Die SED-Geschichtsschreibung ist politisch ausgerichtet und die Geschichtsbetrachtung wird je nach der politischen Linie verändert. Das Bild, das die SED von der KPD der Weimarer Republik zeichnet, ist daher keineswegs objektiv. Bisher sind drei Phasen der Parteigeschichtsschreibung der SED zu unterscheiden:
Doch die Prinzipien der stalinistischen Geschichtsschreibung gelten weiter. Die Historiker müssen die Parteigeschichte nach der gerade gültigen politischen Linie darstellen und damit die politische Linie „historisch" rechtfertigen. Darüber hinaus muß die Geschichte herhalten, um die an der Macht befindliche Parteiführung zu d e r Parteiführung, die immer recht hatte, zu deklarieren. Andererseits müssen in der Geschichtsschreibung gegenwärtige „Parteifeinde“ zu „Parteifeinden“ seit eh und je gemacht werden. Die Geschichte wird zur zurückprojezierten politischen Gegenwart, oder, genauer, zur politischen Gegenwart, wie sie nach den Anordnungen der Parteiführung zu sein hat.
Auch die neueren Darstellungen der SED zur Geschichte der KPD (z. B. zum 40. Jahrestag der Parteigründung im Januar d. J.) wurden von diesen Prinzipien bestimmt und sind daher alles andere als objektiv. Da sich aber seit 1956 verschiedene Historiker der SED beträchtlich von den primitiven Legenden der Stalin-Ära entfernt haben, ist die starre Einheitlichkeit der stalinistischen Geschichtsbetrachtung ins Wanken geraten. Zur Zeit wird bis in die Führungsspitzen hinein um eine neue obligatorische Auslegung der Parteigeschichte gerungen.
In der Sowjetunion ist das Lehrbuch der Parteigeschichte, das den stalinschen „Kurzen Lehrgang“ ablösen soll, fertiggestellt. Es ist daher fest damit zu rechnen, daß auch die SED in absehbarer Zeit eine neue Linie für die Betrachtung der Geschichte der KPD festlegt. Die vorliegende Darstellung einiger Seiten der Geschichte des deutschen Kommunismus soll die Möglichkeit geben, die stalinistischen Fälschungen, aber auch die Hintergründe dieser Fälschungen, besser durchschauen und einschätzen zu können.
I. Die Entstehung des deutschen Kommunismus
1. Die Linken der Vorkriegssozialdemokratie
innerhalb 1922 1920 1919 1917 1915 Die politischen Richtungen der deutschen Arbeiterbewegung nach dem 1. Weltkrieg Internation. Sozialisten (Gruppe Borchardt) Internationale) (Vereinigte Komm. Partei Deutschlands) KPD Spartakus-
bund Internat. Kommunist. Deutschlds. (Linksradikale) KPD (Sektion der III. VSPD (Vereinigte Sozialdemokrat. Partei) USPD (Link-e--) --I--(-R-Aec-h--t-e--) -------(Unabhängige Sozialdemokr.) (Mehrheitssozialdemokratie) Sozialdemokratische Partei Deutschlands I = 25 Sos bund1 Us
innerhalb 1922 1920 1919 1917 1915 Die politischen Richtungen der deutschen Arbeiterbewegung nach dem 1. Weltkrieg Internation. Sozialisten (Gruppe Borchardt) Internationale) (Vereinigte Komm. Partei Deutschlands) KPD Spartakus-
bund Internat. Kommunist. Deutschlds. (Linksradikale) KPD (Sektion der III. VSPD (Vereinigte Sozialdemokrat. Partei) USPD (Link-e--) --I--(-R-Aec-h--t-e--) -------(Unabhängige Sozialdemokr.) (Mehrheitssozialdemokratie) Sozialdemokratische Partei Deutschlands I = 25 Sos bund1 Us
Die deutsche Arbeiterbewegung war vor dein 1. Weltkrieg die mächtigste der Welt und galt allen Sozialisten als vorbildlich. Auf dem letzten Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands vor dem Kriege (Jena 1913) konnte die Partei 1 Million Mitglieder mustern, sie war mit 41/4 Millionen Wählern die stärkste deutsche Partei und verfügte über 90 Tageszeitungen. 110 Reichstagsabgeordnete, 220 Landtagsabgeordnete und 2886 Stadtverordnete und Magistratsmitglieder vertraten die Partei in den Parlamenten. Die mit der Sozialdemokratie verbündeten freien Gewerkschaften zählten 21/2 Millionen Mitglieder und hatten ein Vermögen von über 88 Millionen Mark
Natürlich gab es in der Partei immer noch Kräfte, die sich dieser Entwicklung entgegenstemmten. Ein radikaler linker Flügel hatte sich schon lange vor dem Weltkrieg herausgebildet und bekämpfte die Verbürgerlichung der Sozialdemokratie. Bei den Diskussionen der Vor-kriegs-Sozialdemokratie über Massenstreik und Abrüstung versuchte die Linke die ideelle Grundlage der Partei und ihre Taktik so in Überein-stimmung zu bringen, daß die praktischen Maßnahmen aus der Theorie abgeleitet würden und die Politik und Theorie eine Einheit bildeten
Drei Richtungen rangen in der damaligen Sozialdemokratie miteinander: Die „Revisionisten“ unter Führung Eduard Bernsteins verlangten eine Revision der Marxschen Theorie, auf deren Boden die SPD offiziell stand, sie trachteten danach, die Partei vom revolutionären Wege auf einen Weg der Reformen zu bringen. Das orthodoxe „marxistische Zentrum“ unter dem Theoretiker Karl Kautsky und den Parteiführern Bebel und Singer (später Haase) vertrat gegenüber den Revisionisten den Marxismus und versuchte die reformistische Tagespolitik mit der revolutionären Theorie zu versöhnen
Die Auseinandersetzungen wurden mit aller Schärfe ausgetragen, doch fanden sie innerhalb der gemeinsamen Partei statt, deren Massen zudem weder der Linken noch der revisionistischen Rechten, sondern dem Zentrum anhingen. Erst durch den Krieg und die gegensätzliche Stellung zur „Vaterlandsverteidigung“ spaltete sich die Partei und verselbständigte sich ihr radikaler Flügel. Schon hier fällt der Unterschied zum russischen Bolschewismus auf. Der Bolschewismus entstand nicht nur als politische Strömung bereits im Jahre 1903, die Bolschewiki schlossen sich praktisch auch sofort zu einer eigenen Organisation zusammen. Überdies waren unterschiedliche Organisationsauffassungen der direkte Anlaß der russischen Spaltung.
Der radikale Flügel des deutschen Sozialismus bildete erst nach dem Krieg eine eigene Partei und erst nach dem Sieg des Bolschewismus in Rußland kam es zu einer intensiveren Annäherung der beiden linken Strömungen. Der deutsche Kommunismus war weder ein „Produkt“ des russischen noch eine einfache Kopie, er wurde aus anderen Quellen gespeist.
Die Zielsetzung des Bolschewismus war eine radikale Fassung der sozialistischen Forderungen
Zweifellos waren die deutschen Linken und ihre wichtigste Theoretikerin, Rosa Luxemburg, Anhänger der Weltrevolution, aber ihre Revolutions-und Parteivorstellungen unterschieden sich stark von den bol-
schewistischen. Nach der Spaltung der russischen Sozialdemokratie standen die deutschen Linken und insbesondere Rosa Luxemburg, den lenin-Seite sehen Organisationsvorstellungen ablehnend gegenüber. Eine straff organisierte Elite von Berufsrevolutionären wurde von ihnen verworfen. Die von den Bolschewiki propagierte Zentralisierung schien ihnen undemokratisch und gefährlich, da sie der Führung zu viel Macht überließ. Die selbständige Aktion der Massen schien den deutschen Linken das Entscheidende der sozialistischen Revolution. Scharf wurde der „Ultrazentralismus" Lenins bekämpft, da „die sozialdemokratische Organisation nidtt auf blindem Gehorsam, nicht auf der medtanischen Unterordnung der Parteikämpfer unter ihre Zentralgewalt basieren kann... Rosa Luxemburg meinte: „Es hieße aber den aus ihrem Wesen notwendigerweise entspringenden Konservatismus jeder Parteileitung geradezu künstlich in gefährlidtem Maß potenzieren, wenn man sie mit so absoluten Machtbefugnissen negativen Charakters ausstatten würde, wie es Lenin tut... „Fehltritte, die eine wirklich revolutionäre Arbeiterbewegung begeht, sind geschichtlich unermeßlich frudttbarer und wertvoller als die Unfehlbarkeit des allerbesten Zentralkomitees
Die deutschen Radikalen gingen davon aus, daß die Massen ein richtiges Gefühl von der Lage haben, wenn es einmal geweckt sei. Der „Spontaneität“ der Massen wurde großes Gewicht beigemessen. Das „Selbstbestimmungsrecht der Nationen“, das die Bolschewiki — wenigstens theoretisch — anerkannten, lehnten die deutschen Linken als überholt ab und stellten einen radikalen Internationalismus entgegen. Der Bauernfrage schenkten sie im Industrieland Deutschland naturgemäß kaum Beachtung. Im Gegensatz zu den Bolschewiki waren die deutschen Linken vor dem Krieg auch nicht bereit, an eine Spaltung der sozialistischen Bewegung zu denken, sie versuchten vielmehr, die „bürgerlichen“ Teile aus der Gesamtbewegung zu verdrängen. Diese theoretischen und taktisch unterschiedlichen Wurzeln des deutschen Kommunismus wurden von der KPD später oft genug angekreidet. Arkadij Maslow schrieb schon im Dezember 1924, der Spartakusbund sei weit davon entfernt gewesen, eine bolschewistische Partei zu sein. „ ...der alte Spartakusbund verstand ebensowenig wie die USP die Rolle der revolutionären proletarischen Partei, denn diese Frage hat Lenin gestellt und gelöst, und die Führer des alten Spartakusbundes, mit Rosa Luxemburg an der Spitze, waren in diesem, im wesentlichsten Punkte, A n t i l e n i n i s t e n
Noch deutlicher wurde die Eigenständigkeit des Spartakusbundes in der stalinistischen Ära verdammt, als es hieß: „Die Bolsdiewiki waren jedoch die einzigen, die 1904 bis 1912 den Bruch mit den Opportunisten und den zentristischen Versöhnlern — den verkappten Opportunisten — vollzogen. Sie drängten die Linken in der deutschen Sozialdemokratie in jeder Weise zum Bruch, zur Spaltung mit ihren Opportunisten und Zentristen. Aber die linken Sozialdemokraten erwiesen sich nicht als reif, in die Fußstapfen der Bolschewiki zu treten. Stalin betont, daß die deutschen Linken , eine schwache und ohnmächtige, organisatorisch nicht herausgebildete, ideologisch nicht ausgeprägte Gruppe darstellten, die sich fürchtete, das Wort „Bruch", „Spaltung" auch nur auszusprechen'.
