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Afrika sucht sein Gesicht | APuZ 3/1959 | bpb.de

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APuZ 3/1959 Afrika sucht sein Gesicht Der Rubelkrieg

Afrika sucht sein Gesicht

JEAN-LOUIS CLEMENT

Nachstehenden Artikel entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung des Verlages der November-Nummer der französischen Monatsschrift „Ralits“. „Afrika ist der Teil der Weit, der sidt augen-blicldidt am sdinellsten verändert. Seine Entwicklung zur Befreiung vom Kolonialstatus und zur Übernahme der Unabhängigkeit in eigener Verantwortung könnte durchaus den entscheidenden Faktor im Kampfe zwischen den Kräften der Freiheit und dem internationalen Kommunismus bilden.“ (Richard Nixon)

Als die europäischen Kolonialmächte nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, enttäuscht von ihren asiatischen Abenteuern, eine Auffangstellung für ihre Hoffnungen und ihr Kapital suchten, war es nur zu natürlich, daß sie sich dem afrikanischen Kontinent zuwandten. Alles sprach für diese Lösung: ein fest verankerter europäischer Einfluß von alters her, die relative Passivität der eingeborenen Bevölkerung, noch wenig berührt von der nationalistischen Ideologie und politisch unorganisiert, und die Isolierung des afrikanischen Kontinentes am Rande der großen weltpolitischen Strömungen In moralischer Hinsicht rechtfertigte sich die europäische Anwesenheit in Afrika Lichter als anderswo. Sie brachte diesem Lande, das n Clans und Stämme zerstückelt war, eine politische Organisation und moderne Verwaltung; sie gab diesem Lande, das zu den ärmsten der Welt gehört, einen wirtschaftlichen Unterbau. Der Afrikaner erwies sich übrigens als ein viel gelehrigerer Schüler als der Asiate. Fleißig, passiv, als Persönlichkeit weniger fixiert, paßte er sich leichter als dieser der europäischen Erziehung und den westlichen Sitten an Die neuen afrikanischen Eliten bezogen ihre Kultur von der Sorbonne, aus Cambridge und aus Oxford. Die Teilnahme der schwarzen Eliten aus dem französischen Afrika am Leben des Palais Bourbon oder die erstaunliche Akklimatisierung an die Sitten von Westminster in den Volksversammlungen der Goldküste oder von Nigerien scheinen ebenso Beweise eines tiefen Einverständnisses zwischen den beiden Kontinenten zu sein. Europa glaubte imstande zu sein, die afrikanischen Territorien allmählich zur Autonomie zu führen, aber nur unter der Bedingung, daß dieser Prozeß lange hinausgezögert würde und die Afrikaner vorher die Botschaft der Freiheit und Gleichheit im Sinne der westlichen Demokratie angenommen hätten.

Dieses Gebäude europäischer Pläne ist heute in Gefahr, vor allem deshalb, weil aus den Tiefen des afrikanischen Kontinentes heute neue Kräfte hervorgebrochen sind, die alle die Zurückweisung der europäischen Herrschaft und den Aufstieg zur LInabhängigkeit fordern. Ein weiterer Grund ist darin zu suchen, daß Afrika aufgehört hat, ein privilegiertes Einflußgebiet Europas zu sein. Es befindet sich heute in der ersten Frontlinie eines großen Kampfes der Kräfte der Freiheit mit denen des Kommunismus. Die Vereinigten Staaten, die LIdSSR und China greifen immer mehr in die Entwicklung des afrikanischen Schicksals ein.

Dieses gewaltsame Eindringen innerer und äußerer neuer Kräfte in die afrikanisce Politik erklärt, daß es für die europäischen Mächte immer schwerer wird, die Entwicklung in ihren Territorien zu kontrollieren, trotz kühner Initiativen, wie z. B. die Bestimmungen der neuen französischen Verfassung über den Aufbau der „Communaute“. Diese neuen Kräfte muß man kennenlernen und richtig einschätzen, um eine afrikanische Politik, die unseren Interessen entspricht, ins Werk zu setzen.

Die rasche Entfaltung des Nationalismus nach dem zweiten Weltkrieg hat die Bedingungen des politischen Lebens in Afrika von Grund auf verändert. Seine Dynamik drückt sich ebenso in dem blutigen Ausbruch der Mau-Mau in Kenia aus wie auch unter der höflicheren Form der kürzlichen Erklärungen des Parteiführers Sekou Toure in Guinea, der versicherte, daß er es vorzöge, „lieber arm und frei als reidi und versklavt“ zu leben.

Der Nationalismus, der seine Verzweigungen durch ganz Afrika ausstreckt, zieht seine Kräfte daraus, daß er es verstanden hat, die afrikanischen Massen, die bis dahin passiv waren, zu mobilisieren. Er hat sein Programm dem gesamten afrikanischen Kontinent aufoktroyiert, der sich heute nach einheitlichen Parolen ausrichtet.

Ausbreitung des Nationalismus

Noch 1945 konzentrierte sich das politische Leben Afrikas in den Städten der Westküste zwischen Dakar und Brazzaville. Dort hatten sich Parteien und Gewerkschaften der Haupt-städte ausgebreitet, indem sie die schwarzen Eliten anwarben, die aus dem handeltreibenden Bürgertum der Hafenstädte hervorgegangen waren. Eine Kernzelle des politischen Lebens hatte sich herausgebildet, die allerdings noch wenig lebenskräftig war, da sie vollständig von den noch apathischen Massen isoliert war und eng mit dem politischen Leben in der jeweiligen Hauptstadt verhaftet blieb. Einige Namen kennzeichnen diese Epoche: Lamine-Gueye in Dakar, Danquah an der Goldküste, Jules Ninine in Kamerun.

