Den Persern
Vorgeschichte
Peter der Große begann, die russischen Besitzungen beiderseits des Kaspischen Meeres vorzuschieben. 1722 besetzten seine Truppen am Westufer das persische Derbent. Im folgenden Jahr wurden Baku und Rescht erobert. Der Friedensvertrag von St. Petersburg, den der Zar 1723 mit Beauftragten des Schahs schloß, sollte diese Erwerbungen sichern
Die sowjetische Politik 1917— 1919
Die siegreichen bolschewistischen Revolutionäre säumten nicht, aller Welt zu verkünden, sie würden mit der reaktionären Politik brechen, die sowohl der Zar als auch Kerenskis Regierung „der Gutsbesitzer und Kapitalisten" betrieben hätten.
Einen Tag, nachdem die Bolschewiki in Petrograd die Herrschaft erobert hatten, schlug die „Arbeiter-und Bauernregierung" in ihrem „Dekret über den Frieden“ allen Nationen vor, über einen Frieden ohne Annexionen und Entschädigungen zu verhandeln
einrichten
Sowohl durch seine Zugeständnisse gegenüber Iran als auch durch den Vertrag von Brest-Litowsk wollte sich das Sowjetregime, das gegen die Weißen und die ausländischen „Interventen“ um seine Existenz kämpfte, eine Atempause verschaffen. Die Sowjetregierung fühlte sich weder an die Zugeständnisse gebunden, die sie den Kaukasiern und Persern gemacht hatte, noch beabsichtigte sie, den Vertrag von Brest-Litowsk einzuhalten, über den folgende Äußerung Lenins verbürgt ist: „Natürlich brechen wir den Vertrag, wir haben ihn bereits dreißig bis vierzig Mal gebrochen 13). Obwohl Iran anders als die Vertragspartner von Brest-Litowsk kein Kriegsgegner war und das sowjetische Regime die iranische Unabhängigkeit anders als den genannten Vertrag nicht unter iranischem Druck anerkannt hatte, sollten die Sowjets bald die persische Souveränität verletzen.
Die Komintern und die Völker des Ostens
Zunächst (1918 und 1919) hatten sich die Bolschewiki allerdings in den Bürgerkriegen zu behaupten. Jedoch schon der Gründungskongreß der Komintern (2. bis 19. März 1919), auf dem die „persische Sektion des Zentralbüros der Ostvölker" vertreten war, nahm das „Maifest der Kommunistischen Internationale an das Proletariat der ganzen Welt“ an, verfaßt von Leo Trotzki, in dem es hieß:
„Die Arbeiter und Bauern nicht nur von Anant, Algier, Bengalien, sondern audt von Persien und Armenien bekommen die Möglichkeit einer selbständigen Existenz erst dann, wenn die Arbeiter Englands und Frankreidts Lloyd George und Clemenceau gestürzt und die Staats-madtt in ihre Hände genommen haben.“ Und „Kolonialsklaven Afrikas und Asiens! Die Stunde der proletarisdien Diktatur in Europa wird audt die Stunde Eurer Befreiung sein 14).
Schon in diesen Erklärungen wird ein Gedanke sichtbar, der die Kominternpolitik in den ersten Jahren wesentlich beeinflußt hat: Der Marx’schen Konzentrationstheorie folgend waren Lenin, Trotzki, Sinowjew und viele andere der Meinung, die Revolution werde zunächst in den „fortgeschrittenen" europäischen Industriestaaten ausbrechen und dann auf die kolonialen oder halbkolonialen Gebiete“ übergreifen
Im Gebiet des Kaspischen Meeres drangen sowjetische Kräfte im Frühjahr 1920 gleichfalls vor. Dort hatten sich — in Auswirkung der sowjetischen Erklärungen über das Selbstbestimmungsrecht der Kaukasusvölker und des Vertrages von Brest-Litowsk — im Frühjahr 1919 die freien Transkaukasischen Staaten Armenien, Georgien und Aserbeidschan gebildet
Der Wunsch, die Ölquellen von Baku zu kontrollieren, zog im Laufe des Jahres 1918 britische, deutsche und türkische militärische Kräfte in die Stadt, von denen die englischen mit einer kurzen Unterbrechung bis Anfang 1920 blieben
Während diese Ereignisse und die Kämpfe in Polen noch andauerten, fand der II. Weltkongreß der K
Während diese Ereignisse und die Kämpfe in Polen noch andauerten, fand der II. Weltkongreß der Komintern statt (Juli/August 1920). Die Delegierten standen unter dem Eindruck des schwungvollen Vordringens der Bolschewiki und der optimistischen Voraussagen, die Lenins glänzende Schrift „Der Linke Radikalismus — die Kinderkrankheit im Kommunismus“ enthielt: 23). „Die Kommunisten müssen wissen, daß die Zukunft auf jeden Fall ihnen gehört, und daher können (und müssen) wir die größte Leidenschaftlichkeit in dem gewaltigen revolutionären Kampf mit der kaltblütigsten und nüchternsten Einschätzung des Tobens der Bourgeoisie verbinden . . . Aber in allen Fällen und in allen Ländern stählt und entwickelt sich der Kommunismus; er hat so tiefe Wurzeln geschlagen, daß die Verfolgungen ihn nicht schwächen, nicht entkräften, sondern stärken.“
Von weltrevolutionärem Sendungsgefühl bestimmt, stellten die Delegierten ihrer internationalen Kampforganisation die Aufgabe, „mit allen Mitteln, auch mit den Waffen in der Hand“ für den Sturz der internationalen Bourgeoisie zu kämpfen und die Werktätigen der ganzen Welt, einerlei ob weißer, gelber oder schwarzer Hautfarbe zu befreien 24). Der Kongreß befaßte sich auch mit der „Nationalitäten und Kolonialfrage“, deren Behandlung Lenin durch einen Thesenentwurf vorbereitet hatte 25). Lenins Vorschlag, aus taktischen Gründen sollten die Kommunisten in den kolonialen und halbkolonialen Gebieten die „bürgerlich-demokratische Freiheitsbewegung“ unterstützen, stieß auf den Widerspruch einiger Delegierter, die doktrinär alle Kräfte bekämpfen wollten, was rechts von den Kommunistischen Parteien stand. An die Spitze derer, die den Wert von Lenins elastischer Taktik nicht erkannten, trat der indische Delegierte Manabendra Nath Roy. Kritisch, wenn auch weniger scharf, äußerte sich der persische Delegierte Sultan Sade. Roy trat dagegen auf, bürgerlich-demokratische Freiheitsbewegung in den kolonialen oder halbkolonialen Ländern zu unterstützen 26). Er forderte, dort rein kommunistische Bewegungen zu entwickeln.