Die Bolschewiki konnten die Linken in Deutschland nur unter bestimmten ernsten Vorbehalten unterstützen, da die Linken immerfort zwischen Bolsdiewismus und Mensdtewismus, das heißt zwischen der revolutionären und der opportunistischen Haltung schwankten und halbmenschewistische Fehler begingen“
2. Die Folgen des 4. August
Am 4. August stimmte die Sozialdemokratische Reichstagsfraktion geschlossen den Kriegskrediten zu. Auch die 14 Abgeordneten, die in der Fraktionssitzung dagegen gesprochen hatten, unterwarfen sich der Parteidisziplin. Der 4. August 1914 schien ein völliges Umfallen der Partei zu bedeuten. Er war eine Abwehr von der bisherige
Am 28. Juli schrieb der „Vorwärts“, das Zentralorgan der Partei: „Nidtt der Zarismus ist in diesem Augenblick die schlimmste Kriegs-gefahr, sondern das übel beratene Österreich” 12).
Der „Vorwärts“ rief am 27. Juli zu 27 Versammlungen in Berlin auf, mit der Losung: „Es gilt die Front zu madten gegen die unverantwortlichen und verantwortlichen Kriegshetzer, die nicht davor zurücksdreuen, einen Weltbrand zu entflammen“ 13).
Mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten war offenbar geworden, daß es in Deutschland keine revolutionäre Massenpartei gab: „Aber während die Sozialdemokratie gewiß nicht die deutsche Arbeiterklasse durch ihre Politik des Vierten August „verriet", verriet sie dodi die revolutionären Prinzipien, zu denen sie sich in der Vergangenheit so oft bekannt hatte. Diese Anklage ist unwiderlegbar; unwiderlegbar auch dann, wenn die deutschen Sozialdemokraten ernsthafte Anstrengungen machten, ihre Haltung bei Ausbruch des Krieges als „einzig marxistisch mögliche“ zu erklären" 14).
Die Hochachtung vor der mächtigen deutschen Sozialdemokratie mußte dadurch gerade im Ausland „verständlicherweise in Verbitterung und Mißtrauen umschlagen"
Hinter der Einstimmigkeit der Fraktion am 4. August, erhob sich bereits der Schatten der Spaltung. Es ging bei den Kontroversen in der Sozialdemokratie nicht nur um die Bewilligung der Kriegskredite und das Prinzip der Vaterlandsverteidigung, sondern auch um die Kriegs-ziele. Bald zeigten sich neue Gruppenbildungen, die sich nicht immer mit den alten Richtungsunterschieden zwischen Revisionisten und Marxisten deckten. „Jene Nurgewerkschaftler und Ideologen, die sich mit dem wilhelminischen Staat innerlidt abgefunden hatten und sich im Grunde allein für die Hebung der wirtschaftlichen Lage der Arbeiter im Rahmen dieses Staates interessierten, verfielen jetzt dem reinen Nationalismus, sie verzichteten im Namen des „Burgfriedens“ zunächst auf jede Kritik an der kaiserlichen Regierung und ließen sich in vielen Fällen sogar zur Unterstützung der absurden Annexionsforderungen mitreißen, die Militärs, Professoren und Wirtschaftler im Siegesrausch der ersten Kriegsmonate aufstellen . ..“
Da schrieb die Reußische Tribüne': Wir stehen treu zu den Volksgenossen bis zum Tod. Das Wehen eines neuen Geistes geht durch Deutschland". Und die . Chemnitzer Volksstimme': „Uns alle beherrscht jetzt nur die eine Frage: Wollen wir siegen? Und unsere Antwort lautet: Ja!“ In der . Weimarischen Volkszeitung'las man'... nun ist das Volk selbst bedroht von den Horden des Blutzaren
Kautsky und Bernstein mit einem, „Das Gebot der Stunde“ genannten Protest gegen die Politik der Mehrheit an die Öffentlichkeit. Im März 1916 spaltete sich die sozialdemokratische Reichstagsfraktion. 18 Abgeordnete unter Haase, Ledebour und Dittmann bildeten die sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft. Ostern 1917 wurde die Spaltung der Partei offen dokumentiert, als sich in Gotha die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands konstituierte. Als Ziel der neuen Partei hatte Ernst Däumig drei Gesichtspunkte aufgestellt: „ 1.der Arbeiterklasse müsse das Vertrauen auf Demokratie und Sozialismus wiedergegeben werden; 2. die Neuorganisation müsse die höchste politische Aktionsfähigkeit im alten sozialdemokratischen Geiste erzielen; 3. die Organisation der deutschen Sozialdemokratie müsse in der Internationale wieder zu Bedeutung und Ansehen gelangen und dadurch dem Frieden dienen“
Die neue Partei hatte alles andere als ein einheitliches Gesicht, sie wurde im wesentlichen durch ihre Ablehnung des Krieges zusammengehalten. In der USP fanden sich sowohl der Führer der Revisionisten, Bernstein, als auch der Theorethiker des marxistischen Zentrums, Kautsky und ein Großteil der ehemaligen Linksradikalen.
Die radikalen Gruppen hatten inzwischen mit der illegalen Arbeit gegen den Krieg begonnen und verstärkten ihre Bemühungen nach Liebknechts Verhaftung (1916). Die Auseinandersetzungen beschränkten sich nicht mehr auf die Kriegsfrage, sondern dehnten sich auf alle Gebiete aus. Der Mehrheit wurde Verrat am Sozialismus überhaupt vorgeworfen. Die Weltrevolution wurde als unvermeidliche und notwendige Folgeerscheinungen des Weltkrieges angesehen
3. Drei radikale Gruppen
Innerhalb der radikalen deutschen Linken bildeten sich während des Krieges drei Gruppen heraus. Die bedeutendste (und eigentlicher Vorläufer der KPD) war die „Gruppe Internationale", die nach ihrem (illegalen) Organ „Spartakusbriefe" auch Spartakusbund genannt wurde. Geführt wurde die Gruppe von den bekanntesten Linken der Vorkriegssozialdemokratie. Sie traten als überzeugte Internationalisten besonders scharf gegen die Vaterlandsverteidigung auf (die immerhin den ganzen Vorkriegs-Resolutionen der II. Internationale widersprach). Die Gruppe begann sich nach den Augusttagen 1914 zu organisieren und gab in der Folge illegale Flugblätter heraus. Von der geplanten Zeitschrift „Die Internationale" konnte nur eine Nummer im April 1915 erscheinen (mit Beiträgen von Luxemburg, Mehring Thalheimer u. a.). Im Mai 1915 erschien das für die Gruppe „Internationale“ wegweisende illegale Flugblatt mit Karl Liebknechts berühmten Ausruf: „Der Hauptfeind steht im eigenen Lande
Seit 1916 gelang es der Gruppe auch (besonders durch ihren Organisator Leo Jogiches) die „Spartakusbriefe“ fast regelmäßig herauszugeben und so den Zusammenhalt der Gruppe zu stärken. Trotz ihrer prinzipiell gleichen Zielsetzung mit den Bolschewik! unterschied sich die Gruppe „Internationale“ stark von den Russen. Das ging nicht nur aus der theoretischen Grundlage des Spartakusbundes, Rosa Luxemburgs „Junius-Broschüre“ (die von Lenin scharf kritisiert wurde) hervor, sondern auch aus der Haltung der Vertreter der Gruppe auf den Internationalen Konferenzen.
In der Schweiz fand im September 1915 die „Zimmerwalder Konferenz“ statt, auf der sich pazifistische und internationalistische Teile der ehemaligen II. Internationale trafen. Die Vertreter der Gruppe, Ernst Meyer und Berta Thalheimer, teilten zwar Lenins Kritik an der II. Internationale, sie waren aber nicht bereit, sich sofort von der Partei loszusagen, wie Lenin forderte. Sie befürchteten, damit ihre Gruppe zu isolieren und zu einer Sekte zu werden.
