteinanderleben erwächst, der lebendigen Anschauung, an der sich die Gedanken entzünden“

Eine wichtige Frage ist die nach dem Inhalt der politischen Erziehung. Auch bei ihrer Beantwortung können wir uns an die Gedanken Erich Wenigers anlehnen, die er im Zusammenhang mit einem „Gutachten zur politischen Bildung und Erziehung“ des „Deutschen Ausschusses für das Erziehungs-und Bildungswesen“ äußerte. Weniger teilt die politische Erziehungsarbeit in eine unmittelbare und mittelbare politische Erziehung ein. In die Mitte stellt er noch als Form des Über-gangs, als Zwischenschicht, die „partnerschaftliche“ oder „mitbürger-liche Erziehung“

Zur mittelbaren politischen Erziehung gehört notwendig, daß die Erziehungsgemeinschaft nicht nach dem Muster eines Obrigkeitsstaates zwangsmäßig überformt ist, sondern daß sie durch ihre Struktur und ihre Lebensform ihre Glieder erfahren läßt, was Freiheit und Verantwortung im Leben einer Gemeinschaft bedeuten. Erzieher und Erzogene sollen sich gegenseitig als freie Menschen gegenübertreten. Die Jugendgruppe soll eine Stätte der Begegnung zwischen den Kindern aus allen Schichten des Volkes sein und so den einzelnen anschauliche Erfahrungen unseres gesellschaftlichen Lebens geben. Die Jugendgruppe ist so, „richtig gedeutet, eine Vorbereitung auf die eigentliclte politische Erziehung.“ Die Methoden der Arbeitsgemeinschaft, die freien Gemeinschaftsformen der musischen und sportlichen Erziehung, die Einrichtungen und Methoden der Selbstverwaltung, die Übung in freier Rede und die Diskussionen haben hier große Bedeutung. Weniger sieht in ihnen den Ausdruck von „Grundwahrheiten des freien Lebens in der Gemeinschaft“ und als Hilfe, „die Kinder und jungen Menschen auf ihre späteren Aufgaben als verantwortliche Bürger in Gesellschaft und Staat vorzubereiten,“ wobei wichtig ist, daß sich diese Formen vollziehen, „ohne daß schon ausdrücklich von politischer Bildung die Rede ist“

Allerdings wird diese mittelbare politische Erziehung erst wirksam, wenn sie in eine unmittelbare politische Erziehung hineinführt. So wenig die mittelbare politische Erziehung allein schon die reife politische und staatsbürgerliche Haltung ermöglicht, so sehr ist die eigentliche unmittelbare politische Erziehung daran gebunden, daß jene die tragfähigen Voraussetzungen zuvor geschaffen hat. Wenn später eine unmittelbare politische Erziehung die Vorformen der mittelbaren aufgreift und weiterführt, dann zeigt sich jene mittelbare Vorform doch als faktische politische Bildung.

Die unmittelbare politische Erziehung kann jedoch nicht direkt an die mittelbare angeschlossen werden, es ist vielmehr noch eine Zwi-schenschicht einzufügen, in Form der „partnerschaftlichen“ oder „ mitbürgerlichen " Erziehung.

Zu ihr gehört die Pflege der unentbehrlichen Elemente des Zusammenlebens mit den Mitmenschen, die „anschaulichen Erfahrungen von Grundphänowenen der Gesellschaft und des Miteinanderlebens.“ Verhaltensweisen, die „für das spätere Leben in der Gesellschaft hilfreich sind“, kann sich der junge Mensch durch eigenes Tun in der mitbürgerlichen Welt aneignen. Gegenseitige Hilfe, das gemeinsame Beraten von praktischen Angelegenheiten, Diskussionen und die Bemühung um demokratische Entscheidung in Familie, Schule oder Jugendgemein-schaften sind Formen dieser mitbürgerlichen Erziehung. „Hier können auch die Elemente der sogenannten einfachen Sittlichkeit ohne grofle Worte durch das Leben selbst anschaulich gemacht und angeeignet werden“

Die unmittelbare politische Erziehung, ist heute die Erziehung zur Demokratie und zur staatsbürgerlichen Mitverantwortung, im Sinne einer äußeren und inneren Vorbereitung auf das mitverantwortliche Leben in einem Staatsverbande.

Die Begriffe der mittelbaren, zwischenschichtigen und unmittelbaren politischen Erziehung, wie sie Weniger vorgeschlagen hat und wie sie im Gutachten zur politischen Bildung und Erziehung des deutschen Ausschusses für das Bildungsund Erziehungswesen inhaltlich enthalten sind, sind sehr fruchtbare Kategorien zur Herausfindung und Beschreibung dessen, was sich in der Jugendbewegung an politischer Erziehung zeigte.

Die Untersuchung soll folgende These erhärten:

In der Jugendbewegung von 1896 bis 1917 hat auch eine politische Erziehung stattgefunden und zwar in Form 1. einer mittelbaren politischen Erziehung.

2. einer zwischenschichtigen politischen Erziehung oder Gemeinschaftsund Partnerschaftserziehung. Endlich 3. als unmittelbare politische Erziehung.

L Der erzieherische Charakter der Jugendbewegung

Um die politische Erziehung, die in der Jugendbewegung stattgefunden hat. recht würdigen zu können, ist es notwendig, zuvor überhaupt den allgemeinen erzieherischen Charakter ihrer Bewegung zu erkennen. In ihr hat, wenn wir die Erziehung als das systematische und zielstrebige Bemühen eines Reifen (Autorität), der Anlage und den Möglichkeiten eines noch Unentwickelten zur Reife und zur Erfüllung zu verhelfen, verstehen, eine echte Erziehung der Mitglieder stattgefunden. Es ist in der Jugendbewegung immer so gewesen, daß die Führer bewußt und unbewußt die Funktionen ausübten, ihren Gruppenmitgliedern durch Beispiel und Unterweisung zur Entfaltung ihrer Anlagen und Fähigkeiten zu verhelfen. Ja, es ist sogar als typisch für die Jugend-bewegung bezeichnet worden, daß diese Jugend, „die sich selbst in kleinen Gemeinschaften unter dem Leitbild eines neuen Menschentums führte, in ihren leitenden Kräften sich sehr bald unter dem Gesichtspunkt einer neuen Erziehung begriff:“ „So haben dann führende Jugendbewegte diese Jugendbewegung auch sehr bald als eine Erziehungsbewegung verstanden“

Bereits in einem Brief, der 1903 von einem Wandervogelführer geschrieben wurde, ist das weitergreifende Erziehungsbemühen genannt: „Ich dächte, um nicht von der rein körperlichen Kräftigung zu sprechen, der Wandervogel hat den Willen gestählt, das Selbstgefühl stark gehoben. — Wir selbst haben die Absicht für das Geistige zu wirken. Einzig und allein die Bärenführer spielen zu wollen, hätte wirklich keinen Sinn und Verstand; und um mit ein paar Jungen, die uns besonders gefallen, in näheren Verkehr treten zu können, dazu wäre wahrhaftig dieser große Apparat nicht nötig“

Auch von den Wanderern können wir schon 1910 lesen: „Aus den anfangs sich widerstrebenden, z. T. unklaren Zielvorstellungen rang sich ein Gedanke siegreich empor, der die Gemeinschaft fest zusammenfügte: der Gedanke, auf die Umgestaltung der Lebensführung unserer Jugend hinzuwirken und ihr des Erstrebens werte Ziele zu zeigen"

Auf einem Programm der studentischen Freischar in Göttingen, aus dem Jahre 1907, stand als zweite Aufgabe: „Entwicklung einer frohen und ungezwungenen Geselligkeit, gegenseitige, persönliche Erziehung, Unterstützung und Belehrung . .

Wie ist diese Erziehung aber näherhin zu charakterisieren? Sie ist zunächst eine Selbsterziehung der Jugend. Wenn es auch Reifere waren, die auf die Jugend einwirkten, so zählten sie doch noch zur Jugend. Es ist eine Erziehung in Freiheit und zur Freiheit. Das Anliegen der Jugend war, sich aus der herrschenden Konvention zu befreien, indem sie sich von den aufgezwungenen Autoritäten freimachte, um sich dann allerdings bald neue Autoritäten zu schaffen, denen sie in Freiheit Gehorsam leistete. Sie löste sich von alten Bindungen, die ihr unnatürlich und nicht wesensgemäß erschienen und trat in neue Bindungen, die sie sich aus Erfahrung und Erlebnis selbst geschaffen hatte. Es war dies eine ganz neuartige Persönlichkeitserziehung, die zwar viel individualistische Züge aufwies, aber doch wesentlich von dem üblichen Individualismus jener Tage abstach. Das Neue an ihr war, daß sie der Gemeinschaft bedurfte, und zwar näherhin einer Gemeinschaft, die in der Natur beim Wandern, Lagern und Herumtollen wirklich erlebt wurde

Es lassen sich an dieser Erziehung deutliche Züge Rousseauscher Gedanken feststellen. Eduard Spranger stellt dies wiederholt fest und Alexander Rüstow schreibt über die Jugendbewegung: „So wenig wie eine andere Bewegung ist die Jugendbewegung durch Urzeugung entstanden; auch sie hatte Vorläufer. In die Augen fallend ist die Ähnlichkeit mit jenem anderen Traditionsstreik, der, wie wir sehen, schon einmal anderthalb Jahrhunderte früher proklamiert worden war. Das Zentralproblem von Rousseaus großem Erziehungsroman als einer Art pädagogischer Robinsonade war gewesen, wie man die Unnatur der konventionellen Tradition ausschalten und den Zögling seiner Natur gemäß ganz vorne beginnen lassen könne. Was dort für den kleinen Emile durch komplizierte pädagogische Versuchsanordnungen erreicht werden sollte, das trauten sich hier Horden heranwachsender Emiles auf eine minder komplizierte Weise selber zu — freilich ohne von der Vorgängerschaft Rousseaus zu wissen, noch wissen zu wollen“

Doch mit Rousseauschen Kategorien allein ist diese Erziehung nicht völlig zu begreifen. Das erscheint schon in den oben zitierten Worten. Es sind hier keine Einzelpersonen, die sich je selbst zu Persönlichkeiten entfalten, sondern die Jugend tut es in „Horden“, das heißt in der Gemeinschaft Jugendlicher. In dieser Gemeinschaftserziehung der Jugendbewegung hegen die Anknüpfungspunkte einer politischen Erziehung. Das eigentliche Bildungsideal der Jugend, war zwar auch hier primär humanistisch-individualistisch, aber dadurch daß sie sich gemeinschaftlich bildete und erzog, schuf sie unbewußt Ansätze einer echten politischen Erziehung. Über die Ursachen der Ähnlichkeit mit Rousseau sind die Meinungen verschieden. Mancher glaubt, daß Rousseau zur Jugendbewegung nur auf Umwegen kam, beispielsweise über Tolstoj ein anderer kann über die an der Jugendbewegung beteiligten Erwachsenen direkte Linien sehen, beispielsweise über Ludwig Gurlitt, der in seinen Schriften starke Rousseausche Züge aufweist.

Den Grund der starken Betonung der Gemeinschaftlichkeit und damit des Gemeinschaftscharakters der Erziehung sieht Eduard Spranger in den „Rückwirkungen aus dem öffeutlidieH Leben unserer Zeit auf die Jugend“

Zusammenfassend können wir sagen: In der Jugendbewegung hat es eine Erziehung der Mitglieder durch Führer und reife Kameraden gegeben, ja das Bewußtsein, eine Erziehungsfunktion auszuüben, war in der Führerschaft sowie in der ganzen Jugendbewegung ausgeprägt vorhanden. Die Art der Erziehung hat vieles mit der von Rousseau entwickelten Methode gemeinsam, insofern sie als Persönlichkeitserziehung starke individualistische Züge aufwies und von großer Spontaneität getragen war; sie ging aber darüber hinaus, bzw. verlor diese ihre Ähnlichkeit, insofern sie sich ganz auf Gemeinschaft, die in natürlichem Umgang mit Altersgenossen auf Wanderungen und in Lagern in der Natur erlebt wurde, stützte.

1L Die mittelbare politische Erziehung (Autorität und Freiheit)

1. Das Autonomiestreben der Jugendbewegung Schaffung eines freien Jugendraumes

Den größten politischen Erfolg hatte die Jugendbewegung in ihrem Ringen um eine Autonomie der Jugend. Sie hat damit eine Wende in der Jugendpolitik des Staates und der Parteien zu erreichen vermocht.

Das Autonomiestreben hat in der Jugend wesentliche politische Kräfte und Fähigkeiten entbunden. Für eine direkte politische Erziehungsarbeit war es eine notwendige Voraussetzung, denn es schuf der Jugend erst den Raum, in dem sie ihre Kräfte frei entfalten und ihre Verhältnisse selbst gestalten konnte. Das aber ist die erste Bedingung dafür, daß in der Jugend Aktivität aus Verantwortungsbereitschaft für die Gemeinschaft und den Staat wachsen können.

Die Historiker und Kritiker der Jugendbewegung und die Selbstzeugnisse der Jugend in ihren Zeitschriften teilen sich bei der Beantwortung der Frage, woraus der Drang nach Eigenwert, Selbstgestaltung und Selbstbestimmung der Jugend entstanden sei, in zwei Gruppen: Die erste Gruppe hält die Auflehnung der Jugend gegen die autoritäre Behandlung durch die Erwachsenen, also den uralten Generationsstreit zwischen Alt und Jung für die Entstehungsursache. Die zweite Gruppe aber glaubt im Druck der seelenlosen mechanisierten Kultur die tiefere Ursache des Aufbäumens sehen zu müssen. Beiden Ansichten ist gemeinsam: Der Jugend nach 1900 wurde bewußt, daß sie anders denkt, fühlt und will, und daß sie anders leben könnte als es ihr im gegenwärtigen öffentlichen Leben möglich ist; und sie hatte den Mut, selbst die Gestaltung des eigenen Lebens zu wagen, als sich eine Möglichkeit hierfür bot.

Die Jugend beschritt mit Eifer diesen Weg, baute sich ein eigenes Jugendreich auf und bewies sichtbar eine politische Fähigkeit, nämlich das Vermögen, sich eigene Gesetze zu geben, sich selbst zu verwalten und zu regieren. Sie wurde in diesem Werk von außen nicht gefördert oder inspiriert. Das Bewußtsein der Zeitgenossen war ihrem eigenen Geist geradezu entgegengesetzt. Die Erwachsenen setzten fast allgemein weder Vertrauen in das Können der Jugend noch gaben sie ihr Freiheit zu eigenem Wirken Die mangelnde Übereinstimmung des jugendlichen Wollens mit der Einstellung der Erwachsenen mußte den Erfolg des neuen Gestaltungswillens der Jugend notwendig hemmen und erschweren.

a) Selbstgesetzgebung

Das erste Gesetz, das sich die Jugend gab, und für das sie den Erwachsenen die Zustimmung abrang, stellte zunächst auch nur eine »Autonomie-Erklärung" kleinsten Ausmaßes dar. Die Jugend sollte in ihrer Freizeit wandern können und zwar »ohne Mitwirkung der Lehrer"

Dafür gründete sie einen Verein. Weil nach den Schulgesetzen Schülern verboten war, selbständige Vereinigungen zu gründen, gewann Karl Fischer, der Initiator des größten Wandervogelverbandes, die Mitarbeit angesehener Erwachsener für sein Werk

Fischer hatte den Wandervogel in Berlin-Steglitz unter dem Programm „Getneinsawes Wandern der Schülerjugend“ ins Leben gerufen.

In vielen anderen Orten Deutschlands waren ebenfalls unter dem Stichwort „Geuteinsauies Wandern“ ähnliche Gruppen entstanden. Sie alle hatten eine gemeinsame Art. Blüher beschreibt sie wie folgt: „Wie harinlos ist eine Kneipverbindung unter Pennälern gegen eine solche Jugendverbindung, die es gewiß nicht aufs Kneipen angelegt hatte, die es aber tat, wo und wann es ihr beliebte, eine Jugend, die wie auf einen großen Sdtlachtruf aus allen Gauen des Vaterlandes zusammenströmte, des nachts ant Feuer lag und sich da ihre Leiden und Gedanken erzählte mit Menschen, denen sie am selben Morgen die Hand gedrückt hatte“

Jenes erste Gesetz der Jugend, der Ausgangspunkt ihrer weiteren Autonomiebestrebungen, war nur im „Wandervogel" Fischers schriftlich niedergelegt, es drückte aber auch das Wollen aller anderen Jungen aus, die in den nächsten Jahren zu den Wandervögeln strömten. Dieses erste Gesetz ihres neuen Kreises ließ die Jugend den Segen fester Ordnungen für große Gemeinschaften erleben, und es wurde angestrengt darüber nachgesonnen, wie diese Ordnung weiterhin ausgebaut werden könnte.

Das zweite Gesetz regelte das Zeremoniell, nach dem die Jungen in die Gemeinschaft eingegliedert wurden und legte den Wortlaut der Verpflichtung auf Führer und Gemeinschaft fest

Und damit war auch schon die soziale Gestaltung desjugendreiches festgelegt: Die Mitglieder stuften sich nach der Hierarchie Oberbachant — Bachant — Bursche — Scholar oder Fuchs. Jeder erkannte diese Stufung an. Dieses Gesetz wurde allgemein anerkannt, obwohl heftige Diskussionen dazu Stellung nahmen. Später als eine demokratische Regierungsform vorherrschte, wurde die allgemeine öffentliche Diskussion häufig das Mittel, neue Gesetze zu schaffen. So kam dem Gesetzes-strom von oben ein anderer entgegen, der sich aus Leben und Erlebnis aller Jungen von unter her speiste

In den Gruppen entstanden aus der Notwendigkeit, das Zusammenleben zu regeln, eine Fülle von Gebräuchen und Gewohnheiten, Sitten und Gesetzen. Hans Blüher beschreibt in seinem „Wandervogel“ und Else Frobenius in „Mit uns zieht die neue Zeit“, wie sich bei Wanderfahrt und Lagerleben ein fester Codex von Ordnungen herausbildete, der meist ungeschrieben blieb, dafür aber um so genauer befolgt wurde: „Die höchste Achtung genießt die Sitte, senkrecht int Stroh zu schlafen. Wem das reichlich ungewohnt und schnurrig ist, der sucht wenigstens einen Winkel von 45 Grad zu erreichen. Nicht alle können dabei gleich einsddafen. Trotz erheblicher Müdigkeit erheben sich dabei Vogel-und Froschstintnten und vom täglichen Sold werden zur Bereicherung der Staatskasse schmerzhafte Gelder in Abzug gebracht“

Das Lagerleben hatte seine besonderen Gesetze. Es gab ungeschriebene Vorschriften über das Wo und Wie des Lagers, wann und durch wen es aufzubauen war. In jeder Gruppe gab es anerkannte „Fachleute". Als Fachmann galt immer der Wandervogel mit dem besten Können, und es kam einem Verbrechen gleich, ihn nicht wie einem geschriebenen Gesetz gemäß zu achten.