Der Ansturm des Nationalismus sprengte diesen engen Rahmen. Zwar hat sich der Nationalismus vor allen Dingen an der afrikanischen Westküste entwickelt und dort auch seine ersten Erfolge mit der LInabhängigkeit der Goldküste, die zum Staate Ghana wurde, erzielt, aber heute ist ganz Afrika von ihm erfaßt. Er zeigt sich unter den verschiedensten Formen, entsprechend den von der jeweiligen Kolonialmacht geschaffenen Verhältnissen und den Entwicklungsgrade der Territorien.

In dem Teil Westafrikas, der die französischen Territorien Französisch-Westafrika und Französisch-Äquatorialafrika, Ghana und Nige-rien umfaßt, hat die verhältnismäßig liberale Haltung Frankreichs und Großbritanniens die Entwicklung einer Vielzahl von Parteien, Gewerkschaften und Organisationen aller Art gestattet, die alle mehr oder weniger offen für die Unabhängigkeit streiten. Das Anwachsen des Nationalismus wirkte sich für diese Organisationen so aus, daß ein Bruch mit den haupt-städtischen Organisationen, aus denen sie vielfach hervorgegangen waren, eintrat und ein Wechsel der politischen Führungskräfte erfolgte.

Die Mehrzahl der Parteien und Gewerkschaften Westafrikas haben ihren Ursprung in der Zweigniederlassung einer hauptstädtischen Partei oder Gewerkschaft. Noch 1945 stellte sich Leopold Sedar-Senghor auf einer sozialistischen Liste zur Wahl, Horphouet-Boigny auf einer kommunistischen. Djibo Bakary, ein Gewerkschaftsführer in Nigerien, kämpfte in dem afrikanischen Zweige der C. G. T.francaise (kommunistisch beeinflußter Gewerkschaftsverband Frankreichs). Innerhalb von zehn Jahren ist der größte Teil dieser Verbindungen zerrissen: die S. F. I. O. (Sozialistische Partei Frankreichs) in Afrika wurde zur M. S. A. (d. i. mouvement socialiste africain — Sozialistische Bewegung Afrikas), die sich inzwischen der afrikanischen Konvention von Senghor angeschlossen hat, um die P. R. A. (Parti du Regroupement Africain = Partei der Afrikanischen Sammlung) zu bilden. Ebenso hat sich die R. D. A. (Rassemblement Democratique Africain = demokratische Sammlung Afrikas) des Houphouet-Boigny, die eine kommunistische Filiale war, der U. D. S. R.

(Union Democratique et Socialiste de la Resistance = Demokratische und Sozialistische Union der Widerstandsbewegung) angeschlossen, indem sie sich jedoch eine weitgehende Selbständigkeit bewahrte.

Eine andere Veränderung, die ebenso bedeu-tend ist, ist die der politischen Führungskräfte. Man findet drei aufeinanderfolgende Generationen, wenn man die Zusammensetzung der Eliten Westafrikas analysiert. Da sind zuerst die Politiker älteren Datums, das ist der Fall bei Lamine-Gueye, dem sozialistischen Bürgermeister von Dakar, bei Danquah, dem Alt-Führer des LInited Gold Coast Congress; bei Leopold Sedar-Senghor in Senegal, bei M'Bida und bei Ninine in Kamerun und schließlich in geringerem Maße bei Nicolas Grunitsky in Togo. Sie waren schon vor der großen Welle des Nationalismus da; sie versuchen jetzt von ihr zu profitieren, aber sie verstehen sie kaum. Sie stammen zum größten Teil aus dem bürgerlichen Lager und sind heftigen Angriffen der Männer der zweiten Generation ausgesetzt.

Diese letzteren, zwischen 30 und 40 Jahren, schicken sich an, die Mannschaft vor ihnen abzulösen. Lim vieles rühriger, suchen sie, die oft aus Gewerkschaftskreisen kommen, sich auf die Massen zu stützen. Das ist der Fall bei Sekou Toure, Parteiführer in Guinea, bei Djibo Bakary in Nigerien, bei Sylvanus Olympio in Togo, bei Dr. Azikiwe, Führer des „National Council for Nigeria and Cameroons", bei Oba-femi Awolow, Führer der Action Group, beide im englischen Nigerien. Obwohl Houphouet-Boigny einer Übergangsgeneration angehört, kann er ihnen zugerechnet werden. Radikaler und in ihren Forderungen weitergehend als die Generation vor ihnen, haben die Männer der zweiten Generation in gewissen Territorien schon die Kommandohebel in der Hand’ in Britisch-Nigerien, Guinea und Togo.

Schließlich ist noch von der dritten Generarationswelle zu sprechen, d. h. von den Männern unter 30 Jahren, die zum größten Teil noch Studenten sind. Sie sind Extremisten, meist Marxisten, und werden die leitenden Männer von morgen sein, die ihre Ansichten zur Geltung bringen werden.

In den übrigen Teilen des Schwarzen Afrikas, Zentralafrika und Ostafrika, zu denen Kenia, Tanganjika, die Föderation von Rhodesien und Njassaland, Belgisch-Kongo, Angola und Mozambique gehören, hat der Nationalismus andere Formen angenommen, die von den jeweiligen Umweltverhältnissen, in denen er sich ausbildete, bestimmt wurden. In diesem Teil Afrikas, der weniger entwickelt ist als Westafrika und auch weniger Eliten hervorbringt, haben die Kolonialmächte die Entfaltung der gewöhnlichen politischen Formen weit mehr gebremst. Es gibt praktisch keine Parteien und keine Gewerkschaften von Gewicht, außer vielleicht die Kenia Federation of Labou des Tom M’Boya.

Hinzu kommt, daß in den meisten dieser Territorien eine rührige weiße Minderheit existiert, die sich dort für dauernd niedergelassen hat. Das macht den Begriff der Unabhängigkeit doppeldeutig: Weiße und Schwarze wünschen sie, aber jeder zu seinem Vorteil. Dieser ganze Teil Afrikas ist aber auch mehr oder weniger von der Doktrin der Apartheid, die die Errichtung einer strengen Trennung von Weißen und Farbigen vorschlägt, angesteckt.