Je länger sich der Krieg hinzog, um so mehr wuchs der Einfluß der Spartakus-Gruppe, die nach der Gründung der USPD geschlossen der neuen Partei beitrat. Im Laufe des Jahres 1918 näherte sich ein Teil der Spartakisten der bolschewistischen Theorie. Sie waren von der russi-schen Revolution beeindruckt und sahen in der russischen Verfassung von 1918 und der leninistischen Rätetheorie nachahmenswerte Beispiele. Ernst Meyer, Franz Mehring und Clara Zetkin bekannten sich nach der Oktoberrevolution in Briefen und Artikeln zur leninschen Form des Kommunismus
Eine zweite radikale Gruppe, die Bremer Linksradikalen, stand Lenin weit näher als der Spartakusbund. Außer in ihrem Zentrum Bremen hatten sie im Norden, in Sachsen und im Rheinland Stützpunkte. Unter Johann Knief und Paul Frölich gaben sie die „Arbeiterpolitik“ ein legales Wochenblatt heraus und stimmten „mit dem Spartakusbund in den Grundfragen überein
Der Vertreter der Gruppe, Paul Frölich, schloß sich in Kienthal der (leninschen) Zimmerwalder Linken an — im Gegensatz zu den Vertretern des Spartakusbundes. Ganz im leninschen Sinne traten die Bremer Linksradikalen auch nicht der USP bei, sondern kämpften „hartnäckig für die Gründung einer eigenen linksradikalen Partei“
Eine dritte linksradikale Gruppe unter Julian Borchardt, einem engen Freunde Radeks, stand den Bolschewiki ebenfalls sehr nahe. Diese „Internationalen Sozialisten Deutschland“ mit ihrem Organ „Lichtstrahlen" besaßen jedoch keinen nennenswerten Masseneinfluß.
Borchardt selbst hatte sich schon auf der ersten Zimmerwalder Konferenz allen leninschen Thesen angeschlossen und lehnte es ebenfalls ab, in die USPD einzutreten. Für die pro-leninsche Haltung der beiden letztgenannten Gruppen war der Einfluß Karl Radeks, der schon vor dem Krieg in Deutschland gewirkt hatte, ausschlaggebend. Trotz aller Vorbehalte Rosa Luxemburgs machte der Spartakusbund nach der russischen Revolution jederzeit Propaganda für die Bolschewiki, da er grundsätzlich auf dem Boden der Oktoberrevolution stand.
Vor der deutschen Novemberrevolution kam es zu einer Annäherung zwischen dem Spartakusbund und den „Internationalen Kommunisten Deutschlands“. Am 7. Oktober 1918 fand eine gemeinsame Konferenz statt, auf der sich beide Gruppen darüber einig waren, daß der Krieg in seine letzte Periode eingetreten sei. Die Konferenz forderte die unverzügliche Freilassung aller politischen Gefangenen und die Aufhebung des Belagerungszustandes. Unter den Losungen: „Es lebe die soziale Revolution! Es lebe der Friede der 'Völker! Nieder die Regierung! Tod dem Kapitalismus!“ wurde beschlossen die Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten in allen Orten sofort in Angriff zu nehmen
Durch die Novemberrevolution bekamen die linken Gruppen (deren Einfluß auf die Revolution trotz ihrer zahlenmäßigen Schwäche nicht unterschätzt werden sollte) volle Handlungsfreiheit. Rosa Luxemburg kam am 10. November aus dem Gefängnis. Sie hielt es für verfrüht, sofort eine Räterepublik zu proklamieren und sah die Hauptaufgabe des Spartakusbundes darin, sozialistisches Klassenbewußtsein in den Arbeitern zu erwecken. Da die USPD die Mehrheit der Arbeiter zu erfassen schien, sollte der Spartakusbund innerhalb der Partei bleiben
Da es aber nicht gelang einen Parteitag der LISP durchzusetzen, die USPD-Führung auch nicht geneigt schien, den Forderungen des Spartakusbundes Gehör zu schenken, war Rosa Luxemburg bald bereit, dem Drängen Liebknechts und anderer nach der Gründung einer eigenen Partei nadizugeben.
4. Der Gründungsparteitag der KPD
Am 30. Dezember 1918 trat im Festsaal des Berliner Abgeordnetenhauses der Gründungsparteitag der KPD zusammen. Auf einer nichtöffentlichen Sitzung hatte sich am Vortage der Spartakusbund gegen nur drei Stimmen für die Trennung von der USPD und für die Gründung einer eigenen Partei entschieden. Auf dem Parteitag waren 100 Teilnehmer, davon 83 Delegierte aus 46 Orten, anwesend. Die Tagesordnung lautete:
1. Die Krisis in der LISP (Referent Karl Liebknecht)
2. Die Nationalversammlung (Referent Paul Levi)
3. Unser Programm und die politische Situation (Referent Rosa Luxemburg) 4. Unsere Organisation (Referent Hugo Eberlein)
5. Wirtschaftliche Kämpfe (Referent Paul Lange)
6. Internationale Konferenz (Referent Hermann Duncker)
Zu Vorsitzenden des Parteitages wurden Pieck und Walcher, zu Schriftführern Heckert und Rosi Wolfstein gewählt
Liebknecht warf der USP vor, ein Gelegenheitsprodukt des Krieges zu sein und keine zielklare Klassenpolitik zu betreiben. Die Prinzipien-zuziehen und uns als neue selbständige Partei zu konstituieren ... mit klarem Programm, Ziele und Mittel zusammengestimmt nach den Interessen der sozialistischen Weltrevolution
Auf dem Parteitag vereinigten sich die „Internationalen Kommunisten Deutschlands" nach einigen Verhandlungen mit dem Spartakus-bund. Damit wurde das leninfreundliche Element in der KPD gestärkt. Da die Linksradikalen jedoch anti-gewerkschaftlich
Der Versuch, die revolutionären Obleute, die in Berlin während und nach der Revolution unter der Arbeiterschaft eine große Rolle spielten, für die Partei zu gewinnen, schlug fehl. Die Obleute verlangten, daß der Beschluß über den Anti-Parlamentarismus zurückgenommen und jede Putschtaktik abgelehnt werde. Sie wollten Parität der Programm-kommission, Einfluß auf die Presse und Streichung von „Spartakusbund“ aus dem Parteinamen. Wegen dieser Forderungen kam eine Einigung mit den revolutionären Obleuten unter Däumig und Ledebour nicht zustande.
Zum Programm der neuen Partei hielt Rosa Luxemburg eine ausführliche Rede. Nach einer Abrechnung mit der SPD und LISP erklärte sie: „Der Sozialismus wird nicht gemacht und kann nicht gemacht werden durch Dekrete, auch nicht von einer noch so ausgezeichneten sozialistischen Regierung. Der Sozialismus muß durch die Massen, durch jeden Proletarier gemadit werden. Dort, wo sie an die Kette des Kapitalismus geschmiedet sind, dort muß die Kette zerbrochen werden. Nur das ist Sozialismus, nur so kann Sozialismus gemadit werden
Sie meinte, es gebe nur einen Weg den Frieden zu sichern, nämlich die Weltrevolution des Proletariats
Der Parteitag wählte eine Zentrale mit 12 Mitgliedern: Hermann Duncker, Käthe Duncker, Eberlein, Frölich, Lange, Jogiches, Levi, Lieb-knecht, Luxemburg, Meyer, Pieck und Thalheimer
Liebknecht hatte kurz vor der Parteigründung erklärt, selbst eine sozialistische Nationalversammlung könne wegen des Widerstands der Kapitalisten den Sozialismus nicht bringen. Hier sei „einzig und allein der außerparlamentarische, revolutionäre Kampf des Proletariats entscheidend. Nur durdt ihn ist das Proletariat imstande, die Geselsdiaft nach seinem Willen zu formen
Allerdings betonte er auch:
nicht zur Gewalt und nidtt zum Blutvergießen rufen wir das Proletariat auf; aber wir rufen es auf zu revolutionärer Tatbereitschaft und zur Entfaltung all seiner Energie, auf daß es den Neubau der Welt in seine Hände nehme ... Das revolutionäre Proletariat darf keinen Augenblidi mehr zögern, die bürgerlichen Elemente aus allen ihren politischen und sozialen Maditstellungen zu entfernen; es muß die ganze Macht selbst in seine Hände nehmen. Gewiß, wir werden zur Durdtführung der Sozialisierung des Wirtschaftslebens die Mitwirkung auch der bürgerlichen Intelligenz, der Fadimänner, der Ingenieure braudien; aber sie werden unter Kontrolle des Proletariats ihre Arbeit verriduen
Der Gründungsparteitag der Kommunistischen Partei Deutschlands machte offenbar, daß die neue Partei in sich noch sehr widersprüchlich war, die Mehrheit für den Wahlboykott schien Rosa Luxemburgs Skepsis recht zu geben; Jogiches überlegte während der Sitzung sogar, ob man den Parteitag auffliegen lassen solle
II. Der Einfluß Moskaus wächst
1. Spartakusbund und Bolschewiki
Die Konferenzen von Zimmerwald und Kienthal während des Krieges hatten den Grundstein einer Zusammenarbeit zwischen den linken Gruppen gelegt, die auch nach dem Sieg der Bolschewiki nicht abbrach.
Die russische Revolution, der Sturz des Zarismus und auch der Sieg der Bolschewiki hatte unter der Arbeiterschaft vieler Länder große Sympathie gefunden
Innerhalb des Spartakusbundes, dessen Vertreter auf der Zimmer-wälder Konferenz noch gegen die Bolschewiki gestimmt hatten, war man für die Eindrücke aus dem revolutionären Rußland besonders empfänglich. Ein Teil der Führer näherte sich der bolschewistischen Theorie. Sie hatten zum Teil schon vor dem Kriege den Parlamentarismus abgelehnt und nach neuen Formen für den proletarischen Staat gesucht. Lenins Rätetheorie und die russische Verfassung von 1918 wurden nun als konkrete Übergangsform zum Sozialismus angesehen.
