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Die Ironie der amerikanischen Geschichte | APuZ 30/1959 | bpb.de

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APuZ 30/1959 Die Ironie der amerikanischen Geschichte

Die Ironie der amerikanischen Geschichte

REINHOLD NIEBUHR

Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlages Charles Scribener's Sons (New York) bringen wir nachfolgend zwei Kapitel des Buches „The Irony of American History“ von Reinhold Niebuhr zum Abdruck.

I. Herr des Schicksals 1. Nicht mehr Geschöpf, sondern allein Schöpfer des historischen Prozesses

Der Kommunismus, vor dem jetzt die ganze Welt auf der Hut sein muß, war seiner Intention nach ein Plan, der dem Menschen die vollständige Kontrolle über sein eigenes Schicksal geben sollte. Die ver-meintlichen Übel seines „Materialismus“ und seines „Atheismus“ sind unbedeutend, verglichen mit den Greueln, die unausweichlich aus dem Anspruch folgen, die kommunistische Elite habe den „Sprung aus dem Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit getan“ und sei daher nicht länger an die Grenzen der Natur und der Geschichte gebunden, denen die Handlungen des Menschen bis dahin unterworfen waren. Der Kommunismus hält sich für den Herrn des historischen Schicksals. Die Grausamkeit der kommunistischen Führungsschicht erklärt sich zu einem Teil aus dem Größenwahn einer solchen Konzeption. Zum andern Teil ist sie die Folge der wütenden Enttäuschung darüber, daß die angeblichen Herren des Schicksals in der Geschichte widerspenstigen Mächten begegnen, die sich der kommunistischen Logik nicht angepaßt haben, deren Kraft nicht durch „innere Widersprüche“ geschwächt ist und die durch die kommunistische Macht nicht gezwungen worden sind zu Kapitulieren.

Das „Reich der Freiheit“, das nach der kommunistischen Ideologie erreicht ist, wenn das Proletariat unter der Führung der Partei zum Umsturz der alten Ordnung schreitet, hat nichts mit der Freiheit des einzelnen in der Gesellschaft zu tun. Es ist die Freiheit eines Menschen „an sich . Selbstverständlich handelt dieser Mensch „an sich“ nicht ohne weiteres einmütig. Aber die Logik der Geschichte hat der „Arbeiterklasse eine ganz besondere Rolle im historischen Prozeß zugewiesen denn „die Proletarier können sich die gesellschaftlichen Produktivkräfte nur erobern, indem sie ihre eigne bisherige Aneignungsweise abschaf-fen . Alle bisherigen Bewegungen waren Bewegungen von Minoritäten Die proletarische Bewegung ist die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl", die nicht handeln kann, ohne zugleich für die ganze Menschheit zu handeln, die „sich nicht erheben, nicht aufrichten kann, ohne daß der ganze Überbau der Schichten, die die offizielle Gesellschaft bilden, in die Luft gesprengt wird." (Kommunistisches Manifest). Diese Klasse, die potentiell die Menschheit selbst ist, bedarf indessen doch einer Vormundschaft. Ohne die Hilfe ihrer „Avantgarde", der Partei, würde sie sich, nach Lenin, niemals über ein „tradeunionistisches Bewußtsein“ erheben. Das heißt mit anderen Worten, sie würde sich damit zufrieden geben, gemäßigte und erreichbare Ziele in der Geschichte zu verfolgen. Die Masse bedarf daher der Partei, als eines Gefäßes der Weisheit und der göttlichen Orakel (in diesem Falle der „marxistisch-leninistischen Wissenschaft“), um die erhabene Strategie einer säkularisierten Vorsehung zu verstehen, die sie zu einer so bedeutenden Aufgabe und -zu einem so erstaunlichen Triumph ausersehen hat.

Diese ganze Konzeption hat, wie vielfach bemerkt wurde, den Charakter einer religiösen Offenbarung, einer sehr modernen Art der religiösen Offenbarung, denn in ihr ist die höchste Hoffnung aller typischen Modernen enthalten, seien sie nun Marxisten oder Nichtmarxisten.

Es ist die Hoffnung, daß der Mensch von seiner zweideutigen Stellung, zugleich Geschöpf und Schöpfer des historischen Prozesses zu sein, befreit werden könne, um eindeutig der Herr seines eigenen Schicksals zu werden. Der marxistische Traum unterscheidet sich von dem liberalen durch eine schärfere und präzisere Definition der Führungsschicht, die stellvertretend für die Menschheit zu handeln hat; durch genauere Pläne diese Elite mit der tatsächlichen politischen Macht auszustatten; durch eine fanatische Gewißheit, man kenne das Ziel, dem die Geschichte zustrebe; und durch die konsequente Bereitschaft, jeden Lebenswert der Erringung dieses Zieles zum Opfer zu bringen. Die liberale Kultur ist seit dem 18. Jahrhundert von ähnlichen Hoffnungen beseelt gewesen. Sie rüttelte ebenso ungeduldig wie der Marxismus an den ersichtlichen Grenzen der menschlichen Weisheit; auch sie wollte das Gesamtkonzept des Schicksals erkennen, innerhalb dessen die menschlichen Handlungen sich abspielen und beklagte das Versagen der menschlichen Macht, diesen Gesamtablauf unter die Herrschaft des menschlichen Willens zu bringen. „Wenn der Mensch mit beinahe vollkommener Sicherheit die Erscheinungen voraussagen kann, deren Gesetze er kennt" so

fragte Condorcet, wenn „er aus Erfahrungen der Vergangenheit mit großer Wahrscheinlichkeit die Ereignisse der Zukun-ft voraussagen kann, warum sollte es dann ein chimärisches Unterfangen sein, mit einiger Wahrscheinlichkeit das zukünftige Schicksal der menschlichen Gattung in Übereinstimmung mit den Tatsachen der Geschichte zu entwerfen?" Condorcet war nicht nur überzeugt, daß man die Zukunft erkennen könne, sondern daß er selbst sie kannte. „Unsere Hoffnungen für den zukünftigen Zustand der Gattung Mensch", fährt er fort, „lassen sich, auf drei wichtige Punkte reduzieren: die Beseitigung der Ungleichheit zwischen den Nationen, den Fortschritt der Gleichheit in den niederen Volksschichten und die Entwiddung des Mensdren zur Vollkommenheit.“ Dazu sei nur nötig, daß „der weite Abstand nach und nach ver-" sdiwinde, der aufgeklärte Völker wie die Franzosen und die Anglo-Amerikaner trenne von den Völkern, die . Königen dienstbar sind“.“

Der Gedanke, die Abschaffung der Monarchie sei das wichtigste strategische Mittel für die Befreiung der Menschheit, war offensichtlich ebenso charakteristisch für die besonderen Vorurteile des Mittelstandes wie der Gedanke der Abschaffung des Eigentums als einziger Gesichtspunkt bezeichnend für die eigentumslosen Proletarier war. In beiden Fällen identifizierte man alles Übel gerade mit der Art von Macht, unter der man selbst litt und über die man keine Kontrolle hatte. Man betrachtete die besondere Quelle eines besonderen sozialen Übels jeweils als Urquell allen Übels in der Geschichte. Indessen vertrauten weder Condorcet noch Comte in seinen späteren verwandten Darlegungen nur auf diese einzige Strategie. Die liberale Welt hat immer geschwankt zwischen der Hoffnung, den vollkommenen Menschen durch die Ausschaltung der sozialen Quellen des Übels zu schaffen und der Hoffnung, die menschliche Vernunft durch erzieherische Maßnahmen so zu läutern, daß alle sozialen Institutionen allmählich Träger eines universalen menschlichen Willens werden könnten, den ein universaler Geist leitet. Diese Doppeldeutigkeiten, die die messianischen Träume des Liberalismus davor bewahrt haben, ähnliche Greuel wie der Kommunismus auszubrüten, sollen später noch eingehend betrachtet werden. Im Augenblick genügt es festzuhalten, daß der Franzose Condorcet die Franzosen und die Anglo-Amerikaner für die messianischen Nationen hielt. Hier haben wir im Embryonalstadium das, was zur ironischen Situation unserer Tage geworden ist. Die französische Aufklärung sah übereinstimmend die amerikanische Revolution und die Gründung des neuen amerikanischen Staates als Vorläufer einer im Entstehen begriffenen vollkommenen Welt an. Obwohl Comte, fast ein Jahrhundert später, sich noch entschieden an den Gedanken einer französischen Hegemonie im kommenden Utopia klammerte und innig hoffte, daß Französisch einst die Universalsprache werden würde, ist Frankreich als eine Nation mit messianischem Bewußtsein auf der Strecke geblieben.

Seine gegenwärtige Stimmung ist mehr durch extremen Skeptizismus als durch apokalyptische Hoffnungen charakterisiert.

So bleibt Amerika als Hauptträger dieser Hoffnungen und Träume übrig. Von den frühesten Tagen seiner Geschichte bis zum gegenwärtigen Augenblick gibt es eine Tiefenschicht messianischen Bewußtseins im amerikanischen Denken. Wir ließen uns niemals träumen, daß wir einmal so viel politische Macht haben würden, wie wir sie heute besitzen. Wir konnten auch nicht voraussehen, daß die mächtigste Nation der Welt sich ihre Träume, die Geschichte zu meistern, einmal auf so ironische Weise widerlegen lassen müsse. Denn unsere vermehrte Macht verknüpfte unseren Willen und unsere Zwecke in immer weiter reichenden Verwicklungen mit dem Willen und den Zwecken Anderer. Dadurch wurde es unmöglich, daß ein einziger Wille die Oberhand gewinnt oder daß ein besonders menschliches Geschichtsziel mühelos zum Ziel der ganzen Menschheit wird.

Es ist eine Tatsache, daß wir — wie glücklicherweise die gesamte liberale Kultur — immer etwas unbestimmt waren hinsichtlich der Frage, wie das Phänomen der Macht in Beziehung zu setzen sei zu den angeblich universalen Werten, die wir für die Menschheit verwalten. Wir waren natürlich nicht immun gegen die Versuchung zu glauben, die Allgemeingültigkeit der von uns verwalteten Werte berechtigte uns auch, sie mit Hilfe der Macht durchzusetzen. So konnte in der Debatte über die Annexion von Oregon, in der der Herrschaftstrieb einer jungen Nation zum Ausdruck drängte, ein Kongreßabgeordneter donnern: „Wenn wir die Heimat aller Unterdrüdtten sein wollen, dann müssen wir unser Gebiet nach allen Richtungen ausdehnen um jener Millionen willen, die nach uns kommen; dabei denke ich sowohl an unsere eigene Nachkommenschaft als auch an diejenigen, die geladen sind, an unsere friedvollen Küsten zu kommen, um an unseren republikanisdien Institutionen teilzuhaben". Im allgemeinen jedoch war es nicht der Zweck unseres messianischen Bewußtseins, die Macht zu legitimieren. Wir waren vielmehr der Meinung, daß durch Beispiel und nicht näher erklärbare geschichtliche Kräfte unser Traum einmal zur geschichtsbeherrschenden Wirklichkeit werden würde.

Wir haben in anderem Zusammenhang bereits bemerkt, daß sowohl in der calvinistischen Vorstellung vom Schicksal unserer Nation wie in der Jeffersons von der Vorsehung anfänglich mehr Bedeutung beigemessen wurde als der menschlichen Macht. Jefferson hatte für das Siegel der Vereinigten Staaten ein Bild vorgeschlagen, das die Kinder Israel zeigt, wie sie von einer Wolke bei Tag und von einer Feuersäule bei Nacht geführt werden. Washington erklärte in seiner ersten Antrittsrede, daß „die Bewahrung des heiligen Feuers der Freiheit und das Sdticksal der republikanischen Regierungsform — redtt betrachtet — mit jenem Experiment auf dem Spiele stehe, das den Händen des amerikanisdren Volkes anvertraut sei.“ Höchst bedeutsam war die Versicherung, daß wir als Stellvertreter, als Treuhänder der Menschheit handelten. Wie Dr. Priestley es 1802 ausdrückte: „Es ist unmöglich nicht zu empfinden, daß wir für die ganze Mensdiheit handeln."