Der Nationalismus und der Wille zur Unabhängigkeit haben in diesen Gegenden Formen von UIntergrundbewegungen angenommen, die mehr Anleihen beim traditionellen Afrika machen und sich als politisch-religiöse Geheimbünde manifestieren. Der berühmteste unter ihnen ist der Bund der Mau-Mau in Kenia, aber ähnliche Bünde bestehen auch in Belgisch-Kongo und in den portugiesischen Kolonien, z. B.der Kitawalismus oder der Kimbangismus.

Mobilisierung der Massen

Der Nationalismus hat Unruhe in alle Gebiete Afrikas gebracht und erstaunliche Erfolge erzielt, weil er es verstand, die bis dahin amorphen Massen Afrikas zu mobilisieren.

Diese Mobilisierung erfolgte durch Partei, Gewerkschaft, Spezialorganisationen und Geheimbünde. Sie wurde durch den Zerfall der traditionellen afrikanischen Gesellschaft erleichtert. Dieser war ebenso sehr eine Folge der raschen Verstädterung der Westküste wie auch der Einführung der Lohnauszahlung an den Einzelnen. Wie in allen reinen Agrarländern ruht die traditionelle afrikanische Gesellschaft auf der Großfamilie, den Clan, der eine ganze soziale Gruppe aus denselben Quellen nährt. Sobald die Großfamilie ihren Sitz in die Stadt verlegt oder sobald die Lohnauszahlung an den einzelnen eingeführt wird, bricht sie auseinander und macht der Kleinfamilie Platz, wie wir sie in Europa kennen. Die Frau emanzipiert sich, die Kinder hören auf, von festen Strukturen gehalten zu werden. Die vermehrten Kontakte zwischen den verschiedenen Stämmen bewirken eine Selbstzerstörung der kulturellen Tradition. Dieser Zerfall des gesellschaftlichen und kulturellen Gewebes ist in Afrika besonders schwerwiegend, denn der Schwarze . wird, im Gegensatz zum Europäer, weniger durch die Struktur der eigenen Person als durch die Struktur seiner Gruppe gehalten.

Wenn dieses Gewebe zerreißt, kommt ein Gefühl der Beraubung auf, das sich ganz natürlich im Politischen niederschlägt. Aber solche günstigen Voraussetzungen genügen nicht, vielmehr muß die Masse im Dienst des Nationalismus noch mobilisiert werden. Diese Rolle übernehmen die politischen Parteien, Organisationen und Geheimbünde.

Je afrikanischer die politische Partei wird, desto mehr entfernt sie sich vom westlichen Vorbild. Die Convention People's Party des N’Krumah ist ein gutes Beispiel der Partei des neuen Typus“, die drei wesentlichen Merkmale aufweist.

Sie ist eine totalitäre Partei. NKrumah hat begriffen, daß die politische Partei in Afrika nicht die Wesenszüge bewahren kann, die sie in den westlichen Demokratien besitzt. Die C. P. P. ist ein vollkommen ausgebautes soziales Gebilde. Es entspricht dem Verlangen des Schwarzen, ein totales Engagement einzugehen, das die Stelle seiner alter. Bindungen an den Clan einnehmen kann. Die Partei beabsichtigt, alle Gefühle des Schwarzen für den nationalen Aufbau und die wirtschaftliche Entwicklung zu mobilisieren.

Diese Partei ist einzig in ihrer Art, zumindestens von Territorium zu Territorium (die Ergebnisse der Volksbefragung: 99, 9 Prozent Ja-Stimmen an der Elfenbeinküste und. 96. 0 Prozent Nein-Stimmen in Guinea sind in dieser Hinsicht bemerkenswert). „Warum mehrere Parteiführer?“ fragen die Eingeborenen. Die Partei wird ein Ersatzstamm. In gleicher Weise nimmt der Stamm Einfluß auf die Bedeutung, die die Partei in diesem oder jenem Territorium hat. Der Konkurrenzkampf der Parteien bei den Wahlen läßt die alten Stammesfehden wieder aufleben. In Guinea spiegelt die Rivalität zwischen der R. D. A. und der F. R. A. die traditionelle Feindschaft zwischen den Soussous und den übrigen Völkerschaften wider. Der Erfolg von Houphouet-Boigny ist zu einem Teil seiner Zugehörigkeit zu den Baoules, den traditionellen Führern der Elfenbeinküste, zuzuschreiben.

Es tritt eine Verwechslung von Partei und Führer ein; so gibt es eine wirkliche Kongruenz von C. P. P. und N’Krumah. Die gesamte Bedeutung dieser Partei kommt aus der Erfahrung und dem Glauben, die dieser Mann ihr verleiht; die Aura dieses Mannes hat ihren Ursprung in der Organisation der Partei, die er aufgebaut hat. N’Kruhma hat es verstanden, die Wirksamkeit eines modernen politischen Führers dem alten System persönlicher Beziehungen aufzupfropfen; das erlaubt ihm, Vertrauen zu erhalten und zu bewahren Politische Hymnen feiern ihn, sein Geburtstag ist ein nationales Fest, die Parteipresse sicht in ihm den „Erlöser von Ghana“, und die Menge schreibt ihm wunderbare Heilungen zu.

Die drei charakteristischen Merkmale der afrikanischen Partei, ihr Totalitarismus, ihre Rolle als Stammesersatz und ihre Führermystik werden deutlich durch den Gedankengang, in dem sie sich bewegt;

Man muß alle Energie anspannen, um der Unterentwicklung zu begegnen und wenn nötig, von den Massen den Verzicht auf Erhöhung des Lebensstandards fordern — den sie sich von der Unabhängigkeit erhoffen — um die unabdingbaren Grundinvestitionen sicherstellen zu können.