Doch ebenso, wie Rosa Luxemburg die Gründung der KPD für verfrüht hielt und möglichst lange mit den USP-Massen in Verbindung bleiben wollte, so war sie auch gegen voreilige Versuche, eine neue Internationale der kleinen radikalen und den Bolschewiki nahestehenden Gruppen zu bilden. Der deutsche Delegierte auf dem Gründungskongreß der Komintern „Max Albert“ (d. h. Hugo Eberlein) war von ihr verpflichtet worden, sich mit allen Mitteln einer sofortigen Gründung zu widersetzen.
Die III. Internationale wurde im März 1919 gegründet. An der Konferenz nahmen infolge der militärischen Intervention und Blockade gegen die Sowjetunion nur eine kleinere Anzahl von Vertretern revolutionärer Organisationen teil
Obwohl sich die KPD der III. Internationale 55a) trotzdem anschloß, blieben zunächst eine Reihe nicht unbedeutender Unterschiede zwischen den bolschewistischen und spartakistischen Ansichten bestehen. In den Grundfragen waren sich beide Richtungen einig: man erstrebte die Weltrevolution, die Räteherrschaft als Form der Diktatur des Proletariats und bekämpfte die rechten Sozialdemokraten als „Kriegssozialisten“ und die linken (USP) als „Zentristen“, aber noch immer war die Auffassung von der Rolle der Partei und von den konkreten Formen der Übergangsherrschaft recht verschieden. Das Prinzip der bolschewistischen Parteigestaltung, der Zentralismus, war nicht nur auf dem Gründungsparteitag abgelehnt worden, sondern fand selbst auf dem 5. Parteitag Ende 1920 noch Gegner. Der Delegierte Tittel aus Stuttgart wandte sich gegen den „bürokratischen Zentralismus
Radek verlangte dagegen im selben Jahr strafferen Zentralismus und das Recht der Zentrale „einzelnen Organisationen bis zur Parteikonferenz das Recht zu nehmen, im Namen der Partei zu sprechen, einzelne Genossen auszusdiließen, zu einzelnen Fragen selbständig Stellung zu nehmen .. .
Während das Programm des Spartakusbundes den Terror als Kampf-mittel scharf zurückgewiesen hatte, meinte Radek ein Jahr später zur deutschen KP „Diktatur ohne Bereitsdiaft zum Terrorismus ist ein Messer ohne Klinge. Diese Diktatur muß eine Arbeiterdiktatur sein...
Die unterschiedlichen Auffassungen zwischen Spartakusbund und Bolschewiki (die auch in der Bauern-und Nationalitätenfrage bestanden) rangen um die theoretische Vorrangstellung in der KPD. Daß die Bol-
schewiki siegreich blieben, während der Spartakusbund Niederlagen erlitt, schien die bolschewistische Theorie zu rechtfertigen und verlieh ihr auch innerhalb der KPD mehr Gewicht. Doch wirkten die Thesen Rosa Luxemburgs noch jahrelang weiter. Sie hatte durch ihre praktische Tätigkeit nach der deutschen Revolution ihre Kritik an den Bolschewiki selbst abgeschwächt und ja von Anfang an die Oktoberrevolution begrüßt, aber ihre kritische Stellungnahme blieb doch von grundsätzlicher Bedeutung. In ihrer im Gefängnis geschriebenen Broschüre hatte sie gesagt: „Ohne allgemeine Wahlen, ungehemmte Preß-und Versammlungsfreiheit, freien Meinungskampf erstirbt das Leben in jeder öffentlichen Institution, wird zum Scheinleben, in der die Bureaukratie allein das tätige Element bleibt. Diesem Gesetz entzieht sich niemand. Das öffentliche Leben schläft allmählidt ein, einige Dutzend Parteiführer von unerschöpflicher Energie und grenzenlosem Idealismus dirigieren und regieren, unter ihnen leitet in Wirklidrkeit ein Dutzend hervorragender Köpfe und eine Elite der Arbeiterschaft wird von Zeit zu Zeit zu Versammlungen aufgeboten, um den Reden der Führer Beifall zu klatschen, vorgelegten Resolutionen einstimmig zuzustimmen, im Grunde also eine Cliquenwirtsdraft — eine Diktatur allerdings, aber nicht die Diktatur des Proletariats, sondern die Diktatur einer Handvoll Politiker, d. h. Diktatur im bürgerlichen Sinne, im Sinn der Jakobiner Herrschaft . . .
2. Die Linken und die Weimarer Republik
Im Januar 1919, kurze Zeit nach dem KPD-Gründungsparteitag fand der sogenannte Spartakusaufstand statt. Nachdem die USP aus der Regierung ausgeschieden war, sollte der Berliner Polizeipräsident Eichhorn (USP) abgesetzt werden. Er weigerte sich, seinen Posten zu verlassen und die Berliner USP, die revolutionären Betriebsobleute und die KPD riefen ihre Anhänger auf die Straße. Im Verlauf der Auseinandersetzungen erklärte ein Revolutionskomitee unter Liebknecht und Ledebour (USP) die Ebert-Regierung für abgesetzt. Liebknecht setzte sich damit in Widerspruch zur Spartakus-Zentrale, die sich ausdrücklich gegen den Regierungssturz stellte
Der Aufstand war aus der Erbitterung und Enttäuschung der radikalen Arbeiter entstanden, die erkannten, daß die Revolution keinen sozialistischen Staat bringen werde und daß die Macht der Räte zu Ende ginge. Die Arbeiter wehrten sich, ohne klare Vorstellungen vom Ziel ihrer Kämpfe zu haben.
Am 15. Januar 1919 wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verhaftet und ohne Verhör oder Gerichtsverfahren von Freikorpstruppen mißhandelt und ermordet. „Die feige brutale Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ... gehört zu den scheußlichsten Auswüchsen jener bewegten Zeit. Die Mörder kamen vor ein Militärgericht und wurden zu geringfügigen Gefängnisstrafen verurteilt
Rosa Luxemburg wurde durch ihre später veröffentlichten Briefe nicht nur als glühende Revolutionärin und Kämpferin, sondern auch als ein sehr warmherziger und empfindsamer Mensch bekannt. Ihr wahrer Charakter geht aus einem Brief hervor, den sie aus dem Gefängnis an einen engen Freund schrieb: „Sie wissen ich fühle und leide mit jeglidier Kreatur, eine Wespe, die mir ins Tintenfaß rutscht, spüle ich dreimal mit lauwarmen Wasser und trockne sie auf dem Balkon in der Sonne, um ihr das bißchen Leben zurückzugeben. . . . mein Mitleid wie meine Freundsdtaft haben eine ganz bestimmte Grenze: sie enden haarscharf dort, wo die Gemeinheit beginnt. ... Nun ich sage Ihnen, Hänschen, wenn mir der beste Freund einmal sagen würde: ich habe nur die Wahl, eine Gemeinheit zu begehen oder vor Leid zu sterben, dann würde ich ihm mit eisiger Ruhe antworten: dann stirb. . . . Aber das hat mit Temperament auch nichts zu tun, Sie wissen, daß ich davon genug besitze, um eine Prairie in Brand zu stecken, und dodr ist mir der Friede und der einfache Wunsch jedes anderen Menschen ein Heiligtum, vor dem ich lieber zusammenbreche, als es roh anzutasten. Schluß damit; zu keiner Seele außer Ihnen sage ich ein Wort über die traurige Sache
Für Rosa Luxemburg war der Sozialismus ein Problem der Menschlichkeit und sie sah den Klassenkampf und die Revolution als VorausSetzung und darum als notwendiges Übel, keineswegs als Selbstzweck an.