Roy wandte sich auch gegen die Meinung der Mehrheit der Delegierten, die Revolution in Europa müsse vollbracht werden, bevor die „Stunde der Befreiung der Werktätigen Asiens“ schlagen könne. Nach seiner Auffassung konnte die Revolution in Europa nur Erfolg haben, wenn die europäischen Kapitalisten durch einen Umsturz in Asien von ihren Profiten aus den halbkolonialen Ländern abgeschnitten würden. Die Kommunistische Internationale habe daher nur eine Aufgabe, die Revolution in Asien zu* fördern 27).
In beiden Punkten setzte jedoch Lenin seine Ansicht durch. Er kam aber in der Formulierung der Resolution Roy entgegen indem er zustimmte, in den „Leitsätzen über die Nationalitäten-und Kolonial-frage“ zu empfehlen, die nationalrevolutionären“ (statt „bürgerlichdemokratischen“) Freiheitsbewegungen zu unterstützen 28). Lenins undoktrinäre Taktik ist von der Komintern in den 20er Jahren im Osten wohl nur der chinesischen Kuomintang gegenüber befolgt worden
Von vornherein waren alle Delegierten des II. Weikongresses in folgenden Punkten einig:
Der Kampf in den kolonialen und halbkolonialen Ländern müsse geführt werden a) gegen den „reaktionären und mittelalterlichen Einfluß“ der Geistlichkeit, der christlichen Missionen und ähnlicher Elemente; b) gegen den Panislamismus und die panasiatische Bewegung
Das Exekutivkomitee der Komintern unternahm auch praktische Schritte, um der kommunistischen Sache in Asien zum Siege zu verhelfen. Noch vor dem II. Weltkongreß wurde zum 1. September 1920 nach Baku ein „Kongreß der Bauern und Arbeiter Persiens, Armeniens und der Türkei“ einberufen. Den Zweck des Kongresses und das Ziel der kommunistischen Arbeit des „Nahen Ostens“ bezeichnet der einladende Aufruf des Exekutivkomitees der Komintern wie folgt:
Am 1. September müssen in Baku Tausende persischer, türkischer und armenisclter Bauern und Arbeiter friedlich versammelt sein zur Befreiung der Völker des nahen Ostens.“
Aus dieser Tagung wurde der „Erste Kongreß der Völker des Ostens“, zu dem sich am 1. September 1920 1891 Delegierte aus zweiunddreißig „Nationen des Ostens“ von Marokko bis zur Mandschurei versammelten. Nach dem Bericht, den Sinowjew am 20. September 1920 dem EKKI-Plenum erstattete, waren 2/3 der Delegierten Kommunisten; 235 Türken; 192 Perser; 157 Armenier und — neu in der Politik des Orients — 44 Frauen nahmen teil
Das Exekutivkomitee der Komintern hatte den Vorsitzenden seines Präsidiums, Grigori Sinowjew und die Präsidiumsmitglieder Karl Radek und Bela Kun zum Kongreß entsandt
Sowjetrußland war von Feinden eingesdrlossen, aber jetzt kann es Waffen produzieren, mit denen es die Inder, die persischen und anato-lisdten Bauern, alle Unterdrückten, bewaffnen und sie zum gemeinsamen Kampf und Sieg führen wird.“
In der Diskussion sagte ein Delegierter aus Turkestan, die Moslems würden die Sowjets nicht verlassen, wenn von ihnen die Besonderheiten der östlichen Völker anerkannt würden und die Sowjetregierung ihre Maßnahmen nicht nur auf dem Papier stehen lasse sondern verwirkliche. Der Westen klage die Bolschewiki an, rote Imperialisten zu sein. Sie — die Bolschewiki — sollten ihre Kolonisatoren beseitigen, die unter der Maske des Kommunismus arbeiteten
Ein Instrument des gemeinsamen Kampfes der Bolschewiki und der Ostvölker sollte der „Rat für Aktion und Propaganda“ sein, der das einzige unmittelbare Ergebnis des Kongresses darstellte. Als Sinowjew die Liste der Kandidaten für diesen „Rat“ dem Kongreß zur Annahme empfahl, ertönte ein Zwischenruf: „Im Falle von Persien ist es unrichtig". Er wurde von Sinowjew übergangen. Was der Zwischenrufer meinte, ist ungeklärt. Dachte er an den Kontrast, der zwischen den Freundschaftsbeteuerungen der Kominterndelegierten und den Handlungen der Sowjetregierung bestand, die gerade zur Zeit des Kongresses die iranische Provinz Gilan besetzt hielt (s. o. S. 8)? Oder gehörte er zu den Intellektuellen die aus den sowjetisch besetzten persischen Gebieten zwangsweise zum Kongreß gebracht worden waren?
Sicherlich waren alle Delegierten nur in einem Punkte einig, im Haß auf den westlichen, insbesondere den britischen Imperialismus. Jedoch dürften — damals 1920 — nur wenige der Moslemdelegierten so frei von traditionellen orientalischen Vorstellungen gewesen sein, daß sie Sinowjews Ablehnung des Islam und Radeks Angriffe auf überlieferte morgenländische Regierungsformen mit Begeisterung hätten aufnehmen können. Soweit Bela Kun die nationale Bourgeoisie der Ostvölker angegriffen hatte (wohlgemerkt: ohne von Sinowjew oder Radek kritisiert worden zu sein!), befand er sich im Widerspruch zu den Leitsätzen des II. Weltkongresses der Komintern „über die Nationalitäten-und Kolonialfrage“, die auf Lenins Betreiben empfohlen hatten, mit der nationalen Bourgeoisie zusammenzuarbeiten
Eine Sowjetrepublik auf anischem Gebiet (Gilan)
Als Raskolnikow mit der Roten Flotte am 19. Mai 1920 in dem iranischen Hafen Enzeli landete, traf er dort Vertreter eines lokalen bolschewistischen Komitees, dem teils demobilisierte russische Soldaten, teils in Enzeli ansässigen Russen angehörten
Während die „Persische Sozialistische Sowjetrepublik“ sich mit Hilfe der Russen ausbreitete, verhandelten Vertreter Irans in Moskau über gegenseitige diplomatische Anerkennung. Im Herbst 1920 erkannten die Mächte sich gegenseitig an, daher ernannte die Sowjetregierung Theodore A. Rothstein zum sowjetischen Botschafter in Teheran. Inzwischen waren in Moskau Verhandlungen über einen Vertrag im Gange der die iranisch-sowjetischen Beziehungen normalisieren sollte.