Der kultursoziologische Gedankengang begünstigt nicht-demokratische Parteien europäischen Typs: der Schwarze hat nur für ein vollständiges Engagement Verständnis, das die vielfältigen Aspekte seiner Aktivität lenkt. Er will in ihr eine geistige Heimat und eine Solidarität wiederfinden, die der vergleichbar ist, die er in seinem Stammesverband besaß, bevor dieser durch die Zivilisation zerstört wurde.

Die Partei muß einen sehr starken Druck auf die Gesamtheit der Einwohner desselben Territoriums ausüben, um die Einheit aufrechtzuerhalten, die von Lokalpartikularismus und Stammesgegensätzen bedroht ist.

Gewerkschaften und Geheimbünde

Schließlich müssen noch die Sondergruppen und Gewerkschaften betrachtet werden. Sie schließen sich ebenso der afrikanischen Tradition an. Man spricht nicht von Präsidenten oder Generalsekretären, sondern von „Häuptlingen“, es gibt keine „Büros“ oder „Exekutivkommissionen“, sondern nur die „Ältesten“. Man sucht unbewußt einen neuen Stammeskadet zu schaffen, und die Mitglieder der Vereinigungen haben für die leitenden Männer dieselbe Verehrung, wie sie früher den Häuptlingen entgegengebracht wurde.

Die Jugendorganisationen sind die aktivsten Gruppen. Ein typisches Beispiel liefert die Bewegung „Juvento" in Togo. Ursprünglich eine Abteilung der jungen Kräfte des C. U. T. (Comite de L’Unit Togolaise — Komitee für die Einheit Togos) des Sylvanus Olympio ist sie jetzt im Begriffe, eine selbständige Partei zu bilden, mit der die augenblickliche Regierung wird rechnen müssen. Ein anderes Beispiel; das „Commitee of Youth Organisation“, das von N’Krumah 1949 gegründet und dann die Jugendliga der C. P. P. wurde, mit einem bedeutenden Einfluß auf diese Partei.

Die afrikanische Gewerkschaftsbewegung weist ihrerseits spezifische Wesenszüge auf. Sie geht meistens der Industrialisierung voraus und berührt nur einen geringen Prozentsatz der Lohnempfänger. Von 150 Millionen Einwohnern des Schwarzen Afrikas sind ungefähr 6 Millionen Lohnempfänge und weniger als 500 000 Gewerkschaftler. (Das sind in den meisten Fällen Beamte und Angestellte, weniger Arbeiter'

Die Gewerkschaften spielen jedoch eine be-achtliche Rolle im politischen Leben Afrikas. Abgesehen davon, daß sie eine wahrhafte Pflanzstätte zur Erziehung von Politikern sind, dienen sie ausländischen Kräften als Einflußkanal, so den amerikanischen die C I. S. L. den sowjetischen die C. G. T.

Da ferner die Schwarzen in zahlreichen Territorien nicht über politische Parteien verfügen, um ihren Forderungen Ausdruck zu verleihen, haben sie versucht, die Gewerkschaften zu ihrem Sprachrohr zu machen, die dadurch einen stark politischen Akzent bekommen haben Tom M'Boya z. B. hat in dieser Absicht die „Kenya Federation of Labour“ gegründet. Ebenso findet man in Südrhodesien sehr entwickelte schwarze Gewerkschaften.

Es bleiben zum Schluß die Geheimbünde. Zunächst ist zu bemerken, daß selbst in Parteien und Gewerkschaften Geheimkulte einen gewissen Einfluß haben. In Kamerun z. B , im Bamilekenland, haben die Geheimbünde die Form einer Gewerkschaft angenommen. Im Sudan müssen die politischen Parteien sich mit dem Geheimkult, bekannt unter dem Namen „Kono“, ins Benehmen setzen. In Guinea und an der Elfenbeinküste benutzt der R. D. A. einen ähnlichen Bund, genannt „Poro“, für seine Zwecke. Ebenso verdankt Abbe Fulbert Youlou, Bürgermeister von Brazzaville, seinen Wahlerfolg der Sekte der Matsuisten. Matsu Andre Grenard war ein Katechet, der von den I Patres wegen Disziplinlosigkeit entlassen wurde. Er gründete eine Sekte, die auf mystischem Glaubensgut beruht, und gab vor, alle Wünsche denjenigen erfüllen zu können, die ihm eine finanzielle Unterstützung angedeihen ließen. Seine Getreuen glauben ihrerseits, daß er ihr Mittler bei N'Gol sei, einer Gottheit, in der man General de Gaulle zu erkennen geglaubt hat. Matsu wurde festgesetzt und starb im Gefängnis, aber seine Gläubigen sind davon überzeugt, daß i er noch lebt, und Abbe Fulbert Youlou bemüht sich, den Kult der Matsuisten zu seinem Vorteil zu gebrauchen.

Trotz dieser wechselseitigen Durcdringung von politischem Leben und mystischer Gläubigkeit treten die Geheimbünde hauptsächlich in den Territorien auf, in denen die Afrikaner keine festen politischen Parteien . besitzen und nicht am politischen Leben teilnehmen können. Das ist der Fall in Kenia mit den Mau-Mau und in Belgisch-Kongo mit dem Kimbangismus und dem Kitawalismus.

Die Mau-Mau erscheinen wie eine Art von afrikanischem Nationalsozialismus auf rassischer Basis. Es ist eine terroristische Organisation, deren wesentliche Bestandteile sich aus dem Stamm der Kikouyous rekrutieren. Sie sind untereinander durch einen Schwur verbunden, der von blutigen Riten begleitet wird. 1952 erhoben sie sich und schufen eine halb-revolutionäre Situation, indem sie eine Atmosphäre von Schrecken und Hysterie erzeugten.