Auch ethische Normen verpflichteten. „Der Wandervogel jener Zeit, seine Bachanten und Burschen lebten völlig ohne die Zote, auch derbe Ausdrücke im Stile der invitatio germanica kamen nicht häufig vor, und das war etwas ganz Selbstverständliches. Weder Fischer noch Wolf Meyen, noch sonst einer von den Alten machten gemeine Witze, und dieser Ton war überall der gültige, wie weit die Ausgelassenheit in jeder möglichen Art auch sonst gehen mochte“

Solche undiskutierten Übereinkünfte sind aber eine wichtige Grundform des „politischen“ Lebens.

In den Jahren, als aus den Gruppen und Bünden des Wandervogels ein Jugendreich entstand, in dem es einen jugendeigenen Lebensstil gab, war jeder Wandervogel, gleich welchen Grades, mitbeteiligt an der Schaffung von Sitte und Gesetz. Kräftig strömte diese Quelle, gespeist von der Dynamik jugendlichen Lebens und Erlebens; und daher tauchen auch immer neue Gesetze auf, die älteren weiterführend, verändernd oder aufhebend. Alle Gesetze waren gegenwartsnah und konkret ausgerichtet. In dieser Dynamik der Jugend, lag zugleich auch eine große Gefahr. Es drohte die Zersplitterung durch allzu starkes Herausstreichen von Eigenart und Selbstgesetzlichkeit. Die Jugend beherrschte ihr Vermögen Gesetze zu schaffen, nicht sofort in meisterhafter Weise, und Übertreibungen lagen nahe, zumal sie sich dies Recht von den Erwachsenen erst erkämpfen mußte.

Die überall in Deutschland wie Pilze aus der Erde schießenden Gruppen, beanspruchten fast alle das Recht eines autonomen Verbandes, nicht nur gegenüber den Erwachsenen, sondern auch gegenüber den anderen Jugendgemeinschaften. Einige Gruppen verfielen dabei radikalen Führern, die ihr Autonomiestreben bis zur Sektiererei trieben und durch Überschreitungen so die gemeinsame Sache der Jugend gefährdeten. Hinzu kam, was später noch näher erörtert wird, daß eine Reihe zweckgerichteter Erwachsenenverbände und erwachsene Führer Einfluß auf die Jugend zu gewinnen versuchten, indem sie ihr Rechte versprachen, an die die Jugend selbst nie gedacht hätte. Die Jugend bewies hier jedoch etwas wie „politischen“ Instinkt, indem sie diese Werbungen Erwachsener als feindselige Okkupationsbestrebungen durchschaute. Sie erkannte, daß sie sich nur durch einen allgemeinen Zusammenschluß der Gefahr erwehren könnte. Eine passende Gelegenheit ergab sich im Oktober 1913, anläßlich der Hundertjahrfeier der Schlacht bei Leipzig. Sie wollte dieses Fest nicht mit den Erwachsenen begehen, sondern in der Gemeinschaft aller Jugendbünde Deutschlands. Das sollte die Gelegenheit werden, durch eine gemeinsame Erklärung, aller Welt die Selbständigkeit zu verkünden.

Die Vorbereitung zu diesem Fest der Jugend, das Fest selbst mit der Verkündigung der „Meißner-Formel" als einer „magna charta iuven-tutis“ und das Nachspiel in-Marburg am 7. und 8. März 1914, waren der Höhepunkt jugendlichen Autonomiebewußtseins und -strebens, und zugleich der Anfang einer starken Abschwächung der Autonomieforderung.

Es entstand eine Diskussion um die Etage, was von der Jugend gegen die alljährlich mit falschem patriotisshem Pathos bei Bierdunst, Rauchschwaden und sentimentalen heroischen Gesängen abgehaltenen Gedächtnisfeiern zur Völkerschlacht bei Leipzig, getan werden sollte. Die deutsche akademische Freischar regte eine Gedenkfeier des jungen deutschen Geschlechts an. „Fern vom Trubel der offiziellen Veranstaltungen möchten wir im Kreise Gleichgesinnter der ideal gerichteten Freiheitskämpfer gedenken und geloben, ihnen auf unsere Art nachzustreben: . Krieger zu sein im Heer des Lichts'“

I Von Radikalisten wurde damals der Vorschlag einer „Gegenaktion“ gemacht, die in einer Kundgebung gegen Alkoholismus und Trink-sitten bestehen sollte. Aber „es trat der erste Gedanke einer Protestkundgebung mehr und mehr zurück und Positives gewann die Ober-hand' Die Jugend entschied sich für das, was ihr gemäß war, nicht für das, was bestenfalls ein Teilausdruck ihres Wollens war. Das Sektierertum der einzelnen Gruppen wurde überwunden.

Damit hatte sich die Jugend die Möglichkeit geschaffen, auf dem Hohen Meißner das darzustellen, was alle gemeinsam bewegte und was sie gemeinsam schon erreicht hatte. „Die Bedeutung liegt wohl darin, daß ein Teil der Jugend zum Bewußtsein ihrer Kraft und ihres Willens gekommen ist; daß der Nation gezeigt wurde, welch stille Arbeit seit mehr als zehn Jahren innerhalb der deutschen Jugend geleistet wird, freiwillig und unabhängig von den Behörden, wie diese Arbeit neue Lebensformen gezeitigt und einen neuen Lebensstil angebahnt habe, daß die Jugend ihre Zusammenhanglosigkeit überwunden und freiwillig die Verpfliclttung übernommen habe, in treuer Bundesgenossenschaft zueinander zu stehen“

Die Radikalen, die in den Vorbereitungen zunächst gegenüber den besonnenen Jugendlichen zurücktreten mußten, kamen allerdings in einem Aufruf, den der Wortführer der radikalen Autonomisten, der Erwachsene Gustav Wyneken verfaßte, zum Zuge. Dieser Aufruf ist scharf und polemisch: „Die ]ugend, bisher nur ein Anhängsel der alten Generation, aus dem öffentlidten Leben ausgesdtaltet, und auf eine passive Rolle angewiesen, beginnt sich auf sich selbst zu besinnen. Sie versucht, unabhängig von den Geboten der Konvention, sich selbst ihr Leben zu gestalten. Sie strebt nach einer Lebensführung, die jugendlichem Wesen entspricht, die es ihr aber zugleich ermöglicht, sidt selbst und ihr Tun ernst zu nehmen und sich als einen besonderen Faktor in die allgemeine Kulturarbeit einzugliedern" Dieser zweite Aufruf ist bekannter geworden als ein vorangegangener, der in einem gemäßigteren Ton gehalten war. Im zweiten kündigt sich das Bestreben an, daß Meißner-Fest zu einer Sache von Radikalsten zu machen, und der Appell hatte auch einen gewissen Erfolg, denn die sog. „MeißnerFormel“, die magna charta iuventutis, die die Jugend öffentlich verkündigte, war von dem gleichen absoluten Autonomieanspruch geprägt.

Auf dem Hohen Meißner trat am 11. und 12. Oktober 1913 die Jugend zusammen, um sich vor aller Öffentlichkeit zum eigenen Gesetzgeber zu erklären und zugleich zum erstenmal als Gesetzgeber zu wirken. Das Gesetz, das die Jugend sich selbst gab, hieß:

„Die Freideutsche fugend will aus eigener Bestimmung vor eigener Verantwortung, mit innerer Wahrhaftigkeit ihr Leben gestalten. Für diese innere Freiheit tritt sie unter allen Umständen geschlossen ein. Zur gegenseitigen Verständigung werden Freideutsche Jugendtage abgehalten. Alle gemeinsamen Veranstaltungen der Freideutschen Jugend sind alkohol-und nikotinfrei.“

Beachtenswert als politische Leistung ist der einzige konkrete Passus dieses Gesetzes: Man will zur weiteren Verständigung, in derem Laufe die nähere Art und Weise des Zusammengehens gefunden werden soll, künftighin „Freideutsche Jugendtage“ abhalten. Die Alkohol-und Nikotinabstinenz bei gemeinsamen Veranstaltungen, war ein jugend-gemäßes Eingehen auf die absoluten Forderungen der Lebensreformer in den Kreisen der „Freideutschen“

Das Meißner-Fest hatte eine gute Wirkung auf die Jugend. Sie las in ihren Zeitschriften nicht nur die Formel sondern auch andere Worte, die bei dem Treffen gesprochen worden sind. Sie las dort, daß die Jugend auf dem Fest ihre „innere Zusammengehörigkeit“ gefunden hat „als ein Kreis von Menschen, die von dem Gefühl der Verantwortlichkeit gegen sich selbst und gegen ihre Mitmenschen durchdrungen sind, und die, trotz unendlich ernster Aufgaben, die ihnen allen vor Augen stehen, mit einer Gelassenheit und einem Frohsinn sondergleichen dem Leben gegenüberstehen ... Die grosse Tat, die wir alle für das Vaterland tun können, ist und bleibt, selbst möglichst tüchtig zu werden, , ganzer Mann und ganze Frau', wie Pfarrer Traub sagt, wahrhaftig und getreu gegen uns selbst und gegen unsere Mitmenschen"

Anders sah es in der deutschen Öffentlichkeit aus. Hier wurde die Meißner-Tagung den Erwachsenen in vielen Zeitungen als eine Kette von Exzessen der deutschen Jugend, von wilden Tänzen und fanatischen Gesängen dargestellt. Die Meißner-Formel selbst, wurde als offener Aufruhr gegen Staat, Kirche und Elternhaus bezeichnet. In einigen dieser Zeitungen wurde auch gleich die Ursache der in der Meißner-Formel erscheinenden radikalen Ablehnung aller Autorität genannt: Es war die Führerstellung Wynekens und seiner von ihm geleiteten Zeitschrift „Der Anfang"

Im Bayrischen Landtag kam es sogar zu einer öffentlichen Anklage gegen die Freideutsche Jugend des Hohen Meißners. Weil ihr dabei die schwersten Vorwürfe gemacht wurden, veranstaltete sie eine „Gegenkundgebung gegen die Verleumdungen im Bayerischen Landtag“ die am 9. November 1914 in der Münchener Tonhalle stattfand. Namhafte Persönlichkeiten sprachen für die Jugend. Alfred Weber trat gegen die Anklagen auf und stellte der Freideutschen Jugend das Zeugnis aus, daß sie das Recht auf Vertrauen erworben habe, und daß man ihr die Freiheit läßt, die sie für sich in einer vielleicht unglücklichen Formulierung, aber mit den besten Absichten fordert. Natorp verteidigt die Jugend vor der Commenius-Gesellschaft: „Darum müsse die Jugendbewegung, die sich freideutsche nennt, ziellos sein in dem Sinne der Forderung Pestalozzis: , Laßt uns Menschen werden, damit wieder Staaten werden“ und er spricht ihr geradezu politische Tugenden zu, wenn er sagt: „Die V a t e r l a n d s 1 i e b e , die man ihr abgesprodcen hat, weil sie sie nicht eigens erwähnte, ist ihr etwas Selbstverständliches “

Während man in der Öffentlichkeit scharf gegen Wynekens Radikalismus vorging, stellte sich die Jugendbewegung aus Solidarität öffentlich auf seine Seite, aber innerhalb der Freideutschen Jugend wurde damals schon auf die Ausscheidung der Älteren-Verbände und damit auch auf ein Ausscheiden Wynekens gedrängt.

Dieser Prozeß der inneren Selbstgestaltung hat gleich nach der Meißner-Tagung seinen Anfang genommen und seinen Abschluß auf der Marburger Tagung am 7. und 8. März 1914 erreicht. Auf einen Beschluß der Marburger Vertreterversammlung schieden aus der Frei-deutschen Jugend „Der Bund Deutscher Volkserzieher“, der „Deutsche Vortruppbund" und der „Bund für freie Schulgemeinden“ aus. Damit schied auch Wyneken aus.

„Von fast sämtlichen vertretenen Jugendverbänden wurde die Revolutionierung der Jugend in der Art, wie sie von Wyneken besonders im . Anfang'gefordert wurde, zurüdtgewiesen“

Das neue Programm der Freideutschen Jugend hieß: „Die Freideutsche Jugend ist eine Gemeinschaft von Jugendbünden, deren gemeinsame Grundlage es ist, von der Jugend geschaffen und getragen zu sein, und deren gemeinsames Ziel darin besteht, die Überlieferung der von Älteren erworbenen und überlieferten Werte zu ergänzen durch Entwicklung der eigenen Kräfte unter eigener Verantwortlichkeit mit innerer Wahrhaftigkeit. Jede Parteinahme in wissenschaftlicher, politischer und konfessioneller Beziehung lehnt sie ab. Die den einzelnen Verbänden eigentümlichen Wege und Ziele werden durdi den Zusammenschluß nicht berührt. In dem diesen Jugendbünden gemeinsamen Bestreben nach Selbsterziehung sucht sich die Freideutsche Jugend durch Veranstaltung von Vertreter-und Jugendtagen in gemeinsamer Arbeit und Feier zu erhalten und zu fördern."

Erst mit dem Ausscheiden der Erwachsenen aus den Reihen der Frei-deutschen Jugend, hat die Jugendbewegung ihre Selbstgesetzgebung erreicht. Die Neufassung ihres Grundgesetzes beweist eine große Reife. Hier tritt an die Stelle eines abstrakten Radikalismus eine konkrete Sachlichkeit. Allerdings mögen die äußeren Anfeindungen der Presse und des Bayrischen Landtags die Jugend auch zu diesem reifen Verhalten genötigt haben. Man darf wohl annehmen, daß die Jugend der Rhetorik und geistigen Überlegenheit Gustav Wynekens auf die Dauer nicht gewachsen gewesen wäre; und daß für einen Sieg der Gemäßigten das Ausscheiden Wynekens notwendige Voraussetzung war. Gegner und Freunde bestimmten die Freideutsche Jugend gleichermaßen, ihre Autonomieerklärung vom Hohen Meißner in die der Marburger Tagung umzuändern, und so das Anliegen des gemäßigten Flügels zum Ausdruck zu bringen. Das die Radikalen auch noch in den übrigen Verbänden vertreten waren, kann eine Notiz aus der „Vos-sischen Zeitung“ vom 29. Juni 1914 zeigen: . Nadtdent dieser Artikel geschrieben war, liefen die Berichte über den Weimarer Freistudententag ein, die wieder beweisen, daß man auch da für die Radikalen Stimmung zu machen versuchte. Schon die Wahl des Vorortes Greifswald aber zeigt, daß man sich von der Berliner und Münchener Richtung, also den Schildhalter Wynekens, abgewandt hat. Es ist ein voller Sieg der Gemäßigten gewesen. Möge es so bleiben.“

Der Fortschritt von der Meißner zur Marburger Formel zeigt, daß die Jugend, die mit dieser äußeren Gesetzgebung innerlich mitgewachsen war, Schritt halten konnte. Das aber ist ein schöner politischer Anfangserfolg. Zugleich waren damit für das Gedeihen einer fruchtbaren politischen Erziehung notwendige Voraussetzungen geschaffen. Die Jugend hatte erfolgreich begonnen, sich einen neuen, freien Jugendraum zu gestalten. Der Sinn dieses Unternehmens leuchtet ihr ein und sie bejahte ihn.

Mit dem Ausschluß der Erwachsenen hatte sie die Gefahr beseitigt, durch deren autokratische und dominierende Stellung im Sinne eines „Obrigkeitsstaates" gegängelt zu werden. Sie lief fortan nicht mehr Gefahr, zu „Untertanen" erzogen zu werden, sondern hatte die Möglichkeit, in einem freien „Jugendreich" sich zu freien „Bürgern“ zu erziehen.

Lange Auseinandersetzungen um ihre Gesetze und Verfassungen boten den Jugendlichen die Möglichkeit zu vielen Erlebnissen und Erfahrungen, die sie einmal für ein politisches Denken und Handeln nutzen konnten. Es gingen ihnen hier die Notwendigkeit und der Vorteil von Regeln und Gesetzen für ein Zusammenleben auf. Sie begannen die Kategorie der Ordnung, diesen Grundbegriff politischer Wirklichkeit erlebnismäßig zu begreifen.

Die Gesetzgebung auf der Meißner und der Marburger Tagung war Höhepunkt und Wende der Jugendbewegung zugleich. Nach Marburg liegen vier Jahre Weltkrieg, also Tat nach außen, nicht mehr nach innen, und es wurde in diesen Jahren daher auf dem Gebiete der Gesetzgebung nichts Bemerkenswertes mehr getan. Das, wogegen sich die Jugend in Marburg siegreich behauptet hatte, die Beeinflussung durch Erwachsenenverbände nämlich, machte ihr der Krieg zunichte. Es hatte nicht in ihrer Macht gelegen, die „militärische Parteinahme“ gesetzlich zu verhindern. In das politisch bisher gut sich entwickelnde Jugend-reich brandete zunächst die Kriegsbegeisterung im Sinne des Opfer-gedankens fürs Vaterland und dann der Zusammenbruch des deutschen Staates.

Der Krieg machte es unmöglich, die Trennung von der Erwachsenen-welt aufrecht zu erhalten. Die Jugendbewegung geriet in die Hände der Jugendpflege. Nach dem Kriege kamen die Wandervögel als Erwachsene zurück, deren Sinn nun nach direkter politischer Tat oder beruflicher Sicherung stand. Viele der Besten und Fähigsten waren gefallen. Die Erwachsenen, die nach dem Krieg wieder in die Jugend-bewegung zurückkehrten, wurden teilweise die Zerstörer ihrer eigenen Jugend bwegung, da sie Mannessinn und Männeraufgaben in sie hineintrugen. Die Jugendbewegung war in ihrer Gesetzgebung vor dem Kriege leider nicht bis zu dem Punkte gelangt, wo nicht nur das „Daß" einer Sonderung von den Älteren gesetzlich bestimmt wurde, sondern auch das „Wie“ und die Art und Weise, wie der Übergang in die Altersklasse der Männer vor sich zu gehen hatte. Vielleicht wäre dann der Übergang harmonisch von unten nach oben, von der Welt der Jugend in die Welt der Erwachsenen hinein eröffnet worden, anstatt des Ausgriffes der Erwachsenen auf die Sache der Jugend. Daß jene Vorordnung nicht erfolgte, — wohl ohne Schuld der Jugendbewegung — das wurde ihr zum Verhängnis. Versuche, hierüber freie Vereinbarungen zu treffen, waren früher gescheitert

Indem die im Krieg zu erwachsenen Männern gewordenen Mitglieder der Jugendbewegung sich noch selbstverständlich zur Jugendbewegung zählten, entstand in der Nachkriegsjugendbewegung eine Verquickung zwischen Jugend und frühem Mannesalter, die zwei Folgen hatte:

Zuerst wurde die Eigengesetzlichkeit, die Eigenwertigkeit und die vollzogene Eigengestaltung eines neuen Jugendraumes durch die Vermischung mit den Gesetzen der Erwachsenen und mit den Gesetzmäßigkeiten des öffentlichen Lebens überlagert und so der bewußten Erfassung verschleiert. Dadurch verlor aber die zweite Generation der Jugendbewegung in vielem den Zusammenhang mit den geistigen Gemeinsamkeiten der ersten Jugendbewegungsgeneration.