Die KPD nahm unter dem Nachfolger von Luxemburg und Lieb-knecht, Paul Levi, eineTrennung von den linksradikalen Elementen vor
Die Partei war nach der Revolution fast ständig gezwungen, illegal zu wirken (der 2., 3. und 4. Parteitag wurden geheim durchgeführt). Der Gegensatz zwischen der KPD und der Weimarer Republik wurde zusehends schärfer, weil einerseits die junge Partei mehr und mehr in die Abhängigkeit von der Sowjetunion geriet und sich andererseits eine Radikalisierung der Arbeiter gegen restaurative Tendenzen in der Weimarer Republik auch innerhalb der KPD widerspiegelte. „Täglich wurden Spartakistenputsche angekündigt. „Bolschewismus" und „Spartakismus" wurden zum Bürgerschreck. , Der Bolsdiewismus will die Sozialisierung der Frauen!'Jedes Verbrechen, das geschah, wurde Spartakus aufs Konto gesetzt. Die Anhänger Liebknechts und Luxemburgs und diese sebst wurden als eine Horde von Mordbrennern hingestellt
Welchen restaurativen Charakter die Weimarer Demokratie durch diese Zusammenarbeit in den Augen der Linken bekommen mußte, zeigt die Tatsache, daß (bis nach dem Kapp-Putsch) Oberst Walter Reinhardt Stellvertreter des Wehrministers Noske war. Er hatte nicht nur im Mai 1919 eine Aufstandsbewegung von hohen Offizieren in Preußen gegen die Regierung unterstützt, sondern auch in aller Öffentlichkeit in einem Interview erklärt: „ Ich mache keinen Flehl daraus, daß ich Monarchist bin. Mein Gott, wenn man dreißig Jahre lang seinem König und Kaiser treu gedient hat, dann kann man nicht plötzlich sagen: Von morgen an bin ich Republikaner.. Wie sehen Sie die nachstehende Zukunft an? . . . , Dann muß zugepadu werden , Eine Militärdiktatur?“ . Nennen Sies, wie Sie wollen. Dann gehts gerade oder ungerade ... es muß dafür gesorgt werden, daß eine starke Regierung neben und zu uns steht. Ordnung schaffen wollen wir — und wenn es sein muß, mit Gewalt.“
Eine soldte zivil-militärische Diktatur würde sich nidu drei Tage halten können, wandte ich ein. , Die Arbeiter würden in den Generalstreik treten und ihre sdrönsten Berechnungen über den Haufen werfen.“ , Da bin ich dodt anderer Ansicht. Lassen Sie sichs erzählen, wie ichs in Obersddesien gemacht habe. Die paar Reichswehrtruppen waren, als es dort unten drüben und drunter ging, so verängstigt und eingesdrüdttert, daß sie sich nicht aus den Kasernen herauswagten. Die Einwohner, Frauen und Kinder, waren entschlossener als die Soldaten, auf die es die Aufrührer vor allem abgesehen hatten. Nachts braduen sie den Truppen heimlich was zu essen. So war die Lage, als ich nadt Oberschlesien mit meiner Truppe ankam. Idi fuhr wie ein Donnerwetter drein. Ein paar Rädelsführer, die schlimmsten wurden niedergeknallt. So was muß sein. Arbeitszwang wurde eingeführt. Und Sie hätten nur sehen sollen, wie die Arbeiter am nächsten Morgen auf die Arbeitsstätte erschienen! In ihren schwarzen Bratenröcken kamen sie angelaufen. Die Ordnung war wieder hergestellt.“ , Und dieses Rezept würden Sie dann ganz allgemein anwenden wollen? * . Gewiß“ . Also Gallifet?“ Jawohl, Gallifet“
Auch die Justiz war in erster Linie gegen die Linke gerichtet. In seinem Buch „Vier Jahre politischer Mord“, wies E. J. Gumbel nach, daß zwischen Januar 1919 und Juni 1922 354 politische Morde von der Rechten und 22 von der Linken begangen wurden, daß nur 24 Personen von der Rechten (darunter kein Todesurteil), aber 38 Personen von der Linken (darunter 10 Todesurteile) bestraft wurden. Die durchschnittliche Gefängnisdauer für einen Mord betrug bei der Rechten 4 Monate; bei der Linken 15 Jahre. „Es ist amtlich bestätigt, daß fast alle (400 politischen Morde, H. W.) von rechtsradikaler Seite begangen wurden, und es ist amtlich bestätigt, daß die überwältigende Zahl dieser Morde unbestraft geblieben ist
Der radikale Teil der deutschen Arbeiterschaft, welcher der KPD anhing, geriet in immer krasseren Gegensatz zur Weimarer Republik (während andererseits — hier kann nur darauf hingewiesen werden — sich eine Zusammenarbeit zwischen Reichswehr und der Sowjetunion anbahnte). Aus ihrer zwiespältigen Lage heraus nahm die KPD-Führung auch anfänglich eine recht eigenartige Stellung zum Kapp-Putsch ein.
Die Zentrale der KPD hat am 13. März in einem Aufruf den Generalstreik gegen den Kapp-Putsch abgelehnt. Die KPD-Leitung analysierte die Auseinandersetzung als einen Kampf zwischen zwei gegen-revolutionären Flügeln, Kapp und Ebert.
In einem offiziellen Flugblatt der KPD hieß es:
„Sollen die Arbeiter in diesem Augenblick sich zum Generalstreik erheben? Die Arbeiterklasse . . . ist in diesem Augenblick nicht aktionsfähig. Wir halten es für unsere Pflicht, das klar auszusprechen. Die Arbeiterklasse wird den Kampf gegen die Militärdiktatur aufnehmen in dem Augenblidi und mit den Mitteln, die ihr günstig erscheinen. Dieser Augenblick ist noch nicht da
Die Macht des Generalstreiks zerfetzte allerdings die Aufrufe der KPD-Parteizentrale. Unter dem Druck der Ereignisse (und dem Einfluß des inzwischen aus dem Gefängnis entlassenen Levi) rief die KPD am 15. März auf: „Für den Generalstreik!“
3. Die Massenpartei
Die Radikalisierung der Arbeiter, die Spaltung der USP und der Übergang des linken Flügels zur KPD, führten dazu, daß aus der schwachen KPD (auf dem 5. Parteitag 1920 zählte man 78 000 Mitglieder) eine Massenpartei mit mehreren Hunderttausend Mitgliedern wurde. Innerhalb der USP hatten sich immer deutlicher zwei Richtungen heraus-geschält Der linke Flügel bekannte sich praktisch zum Kommunismus. Unter seinem Druck hatte die Partei die Diktatur des Proletariats und das Rätesystem anerkannt und den Anschluß an die III. Internationale angestrebt. „Die USP stellt sich auf den Boden des Rätesystems. Sie unterstützt die Räte in ihrem Ringen um die wirtschaftlidre und politische Macht. Sie erstrebt die Diktatur des Proletariats.
Da die Komintern bei den Verhandlungen mit den USP-Führern in Moskau nicht bereit waren, auch den „rechten Flügel“ der USP in die III. Internationale aufzunehmen und die „ 21 Bedingungen“ erfüllt wis-sen wollte, kam es 1920 zur Spaltung der USP. Auf dem außerordentlichen Parteitag in Halle (einem Bezirk der fast völlig auf dem Boden des linken Flügel stand) kam es zum Bruch. Auf dem stürmischen Kongreß stellte der Komintern-Vorsitzende Sinowjew den Delegierten die Alternative: „Ihr müßt Eudt klar entscheiden: für Mensdtewismus oder Bolschewismus
Zwar wiesen einige USP-Führer darauf hin, daß es sich nicht um eine Wahl zwischen Bolschewismus und Menschewismus handeln könne, da der deutsche Kommunismus andere Wurzeln habe als der Bolschewismus. Die Delegierten entschieden sich jedoch mit großer Mehrheit (237 gegen 156) für den Anschluß an die Komintern
Die neue KPD hatte sich schon erheblich von den alten Vorstellungen des Spartakusbundes entfernt. Mit der USP kamen eine Reihe von Führern in die Vereinigte KPD, die der Kominternführung uneingeschränkte Anhänglichkeit entgegenbrachten und dem Bolschewismus sehr viel näher standen als dem „Luxemburgismus".
Die neue Massenpartei wurde in wenigen Jahren zu einer „bolschewistischen" (eigentlich zu einer stalinistischen) Partei umgeformt und damit zu einem Machtinstrument der sowjetischen Außenpolitik degradiert.
4. Die März-Aktion 1921
Im März 1921 wurde in Mitteldeutschland von der Vereinigten Kommunistischen Partei (VKPD) eine Aktion durchgeführt, die von den Interessen Sowjetrußlands diktiert war. Paul Levi hatte bald nach dem Vereinigungsparteitag Differenzen mit der Komintern und schied (zusammen mit Zetkin, Däumig, Hoffmann und Braß) aus der Zentrale aus. Die neue Zentrale wollte beweisen, daß der Partei die revolutionäre Offensive möglich sei. Sie wollte zeigen, daß die Furcht vor dem Putschismus die sich in der Partei nach der Niederlage im Januar 1919 festgesetzt hatte, endgültig überwunden sei. Man begann alsbald mit der agitatorischen Vorbereitung der Aktion, die nach Ostern beginnen sollte
5. Schlageterkurs
Die neue Führung versuchte aus der Kritik an der Offensiv-Theorie zu lernen und stellte die Einheitsfront-Politik in den Mittelpunkt. Brandler erklärte, daß „die Taktik der Einheitsfront und die Losung: Heran an die Massen ..." eine Folge der Umstellung der Politik war
Doch auch im Jahre 1923 zeigte sich, daß die KPD eine Politik betrieb, die von den Erfordernissen der sowjetischen Außenpolitik bestimmt wurde. Karl Radek, schon 1919 eine zentrale Figur bei der Verbindung zwischen der deutschen und der russischen KP, stand dabei im Mittelpunkt.
Im Interesse der „bedrohten Sowjetunion“ — mit der die KP-Führer immer eine für ihre Anhänger ungenießbare Politik schmackhaft machen — versuchte Radek in der Zeit von Genua und Rapallo auch zu einer Zusammenarbeit zwischen der deutschen KP und den deutschen Rechtskreisen zu kommen.
Diese Idee war nicht ganz neu. Wolffheim und Laufenberg, die nach dem 2. Parteitag aus der KPD ausgetreten waren, trennten sich auch von der KAP und propagierten direkt einen „National-Bolschewismus". Sie hatten schon Ende 1919 Radek im Berliner Gefängnis ausgesucht und ihm erklärt, das deutsche Volk gehe durch den Versailler Vertrag unter, wenn nicht alle Kräfte der Nation gegen den Westen zusammengefaßt würden. Da die Westmächte außenpolitisch Sowjet-Rußlands Hauptfeinde waren, erwog Radek schon damals ein Bündnis mit dem besiegten Deutschland gegen den Westen. Als er im Januar 1920 nach Moskau zurückkehrte und Bericht erstattete, lehnte Lenin den National-
Bolschewismus „glattweg als einen himmelscltreienden Unsinn ab
Im Jahre 1923 aber griff Radek auf diese Politik zurück. Er leitete sie am 20. Juni 1923 mit seiner berühmten „Schlageter-Rede" ein. Schlageter der mutige Soldat der Konterrevolution verdiente es, meinte Radek, von den Soldaten der Revolution gewürdigt zu werden. „Wir fragen die ehrlich-patriotischen Massen, die begierig sind, gegen den französisch-imperialistischen Einfall zu kämpfen: Wie wollt ihr kämpfen, auf wessen Unterstützung könnt ihr rechnen
Natürlich sah Radek nur einen Ausweg für die „Patrioten“ — mit der Sowjetunion und mit der KPD zusammenzuarbeiten. Es war die Zeit der französischen Ruhrbesetzung und ein „Volkskrieg“ gegen Frankreich wurde zur Parole von Nationalisten und ... Kommunisten. Die KPD rief Diskussionszirkel ins Leben, in denen Kommunisten mit Nationalisten zusammentrafen, um den Kampf gegen Frankreich vorzubereiten. Die Jugendgruppen der KPD nahmen Verbindung zu nationalistischen Studentenorganisationen auf, es war wie ein Taumel. „Konzentriert die Propaganda auf die Schlageter-Linie!" lautete der Parteibefehl. Der kommunistische Abgeordnete Remmele wurde in Stuttgart mit „begeistertem Beifall von Faschisten und Arbeitern“ begrüßt. Kommunistische Redner erklärten: „Die Zeit ist nicht weit, in der Kommunisten und Völkische vereint sein werden".