Dabei behaupteten die Sowjetrussen immer wieder, in der Provinz Gilan seien nicht sowjetische Kräfte gelandet und tätig, sondern Angehörige des Freien Aserbeidschan, auf die sie keinen Einfluß hätten. Der Vertrag wurde am 26. Februar 1921 abgeschlossen. Die Sowjetregierung erkannte darin die Grenzen von 1881 an. Sie bestätigte damit, was für Iran von Bedeutung war, daß die „Persische Sozialistische Sowjetrepublik“ auf iranischem Boden errichtet war. In den Vertrag wurde jedoch der Wunsch der Sowjetregierung ausgenommen, daß Rußland das Recht haben sollte, zu seiner Verteidigung Truppen nach Persien zu senden, wenn eine dritte Macht eine Aneignungspolitik durch bewaffnete Interventionen in Persien treiben oder Rußland von einer persischen Basis bedrohen und Persien unfähig sein würde, das zu verhindern
Zur Zeit des Vertragsschlusses richtete sich diese Klausel gegen Großbritannien, das noch kleine Truppenkontingente in Iran unterhielt. Schließlich zogen die letzten dieser Einheiten im Mai 1921 ab
Tschitscherin als auch sein Stellvertreter Leo Karakhan hatten wiederholt erklärt, sobald die britischen Truppen Iran verlassen hätten, würden auch die russischen zurückgezogen werden. Im Frühjjahr 1921 befanden sich nur ganz unbedeutende britische Kontingente noch auf iranischem Gebiet.
Mit Rothstein gewann ein Gegner der Sowjetrepublik Gilan Einfluß auf das persisch-russische Verhältnis. Bevor er sich druchsetzen konnte, begannen jedoch Kuchik Khans Kräfte, im Juni 1921 auf Teheran vorzurücken. Sie wurden von Reza Khans Iranischer Kosaken-Division aufgehalten. Im Juli gingen neue sowjetische Truppen in Enzeli an Land
Der Kommunismus in Iran zu Anfang der zwanziger Jahre
Die erste Vereinigung iranischer Kommunisten (Adalat-Gerechtigkeit) entstand nach der Oktoberrevolution von 1917 in Baku, wo tausende iranischer Arbeiter in der Ölindustrie beschäftigt waren. Ihr Führer war Haidar Khan Am Oglu. Die Adalat umfaßte bald 6 000 Mitglieder. Ihr Einfluß erstreckte sich bis auf iranisches Gebiet, wo Beauftragte Haidar Khans lokale Komitees z. B. in Täbris und Teheran gründeten. Die Komitees arbeiteten wegen drohender Exekutivmaßnahmen im Verborgenen. Sobald aber die „Persische Sozialistische Sowjetrepublik“
ausgerufen war, traten die Kommunisten im Gebiet von Gilan offen auf. Sie veranstalteten am 23. Juli 1920 in Enzeli ihren ersten Kongreß, zu dem 48 Delegierte aus verschiedenen Orten Persiens zusammenkamen. Der Kongreß beschloß, den Namen „Adalat“ durch „Iranische Kommunistische Partei" zu ersetzen. Das neue Zentralkomitee entschied, jedes ZK-Mitglied solle künftig zwei bis drei Monate „illegal in jenen Gegenden arbeiten, wo einstweilen nodt die englisdien Imperialisten berrsdien"
Auf sowjetischer Seite wurde klar erkannt, welche Bedeutung Iran für den Sieg des internationalen Kommunismus hatte. So schreibt z. B.der bolschewistische Schriftsteller K. Trojanowsky schon 1818
Demzufolge spielte Persien in allen bolschewistischen Veröffentlich-B eine erhebliche Rolle. Der Arbeiter und Bauern Persiens wurde gedacht: Im Manifest des ersten Weltkongresses der Komintern vom März 1919, im Aufruf des EKKI „an die unterdrückten Volksmassen Persiens, Armeniens und der Türkei“ vom Juli 1920, in Sinowjews Rede auf dem Kongreß der Völker des Ostens (September 1920) und schließlich in zahlreichen Veröffentlichungen der Komintern
Trotz alledem erlitt die Iranische Kommunistische Partei bald nach der Liquidation der Sowjetrepublik Gilan schwere Rückschläge. Sultan Sade gab 1922 zu, die Parteifunktionäre hätten zahlreiche Irrtümer begangen und seien untereinander in Streitigkeiten geraten. Das Exekutivkomitee der Komintern mußte energisch intervenieren, um den Frieden wieder herzustellen. Das mag gelungen sein, aber die Mitgliederzahl war von 10 000, die Sultan Sade zur Zeit der Gründung für die Partei in Anspruch genommen hatte, innerhalb von zwei Jahren auf 1 500 gesunken
Der „Heilige Krieg“, zu dem sich die Delegierten des „Kongresses der Völker des Ostens“ verschworen hatten, fand nicht statt. Der „Rat für Aktion und Propaganda“ entfaltete keine nennenswerte Tätigkeit und bestand nur etwa ein Jahr
Die iranischen Kommunisten unter Reza Schah
In Iran verlangsamte sich das Tempo der Revolution nicht nur. Die Bewegung wurde sogar rückläufig. Im Gegensatz zu den hitzigen Debatten, die auf dem 11. Weltkongreß der Komintern über die Taktik in den kolonialen Gebieten geführt wurden, hatten schon die Delegierten des III. Weltkongresses (Juni/Juli 1921) über die kommunistische Arbeit im Nahen Osten nur zu sagen, die weitgehende Agitationstätigkeit werde begrüßt, nun müßten die Kommunisten in diesen Ländern ihre Organisationsarbeit verstärken
Die sowjetische Regierung verhielt sich Reza Schah gegenüber nicht unfreundlich. Er wurde von sowjetischen Schriftstellern als „Plebejer“ und „früherer Landser“ betrachtet. Anfänglich bezeichnete die herrschende Meinung in der Sowjetunion, deren Wortführer Fedor Raskolnikow war, seinen Staatsstreich als bürgerlich-demokratische Revolution und sah darin eine willkommene Umformung der iranischen Gesellschaft. Daher stimmte damals der „Nationale Block“, eine politische Gruppe, die mit kommunistisch beeinflußten Gewerkschaften zusammenarbeitete, im iranischen Parlament, der Majlis, dafür, Reza als Schah von Iran anzuerkennen
Dieser Lage entsprechend wurden die Probleme der kommunistischen Tätigkeit im Nahen und Mittleren Osten auf dem IV. (1922) und V. Weltkongreß (1924) der Komintern als drittrangig behandelt. Die Re-solution des IV. Weltkongresses über die Taktik der Kommunistischen Internationale widmet der Arbeit in den kolonialen und halbkolonialen Ländern nur wenige Zeilen, in denen der Kern der Leitsätze des II. Weltkongresses „über die Nationalitäten und Kolonialfrage wiederholt wird“ (Unterstützung der nationalrevolutionären Bewegung
Aktives Vorgehen der Komintern an der Südflanke Rußlands hätte auch den sowjetischen Interessen nicht entsprochen.