Diese Vorstellung von Amerika als dem Liebling der göttlichen Vorsehung schloß natürlich keineswegs den Gedanken aus, dieses Schicksal durch Taten zu erfüllen, die zu einer weltweiten Realisierung des demokratischen Gesellschaftsideals beitragen könnten. Wir sahen bereits, wie die Puritaner nach und nach hinüberwechselten von ihrer Betonung der Vorliebe Gottes für die Nation zur Betonung des Wertes, den die Nation durch göttliche Gnade erlangt hatte. Schon ein sehr früher Puritaner versicherte, daß „Gott ein ganzes Volk sorgfältig geprüft habe, um ausgewähltes Korn in der Wildnis zu sähen.“ (William Stoughton 1668).

Präsident Johnson gab in seiner Kongreßbotschaft von 1868 der volkstümlichsten Form unseres messianischen Traumes Ausdruck, als er erklärte: „In der amerikanisdien Meinung gewinnt die Überzeugung rasdi an Boden, daß mit den wachsenden Erleichterungen der Kommunikation zwischen allen Teilen der Erde die Grundsätze einer freien Regierung — wie unsere Verfassung sie verkörpert — genügend Kraft und Größe erweisen werden, um alle civilisierten Nationen in ihrem Einflußbereich zu erfassen.“ Von gelegentlichen Momenten der Verwirrung abgesehen halten wir uns nicht für die potentiellen Herren, wohl aber für die Lehrer der Menschheit auf ihrer Wanderschaft zur Vollkommenheit.

Solche messianischen Träume, auch wenn sie glücklicherweise nicht durch Machtgier korrumpiert sind, sind natürlich nicht frei von moralischem Hochmut, der zu einer Gefahr für ihre Verwirklichung wird. „Gott hat die englisch sprechenden und germanischen Völker nicht tausende von Jahren für nichts als eitle und faule Selbstbetrachtung und Selbstbewunderung vorbereitet" erklärte Senator Beveridge von Indiana. „Er hatjins zu den Meister-Organisatoren der Welt gemacht, damit wir Ordnung aufrichten, wo das Chaos herrscht. . . Er hat uns die Fähigkeit zum regieren gegeben, damit wir bei wilden und senilen Völkern die Regierung handhaben. Gäbe es nicht eine solche Macht, dann würde diese Welt in Barbarismus und Nacht versinken. Innerhalb unserer Rasse hat Gott das amerikanische Volk als sein auserwähltes Volk gekennzeichnet, der die Regnetation der Welt einzuleiten berufen ist.“ Die Vorstellung, „bei den wilden und senilen Völkern die Regierung zu handhaben“, hat unbestreitbar etwas mit Machtpolitik zu tun. Aber die Legitimierung der Macht ist in dem amerikanischen Traum zumeist der Tatsache untergeordnet, daß die göttliche Erwählung die Verpflichtung in sich schließt, „bei der Regeneration der Menschheit zu führen.

Bei uns ebenso wie bei den Kommunisten steht ein ausschweifender Vo-luntarismus, der schließlich die menschliche Geschichte unter Kontrolle des menschlichen Willens bringt, versuchsweise wenn auch nicht endgültig im Widerspruch zu einem Determinismus, demzufolge das historische Schicksal an einem bestimmten Punkt den Anspruch des Menschen auf die Herrschaft über das Schicksal begünstigt. Der amerikanische Traum ist keineswegs einzigartig. Nahezu jede Nation hat einmal eine Version davon gehabt

Aber die amerikanische Erfahrung stellt eine besonders einzigartige und ironische Widerlegung des Illusionären in all diesen Träumen dar. In den Illusionen über die Möglichkeit, von irgendeinem Punkt der Geschichte aus das historische Schicksal zu bändigen, stecken immer Fehl-rechnungen, sowohl hinsichtlich der Macht und Weisheit der Manager als auch hinsichtlich der Schwäche und Manipulierbarkeit des historischen „Materials."

2. Das Problem der Macht

Der amerikanische Sendungstraum gleicht auch darin den allgemeinen liberalen Erlösungshoffnungen, daß er die Frage unentschieden läßt, welche politische oder sonstige Macht benötigt wird, um jeden widerstrebenden Willen dem einen, von der wahren Vision geleiteten Willen zu unterwerfen. Wir stellten fest, daß die Gefährlichkeit des Kommunismus weitgehend daher rührt, daß sein Programm vorsieht, eine Klasse und eine Partei mit dem Monopol der Macht zu bekleiden. Nach kommunistischem Glauben wird dies Monopol dadurch erreicht, daß die Vorsehung und der entschlossene Wille des Proletariats auf bemerkenswerte Weise zusammenwirken. Die Vorsehung (d. h. die historische Dialektik) verbürgt die fortschreitende Schwächung der „Expropriateure“ und die entsprechende Stärkung der „Expropriierten“; aber im entscheidenden historischen Augenblick muß menschliche Aktion die historische Logik unterstützen und bestätigen. Das Proletariat muß alle politische Macht ergreifen und sie allen Feinden verweigern. Dieses Machtmonopol, das den Sieg der Gerechtigkeit festigen soll, wird zur Wurzel aller Grausamkeit und Ungerechtigkeit des Kommunismus.

In den liberalen Versionen aller Träume von der Herrschaft über die Geschichte ist das Problem der Macht niemals voll durchdacht worden. Eine Version, die sich zuerst bei den Physiokraten findet, nimmt an, daß die Geschichte unaufhaltsam dem Ziel echter Humanität zueilt, wenn nur die Belanglosigkeiten politischer Macht beseitigt werden. Eine andere Version setzt dagegen eine Art von Elite voraus. Seit Comte deuten moderne Sozialwissenschaftler und Genetiker häufig etwas vage auf die Notwendigkeit von platonischen Philosophen-Königen hin, natürlich umgewandelt in Wissenschaftler-Könige. Zum mindesten wird gefordert, daß den Machthabern Sozialwissenschaftler und Psychologen zur Seite stehen sollten, um das Eindringen „irrationaler Vorurteile" in ihre Berechnungen zu verhindern und sie zu überreden, nicht „nach unten zu gehorchen“. Aber natürlich fehlt ein politisches Programm, wie eine solche Elite zur Macht kommen soll.

Die amerikanische Version des Traumes hatte die gleiche glückliche Unbestimmtheit. Die amerikanische Regierungsform wird als die letztlich und universal gültige Form einer politischen Organisation angesehen. Aber im großen und ganzen wird erwartet, daß sie ihr Ziel durch moralische Anziehungskraft und Nachahmung erreichen wird. Nur gelegentlich schlägt ein hysterischer Staatsmann vor, daß wir unsere Macht vermehren und benutzen müssen, um die idealen Ziele zu erreichen, zu deren Treuhändern uns die Vorsehung erkoren hat.

Das erste Element der Ironie liegt darin, daß unsere Nation, ohne eigens danach zu streben, mehr Macht erlangt hat als irgend eine andere Nation der Geschichte. Die Technik, deren Leistung den Grund zu der amerikanischen Macht legte, hat eine „globale" politische Situation geschaffen, in der der verantwortliche Gebrauch dieser Macht die Bedingung für das Überleben der freien Welt geworden ist. Es kann nicht überraschen, daß die kommunistische Führung voller Zorn ist, wenn sie die Entfaltung dieser Macht mitansieht, die sich nach ihrer „Logik durch „innere Widersprüche“ selbst zerstören müßte.

Das zweite Element der Ironie aber liegt darin, daß das starke Amerika weniger Herr seines Schicksals ist als das vergleichsweise schwache, das sich noch in seiner kontinentalen Sicherheit wiegte und sich seiner Kinderunschuld freute. Dieselbe Stärke, die unsere Macht über die Grenzen des Kontinents ausgedehnt hat, hat zugleich unser Schicksal verwoben mit den Schicksalen vieler Völker und uns in ein breites historisches Gewebe geknüpft, in dem andere oder entgegengesetzte Willensrichtungen unvermeidlich das hindern oder widerrufen, was wir am dringlichsten wünschen. Wir können nicht einfach unseren Weg gehen, auch dann nicht, wenn wir glauben, daß am Ende dieses Weges das „Glück der Menschheit“ steht. Wie groß auch unsere Macht sei, es arbeitet uns ein unnachsichtiger Feind entgegen, der ironischerweise gerade darum so hartnäckig und unbarmherzig ist, weil sein Wille bestimmt wird von dem unerfüllbaren Traum einer allgemeinen Menschheitsbeglückung, zu deren Erringung er unseren Widerstand ausschalten müßte.

Aber unser Wollen wird nicht nur von Feinden, sondern ebenso von Freunden und Verbündeten durchkreuzt. Unser Traum vom allgemeinen Wohl hat Anziehungskraft genug, viele Völker, die eine ähnliche Auffassung vom rechten Leben haben, zu einer freiwilligen Allianz mit uns zu veranlassen. Aber weder ihre Konzeptionen von diesem „rechten Leben“ noch ihre Interessen, die stets den Idealen beigemischt sind, sind mit den unseren identisch. Es ist in dieser Situation nur natürlich, daß viele Menschen in unserem Volke nicht verstehen, daß das historische Schicksal durch menschliche Politik zwar betrogen, abgelenkt und umgewandelt aber nicht gezwungen werden kann. Sie werden ungeduldig und möchten die Atombombe (Symbol der technischen Leistungsfähigkeit, auf der unsere Weltgeltung beruht) benutzen nicht nur, um der Widerspenstigkeit unserer Feinde ein Ende zu bereiten, sondern auch, um die zweideutige Haltung der Asiaten oder anderer Völker zu beseitigen, die nicht so klar auf unserer Seite stehen, wie wir es gerne möchten. Dennoch haben wir, alles in allem, die Lektion der Geschichte leidlich gut gelernt. Wir haben die Warnung beachtet: „Ein Weiser rühme sidt nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke'. Wenn es auch ohne prahlerische Selbsttäuschung über unsere Macht nicht ganz abgeht, so sind wir doch durch eine gewisse Gnade, die dem gesunden Menschenverstand mehr als den abstrakten Theorien innewohnt, vor der Versuchung bewahrt, die Schwierigkeiten unserer historischen Situation mit einem Streich lösen zu wollen. In der Absicht, unser Schicksal auf eine klare und logische Weise zu lösen, würden wir es damit nur einem tragischen Schluß entgegenführen.

Es ist nicht ohne Bedeutung, daß die Elemente unserer Bevölkerung, die am meisten geneigt sind, die Grenzen der Macht, die den Handelnden in der Geschichte gesetzt sind, zu leugnen und die darum eine Lösung unserer Schwierigkeiten durch die bloße Entfaltung der militärischen Macht suchen, häufig aus einer bürgerlich-liberalen Tradition stammen, die bis vor kurzem sich des Faktors der Macht im politischen Leben kaum bewußt war. Es liegt im Wesen einer Industrie-und Handelsgesellschaft, daß sie mehr mit den verdeckten Formen der Macht im wirtschaftlichen Leben zu tun hat und daß sie weniger Sinn besitzt für die Bedeutung und die Komplexität der offeneren Formen der Macht und daß sie ein Element der menschlichen Natur wie das Motiv der Machtgier übersieht. Sie ist sich der Kraft des Eigennutzes im Leben vollauf bewußt; aber sie bildet sich ein, daß diese Kraft ausgezeichnet kontrolliert und gezügelt wird durch Klugheit auf der einen und durch den Ausgleich der wetteifernden Interessen auf der anderen Seite. Das Reich des Politischen mit seinen vielen Imponderabilien ist eine terra incognita für sie. Wenn ihr plötzlich die Tatsachen und Gefahren dieser Welt durch die Erfahrung aufgedrängt werden, ist sie geneigt, ihre gestrigen Sentimentalitäten und Voreingenommenheiten, die das Macht-element im Leben verdunkeln, für den Zynismus von heute zu vertauschen. Für die amerikanische Industriegesellschaft ist dies die größere Versuchung, da die amerikanische Weltgeltung so direkt auf der militärischen'Macht beruht; und diese wiederum beruht unmittelbar auf unserer wirtschaftlichen Stärke. Wir haben bisher so wenig Erfahrung in der Führung oder Teilnahme an den bewußten oder halbbewußten Machtkämpfen des Lebens gehabt und im Ergründen der endlos komplexen Zusammenhänge von völkischen Loyalitäten, historischen Traditionen, militärischer Stärke und ideologischen Hoffnungen, aus denen die historischen Formen der Macht sich konstituieren, daß wir uns gern mit einem einzigen Sprung vom Gebrauch der wirtschaftlichen zum Gebrauch der militärischen fortbewegen möchten. Hier liegen die politischen und moralischen Gefahren für eine große Handelsnation, die unmittelbar und überstürzt in die verwirrenden Läufe der Weltpolitik hineintreibt. Trotz dieser Gefahren haben wir es fertig gebracht, einige Geduld und Klugheit zu gewinnen und den äußeren Irrtum zu vermeiden, jenen Versuch nämlich, den historischen Prozeß zu einer scheinbar endgültigen Lösung zu bringen.