Zum zweiten wurden die Jugendlichen der ersten Jugendgeneration mitten aus der Arbeit an ihrem Jugendreich in das Ringen und den Untergang des Erwachsenenreiches hineingezogen und sie sahen sich als inzwischen älter gewordene, unter dem Zwang der geschichtlichen Vorgänge, plötzlich vor die Aufgabe gestellt, an der Neugestaltung der Erwachsenenwelt mitzuwirken. Sie fanden dabei nicht das „Gesetz des Überganges", denn dieses hätte nur im organischen Wachstum reifen können. So aber verloren sie ihre Klarheit und zerrieben sich in ihrer eigenen Problematik. Sie glaubten, noch Halt an der Lebensordnung ihres Jugendreiches finden zu können und nahmen wahllos Teilstücke aus der Ordnung, die nur für die Jugend gelten konnte und trugen sie in die Erwachsenenwelt hinein. Ebenso wollten sie jugendlichen Geist zum ausschließlichen Gesetz ihres Handelns auch als Erwachsene machen.

Beide Vorgänge mußten zum Scheitern dieser Generation führen und in ihnen eine Resignation gegenüber den Idealen der Jugend hervorrufen. So starb der Geist der Jugendbewegung allmählich ab. Ein kleiner Rest nur wurde wirklich Mann und rettete das geistige Gut der Jugend-bewegung, indem diese Männer über ihre Erlebnisse und Erfahrungen der Jugendzeit hinausgelangten und zur vollen Teilnahme am staatlichen und politischen Leben, zu dem sie in den Jahren der Jugendbewegung eine echte Vorbereitung und indirekte Einübung erhalten hatten.

Als Ganzes gesehen, haben sich von der Jugendbewegung nur die Formen durch die einzelnen Jugendgenerationen bis zur heute lebenden Jugend fortgepflanzt. Das aber ist ihre Tragik. Denn gerade die Formen verlieren am schnellsten an Wert. Der Geist aber, der auch heute noch wie jederzeit neue Formen schaffen könnte, ging verloren. Es war ein besonderer Geist jugendlicher Solidarität gewesen, aus dem heraus die Jugend eine Autonomie im Staate forderte und einen freien Jugend-raum durch tätige Mitverantwortung aller schuf. Damals verschaffte gemeinsamer Protest gegen die Machtauswüchse der Erwachsenen und die allgemeine Entseelung und Entsittlichung der Kultur der Jugend die Kraft einer Protesthaltung, aus der heraus ihr auch ein wachsendes Gemeinschaftsgefühl und eine steigende Verantwortungswilligkeit gegenüber jenem Jugendreich erwuchs.

Die Jugend schuf sich selbst die Voraussetzung dazu, sich durch Erlebnis und Erfahrung zur Bejahung von Ordnung und Gesetz durchzuringen, und so entstanden in einer politischen Selbsterziehung der Jugend die ersten Grundlagen einer fruchtbaren weiteren Erziehungsarbeit. Neben der Selbstgesetzgebung übte die Jugendbewegung auch noch die Funktion der Selbstregierung und der Selbstverwaltung aus. Diese beiden Gestaltungsformen hatten für ihre politische Selbstbildung und Selbsterziehung große Bedeutung. Sie gaben der Jugend Gelegenheit, ihr Freiheitsbedürfnis auszuleben und verschafften ihr zugleich wichtige Erfahrungen von gesellschaftlichen und staatlichen Grundphänomenen. Nicht ganz zutreffend wäre es, in der Selbstverwaltung und Selbstregierung lediglich einen Vorvollzug politischer Praktiken im Sinne einer „Eigenpolitik“ der Jugendlichen zu sehen. Das ist nur eine Seite. Die eigentliche politische Erziehung liegt darin, daß in der Jugend politische Grundverhaltensweisen geweckt wurden, die durch das gesamte Leben in der Jugendbewegung befruchtet und verstärkt wurden und am Ende der Jugendzeit den einzelnen notwendig in den Staat und in die Politik hineinführen und ihn zur Aneignung von politischem Fachwissen drängen konnten.

b) Selbstregierung und Selbstverwaltung

Der Jugend selbst ist diese tiefere Problematik kaum bewußt gewesen. Sie verwendete in ihren Zeitschriften allzugerne die Fachausdrücke der öffentlichen Politik, und ist gerade im formalen Nachvollziehen des politischen Lebens der Erwachsenen nicht immer der Gefahr entgangen, sich selbst zu verleugnen und sich bloß erwachsen zu geben. Aber dies kann nicht überraschen, war es doch der erste Versuch zur Bewältigung der politischen Grundphänomene von der neu gewonnenen Position der Jugend aus. Dieser Sachverhalt wird durch eine nähere Schilderung der Selbstregierung und Selbstverwaltung noch deutlicher.

Die beiden Initiatoren der ersten formellen Organisation der Jugend-bewegung, Hoffmann-Fölkersamb und Karl Fischer, waren junge Männer, die einen politischen Beruf ergreifen wollten (sie planten beide das juristische Studium, um später in die Diplomatenlaufbahn einzutreten). Ihre Einstellung war autoritär (bei diesem war es weniger, bei jenem mehr der Fall) so daß sie die „Regierungsgeschäfte" wie die „Gesetzgebung" zunächst selbst übernahmen. Hoffmann-Fölkersamb entwarf eine Satzung, in der unter anderem die hierarchische Ordnung vorgesehen war Fischer setzte mehrmals zur Abfassung einer „Wandervogel-Verfassung" an, brachte es aber nur zu handschriftlichen Entwürfen. Wichtig ist dabei jedoch, daß er hier trotz seiner autoritären Artung, demokratische Auffassungen zeigte, die dann später bei allen Wandervögeln vertreten wurden, nachdem sie schon immer bei den „Wanderern und den „Akademischen Freischaren“ üblich waren. Fischer rief nämlich alle Jungen auf, sich an der Zusammenstellung von Satzungen zu beteiligen (den Text des Aufrufes siehe Fußnote 33)

Später als auch der Alt-Wandervogel demokratisiert wurde, bekamen Selbstregierung und Selbstverwaltung in einer Verfassung ihre besondere Formen und Namen. Ein anschauliches Bild davon geben die entrüsteten Worte Fischers: „Das , FiihrerkollegiuM‘ tritt also an die stelle des alten , Badtantenkorps', ein . Parlament'an die Stelle eines . Offizierskorps'und zugleich an die Stelle des O. Bt., soweit die Ausflüge in Betradtt kommen (. technisdte Leitung'). Die gesdtäftlidte Leitung soll gesondert eingerichtet werden, ist aber noch nicht eingerichtet.“ Fischer fährt fort: „Dem Besten, was wir der alten wonardüsch-militärischen Einriditung des O. Bt. -Imperiums und des . trewen und . ehrendesten'Badianten-Offizierskorps verdanken, nämlich der großen Einheit allen Wandervogelvolks in den 65 Städten und dem uns alle begeisterten höheren Sd-twunge auch wieder die geeignete Form zu geben“, muß die Jugend so den Abschied geben

Fischers größter politischer Gestaltungserfolg war, daß er sich in dem „Ehrenund Freundesrat im Alt-Wandervogel", abgekürzt „Eufrat“, sozusagen eine „Erste Kammer“ schuf. Es war ein Rat, der sich aus älteren Freunden zusammensetzte. Er hatte anfangs nur die Funktion des Repräsentierens nach außen, wurde aber später tatsächlich zu einer Art erster Kammer, die viele Regierungsstreitigkeiten beigelegt und entschieden hat. „Der Badtantenschaft tritt zu ihrer Unterstützung der . Freundes-und Ehrenrat zur Seite“, heißt es in einem handschriftlichen Entwurf Karl Fischers zur Regelung des Eufrat im Alt-Wandervogel. Wenn diese Institution auch nicht in jeder Weise dem Begriff einer ersten Kammer entsprechen konnte, so sehen wir doch in ihr eine politische Einrichtung in Tätigkeit, die neben der der Regierung durch die Bundesführung steht. Die Jugend entwickelte hier von sich aus eine Einrichtung mit der politischen Aufgabe, die Beziehungen zwischen ihrem autonomen Jugendvolk und den Erwachsenen zu regeln.

Eine deutliche Unterscheidung ist ferner zu machen, zwischen der „Politik auf höherer Ebene" und der Politik der „Gemeinden". Von Anfang an bestand in der Jugendbewegung eine Stufung in der Regierungstätigkeit: Es gab eine Führungstätigkeit, die auf oberster Ebene alle Regierungsgeschäfte für den jeweiligen Gesamtverband besorgte, und eine solche, die in dem „Regieren" der einzelnen Gruppe bestand. Das Funktionieren dieser getrennten Politik war möglich durch die große Aktivität der einzelnen Gruppen: Kernstück der Selbstregierung und Selbstverwaltung in der Jugendbewegung war der Grundsatz der Selbst-verantwortlichkeit der kleinen Gemeinschaften. Das ersehen wir z. B.

aus folgenden Worten: „Dann ist es die Pflicht der planmäßig arbeitenden . hohen Regierung'nid-tts zu . tun'sondern auch einmal zu . lassen'.

Daß der Wandervogel Gemeinden mit regelrechtem Betrieb außer in Berlin-Steglitz und Umgebung . . . aufzuweisen hat, ist bekannt“

Die politische Funktion der Selbstregierung und Selbstverwaltung wurde in den Gruppen völlig selbständig ausgeübt. Praktisch sah es so aus: Die oberste Bundesführung, bzw. die Bundesleitung, erledigte nur Koordinierungsaufgaben und außerordentliche Verwaltungsgeschäfte; die einzelnen Gruppen regierten sich aber in ihren vielfältigen Formen selbst. Innerhalb der einzelnen Gruppen wiederum gab es so viele „Verwaltungsausgaben“, wie Gruppenmitglieder vorhanden waren. Die „Regierungstätigkeit" des Gruppenführers bestand zum großen Teil darin, durch Findigkeit es jedem Gruppenmitglied zu ermöglichen, sich aktiv an den Gruppengeschäften beteiligen zu können. Er selbst hatte meistens die „Außenpolitik“ in der Hand und bekleidete zudem noch das Amt des „Finanzministers“. Er mußte z. B. bei Quartiersuche mit der Bäuerin verhandeln und auch das Geld für die Einkäufe, Übernachtungen und andere Auslagen verwalten. Jede Gruppe hatte ihre eigene „Staatskasse“. Das Aussuchen des Lagerplatzes konnte schon wieder eines anderen Mitgliedes Amt sein, weil er entweder ein guter Wetterprophet war und daher wußte, woher für die Nacht Wind oder Regen zu erwarten war oder weil er die meisten geologischen Fähigkeiten und Kenntnisse bewiesen hatte, so daß man ihm vertrauungsvoll das Aus-suchen des günstigen Bodens für das Aufschlagen von Zelt und Lager überlassen konnte. Die Aufteilung in eine Vielzahl von Ämtern bewirkte, daß hier jedem Mitglied Gelegenheit für ein „staatsbürgerliches Praktikum“ gegeben war, in dem der „politische Gestaltungswille“ (Karl Fischer, Neuer Bund 1920, I. 2, 20) geübt werden konnte. Daß es manchmal um Angelegenheiten ging, die nur in einem erweiterten Sinne als „Politisch" bezeichnet werden konnten, ist nicht erheblich, da sie in jedem Falle eine politische Einübung darstellten. Es wurden dabei stets die politischen Tugenden der Verantwortlichkeit und des Dienstes an der Gemeinschaft bei großen und kleinen Anlässen des öffentlichen Lebens grundlegend und ständig verstärkt. Hervorzuheben ist noch, daß der Erfolg um so größer war, als sich die Formung des Jugendlichen völlig ungezwungen, harmonisch und organisch vollzog.

Die Einrichtung eines „Parlamentes“ bestand auf der einen Seite in der regelmäßigen Zusammenkunft der Führer und auf der anderen Seite in den Versammlungen der Gruppenmitglieder zu den Beratungen über das Gruppen-und Bundesleben.

Die „Freideutschen Jugendtage“, die auf der Meißnertagung 1913 eingeführt wurden, können als allgemeines „Parlament" für die gesamte Jugendbewegung angesehen werden. Der erste dieser Jugendtage hat dann auch 1914 eine gesetzgeberische Funktion ausgeübt.

Es kann trotzdem gesagt werden, daß im Erlebnis der Jungen nicht so sehr die Institution des Parlamentes im Vordergrund stand, als vielmehr die eigene gesetzgeberische und regierende Aktivität. Ernsthafter und leidenschaftlicher als in Debatten über „Regierungsfragen“ der Jugendgruppe und des Jugendbundes, ging es kaum in einem wirklichen Parlament zu.

Die Diskussionen der Jugendbewegung verloren erst dann ihre Ernsthaftigkeit, als die Jugend nach dem Kriege Gesetze, Programme, Leit-linien und Regierungsakte plante, diskutierte und ganz selten auch beschloß, die aus dem Bereich des autonomen Jugendstaates in die politische Welt des Erwachsenen hinüberreichten, also Überschreitungen der eigenen Möglichkeiten darstellten.

Wo ein Wahlrecht festgelegt war, besaß jedes Mitglied aktives und passives Wahlrecht. In der Hochblüte der „demokratischen Gleichheit" in der Jugendbewegung (von 1906 an etwa bis zum Aufkommen des strengen „Führer-Gefolgschaftsverhältnisses“ nach 1920) „spielten . einstimmige Beschlüsse', . überwältigende Majoritäten'eine große Rolle“

Diese positive politische Gewohnheit einer aktiven Beteiligung aller Gruppen und Gruppenmtglieder an der Selbstregierung, stellte sich allerdings oft als Nachteil heraus, wenn es um die Gesamtgemeinschaft des Bundes ging. Viele Gruppen glaubten, selbst durch kleinste Zugeständnisse zu Gunsten einer Gemeinsamkeit des Bundes, ihre Selbstregierung aus der Hand zu geben und konstituierten sich lieber als autonomer Verband. Darüber heißt es in einer Zeitschrift: „Oder ist es nicht beschämend, wenn einzelne Gaue, um ihren Willen nachdrücklicher zu betonen, immer noch mit der alten Drohung kommen: wenn ihr nicht auf unsere Pläne eingeht, so sagen wir uns los und madten einen eigenen Bund. Oder wenn man hört: was brauchen wir eine gemeinsame Geschäftsstelle, eine Bundeszeitung, wir haben ja unser Gaublatt unser Gaugeschäft, und wenn uns die Bundesstelle dies und das nicht zugestehen will, so haben wir Mittel, sie zu zwingen und kommen schließlich für uns allein aus. Als sei der Bund ein Konkurrenzunternehmen gegen den Gau, und nicht vielmehr Mitinhaber derselben Firma. Denn daran kann doch im Ernst niemand zweifeln, daß jeder Gau schließlich für sich als kleiner Sonderbund bestehen und sich durchsetzen könnte“

Die der Jugendbewegung eigentümliche Regierungstätigkeit zeigt sich als eine besondere Form von „Machtausübung“, und zwar Machtausübung im Sinne einer geistigen Herrschaft. Der Führer war auf Grund seines größeren Wollens, also auf Grund seiner lebendigeren Geistigkeit als „Herrscher“ seiner Gruppe anerkannt worden. Das „Anhängen“ an den Führer geschah aber von allen Mitgliedern unter dem stillen Wunsch, an seiner Geistigkeit teilzuhaben und schließlich selbst zur gleichen Geistigkeit zu gelangen, um dann auch Führer sein zu können. Das Wachsen des einzelnen Gruppenmitgliedes war ein Nachwachsen seiner Fähigkeit, die Freiheit in Form verantwortlicher Mitarbeit an der Gruppe zu aktivieren. Der allgemeine Wille zum Führersein in der Jugendbewegung war „identisch mit dem Willen zur rechten Freiheit im Staate“

Aber auch die andere Seite der Macht, die Zwangsanwendung oder zumindest die offiziell festgelegte Macht, kam als politisches Grund-phänomen im neugeschaffenen Jugendraum in Erscheinung. Manche Schwierigkeiten konnten auch in der Jugendbewegung nur durch Akte institutionell befestigter Herrschaft überwunden werden. Da heißt es beispielsweise in der Zeitschrift „Wandervogel“: „Der Ortsleiter muß eine gewisse Machtfülle besitzen. Wenn er an allen Ecken und Enden an seine Führerschaft oder Kreisleitung gebunden ist, kann er nicht das leisten, was notwendig ist und man doch von ihm verlangt“. Allerdings heißt es weiter: „Auf der anderen Seite muß beim Ortsleiter die Selbst-berichtigung seiner Machtfülle durch sein unablässiges Bemühen treten: mit seiner Führerschaft in Eintracht und Vertrauen zusammenzuarbeiten. Er muß auf ihre Wünsche und Meinungen sorgfältig eingehen, sie gewissenhaft prüfen, und sich auch vor dem Schein hüten, als wolle er ein selbstherrliches Regiment aufriditen“

Es kam oft so weit, daß folgende Kritik möglich wär: „Die cupido dominandi schoß auch hier ins Kraut und wirkte auch hier zersetzend.

Es kam zu häßlichen und peinlichen Eifersüchteleien, Führungskämpfen, Spaltungen und Sektenfehden. Alles das war so unfreideutsch wie nur möglich und unterschied sich von der verachteten Parteipolitik der Er wachsenen mit ihrem Kliquenwesen dann eigentlich nur noch durch eine Naivität und durch das Fehlen eines Programms und objektiver politischer Ziele“

Hinter der Kontroverse im Alt-Wandervogel: Karl Fischer gegen Friese und Anklam, stand die Auseinandersetzung über Regierung und Führung (durch Fischer vertreten) contra Verwaltungsapparat und Bürokratisierung (von Friese und Anklam betrieben). Der Wandervogel, dieser autonome Jugendbund katexochen entschied sich in dieser wichtigen politischen Frage für den gesunden Kompromiß: Für die Organisation, ihre sachlichen und technischen Bedürfnisse sollte der nun schon verhandene Verwaltungsapparat fortbestehen, während für die Mitglieder das Prinzip der Führung durch eine geliebte und verehrte starke Persönlichkeit erhalten wurde. Karl Fischer selbst mußte zwar weichen, der Wille der Mitglieder aber setzte der Bürokratie in dem Rittergutsbesitzer Wilhelm Jansen bald wieder einen neuen Führer als Gegenkraft entgegen

Der Jugend lag das Organisatorische ferner als das Persönliche. Da aber der Wandervogel und seine Nebenorganisationen im Gegensatz zu den übrigen Gruppen und Freundeskreisen, die sich unter dem Ideal des Wanderns spontan gebildet hatten, von vornherein eine organisatorische Form besaßen, stieß der Wandervogel die Organisation zwar nicht ganz ab, stemmte sich aber immer gegen sie, wenn sie sich allzu-weit ausbreiten wollte. Die Wahl Jansens zum neuen verehrten Führer, war nur ein Zeugnis für eine selbstgesetzte Gegenwirkung gegen die bürokratische Organisation.