Die Sowjetunion wollte damals keine Spannungen in den Beziehungen zu den Ländern entstehen lassen, die an ihre Südflanke grenzten. 1926/27 waren die britisch-sowjetischen Beziehungen in ein kritisches Stadium geraten. Großbritannien sah seine Interessen durch den sowjetischen Anteil an der englandfeindlichen Entwicklung in China verletzt. Die Regierung Stanley Baldwins erhob den Vorwurf, sowjetische Kräfte hätten den britischen Generalstreik vom Mai 1926 unterstützt und sich damit in britische Verhältnisse unzulässig eingemischt. Die Spannungen verschärften sich, als die britische Regierung die sowjetische Handelsdelegation in London besetzen und durchsuchen ließ (12. Mai 1927). Am 26. Mai 1927 brach die britische Regierung die Beziehungen zur Sowjetunion ab. Im Oktober 1927 verlangte auch die französische Regierung, der sowjetische Botschafter in Pans, Christian Rakowsky, solle abberufen werden. Diese Ereignisse ließen in Moskau die Sorge entstehen, ein anti-sowjetischer Krieg könnte ausbrechen
Die Verfolgungen, denen Irans Kommunisten in dieser Zeit ausgesetzt waren, hielten die Sowjetunion nicht ab, diese Verträge zu schließen, ebensowenig wurden die türkisch-sowjetischen Beziehungen durch die scharf antikommunistische Haltung beeinträchtigt, die Kemal Pascha einnahm
Das nationale sowjetische Interesse wirkte sich auch auf dem VI. Weltkongreß der Komintern aus (17. Juli bis 1. September 1928). In den „Thesen über die revolutionäre Bewegung in den Kolonien und Halb-kolonien“ ist von der Lage der Kommunisten in der Türkei und Persien mit keinem Wort die Rede
Die sowjetische Zurückhaltung gegenüber Iran beruhte auf taktischen Gründen, sie war kein Zeichen echter Freundschaft, die zwischen der Monarchie Reza Schahs und dem „Vaterland der Werktätigen“ nicht bestehen konnte. Wenn auch die Sowjetunion vorübergehend darauf verzichten mußte, eine offensive auswärtige Politik gegenüber Iran zu betreiben, so setzte sie doch die „normalen“ Operationen gegenüber dem Nachbarstaat fort. Von 1927 bis 1930 war George Agabekow als Attache der sowjetischen Botschaft in Teheran zugeteilt. Er sollte als Vertreter (Resident) der sowjetischen Geheimpolizei (OGPU) im Iran dessen Unternehmungen leiten und intensivieren. In seinen Memoiren hat Agabekow berichtet, womit er sich zu befassen hatte
Ein damaliger amerikanischer Besucher schrieb
Sheean würde sich zweifellos anders ausgedrückt haben, wenn er gewußt hätte, in welchem LImfange die Komintern und die sowjetische Nachrichtendienste damals in Westeuropa tätig waren, wohin sich ihr Hauptinteresse richtete.
Bis 1934 hatte die Sowjetunion die Völker Asiens zum Kampf gegen einen gemeinsamen Gegner, den westlichen, insbesondere den britischen Imperialismus, zu gewinnen versucht. Schon in diesem Jahr (Eintritt der Sowjetunion in den Völkerbund), noch eindeutiger 193 5 auf dem VII. Weltkongreß der Komintern zeigte sich, daß die Sowjetunion die Offensive eines neuen Gegners, des Faschismus, befürchtete. Anders als der westliche Imperialismus war die faschistische Hauptmacht, war Deutschland „keine Kolonialmacht“. Viele Asiaten erinnerten sich mit einer gewissen Sympathie Deutschlands, des Gegners Großbritanniens aus dem Weltkrieg. Der Kampf gegen Deutschland war in Asien weder populär, noch fand er dort statt. Rein äußerlich war die unterschiedliche Behandlung der westlichen und asiatischen Kommunisten an ihrer Unterbringung in Moskau erkennbar. Die westlichen Kommunisten waren in Hotels („Lux“ oder „Metropol“) untergebracht, während die asiatischen Genossen meist außerhalb Moskaus wohnten
Angesichts der in Europa zunehmenden Spannungen hatte die Sowjetunion kein Interesse, die Beziehungen zu den Staaten an ihrer Süd-grenze zu verschärfen. Die sowjetische Zeitschrift „Der Neue Osten“, die sich vorwiegend mit dem Mittleren Osten befaßt hatte, stellte Ende der dreißiger Jahre ihr Erscheinen ein.
Reza Schah konnte mit seinem Kampf gegen die iranischen Kommunisten fortfahren. 1937 wurde zum Beispiel dreiundfünfzig Personen zu langen Gefängnisstrafen verurteilt, weil ihnen nachgewiesen wurde, Beziehungen zu fremden Staaten unterhalten zu haben. LInter ihnen war Soleiman Mirza Eskandari, der später zu den Gründern der Tudeh-Partei gehörte
Nach Kriegsausbruch wurde von den asiatischen Kommunisten verlangt, den Sieg der Roten Armee zu fördern, auch um den Preis, den Kampf gegen den britischen Imperialismus einzustellen. Dieses Opfer mußten z. B. nach Eintritt der Sowjetunion in den II. Weltkrieg die indischen Kommunisten bringen. Im Sommer 1941 übergab Sir Reginald Maxwell, Innenminister der indischen Verwaltung, den internierten indischen Kommunisten einen Brief Harry Pollits, des Generalsekretärs der britischen Kommunistischen Partei, der sie aufforderte, im Kampf gegen den Faschismus mit den britischen Behörden zusammenzuarbeiten. Die indischen Kommunisten versprachen das und wurden aus der Haft entlassen. Die Sozialisten (z. B. auch Jawaharlal Nehru) blieben in den Lagern. Dieser Übergang zu einer probritischen Politik kostete den Kommunisten ihr Ansehen bei den indischen Massen
Audi im Iran wurden die Kommunisten infolge der Kriegsereignisse befreit. Im August 1941 besetzten britische und sowjetische Kräfte das neutrale Land. Reza Schah mußte abdanken. Der neue Schah, Mohammed Reza Pahlawi erließ eine Amnesti für politische Gefangene, die auch den iranischen Kommunisten die Freiheit brachte.
Die Besetzung Irans (1941— 1946)
Zwanzig Jahre, nachdem sowjetische Truppen iranischen Boden (die Sowjetrepublik von Ghilan) verlassen hatten, betraten sie ihn erneut. Sie drangen weiter vor als 1921, überschritten das Elbruzgebirge und stellten bei Kaswin (westlich von Teheran) die Verbindung zu britischen Kräften her, die von Süden kamen. Der Wunsch, den Verkehr mit den neuen Alliierten militärisch zu sichern, war verständlich, denn durch Persien ging die einzige Verbindung der Sowjetunion zu den Westmächten außer dem Seeweg nach Murmansk, der LI-Boot-und Luftangriffen ausgesetzt und im Winter nur unter größten Schwierigkeiten passierbar war. Stalin und Molotow verbanden jedoch mit dem Vorrücken der Roten Armee in Persien noch andere Absichten.