3. „Techniken" für die Erhaltung des Friedens ?

Wenn sich die demokratische Welt auch aus unbewußter oder ererbter Weisheit geweigert hat, ihre vermeintliche Elite mit einem Machtmonopol zu bekleiden, so war sie doch nicht weise genug, die Grenzen zu begreifen, die allen vermeintlichen Trägern messianischer Visionen gesetzt sind, noch sah sie voraus, daß Weisheit und Tugend unbegreiflicherweise auch bei denjenigen auftreten würden, die man mehr für die Almosenempfänger als für die Wohltäter der Manipulierung des historischen Schicksals gehalten hatte. In dieser Lektion erscheint der Verlauf der amerikanischen Geschichte als ein deutliches und ironisches Gleichnis für den gesamten liberalen Traum. Wie rein dünkte uns im 18. Jahrhundert unsere demokratische Tugend, verglichen mit der der umnachteten Anhänger und Opfer der „Monarchie!" Eben darum hielten wir unser amerikanisches Experiment für „die letzte beste Hoffnung der Menschheit". Eben darum sahen unsere Gründerväter unsere Verfassung als eine wahre Bundeslade der Demokratie an.

Aber tatsächlich gab es viel mehr Menschen in Europa, die „ihre Knie nicht vor Baal gebeugt hatten“, als unser amerikanischer Elias vermeinte. Die verhaßte Institution der Monarchie wurde nach und nach durch die wachsende Macht der Demokratie in Europa unter parlamentarische Kontrolle gebracht. Die Kombination von konstitutioneller Monarchie und parlamentarischer Regierung hat bewiesen, daß sie einige demokratische Tugenden besitzt, die dem System der „checks and balances" in unserer republikanischen Regierung fehlen. Man entdeckte, daß die Institution der Monarchie, wenn man sie ihrer absoluten Macht beraubte, Vorzüge besaß, die weder die Befürworter noch die Gegner ihrer ursprünglichen Form verausgeahnt hatten. Sie wurde das Symbol des stetigen Willens und der Einheit einer Nation im Gegensatz zum Augenblickswollen, daß sich in den jeweiligen Regierungen verkörpert. Auf der anderen Seite wurde die Macht des Parlaments zu enem anpassungsfähigeren Instrument des nationalen Willens als unser schwerfälligeren System. In einigen europäischen Ländern ist diese Anpassungsfähigkeit nicht mit der nötigen Stabilität verbund-den. Aber in den kleineren nördlichen und westlichen europäischen Nationen so wie in Großbritannien fehlt den Instrumenten der demokratischen Gesellschaft, die sich aus den älteren feudalen Formen entwickelt haben, keiner der Vorzüge, die das amerikanische System besitzt und zugleich legen sie etwas von der Weisheit an den Tag, die den organischeren Formen der Gesellschaft eignet und die den rationalistischeren Konzeptionen einer reinen Bourgeoisis-Gesellschaft fehlen.

Wie wir aber auch immer die Verdienste und Vorzüge der europäischen Formen der Demokratie im Vergleich zu der unseren einschätzen, es ist offensichtlich, daß der scharfe Unterschied zwischen einer tugendhaften neuen demokratischen Welt und einer lasterhaften tyrannischen alten Welt auf einem Irrtum beruhte. Die Wege des Fortschritts in der Geschichte waren in diesem wie in vielen anderen Fällen gewundener und unvorhersehbarer als die vermeintlichen Herrscher der Geschichte verstehen konnten. Der Lauf der Geschichte weigerte sich, mit der vorgeschriebenen Logik übereinzustimmen. Die demokratischen Träumer hatten fast ebenso Unrecht wie die kommunistischen Planer. Sie hatten recht nur insoweit als die demokratische Konzeption (wenn auch nicht immer voll verstanden) ein gewisses Bewußtsein von den mannigfachen Quellen der Tugend, Weisheit und Macht in der Geschichte bereits einschließt und damit die Notwendigkeit, sie zu einem Ausgleich zu brin-gen. Der Lauf der Geschichte kann nicht von einem bestimmten Punkt aus und in Richtung auf eine bestimmte Zielvorstellung vergewaltigt werden.

Heute hängt der Erfolg Amerikas in der Weltpolitik von seiner Fähigkeit ab, eine Gemeinschaft mit vielen Nationen zu bilden, trotz der Gefahren, die aus dem Machtstolz auf der einen und dem Neid der Schwachen auf der anderen Seite entstehen. Dieser Erfolg setzt voraus, daß wir uns mit den zufälligen Bestandteilen der von uns verehrten Werte ein wenig vertraut machen, auch wenn sie uns allgemein gültig zu sein scheinen. Lind ebenso müssen wir die wertvollen Elemente in der Handlungsweise und den Institutionen anderer Völker würdigen, auch wenn sie von den unsrigen abweichen. Mit anderen Worten: um Erfolg in der Weltpolitik zu haben, müssen wir die prätentiösen Elemente unseres ursprünglichen Traumes verwerfen und die Werte und Tugenden anerkennen, die auf unvorhergesehenen Wegen in die Geschichte eintreten und die der Logik Trotz bieten, die liberale oder marxistische Planer für sie erdacht haben.

Diese amerikanische Erfahrung ist eine gleichnishafte Widerlegung aller Bemühungen, die ungeheure Kräfte der Geschichte unter die Kontrolle irgendeines besonderen Willens, geleitet von einem besonderen Ideal, zu bringen. Alle diese Bemühungen wurzeln in der Haltung, die auf den ersten Blick eine widersprüchliche Kombination von Voluntarismus und Determinismus zu sein scheint. Sie sind auf der einen Seite äußerst voluntaristisch, indem sie dem menschlichen Willen eine Macht und der Gesinnung einiger Menschen eine Reinheit zuschreiben, die kein Sterblicher oder keine Gruppe von Sterblichen besitzt, da ihnen die meisten Menschen als bloße Werkzeuge des historischen Prozesses gelten. Zuweilen wird der historische Prozeß als ein rein naturgesetzlicher aufgefaßt und in dem Fall werden alle Menschen als bloße Instrumente oder Ergebnisse des Prozesses angesehen. Im allgemeinen jedoch wird angenommen, daß eine Gruppe von Menschen die Intelligenz besitzt, den Prozeß zu manipulieren und zu bändigen. Der übertriebene Voluntarismus, der dieser Elitetheorie zugrundeliegt — ausdrücklich im Kommunismus und uneingestanden in einigen demokratischen Theorien — wird gefördert durch den übertriebenen Determinismus, demzufolge die meisten Menschen Geschöpfe mit einfachen vorherbestimmten Lebens-zwecken sind, deren „antisoziale“ Tendenzen auf halb-biologischen Trieben und Vererbungen beruhen, die durch eine scharfsinnige Sozialwissenschaft und Psychologie überwunden oder auf sozial gebilligte Ziele umgelenkt werden können.

In einem Brief an die Zeitschrift „Science“ wird dieser naive Glaube, den man weithin besonders in Amerika antrifft, bündig wie folgt ausgedrückt: “ Wenn dieMenscken durddAnwendtittg wissensdiaftlidier Methoden dahin kommen können, das Atom zu verstehen und zu kontrollieren, dann besteht eine vernünftige Wahrscheinlicltkeit dafür, daß sie in der gleichen Weise auch das Zusammenleben der Menschen in Gruppen durchschauen und kontrollieren können. Es liegt durdtaus im Bereidt der vernunftgemäßen Wahrscheinlichkeit, daß die Sozialwissenschaft Techniken (für die Erhaltung des Friedens) bereitstellen kann, wenn man sie in der gleidten Weise fördert, wie man zur Entwicklung der Atombombe die physikalischen Wissensdtaften gefördert hat Dieser Glaube, der seinen klassischen Ausdruck in der Philosophie von John Dewey gefunden hat, durchdringt die akademischen Disziplinen der Soziologie und Psychologie Dieser ganzen Geschichtsauffassung liegt die Annahme zugrunde, daß der Bereich der Geschichte sich nur geringfügig vom Bereich der Natur unterscheidet. All die Verwicklungen, die in der menschlichen Geschichte dadurch entstehen, daß die menschlichen Akteure sowohl Teil des historischen Prozesses als auch seine Schöpfer sind, werden unterschlagen. Der historische Charakter des Menschen als Akteur und Geschöpf der Geschichte zugleich wird nicht erkannt.

Der Mensch als historisches Wesen hat niemals eine so reine und selbstlose Gesinnung, und seine . Werte'und »gesellschaftlich anerkannten Ziele'sind niemals so allgemeingültig wie die vorausschauenden Manager und Manipulatoren des historischen Schicksals es von den ihren glauben. Dies trifft zu für die kommunistischen Oligarchen als Wegweiser eines uneigennützigen Proletariats. Sie sind blind nicht nur gegenüber ihrer eigenen Machtgier sondern ebenso gegenüber dem einseitigen und spezifischen Gesichtspunkt der Enterbten, gegenüber den Sonderinteressen etwa des russischen Volkes ebenso wie gegenüber jeder anderen historischen Zufälligkeit, die die Klarheit ihrer Positionen verdirbt. Aber das gleiche gilt auch für die amerikanische und jede andere mit messianischen Illusionen behaftete Nation. Es gilt insbesondere für das Heer moderner Sozialwissenschaftler, Psychologen und Anthropologen, die es für ein leichtes halten, auf dem Feld historischer Werte mit der Unparteilichkeit der Naturwissenschaften zu konkurrieren. Sie alle vergessen, daß der Mensch, auch wenn er über eine begrenzte Freiheit verfügt, in den historischen Prozeß verstrickt bleibt. Niemand von ihnen beschäftigt sich gründlich mit den komplizierten Phänomen des „Selbst“, weder in seiner individuellen noch in seiner kollektiven Gestalt. Dieses Selbst hat eine Vernunft; aber diese Vernunft ist enger als die „reine“ Vernunft des Naturwissenschaftlers verbunden mit den Ängsten und Befürchtungen, mit den Hoffnungen und Begierden des Selbst — als einer seelisch-geistigen Kraft — und mit den unmittelbaren Bedürfnissen des Selbst — als eines natürlichen Organismus. Der Natur-wissenschaftler beobachtet Naturkräfte, die die Hoffnungen und Befürchtungen des Selbst nicht wesentlich berühren

Wenn man von einer . kollektiven Form'des Selbtsseins spricht, muß man nicht unbedingt in die wenig überzeugende Debatte eintreten, ob man von menschlichen Gemeinschaften sagen darf, daß sie . Persönlichkeit'besitzen. Sie haben offensichtlich kein einziges Organ der Selbst-Transzendenz, obwohl eine politische Gemeinschaft in ihrer Regierung ein unvollkommenes Willensorgan besitzt. Dennoch haben sie die Fähigkeit, sich über sich selbst zu stellen, sich und ihr Benehmen zu beobachten und zu beurteilen und den Weg ihrer Geschichte in einem gewissen System von Deutungen zu verfolgen, das ihnen das Bewußtsein von kontinuierlicher Identität im Strom der Zeit gibt. Diese Urteile werden nicht von einem einzigen Geist sondern durch wetteifernde . Anschauungen'und . Schulen'des Denkens geschaffen, sodaß jede Nation wie auch jede andere Gemeinschaft in einer fortwährenden Auseinandersetzung darüber begriffen ist, was sie ist oder sein sollte. Aber selbst diese Auseinandersetzung, durch die das kollektive Selbst sich von dem einheitlicheren individuellen Selbst scharf unterscheidet, hat Analogien im Leben des einzelnen. Denn auch das Individuum ist in einem ewigen inneren Dialog über die Richtigkeit seiner Hoffnungen und Absichten und über die Tugend-oder Lasterhaftigkeit seiner Handlungen begriffen. In diesem Dialog wechseln Zerknirschung und Selbstgefälligkeit, Stolz auf die eigene Vollkommenheit und das Bewußtsein der Unzulänglichkeit in einer Weise, die sich nur wenig unterscheidet von dem Wechsel der Stimmungen in einer Gemeinschaft.