Die Bewegung des Kimbangismus ist in direkter Linie mi+ der Mau-Mau-Bewegung verwandt. Die Kikouyous, überzeugte Christen, entdeckten, daß zahlreiche Europäer sich in der Praxis als laue Christen zeigten; sie gründeten daher pseudo-christliche Sekten, die den Mau-Mau den Weg bereiteten.

Simon Kimbangou wurde 18 89 in der Nähe von Leopoldville geboren. Er wurde Katechet. Im Jahre 1921 verkündete er die Ankunft Christi und gab sich dann selbst als Messias aus. Er predigte den Kampf gegen die Weißen und gab die Parole aus: „Der Kongo den Kongola-nern!" Er wurde verhaftet und deportiert, aber der Kimbangismus verschwand nicht mit seinem Oberhaupt. Simon M'Padi übernahm die Führung der Bewegung und forderte das Recht, eine Kirche der Schwarzen zu gründen, was ihm aber verweigert wurde. Im November 194 5 brach in Matadi der Streik aus; die Kimbangisten stürzten sich auf die Maschinengewehre der Ordnungskräfte. M'Padi wurde verhaftet, die Bewegung'verboten, aber sie verschwand nicht, sondern existierte unter dem Namen „Mission der Schwarzen“ weiter.

Die Kitawalas sind Fanatiker, die ebenso die religiöse Erneuerung predigen. Sie stellen die Mehrheit der 3800 Gefangenen, die augenblicklich in Belgisch-Kongo inhaftiert sind Während der Kimbangismus seine Heimat im Westen des Kongogebietes hat, ist der Südosten Afrikas das Ursprungsland des Kitawalismus. Diese Sekte verkündet, indem sie sehr frei die Bibel auslegt, religiöse Lehren apokalyptischer Art. Sie sagt den Untergang der Weißen für den Tag voraus, an dem sich die Mitglieder des „Watch Tower“ (eine amerikanische religiöse Gemeinschaft), die den Kitawalismus ins Leben gerufen hat, wiedervereinigen. Diese Sekte ist fest verankert in der Süd-Afrikanischen Union, in Njassaland und Rhodesien und dringt allmählic nach Katanga vor, im Süden von Belgisch-Kongo. Ihre Organisation ist so vervollkommnet (die Gläubigen sind in Zellen eingeteilt), daß man behauptet hat, die Bewegung würde von den Kommunisten unterstützt.

Die Botschaft des Nationalismus Obwohl sich der Nationalismus von Dakar bis Nairobi, von Lagos bis Lopoldville unter den verschiedensten Formen manifestiert, ist er überall der Träger derselben Botschaft. Er verlangt die Unabhängigkeit. Diese Forderung wird jetzt von den freien Territorien unterstützt, zum Beispiel von dem Ghana des N'Krumah, — das als Propagandazentrum und Stützpunkt für Agitatoren dient. Der gleiche Wunsch nach Unabhängigkeit und Autonomie äußert sich in den Resolutionen des Kongresses von Cotonou der P. R. A. oder in dem Willen der Kimbangisten, eine eigene Religion zu besitzen, unabhängig von den Religionen, die die Weißen gebracht haben.

Auf dem Gebiete der politischen Organisation ist die Stellung der Nationalisten unterschiedlich. Wenn sich auch eine große panafrikanische Strömung abzeichnet, die von Georges Padmore, dem Berater N'Krumahs, ermutigt wird, so sind doch auch separatistische Tendenzen am Werke, die den Auseinanderfall räumlicher Einheiten wie Französisch-Westafrika oder Französisch-Äquatorialafrika zur Folge haben können. Ebenso kämpfen in Ghana, das schon unabhängig ist, die Ashantis, ein Volksstamm aus dem Inneren des Landes, gegen die Autorität von Accra. Dr. Awolowo erklärt seinerseits, daß Westund Ostnigerien so verschieden sind wie Irland und Deutschland.

Rolle des Sozialismus

Auf dem Gebiete wirtschaftlicher Theorie und Planung zeigen sich die meisten der führenden Afrikaner als marxistische Sozialisten Der Sozialismus wird allgemein als wesentliches Ziel auf wirtschaftlichem Gebiete angesehen. So urteilen Persönlichkeiten, die so verschieden sind wie: G. Padmore, N'Krumah („Idi bin ein marxistischer Sozialist“, schreibt er in seiner Autobiographie.), Sekou Toure (R. D. A.), Mamadou Dia oder Djibo Bakary (P. R. A.). Gewisse Kreise stellen sich dieser Auffassung entgegen: die schwarzen Industriellen oder der Finanzminister von Ghana (M. Gbedemah), Präsident Tubman oder Kaiser Haile Selassie. Aber der Sozialismus spielt unter zwei Aspekten eine sehr bedeutende Rolle in Afrika.

Was die Ideologie betrifft, so ist unter dem Gesichtswinkel eines Padmore vor allen Dingen und zahlreicher afrikanischer Intellektueller ein dynamischer Nationalismus, der auf einem sozialistischen Programm ruht, die einzige Kraft, die in der Lage ist, den Kommunismus in die Schranken zu weisen. Was die Methode zur wirtschaftlichen Stärkung der Territorien betrifft, so sind der Sozialismus und die Planwirtschaft die einzigen Mittel, die Industrialisierung zu beschleunigen und eine ganze Entwicklungsstufe der Wirtschaft zu überspringen, wie in der LIdSSR und China.

Dennoch kann man die Erfolge, die seit dem Ende des zweiten Weltkrieges auf dem Wege zur Unabhängigkeit errungen wurden, nicht gänzlich der afrikanischen Eigenkraft zuschreiben. Wahrscheinlich wäre die Entwicklung zur Unabhängigkeit sehr viel langsamer verlaufen, wenn Afrika nur seinen eigenen Kräften überlassen worden wäre und mit den Kolonialmächten in einen Wettkampf eingetreten wäre.