Das es nicht das einzige war, zeigen manche Äußerungen jener Jahre: Man kam zu der Überzeugung, „daß man der Sache am schönsten dienen könne, wenn alle Organisationen sich mit ihren Mitteln vereinigten, daß es besonders dem Erziehungswert an der Jugend nur zuträglich sei, wenn durch die Geschäfte der , hohen Politik'der Organisation möglichst wenig Führer in ihrem herrlichen Erziehungsdienst gestört würden"

Trotz dieser kritischen Zurückhaltung gegenüber dem Organisatorischen, hatte die Jugend doch eine sachliche und reife Auffassung von der Selbstverwaltung und der erforderlichen organisatorischen Arbeit. Viele Zitate belegen dies: „Für einen anständigen Menschen ist es selbstverständlich, reinlich und ordentlich zu sein; für eine große Organisation ist Ordnung und Klarheit in der Erledigung aller Geschäfte selbstverständliche Vorbedingung für ein anständiges Bestehen. Ist solche Klarheit noch nicht da, so muß sie geschaffen werden; das kann aber nur geschehen, wenn jeder Teil des Ganzen mit Geduld und gutem Willen tüchtig zupackt, und nicht durch Schimpfen und Kritik“ Und in einer Zeitschrift des Alt-Wandervogel heißt es: „Einige Kreisleiter, also freiwillige Beamte unseres Bundes, verstiegen sich sogar dazu, die Anschreiben der eigenen Bundesleitung einfadr nidtt weiter zu geben. Das nennt man im gewöhnlidren Leben Verrat, und dodi habe ich nidtt gehört, daß der WV außerhalb der allgemeinen Moral steht“ - Wie schon erwähnt, verlor Karl Fischer seine Regierungsgewalt durch seine revoltierenden Oberbachanten und Bachanten. Sie hatten es verstanden, ihn von seinem „Volke“ zu isolieren Im letzten Grunde aber hatte sich Fischer selbst isoliert, denn er hatte als „Regent“ nicht genügend auf die „öffentliche Meinung“ unter seiner Jugend geachtet: diese drängte auf eine republikanische Verfassung, die ihm zwar den Titel eines Herrschers, nicht aber die Macht über seine Jugendlichen genommen hätte. Er blieb zu starr an seiner Konzeption hängen und ging nicht auf die öffentliche Meinung, die stärkste „Regierungsgewalt“ der Jugendbewegung überhaupt, ein. Sie war der ursprünglichste Ausdruck der „Souveränität des Wandervogelvolkes“ und im Empfinden der Jungen identisch mit ihrer persönlichen Freiheit und ihrer Mitverantwortung für die Gemeinschaft.

Wie bei der Analyse der gesetzgeberischen Funktion der Jugendbewegung, sind auch hier bei der Erhellung des Verhältnisses zur Führung und bei der Schilderung der Selbstregierung und Selbstverwaltung die äußeren Erscheinungen nur zu begreifen als Momente eines ganzheitlichen Reifungsprozesses. Das Handeln wächst hier aus dem Wesen und das Wesen im Handeln. Fischer wollte das wesenhafte Wachsen anhalten, und so mußte sich die Jugendbewegung, um ihr innerstes Wesen zu bewahren, gegen ihn wenden. „Wesen der Jugendbewegung ist die Freiheit des Werdens, das Ablehnen des Geleitetwerdens nach erdachten und starr gewordenen Planungen. . . Wer in solcher Weise mit dem Fertigen hausieren geht, was bei i h m aus Werden und Lernen sich ergeben hat, der gehört nidtt mehr in die Jugendbewegung, der ist ihr Feind“

So drängte die Selbstregierung der Jugendbewegung dazu, den aus ihren Reihen zu weisen, der zwar ihr Freund sein wollte, es aber nicht sein konnte, weil er sich gegen die Selbsterziehung in einem für junge und alte Mitglieder gleichberechtigt umfassenden Ganzen stellte. Die Jugend entschied sich für die Selbstregierung und nicht für die „Selbstpolitisierung“. Eine Nebenerscheinung dieser primären Selbsterziehung zur neuen Jugend, zum „neuen Menschen", war aber jene hier geschilderte ständige politische Selbstformung. Zum Bewußtsein kam der Jugendbewegung ihre politische Selbsterziehungsfunktion erst später; in ersten Ahnungen wohl mit der Meißnertagung, deutlicher aber und lebendiger jedoch erst in den Ereignissen des Weltkrieges.

Für den Erfolg einer politischen Erziehung ist das deutliche Bewußtsein des Vorganges nicht unbedingt erforderlich. Indem sich die Jugend ihren eigenen und freien Raum schuf, verschaffte sie sich einen Sozialbereich, in dem ihr die Erfahrungen von politischen Grundphänomenen, wie das der Ordnung und Regelung des menschlichen Zusammenlebens durch Gesetze einerseits und durch Regierung und organisierte Verwaltung andererseits, ferner das Urphänomen der Macht und des Zwanges, sowie des politischen Kampfes in jugendgemäßer Form, ermöglicht wurden.

Allerdings darf man nicht übersehen, daß bei dem großen Gleichklang der Herzen, dem mächtigen Erlebnis des Bundes, der Kampf und die politische Auseinandersetzung nicht die Schärfe wie unter den Erwachsenen erreichen konnte und daß deshalb auch eine ungenügende oder gar eine falsche „Einübung“ stattfinden konnte. Doch dafür erlebte sie hierbei das Phänomen der Unterordnung in Freiheit um so stärker.

c) Selbstjustiz

Eine Institution der Rechtssprechung als Ausdrude ihrer Autonomie hat die Jugend wenig begehrt, weil eine solche Einrichtung ihr wesens-mäßig fern lag, auch weil sie ihrer selten bedurfte, wenigstens für große „Rechtsfälle". Die kleinen richterlichen Entscheidungen fanden ihre natürliche lebensmäßige Lösung im Gemeinschaftsleben. Die Jugend-bewegung überließ das „Richteramt“ den Erwachsenen des Eufrat. Dieser hatte die Aufgabe, bei Streitigkeiten Entscheidungen zu fällen; sollte dies aber dem Geiste der Jugend gemäß tun. Daher heißt es in einem der handschriftlichen Entwürfe Fischers zur Regelung des Verhältnisses des Freundes und Ehrenrates im Alt-Wandervogel: „Alles Kleinlich-Bureaukratische muß vermieden werden: unser , Freundes-und Ehrenrat'darf nidit zu einer Polizeibehörde herabsinken; auch darf nicht vergessen werden, daß unsere jungen Praktiker keine . Angestellten sind, sondern daß sie im freien Wirken und mit dem sdhönen Vertrauen der Eltern beschenkt, sich ihrer Verantwortung und Pflicht am besten bewußt sein werden“

Es zeigt sich, der Polizeiakt wurde als ein Übel empfunden. Auch in der Gruppe, wo die richterliche Funktion beim Führer lag, sollte nur dann ein Richterspruch gefällt werden, wenn es unumgänglich war.

Solch ein richterlicher Akt wurde selten nötig, denn das Leben in der Gruppe vollzog sich ja in der von der Jugend selbst gewählten Form. Zudem wurden hier der Trieb der Jugend, Schranken zu überschreiten, die Lust am Ungewöhnlichen, die Sehnsucht nach dem Abenteuer in einer natürlichen Weise entbunden.

Eine ausgesprochene Institution für die Selbstjustiz war in der Jugend-bewegung auch deshalb nicht nötig, weil ihre Mitglieder sich frei für diese Lebensform entschieden hatten. Und die freie Entscheidung genügte noch nicht einmal, denn in einem eigentümlichen Ausleseverfahren wurden nur Jugendliche mit „Wandervogeleigenschaften" ausgenommen.

So war die Einhaltung der Gebräuche und Gesetze eine Selbstverständlichkeit. Zudem wußte jeder, daß davon der Bestand der ganzen Gruppe überhaupt abhing. Die Gesetze waren ja gewachsener Ausdruck des Geistes der Gruppe, und sie waren entstanden aus der Notwendigkeit, das Gruppenleben zu einer höheren Form zu erheben. Sie waren das Mittel, das sich die Jugend selbst geschaffen hat, um ihre innere Zerrissenheit zu überwinden. Es bedeutete also für jeden „Gesetzesübertreter", daß er sich selbst einen Schaden zufügte, wenn er diese Ordnung durchbrach. Das wollte aber ein „echter Jugendbewegter" nicht, und „unechte" wurden durch jenes Ausleseprinzip in der Regel abgehalten.

So zeigt es sich, daß in der Jugendbewegung eine formale Selbstjustiz durch Selbstverpflichtung und hochherzige Verantwortungsfreude entbehrlich war.

Einen unformalen Charakter hatte auch die Strafe. Sie hieß vor allem: Entzug der Freundschaft und des Vertrauens. Die Strafe bedeutete also in der Jugendbewegung dasselbe, was bei den großen Pädagogen aller Zeiten in erster Linie auch bedeutete: das Zeichen enttäuschter Liebe. Und wenn die Liebe so sehr enttäuscht worden war, daß das Vertrauensband zerreißen mußte, war es für den Übertreter nicht mehr möglich in der Gemeinschaft zu verbleiben.

Weil die Jugendbewegung eine Gemeinschaft von Freunden war, die sich als Elite gebunden fühlten, war eine „Strafjustiz“ nicht erforderlich; die Jugendlichen empfanden hier die Erfüllung eines Gesetzes nicht als Nötigung sondern als beglückende Bestätigung ihrer Freiheit.

Man kann sich auch hier fragen, ob eine solche idealisierende Haltung eine echte Einübung oder Hinerziehung zur politischen Wirklichkeit genannt werden kann. Wenn auch die Realität eines äußeren Zwanges und einer formalen Rechtsprechung, wie sie im politischen Leben der Erwachsenen vorkommen, in der Jugendbewegung kaum erlebt werden konnte, so konnte jene Haltung des Idealismus den jungen Menschen doch instand setzen, die Antinomie von Freiheit und Zwang im späteren Leben immer wieder zu bewältigen. Hier wurde dem jungen Menschen das Ideal einer politischen Freiheit gezeigt, das ihm zeitlebens als das wahre Bild vor Augen stehen konnte

Wenn auch im Bundesleben der politische Kampf nicht in seiner ganzen Härte geübt werden konnte, so wurde von den Jugendlichen um so mehr das Mittel der Auseinandersetzung gelernt und sie wurden darauf hinerzogen, den Kampf nicht als letztes und einziges Mittel der Politik zu sehen. Dadurch, daß kleine Streitigkeiten in den Gemeinschaften und von Mann zu Mann beigelegt wurden, erfolgte auch hier, ebenso wie bei ihrer Selbstgesetzgebung und Selbstregierung, eine Erziehung zur Selbsthilfe des einzelnen und der kleinen Gemeinschaft. Über diese Selbst-erziehung zur Selbsttätigkeit hinaus, wurde aber auch eine Erziehung zu einem Gehorsam einer obersten Justizmacht gegenüber gefördert; denn in den Ehren-und Freundesräten hatte sich die Jugendbewegung ein den Bünden übergeordnetes zentrales Justizorgan geschaffen. Und damit fand auch hier eine Hinerziehung auf politisches Denken in der Dimension des Staates statt.

2. Autorität

Die freie jugendliche Selbstentscheidung, die als tiefere Ursache hinter den Lebensformen der Jugendbewegung stand, stellte einen Einbruch in die gewohnten Denkweisen dar. Indem die Jugend ihre Welt selbst gestaltete, korrigierte sie die bislang vorherrschende Meinung in der Jugendpolitik des Staates und der Öffentlichkeit, die etwa lautete: Es ist in allen Aktionen der Jugenderziehung und Jugendpflege von der Tatsache auszugehen, daß die Jugend selbst nichts zu entscheiden habe und auch nichts entscheiden könne, sondern daß über sie schon alles entschieden sei oder entschieden werden müsse. Ohne diese Einstellung der damaligen Öffentlichkeit wäre es nie zu dieser elementaren Betonung der jugendlichen Selbstentscheidung gekommen. So brachen aber in der Jugend angestaute Energien auf, die sich zwangsläufig manchmal auch in nicht erfreulichen Ausbrüchen fehlgeleiteter Freiheitsansprüchen äußerten. Das Autonomiestreben war aber auch der Rahmen, in dem zugleich die politische Erziehung der Jugend möglich wurde, und wenn man die positiven und negativen Verlaufsformen gegeneinander abwägt, wird man den schließlichen Erfolg dieser politischen Formung nicht bestreiten können*

Die Loslösung der Jugend von der Erwachsenenwelt geschah anfangs nicht als Opposition sondern als Resignation, 'als Flucht aus der Festung Elternhaus, Schule, Staat, in einen freien Jugendraum Erst als die Jugend aber in ihrer „secessio in montem sacrum" ihre eigenen Möglichkeiten entdeckte, da wich sie nicht bloß aus, sondern wandte sich bewußt gegen die Führung der alten Generation, und es begann der eigentliche Kampf zwischen Autorität und Freiheit. Er fing zweifellos unter fragwürdigen Vorzeichen an, verlief aber doch schließlich positiv. Selbst bei jenen, die nicht zu einer positiven Haltung fanden, herrschte nicht unbedingt eine rebellierende oder anarchistische Einstellung vor. Denn sie lehnten Erwachsene ab, die nach ihrer Meinung nur von eigenen, egoistischen Wünschen und Herrschaftsgelüsten und von maßloser Oberflächlichkeit befallen waren. Mit dieser Beurteilung aber hatten die Jugendlichen bei vielen Erwachsenen und bei vielen Institutionen der damaligen Zeit nicht unrecht und sie zeigten in ihrer Kritik einen politischen Sinn.

In der Kontroverse Autorität oder Freiheit erlebte die Jugend eine Form politischer Selbsterziehung, die ihr schließlich die politischen und staatlichen Phänomene von „Freiheit und Verantwortung", von „Freiheit und Bindung" einerseits und von „Herrschaft und Unterwerfung“ von „Befehlsgewalt und Gehorsam" andererseits durch sehr dramatische und tief empfundene Erlebnisse anschaulich und lebendig machte.

Diese mittelbare politische Erziehung erfuhr sie im Kampf gegen ungerechtfertigten Zwang, gegen Überredung, Propaganda und Vergewaltigung, und in ihrem Eintreten für die Freiheit der Person und des persönlichen Gewissens. Sie erwarb sich zu ihrer äußeren Freiheit hier auch noch jene innere Freiheit, die die notwendige Voraussetzung aller politischen Freiheit ist.

a) Ablehnung der Autorität der Erwachsenen

Sachliche Beurteiler haben schon immer die Zwangsläufigkeit der äußeren und inneren Abstoßung der Erwachsenenautorität erkannt. „Wenn die Jugendzeit ihren eigenen Wert hat, und wenn die Jugendlichen ihre geistigen Anlagen befähigen, aus eigenen Kräften eine neue Kultur zu schaffen, . . . dann muß die Jugendbewegung eine Einmischung anderer ablehnen. Dann haben vollends die Erwachsenen einer Kulturepoche, die als in der Wurzel verderbt anzusehen ist, keinerlei Recht, dem Wirken und Schaffen der Jugend Schranken zu setzen; dann gibt es für sie keine Autorität, die ihr Tun bestimmen könnte“

Koenig, der diese Worte geschrieben hat, traf damit zweifellos etwas Wesentliches. Die Auslegung aber, die er dieser Tatsache gab, verläuft zu negativ, wenn er die Haltung der Jugendbewegung, „nur die Autoritäten anzuerkennen, die die von der Jugendbewegung geforderten Eigenschaften aufweisen,“ als Krankheit bezeichnet Er schreibt weiter: „Wenn von der Ablehnung der Autorität seitens der Jugendbewe gung die Rede ist, müssen wir immer eine Einschränkung machen. Sie gilt nur gegenüber den Vertretern der älteren Generation. Die Jugend hat mit viel Nachdruck ihre Bereitwilligkeit erklärt, selbstgewählten Führern zu folgen, die auch . Altere'sein konnten, dann aber sich in besonderer Weise als . Führer'qualifiziert haben mußten“ Aber diese Führer und ihre Autorität kommen aber auch nicht günstig bei der Bewertung weg, so daß Koenig auf ein Zitat von H. Getzeny (im „Reich der Werte“, Habelschwert, 1925, S. 138), in dem als das Ehrenzeichen der Jugendbewegung genannt wird, ihr Durchbruch „zu einem der köstlichsten geistigen Güter, zur Freiheit“, antwortet: „Man kann die Freiheit als ein kostbares Gut achten und werten und braucht doch den Durchbruch der Frei-deutschen zit ihr nicht als eine Großtat zu bezeichnen. Dafür ist die Jugend zu viel im Negativen haften geblieben. Es lebte in ihr eine unheimliche Angst sich zu binden, eine ängstliche Scheu, sich auf irgendein Programm festzulegen“

Es gibt auch andere Betrachtungsweisen. So beurteilt W. Stählin den gleichen Vorgang wesentlich positiver. „Das Denken liegt nahe und ist schon sehr laut geworden, daß hier eine Jugend in ihrem inneren Freiheitsdrang den Respekt vor Autoritäten von sich geworfen habe. Aber so liegen die Dinge doch nicht. Einzelne hat es immer gegeben, die alles Große herunterreißen, und sich von aller Ehrfurcht dispensieren und die das dann mit sdiönen Namen wie mit Freiheit und Selbständigkeit schmücken. Man muß unsere Jugend schlecht kennen, wenn man ihr das in Bausch und Bogen zum Vorwurf macht. Was vielmehr heute weithin . . . dahinfällt, das ist der Respekt vor der Gewalt, hinter der kaum eine Autorität steht. . . — Es ist einfach nicht wahr, daß die Jugend keine Ehrfurcht habe. Hier erwächst vielfach ein neues Ver- hältnis zur älteren Generation: eine hingehende Treue gegen selbstgewählte Führer, ganz und gar gegründet auf Freiheit und Liebe"

Während Koenig die Schuld an Übertreibungen nicht Wyneken allein sondern auch der Veranlagung der Jugend zuschreibt, bewundert W. Stählin gerade den sicheren Instinkt, „wit dem der grösste Teil der neueren Jugend innerlich Zugehörigen aus ihres Führers Wyneken Worte nur den glühenden Appell an die Jugend herausgehört und ausgenommen hat“ . .