Als Molotow, damals Vorsitzender des Rates der Volkskommissare, im November 1940 über den Beitritt der Sowjetunion zu dem Pakt zwischen Deutschland, Italien und Japan verhandelte, wurde offen aus-gesprochen, der Schwerpunkt der sowjetischen terrorialen Bestrebungen liege südlich ihres Staatsgebiets in Richtung des Indischen Ozeans. Noch genauer erklärte Molotow am 25. November 1940 dem deutschen Botschafter in Moskau, eine der Bedingungen für den Beitritt der Sowjetunion zu dem Dreimächtepakt, sei, daß „als Schwerpunkt der Aspiration der Sowjetunion der Raum, südlich Batum und Baku in der allgemeinen Richtung auf den Persischen Golf hin anerkannt" werde.
Im Lichte dieser damals noch geheimgehaltenen territorialen „Aspirationen“ sind zu betrachten sowohl der Bündnisvertrag, den das Vereinigte Königreich (Großbritannien), die Sowjetunion und Iran am 29. Januar 1942 schlossen, als auch die sowjetische Politik von 1942 bis heute. In Artikel 1 dieses Bündnisvertrages wurden die territoriale Integrität, Souveränität und die politische Unabhängigkeit feierlich anerkannt. In Artikel 5 verpflichteten sich die Alliierten, ihre Streitkräfte nicht später als sechs Monate nach Beendigung der Feindseligkeiten mit Deutschland oder seinen Verbündeten zurückzuziehen.
Die Tudeh-Partei
Nachdem die Fesseln gefallen waren, die Reza Schah dem politischen Leben Irans angelegt hatte, bildeten sich noch während des Krieges eine erhebliche Anzahl politischer Parteien.
Der sowjetisch-persische Ölkonflikt
Der Ölstreit brach im Herbst 1944 aus, als Sergej I. Kavtaradse, stellvertredender Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten, in Teheran ankam und verlangte, daß der Sowjetunion die Konzession eingeräumt würde, die Ölvorkommen in den nördlichen, an die Sowjetunion grenzenden Provinzen auszubeuten. Die iranische Regierung lehnte diese Konzession — und andere zur Zeit noch schwebende britische und amerikanische Anträge auf Gewährung von Ölkonzessionen ab. Kavtaradse erklärte daraufhin in einer Pressekonferenz in Teheran, die unfreundliche Haltung des Ministerpräsidenten Mohammed Sa'ed gegenüber der Sowjetunion schließe die Möglichkeit weiterer Zusammenarbeit mit ihm aus. Er regte an, die iranische Öffentlichkeit solle einen Druck auf die Regierung ausüben, damit eine „günstige Lösung“ zustandekomme.
Die sowjetische Herrschaft in den nördlichen Provinzen Irans
Schon bald, nachdem sowjetische Truppen in die nördlichen Provinzen Irans (Gilan, Aserbeidschan, Masanderan, Khorasan) eingerückt waren, zeigte sich, daß ihre Befehlshaber die durch den Vertrag vom 29. Januar 1942 erworbenen Rechte, Truppen und Nachschub zu transportieren, Verkehrseinrichtungen und Verbindungen in jeder Weise zu sichern (Artikel 3), weit auslegten. Das sowjetische Oberkommando bestand darauf, daß alle Verlegungen von persischen Truppenteilen und Polizeieinheiten von einem Ort zum anderen ihrer Erlaubnis bedürfe. Persische Beamte, die eine unabhängige Haltung einnahmen, wurden eingeschüchtert oder ihrer Posten enthoben. Die Teheraner Regierung konnte die freigewordenen Stellen nur durch Beamte besetzen, die von den Russen akzeptiert wurden. Auf diese Weise sind Verwaltungsbezirke in den nördlichen Provinzen oft ohne die erforderlichen Beamten gewesen. Die Grenze der nördlichen Provinzen zum Inneren des Landes konnte nur mit sowjetischer Erlaubnis passiert werden. Audi Lebensmitteltransporte aus den fruchtbaren kaspischen Provinzen nach dem Süden des Landes waren an sowjetische Genehmigung gebunden und wurden verhindert, wenn es den Russen erforderlich schien.
Alle diese Schwierigkeiten erhöhten sich, als die Ölkonzession, wie schon erwähnt, abgelehnt worden war und der Termin, die „alliierten Truppen zu evakuieren, herannahte. Der Verbindungsweg durch Persien hatte schon vor Beendigung der Feindseligkeiten mit Deutschland an Bedeutung verloren, weil seit November 1944 das Schwarze Meer den Alliierten offenstand und natürlich der billigere Seeweg vorgezogen wurde. Am 2. September 1945 waren die Feindseligkeiten auch mit Japan beendet. Es schien daher festzustehen (Artikel 5 des Vertrages vom Januar 1942), daß die alliierten Truppen sechs Monate nach diesem Termin, also am 2. März 1946, Iran verlassen haben müßten. Seit dem Frühjahr 1945 hatten die Briten schon ihre Kräfte in Iran wesentlich vermindert. Es kam auch mit den Russen ein Abkommen zustande, nach dem das Gebiet um die Hauptstadt Teheran vorzeitig von Truppen geräumt werden sollte. Die Briten und Russen begannen daher, im August 1945 uniformierte Einheiten aus Teheran abzuziehen mit dem Ergebnis, daß sowjetische Geheimpolizisten in Zivil in Teheran eine noch bedeutendere Rolle als vorher spielten. Mehrere tausend NKWD-Angehörige sollen damals in der persischen Hauptstadt gewesen sein.
Die Autonome Republik von Aserbeidschan
Im August 1945 forderte die Tudeh-Partei in Täbris kulturelle und administrative Autonomie für Aserbeidschan. Bewaffnete Tudeh-Anhänger besetzten unter dem Schutz russischer Truppen einige Regierungsgebäude. Gendarmerieverstärkungen, die von der Teheraner Regierung nach Täbris beordert wurden, trafen auf den Widerstand sowjetischer Truppen und konnten ihren Bestimmungsort nicht erreichen.
November 1945 einige Kilometer östlich von Kaswin von sowjetischem Militär aufgehalten.
Am 23. November 1945 proklamierte die Demokratische Partei die völlige Autonomie Aserbeidschans als ihr Ziel und begann, Wahlen zu einer „Nationalversammlung“ der Provinz zu organisieren, obwohl das Medschlis am 14. Oktober beschlossen hatte, Wahlen zu verbieten, solange noch fremde Truppen auf iranischem Boden weilten
Die Kurdenrepublik von Mahabad
Die Lage in den kurdischen Gebieten war von den sowjetischen Kommunisten seit den zwanziger Jahren aufmerksam beobachtet worden. Schon 1927 hatte die Sowjetregierung erwogen, eine kleine „unabhängige“ Kurdenrepublik zu schaffen. Bereits damals war Mahabad (Sauj-Bulag) ein Zentrum sowjetischer Propaganda unter den Kurden
Eine nationalistische Bewegung der Kurden hatte sich schon geregt, seit die zentralistische Macht Reza Schahs 1941 beseitigt worden war. In Mahabad, einer Stadt südlich des Urmia-Sees, war 1943 die Komala-i-Zhian-i-Kurd (Komitee der Kurdischen Jugend) gegründet worden. Obwohl die Komala nicht offen auftrat, breitete sie sich rasch auch im Irak und auf türkischem Gebiet bei den kurdischen Minderheiten aus. Die Komala benutzte in Mahabad das Klubhaus der „Gesellschaft für kurdisch-sowjetische kulturelle Beziehungen“ als Tagungsstätte. Bei einer Feier, die im April 1945 im Klubhaus stattfand und auch vom sowjetischen Konsul in Resajeh (westlichen des Urmia-Sees) besucht war trat Qazi (= Richter) Mohammad, der spätere Chef des kurdischen Staates, der Komala bei. Er übte als Mitglied einer sehr angesehenen Familie richterliche und religiöse Funktionen in Mahabad aus.