Neuerdings ist das Schwarze Afrika zu einem Kreuzungspunkt internationaler Einflüsse geworden, und die traditionellen europäischen Einflußmächte müssen mit diesen neuen Kräften rechnen.

Trotz rascher Bedeutungsabnahme bewahren sich die Kolonialmächte noch einen Vorzugs-platz in Afrika. Das gilt vor allem für Groß-britannien und Frankreich, in geringerem Maße für Belgien und Portugal, die trotz einer scheinbaren Behauptung ihrer Positionen morgen schon einem gewaltsamen Drude vielleicht werden weichen müssen und gezwungen sein könnten, den afrikanischen Kontinent zu verlassen. Im Augenblick allerdings scheinen die Belgier ihrer Stellung in Belgisch-Kongo noch sicher zu sein. Die Handlungsweise des katholischen Klerus — ein wenig patriarchalisch — einerseits und das Bemühen der großen Industriegesellschaften (z. B.der „Union Miniere du Haut-Katanga“) andererseits, die eine fortschreitende Erhöhung des Lebensstandards ihrer afrikanischen Arbeiter anstreben, haben bisher zu gewaltsame Spannungen zwischen den Kolonisierten und den Kolonisateuren verhindert. Großbritannien und Frankreich verfolgen die Vorgänge in Afrika mit großer Aufmerksamkeit. Beide scheinen zuzugestehen, daß sich ihre Kolonien in fortschreitendem Maße auf die Autonomie und schließlich die Unabhängigkeit hinbewegen. Aber ihre Mittel und Ziele weichen voneinander ab.

Der britische Einfluß benutzte drei Kanäle: 1. die Beamtenschaft des britischen Kolonial-amtes, die entweder unmittelbar das Land verwaltet, wie in Kenia oder Nigerien, oder in beratender Funktion tätig ist, wie im Sudan oder in Ghana. 2. die großen Handelsgesellschaften, deren vollendetester und mächtigster Typ die „United Africa Company“ (Unilever, englisch-holländischer Trust) ist. Diese existiert in allen englischen und französischen Territorien unter den verschiedensten Bezeichnungen (Nosoco, Compagnie Francaise de la Cöted'Ivoire, John Walkden, G. B. Ollivant, le Niger Francais, Compagnie du Kouilou-Biari;

Palmine). Er beschäftigt von Dakar bis Johannisburg 40 000 Europäer, besitzt eine Flotte, Werkstätten, Fabriken und Sägewerke. 3. die Commonwealth-Organisationen. Dieses elastische und doch feste Gebilde ist in der Lage, einen kürzlich unabhängig gewordenen Staat in einem Rahmen von englschen Traditionen in der Politik und Wirtschaft aufzunehmen. Auf dem indirekten Wege des Commonwealth hält Großbritannien seine Verbindung mit Ghana aufrecht und wird sie morgen mit Nigerien aufrechterhalten, wenn es unabhängig geworden ist.

Großbritannien verfolgt eine ganz bestimmte Politik, indem es diese drei Aktionsmittel benutzt: In Westund Süd-Afrika führt es seine Besitzungen ziemlich schnell zur Unabhängig-keit und ist bestrebt, die Föderation eines vereinigten West-Afrikas zu organisieren. Dabei schwebt ihm das strategische Ziel vor Augen, quer durch Afrika einen Wall gegen die arabisch-islamische Ausdehnung auf den Süden, Ghana, Nigerien und den Englisch-Ägyptischen Sudan, aufzurichten. In Zentral-und Ost-Afrika hat Großbritannien erheblich größere Schwierigkeiten: es hat den Wunsch, eine weitgehende Autonomie zuzugestehen, aber es trifft auf den Widerstand der Kolonisten, die zwar für die Unabhängigkeit sind, aber nur unter der Bedingung, daß sie die Nutznießer sind. Da eine Entscheidung Großbritanniens für diese oder jene Seite keine Lösung bringt, gerät sein Einfluß, der ebenso von den Schwarzen wie den Kolonisten bekämpft wird, in Gefahr. Diese Entwicklung kann dramatische Züge annehmen, denn Großbritannien führt in Rhodesien den Versuch einer raschen Industrialisierung durch, den Beobachter aus ganz Afrika aufmerksam verfolgen.

Der französische Einfluß vollzieht sich vor allem über die Erziehung der Eliten auf französischen Schulen und Universitäten, ferner über die Handelsgesellschaften, wie die S. C. O. A. und die C. F. A. O., die an der Elfenbeinküste, in Togo und in Dahome sehr aktiv sind, und neuerdings über die großen Trusts, die sich für die Bodenschätze und Energiequellen Afrikas interessieren. Pechiney und LIgine z. B. haben dem Gebiet von Edea zur Bedeutung verhelfen.

In Französisch-Westafrika ebenso wie in Französisch-Äquatorialafrika wirkt Frankreich vor allen Dingen durch seine umfangreichen Investitionen (600 Milliarden Francs von 1947 bis 1956) und heute durch die Gründung eines französischen Commonwealth im Rahmen einer föderalistischen Republik. Der persönliche Einfluß General de Gaulles und die Bestimmungen der neuen französischen Verfassung die sich auf die „Communaute“ beziehen, verstärken ohne Zweifel die Chancen einer echten Zusammenarbeit zwischen Frankreich und seinen afrikanischen Territorien. Leider machen sich die französischen und englischen Experimente gegenseitig Konkurrenz, während sie beide von denselben Gefahren bedroht sind. Diese hartnäckige Rivalität wird durch den Kampf ohne Pardon zwischen Houphouet-Boigny und N Krumah symbolisiert.

Interessen der USA und der UdSSR

Zwei Vorgänge vor kurzem beleuchten das Interesse, das die beiden Weltmächte Afrika entgegenbringen. In den Vereinigten Staaten ist ein neues Staatssekretariat im Außenministerium für die afrikanischen Angelegenheiten ge-schaffen worden. Sein Leiter ist M. Julian Holmes. In der UdSSR gehören die Angelegenheiten der afrikanischen Länder seit kurzem zum Aufgabenbereich einer Spezialabteilung, die neuerdings im Außenministerium eingerichtet worden ist. Sie wird von A. A. Chvedov geleitet.