Auch ein Kronzeuge des Wandervogels, Ludwig Gurlitt, äußerte sich positiv. Er nennt die Gründung des Wandervogels „vielleicht die größte Ruhmestat in der gesamten Geschichte der deutschen Jugend“. Und er fährt fort: „Ihr Akt der Selbstbefreiung und neuen Selbstbindung vollzog sich nicht mit revolutionärer und herabziehender Tendenz, die Jugend wollte nicht eine Freiheit, die zur Zügellosigkeit ausartete, sondern wollte sich unter selbstgewählte und strenge Gesetze stellen.

Sie kehrte sich ab nur von den Unsitten der Alten“

Der Nachweis einer unverkrampften Einstellung der Jugend selbst gegenüber den positiven Erscheinungen der Erwachsenenwelt, findet sich direkt in Karl Fischers handschriftlichem Verfassungsentwurf von 1904: „Wo aber die Eltern unmittelbar interessiert sein müssen, da sollen sie auch Gelegenheit haben, entscheidend einzuwirken . . . Art II.

Je na'cl-i den Verhältnissen sollen von Organen oder Mitgliedern des Fr. und E. R. oder von den Gliedern der Bachantschaft . Elternabende'

veranstaltet werden, welche vor allem dazu dienen sollen, durch Referate und Diskussionen über einschlägige Fragen die Eltern und Bachanten einander nahezubringen und das Verständnis für unsere Sache bei allen zu erweitern und zu vertiefen"

Die „Wanderer“ waren einer positiven Zusammenarbeit mit den Eltern immer geneigt.

Einige Stellungnahmen, die anläßlich der Meißnertagung und über die Meißner-Formel abgegeben wurden, erhellen das hier behandelte Problem noch weiter.

Herrle sagt, das junge Geschlecht „hat das Höchste, Menschlichste erreicht: den Willen, sein Leben aus eigener Verantwortung und Bestimmung zu gestalten, wobei die eigene Bestimmung und Verantwortung unbedingte Wahrhaftigkeit und höchste Anforderung an sich selbst bedeutet“

Nur äußere Autorität wird von der Jugend abgelehnt, „jenes Gehorchen ohne innere Pflicht, die Verehrung ohne inneres Gefühl“

Von Paul Natorp, der einen großen Einfluß auf die Jugendbewegung ausgeübt hatte, wird die vielfache Mißdeutung der Stellung der Jugend zur Autorität auf die Kürze der Meißnerformel zurückgeführt, die dazu Anlaß gab, „daß der Schein eines radikalen Radikalismus entstand, während man wirklich vielleicht ganz Richtiges, ja Unschuldiges im Sinne hatte“. Und etwas sehr optimistisch fährt er fort: „Man meinte im Grunde nur, daß die bestehende Ordnung noch eine . Erweiterung'erforderte, durch die sie selbst aber nicht verneint werden sollte“

Diese etwas optimistische Auffassung kommt wohl daher, daß Paul Natorp die beiden Strömungen, die Radikalisten und die Gemäßigten, genau kannte und weil er wußte, daß die Ereignisse auf einen Ausschluß Wynekens drängten und daß die Jugend wohl nachher eine Abschwächung der Meißner-Formel im Sinne seiner letzten Behauptung vornehmen werde. Und das ist ja auch tatsächlich eingetreten — und zwar wie manche meinen, auf Betreiben Natorps.

Und W. Stählin sieht die Jugend auf den Hohen Meißner hinaufziehen, in dem Bewußtsein, im Geiste der Besten von 1813 an der Zukunft des deutschen Volkes mitzuarbeiten. Er schildert, daß Traub die Herzen der Jugend traf, als er Verse über die Freiheit von Ernst-Moritz Arndt zitierte, und urteilte: „Hier erklingt zum ersten Male der Dreiklang, der immer wieder aus dem durcheinandergehenden Chor der Stimmen herauszuhören ist: Freiheit, Wahrhaftigkeit und Verantwortung“

Für Heiner Lotze ist gerade der eigentliche, problematische Ausdruck in der Autonomie-Erklärung gar nicht Zeichen unbedingter Autoritätsfeindlichkeit der Hohen-Meißner-Jugend. Dies klingt aus seinen Worten: „Die eigene Bestimmung hält sich noch am weitesten im Rahmen des Möglichen, denn mit dieser Verpflichtung ist nicht gesagt, daß auf beratende Mitwirkung verzichtet werden soll“

Und schließlich sei noch darauf hingewiesen, was weiter oben schon geschildert wurde, wie nämlich die Jugendbewegung sich zu einer Änderung der radikal autoritätsfeindlich klingenden Meißner-Formel entschloß

Die besondere Form der Loslösung der Jugend von der Erwachsenen-autorität wird durch die kritischen Urteile genügend deutlich.

Was einer freiheitstrunkenen Jugend mahnend entgegengerufen wurde: — „Anzunehmen, daß auch nur irgendeine Gemeinschaft von Menschen ohne Autorität und Gesetze auskommen könne, ist Unsinn“ — lag in der Tat von Anfang an im Wesen der Jugendbewegung. Neben dem Vereinsbud.des „Ausschusses für Schülerfahrten“ bestand noch ein zweites Buch in der Jugendbewegung, das „Scholarenbuch“. Während im ersteren das Recht der Jugend stand, „ohne Mitwirkung der Lehrer“ wandern zu dürfen, enthielt letzteres aber die Namen der Jungen, die sich bereit erklärt hatten, „dem Oberbachanten und den ihm unterstehenden Bachanten und Burschen Treue, und, wo es gilt, Gehorsam“ zu erweisen

In der Jugendbewegung gab es von Anfang an schon an Stelle der alten eine neue Autorität: Es waren die selbstgewählten und anerkannten Führer.

b) Die neue Autorität der Jugend

Die Jugend wollte einer nur aufgezwungenen Autorität keinen Gehorsam mehr leisten. In ihr lebte aber der Drang nach freier Unterordnung. Die Jugend aller Zeiten ist ja auf ein persönliches Führungsverhältnis angelegt, „sei es, daß sich der Sohn seinem Vater oder einem verehrten Lehrer unterordnet, sei es, daß ihm ein älterer oder reiferer Kamerad Führer wird“. Erst die besondere Situation der Jugend in der Gesellschaft der vergangenen Jahrzehnte, „die nur allzu oft in Elternhaus und Schule solche führenden Menschen entbehren ließ" brachte die Jugend dazu, die alten Autoritäten zu fliehen und sich neuen anzuschließen

Die Wandervögel ließen sich erziehen und bilden von einer Welt, die sie sich selbst ausgewählt hatten; von der Natur — ihren Gesetzen gehorchten sie; von kernigen Männern aus dem Volke, denen sie auf ihren Fahrten begegneten — auf ihre Anregungen hörten und um ihren Rat baten sie; und von den Führern, die sie sich selbst als Vorbild erkoren, von ihren Gruppenkameraden und Bundesbrüdern, mit denen sie Freundschaft verband — im Zusammenleben mit ihnen ließen sie sich durch Vorbild und gutes Beispiel zu einem echten „Jugendbewegten", zum neuen Menschen formen.

Aus dem Bild, das die Jugend von ihren Führern hatte, läßt sich auch ihre neue Vorstellung ablesen. Die Behauptung, daß die Jugend im Gehorsam gegen die selbstgewählten Führer ein neues, echtes Autoritätsverhältnis eingegangen war, muß allerdings noch näher belegt werden.

Koenig schrieb, wie oben schon zitiert, daß die Jugend mit großem Nachdruck ihre Bereitwilligkeit erklärte, selbstgewählten Führern zu folgen. Ferner war dargelegt worden, daß die Aufnahmeformel die Verpflichtung zu Respekt, Treue und Gehorsam gegenüber den Oberbachanten, Bachanten und Burschen enthielt. So kann man geradezu sagen, daß die Jugendbewegung als hierarchisch gestufte Institution begann.

Wenn man schlechte charakterliche Qualitäten mancher Führer hoch veranschlägt, und wenn man obendrein allzu sehr darauf abhebt, daß es die Aufgabe des Führers nur war, „den in der Gefolgsdiaft latent ruhenden Drang nach Selbstentfaltung und -gestaltung in die Wirklichkeit zu überführen“ so könnte man der Meinung sein, daß es sich gar nicht um eine wirkliche Autorität handele. Die skeptische Frage lautet dann: „Bedeutet die Herrschaft der heutigen Führer nicht zumeist eine Abhängigkeit von Geschöpfen, die man selbst emporhob oder von solchen, die den geheimen Regungen der Jugend entgegenkamen?“

Dafür, daß die Jugend den Vorgang als den Anschluß an echte Autoritäten erlebte, gibt es viele Zeugnisse:

„Der Wandervogel hatte alles anders gemacht. Hier gab es eine tiefe innere Einheit zwischen Bachanten und Fuchsen, hier gab es alle Abstufungen von der völligen Gleichheit bis zur heimlichen Anbetung, und jeder Knabe empfand das, und sie sannen zu Hause wie das doch eigentlich wäre. Dort hörten sie Predigen von der Autorität und der Pflicht des Gehorsams und hier sagte keiner etwas davon, und doch war alles viel echter, treuer“

Und man werfe nun schnell einen Blick auf den Wandervogel: „Da sah man junge Bürschchen von kaum achtzehn Jahren, die aber das Herz auf dem rechten Fleck hatten, Altersgenossen und Ältere wochenlang auf eigene Verantwortung mit wenig Geld durdt die deutschen Lande führen. So ein Führer ist eine Autorität, ohne daß das Wort auch nur einmal fällt. Man hat ihm eben Gefolgschaftstreue versprodten, und er ist ein wackrer Bursdt: also! Aber wehe, wenn er sich blamiert! Der Schullehrer darf sich blamieren, alle Tage blamieren, und kann doch . Respekt'beanspruchen“

Daß die Jugend sich eine wirkliche Autorität schuf, hängt auch damit zusammen, daß es zum zeitlosen Wesen der Jugend gehört, geführt sein zu wollen. „Die leidenschaftliche Erörterung ihres Führerproblems in ihren Reihen beweist es. Ihre Gefolgschaft zum Führer muß jedoch auf Freiwilligkeit beruhen, und alle Führerkunst besteht in der Erweckung des Willens zur Gefolgschaft und in der Fähigkeit, die Gedanken der Jugend zu erfassen, und in unaufdringlicher, zartfühlender Weise der Gestaltung zuzuführen“

Hier taucht die für das Problem der politischen Erziehung wichtige Frage auf, in welcher Weise sich jene freiwillige Unterordnung unter eine neue Autorität vollzog. Es sind zwei Möglichkeiten gegeben: Die Wahl des Volkes durch den Führer oder die Wahl des Führers durch das Volk. Beide Formen lassen sich in der Jugendbewegung nachweisen.

Hoffman-Fölkersamb und Karl Fischer waren nicht gewählte Führer, sondern solche, die sich ihr Volk gesucht hatten. Fischer war bei der Aufnahme jedes einzelnen sehr streng. Ebenso verlangte er von jedem Burschen, bevor er ihn zum Bachanten machte, eine schriftliche Arbeit. Dabei galt es gleich, ob es sich um einen langjährigen Freund handelte oder nicht. Auch wenn seit 1906 demokratische Wahlmethoden angewandt wurden, hat sich an der Grundform nichts geändert. Es war seit dieser Zeit etwa so, daß in den unteren Einheiten der scheidende Führer einen Nachfolger ernannte, oder daß der Führer seinen Rang abtrat, weil praktisch schon ein Nachfolger die Führungsaufgaben ausübte. Die Führer in den oberen Stufen wurden von den nächst niederen Führern gewählt und von den Bundesleitern bestätigt. Die Regel war die Praxis, wie sie in den unteren Einheiten geübt wurde. Es wurden keine echten Abstimmungen sondern nur Bestätigungen de facto bestehender Zustände vorgenommen.

Koenig sieht die demokratische Führerwahl auf einige Gruppen in der Jugendbewegung beschränkt. Er schreibt: „Und was ist das Ausleseprinzip der Jugendbewegung denn im Grunde genommen anders als eben das Gewähltwerden des Volkes seitens der Führer“ Praktisch waren selbst Führerwahlen durch das Volk nur eine „formelle Anerkennung einer längst bestehenden Tatsache. So ist denn der Augenblick, wo jemand auch äußerlich als Führer der Bewegung anerkannt wird, nur der Schlußstein einer inneren Entwicklung. In diesem Augenblick hat sich die stärkere Persönlichkeit innerlich bei den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft durchgesetzt, bei denen sie das Gefühl und die . Selbsterkenntnis unterlegener Persönlichkeit'hervorruft und damit auch den Willen zur Gefolgschaft“

Ist so die Feststellung genügend gesichert, daß die Jugend, indem sie sich Führerpersönlichkeiten in Gehorsam unterwarf, in echte Autoritätsverhältnisse eintrat, so bleibt noch zu zeigen, worin sich die Autorität der jeweiligen Führerpersönlichkeit offenbarte.

Nicht alle Führer strahlten offenbar echte Autorität aus. „Karl Fischers Überwinder waren nur das Übliche, millionenfach Wiederholte, eine Mischung von allerlei guten Eigenschaften, die sie zum Vereins-leben fähig machten, aber es fehlte ihnen das eine: Das Ausgezeichnete“ ‘ Aber die Jugend brauchte einen Heros. Sie sah in ihm in erster Linie den Vorkämpfer für die Erprobung ihres Jugendreiches, und sich selbst sah sie als seine „Anhänger“ an. Deshalb mußte der Führer Tugenden und Fähigkeiten in hervorragendem Maße besitzen, damit er ihre Unzulänglichkeiten ausgleichen konnte. Je nach Veranlagung der Anhänger und je nach dem, wie die einzelnen Gruppen-und Bundesideale aussahen, wurden besondere Eigenschaften verehrt. Bei Karl Fischer war es nach Hans Blüher die Lauterkeit seiner Person, die fast aggressive Ehrenhaftigkeit seines Charakters, die Tatsache, daß jeder in seiner Nähe fühlte, „hier steht einer vor dir, der mehr zu wollen imstande ist als du“, hier war „jeiuand, der seiu ganzes Leben für eine Sache hingab“

Nach Howard Becker war das Anziehende an Fischer „das Charisma von Männlichkeit, Verwegenheit und intellektueller Kraft“. Doch die erste Aufspaltung und Trennung erfolgte, weil Copalles umgänglichere und musischere Art einigen besser gefiel. Wilhelm Jansens Großzügigkeit und sein Eingehen auf die Entwicklung des einzelnen verschaffte wiederum ihm Hochachtung vor den Jungen. Bei Wyneken waren es glühende Beredsamkeit und sprühende Geistigkeit, die ihm großen Einfluß in der Jugendbewegung verschafften. Knud Ahlborns „Reckenge-stalt"

und seine Fähigkeit, die Aktivität der anderen zu wecken und zu fördern, verschaffte ihm Ansehen, so daß er als „primus inter pares sowohl bei den Wanderern als auch in den akademischen Freischaren galt.

Außer Knud Ahlborn stammen die hier aufgeführten Führergestalten aus dem Kreis der „autoritären“ Jugendbünde. Allgemein kann von diesem Teil der Jugendbewegung gesagt werden, daß bei ihm der soge-nannte „charismatische“ Führertyp, d. h. ein Führer mit dem Besitz außerordentlicher Eigenschaften, das Ideal war.

In den späteren Jahren des Wandervogels und in den Vereinen der von Anfang an demokratischen Wanderer und akademischen Freischaren, galt als Führer immer der, der am meisten „primus inter pares“ war. Seine Fähigkeit mußte hauptsächlich die sein, wie wir gesehen haben, zentraler Mittelpunkt der Gruppe zu sein, während der charismatische Führer „zentrale Spitze“ der Gruppe war.

Wie sahen nun die geforderten Eigenschaften eines Führers im einzelnen aus?: „Wenn wir schießen, hat er die meisten Punkte, wenn wir marschieren hält er am längsten aus, wenn wir lachen, lacht er am mitreißendsten, wenn wir sprechen, spricht er das Beste“

Walter Flex begeistert sich für den Wandervogel Ernst Wurche, weil „aus seinen Worten so viel Jugend und Tapferkeit“ klang und weil „der Sinn für Schlichtheit ihm tief im Blute saß und Schönfärberei und Phrase ihm verhaßt“ waren

Bei diesen hohen Anforderungen, die die Jugend an ihre Führer stellte, konnte sie zweifellos der Gefahr der Überforderung verfallen.

Aber was macht es ihr schon aus, wenn die Quantität der von ihr anerkannten Führer zugunsten der Qualität Einbuße erlitt. In den späteren Zeiten des Massenwandervogels war es oft umgekehrt.

Zur Vervollständigung des Bildes vom Jugendführer ist es erforderlich, sich das konkrete Führungsverhältnis vor Augen zu führen. Die Autorität des Führers war in erster Linie eine innere. Wenn diese nicht ausreichte, konnte er sich kaum für längere Zeit mit einer äußeren aushelfen

Der Führer mußte den Jungen eine „richtende Integrität“ sein. Er mußte so wirken, „daß er unersetzbar" war Im Umgang mit ihm durfte das Gefühl der Gleichheit und Vertrautheit nicht verloren gehen;

er mußte beides schaffen, wenn es noch nicht vorhanden war.

Seine ganze Autorität wuchs aus seiner vorbildhaften Wirkung. Er erweckte in seinen Jungen durch sein besseres Können und Sein und durch sein stärkeres Wollen die Sehnsucht, es ihm gleichtun zu können.

Seine letzte und erste Aufgabe war es, den Jungen ein jugendgerechtes Leben vorzuleben und ihnen so Gelegenheit zu geben, sich in der Nachahmung selbst zu einer Persönlichkeit zu entfalten. Der Führer mußte daher alle Jungen ihrem Wesen nach kennen, um ihnen durch vorsichtige Leitung und behutsame Weisung die Anhaltspunkte aufzuzeigen, sich zu sich selbst zu finden. Er war der Jugend „auctor", „Mehrer“ ihres Lebens. Ihre Verehrung für ihn hatte daher vieles von der Verehrung des Sohnes für den leiblichen Vater.