Zu ihm hatten die Russen schon seit längerer Zeit gute Beziehungen iergestellt. Sie erreichten bei der iranischen Regierung, daß Qazi Mohammad Vertreter der iranischen Regierung in dem Gebiet und sein Bruder Seif Qazi Kommandant der Gendarmerie wurden. Mit Hilfe Qazi Mohammads schufen die Sowjets ein Instrument, das bei den Kurien die Rolle übernehmen sollte, die von der Tudeh-Partei in Asereidschan gespielt worden war. Die Tudeh selbst hatte bei den Kurden lie Fuß fassen können und die „Komala“ ist von den Russen wegen hres kurdisch-nationalen und in gewissem Sinne demokratischen Chaakters ebenfalls als ungeeignet befunden worden. Im September 1945 vurden daher die Khans der bedeutendsten kurdischen Stämme sowie Qazi Mohammad und Seif Qazi nach Täbris eingeladen, um den sowjeischen Konsul zu besuchen. Zu ihrem Erstaunen brachte man sie dort um Bahnhof und setzte sie in einen Zug, der sie auf sowjetisches Genet, nach Baku, entführte. Dort wurden sie in einer Villa untergebracht, wo sie Mir Dschafar Bagirow, der 1. Sekretär der KP von (sowjetisch)
Aserbeidschan, an das Unrecht erinnerte, das sie unter Reza Schah ausgestanden hätten. Bagirow lehnte sowohl die Tudeh-Partei (eine „Gruppe wirkungsloser Unruhestifter“) als auch die Komala (ein Instrument des britischen Geheimdienstes) ab. Er kündigte die Gründung einer neuen „Demokratischen Partei“ an, der die Sowjetregierung helfen werde, den Unterdrückten die Freiheit zu bringen. Dieser Partei sollten sie nur beitreten
Bald nach Rückkehr der Kurden von dieser seltsamen Expedition berief Qazi Mohammad eine Versammlung ein, auf der die „Demokratische Partei“ gegründet wurde. In einem Manifest verlangten die Kurden ihren Anteil an der Befreiung der Welt von Faschismus. Ihnen sollten die konstitutionellen Rechte gewährt werden, die Rez Schah verweigert habe. Die Kurdische Sprache sei in Unterricht und Verwaltung zuzulassen. Ein Provinzialrat von Kurdisten müsse sofort gewählt werden. „Lang lebe die Kurdische Demokratische Autonomie“.
Obwohl die „Komala“ aufgelöst wurde und ihre Mitglieder auf die neue Partei übergingen, zögerten die Führer der kurdischen Stämme, ein Überhandnehmen des sowjetisch-kommunistischen Einflusses fürchtend, sich den „Demokraten“ anzuschließen. Da erhielt Qazi Mohammad eine bedeutende Stärkung durch Mulla Mustafa und seine Barzanis, die im Oktober 1945 mit etwa 1000 Bewaffneten und ihren Familien auf iranisches Gebiet übertraten
Die Sowjetregierung bricht den Dreimächtevertrag vom 29. Januar 1942
Schon seit dem Herbst 194 5 — die Sechsmonatsfrist des Vertrages vom 29. 1. 1942 begann mit Einstellung der Feindseligkeiten in Japan am 2. September 1945 zu laufen
Wyschinski warf der persischen Regierung vor, sie unternehme nichts gegen die anti-sowjetische Propaganda in Iran. Aserbeidschan und Baku (also sowjetisches Territorium) seien von organisierten feindlichen Aktionen bedroht. Wyschinskis an den Haaren herbeigezogener Behauptung, Baku sei bedroht, war das Bestreben der Sowjetunion zu entnehmen, einen Vorwand für das Verbleiben der sowjetischen Truppen auf iranischem Gebiet zu suchen, der unabhängig vom Vertrag von 1942 war
Am 9. Mai 1946 hatte die Rote Armee Persien verlassen. Die iranischen Kommunisten verloren damit zwar die sowjetische militärische Hilfe, aber sie schienen stark genug, ihre Macht zu behaupten und sogar auszudehnen.
Dschafar Pishewari, der Ministerpräsident von Aserbeidschan, sicherte seinem Regime in einem Abkommen mit der Teheraner Regierung unter anderem folgende Zugeständnisse:
a) Aserbeidschans Provinzialrat, Nachfolger des „Parlaments“ der autonomen Republik, sollte der Regierung vier Personen als General-gouverneure der Provinz vorschlagen, die einen davon ernennen würde;
b) die Teheraner Regierung billigte die Verteilung beschlagnahmten Landes und verpflichtete sich, die früheren Eigentümer zu entschädigen;
c) die aserbeidschanische Armee sollte in das iranische Heer eingegliedert, irreguläre aserbeidschanische Soldaten in die Gendarmerie ausgenommen werden.
Diesem kommunistischen Erfolg in Aserbeidschan folgten Unruhen, die vom „Zentralen Vereinigten Rat“, der Gewerkschaftsorganisation der Tudeh, unter Führung von Reza Rusta in Khusistan, dem Ölgebiet am Persischen Golf, provoziert wurden. Im Juli streikten dort 100 000 Ölarbeiter. Sabotageakte wurden begangen, die zum Verlust von 300 000 to Öl führten. Unter dem Druck dieser Ereignisse nahm Qavam vier Tudeh-Anhänger in sein Kabinett auf: Iradsch Eskandari, Minister für Handel und Industrie; Dr. Firidun Keschawarz, Minister für Erziehung; Dr. Morteza Yazdi, Minister für Gesundheit und Mozaffar Firuz, stellvertretender Ministerpräsident sowie Minister für Arbeit und Propaganda.