Die Vereinigten Staaten wenden ihre Aufmerksamkeit Afrika aus zwei Gründen zu: 1. wirtschaftliche Interessen: Sie müssen 1975 im Ausland 80 Prozent ihres Manganerzes, 65 Prozent ihres Kupfers, 50 Prozent ihres Eisens und einen Teil ihrer strategisch wichtigen Metalle kaufen. Afrika ist eines der möglichen Reservoire der freien Welt für Grundstoffe. 2. strategische Interessen: Die Verteidigungslinie des Westens geht durch Lybien, den Sudan und Äthiopien.

Die Vereinigten Staaten unterstützen mit Kraft und Festigkeit die Bewegung zur Unab-hängigkeit; sie verfügen hierfür über ein eigenes Instrument, den I. B. F. G. (Internationaler Bund Freier Gewerkschaften), in dem der amerikanische Einfluß dominiert. Der I. B. F. G. repräsentiert 15 Millionen Anhänger seine Gewerkschaftszentralen sind die reichsten. Über ihn übt Amerika seinen wirksamsten Einfluß in Afrika aus. Sein Zentralbüro befindet sich in Brüssel. Es gibt seine Weisungen an zwei Unterabteilungen in Accra und Nairobi. Ungefähr ein Dutzend Gewerkschaftsorganisationen des Schwarzen Afrikas sind im Augenblick dem I B. F. G angeschlossen. Die einflußreichsten sind die ven Britisch-Kamerun (20 000 Mitglieder), von Ghana (65 000), von Kenia (3 5 000), von Nigerien (30 000), von Rhodesien (7 5 000) und von Sierra Leone (15 000).

Der I. B. F. G. versucht aus rein gewerkschaftlichen Gründen selbständige Arbeiterbewegungen ins Leben zu rufen, die über den engen Rahmen der Gewerkschaftsbewegung hauptstädtischen Ursprungs hinausgreifen können, die ferner in der Lage sind, mit den kommunistischen Gewerkschaften auf dem Gebiete des Nationalismus zu wetteifern und dem drängenden Volksverlangen in den Hauptstädten und bei den Lokalverwaltungen mehr Geltung zu verschaffen.

Die Politik des 1. B. F. G. läßt sich in drei Worten zusammenfassen: Antikolonialismus, Antikommunismus, Antifeudalismus Sie bemüht sich, die aus dem 19. Jahrhundert überkommenen Fronten bedeutungslos zu machen und großräumige politische und wirtschaftliche Gemeinschaften zu errichten. Auf allen internationalen Konferenzen, die den Kolonialproblemen gewidmet sind, hat der l. B F. G. das Recht der afrikanischen Bevölkerung auf Selbstbestimmung proklamiert und die Rassentrennung verurteilt.

Ein anderer Weg des amerikanischen Einflusses geht über die großen Handelsgesellschaften. Die „Firestone Tire and Rubber Company“ stellt einen Staat im Staate Liberia dar. Die Bank von Monrovia gehört zu ihr, sie beherrscht das Land. Die „United States Steel Corporation“ spielt eine bedeutende Rolle in Gabon (mitten im französisch-amerikanischen „Comilog“, gegründet, um Manganerze auszubeuten). Die „Fyfe", eine Filiale der „United“ Fruit“ ist in Kamerun einflußreich.

Rußland mißt dem schwarzen Kontinent bei seinen Welteroberungsplänen dieselbe Bedeutung zu wie dem China vor 2 5 Jahren. Die Russen üben Einfluß durch ihre Botschaften in Khartum und Addis-Abeba aus, ferner durch ihre Wirtschaftshilfen. Sie haben Äthiopien, dem Sudan und kürzlich auch Lybien Darlehen angeboten. Sie unterstützen die extrem linken Gewerkschaften, vor allem die C. G. T. (kommunistisch beeinflußter Gewerkschaftsbund Frankreichs) und ihren Führer Jacques N'Gom in Kamerun. Sie schenken der Jugend große Aufmerksamkeit. Schwarze Studenten, die zum Studium nach Europa kommen, werden von den Lokalorganisationen der kommunistischen Parteien empfangen. Junge Afrikaner werden zu internationalen Kundgebungen nach Moskau eingeladen.

Welches Ergebnis haben diese Bemühungen bis jetzt gehabt? Der Kommunismus stellt sich den Afrikanern unter drei Aspekten dar: als eine antiimperialistische Bewegung, als eine Methode der Industrialisierung und schließlich als eine Ideologie.

Die Chancen der beiden ersten Darstellungsformen sind bedeutend: ein brüderliches Gefühl der Zuneigung zu Rußland entwickelt sich, hervorgerufen durch die von Rußland übernommene Rolle eines Verteidigers afrikanischer Volksinteressen gegenüber den Kolonialmächten (besonders in der LINO). Ferner macht die Durchführung der Industrialisierung in Rußland und China Eindruck. (Die Afrikaner wollen wie die Russen eine Entwicklungsstufe überspringen und von der Unterentwicklung direkt zur Industrialisierung kommen.) Gegenwärtig sind die bedeutendsten Führer Afrikas durch den Kommunismus hindurchgegangen oder sind von ihm beeinflußt worden. Bis 1950 war der R. D. A. mit der französischen kommunistischen Partei verbunden (aus Gründen der politischen Strategie, wie er heute erklärt). N’Krumah bezeichnet sich als „marxistischen Sozialist“. Georges Padmore, der Leiter der panafrikanischen Bewegung und Berater von N'Krumah, war eine beträchtliche Zeitspanne seines Lebens Kommunist. Jomo Kencatta, einer der nationalsozialistischen Führer von Kenia, hielt sich lange Zeit in Moskau auf.