Für Sentimentalität war in diesem Verhältnis allerdings kein Raum. Von Karl Fischer schreibt Blüher: „Karl Fischer war ein ausgesprochen starrer Charakter, der durch sein bloßes Dasein Forderungen stellte ... Ich war ungern mit ihm zusammen, und seine wilden Bachanten sagten mir mehr zu. Aber nie stand es weder für mich noch die anderen in Frage, wem man zu gehorchen hatte“

„Führer sei dir der, der viel und hart verlangt“, fordert ein 1 »jähriger Wandervogel

Der Gehorsam war herb und unbedingt, aber er war keine kritiklose Hörigkeit. Wie Tatsachen beweisen, fanden immer wieder „Prüfungen“ darüber statt, ob der Führer noch die gewünschten Fähigkeiten und Eigenschaften hat. Fiel diese Prüfung negativ aus, so wurde der Führer unverzüglich aus seiner Stellung entfernt. Schon das geringste Widerstreben eines Mitgliedes gegen ihn, ließ bei den anderen ein Zweifel an seiner Führerfähigkeit aufkommen. Ein fähiger Junge konnte sich jederzeit an die Spitze der Gruppe stellen. Das Beziehungsverhältnis, das zwischen Führer und Gruppe bestand, war im Ganzen gesehen unbureaukratisch, lebendig, es herrschte in ihm weder starres Vorgesetztenwesen, noch servile Untertanengesinnung. Auf die politische Dimension dieses Beziehungsverhältnisses von Führer und Geführten wies Ludwig Gurlitt hin: „Erziehung zur Mannhaftigkeit . . . Was wir heute brauchen und fordern, ist ein unerbittlicher, unerschrockener Bekennermut. . . Dann werden wir in Deutschland wieder Menschen sehen, die ihr eigenes Leben leben, deutsche Bürger, nicht Untertanen, Persönlichkeiten, nicht Abrichtungsprodukte, nicht Schablonen, und dann wird auch die Lust wieder erwachen, alle Kräfte in den Dienst eines nach dem Willen des Volkes gestalteten und ausgebauten Vaterlandes zu stellen, das Raum hat für jede schaffende Kraft“

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Jugendbewegung im gleichen Augenblick, als sie sich von den erwachsenen, aufgezwungenen Autoritäten löste, auch schon neue Autoritäten erkor. Es waren die jugendlichen Führer — aber auch ältere Führer, wie wir weiter unten sehen werden —. Ihre Gruppen zeigten stets mehr oder weniger eine hierarchische Struktur.

Während die Führer in dem Wandervogel um Karl Fischer mehr als charismatische Führernaturen zu sehen sind, hatten der spätere Wandervogel, die Wanderer, die akademischen Freischaren und die vielen informellen Gruppen mehr den Führertyp des primus inter pares.

'Das Führeramt wuchs den einzelnen eher zu, als daß es ihnen durch direkte demokratische Wahl übertragen wurde.

Die wesentliche Aufgabe des Führers war, Vorbild zu sein und so die einzelnen Gruppenmitglieder dem Ideal näher zu führen. Dabei mußte er jedem gleiche Kameradschaft erweisen. Der Führer erwartete Treue und gefühlsmäßige Anhänglichkeit. Beides erwies sich im Gehorsam gegen ihn.

Diesem Gehorsam ging eine freie Unterwerfung unter die Autorität des Führers voran.

Der politische Erziehungserfolg konnte danach kaum der Gehorsam in Untertanengesinnung söndern ein Gehorsam in Freiheitsbewußtsein sein. Der Jugendliche wurde in der Jugendbewegung daraufhin erzogen, sich einmal als freier Bürger den Autoritäten der Gesellschaft unterzuordnen. Wir sahen, daß die jugendliche Gemeinschaft nicht auf gesetzlichen oder pflichtmäßigen Bindungen gegründet, sondern daß eine Gemeinsamkeit der gleichen geistigen Grundhaltung gegeben war. Daher herrschte in der Jugendbewegung auch nicht die Autorität, die alles durchreglementierte und unter Pflicht stellte, sondern eine Autorität, die es verstand, den Geist freiwilliger Gemeinschaft zu pflegen, und Wege zu finden, der Freiheit weiten Spielraum zu geben.

So war der Jugendführer autoritär im Prinzip, aber in der Methode ausgesprochen demokratisch.

c) Verantwortungsbewußtsein aus Freiheit

Aus der Gemeinsamkeit gleicher geistiger Grundhaltung erwuchs jedem Jungen die Haltung der Selbstentschlossenheit und Selbstkritik, die in der Jugendbewegung die Verbindung von Autorität und Freiheit ermöglichte. Aus beiden aber ergab sich zugleich ein hoher Grad von Verantwortlichkeit für die Gemeinschaft.

Führer und Gefolgschaft waren geeint durch einen entschlossenen Gehorsam gegen die Wahrheit. Auch die Formel vom Hohen Meißner hatte ja Freiheit und Wahrhaftigkeit genannt, und zur Verantwortlichkeit in Beziehung gesetzt.

Zur Wahrheit versuchte die Jugend über eine strenge Selbstkritik zu gelangen. „Wir müssen an uns selbst arbeiten“, war ein Hauptgesetz für den einzelnen wie für die Gemeinschaft. Das Schrifttum der Jugend-bewegung ist voll von scharfen und schonungslosen Selbstanklagen und Selbstbezichtigungen. Man könnte sie nur für übertrieben und unnatürlich halten, wenn man sie nicht als Ausdruck der radikalen Ehrlichkeit anerkennen müßte, die immer zunächst den „Balken im eigenen Auge sieht“

Es war die selbstauferlegte Verpflichtung zum rechten Gebrauch der Freiheit, durch die die Jugend zur Verantwortlichkeit gelangte. Die Abwendung von der Welt der Erwachsenen war auch erfolgt, weil sie der Jugend im Lichte ihrer neuen Wahrheiten als verantwortungslos erscheinen mußte. Im Erlebnis, die Freiheit des Wollens und Handelns für sich erkämpft zu haben, setzte die Jugend dieser verantwortungslosen Welt der Alten ein starkes Gefühl einer neuen, tiefen Verantwortlichkeit entgegen.

Dieser Verantwortlichkeit erkennen die Interpreten der Jugendbewegung die höchste Bedeutung zu: „Etwas anderes aber ist noch bedeutsamer als die überlegenen Führern geleistete Gefolgschaft: in der herben Luft der Freiheit erwächst eine strenge Verantwortlichkeit. Verantwortung ist der höchste Ruhm dieser Gemeinschaft, daß sie eine Erziehungsgemeinschaft ist und sein will, die vor allem die eigene Kraft der großen Anlagen zu großen Aufgaben stärken und an sich selbst arbeiten will, statt an der Welt herumzukorrigieren“

Immer wieder ermahnt sich die Jugend gegenseitig zum rechten Gebrauch der Freiheit: „Ich meine auch: Jugendübermut und Freiheit sind schöne Dinge. Aber der erste muß eine Grenze finden, und die zweite muß stets mit Verantwortungsbewußtsein gepaart sein, sonst wirkt sie auflösend anstatt fördernd. Dieses Gefühl der Verantwortung muß doch wenigstens der Führer besitzen und die Scholaren haben ihm unbedingt zu gehorchen"

Als allgemeiner Grundsatz wurde für die ganze Jugendbewegung ausgestellt: „Wir wollen unsere Jungen und Mädchen zu freien, auf sich selbst gestellten, unerschrockenen Menschen erziehen, die sich vor keiner Verantwortung fürchten. Jeden Gewissenszwang mußten wir unbedingt ablehnen"

Aus der Haltung der Verantwortlichkeit ergab sich die Disziplin. Das Leben in der Jugendbewegung war getragen von der freiwilligen Disziplin. Ein Freund und wohlwollender Kritiker der Jugendbewegung, Paul Natorp, sagte in einem Vortrag am 6. 12. 1913: „Doch kann man schließlich verstehen, ich meine nicht im Hinblick auf einzelne Disziplinlosigkeiten, die wirklich nur sehr selten vorkommen — im ganzen ist gerade die Selbstdisziplin der Jugend hoch anzuerkennen“

Ein konkretes Beispiel für die besondere Form der Disziplin, aus einer Haltung der Verantwortung heraus, ist ihre Selbstverpflichtung zur Alkohol-und Nikotinfreiheit der gemeinsamen Feste. Hinter dieser Selbsteinschränkung stand zum großen Teil die Verantwortung für die Gesundheit des deutschen Volkes. — Die ersten Wandervögel übten zwar keine gänzliche aber doch eine teilweise Abstinenz

Die Aufnahmeformel des Wandervogel verlangte Gehorsam, „soweit das Gewissen es zuläßt“. Auch in dieser Einschränkung erscheint ein Moment hoher Verantwortlichkeit. Damit wurde die Grenze für die Gehorsamshaltung der Jugendbewegung festgesetzt.

Es war das persönliche Gewissen jedes einzelnen Jungen, das letztlich für sein Handeln entscheidend sein sollte. Es wurde durch Erlebnis und Gewöhnung ausgerichtet nach Werten wie Freiheit, Wahrheit und Verantwortung, unter ständiger Selbstkritik und Selbstverpflichtung, und wurde so im Laufe des Zusammenlebens mit den Führern und den Kameraden nach den Werten des Jugendreiches geformt und mit dem ganzen Lebensstil in Übereinstimmung gebracht.

Dieses ethische Streben nötigt allen Kritikern höchste Anerkennung ab: „Was immer und überall von jugendlidien Herzen ergriffen worden und dann doch in müden, alt gewordenen Seelen mißachtet war, wird heute mit unerhörter Wucht als Lebensforderung aufgestellt: Zu leben von innen heraus, im Gehorsam gegen die innere Stimme, alles Leibliche sei dienstbares Organ des Geistigen, alles Materielle im Dienst der Seele“

„Und nur der der dies versteht und die allgemeinen Ursachen erfaßt, sie dahin geführt haben, nur der kann der Jugendbewegung gerecht werden und den schweren Ernst erkennen, der hinter Spiel und Romantik, hinter Rebellion und Absonderung verborgen ist“

Unter dieser Betrachtung löst sich das Problem: Autorität und Freiheit in der Jugendbewegung.

Die Ergebnisse der Untersuchung einer mittelbaren politischen Erziehung der Jugendbewegung lassen sich folgendermaßen zusammenfassen.

Die Jugend hat in der Schaffung eines eigenen Jugendraumes in Selbstregierung, Selbstgesetzgebung, Selbstverwaltung und Selbstjustiz einen ersten Schritt zur politischen Erziehung getan. Die von ihr geschaffenen Lebensformen waren geeignet, eine echte politische Haltung zu begründen, „denn rechte politische Erziehung gelingt nur, wenn die Einriclttung der Erziehung und Bildung selbst freie Gemeinschaftsordnungen sind“ Die Bedeutung dieser äußeren Ausgestaltung ihrer Autonomie war einmal, daß sich die Jugend dabei im Vorvollzug politischer Formen und Funktionen unbewußt üben konnte und dann aber, daß sie sich auch die direkten Voraussetzungen zu einer fruchtbaren politischen Erziehung schuf und so schon eine mittelbare politische Selbsterziehung ausübte.

Ein Teil der Jugend hat im Wandervogel „neue innere Existenzmöglichkeiten gefunden, neue Heimstätten und Lebensformen, Vorbedingungen also für neues Leben, (vom Verfasser gesperrt) das immer Gemeinsamkeit, Helfenwollen, Dienenlernen, Sicherziehen ist“

Doch die Jugendbewegung schuf der Jugend nicht nur äußere Formen der Freiheit, sondern sie brachte auch in den Jungen eine Gesinnung hervor, die mit diesen Formen übereinstimmte. Es war eine Gesinnung hoher Freiheit und ihre schönste Frucht war die neue Verantwortungsbereitschaft und Verantwortungfreude der jungen Generation. Der Jugend ging es zweifellos in erster Linie um die Entfaltung zur freien Persönlichkeit und um die Unantastbarkeit des persönlichen Gewissens. Politisch gesehen bedeutet das zunächst, daß sie sich zum „autonomen Bürger erzog“

Dies mag als ausgesprochener Individualismus erscheinen, die Jugend vermochte sich aber von diesem Individualismus her bald zum sozialen Denken und Handeln durchzuringen. Die Jungen wollten „neue Mensehen werden, damit ein neuer Staat werde“. Ihr Weg führte also vom gesunden ins individuale zum gesunden ins soziale, also zum ganzen Menschen. Das ist eine reife Leistung der Jugend, wenn man die sittliche Selbständigkeit als Voraussetzung rechter staatsbürgerlicher Haltung ansiehtlu).

d) Die erwachsenen Führer

Zu einem möglichst vollständigen Bild der Autoritätshaltung der Jugendbewegung gehört auch ein Blick auf die Rolle des erwachsenen Führers in ihr.

Die älteren Führer gehörten von Anfang an in das Gesamtbild der Jugendbewegung. Sie hatten aber eine eigenartige Stellung. Alexander Rüstow beschreibt sie wie folgt: „Nur in seltenen Fällen, wie diesem letzteren“ (gemeint ist Stefan George) „wurde von den Älteren ein eigentlicher Führungsanspruch erhoben, oft wirkten sie mehr wie im Forst Überhälter gegenüber dem Jungwuchs“

Der erste Führer und Begründer des stärksten Stammes der Jugend-bewegung, Karl Fischer, wirkte auf die Jungen wie ein Mann. Blüher beschreibt dies wie folgt: „Im Hintergrund saß ein Mann mit einem Spitzbart und Guitarre auf den Knien: Karl Fisdter. Ich sage , Mann , denn so wirkte er auf uns" Die Jugend schloß sich ihm trotzdem an, verehrte und gehorchte ihm. Nach seinem Ausscheiden war es wieder ein Mann, der Rittergutsbesitzer Wilhelm Jansen, ein schon in den Vierzig stehender Freund der Jugend, der zu ihrem neuen Führer erkoren wurde.

Gustav Wyneken hatte großen Einfluß auf die Freideutschen und er zählte am Begnin seiner Einflußnahme bereits 28 Jahre.

Paul Natorp, Avenarius, Traub, Kerschensteiner, Carossa und viele andere ältere Persönlichkeiten können als Führer der Jugend bezeichnet werden, „denn ältere Führer, ob sie nun aus der Bewegung hervorgegangen waren oder von außen mit Gedanken zur Jugend kamen, die dieser zusagten, hat sich die Jugend immer gefallen lassen.“ Diese „Alteren“ mußten „sich aber in besonderer Weise als . Führer'qualifiziert haben“

Grundsätzlich waren ältere Führer immer nur vereinzelt unter der Jugend, sie besaßen dann aber eine besondere Autorität.

Dies ist zu erklären aus dem Bild, das die Jugend vom Führer hatte und von der Auffassung seiner Autorität. Der Führer mußte Lebens-

erwecker. Mehrer ihres Lebens, Ratgeber sein, er mußte mehr können, mehr sein und mehr wollen als die anderen. All dies sind größtenteils Eigenschaften reifer Persönlichkeiten. Was lag daher näher, als daß Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die die von der Jugend gewünschten Eigenschaften hatten, wenn sie sich der Jugendbewegung innerlich verbunden fühlten, von dieser mit Begeisterung ausgenommen wurden.

Die Regel wurde der erwachsene Führer nie. O. Stählin und Hans Schlemmer können es daher als typisches und vonallenanderen Verbänden der Jugendbewegung unterscheidendes Merkmal der „Jungdeutschen" bezeichnen, daß bei ihnen „ältere Führer eine verhältnismäßig starke Rolle spielen“ und „einen bestimmenden Einfluß haben“

Zusammenfassung

Die politische Erziehung, deren Vorhandensein in der Jugendbewegung die vorliegende Untersuchung nachweisen sollte, kann kurz wie folgt zusammengefaßt werden:

Die Jugend Deutschlands um die Jahrhundertwende erstrebte den Aufbau eines autonomen Jugendraumes, dabei schaffte sie sich einen sozialen Lebensraum, in dem sie sich über das Zusammenleben auf Fahrt, Wanderung, in Lager und Landheim über musische und sportliche Übungen und Veranstaltungen, in Aussprache und Diskussion gegenseitig erzog und belehrte und so angehalten wurde, sich in einem freien Jugendraum im Gebrauch sozialer und politischer Tugenden zu üben. Im Laufe dieses Vorganges gewann sie eine wachsende Deutung dessen, was sie damit für ein Zusammenleben im Staate erreicht hat und sie versuchte nun bewußt, diesen Tugenden eine Ausrichtung auf den Staat zu geben. Diese Ausrichtung geschah wiederum in einem gestuften Wachstumsprozeß über Heimatliebe und Volksverbundenheit und fand ihren höchsten politischen Ausdrude in der zum Handeln drängenden Vaterlandsliebe.

Die eigentliche politische Hinwendung zum Staat vollzogen erst die zum Mann gewordenen Mitglieder der Jugendbewegung. Dieser Prozeß stand aber bereits außerhalb einer „Jugend “ -bewegung und daher auch außerhalb dieser Untersuchung, die sich nur mit der Jugendbewegung als organisatorische Einheit von Jugendlichen vor dem ersten Weltkrieg befassen wollte.

Von dieser Übersicht aus läßt sich nun der Charakter der politischen Erziehung, wie sie in der Jugendbewegung geübt wurde, zusammenfassend näher und deutlicher bestimmen:

Die Jugendbewegung hat dem Jungen eine staatliche Mitverantwortung nicht von vornherein direkt und bewußt anerzogen, sie hat ihn aber auf dem Wege einer längeren Gemeinschaftserziehung faktisch zur staatlichen Verantwortung hinerzogen. Eine Verantwortung für sich selbst war der erste Schritt, dann folgte die Verantwortung für die Gemeinschaft der Gruppe und des Bundes und von hier wuchs sie zu einer Verantwortung für alle Volksgenossen und für das ganze Volk, so daß am Ende dieser Entwicklung dann bei den Reifgewordenen oft der Drang stand, die Mitverantwortung im Staat zu übernehmen.

Das ganze Leben der Jugendbewegung war für die Mitglieder ein politischer Elementarunterricht; beim Wandern lernte sie Volk und Heimat kennen und lieben. Die Jungen erwarben die Fähigkeit, sich über stammliche, weltanschauliche und soziale Unterschiede hinwegzusetzen.

Für die jüngeren Mitglieder bestand dieser Unterricht nur in unbewußten Wirkungen der Vorbilder und des Gruppenlebens. Bei den führenden älteren Mitgliedern wurden diese Ziele bewußt und mit großer Verantwortung verfolgt.

Daß die Jugendbewegung in ihrem Bemühen, zu einer für das Politische offenen und seine Elementarformen einbegreifenden Haltung hin-zuführen, so erfolgreich war, lag vor allem darin, daß sie der Jugend die Möglichkeit gegeben hat, sich organisch zu entfalten. Sie bot der Jugend die Gelegenheit, alles in ihr Grundgelegte aus sich heraus-wachsen zu lassen. . Und dabei hat die Jugend auch ihre soziale Wesens-seite voll entfaltet, so daß sie sich selbst in der Zeit, da vielleicht in ihrem Bewußtsein nur eine ausgesprochene Tendenz zur Selbstentfaltung vorgeherrscht hat, dem Politischen in erstaunlichem Maße angenähert hat. Nach und nach ging ihr aber die Tatsache selber deutlich auf, „daß das Politische und Soziale ein Teilgebiet des Menschlidien auswacht, daß es der Totalität des humanen Problems angehört“ und daß sie sich daher außerhalb der menschlichen Natur bewegte, wollte sie sich abseits des Staates stellen.