Jedenfalls, die bedeutsame Einheit von Gedanke und Tat im Bereich der historischen Begegnungen ist keine Meinung, sondern ein Selbst. Diese Einheit besitzt eine organische Übereinstimmung von rationalen, emotionalen und willensmäßigen Elementen, die all ihren Handlungen und Haltungen mehr historische Bedingtheit verleiht als im Augenblick des Handelns und Denkens erkannt wird. Die Unvermeidlichkeit dieser Vermischung von Bedingtem und Allgemeinverbindlichem ist genau das, was mit der Erbsünde gemeint ist. Die Verwerfung der Erbsünde durch die Führer der gesellschaftlichen Entwicklung hat entweder Grausamkeit oder Ratlosigkeit zur Folge: Grausamkeit, wenn es der Führungsschicht gelingt, ihren Ansprüchen entsprechend auch Macht zu gewinnen, Ratlosigkeit da, wo sie nur sehnsüchtig nach Macht trachtet.

Wenn schon der Geist oder der Wille, der vorgibt, das historische Schicksal zu lenken, „historischer“ ist, als er selbst weiß, dann sind die lebendigen Personen, die Kräfte und Bewegungen, die Hoffnungen und Befürchtungen, die da gebändigt und kontrolliert werden sollen, noch weitaus „historischer“ — in einem anderen Sinn dieses Wortes. Denn der Mensch als historisches Wesen hat Wünsche von unendlichen Dimensionen. Die einzigartige menschliche Freiheit schweift auch in dem einfachsten Bauern über die unmittelbaren Bedürfnisse der Natur hinaus. Diese Freiheit verleiht den Handlungen des Menschen eine beharrliche Widerspenstigkeit, die ihn letztlich „unmanipulierbar“ macht. Sie verwandelt alle Naturbedürfnisse in unendliche Begierden, die bisher durch die traditionellen Gemeinschaften wirksamer in Grenzen gehalten worden sind als durch die moderne Gesellschaft. Diese Begierden werden für immer jene einfache soziale Harmonie verhindern, die das LItopia sowohl der demokratischen wie der kommunistischen Idealisten ist. Die einzigartige Freiheit erzeugt sowohl zerstörerische wie schöpferische Kräfte im Menschen. Die meisten Versuche, den historischen Prozeß zu manipulieren, würden in Wirklichkeit mit der zerstörerischen auch die schöpferische Kraft vernichten

Die ungeheuren Anstrengungen unserer zeitgenössischen Weisen, die Wurzeln der menschlichen Aggressivität bloßzulegen sowie festzustellen, welches LInheil mit rassischen Vorurteilen verbunden ist und die Ursachen . sozialer Spannungen'allüberall zu studieren, entbehren nicht der ironischen Aspekte. Denn alle ihre Anstrengungen basieren auf der Annahme, daß sie es in erster Linie zu tun haben mit meßbaren Formen der Unsicherheit oder mit . antisozialen'Tendenzen oder mit . irrationalem' Verhalten, die irgendeiner speziellen Technik zugänglich sind. Die Welt sieht sich aber vielmehr einem Wahn gegenüber, der die Entartung einer typisch historischen Tendenz im Menschen darstellt. Der Kommunismus ist zusammengesetzt aus Messianismus und dem Streben nach Macht. Der Messianismus ist ein entarteter Ausdruck für die Suche des Menschen nach dem Ewigen in den Wechselfällen und Gefahren der Zeit. Das Streben nach Macht enthält geistige Elemente vermischt mit dem natürlichen Selbsterhaltungstrieb, der dem Bereich der Natur angehört.

Keins der Elemente dieser Verbindung läßt sich berechnen, weder in den kommunistischen Theorien über die menschliche Natur noch in denen der meisten . Liberalen'die uns vom Kommunismus erretten möchten.

Audi über die Ursachen der menschlichen Aggressivität sind kunstvolle Theorien entwickelt worden. Die Anthropologen haben eine besondere Vorliebe dafür, diese Ursachen in der Reinlichkeitserziehung der Säuglinge zu suchen oder in den Methoden der Mütter, ihre Kinder zu wikkein Die Deutschen, die Japaner und die Russen, sie alle sind analysiert worden in der Hoffnung, man könnte das Geheimnis ihrer Aggressivität in den Traditionen ihrer Kindererziehung entdecken. Bedeutsamerweise konnte nicht entschieden werden, ob die kollektive Aggressivität nur eine Häufung von individuellen Formen der Aggressivität ist oder ob sie das Ergebnis unzulässiger Fügsamkeit bei den Individuen eines Volkes darstellt, die dann der Aggressivität ihrer Führer Spielraum bietet.

Ein sehr bekannter Psychiater, Direktor der Welt-Gesundheits-Organisation, glaubt, daß die menschliche Aggressivität daher rührt, daß wir , zn früh zivilisiert' werden, anders ausgedrückt: daß wir veranlaßt werden, , unsere nutiirlichen Menschliche Antriebe als schlecltt anzusehen , Daraufhin , mißtrauen und hassen wir uns selbst und aus dem Selbsthaß , steigen aggressive Gefühle gegen andere heraufDiese Aggressivität könnte leicht geheilt werden, wenn man Mütterberatungsstellen einrichtete, die den Müttern beibrächten, daß ^Säuglinge unbedingte Liebe brauchen, unkritische Liebe, deren Äußerungen ganz unabhängig sind vom Benehmen des Kindes'. Aus solcher Liebe erwachse ein Gefühl der , *. Zugehörigkeit das , in einem erfolgreichen Entwicklungsprozeß nach und nach Familie, Freunde und Mitbürger umfassen würde. Habe es so die kleine Welt umspannt, dann könne es nicht plötzlich an den nationalen Grenzen haltmachen.' Wir bedürften jetzt vieler Menschen, die gefühlsmäßig über die nationalen Schranken hinausgewachsen seien und darum müßten wir größten Nachdruck auf die „unkritische Liebe und die „Befreiung vom Sündenbewußtsein“ legen

Es wird nicht erklärt, warum sowohl liberale wie marxistische Zivilisationen, die seit langem jene Dogmen verleugnen, die Dr. Chisholm so verabscheut, dennoch so viel Aggressivität hervorgebracht haben.

Ein Überblick über das gegenwärtige Schrifttum unserer modernen Weisen muß den Leser durch das ironische Versagen beeindrucken, das diesen Anmaßungen der Weisheit folgt. Alles, was wahrhaft geschichtlich ist, sowohl in den berechtigten Erwartungen wie in den ungeheuerlichen Ambitionen der Menschen, wird verschleiert. Und solche Art von Kritik wird fortgesetzt, während wir Bedrohungen gegenüberstehen, die aus den Tiefen der menschlichen Seele aufsteigen und derartigen Berechnungen unzugänglich sind und die aus Verirrungen stammen, die denen unserer Befreier verblüffend ähnlich sehen

Manchmal bewegen sich unsere modernen Weisen in unlogischen Sprüngen von der wirklichen Welt der Geschichte in die Traumwelt der „natürlichen Instinkte". So denkt z. B. Bertrand Russell, der seinen ursprünglichen Pazifismus widerrufen hat und der Amerika kürzlich den Rat gab, mit der Anwendung der Atomwaffe gegen die Russen nicht zu zimperlich zu sein, gelegentlich auch in der Weise, daß er all unseren militärischen Aufwand als . Folge von Trieben'ansieht, die durch Jahrhunderte der Erziehung und der Zuchtwahl in die menschliche Natur eingepflanzt urden

Vielleicht besteht die wirkliche Schwierigkeit sowohl bei den kommunistischen wie bei den liberalen Träumen von einem . rational gelenkten' Geschichtsablauf darin, daß es dem modernen Menschen an Demut fehlt, die Tatsache hinzunehmen, daß das ganze Drama der Geschichte sich in einem Rahmen abspielt, dessen Bedeutung sich menschlichem Begreifen oder Lenken entzieht. Es ist ein Drama, das fragmentarische Deutungen in einem Halbdunkel von Geheimnis zuläßt und das uns innerhalb eines weiten Gewebes von Beziehungen, die außerhalb unserer Macht liegen, bestimmte Pflichten und Verantwortungen zuweist.

Ein vernünftiges Leben ist nur möglich, wenn wir Zugang zu diesem Geheimnis besitzen, so daß der Bereich der Sinndeutungen nicht auf die begreifbaren Naturprozesse beschränkt bleibt. Diesen Zugang aber vermittelt nur der Glaube, den der moderne Mensch verloren hat. So schwankt er hin und her zwischen der Unterwerfung unter die . Vernunft', die er in der Natur findet, und der , Vernunft', die er der Natur aufzwingen kann. Aber weder die eine noch die andere Vernunft reicht aus, um die unlogischen und widersprüchlichen Formen des historischen Dramas zu begreifen und dem Auftreten unvorhersehbarer Tugenden und Laster zuvorzukommen. In jedem Fall hält der Mensch als Zuschauer und Manager der Geschichte sich für freier in diesem Drama als er wirklich ist. Lind als Geschöpf der Geschichte wird er allzu einfach bloß als Geschöpf der Natur betrachtet; alle seine Bindungen zum Ewigen sind zerstört.

1I. Triumph der Erfahrung über das Dogma 1. Widerlegung der Illusionen des liberalen Zeitalters

Amerikas Erfahrungen als Weltmacht, seine Verantwortlichkeit und seine Mitschuld, seine Enttäuschungen und seine Entdeckung der Grenzen der Macht stellen die ironische Widerlegung einiger mit Vorliebe gehegter Illusionen des liberalen Zeitalters dar. Seine Erfahrungen in der inneren Politik bedeuten dagegen eine ironische Art des Erfolges. Unser Erfolg in der Aufrichtung der Gerechtigkeit und der Sicherung des inneren Friedens hat die charakteristischen Grenzen bürgerlicher Kultur überschritten. Diesen Erfolg verdanken wir weithin solchen sozialen und politischen Maßnahmen, die das soziale Glaubensbekenntnis einer typischen kommerziellen Gesellschaft verletzen und herausfordern.

Amerika hat eine pragmatische Auffassung politischer und wirtschaftlicher Fragen entwickelt, die Edmund Burke Ehre machen würde, dem großen Exponenten der Weisheit historischer Erfahrung im Gegensatz zum abstrakten Rationalismus der französichen Revolution.

Der Marxismus ist in zwei verschiedene Formen des Kampfes mit der bürgerlichen Welt verwickelt. Auf der einen Seite ist er zum Kampfruf derjenigen Völker geworden, deren verfallende agrarische Zivilisationen in Konflikt geraten mit der demokratisch-industrie en Welt. Auf der anderen Seite dienen parlamentarische Formen des Marxismus den politischen Parteien der Industriearbeiter in industrialisierten Nationen, wenn sie die wirtschaftliche und politische Macht des Kapitals und der Industrie herausfordern. Im internationalen Kampf zwischen dem Marxismus und der demokratischen Welt ist es ideologisch ungünstig, daß die mächtigste Nation in der Allianz der freien Völker in ihrer Haltung am konsequentesten kapitalistisch zu sein scheint. Das gibt der kommunistischen Propaganda ungebührliche Vorteile, wie man etwa an den Vorurteilen der asiatischen Welt gegen unseren angeblichen kapitalistischen Imperialismus sehen kann. In der Sprache ihrer alten Ressentiments und ihres neu erworbenen kommunistischen Glaubens sind wir ex definitione „imperialistisch“ und unsere tatsächliche Macht und unser Erfolg scheinen dieser Anklage Glaubwürdigkeit zu verleihen.