Gegen diese kommunistischen Einflüsse in der Zentralregierung revoltierten die einflußreichen Kaschgai und Bachtiari-Stämme im Südei des Landes. Im Oktober 1946 erzwangen sie, hinter denen nach sow jetischen Behauptungen die Briten standen, den Rücktritt des Kabinetts Qavam as Saltanehs, aus dem die kommunistischen Minister ausschieden. Hierdurch ermutigt, drängte Qavam die kommunistischen Einflüsse weiter zurück. Mitte November 1946 ließ er hundert führende Tudeh-Mitglieder in Teheran verhaften und wenig später die iranische Armee in Aserbeidschan einmarschieren, damit sie die im Dezember bevorstehenden Wahlen zur Medschlis überwachen könne. Jaafar Pishewari rief zwar zum Widerstand gegen die Regierungstruppen auf, aber die Bevölkerung von Aserbeidschan begrüßte sie als Befreier. Am 14. Dezember brach das kommunistische Regime in Täbris zusammen. Der kommunistische Generalgouverneur Dr. Salamollah Dscharid wurde verhaftet. Pishewari und andere Kommunisten flohen nach der Sowjetunion.
Auch gegen die Kurdenrepublik gingen Regierungstruppen vor. Mahabad wurde im Dezember besetzt, Quazi Mohammad und seine führenden Anhänger verhaftet. Im März 1947 ist er nach einem Militär-gerichtsverfahren auf dem Marktplatz von Mahabad gehängt worden.
Mulla Mustafa schlug sich nach Norden durch und trat bei Maku mit seinen Barzanis in die Sowjetunion über.
Im neuen Medschlis, die endlich im August 1947 zusammentrat, hatte die Demokratische Partei des Ministerpräsidenten die Mehrheit. Die Opposition, geführt von Dr. Mohammed Mossadeq, gewann 25 Sitze, während die Tudeh-Partei zwei Abgeordnete erhielt. Nachdem nun das Medschlis gebildet war, drängte der sowjetische Botschafter die iranische Regierung, den Ölvertrag ratifizieren zu lassen, der ein Bestandteil des Abkommens vom April 1946 und damit eine Voraussetzung des Abzugs der Roten Armee gewesen war. Lange hitzige Debatten im Parlament folgten, das schließlich im Oktober 1947 die Ratifizierung mit 102 Stimmen gegen 2 ablehnte.
So gingen die Sowjetregierung die Vorteile (das Ölabkommen und die Autonomie von Aserbeidschan) verloren, die sie vor Abzug ihrer Truppen erpreßt hatte. Der Entschluß, diese Rückschläge — jedenfalls zeitweilig — hinzunehmen, dürfte durch folgende Faktoren bestimmt gewesen sein. Einmal bereitete die Sowjetunion eine neue Offensive in Europa vor, die mit der Gründung des Kominform (September 1947) eingeleitet wurde
Zum anderen hatte Stalin aus den Verhandlungen über das vertragswidrige Verbleiben der sowjetischen Truppen im Iran (April 1946) und eindeutigen amerikanischen Erklärungen entnommen, daß er bei einem Eingreifen in Iran allein und als offener Aggressor dastehen würde. In die Rolle des Aggressors begab sich Stalin aber nur, wenn seine Überlegenheit eindeutig festzustehen schien (wie im Falle von Finnland), oder wenn Mächtige an seiner Seite standen (wie Hitler 1939 in Polen).
Die Extremisten im anglo-iranischen Ölkonflikt
Wenn auch einige sowjetische Pläne zunächst gescheitert waren, so blieb doch die Tudeh-Partei ein Instrument, das geeignet schien, Iran von innen her zu zerstören und damit eine neue, den Russen günstige Lage zu schaffen.
Die persische Regierung versuchte, ihren Einfluß zurückzudrängen. So wurden im April 1948 in der Provinz Mazanderan 300 Kommunisten verhaftet. Im Februar 1949 erging im Anschluß an einen Attentatsversuch, der auf den Schah unternommen worden war, sogar ein Verbot der Partei. Sechs Mitglieder des Exekutivrats (= Politbüro) wurden verhaftet. Der Generalsekretär Dr. Radmanesch und die Sekretäre Ehsan Tabari und Dr. Keschawarz flohen ins Ausland
Die Anhänger Dr. Mossadegs („Nationale Front“) arbeiteten immer enger mit der Tudeh-Partei zusammen. Häufig veranstalteten diese Gruppen gemeinsame Massendemonstrationen, die aus der Kontrolle ihrer Führer gerieten. Das Zusammenwirken nationalistischer und kommunistischer Kräfte ließ die Tudeh-Partei auch für manche nationale Kreise annehmbar erscheinen. Die Zahl der Tudehanhänger, auch innerhalb der Armee, nahm zu. Diese Erscheinungen riefen den Widerstand zahlreicher Medschlis-Abgeordneter gegen Mossadegs Politik hervor. Der Ministerpräsident versuchte daher, vom Schah ein Dekret über die Auflösung des Parlaments zu erhalten. Nachdem der Schah abgelehnt hatte, erklärte Dr. Mossadeg selbst das Parlament für aufgelöst (August 1953). Er lehnte ab, einem königlichen Dekret zu folgen, das ihn von seinem Posten entließ und General Zahedi zum Ministerpräsidenten ernannten.
Blutige Unruhen ereigneten sich in Teheran, hervorgerufen durch Mossadeg-Anhänger und Kommunisten, die forderten, eine „Demokratische Republik“ zu errichten. Der Schah verließ das Land, in dessen größeren Städten anti-monarchische Kundgebungen der Tudeh-Leute stattfanden, Denkmäler der Könige zerstört und Königstreue verhaftet wurden. Am 19. August 19 5 3 nahm auch die Kommunistische Partei der Sowjetunion eindeutig Stellung, indem die Moskauer „Prawda“ einen Aufruf des Zentralkomitees der Tudeh-Partei an das persische Volk abdruckte, der die „Beseitigung der Monarchie, die Ausrufung der Republik und die Vernichtung der imperialistischen Stützpunkte“ forderte. Am gleichen Tage rafften sich jedoch in Teheran königstreue Kräfte der Armee zu energischen Gegenaktionen auf. Sie besetzten die Ministerien, das Polizeihauptquartier und die Radiostation Nach kurzem Kampf nahmen sie Dr. Mossadegs Haus ein, der entfloh und später abgeurteilt wurde. General Zahedi konnte als Ministerpräsident amtieren, der Schah kehrte zurück.
Die Niederlage der Tudeh-Partei
In den Tagen, die dieser Erhebung der königstreuen Kräfte folgten, bereitete die Tudeh-Partei einen bewaffneten Aufstand vor, der von ihrer Offiziersorganisation, unterstützt durch zivile Parteimitglieder, getragen werden sollte. Der Aufstand wurde jedoch, sei es angesichts der Stärke und Wachsamkeit der königstreuen Kräfte, sei es aus Unentschlossenheit, nicht ausgeführt. Ebenso wurden in den folgenden Monaten andere Pläne teils aufgegeben (militärische Ausbildung von Parteimitgliedern, Guerillakrieg in den nördlichen Provinzen), teils scheiterten sie (Sabotage an Flugzeughallen).