Während bei der Masse der Jugendlichen die Wirkung dieser Tatsache erst nach und nach zur Erscheinung kam, hatten die älteren Gründer, Führer und Freunde diese Einstellung schon vom Beginn der Jugenbewegung an. Das war aus den angeführten Zeugnissen zu ersehen.

In den Rahmen des Politischen gehört auch die bewußte Weckung eines Nationalgefühls. Diese Tendenz wurde vor allem vertreten durch namhafte Pädagogen und Kulturphilosophen. Ludwig Gurlitt, Ferdinand Avenarius, Eugen Diederichs, Gustav Wyneken, Natorp und im weiteren Sinne Fr. W. Förster waren Freunde, Paten der Jugendbewegung, Nietsche, Lagarde, Langbehn, der Turnvater Jahn und Fichte sind ihre geistigen Helden und vielgelesenen Autoren.

Daß aber aus einer individuellen Selbsterziehung und einem von außen inspirierten Nationalbewußtsein eine echte politische Erziehung werden konnte, ist nicht den führenden beteiligten Erwachsenen zuzuschreiben, sondern einzig der besonderen Methode der Selbsterziehung innerhalb der Jugendbewegung. Die Selbsterziehung war innerhalb der Jugendbewegung an die Gemeinschaft gebunden, war nur innerhalb ihrer im richtigen Sinne möglich. Daß diese besondere Form der politischen Erziehung auch ihre eigentümlichen Grenzen, Schwächen und Schwierigkeiten hatte, kann nicht überraschen. Sie traten vor allem dort auf, wo die individualistische Haltung in eine soziale und endlich politische überzugehen hat. Oft werden die individualistischen Züge die Überhand gewinnen. Kritische Beobachter sprachen daher oft von einem „ungegorenen Individualismus“

Zwar wird der gefährliche Individualismus ständig überwunden, solange sich die Jungen in der Jugendbewegung befinden, aber eine gewisse von der Vielzahl der Individuen ausgehende Uneinheitlichkeit besteht doch darin, daß bei dem einen der Erfolg der Einübung und Gewohnheit größer, bei dem anderen kleiner sein wird, daß der eine sein soziales Wesen rascher erkennt und anerkennt als der andere.

Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, daß dem Wesen der Jugend-bewegung nach ihre politische Erziehung nur in Form der politischen Selbsterziehung möglich war. Die Jugendbewegung als ältere und jüngere Jungen umfassendes Ganzes erzieht sich selbst als eben solches Ganzes.

Von hier aus erhellen sich manche Schwächen. Jeder war zugleich Erziehender und Erzogener und stand in einem Geflecht von erzieherischen Einflüssen, das oft so schillernd war, als es individuelle Eigenarten gab. Daraus ergibt sich selbstverständlich oft eine hemmende Zerrissenheit der Meinungen und Erziehungsauffassungen. Daß sich ein Erziehungserfolg trotzdem einstellte, mag daran gelegen haben, daß die Jugend allgemein die Fähigkeit besitzt, sich in einem Widerstreit der Meinungen aus einem instinktiven Gefühl heraus, das Beste herauszunehmen. Es fällt auch die Ungegorenheit manchen erzieherischen Wollens auf, das manches Unheil anzurichten imstande gewesen ist. Das zeigt sich z. B. an der Heftigkeit und Maßlosigkeit mancher Polemiken in den Zeitschriften des radikalen Flügels. Aber als größte Gefahr kann vom Pädagogischen aus gesehen die Unerfahrenheit der jugendlichen Erzieher gelten. Sie wird gerade auf diesem Gebiet besonders groß gewesen sein, weil sich die Jugend hier auf ein ganz neues Feld der Erziehung wagte. Eine Gemeinschaftserziehung war neu und erst recht eine Erziehung zum Staat und zur Politik über die Gemeinschaft Jugendlicher.

Aber der gewichtigste Einwand, der möglich ist, ist der, daß hier der Begriff des Politischen für Erscheinungen verwendet wird, die ihrer wahren Natur nach von anderer nämlich bloß sozialer Art sind, daß es sich also bei den geschilderten Erziehungs-und Einübungsformen nicht um eigentlich politische sondern vielmehr um bloß soziale Erscheinungen handelt.

Aber die vielleicht nicht in allem befriedigende Vor-oder gar bloße Ersatzform des Politischen resultiert aus der besonderen historischen Situation der Jugendbewegung.

Hier wurde zum ersten Mal der Versuch gemacht, sich aus dem Kraftfelde des „humanistischen Bildungsideals“ zu einem Bildungsideal durchzuringen, daß auch die wesentlichsten Züge des Politischen trug.

Erste Versuche können nie vollkommen sein und vor allem nicht, wenn sie nur von einem intuitiven, vorausgreifenden Teil der Jugend, hier dem Wandervogel, den Wanderern, den Akademischen Freischaren und nichtorganisierten Gruppen der Jugendbewegung, unternommen wurden.

Es fehlten wichtige Voraussetzungen für das völlige Gelingen auch dadurch, daß die Umwelt die Bemühungen der Jungen nicht unterstützte. Die Jugend war ja durch ihre eigene Wegwendung von der Gesellschaft und der Erwachsenenwelt isoliert. Diese müßte aber mit ihren Lebensformen den ständigen Hintergrund für das politische Wachsen der Jugend darstellen, besonders vom Standpunkt einer pädagogischen Betrachtung aus, die nicht davon ausgeht, was die Gesellschaft im Interesse ihres eigenen Fortbestehens von der Jugend verlangen muß, sondern von der Frage, was der Jugend in ihrer besonderen psychischen und historischen Situation erreichbar und nötig ist.

Von hier aus, auf das Endziel einer politischen Haltung hingesehen, zeigt sich die Tatsache, daß es sich in der Jugendbewegung mehr um allgemein soziale als um direkte politische Erziehungsphänomene handelte, in einem neuen Lichte: Für die Jugend als Jugend führt der Weg zum Politischen nur über die Gemeinschaft, die politische Erziehung muß in der Jugendphase als Sozialerziehung erfolgen oder sie ist der Jugend überhaupt unmöglich. Die Struktur der politischen Wirklichkeit ist so kompliziert, so indirekt, so rational, daß ihre unmittelbare Bewältigung daß völlige Reifgewordensein, das Erwachsensein voraussetzt. Von hier aus ist das Scheitern des staatsbürgerlichen Unterrichts der Kaiserzeit und Weimarer Republik zu verstehen. Trotzdem braucht politisch Erziehung nicht erst im Erwachsenenalter zu beginnen, ja sie kann dann kaum mehr gelingen, wenn nicht ihre tiefere Fundierung in der Jugendphase erfolgt ist. Diese Fundierung erfolgt, wie die Jugendbewegung als großes Beispiel beweist, als Erziehung zur Gemeinschaft, die soweit es den Jugendlichen möglich ist, schon bewußt in den politischen Bereich vorangetrieben wird.

Die zeitweilige Einseitigkeit zeigt sich damit als Strukturgesetz der politischen Erziehung. Es will besagen, daß innerhalb eines geistigen Wachstumsvorganges manche Wahrheit sehr stark und anhaltend erlebt werden muß, weil sie eine eigene Formkraft für den weiteren Entfaltungsprozeß darstellt, deren Ertrag für das weitere Wachstum um so größer sein wird, je tiefer und weiter deren Ausprägung vollzogen worden ist.

So wird von der Nachhaltigkeit der Sozialerziehung schließlich die Dauerhaftigkeit und Echtheit der politischen Haltung abhängig sein.

Wenn auch die vorliegende Untersuchung kein Rezept der politischen Erziehung erbringen kann, so drängt sich doch von hier eine Antwort auf die Frage auf, in welcher Weise der Staat die junge Generation für die politische Verantwortung vorbereiten soll, geradezu auf:

Genau so wichtig wie jedes Bekanntmachen mit formalem Wissens-gut ist die Einübung politischen Verhaltens auf jugendgemäße Art in jugendlichen Gemeinschaften.

Der Staat muß eine wichtige Aufgabe darin sehen, das Entstehen, das Dauern solcher jugendlicher Sozialformen anzuregen und organisatorisch zu ermöglichen. Er kommt damit nicht nur einem Bedürfnis der Jugend entgegen, sondern treibt damit schon politische Erziehung. Denn nur ein jugendliches und jugendgemäßes Sozialleben ermöglicht dem jungen Menschen den Schritt von dem stark erlebnismäßig bedingten Intimcharakter seines Verhaltens als Kind in die sachliche und rationale Welt der Erwachsenen, deren der wichtigsten Grundpfeiler einer das Politische ist:

Die politische Erziehung des künftigen Bürgers macht Maßnahmen erforderlich, die jugendpolitischer Art sind und daher bloß äußerlich betrachtet, sehr unpolitisch aussehen.

Die Maßnahmen sähen aber nur unpolitisch aus, weil wir oberflächlicherweise nicht unterscheiden, daß Politik für den Erwachsenen notwendig etwas anderes bedeutet, als für den Jugendlichen; weil wir heute keine Unterscheidung darin treffen, was die sozialen, wirtschaftlichen, religiösen und anderen kulturellen Werte für den Erwachsenen darstellen und dem, was sie für den Jugendlichen sind. Der Jugendliche unterliegt in erster Linie den eigenen Werdegesetzen, die ihn an die einzelnen Werte heranführen, die in ihm grundgelegt sind; der Erwachsene aber unterliegt sehr stark den Seinsgesetzen dieser Werte, die ihn zu einem Handeln nach sachlogischen Gesetzen zwingen, da er sonst seine Aufgabe zu erfüllen nicht imstande wäre.

Der Erwachsene muß Leistungen in etwas aufweisen; der Jugendliche muß das Streben nach etwas zeigen, er muß das Hineinwachsen in etwas erkennen lassen.

Der Staat oder die Verbände, die der Pflege der Jugend obliegen wollen, müssen daher den Jugendlichen unter den natürlichen Werdegesetzen von seiner kindlichen Welt in die Erwachsenenwelt hineinwachsen lassen. Wenn das den Erziehern und Jugendpflegern gelingt, dann betreiben sie wirkliche politische Erziehung, denn die Erziehung allgemein ist aufzufassen als die Bemühung eines Reifen, einer Autorität, der Wertanlage eines noch unentwickelten zur Reife und zur Erfüllung zu verhelfen. Sie muß sich also unbedingt subsidiär verhalten. Ihr kommt es nur zu, für dieses Bemühen die richtigen Wege und Mittel, d. h. die richtige Methode zu finden. Aber auch diese Methode kann sie nur finden, nicht erfinden. Diese liegt nämlich in dem Wesen des Zöglings, besser noch, im Wesen des menschlichen Werdens und Sichentfaltens. Wenn der Erzieher sich nur in den Dienst des anzuerziehenden Wertes stellt, dann kann er den Zögling vergewaltigen, weil er erstens nicht auf dessen Veranlagung und Bedürfnis Rücksicht und weil er zweitens nicht auf dessen Wachstumsgesetze sondern auf die sachimmanenten Notwendigkeiten Bedacht nimmt. Wir können so an der Erziehungsweise eines totalitären Staates beobachten, daß dort von der intoleranten, alles umfassenden Parteidoktrin erstickt, und auf das eigentliche pädagogische Anliegen, nämlich die Wachstumsgesetze des Kindes zu achten und den Werten, die zur Entfaltung beitragen, ihr Recht zu geben, nicht berücksichtigt wird. Dieser krasse Fall wiederholt sich aber in einer demokratischen Gesellschaft überall dort, wo die junge Generation in ihren Beruf oder in ihre staatliche Aufgaben hineinerzogen werden soll.

Hier krankt wie im totalitären Staat die Erziehung daran, daß sie den jungen Menschen zugunsten einer Sache, eines Wertes vergewaltigt. In dem Aufzwingen einer bestimmten Aneignungsweise eines Wertes liegt auf beiden Seiten der Fehler. Dem totalitären Staat kann man lediglich noch nachweisen, daß der Wert, um dessentwillen er seine Jugend vergewaltigt, ein Pseudowert ist. In unserer Gesellschaft dagegen kann man sich damit trösten, daß man einen wirklichen Wert vertrete. Und wenn dabei die Wirtschaft vielleicht auch bereit wäre zuzugeben, daß ihr Wert bestimmt nicht der höchste sei, so meint sie damit durchaus nicht, daß sie deshalb nicht das Recht habe, alle jungen Menschen ab 14 Jahren zu zwingen, sich unbedingt und unterschieds-los zu den Erwachsenen unter die sachlogischen Notwendigkeiten ihrer Maschinen, Produktionen, Betriebe und Unternehmungen zu stellen. Und genau dasselbe wird aber auch von der Politik, der Religion, und man kann sagen, auch von vielen Sparten der Kunst von der Jugend verlangt Und da diese Erscheinung nun im ganzen gesellschaftlichen Leben auftritt, wird sie zu der Frage der politischen oder staatsbürgerlichen Erziehung überhaupt; denn wir müssen diese auffassen als die Erziehung zum staatlichen und gesellschaftlichen Leben.

Nach unserer Darstellung können wir die Behauptung wagen, daß der nähere Ort der staatspolitischen Erziehung die freie Gemeinschaft Jugendlicher ist. Vorerst soll die Begründung für unsere Behauptung das Ergebnis unserer deskriptiven Schilderung der politischen Erziehung in der klassischen Jugendbewegung sein, denn wir haben darin aufgewiesen, daß die Jugend allein zu dieser Form der Selbsterziehung fand, und daß sie in den späteren Jahren der Jugendbewegung bewußt ihre Jugendgemeinschaft als dritten Erziehungsraum der Familie und der Schule gegenüberstellte. Und wir haben auch aufgezeigt, daß die Jugend tatsächlich in diesem Lebenskreis „zur funktionalen Einordnung ins Volk“, wie der Wandervogelführer Hans Breuer 1913 sagte, gelangte.

Aber es bleibt für die Bestimmung des äußeren Ortes der politischen Erziehung noch die Frage nach dem weiteren Ort, d. h. die Frage danach, wo sich die einzelnen freien Jugendgemeinschaften befinden sollen, zu beantworten. Sie muß dahingehend beantwortet werden, daß der weitere Ort der politischen Erziehung überall dort ist, wo sich junge Menschen auf dem Wege aus der Familie in die Öffentlichkeit befinden, d. h. auf und in allen Gebieten und Gebilden, aus denen sich die Gesellschaft und der Staat zusammensetzt: in den Betrieben der Wirtschaft, in Industrie und Handel, in allen Ständen und Berufen, in den großen Verbänden der Arbeit, Politik und Religion.

Überall, wo also der Mensch sich als Mensch zum Spezialisten entwickeln soll, gehört eine freie Jugendgemeinschaft, anders der junge Mensch sich zum Nur-Spezialisten, zum Sklaven seiner Arbeit und des Wertes, den er durch seine Arbeit produziert, pflegt und erhält, entwickelt. Wenn wir morgen mehr als nur Spezialisten in unserer Gesellschaft haben wollen, dann müssen wir Erwachsene haben, die durch die Jugend gegangen sind. Ein Erwachsener, der vom Kind sofort zum „kleinen Erwachsenen“ geworden ist, der wurde in seiner Natur vergewaltigt und wird zeit seines Lebens einen Bruch in seiner menschlichen Struktur in sich tragen und eine ständige Gefahr und sobald es zu viele werden, auch eine Belastung für Staat und Gesellschaft bilden.

Aufgabe einer Jugendpflege kann es unter diesen Gesichtspunkten nur sein, daß sie dies erkennt und sich an allen in Frage kommenden Orten um die Jugend sorgt, sie hegt und pflegt, daß sie, um es in einem Bilde auszusprechen, überall „Jugend-Schonungen“ anlegt.

Doch eine Pflege kann nur gedeihen, wenn sie um die Wachstums-gesetze ihres Pfleglings weiß, weil sie nur so dafür Sorge tragen kann, daß kein Vorgang und äußerer Eingriff das gesunde Wachstum unmöglich macht.

Rousseau hat ein pädagogisches System ausgeklügelt, wie er seinen Zögling Emile ohne die „Unnatur der konventionellen Tradition seiner Natur gentäfl ganz von vorn beginnen lassen könne." (s. S. 21 Zitat von A. Rüstow). Dasselbe Problem ging in unkomplizierter Weise die Jugendbewegung an, und bei ihr steht das pädagogische System als Ergebnis einer philosophischen und pädagogischen Analyse dem kritischen Forscher vor Augen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. „Jugend im Blickpunkt", 1. Teil: Elternhaus, Schule und Juqend-gruppe ... S. 21.

  2. Eduard Spranger: „Pädagogische Perspektiven" — Beiträge zu Erziehungsfragen der Gegenwart — Quelle und Meyer, Heidelberq 1951 Seite 29 f.

  3. H. Schierer: „Das Zeitschriftenwesen der Jugendbewegung" — Ein Beitrag zur Geschichte der Jugendzeitschrift, Inauguraldissertation Berlin

  4. Die „Wandervögel“ teilten sich 1904 in den „Wandervogel e. V. zu Steglitz bei Berlin“ und den „Altwandervogel“ auf. Bis 1914 entstanden noch viele einzelne Gruppen, die sich schließlich zum großen Teil unter dem „Wandervogel e. V. Bund für deutsches Jugendwandern“ vereinigten. Ein Teil des „Altwandervogel" und des 1910 gegründeten „Jungwandervogel blieben neben dem „E. V.“ bestehen. Die „Wanderer" wurden als „Hamburger Wanderverein" ins Leben gerufen und einigten sich nach einer ebenfalls starken Gruppenbildung unter dem „Bund Deutscher Wanderer".

  5. Knud Ahlborn: „Kurze Chronik der freideutsdien Jugendbewegung 1913— 1953“, Voggenreiter-Verlag Godesberg 1953, S. 6.

  6. a. a. O. S. 6

  7. a. a. O. s. 9

  8. E. Spranger: „Pädagogische Perspektiven ... ” S. 39.

  9. . Lexikon der Pädagogik“, Bd. IV, Verlag Herder, Freiburg 1955, Artikel: Staatsbürgerliche Erziehung, politische Erziehung, mitburgerliche Erziehung," Sp. 456 ff von Franz Pöggeler.

  10. Der Verfasser dieses Artikels gebraucht . staatsbürgerliche Erziehung" und . politische Erziehung" synonym und weist lediglich darauf hin, daß man sich in letzter Zeit meistens des zweiten Terminus bediene. Die Grunde dafür siehe dort.