Aber wir spielen eine durchaus andere Rolle in dem Kampf zwischen Marxismus und bürgerlicher Ideologie innerhalb der Grenzen der westlichen Zivilisation sowie in der inneren Politik ihrer verschiedenen Völker. Wir mögen die beharrlichste „Bourgeois“ -Nation sein; aber wir haben einen Grad der Gerechtigkeit erreicht, der die marxistische Bewegung daran verhindert hat sich in unserer Gesellschaft zu erheben, sowohl in ihrer milderen als in ihrer gefährlicheren Form. Diese Leistung mag in erster Linie unseren sehr begünstigsten Umständen zuzuschreiben sein. Denn der Reichtum unserer Naturschätze, die Einheit einer den Kontinent umspannenden Wirtschaft und die Leistungsfähigkeit unserer Technik haben die Heftigkeit des sozialen Kampfes in Amerika gemildert.

Aber da sind noch andere Gründe für diese Leistung. Der Kampf zwischen dem Marxismus und der bürgerlichen Welt ist ein Streit zwischen zwei Ideologien, deren jede zu sicheren Schlüssen zuversichtlich fortschreitet auf Grund von Voraussetzungen, die nur teilweise wahr sind. Der Marxismus ist als politischer Glaube gerade deswegen so durchschlagend, weil er die Überzeugung derjenigen wiedergibt, die die Irrtümer des bürgerlich-liberalen Glaubens mit bitteren Erfahrungen bezahlen mußten. Der Marxismus ist deshalb so gefährlich, weil er in seiner folgerichtigen Ausprägung zumeist an die Stelle des Irrtums, den er bekämpft, einen noch ärgeren Irrtum setzt. In diesem Streit zwischen Irrtümern oder halben Wahrheiten ist Amerika der Theorie nach gewöhnlich vollständig auf der Seite des bürgerlichen Glaubensbekenntnisses; aber in der Praxis hat es einen Ausgleich der Macht in der Organisation gesellschaftlicher Kräfte und eine konsequente Gerechtigkeit erreicht, die die marxistische Herausforderung ihres Stachels beraubt haben. Niemand singt mit größerer Inbrunst als die Amerikaner Oden auf die Freiheit als den Sinn des Lebens. Aber in der Praxis halten wir uns an die Warnung von Edmund Burke: „Ich würde daher meine Lobsprüche ans Frankreichs neue Freiheit zurüdtstellen, bis ich weiß, wie sie verbunden ist mit Herrsdtaft, mit öffentlicher Gewalt, mit der Disziplin und dem Gehorsam der Armeen, mit einem System wirksamer und gutverteilter Steuern, mit Sittlichkeit und Religion, mit der Sicherheit des Eigentums, mit Frieden und Ordnung. . . Wo Menschen gemeinsam handeln, kann Freiheit immer auch Madtt sein. Be-däditige Leute werden, ehe sie sidc erklären, beobadtten, wie die Madtt gebraucht wird

England ist bis in die jüngste Zeit die Heimat pragmatischer Politik gewesen, ein Land, in dem „die Freiheit sich nach unten ausbreitete von Präzedenzfall zu Präzedenzfall“, in dem das verwickelte Verhältnis von Freiheit und Ordnung so gut verstanden wurde, daß eine soziale Politik sich von Fall zu Fall, von Punkt zu Punkt fortbewegte, beraten mehr von der Erfahrung als von einem starren Dogma uni wo auf diese Weise vermieden wurde, ein zu großes Opfer an Freiheit zugunsten der Ordnung oder an Ordnung zugunsten der Freiheit zu bringen. England hat seinen Genius einer empirischen Grundhaltung nicht verloren; aber wir haben seine Leistungen in mancher Hinsicht übertroffen, zum Teil einfach deshalb, weil wir einen Spielraum an Existenzsicherheit hatten, der die Entstehung starrer Dogmen verhinderte. Unsere begünstigte Position könnte uns in Versuchung führen, allzu vorbehaltlos zurückzuweisen, was etwa an Wahrheit im marxistischen Glauben verkörpert ist; die englische Labourpartei hingegen neigt mehr und mehr dazu, Enttäuschungen einfach durch noch unbeirrtere Anwendung ihres Dogmas zu beantworten.

2. Führt freie wirtschaftliche Aktivität zu sozialer Harmonie?

Eine Betrachtung der entscheidenden Punkte in der Auseinandersetzung zwischen Marxismus und liberaler Gesellschaft mag das Paradoxe der amerikanischen sozialen Politik beleuchten, deren Theorie gewöhnlich entschieden auf der einen Seite streitet, während ihre Praxis oft eine schöpferische Synthese zustandebringt. Eine bürgerliche Gesellschaft hält es für ziemlich leicht, soziale Harmonie zu erreichen. Sie neigt zu der Meinung, daß nichts weiter nötig sei, als die wirtschaftliche Aktivität von störenden politischen Hindernissen zu befreien. Danach würde das „natürliche System der Freiheit“ wirksam werden. Sie glaubt, daß der Eigennutz jedes Einzelnen in Schranken gehalten und ausgewogen wird durch den Eigennutz Aller. Wo diese Schranke nicht genügt, wird ein „aufgeklärter Eigennutz“, der den Punkt zu finden weiß, wo die Interessen des Einzelnen und der Gemeinschaft zusammenfallen, angeblich über die Schwierigkeit hinweghelfen. Dies gelassene Vertrauen in die Möglichkeiten sozialer Harmonie wurzelt ebensosehr in einer dergroßen Errungenschaften bürgerlicher Kultur als in einer naheliegenden Illusion über eben dieselbe Kultur. Unter dieser Errungenschaft verstehen wir die Entdeckung, daß die Menschen höchst wirksam in einem ausgebreiteten System gegenseitiger Dienstleistungen in einer vielfältig zusammengesetzten Gesellschaft vereint werden konnten, indem man mehr mit ihrem Eigennutz als mit ihrer Gutwilligkeit rechnete. Mochte der Schuster Schuhe machen und der Farmer Weizen bauen und der Schneider Röcke nähen und mochten sie dann ihre Produkte austauschen. Bei dem Tausch würde jeder gewinnen. Denn dieser Tausch erlaubte eine Arbeitsspezialisierung, die die Leistungsfähigkeit eines jeden steigerte. Mochte jeder seinen eigenen Gewinn suchen oder vielmehr den seiner Familie. Dennoch würde jeder dazu getrieben werden, in diesem System dem anderen zu dienen. In dieser Entdeckung der klassischen Nationalökonomie stecken Elemente der Wahrheit, die ein unverlierbarer Schatz der freien Gesellschaft bleiben, da ja gewisse Formen des „freien Marktes“ der Demokratie wesensnotwendig sind. Die Alternative lautet: Regulierung des Wirtschaftsprozesses durch bürokratisch-politische Entscheidungen. Solche Regulierung, allzu folgerichtig angewandt, schließt die Gefahr der Verschmelzung von politischer und wirtschaftlicher Macht in sich.

Indessen hat die liberale Gesellschaft niemals die vollkommene Harmonie erreicht, von der sie träumte und zwar weil sie den Ausgleich der Interessen auf dem freien Markt überschätzte und außerdem alle Konflikte in der Gesellschaft auf Konflikte des wirtschaftlichen Wettbewerbs zurückführte. Sie überschätzte den Ausgleich der Interessen am Markt, weil sie blind war gegenüber den Elementen der Macht in der Gesellschaft und gegenüber den Mißverhältnissen der Macht im wirtschaftlichen Leben. Der typische Bürger denkt Macht als politische Macht. Er glaubt, daß diese auf ein Minimum reduziert werden muß. Der frühe Bourgeois wünschte die politische Macht auszuschalten, weil sie die besonderen Vorteile repräsentierte, die die alte Aristokratie ihm gegenüber hatte. Der heutige Bourgeois wünscht sie auf ein Minimum zu reduzieren weil sich in ihr der Wille einer demokratischen Gesellschaft repräsentiert, die Mißverhältnisse in der wirtschaftlichen Macht unter Kontrolle zu bringen. In dem Wechsel des Motivs vom frühen zum späten Bourgeois zeigt sich die unvermeidliche Degradierung des liberalen Dogmas. Dem Marxismus war es bestimmt, dieses Dogma anzugreifen und die späte Form besonders verwundbar zu finden. Der wechselseitige Ausgleich auf dem Markt wurde auf eine zu einfache Weise gleichgesetzt mit der soizialen Harmonie der Gemeinschaft, weil Eigennutz nur aus dem wirtschaftlichen Motiv hergeleitet wurde. Die falsche Abstraktion des „Wirtschaftsmenschen" bleibt ein ständiger Mangel in aller bürgerlich-liberalen Ideologie. Diese scheint nichts-zu wissen von dem, was Thomas Hobbes „den beständigen Wettlauf nach Ehren und Würden“ nannte. Sie versteht weder etwas von den traditionellen völkischen und kulturellen Bindungen, die den konsequenten ökonomischen Rationalismus einschränken, noch von den tiefen und verwickelten Motiven in der menschlichen Seele, die sich ausdrücken in dem Wunsch nach „Macht und Ruhm“. Alle Konflikte in der menschlichen Gesellschaft, bei denen Leidenschaften und Ehrgeiz, Haß, Liebe und Neid im Spiele sind sowie Ideale, die nicht am Markt notiert werden, gehen über das Begriffsvermögen der typischen bürgerlichen Moral hinaus.

Dies bedeutete unvermeidlicherweise, daß sich soziale Realitäten entwickeln mußten, die im Glaubensbekenntnis nicht vorgesehen waren. Die Starken konnten die Schwachen ausbeuten und taten es. Die Klugheit war nicht weise und nicht stark genug, sie abzuschrecken. Der frühe Industrialismus erschwerte eher das Los der Armen als daß er es linderte, so gewiß, wie er die Mißverhältnisse der Macht, die in der überlieferten Gesellschaft existieren, erst recht hervorhob. Die Vernunft, welche dem liberalen Glauben gemäß immer den Punkt suchen würde, wo das Eigeninteresse mit dem der anderen zusammenfällt, konnte auf diese Weise nicht recht funktionieren. Eher entsprach sie schon der Konzeption, die Thomas Hobbes von der Vernunft entwickelt hatte. Sie stellt Forderungen an die Gemeinschaft, die zwar dem Fordernden vernünftig, aber maßlos vom Standpunkt der Gemeinschaft aus erscheinen.

Unter solchen sozialen Gegebenheiten erhob sich die marxistische Herausforderung. An die Stelle des Bildes von wirklicher oder möglicher sozialer Harmonie in der bürgerlichen Gesellschaft setzte der Marxismus den Gedanken des Klassenkampfes, der den ganzen Gang der menschlichen Geschichte bestimmt und seinen Höhepunkt eben in der Gesellschaft erreicht, die ihrer eigenen Meinung nach eine potentielle soziale Harmonie durch ihr System der „natürlichen Freiheit“ geschaffen hatte. Der Marxismus, der sich des Elementes der Macht im menschlichen Leben deutlicher bewußt war als der Liberalismus, beging aber, als er die Macht näher lokalisierte, einen noch größeren Irrtum als der Liberalismus. Im marxistischen Denken ist politische Macht immer der ökonomischen Macht untergeordnet oder ihr Werkzeug. Staatsgewalt ist immer Schwindel. Sie ist nie mehr als das Exekutivkomitee der besitzenden Klassen. Dies ist beinahe ein noch schlimmerer Fehler als der liberale Irrtum, der die Realität der wirtschaftlichen Macht verschleierte. Der Marxismus fügte zu diesem Irrtum noch einen weiteren Fehler hinzu. Er schrieb die ökonomische Macht ausschließlich dem Eigentum zu und verdeckte so die Macht der Manager und Drahtzieher. In der Folge dieser Irrtümer wurde es für den konsequenten Marxismus möglich, eine Oligarchie zu schaffen, bei der die wirtschaftliche und politische Macht einer Gesellschaft vereint sind, ohne daß irgendwelche Kontrolle auf solche maßlose Konzentration der Macht ausgeübt würde. Der Theorie entsprechend sind solche Kontrollen nicht notwendig, da niemand Eigentum besitzt; und Eigentumsrecht gilt als die einzige Quelle sowohl der Macht als des Eigennutzes, der seinerseits die Macht antreibt, das Wohl der Gemeinschaft zu mißachten.