Radek selbst gab im Juli 1923 eine Sonderausgabe der „Roten Fahne“ (dem Zentralorgan der KPD) unter dem Titel „Deutschlands Weg“ heraus, in der er, Reventlow, und Arthur Moeller van den Bruck die Zukunft des Nationalbolschewismus erörterten
Gegen Radeks Einspruch wurde von der Komintern noch im Jahre 1923 ein antifaschistischer Kampftag angesetzt — der Schlageterkurs in Deutschland verlief im Aufstand von 1923.
Die KPD unter Brandler versuchte trotz des Zwischenspiels der Schlageterpolitik ihr altes Ziel, die Einheitsfront mit der SPD, zu verwirklichen. In Sachsen und Thüringen traten Kommunisten in linke sozialdemokratische Regierungen ein. Als im Oktober 1923 die Krise in Deutschland wiederum auf dem Höhepunkt angelangt war, konnte sich die Brandler-Thalheimer-Führung nicht entschließen, zu einem kommunistischen Aufstand, wie ihn der linke Flügel der Partei forderte, aufzurufen.
Die KPD-Führung wollte es auf einer Betriebsräteversammlung in Chemnitz nicht zu Bruch mit der linken SPD kommen lassen und stieß deshalb vorher gefaßte Aufstandspläne einstimmig um. Nur in Hamburg kam es zum Aufstand. Während der'Chemnitzer Konferenz, beschreibtFlecht« heim, warteten die Kuriere mit dem Aufstandsbefehl auf das Startzeichen. Thälmann kam aus dem Beratungssaal und rief auf eigene Faust den Kurieren zu: „Haut ab! Fahrt los! Geht in Ordnung!" Als er dann Brandler seine Heldentat erzählte, gelang es diesem, alle Kuriere noch auf dem Bahnhof abzufangen. Nur der Instrukteur für Hamburg war bereits abgefahren und konnte nicht mehr erreicht werden. So kämpften in Hamburg ein paar hundert Kommunisten vom 24. bis 26. Oktober gegen die Polizei
Der Hamburger Aufstand war ein „tragisch-groteskes Finale zur revolutionären Nachkriegskrise
III. Die Stalinisierung der KPD
L Der Stalinismus
Da die Komintern eine straff zentralisierte „Weltpartei“ war, mußte sich die russische Entwicklung in den einzelnen Parteien widerspiegeln. Je stärker sich die revolutionäre Sowjetmacht zur Apparatherrschaft veränderte, desto mehr wurden auch die verschiedenen Kommunistischen Parteien den Apparaten ausgeliefert.
Der Stalinismus als gesellschaftliches und politisches System, entstand nach der Oktoberrevolution in Rußland. Die Zielsetzung dieser Revolution, eine neue, gerechte soziale Ordnung ohne Klassen und Privilegien aufzubauen, scheiterte an der Isolierung der Revolution und an der Rückständigkeit Rußlands auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet.
Die Bürokratie (besonders die Führerschicht und der Apparat in der Partei, der Wirtschaft, der Verwaltung, der Armee und der Geheimpolizei) errichtete eine diktatorische Herrschaft, unter der sich in den folgenden Jahrzehnten die Entwicklung in der Sowjetunion vollzog.
Der Stalinismus ist gekennzeichnet durch die Herrschaft des Apparats, durch die wirtschaftliche und politische Privilegierung der bürokratischen Oberschicht, durch große soziale Differenzierung, das Fehlen jeder ernsthaften Mitbestimmung der Arbeiter in Politik, Wirtschaft und im Betrieb, die völlige Unterordnung der Gewerkschaften unter den Staat, die Festsetzung von Löhnen und Normen durch den Staat und die Einmannherrschaft im Betrieb wie in der gesamten Wirtschaft. Die politische Seite des Stalinismus ist das Einparteiensystem, in dem die gesamte politische Macht in den Händen einer kleinen Parteispitze liegt, die vermittels des Apparats herrscht, bloße Scheinfunktionen der Volksvertretungen, Fehlen jeder politischen Freiheit und Diskussion im Staat und Partei, straffer Zentralismus, Beherrschung des Lebens durch die Geheimpolizei, chauvinistische Nationalitätenpolitik und eine neue Ideologie, welche die Herrschaft der Bürokratie verschleiern soll.
Unter Lenin war die innerparteiliche Auseinandersetzung eine ständige Begleiterscheinung des politischen Lebens. Doch bereits 1921 wurden Fraktionen innerhalb der Partei verboten. Das war eine schwerwiegende Entscheidung. Damit wurde auf dem X. Parteitag 1921 die innerparteiliche Demokratie, der letzte Hort politischer Demokratie nach dem Verbot aller anderen Parteien, radikal eingeschränkt. Hier zeigt sich, wie schon zu Lebzeiten Lenins die Bürokratie und die Führung ihre Macht gegen jede Opposition mit allen Mitteln verteidigten. Die politischeTendenzen, die sich wenigstens im Rahmen der Kommunistischen Partei herauskristallisierten und sich gegenüberstanden, fanden keine legale Möglicheit mehr zur Fraktionsbildung.
Doch bis zur endgültigen Festigung der Macht des Stalinismus (und damit der des Apparats) mußten noch eine ganze Reihe von Gruppierungen innerhalb der Partei überwunden werden. Genauer gesagt, erst mußte die Partei völlig umgestülpt, mußten die Revolutionäre durch Apparatleute ersetzt werden. Die Jahre von 1923 bis 1929, bis zur Stabilisierung der Stalin-Herrschaft, sind daher auch die Zeit, in welcher der innerparteiliche Kampf am heftigsten wütete. Dabei wurde die Politik des Apparats im wesentlichen von zwei Seiten, sowohl von links wie von rechts angegriffen. Die Stalin-Fraktion stützte sich zur Erhaltung ihrer Macht auf die verschiedenen Gruppen, spielte die eine gegen die andere aus, um sie am Ende alle auszuschalten. 1923 kam es unter der immer erschreckender werdenden Zusammenballung der Macht in der Zentrale und im Apparat zur ersten breiteren Opposition von links.
Unter Führung Trotzkis forderte die linke Opposition: Entmachtung des Apparats, Ablösung der „entarteten" Führer, Stützung auf die Jugend in der Politik, verstärkte Industriealisierung, größere Rechte für die Arbeiter.
Mit wütenden Angriffen zog die Parteimehrheit unter Führung von Sinowjew, Kamenew, Stalin und Bucharin gegen den „Trotzkismus" zu Felde. Gewinner der Auseinandersetzung war allein der Apparat unter Stalin, der seine Position festigte. 1925 bildete sich die „Neue Opposition" unter Sinowjew und Kamenew gegen Stalin heraus. Wiederum blieb der Apparat Sieger. Im Frühjahr 1926 schloß sich die geschlagene Sinowjew-Kamenew-Gruppe mit den Trotzkisten zum „Oppositionsblock“ zusammen, um eine letzte Kraftanstrengung gegen die Herrschaft des Apparats zu unternehmen. 1927 kapitulierte die Sinowjew-Opposition vor Stalin, gab der Parteiführung recht und ihre Anhänger wurden wieder in die Partei ausgenommen, ohne bedeutende Funktionen zu erhalten. Die Trotz-kisten wurden verbannt — die linke Opposition war geschlagen. Doch bereits ein Jahr später zeigten sich die ersten Anzeichen einer erneuten Opposition! Die Parteiführung unter Stalin begann mit einer „linken" Politik und führte die Forderungen der ehemaligen linken Opposition überstürzt und verzerrt durch: rasche Industriealisierung und Kurs gegen die „Kulaken“. 1929 traten Bucharin, Rykow und Tomski offen gegen den Apparat auf. Doch viel schneller als die linke Opposition wurden die Rechten von dem inzwischen allmächtig gewordenen Apparat geschlagen.
Stalin hatte kaum seine Gegner von links und rechts unterdrückt, da mußte die Geheimpolizei bereits die erste „geheime Opposition" entdecken. Eine Gruppe junger Funktionäre, die vorher nichts mit einer Opposition zu tun hatte, schloß sich illegal zusammen, um Stalin zu stürzen. Der sogenannte Rechts-Links-Block stand 1930 unter Führung von Syrzow (damals Regierungschef der RSFSR) und Lominadse (Parteisekretär im Transkaukasus). Diese Gruppierung hatte aus dem Schicksal der alten Opposition gelernt und sich gehütet, offen gegen Stalin anzukämpfen; sie hatten im geheimen gegen ihn und den Apparat gewirkt. Ähnliche Gruppen wirkten bis 1932 unter Rjutin und Slepkow, eine Parallelorganisation unter Eismont, A. P. Smirnow u. a.
Der „Ausweg“ den Stalin fand, war die große Säuberung. Da die Widersprüchlichkeit der Sowjetgesellschaft, (letztlich die Ursache der Auseinandersetzung) nicht behoben, sondern noch größer geworden war, mußte sie weiterhin in verschiedenen Richtungen ihren Ausdruck finden, bis schließlich die Methoden der Liquidierung nicht nur die Partei um-stülpte, sondern auch die neue Form der „Austragung von Richtungskämpfen“ wurde.