Die Offiziersorganisation hatte unter der Verantwortlichkeit eines Mitglieds des Exekutivrats der Tudeh-Partei (zuletzt Dr. Hossain Jowdat) gestanden, das eng mit den Russen zusammenarbeitete. Ihre Mitglieder hatten Spionage getrieben, Flugblätter in der Armee und den Sicherheitskräften verteilt und auch Waffen gestohlen. Gegen 69 führende Mitglieder wurden Todesurteile gefällt, von denen 27 vollstreckt worden sind. Hunderte anderer Mitglieder erhielten Freiheitsstrafen. Nur einer von sieben Spitzenfunktionären der Organisation, Hauptmann Khusrow Ruzbeh, entging damals der Verhaftung.
Die öffentliche Bekanntgabe der Verbindungen dieser Organisation führte zu einem formellen Protest, den der Sowjetbotschafter Anatolij Lawrentiew im September 1954 übermittelte
Mitglieder der Offiziersorganisation hatten die Partei vielfach über die Absichten der Sicherheitsorgane unterrichten können und so Gegenmaßnahmen ermöglicht. So war der Glaube entstanden, die Tudeh-Partei sei unbesiegbar. Er wurde durch weitere Schläge gegen die Partei erschüttert. Aus dem Material, das im Verfahren gegen die Offiziers-organisation sichergestellt worden war, ergab sich, daß eine Spionage-und Terrorabteilung der Tudeh-Partei, die sog. Informationsorganisation, geführt von dem genannten Khusrow Ruzbeh, bestand, deren etwa 100 Mitglieder schließlich verhaftet und deren Akten beschlagnahmt werden konnten
Drei von fünf Mitgliedern des Exekutivrats des Zentralkomitees, Dr. Morteza Yazdi, Dr. Mohammad Bahrami, der das Amt des Generalsekretärs ausübte, und Ingenieur Ali Olovvi wurden verhaftet, zwei weitere Mitglieder, Dr. Hossain Jowdat und Dr. Noureddin Kianoori flohen ins Ausland, so daß die Reste der Tudeh-Partei etwa im März 195 5 führerlos waren. Dr. Bahrami's volles Geständnis enthielt nicht nur umfassende Angaben über den Aufbau der Partei und ihrer Hilfsorganisation, sondern enthüllte auch seinen Anteil an den Beziehungen der Tudeh-Partei zur Sowjetbotschaft in Teheran
Schließlich gelang es, im Dezember 1957 den letzten im Lande gebliebenen Angehörigen des Exekutivrats, den früheren Hauptmann Khusrow Ruzbeh, festzunehmen, der zugleich der Leiter der Spionage-und Terrorabteilung der Tudeh-Partei gewesen war. Er wurde abgeurteilt und im Mai 195 8 hingerichtet, obwohl die Organisationen des internationalen Kommunismus versuchten, ihn durch eine weltweite Propagandakampagne zu retten
Andere extremistische Gruppen teilten das Schicksal der Tudeh-Organisationen. Mitglieder der schon errwähnten Terrororganisation „Fadayan Islam“ (Kreuzfahrer des Islam) wurden verhaftet und abgeurteilt. Maßnahmen gegen die geheime „Nationale Widerstandsbewegung“ folgten, in der Mossadeg-Anhänger sich gesammelt hatten. Aus diesen Ergebnissen auf das Ende der extremistischen, insbesondere der kommunistischen Bestrebungen in Iran zu schließen, wäre verfehlt.
Wie schon erwähnt, befinden sich eine ganze Anzahl iranischer Kommunisten im Ausland, an ihrer Spitze der 1949 geflohene Generalsekretär der Tudeh-Partei Dr. Radmanesch. Diese Kommunisten sind von der Sowjetunion und ihren Satelliten ausgenommen worden. Zentren der Tudeh-Anhänger befinden sich heute in der Sowjetzone Deutschlands, in der Sowjetunion und in China.. Von diesen Zentren aus betreiben die iranischen Kommunisten mit Hilfe ihrer Gastgeber eine intensive Radiopropaganda in persischer Sprache, an der sowjetische Sender mit etwa 50 Stunden wöchentlich, sowjetzonale mit 10 Stunden und chinesische Sender mit 7 Stunden wöchentlich beteiligt sind. Eine gewisse Verbindung der emigrierten Kommunisten zum Iran kann durch iranische Studenten hergestellt werden, die in großer Zahl in Europa studieren und von denen sich mancher als anfällig für kommunistische Propaganda erweist. Die Anfälligkeit hat ihren Grund in dem Kontrast, der zwischen den sozialen und politischen Verhältnissen in Iran und den entsprechenden Bedingungen in Europa besteht, und von den Kommunisten besonders unter Hinweis auf die „Fortschritte“ in der Sowjetunion ausgenutzt wird. Die iranische Regierung hat die Notwendigkeit von sozialen Reformen längst erkannt
Stalins Nachfolger hat nicht erkennen lassen, daß die aggressiven Absichten der sowjetischen Politik in Richtung auf den Persischen Golf aufgegeben sind. Zwar hat die Sowjetunion seit dem Abzug ihrer Truppen im Jahre 1946 keine Akte der offenen Aggression gegenüber Iran begangen. Daraus sollten aber keine falschen Schlüsse gezogen werden. Zwischen der Sowjetunion und Persien hat es vor 1921 bis 1941 gleichfalls Jahre scheinbarer Koexistenz gegeben, denen 1945/46 expansive Schritte bedrohlichster Art folgten. Im Frühjahr 1959 waren die sowjetischen Drohungen unüberhörbar, die im Frühjahr 1959 bei Gelegenheit des Abschlusses des persisch-amerikanischen Bündnisvertrages ausgesprochen wurden.
Dem Betrachter der Politik, die von den sowjetischen Kommunisten im Iran betrieben worden ist, drängen sich Parallelen zur Entwicklung des Kommunismus in Deutschland auf. Deutschland und Persien waren nicht nur gleichermaßen Angriffsziele des Bolschewismus, seit er sich im Bürgerkrieg behauptet hatte, sondern die Methoden ähneln sich auch überraschend, die gegen beide Länder angewandt worden sind. Wer die Umsturzvorbereitungen der Tudeh-Partei in der Zeit von 1950 bis 195 3, ihre Offiziersorganisation, die Informationsabteilung und die geheimen Waffenlager ins Auge faßt, erinnert sich des „Ständigen Militärischen Rates“ der KPD, der 1923 in Deutschland den Aufstand organisieren sollte. Der N-(Nachrichten) Apparat der KPD und die kommunistischen Terrororganisationen jener Jahre waren ebenso wie die Tudeh-Gruppen von 195 3 mit sowjetischer Hilfe aufgebaut. Naive Westler äußern gelegentlich, seit dem VII. Weltkongreß der Komintern (Volksfrontpolitik!) sei die kommunistische Taktik grundlegend geändert worden. Diese Leichtgläubigen werden auch durch die Tatsachen ad absurdum geführt, die 1953 bis 1955 in Iran festgestellt worden sind.