  11. „Lexikon der Pädagogik" ... Sp. 456.

  12. a. a. O. Sp. 457.

  13. . Gedanken zur staatsbürgerlichen Erziehung“, hrsg. von der Bundes-zen für Heimatdienst, Buch-und Zeitungsdruckerei H. Köllen, Bonn, 1951tr, aSle. 15.

  14. Erich Weniger: . Politische Bildung und staatsbürgerliche Erziehung", Zwei Denkschriften — Im Werkbund-Verlag Würzburg, 1954, S. 27.

  15. a. a. O. S. 29

  16. a. a. O. S. 25

  17. Ernst Weniger: „Zum Problem der staatsbürgerlichen Erziehung der unorganisierten Jugend" in den „Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge". Genf, 17. Juni 1956. Vortrag, gehalten auf einer Arbeitstagung über Fragen der staatsbürgerlichen Erziehung der unorganisierten Jugend, am 19. und 20. Juni 1956 in Bad Boll. — Zitiert wird darin das Gutachten zur politischen Bildung und Erziehung — abgedruckt in Empfehlungen und Gutachten des deutschen Ausschusses für das Erziehungsund Bildungswesen, Folge 1 — Stuttgart (Ernst-Klett-Verlag), 1955, S. 37-50.

  18. a. a. O. S. 4

  19. a. a. O. S. 6, linke Spalte.

  20. Helmut Schelsky: „Die skeptische Generation" — Eine Soziologie der deutschen Jugend — Eugen Diederichs Verlag, S. 138.

  21. Walter Gerber: „Zur Entstehungsgeschichte der deutschen Wandervogelbewegung" — Ein kritischer Beitrag — Deutsch. Heimatverl. Giesekinq, Bielefeld, 1957, S. 70.

  22. Knud Ahlborn: „Die Entwicklung des Wandervereinsgedankens“ in . Der Wanderer", 5. Jhg., 1910, S. 231 f.

  23. „Dokumente der Freischarentwicklung“ 1906 bis 1914, zum Bundestag der DAF 1931, Druck v. F. W. Gabow u. Sohn GmbH in Hildburghausen, S. 8.

  24. H. Michel bezeichnet es als Wesen der Jugendbewegung: „daß diese Jugend in sich selbst sei und nicht erst von außen bewegt werde, daß sie den Individualismus abschwöre und in der Gemeinschaft die Ergänzung des individuellen Geisteslebens suche.“

  25. Alexander Rüstow: „Herrschaft oder Freiheit“, 3. Bd. zu „Ortsbestimmung der Gegenwart“. Im Eugen-Trentsch-Verlag, Erlenbach, Zürich und Stuttgart, 1957, S. 236.

  26. A. Rüstow: »Herrschaft oder Freiheit" ... S. 619.

  27. „Deutsche Abende'im Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht, sechster Vortrag: „Das humanistische und das politische Bildungsideal im heutigen Deutschland“ von E. Spranger, Berlin 1916, Ernst Siegfried Mittler und Sohn.

  28. Es soll hier nur gesagt werden, daß die allgemeine Kulturlage und die Erwachsenen im allgemeinen in diesem Verhältnis zur Jugendbewegung standen. Damit soll die Tatsache, daß die Jugend in vieler Hinsicht gerade von kulturellen Bestrebungen dieser Zeit getragen und bestimmt war und daß sie von einigen führenden Persönlichkeiten gerade des damaligen Kultur-und Gesellschaftslebens gefördert wurde, nicht in Abrede gestellt werden.

  29. Hans Blüher: »Karl Fischers Tat und Untergang" — Zur Geschichte der deutschen Jugendbewegung — Voggenreiter Verlag, Bad Godesberg 1952, S. 44.

  30. . Gerade das war es ja, was er wollte: einen großen deutschen Jugendbund, unabhängig von der Schule, von der Jugend gegründet und von der Jugend unterhalten. Da ergriii er eine geistvolle Politik. Er brachte einen Elternausschuß zusammen von Menschen, deren Gesinnung sicher war. Dieser Ausschuß war der eigentliche Verein. Er wurde der Schule präsentiert, und die Namen der Männer bürgten dafür, daß alles mit rechten Dingen zuging... Die Schüler selbst wurden in das Scholarenbuch eingetragen, waren aber nicht Mitglieder des Vereins, sondern standen nur in einer Liste, wo man ihre Adresse finden konnte." (H. Blüher: »Wandervogel, die Geschichte einer Jugendbewegung", Kampmann & Schnabel, Prien (Chiemsee), 5. Auslage 1920, I. Teil, S. 55.

  31. a. a. O., S. 56 f.

  32. In späteren Gründungen, wie z. B. in der des HWV, erfolgte die Aufnahme ohne dieses Zeremoniell. Sie bestand dort in der Verpflichtung auf die Satzung; ganz am Anfang in der Beitrittserklärung zum Freundeskreis der Wanderer.

  33. Selbst der autokratische Fischer schreibt schon 1904 im „Wandervogel": „In folgender Weise soll eine Mitwirkung der Gesamtheit an dieser Arbeit ermöglicht werden: Alle Angehörigen des , Altwandervogel'werden aufgefordert, sobald als möglich ihre Meinungen, Vorschläge und Wünsche über die Fragen des , Alt-Wandervogelrechts'dem Unterzeichneten schriftlich darzulegen. Unter Benutzung dieses und des bereits vorliegenden Materials werden dann die Bestimmungen vom Unterzeichneten im Verein mit erfahrenen Führern der verschiedenen Städte im Laufe des Septembers ausgearbeitet."

  34. Else Frobenius: „Mit uns zieht die neue Zeit". Eine Gesch.der deut-1929” -ugendbewegung, Seite 18, Deutsche Buchgemeinschaft GmbH, Berlin

  35. Hans Blüher: „Wandervogel, die Geschichte einer Jugendbewegung", Kampmann und Schnabel, Prien (Chiemsee), 5. Auflage 1920, I. Teil: „Heimat und Aufgang".

  36. „Wandervogel“ — Monatsschrift für Jugendwandern, Jhg. VIII., 1913, S. 228.

  37. Hermann Kölle im „Der Wanderer", Jhg. VII, März 1913, S. 321.

  38. „Freideutscher Jugendtag 1913", 2. Ausl., Seite 15 in der Einleitung.

  39. a. a. O. S. 4.

  40. Die Teilnehmerliste siehe Else Frobenius: „Mit uns zieht die neue Zeit“, S. 119 ff.

  41. Feuerrede K. Ahlborns im „Der Wanderer“, 8. Jhg. S. 168 f.

  42. z. B. „Frankfurter Zeitung", 14. 10. 1913, die „Allgemeine Rundschau München", 20. 12. 1913, die „Mecklenburger Warte", 27. 2. 1914.

  43. Jugendkultur bezweckt den Kampt gegen Schule und Elternhaus, gegen die christliche Moral und den Patriotismus. Destruktive libertinistisehe Erziehungsbestrebungen, heimliche Loge, Geheimbündelei, schamloses Treiben, in solchen Stilarten bewegten sich die Reden einiger Landtags-abgeordneten sowie Artikel in der Presse.“

  44. „Tägliche Rundschau'vom 7. 12. 1913.

  45. siehe darüber das Heft 12 des „Der Wanderer" ... im März 1914, . Vertreterversammlung der Freideutschen Jugend in Marburg (Lahn)".

  46. a. a. O. S. 293.

  47. a. a. O. S. 293

  48. s. darüber J. Koenig: . Das Ethos der Jugendbewegung in Deutschland 'S. 15 ff und siehe über die Eingliederung der älteren Wandervögel über eine dreifach gegliederte Jugendbewegung, die einen organischen Übergang in die Erwachsenenwelt hätte grundlegen können, „Freideutsche Jugend", Jhg. I, Mai 1915, Heft 4, S. 82/83 in dem Artikel von Annelie und Knud Ahlborn „Die Entwicklung der Freideutschen Jugendbewegung".

  49. Fischer übernahm sie unter Änderung der Namen. Anstelle von . Oberhauptling", . Häuptling", . Wanderbursche'und „Wanderfüchse" setzte bischer die schon oben erwähnten Bezeichnungen Oberbachant, Bachant Bursche und Fuchs.

  50. -Wandervogel'— Illustrierte Monatsschrift 2. und 3. Jhg. 1904/05, . s. darüber auch Walter Gerber: . Zur Entstehungsgeschichte der deutschen Wandervogelbewegung'— Ein kritischer Beitrag — Deutscher Heimatverlag — Gieseking, Bielefeld 1957, S. 56.

  51. a. a. O. . Wandervogel'S. 45.

  52. . Wandervogel'- Illustrierte Monatsschrift - 1. Jhg., S. 22/23, 1903.

  53. Hans Blüher: »Führer und Volk", Eugen-Diederichs-Verlag, Jena 1942, s

  54. Ein Wandervogelführer im »Wandervogel“ - Monatsschrift, Jhg 8.,

  55. Ed. Spranger: »Volk, Staat und Erziehung“, Leipzig, Quelle und Meyer 1932. S 83.

  56. „Wandervogel“ - Illustrierte Monatsschrift - 5. Jhg., 1910, S. 173.

  57. Alexander Rüstow: „Herrschaft oder Freiheit” . . S 240.

  58. s. darüber Hans Blüher; „Wandervogel". II. Teil, Kapitel: „Karl Fischers Fall"

  59. „Wandervogel" — Illustrierte Monatsschrift — 3. Jhg 1906, S 39.

  60. „Wandervogel" — Monatsschrift für deutsches Jugendwandern — 8. Jhg., 1913, S 214.

  61. Ein Wandervogel im „Alt-Wandervogel“, 8. Jhg. 1913, S. 14 f

  62. „Karl Fischer stand allein“ heißt es bei H. Blüher: „Wandervogel .... S 60, II. Teil.

  63. Worte in der Führerzeitung für den deutschen Wandervogelführer', Heft 3, 1919, zitiert bei Forster: „Jugendseele, Jugendbewegung" . . S. 93.

  64. Else Frobenius: „Mit uns zieht die neue Zeit", S. 54.

  65. Dies ist übrigens die einzige menschliche Art, zwischen Freiheit und Unfreiheit zu stehen. Sie allein kann den einzelnen und die Gesellschaft vor der völligen Freiheitsberaubung bewahren und andererseits dazu befähigen, in der rechten Weise Bindungen auf sich zu nehmen und im Vollzug dieser Bindungen immer aufs Neue seine Freiheit zu bestätigen.

  66. W. Stählin schreibt dazu: „Wer in der Jugendbewegung nur eine Emanzipation', eine der Jugend nicht zukommende Kritik und Auilehnung gegen natürliche Autoritäten zu sehen vermag, der muß wahrhaftig blind sein für den neuen Geist einer mit Glut ergriffenen Verantwortlichkeit, der in dieser Welt heimisch geworden ist.“ (W. Stählin: „Der neue Lebensstil" — Ideale deutscher Jugend — Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg 1923, 3. Auflage, S. 19).

  67. „So war die erste Tat der Jugendbewegung in der Form des Wandervogels eine secessio, ein Ausweichen vor der Kultur in eine Sphäre, die von den Einflüssen der Erwachsenen frei ist." (Josef Koenig: „Das Ethos der Jugendbewegung in Deutschland" . . . S. 58) s. ferner Henle: „Deutsche Jugendbewegung" . . . S. 55, Luise Fick: „Die deutsche Jugendbewegung" . . . S. 32 ff.

  68. Fr. W. Förster: „Jugendseele, Jugendbewegung"..., S. 92.

  69. J. Koenig: „Das Ethos der Jugendbewegung...', § 4 „Die Ablehnung der Autorität der Erwachsenen und der Anspruch auf Freiheit und Selbständigkeit", S. 75.

  70. a. a. O. S. 89.

  71. a. a. O. S. 93.

  72. a. a. O. S. 107

  73. W. Stählin: „Der neue Lebensstil“... S. 16.

  74. a. a. O. S. 8 f.

  75. Else Frobenius: „Mit uns zieht die neue Zeit", S. 27.

  76. Else Frobenius: „Mit uns zieht die neue Zeit“ . . . S. 54.

  77. Theo Herrle: „Die deutsche Jugendbewegung in ihren wirtschaftlichen Zusammenhängen“ — 2. erw. Auflage, Fr. A. Perthes AG, Stuttqart-Gotha 1922, Vorwort.

  78. a. a. O. S. 54.

  79. Paul Natorp: „Hoffnungen und Gefahren der Jugendbewegung" — Vortrag, gehalten am 6. 12. 1913, Eugen Diederichs in Jena 1920, S. 24.

  80. W. Stählin: „Der neue Lebensstil“... S. 4/6.

  81. Heiner Lotze: „Die geistige Lage der Jugendbewegung und die Volkshochschule“ — Neuer Frankfurter Verlag, Frankfurt/Main; 1928, S. 7.

  82. siehe dazu S. 24 ff. s

  83. Josef Koenig: „Das Ethos der Jugendbewegung in Deutschland"...

  84. Hans Blüher: „Wandervogel" — Geschichte einer Jugendbewegung, I. Teil, S. 127.

  85. Eberhardt Strauß: „Das jugendliche Führertum in der deutschen Jugendbewegung" — Gutenberg-Druckerei, Suhrbier und Brücker, Münster 1931, Inauguraldissertation S. 28.

  86. , Das soll jetzt anders werden? Die Jugend will sich selbst Ziele setzen, sich selbst in Zucht nehmen, selbst ihre Führer wählen? Gebe es der Himmel, daß es wahr werde! Deutschlands Not sdireit nach Hille... Der Schulmechanismus hat unser Volk heruntergebracht, die Freideutsche Jugend helle nun, es auf den hohen Stand emporzuführen, auf den es seiner Natur und Berufung nach gehört."

  87. E. Strauß: . Das jugendliche Führertum in der deutschen Jugendbewegung'. . . S. 47 f.

  88. Buddensieg: . Vom Geiste und Beruf der freideutschen Jugendbewegung", zitiert v. J. Koenig: „Das Ethos der Jugendbewegung".. .. S 94.

  89. H. Blüher: . Wandervogel“..., I. Teil, S. 94 f.

  90. H. Blüher: . Wandervogel“ ... , 11. Teil, S. 140.

  91. Else Frobenius: . Mit uns zieht die neue Zeit“. . . S. 60.

  92. Jos. Koenig: „Das Ethos der Jugendbewegung'... S. 98.

  93. E. Strauß: . Das jugendliche Führertum ...', S. 43.

  94. Hans Blüher; „Wandervogel“..., II. Teil, S. 83.

  95. Hans Blüher: „Wandervogel"..., I. Teil, S. 27 und 100.

  96. H. Becker: „Vom Barette schwankt die Feder“, Verlag Der Greif W. Gericke, Wiesbaden 1949, S. 70.

  97. Walter Flex: „Der Wanderer zwischen beiden Welten", C. H Bech’-sehe Verlagsbuchhandlung, München 1917, S. 37 f.

  98. „Die Führerschaft stand als Gemeinschaft der Gleichen und Freien zusammen, beriet im Führerthing und hatte für ihre Arbeit völlige Freiheit, aber auch volle Verantwortung. Aul Fahrt hatten sie Befehlsgewalt, aber kerne äußere Autorität stand hinter ihnen, wenn die innere nicht genügte, s. gö’f. ^urc^zuse^zen’‘ (Luise Fick: „Die deutsche Jugendbewegung".,.

  99. Hans Blüher: „Karl Fischers Tat und Untergang", S. 35 und 44.

  100. a. a. O. S. 35.

  101. E. Strauß: „Das jugendliche Führertum .. S. 28.

  102. „Der Wanderer", 8. Jhg., Nov. 1913, S. 193/96.

  103. Hans Schlemmer: „Der Geist der deutschen Jugendbewegung", Rösl und Ci. Verlag, München 1953, S. 306.

  104. W. Stählin: „Der neue Lebensstil", S. 16 ff.

  105. „Der Wandervogel“ — Zeitschrift des Bundes für Jugendwanderungen, „Alt-Wandervogel", 5. Jhg. 1910, S. 127.

  106. „Alt-Wandervogel", 8. Jhg., 1913, S. 17.

  107. Paul Natorp: „Hoffnungen und Gefahren der Jugendbewegung“... S. 14.

  108. Die meisten Autoren sind der Meinung, daß die Jugendbewegung das Abstinenzgebot des Hohen Meißners freiwillig gesetzt hat und ein großer Teil tat es aus angeführtem Grunde.

  109. Wilhelm Stählin: „Der neue Lebensstil"... S. 28.

  110. Fr. W. Förster: „Jugendseele, Jugendbewegung, Jugendziel".. S. 34.

  111. Gutachten zur pol. Bild. u. Erziehung, zit. v. E. Weniger in den „Mitteilungen“ v. 17. 7. 1956, S. 4, Sp. 2.

  112. „Wandervogel" - Monatsschrift, 8. Jhg., 1913, S. 286 s. dazu auch A. Rüstow: „Herrsch, oder Freiheit", S. 243 ff.

  113. „Der Wanderer", 6. Jhg. 1912, S. 347- 349.

  114. E. Spranger schreibt in seinen „Gedanken zur staatsbürgerlichen Erziehung“..., S. 45: „Der Träger der politischen Erziehung muß begriiien haben, warum das Abendland schließlich dahin gelangt ist, der ireien, nur ihrem Gewissen gehorsamen Persönlichkeit den Vorrang vor dem Spruch aller kollektiven Mächte einzuräumen.

  115. A. Rüstow: „Herrschaft oder Freiheit'... S. 241.

  116. H. Blüher: . Karl Fischers Tat und Untergang'... S. 25.

  117. Josef Koenig: „Das Ethos der Jugendbewegung in Deutschland“... S. 16 und S. 93.

  118. Hans Schlemmer: „Der Geist der deutschen Jugendbewegung“, Rösl & Ci — Verlag, München 1953, S. 79, und Otto Stählin: „Die deutsche Jugendbewegung, ihre Geschichte, ihr Wesen, ihre Form“, A. Deichertsche Verlagsbuchhandlung Werner Scholl, Leipzig 1930, S. IV.

  119. Thomas Mann, zitiert bei Theodor Litt: „Die politische Selbsterziehung des deutschen Volkes" .., S. 34.

  120. Eduard Spranger: . Das humanistische und politische Bildungsideal im heutigen Deutschland". Erschienen in . Deutsche Abende", Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung Berlin 1916, S. 30.

  121. Wo findet man beispielsweise in der Filmkunst einen Nachwuchs-Schauspieler, der gerade deshalb gern gesehen wird, weil er noch die liebenswürdigen Schwächen eines Nachwuchs Schauspielers hat. Es kommen im Gegenteil nur die Nachwuchsschauspieler zum Zuge, von denen man glaubt, man könnte ihnen höchste Perfektion in ihrer Kunst zuschreiben.

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