In Deutschland mußte nach der „Oktober-Niederlage“ die Brandler-Thalheimer Führung einer sogenannten Mittelgruppe weichen, die bis zum illegalen Parteitag in Frankfurt (April 1924) die KPD leitete. Innerhalb der Partei hatten sich drei Fraktionen herausgebildet. Die rechte Brandler-Gruppe hatte so gut wie keinen Einfluß mehr. Die Linken, die schon unter der Brandler-Führung starke Bezirke (wie Berlin und Wasserkante) hinter sich hatten, wurden zur stärksten Fraktion. Die Führer der Mittelgruppe, die sich nach dem Oktober von Brandler getrennt hatten, waren die einzigen bedingungslosen Anhänger der Moskauer Komintern-Führung. Die Mittelgruppe machte besonders den Linken Vorwürfe und bezichtigte einige linke Führer des „AntiBolschewismus“. Kleine-Guralskij, der damalige Führer der Mittel-gruppe, erklärte auf dem 9. Parteitag; die Bolschewisierung der Partei bedeute vor allem ideologischer Kampf gegen alle sozialdemokratischen ilberreste, reformistischen Abweichungen, KAP-Abweichungen. »Rosa Luxemburg war eine grosse Kämpferin . , . Aber ideologisch war sie eine Linksmenschewistin. Die Leninsche Theorie war viel weiter vorwärts. Wenn jetzt ein leitender Genosse (gemeint war der Linke Rosenberg, H. W.) in dieser Frage zu Rosa Luxemburg steht, so ist das Menschewismus, ganz gleich in weldter Fraktionsfarbe ...
Noch ein Beispiel: der „Rote Kurier“ in Leipzig, ein Linksblatt, wendet sich gegen die Finheitsfronttaktik, weil sie nur den engeren Interessen Sowjetrußlands diene. Das ist die Nachfolge von Levi... Was der „Kurier“ klar sagt, spricht Genossin Fischer versddeiert aus: Wir werden gegen die Exekutive kämpfen 92J."
Doch die Mittelgruppe wurde auf dem 9. Parteitag völlig geschlagen.
Unter der Losung der „Bolschewisierung“ der Partei versuchte die linke Führung, die Theorie des Leninismus fest zu verankern und sie begann, die Partei organisatorisch auf Betriebszellen umzustellen. Der Spartakusbund war sowohl in Wohnbezirks-als auch in Betriebsorganisationen aufgebaut. Diese Verbindung von Wohnbezirks-und Betriebszellenorganisation hat sich nicht lange gehalten. Geblieben war nur die Wohnbezirksorganisation
Die Linke war überzeugt mit der „Bolschewisierung“, die Rechten der Partei, den „Opportunismus" zu treffen. Ruth Fischer sagte im März 1925: „Die Losung der Bolschewisierung ist also entstanden int Kampf gegen den Opportunismus innerhalb der Komintern
Unter der Losung der „Bolschewisierung" wurde auch der Kampf gegen den „Trotzkismus“ geführt, der nicht nur in Rußland, sondern in der ganzen Komintern ausgetragen wurde. Dabei wandte man sich in der KPD scharf gegen den „Luxemburgismus“ der als eine Spielart des Trotzkismus denunziert und befehdet wurde.
Trotz dieser „Bolschewisierungs-Kampagne" befürchtete die Komintern-Führung eine zu große Selbständigkeit der deutschen KP unter der linken Leitung. Zweifellos versuchten einige Führer von der Apparat-herrschaft der Sowjetunion loszukommen. Die Linken wurden aber sehr rasch unter sich selbst uneinig; an zweitrangigen tagespolitischen Problemen zerbrach die Möglichkeit einer Unabhängigkeit des deutschen Kommunismus.
Die Auseinandersetzungen um das Gewerkschaftsproblem (einige Ultralinke waren gegen jede Gewerkschaftsarbeit), die Reichspräsidentenwahl (beim zweiten Wahlgang ermöglichte die Kandidatur Thälmanns den Sieg Hindenburgs), zersplitterte die linke Führung. Scholem, Katz und Rosenberg von der Zentrale gerieten in Opposition zur Fischer-Maslow-Führung und wurden auf dem 10. Parteitag (Juli 1925) geschlagen. Schon damals wurde das als Erfolg der „Bolschewisierung" ausgegeben: „Auf dem 10. Parteitag hat sich die KPD zum erstenmal bewußt und einheitlich, ohne jeden Vorbehalt, auf den Boden des Bolsdtewismus gestellt
Der Zerfall der Linken brachte es mit sich, daß die Führer der Mittel-gruppe, die unbedingte Anhänger Moskaus waren, wieder Einfluß auf die Geschicke der Parteileitung bekamen. Die Linken hatten sich mit der „Bolschewisierung“ und dem Ruf nach „Einheitlichkeit“ selbst eine Grube geschaufelt. Sie hatten schon auf dem 9. Parteitag gefordert: „Die Partei muß einheitlich gemacht werden. Ihre Führung muß einheitlich sein, ihre Ideologie einheitlidt ihre Struktur einheitlich
Mit den selben Losungen wurden sie nun geschlagen. Als Ende 1925 Ruth Fischer und Maslow (die sich zur deutschen „Sinowjew-Fraktion" entwickelt hatten) von der Führung ausgeschlossen wurden, waren auch in Deutschland die Kräfte des Stalinismus siegreich geworden. Wie kurze Zeit später die russische linke Opposition, so war die deutsche Linke vom Apparat geschlagen worden. Der „offene Brief“ der Komintern, der die Absetzung der Fischer-Maslow-Führung brachte, zeigte überdies die endgültige Abhängigkeit der deutschen KP von Moskau" ). Der stalinistische Flügel der KPD frohlockte: „Unser jetziger Kampf gilt der Zerstörung der langjährigen Traditionen. Es handelt sich um nichts weniger als um die endgültige Eingliederung der KPD in die Kommunistische Weltpartei. Die KPD, die sich bei der Gründung der Komintern der Stimme enthielt, vollzieht erst in dieser Auseinandersetzung die letzte endgültige, tatsächlidte Abstimmung für die Komintern. Eine Abstimmung, nicht im buchstäblichen, sondern im tiefsten historischen Sinne
2. Stalins 12 Bedingungen
In den Anfangsjahren der KPD stand die Unterordnung der deutschen Kommunisten unter die russischen Interessen in keinem Verhältnis zu der Periode, in der Stalin die Macht hatte. Die Parteiführung unter Lenin behauptete niemals, daß Rußland die Führung der internationalen Arbeiterbewegung übernehmen, oder die Bolschewistische Partei eine bevorrechtete Partei sein solle. „Es wäre lächerlich
Im Juni 1921 hatte Lenin den italienischen Sozialisten zugesichert, daß die Kommunistische Internationale von ihren Sektionen „niemals verlangen wird", daß sie „die Russen sklavisch nad^ahmen
Audi wenn unter der Leitung Sinowjews
Nach seinem Sieg in Rußland versuchte Stalin, der sich vorher nicht um Komintern-Angelegenheiten gekümmert hatte, auch in der Internationale Anhänger zu finden und diese an die Macht zu bringen.
Die Veränderungen der Parteiführung und die Gruppenkämpfe wurden vor Stalins Machtantritt noch von politischen Auseinandersetzungen bestimmt, unter Stalin spiegelten sie zunächst die russischen Fraktionskämpfe wider, bis sie in stalinistische Säuberungen ausarteten.
Wie in der Sowjetunion, so stützte sich auch Stalin in der Komintern auf den Apparat. Auch in Deutschland wurde die Stalinisierung der KP vorgenommen. Das bedeutet die völlige Beherrschung der Partei durch den Apparat und die Abhängigkeit der Parteiführung von der sowjetischen Leitung. Die KPD wurde zu einer außenpolitischen Hilfstruppe der Sowjetbürokratie.
Schon im Februar 1925 hatte Stalin „ 12 Bedingungen“ der Bolschewisierung der KPD aufgestellt. Stalin verlangte, daß sich die Partei der Theorie „voll bemächtige“, daß sie die Theorie mit der Praxis verbinde, die Selbstkritik nicht fürchte und was solche Allgemeinplätze mehr sind. Bedeutsamer war schon, wenn er meinte: „ 10. Es ist notwendig, daß die Partei die soziale Zusammensetzung ihrer Organisation systematisch verbessert und sich von zersetzenden opportunistischen Elementen reinigt, wobei sie die Erreichung einer maximalen Einheitlichkeit als Ziel vor Augen haben muß. 11 . Es ist notwendig, daß die Partei eine eiserne proletarische Disziplin entwickelt, die auf der Grundlage der ideologischen Einheit, der Klarheit der Ziele der Bewegung, der Einheit des praktischen Handelns und des bewußten Verhaltens der breiten Parteimassen zu den Aufgaben der Partei erwächst
Unter Stalins Einfluß wurde in den folgenden Jahren die Bolschewisie-rung, d. h. Stalinisierung, fortgesetzt. Dabei wurden nicht nur die nach Selbständigkeit strebenden Führer abgesetzt, sondern auch die Organisationsform so umgewandelt, daß der Apparat die Partei beherrschte. Schon auf dem 10. Parteitag war als Aufgabe des Organisationsbüros festgehalten worden: ,, a) Schaffung von Ordnung im zentralen Apparat, b) Sd^affung politisch zuverlässiger und organisatorisch starker Bezirksleitungen und Stärkung deren Autorität, c) andauernde engste Verbindung mit den Bezirken, d) Schaffung eines bolschewistisdten Funktionärskorps, e) organisatorische Vorbereitung und Überwachung der Durchführung der Parteikawpagnen, f) Umbau auf Zellen
Auf diesem Parteitag wurde auch erstmals ein neues Mittel der Stalinisierung dargelegt: die Schulung der Funktionäre und Mitglieder. Als die Massenkämpfe in Deutschland beendet waren und die KPD unter den Einfluß der russischen Apparatherrschaft geriet, wurden die mitreißenden Revolutions-Ideen, die vorher viele Parteianhänger beseelten, durch trockene Schulung ersetzt. Dabei war bedeutsam, daß die Ideologie sofort in der stalinistischen Form in die Mitgliedschaft getragen wurde. Auf einer Reichs-Agitpropkonferenz verkündete Ernst Schneller, daß es der Partei an Einheitlichkeit fehle und daß die Fraktionen nur zerschlagen werden könnten, wenn die „leninistische Schulung“ verstärkt werde. „Wir haben in der Parteileitung eine eigene Abteilung Agitprop, die aber nicht durch genügend Kräfte hauptamtlich besetzt ist. Wir müssen dazu kommen, daft sie eine wirkliche Abteilung wird, ein Apparat, sowohl zentral, wie audt in den Bezirken. . .