Der Lauf der Geschichte hat zur Genüge bewiesen, daß die Fehlrechnungen der marxistischen Alternative zur liberalen Gesellschaft mit ärgeren Irrtümern behaftet sind als die liberalen. Nichtsdestoweniger:

es wird nicht möglich sein, inmitten der weitgehenden Konzentration und des Wettbewerbs der Macht in der modernen technischen Gesellschaft Gerechtigkeit aufzurichten, wenn die Illusionen und Fehlrechnungen der liberalen Gesellschaft nicht radikal überprüft werden.

Diese Überprüfung hat in Amerikas politischer Praxis tatsächlich stattgefunden, obgleich seine politische Theorie zur Übereinstimmung mit dem liberalen Glaubensbekenntnis tendiert. Der frühen amerikanischen Kultur fehlte es keineswegs an einer realistischen Theorie.

Zwei Arten des Denkens sind in unsere ursprüngliche amerikanische Erbschaft eingegangen: die von Calvin und Jefferson. Was das Problem der Lösung möglicher Konflikte zwischen Interesse und Macht in der Gesellschaft anbetrifft, so kombinierte die Denkart, die am vollkommensten durch James Madison ausgedrückt wurde, christlichen Realismus in der Interpretation menschlicher Motive und Wünsche mit Jeffersons Leidenschaft für Freiheit. Die virginischen Landsleute Madison und Jefferson wurden durch ihre gemeinsame Leidenschaft für die Freiheit daran verhindert, über diesen Gegenstand ernstlich zu streiten. Die Verschiedenheit der jeweiligen Philosophien wird daher besser beleuchtet durch den Briefwechsel zwischen Adams und Jefferson als durch den zwischen Madison und Jefferson. Dennoch ist die Verschiedenheit symbolisiert in den verschiedenen Präambeln der Unabhängigkeitserklärung und der Verfassung der LI. S. A., die jeweils von Jefferson und Madison inspiriert worden waren.

Jefferson und sein Anhang einschließlich Tom Paine’s hatten die Vision einer harmonischen Gesellschaft, in der die Staatsgewalt sich so wenig wie möglich in die wirtschaftlichen Ambitionen des Einzelnen einmischen würde. Es wurde angenommen, daß diese Ambitionen gemäßigt sein würden. Ihre Befriedigung würde, ohne daß es zu Reibungen mit dem Nachbarn kommen müßte, durch die unbegrenzten Möglichkeiten des neuen Kontinents gewährleistet sein. Die LInterwerfung eines Menschen durch den anderen würde durch das einfache Hilfsmittel verhindert werden, daß man mehr Landwirtschaft als Industrie treiben würde. Jeffersons ideale Gesellschaft stimmte vollkommen überein mit John Locke's Konzeption, wonach die Menschen ihre Arbeit mit den Kräften der Natur vereinigen und die daraus resultierenden Früchte als ihr legitimes Eigentum beanspruchen.

Madison fürchtete die mögliche Tyrannei der Staatsgewalt ebenso wie Jefferson; aber er verstand die Notwendigkeit der Staatsgewalt weit besser. Die Verfassung schützt den Bürger gegen den Mißbrauch der Staatsgewalt nicht so sehr dadurch, daß sie die Regierung schwach hält als vielmehr dadurch, daß sie das Prinzip der Gewaltenteilung in die Staatsgewalt einführt. Dieser Gedanke mag abgeleitet sein von Calvins Vorschlag in seinen Institutionen und zwar auf dem Weg über die Lehren John Witherspoons, der Madisons Lehrer in Princeton war (damals das College von New Jersey). Ob diese Methode der Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und richterlichen Funktionen tatsächlich die beste Methode ist, um den Mißbrauch der Macht zu verhindern, ist eine Frage, die in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung ist. Europäische Demokraten haben andere Methoden gefunden, um zum gleichen Ziel zu kommen; und ihre Methoden mögen sogar weniger auf ein gegenseitiges Sich-matt-setzen der herrschenden Gewalten innerhalb der Gesellschaft hinauslaufen. Die entscheidende Tatsache ist, daß die Notwendigkeit einer starken Regierung anerkannt wurde. Madison war sich weit mehr als Jefferson der Gefahr bewußt, was er „faction" *) in der Gesellschaft nannte. Er hegte keine Hoffnung, solche Konflikte durch bloße Klugheit lösen zu können. Wie die Realisten jedes Zeitalters wußte er, wie eng des Menschen Vernunft mit seinen Interessen verknüpft ist: „Solange zwischen der 'Vernunft des Mensdten und seiner Selbstliebe irgendeine Verbindung existiert", -schrieb er „solange werden seine Leidenschaften und seine Meinungen sich gegenseitig beeinflussen“. (Federalist Papers Nr. 10). Er nahm sogar Marx voraus, indem er Mißverhältnisse im Eigentumsbesitz als erste Ursache politischer und sozialer Reibungen ansah. Er erklärte: „Die allgemeinste und dauerhafteste Quelle der Uneinigkeit (faction) ist seit je die verschiedene und ungleiche Verteilung des Eigentums gewesen“. Er hielt diese Ungleichheit für die unvermeidliche Folge ungleicher Fähigkeiten der Bürger. Eines von Madisons überzeugendsten Argumenten für die Föderation war sein Glaube, daß eine Gesellschaft mit sehr großer Ausdehnung die Interessen und Leidenschaften so weit verteilen würde, daß die turbulente Form des politischen Kampfes vermieden würde, der nach seiner Meinung kleine Gemeinschaften unterworfen waren. Die Entwicklung der politischen Parteien in Amerika hat die Meinung, daß Interessen nicht im großen nationalen Maßstab organisiert werden könnten, zu einem Teil widerlegt. Dennoch sind die Interessen, die in den zwei großen amerikanischen Parteien organisiert sind, auch wieder so mannigfaltig, daß sie die Parteien daran verhindern, unzweideutige ideologische Instrumente zu sein. Insoweit hat die Geschichte zum andern Teil Madisons Überzeugung gerechtfertigt.

In dem Falle ist die Philosophie, die unserer Verfassung zugrunde-liegt, dadurch gekennzeichnet, daß sie die möglichen Zusammenstöße von Macht und Leidenschaft in jeder Gemeinschaft sehr scharfsinnig voraussieht. Sie weiß nichts von einer einfachen Harmonie in der Gesellschaft, die dem angeblichen Ausgleich der Interessen am freien Markt analog wäre.

Auf der Grundlage dieser Weisheit hat sich unsere Erfahrung erweitert, ohne doch immer zu dieser ausdrücklichen frühen Formulierung in bewußter Beziehung zu stehen. Die amerikanische Arbeiterbewegung war fast gänzlich all der ideologischen Waffen beraubt, deren sich die industriellen Massen Europas bedienten. In ihren Anfängen lehnte sie nicht nur marxistische revolutionäre Formeln ab sondern jede Art von politischem Programm. Sie war eine pragmatische Bewegung, geboren aus der Notwendigkeit, in einer technischen Gesellschaft organisierte Macht gegen organisierte Macht zu setzen. Erst allmählich wurde ihr die Tatsache bewußt, daß die wirtschaftliche Macht versucht, die Staatsgewalt ihren eigenen Zwecken zu unterwerfen. Sie hat sich darum entschieden, einer Kombination von politischer und wirtschaftlicher Macht mit einer gleichen eigenen Kombination zu antworten. Diese Entwicklungen sind erst jüngsten Datums; aber sie sind sehr rasch vor sich gegangen.

Natürlich wurde der „halboffizielle“ Glaube der bürgerlichen Gesellschaft (nicht zu verwechseln mit der Philosophie, die unsere Verfassung inspirierte) gegen diese Entwicklung aufgehoten. Es wurde erklärt, das Recht der Kollektivverträge sei eine Verletzung des Rechts der Unternehmet einzustellen und zu entlassen “), wen sie wollten. Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, die sich gegen die Arbeiterbewegung wandten, waren inspiriert von dem allgemein geltenden individualistischen Glauben **) -Aber schließlich und zuletzt folgten die Gerichts-entscheidungen „den Wahlergebnissen“, um mit „Mr. Dooley“ zu sprechen. Längst bevor der New Deal das Klima des amerikanischen Lebens radikal änderte, war die unumschränkte Macht der Regierung dazu benutzt worden, Steuergesetze durchzusetzen, in denen sich nicht nur steuerliche Notwendigkeiten sondern ebensosehr soziale Maßnahmen verkörperten; große Machtkonzentrationen in der Industrie wurden durch Gesetz gesprengt; notwendige Monopole in der öffentlichen Versorgung wurden unter politische Kontrolle gebracht; soziale Wohlfahrt, Sicherheit und Gesundheit und andere Werte, die erwiesenermaßen außerhalb der Wirksamkeit des freien Marktes lagen, wurden durch politische Maßnahmen gesichert. In neuerer Zeit sind Wohnungsbau, Gesundheitswesen und soziale Sicherheit Angelegenheiten öffentlicher und politischer Tätigkeit geworden. All dies ist auf rein pragmatischer Grundlage vollbracht worden, ohne das ideologische Gepäck, das die europäische Arbeiterbewegung mit sich schleppte.

Die Entwicklung der amerikanischen Demokratie zum Wohlfahrtsstaat hat sich zum Teil deshalb so rasch vollzogen, weil der ideologische Kampf nicht unnötig verschärft worden war. Sie hat sich tatsächlich so rasch vollzogen, daß in Amerika ebenso wie in den mehr kollektivistischen Staaten Europas die Frage aufgeworfen werden muß, ob der Bereich bürokratischer Entscheidungen nicht zu groß wird und der Raum für den selbsttätigen Ausgleich nichtregulierter persönlicher Entscheidungen zu eng.

Das sind Sorgen, denen jede moderne Demokratie sich gegenübersieht und gegenübersehen wird bis zum jüngsten Tag, weil es keinen einfachen Grundsatz gibt, der das Verhältnis von Macht zu Gerechtigkeit und von Gerechtigkeit zu Freiheit ein für allemal klären könnte. Der entscheidende Punkt in der amerikanischen Entwicklung ist, daß hier nicht weniger als in Europa eine demokratische politische Gemeinschaft genug Kraft und Aufrichtigkeit gehabt hat, um die marxistische Anklage zu entkräften, die Staatsgewalt sei nur ein Instrument der herrschenden Klasse. Sie hat soviel Gerechtigkeit verwirklicht, daß sie den Ausbruch sozialer Ressentiments verhinderte, die die weniger gesunden europäischen Völker erschütterten und soziale Verbitterungen hervorriefen, die auch in den besten von ihnen weit über die unsrigen hinausgingen.

Wir haben, mit einem Wort, die Gerechtigkeit, die wir besitzen, auf die einzige Weise erreicht, wie sie in einer technischen Gesellschaft erreicht werden kann: wir haben die Macht verteilt und ausgewogen. In der Wirtschaftsgesellschaft selbst haben wir ein gewisses Gleichgewicht dadurch erhalten, daß wir organisierte Macht gegen organisierte Macht setzten. Wo das nicht genügte, haben wir die breiter fundierte politische Macht benutzt, um Mißverhältnisse und Gleichgewichtsstörungen in der Wirtschaftsgesellschaft abzustellen.

3. Beweglichkeit der amerikanischen Klassenstruktur

Was ist in diesem Machtkampf aus unserem sozialen Frieden geworden? Der Kampf der Parteien ist bei uns erbittert genug. Das Fehlen einer kollektivistischen oder revolutionären Ideologie unter den Arbeitern bewahrt sie nicht davor, als Revolutionäre angegriffen zu werden. Dennoch nimmt das Unternehmertum die allgemeine Entwicklung der Demokratie in Amerika mit einem gewissen Grad praktischer Duldung an, obwohl und während es ideologisch gegen sie Krieg führt. Dies ist der Grund, warum wir in Europa so vollständig mißverstanden werden. Denn Europa kennt unsere halboffizielle Ideologie besser als unsere praktische Gerechtigkeit.

Europa weiß, daß unsere Unternehmer endlos über Freiheit reden in einem Ton, den Europäer, besonders kontinentale, gleichsetzen mit einem dekadenten Liberalismus, der bereits zu einem ärgerniserregenden Konservatismus geworden ist. Aber Europa scheint nicht zu wissen, daß unsere Unternehmer Fünfjahreskontrakte mit den Gewerkschaften unterzeichnen, die „gleitende Lohnklauseln“ enthalten und so steigende Löhne bei steigenden Preisen garantieren. Kurz: das amerikanische Unternehmertum hat in der Praxis die Macht der Arbeiter akzeptiert; es hat sogar die Idee der Notwendigkeit hoher Löhne als Basis für die Massenproduktion in seine soziale Philosophie ausgenommen. In den verschiedenen Glaubensbekenntnissen der Freiheit, durch die es die „amerikanische Lebensweise“ zu popularisieren sucht, erkennt es das Recht auf Kollektivverträge an.

Bis zu einem gewissen Grade ist unser sozialer Frieden der fluktuierenden Klassenstruktur der amerikanischen Gesellschaft zu verdanken. Diese hat das Ethos sowohl der Arbeiter wie der Unternehmer beeinflußt. Die marxistische Klassenkonzeption, entworfen für die Klassen der industriellen Gesellschaft, hat nur dort tief Wurzeln geschlagen, wo die voraufgegangene feudale Klassenstruktur die sozialen Ressentiments verstärkte, die durch die Ungerechtigkeiten der industriellen Gesellschaft geschaffen wurden. Das amerikanische Unternehmertum hat häufig die alberne Beschuldigung erhoben, die Marxisten hätten den Klassenkampf oder gar die Klassenbildung erfunden. Die Beschuldigung ist umso absurder, als es ziemlich wahrscheinlich ist, daß die amerikanische Klassenstruktur starrer wezden wird, je mehr die Nation sich den endgültigen Grenzen der wirtschaftlichen Expansion nähert. Nichtsdestoweniger ist es wahr, daß der Marxismus die Mannigfaltigkeit der Klassenstruktur in der industriellen Gesellschaft übersieht so gewiß wie der liberale Glaube die Realität der Klassenspannungen übersieht. Wenn aber die Dynamik einer industriellen Gesellschaft auf die Klassenunterschiede einer feudalen Ordnung aufgepfropft wird, dann entsprechen die psychologischen Tatsachen weit mehr dem marxistischen Bild des Klassengegensatzes als sie es in einer ausschließlichen Bourgeois-Gesellschaft wie der unsrigen tun. Dies ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum in England, dessen Gesellschaft in mancher Beziehung geschlossener ist als die unsrige und das sich demokratischer Errungenschaften rühmt, die den unseren gleichkommen oder sie übertreffen, eine politische Partei entstehen mußte, die viel schwerer mit marxistischer Ideologie belastet ist als unsere. Gerade die Errungenschaften der englischen politischen Demokratie, die es möglich machten, von der feudalen zur kommerziellen und von der kommerziellen zur industriellen Gesellschaft fortzuschreiten ohne ernstliche Erschütterung des sozialen oder kulturellen Gefüges, haben den einen schweren Nachteil, Überreste eines feudalen Klassensnobismus zu konservieren, die selbst durch eine Ära sozialistischer Politik nicht beseitigt werden konnten.

Die Beweglichkeit der amerikanischen Klassenstruktur ist in erster Linie ein Geschenk der Vorsehung, da sie die Folge einer sich stetig ausbreitenden Wirtschaft war. Aber dieser bloße Glücksfall ist insoweit in eine gesellschaftliche Tugend umgewandelt worden, als nicht nur der Arbeiter vergleichsweise frei blieb von sozialen Ressentiments, sondern auch die bevorrechteten Klassen dazu neigen, weniger unversöhnlich in ihrem Widerstand gegen die aufsteigenden Klassen zu sein. „Das Fehlen irgendwelcher nennenswerter sozialer Ressentintents im amerikanisdien Leben ", so erklärte kürzlich ein kontinentaler Besucher, „hat mir einen tieferen Eindruck gemacht als irgendeine andere amerikanische Besonderheit“. Die englischen Oberklassen mögen im politischen Kampf lässiger nachgeben als die unseren; aber sie halten die Waffe der sozialen Verachtung fest als Kompensation für ihren Verlust an politischer und ökonomischer Macht.

4 Verwirrung in der Eigentumsideologie

Die Leistung Amerikas in der Entwicklung sozialer Maßnahmen, die weiser sind als sein soziales Glaubensbekenntnis und der Wahrheit näher als marxistische oder bürgerliche Ideologie, steht unter zwei wichtigen Vorbehalten. Erstens: die Debatte in der westlichen Welt über die Institution des Eigentums wurde in Amerika nicht ausgetragen. Nichts in den widerstreitenden Ideologien des Marxismus und der bürgerlichen Kultur offenbart den Kontrast zwischen ihnen so deutlich wie ihre jeweilige Haltung zum Eigentum. Das Eigentum ist im Glauben der bürgerlichen Welt ein Instrument der Gerechtigkeit und in der marxistischen Interpretation die Quelle allen Übels. Beide Meinungen verfehlen die Wahrheit gleichermaßen. Da Eigentum eine Form von Macht ist, kann es nicht unzweideutig eine Quelle des sozialen Friedens und der Gerechtigkeit sein. Denn jede Art von Macht kann, wenn sie maßlos oder unverantwortlich ist, ein Werkzeug der Aggression oder Ungerechtigkei werden. Da jedoch Eigentum auch nicht die einzige Form der Macht (nicht einmal der wirtschaftlichen Macht) in der Gesellschaft ist, kann es auch nicht die einzige Quelle der Lingerechtigkeit sein. Da sich in einigen Formen des Eigentums die Sicherheit des Heimes repräsentiert, andere gegen die Gefahr der Zukunft zu schützen und noch andere Mittel für die eigentliche Erfüllung unserer sozialen Funktionen sind, dienen einige Formen des Eigentums offenbar der sozialen Gerechtigkeit und dem Frieden.

Augenscheinlich sind die marxistische und die bürgerliche Eigentums-ideologie gleich verworren. Die marxistische Ideologie hat sich als gefährlicher erwiesen, weil unter dem Deckmantel ihrer Illusion eine neue Gesellschaft geschaffen wurde, in der politische und wirtschaftliche Macht auf ungeheuerliche Weise kombiniert wurden, während die Täuschung genährt wird, daß die ökonomische Macht vollständig durch die Sozialisierung des Eigentums ausgeschaltet sei. Die demokratische Gesellschaft bewahrt sich dagegen eine gewisse Gerechtigkeit durch verschiedene Strategien der Verteilung und Balancierung sowohl der wirtschaftlichen als der politischen Macht. Aber es ist nicht haltbar, die Institution des Eigentums in den Bereich des Sakrosankten zu verweisen.

Jede menschliche Institution muß ständigen Prüfungen unterliegen. Man muß fragen, welche Formen des Eigentums unter welchen Bedingungen brauchbar sind. Insoweit als das Fehlen der marxistischen Herausforderung in unserer Kultur die Institution des Eigentums völlig unbestritten gelassen hat, könnten wir die Gefangenen eines Dogmatismus geworden sein, der uns in einer künftigen Krise teuer zu stehen kommen kann.

Die zweite Schwäche in der amerikanischen politischen und wirtschaftlichen Situation besteht darin, daß der Lippendienst, den unsere ganze Kultur den Prinzipien des laisser-faire spendet, verantwortlich ist für die Langsamkeit, mit der wir bei drohender Gefahr der Inflation oder Deflation der Instabilität der freien Wirtschaft begegnen. Wir werden schließlich praktisch damit fertig, aber nicht bevor die Folgen der Un-tätigkeit augenscheinlich geworden sind. Einige glauben, daß die Lektion, die während der großen Depression von 1929 erteilt wurde, so gut gelernt sei, daß eine Wiederkehr der Katastrophe unmöglich sei; aber es ist keineswegs erwiesen, daß dies stimmt. Sicher ist es hingegen wahr, daß die halboffizielle Ideologie unseres Landes verhindert, daß in Perioden der Kriegsproduktion wie der gegenwärtigen rechtzeitig angemessene Schritte gegen die Gefahr der Inflation unternommen werden. So ist die amerikanische Unternehmergesellschaft geneigt, von unserer Wirtschaft in Ausdrücken lyrischen Lobes zu sprechen, die suggerieren sollen, daß wir auch die letzten Probleme sowohl der Gerechtigkeit als auch der Sicherheit gelöst haben. Aber die einzelnen Mitglieder dieser Gesellschaft grübeln ängstlich und endlos nach über die nächsten Aussichten der beiden Zwillingsübel Deflation und Inflation. Für Europa, dessen ökonomische Gesundheit so abhängig geworden ist von dem amerikanischen Riesen, daß ein Zittern in unserem System ernste Erschütterungen in der Weltwirtschaft hervorruft, bleiben wir ein aufreizend unberechenbares Element in der Stabilität der Welt.

Mit diesen Vorbehalten dürfen wir sagen, daß die unausgesprochene Weisheit, die in der tatsächlichen Erfahrung des amerikanischen Lebens sich verkörpert, Formen der Gerechtigkeit geschaffen hat, die erheblich besser sind, als unsere oft ausgesprochene Torheit vermuten läßt.

5. Sieg des gesunden Menschenverstandes

Jede moderne Gesellschaft, die eine leidliche Gerechtigkeit aufrichtet, ist der Nutznießer des ironischen Triumphes, den die Weisheit des gesunden Menschenverstandes über die Torheit ihrer Weisen erringt. Denn die Weisen sind unvermeidlicherweise in Versuchung, entweder der einen oder der anderen Richtung des rationalen „Fortschritts“ zu folgen, für den die bürgerliche und die marxistische Ideologie vollen-dete Typen sind. Die eine Art des Denkens nimmt an, daß alle sozialen und historischen Prozesse sich selbst regulieren. In diesem Falle ist es nur nötig, die törichten Schranken und Kontrollen abzuschaffen, mit denen frühere Generationen sie zu hemmen suchten. Dies ist im wesentlichen die Konzeption der rationalen Politik und Wirtschaft der bürgerlichen Ära seit der französischen Revolution. Der entgegengesetzte Typ des Denkens stellt sich ein soziales und historisches Ziel vor, das mutmaßlich von der ganzen Menschheit gewünscht wird und sucht die Erreichung dieses Zieles zu „planen“.

Der Streit zwischen denen, die planen wollen und denen, die so viele Schranken der menschlichen Aktivität wie möglich beseitigen wollen, überschreitet die Grenzen der politischen Kontroverse zwischen den Industriearbeitern und der Bourgeoisie, durch die sie in unserer Zeit am meisten bekannt wurde. Aber diese Kontroverse bietet eine vollständige Illustration des „ideologischen Makels“, der die Sicht dieser beiden Denkarten trübt. Die Bourgeoisie kam zu Macht und Wohlstand, indem sie alte Schranken durchbrach. Und je erfolgreicher ihr das gelang, umso mehr fürchtete sie neue Beschränkungen ihrer zuweilen ganz unangemessenen Macht und Vorrechte. Daher spricht man fromm und ehrfürchtig von den „Gesetzen der Natur“, die nicht verletzt werden dürfen. Und man stattet das nicht vorhersehbare Drama der menschlichen Geschichte mit der Unveränderlichkeit der Natur aus, die nicht darin zu finden ist.