Diesen breiten Funktionärsstamm können wir nur schaffen, wenn wir Funktionärsschulen durchzuführen imstande sind. Sowohl zentral als auch in den Bezirken und Unterbezirken müssen solche Funktionärs-schulen eingeführt werden. . . Wir brauchen tausende von Lehrern, die imstande sind, die Mitgliedschaft wirklich in den Grundlagen des Leninismus zu schulen
3. Das „leninistische” Zentralkomitee
Die linke Führung, welche die Leitung der Partei 1924 übernahm, hatte sich ausgespalten und war geschlagen worden. Da sie die „Bolsche-wisierung“ der Partei betrieb, die sowjetischen Verhältnisse nicht nur verteidigte, sondern auch verherrlichte, und kritische Argumente gegen den heraufkommenden Stalinismus meist nur hinter verschlossenen Türen vorbrachte, verstärkte die linke Führung die Rußlandgläubigkeit innerhalb der Partei. Die Komintern-Führung konnte so die Linken von der Leitung verdrängen, ohne in der KPD-Mitgliedschaft auf großen Widerstand zu stoßen. Die ständigen innerparteilichen Kämpfe hatten überdies die Mitglieder ermüdet, der Ruf nach „innerparteilichem Frieden“ erleichterte es der Komintern, die Linke auszubooten und eine genehmere Führung zu schaffen. Stalin erklärte im März 1926, daß die KPD nunmehr ein „leninistisches ZK“ habe
Vertretern (Remmele, Heinz Neumann, Ewert u. a.). Sie alle dachten an keinen prinzipiellen Widerstand gegen die Moskauer Vorherrschaft und führten die Stalinisierung der KPD durch.
Sieben Jahre nach Liebknechts und Luxemburgs Tod saßen in der Führung der Partei Menschen anderen Schlages, als es die Gründer der KPD gewesen waren. Emst Thälmann
Thälmann war Vorsitzender der starken Hamburger USP gewesen, die er 1920 fast geschlossen zur VKPD mitbrachte. Er gehörte seither zum linken Flügel der Partei und wurde nach der Funktionserhebung von Fischer und Maslow auf der 1. Parteikonferenz 1925 Parteivorsitzender. Die theatralische Herausstellung seiner Person durch die KPD widerspiegelte nicht nur den parallel laufenden Führer-Kult um Stalin, sondern bildete auch eine Konkurrenz des Hitler-Kults
Der letzte Versuch, die Herrschaft des von Moskau gelenkten Apparats zu brechen, wurde im Jahre 1928 unternommen. Gestützt auf die noch in der Partei verbliebenen Rechten versuchten die sogenannten Versöhnler, Eberlein, Ewert, Meyer, Eisler u. a. Thälmann zu stürzen. Zum Anlaß wurde die Affäre Wittorf genommen. Wittorf, ein Schwager Thälmanns, hatte in Hamburg Parteigelder unterschlagen, und Thälmann deckte ihn, ohne selbst etwas mit der Korruption zu tun zu haben. Am 25. /26. September faßte das ZK den Beschluß: „Das ZK mißbilligt auf das schärfste die Geheimhaltung der Hamburger Vorgänge gegenüber den leitenden Instanzen der Partei durch den Genossen Thälmann als einen die Partei schwer schädigenden politischen Fehler. Auf seinen eigenen Antrag wird diese Angelegenheit der Exekutive überwiesen; bis zu ihrer Erledigung ruhen die Funktionen des Genossen Thälmann.
Stalin griff persönlich in die Auseinandersetzung ein. Thälmann wurde wieder eingesetzt, die Gelegenheit wurde ausgenutzt, um die Macht des Apparats zu stabilisieren. Die Rechten, die eine breite Anhängerschaft in Sachsen, Schlesien, in Offenbach und anderen Orten hatten, wurden ausgeschlossen. Die Versöhnler mußten kapitulieren. Der von Stalin abhängige Parteiapparat hatte sich durchgesetzt, und die Führung Thälmann, Remmele, Neumann betrieb weiterhin Stalins Politik in Deutschland. Alle Oppositionsgrupppen wurden von der Partei als Agentengruppen gebrandmarkt.
Nach der offiziellen Lesart sah die Entwicklung (in den „Thesen zum 3 5. Jahrestag der Gründung der KPD“) so aus: „Das geschidttliche Verdienst des Genossen Ernst Thälmann besteht darin, daß er die unter der Führung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg gegründete KPD zu einer revolutionären Massenpartei entwickelte, daß er als erster systematisch die Lehren von Lenin und Stalin in die deutsche Arbeiterbewegung und in das deutsche Volk hineintrug
4. Der letzte Parteitag
Vom 9. bis 16. Juni 1929 fand in Berlin-Wedding der letzte (12.) KP-Parteitag vor dem Machtantritt des Nationalsozialismus statt. Dieser Parteitag leitete auch die letzte Phase der KPD-Politik in der Weimarer Republik ein. Nur wenige Wochen nach dem „Blutmai", (am 1. Mai kam es in Berlin zu blutigen Zusammenstößen, nachdem der sozialdemokratische Polizeipräsident Zörgiebel die KPD-Demonstration verboten hatte) war die Atmosphäre gegen die Sozialdemokratie geladen. Die „Versöhnler“, (die letzte Oppositionsgruppe, die noch nicht ausgeschlossen war) bildeten das Hauptangriffsziel der Parteiführung. Die „Verteidigung der Sowjetunion“ war ein weiterer Schwerpunkt der Beratungen.
Thälmann, der unbestrittene Führer der Partei, wurde bei seinem Auftreten mit langanhaltendem Beifall begrüßt. Das Protokoll vermerkt: „Der Parteitag bereitet dem Genossen Thälmann eine stürmische Ovation. Die Delegierten erheben sich und singen die „Internationale“. Die Jugenddelegation begrüßt den 1. Vorsitzenden der Partei mit einem dreifachen , Heil Moskau'
Nicht nur der Führerkult läßt sichtbar werden, wie die KPD sich in 10 Jahren gewandelt hatte. Im Mittelpunkt der Diskussionen stand die Verteidigung des „sowjetischen Vaterlands“ vor einem vermeintlichen direkt bevorstehenden Angriff. „Es gilt zu werben für die Verteidigungsfront der Sowjetunion“, rief Wilhelm Pieck aus
. olle Anzeichen weisen mit zwingender Kraft daraufhin, daß auf der Tagesordnung der Geschichte vor allem ein Krieg steht; der Krieg der imperialistisd'ien Großmächte gegen die Sowjetunion. . .
Und hier dokumentiert sich insbesondere die grundlegende Tatsache, jene Veränderung, die wir seit dem VI. Weltkongreß gehabt haben, daß nämlich die Sozialdemokratie, die II. Internationale es ist, die heute an der Spitze der Organisierung, an der Spitze der ideologischen Vorbereitung des Krieges gegen die Sowjetunion steht
Kippenberger bemerkte, daß vor der KPD sehr ernste und komplizierte Aufgaben militärpolitischer Art ständen, nämlich der „direkten Unterstützung der Roten Armee
Die Vorstellung, ein Krieg gegen die Sowjetunion werde unmittelbar vorbereitet und es gelte das „revolutionäre Rußland“ zu verteidigen, drängte alle sachlichen Auseinandersetzungen in den Hintergrund. Die Versöhnler mußten sich sogar gegen den Vorwurf wehren, „im Interesse des Imperialismus von der wirklichen Kriegsvorbereitung“ abzulenken, weil sie leise Kritik an der Kriegshysterie übten
Die radikale Kampfansage an den „Sozialfaschismus“ war ein weiteres Merkmal des Parteitages. Da die radikalen KP-Mitglieder in der geringsten Abschwächung des Kampfes gegen die SPD „ein Abrücken von der revolutionären Linie der Partei“ sahen
So wurde nicht nur gegen „Zörgiebel, den Arbeiterschlächter von Berlin
Praktisch wurde auf diesem Parteitag auch die Gewerkschaftsspaltung propagiert, die ausgeschlossenen Gruppen als „Renegaten“ mit den übelsten Schimpfworten belegt und die Versöhnler (Ewert und Emst Meyer) aus der Führung verdrängt. Wie in der KPdSU war auch in der KPD die letzte legale politische Opposition 1929 unterdrückt worden.
Der 12. Parteitag hatte nicht nur in seiner äußeren Form den Parteikongressen der stalinistischen KPdSU geähnelt, er hatte auch offenbar werden lassen, daß die KPD nur noch eine Kopie, wenn nicht gar ein Anhängsel der stalinistischen Kommunistischen Partei der Sowjetunion war. (Fortsetzung folgt)