Die Arbeiterklasse auf der anderen Seite fand sich in dieser gerühmten „freien“ Welt in einer ungünstigen Situation. Sie war einbezogen in einen ausgedehnten gesellschaftlichen Mechanismus, der periodisch zusammenbrach. Und sie fand wenig Trost in dem Glauben, daß solche Krisen für die Gesundheit der Gesellschaft notwendig seien. Es fehlten ihr die persönlichen Fähigkeiten, um zu gleichen Bedingungen in den individuellen Wettkampf einzutreten. Und sie sah sich in jedem Fall mit Machtballungen konfrontiert, mit denen sie es nicht aufnehmen konnte. In einigermaßen ehrlichen Demokratien hatte die Arbeiterklasse die Möglichkeit, sich als wirtschaftliche und politische Macht zu organisieren und so der Macht der bevorrechteten Klassen zu begegnen. In den weniger gesunden Demokratien oder in undemokratischen Nationen fanden ihre Befürchtungen und Ressentiments Linderung in dem marxistischen Konzept, das nicht nur ein Plan für die soziale Gerechttigkeit sondern für die Rettung der ganzen Menschheit ins Auge faßte. Aber diese politischen Programme, auch wenn sie nur schwach marxistisch sind, haben immer auch ihre ideologischen Mängel. Sie sind mehr oder weniger blind gegenüber den mannigfaltigen Formen der menschlichen Initiative, die auch der weiseste Plan zerstören könnte. Und sie sind sich der Gefahr nicht bewußt, die in dieser Kombination politischer und ökonomischer Macht liegt, wie sie mit jedem Plan auftritt.

Der Triumph der Weisheit des gesunden Menschenverstandes über diese beiden Typen der Klugheit ist darum in erster Linie die Weisheit der Demokratie selbst, welche jede der beiden Strategien daran hindert, bis zu ihrer logischen Konsequenz durchgeführt werden. In jeder der beiden Positionen ist ein Element der Wahrheit, das zur Lüge wird, besonders wenn es zu folgerichtig durchgeführt wird. Das Element der Wahrheit in jedem der beiden Glaubensbekenntnisse ist unentbehrlich, um der wirklichen Situation des Menschen gerecht zu werden. Denn der Mensch transzendiert den sozialen und historischen Prozeß zur Genüge und es ist daher möglich und auch notwendig, daß er allgemeine Ziele des Lebens wohlüberlegt plant, insbesondere das der Gerechtigkeit. Er darf nicht auf den Zufall rechnen und auf die Übereinstimmung privater Wünsche allein, um solche allgemeine Ziele zu erreichen. Auf der anderen Seite ist der Mensch zu tief in den Wirrwarr der Interessen und Leidenschaften in der Geschichte verstrickt und sein Überblick über den gesamten Prozeß ist zu kurzfristig und begrenzt, als daß die Belehnung irgendeiner Gruppe oder Institution von „Planern“ mit der vollen Macht zu rechtfertigen wäre. Der „reine“ Idealismus solcher Planer und die Ansprüche ihrer Wissenschaft müssen immer verdächtig sein. Der Mensch hat eben in menschlichen Angelegenheiten keine „reine“ Vernunft; und wenn der Vernunft, die er hat, die volle Macht zur Erreichung ihrer Ziele gegeben wird, dann wird die Verderbnis nur umso schlimmer sein.

Die Kontroverse zwischen denen, die Gerechtigkeit und Ordnung „planen“ möchten und denen, die der Freiheit zutrauen, daß sie beides herstellen wird, ist daher unlösbar. Jede gesunde Gesellschaft wird in der Spannung dieser Kontroverse leben bis an das Ende der Geschichte. Und sie wird ihre Gesundheit gerade dadurch erweisen, daß sie jede Seite verhindert, den vollen Sieg zu erringen.

Der Triumph des „gesunden Menschenverstandes“ in der amerikanischen Geschichte ist daher in erster Linie ein Triumph der Lebenskräftigkeit unserer demokratischen Institutionen. Der ironische Aspekt liegt darin, daß wir in der Praxis eine erträgliche Synthese zwischen den beiden widerstreitenden Ideologien gefunden haben, während wir nur der einen erlaubten, unsere Theorie zu beherrschen.

Politik und Zeitgeschichte

AUS DEM INHALT UNSERER NÄCHSTEN BEILAGEN:

Joseph M. Bochenski: „Die sowjetische Philosophie der Gegenwart"

Walter Kolarz: „Stalin 1949 —• Chruschtschow 1959"

Pietro Quaroni: „Die Verantwortung Europas gegenüber den Entwicklungsländern" Fedor Stepun: „Funktion der Kunst in der Sowjetunion"

Hermann Weber: „Von Rosa Luxemburg zu Walter Ulbricht"

Heinrich Uhlig: „Hitlers Einwirken auf Planung und Führung des Ostfeldzuges bis Frühjahr 1943" • * : „Pekings Wirtschaftsbeziehungen zum Ausland"

Fussnoten

Fußnoten

  1. Siehe Lione'l Curtis'Civitas Dei für die britische Version. Fichte hatte eine Version, wie das deutsche Volk Menschheitsnation werden sollte. Mazzini kombinierte kunstvoll den Nationalstolz mit der Hoffnung auf einen besonderen Beitrag Italiens zur Entwicklung der Menschheit. Rußland war immer erfüllt mit messianischen Illusionen. In seinem posthum veröffentlichten Werk „Der russische Gedanke" analysiert Nikolai Berdjajew humorvoll diese Illusion und kommt zu dem Schluß, daß der Sowjet-Messianismus kein Ideal ist, aber doch ein gewisser Höhepunkt all dieser messianischen Träume.

  2. Zitiert von Leslie A. White in The Science of Culture’ p. 342.

  3. Es wäre abwegig zu behaupten, daß in diesen Disziplinen so etwas wie Einmütigkeit herrsche, denn ständig wütet ein Streit zwischen extremen Deterministen und extremen Voluntaristen. So fordert z. B. im Bereich der Anthropologie, die erst jüngst mit Forschungen auf dem Gebiet der gegenwärtigen Kultur auf den Plan getreten ist, eine starke Schule von Kulturdeterministen die Voluntaristen heraus. Die Deterministen sehen ganz richtig, daß der Mensch ein Geschöpf seiner Kultur ist und übersehen, daß er zugleich ihr Schöpfer ist. So kann ein Kulturdeterminist auf ziemlich belustigende Art und Weise den übertriebenen Voluntarismus eines Psychologen anprangern. Leslie White zitiert in „The Science of Culture" die folgende Bemerkung von Prof. Gordon Allport: „Die Vereinigten Staaten gaben zwei Milliarden Dollar für die Erfindung der Atombombe aus. Was ist absurd an dem Gedanken, nötigenfalls eine gleich hohe Summe auszugeben, um die Mittel für die Atomkontrolle zu entdecken?" Solche Überlegungen nehmen offenbar an, daß die gewaltigen und verwickelten Prozesse der Wirkung und Wechselwirkung menschlichen Wollens und Wünschens . unter Kontrolle'gebracht werden können, wenn man nur genug Geld dafür ausgibt. Mr. White, der diese Ansicht als . nicht stichhaltig'bezeichnet, fährt dann fort, ihr eine ebensowenig stichhaltige gegenüberzustellen. „Kriege sind Kampfe zwischen sozialen Organismen, genannt Nationen" so erklärt er, „Kampfe um die Selbsterhaltung, Kämpfe um den Besitz der Bodenschätze, um, furchthares Ackerland, um Kohle, O 1 und Erzlager . . . Auch ein Höchstmaß des Verstehens kann die Grundlage dieses Kampfes nicht verändern Osler umgestalten, so wenig wie die Kenntnis von den Gezeiten des Meeres die Flut vermindern oder verhindern kann. " (Leslie A. White in The Science of Culture'p. 343). Zwischen diesen beiden Theorien herrscht ein absoluter Widerspruch insofern als die eine annimmt und die andere leugnet, daß es eine Elitegruppe geben konnte mit Gesinnungen, rein genug, um den . Kampf zwischen sozialen Organismen'zu überwinden und machtvoll genug, den Streit zu schlichen. Aber die Theorien haben auch viel miteinander gemein; in beiden Fallen wird der historische Prozeß so betrachtet, als sei er in seiner Art dem Naturprozeß verwandt. Die Kriege der Geschichte gelten als vollkommenes Analogon zu den . Gezeiten des Ozeans'. Was Menschen über die Geanren der Atombombe denken wird für ebenso manipulierbar gehalten wie die physikalischen Kräfte, die die Atombombe hervorbringen.

  4. In seiner Ansprache vor dem Senat des Massachusetts Institute of Technology, am 30. Marz 1949 erklärte Winston Churchill: „Der Dekan der philosophischen Fakultät sprach mit Entsetzen von der , herannahenden wissenschaftlichen Möglichkeit, die Gedanken des Menschen genau zu kontrollieren. Ich bin froh, daß ich tot sein werde, bevor es so weit ist".

  5. In dem Utopia eines naiven Psychologen, in B. F. Skinners . Waiden IT wird uns die Vision einer idealen Gemeinschaft von sechshundert Seelen vorgeführt, die in den Zustand vollkommener Harmonie gebracht worden sind, frei von jeder ausschweifenden Begierde oder Eifersucht. Der Psychologe, der diese Gemeinschaft geschaffen hat, gibt zu, daß er die individuellen Komponenten dieser harmonischen Gemeinschaft „gemanaged" hat und daß deshalb Ähnlichkeiten bestehen zwischen ihm und den berüchtigten Diktatoren unserer Zei. Aber er meint, daß dennoch zwischen diesen und ihm ein großer Unterschied bestehe, weil er alles zum Guten der Gemeinschaft getan habe. Tatsächlich fehlen der Gemeinschaft die heroischen und Elemente menschlichen Natur edlen in der ebenso völlig wie destruktive Feindseligkeiten.

  6. Geoffrey Gorer und John’ Rickman , The people of Great Russia und ein Artikel von Ruth Benedict „Kindererziehung in einigen europäischen Ländern" in American Journal of Orthopsychiatry 1949.

  7. Dr. Brick Chisholm.

  8. Bertrand Russell in einem Artikel „Die moderne Beherrschung der Natur" sm Sstene" (tondon) Mai 1951. „Was ein Volk durch die Bevölke runasvermehrunq gewinnt" erklärt Mr. Russell, „widmet es nur zum Teil seiner eigenen Wohlfahrt. In erheblichem Ausmaß widmet es seine „ ‘ Sen der Tötung anderer Völker ... Die Regierung der Vereinigten Staaten hat angekündigt, daß sie im kommenden Jahr 20 Prozent hrenGn Produktion für Rüstungszwecke ausgeben will . Mr. RusseS Angael diese Unbestreitbar. Aber die Vorstellung, daß das amerikanische bSS Volkudiese trägt weil es geblendet sei durch . Triebe die rn Zu, cdhietamheinesisnhglitcPhienM“ BaEt tur durch Jahrhunderte der Erziehung und der wurden', ist ziemlich naiv, bes. wenn man Mr. Russells Meinungm, n nd tracht zieht, daß wir gegen den Kommunismus gerüstet sein mußten mit der Atombombe nicht zu zimperlich sein sollten.

  9. Edmund Burke, Gedanken über die französische Revolution, Kap. I.

  10. Calvins Worte lauten: „Die Lasterhaftigkeit und Unvollkommenheit der Menschen läßt es daher sicherer und zuträglicher erscheinen, daß die Staatsgewalt in den Händen Vieler sei, so daß sie sich gegenseitig Warnung und Beistand geben können, und immer dann, wenn Einer sich mehr als sein Recht anmaßt, als Zensoren und Meister handeln können, um ihn in seinem Ehrgeiz zu mäßigen." Institutionen IV, 20, 8.

  11. Um die Jahrhundertwende hieß es in einer Entscheidung des Supreme Court: „Es ist das verfassungsmäßige Recht des Unternehmers, auf die Dienste eines Angestellten zu verzichten, wenn dieser Mitglied einer Gewerkschaft ist“. In einer anderen Entscheidung erklärte der Gerichtshof: „Einen Mann um seine vorherige Zustimmung zu bitten, daß es sich der Verbindung einer Gewerkschaft enthalte, bedeutet nicht, ihn um die Aufgabe eines Teils seiner verfassungsmäßigen Rechte zu bitten."

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