Für die dritte Darstellungsform, die Ideologie, ist das Ergebnis weniger beweiskräftig: alle Parteiführer haben sich vom Kommunismus gelöst, denn seine Ideologie entspricht nicht der Mentalität und den Verhältnissen der Schwarzen. Der Klassenkampf findet kein Echo in Afrika — es gibt hier keine Klassen westlichen Typs — und der Materialismus schockiert die Neigung des Schwarzen zur Mystik.

Von 150 Millionen des Schwarzen Afrikas sind 30 Millionen Christen, 3 5 Millionen Muselmanen und 8 5 Millionen Animisten. Während die Animisten gar nicht organisiert sind und keine politische Kraft darstellen, handeln der Vatikan und der Islam nach ähnlicher Methode und führen eine eigene Politik durch.

Politik des Vatikan und Islam

Der Vatikan erstrebt die Unabhängigkeit. Seine Politik umfaßt zwei Aspekte. Der eine ist das Bemühen, die koloniale Note zu eliminieren, indem man schwarze Priester und Bischöfe heranbildet. Die europäischen Priester sollen sich der Sprache und den Gewohnheiten der Schwarzen angleichen. Der andere ist die Einflußnahme auf die Jugend, die morgen das Land regieren wird (Enzyklika Evangelii Praecones von 195 3). Die Kirche legitimiert den Wunsch nach Autonomie (Erklärung der katholischen Missionen von Französisch-Westafrika 1955 — der belgischen kath. Bischöfe 1 956).

Der Einfluß des Vatikans wirkt sich in den Gebieten mit einflußreicher katholischer Minderheit aus, in den portugiesischen Kolonien und Belgisch-Kongo (3 Millionen der Bewohner Kongos sind katholisch, d. h. ein Viertel der Bevölkerung — es gibt dort 26 Bischöfe, von denen einer ein Schwarzer ist, und 300 schwarze Priester. Der katholische Einfluß ist am stärksten in den Gebieten, in denen die Missionen mit der Erziehung beauftragt sind). In Französisch-Westafrika sind von 19 Millionen Einwohnern 460 000 Katholiken (2, 5 Prozent), hauptsächlich konzentriert in Dahome und an der Elfenbeinküste (7 Prozent der Bevölkerung/. In Französisch-Äquatorialafrika sind von 4, 8 Millionen Einwohnern 412 000 Katholiken (9 Prozent). In Togo 11 Prozent, in Kamerun 15 Prozent.

Die rasche Ausbreitung des Islams im Schwarzen Afrika hat mehrere Gründe: ihm fehlt der Individualismus; seine religiösen Glaubenssätze sind leicht verständlich, seine Riten einfach; erkennt nur eine passive Haltung gegenüber der Gottheit und gestattet die Polygamie.

Deshalb entspricht er in besonderer Weise der Mentalität der Schwarzen. Seine Erfolge sind eindrucksvoll in: Senegal, Mauretanien, in der Niger-Kolonie, im französischen Sudan, in Sierra Leone, Gambia, Tschad, im Norden von Ghana, Nigeriens und Kameruns, längs der Küste von Kenia und in Tanganjika Weniger bedeutsam ist sein Einfluß in Guinea und in Dahome.

Seine Wirkung vollzieht sich häufig im Sinne eines Regionalismus, vor allem in den nördli-chen Territorien Westafrikas. Im nördlichen Teil von Nigerien z. B. versucht die leitende islamische Schicht, die unter dem von den Engländern eingerichteten und kontrollierten Verwaltungsregime hochgekommen ist, ihre privilegierte Stellung zu behaupten. Daraus erklärt sich der Gegensatz zwischen ihr und den Politikern des Südens, der umso größer ist, je mehr das Land auf seinem Wege zur Unabhängigkeit fortschreitet.

So ist es zu verstehen, daß in Ghana sich die muselmanische Union der Goldküste (G. C. -M. A.) in eine politische Partei verwandelt hat. in die M. A. P„ während sie vorher ihre Tätigkeit nur auf das soziale Gebiet und das Erziehungswesen beschränkte. Die C. P. P. hat diesen Einbruch der Religion in das politische Leben als eine „Pakistanisierung" der Goldküste verurteilt. Die Hauptrolle des Islams jedoch bestellt darin, den Einfluß Nassers zu verbreiten. Die Mystifizierung der Konferenz von Bandung und der von Kairo beeindruckt in starkem Maße die afrikanischen Nationalisten, und für sie gilt Nasser als Beispiel, Vorkämpfer und als eine auswärtige Stütze ersten Ranges. Er unterhält gute Beziehungen zu Ghana. Als die Führer der LI. P. C. nach den Unruhen in Kamerun fliehen mußten, fanden sie in Kairo eine Zuflucht.

Man muß sich von nun an mit dem neuen Gesichte Afrikas vertraut machen, wie es sich unter der Einwirkung der verschiedenartigsten Einflüsse darstellt. Vorweg muß man sich damit abfinden, daß aus dem Kolonialafrika ein unabhängiges Afrika wird. Gewisse Territorien, haben sie nur erst einmal die Unabhängigkeit errungen, wollen eine enge Verbindung za ihrem Mutterland im Rahmen des französischen oder britischen Commonwealth eingehen. Die Unabhängigkeitsbewegung selbst ist jedoch unabwendbar. Die Kräfte, die ihr Unterstützung gewähren, sind zu groß (und wären es auch nur die Vereinigte Arabische Republik, die LldSSR und der Vatikan, wenn auch aus den unterschiedlichsten Beweggründen).

In den kürzlich unabhängig gewordenen Staaten wird eine Elite die Macht übernehmen und sie in einer fast autoritären Weise ausüben. Es hieße sich Illusionen machen, wenn man von den afrikanischen Ländern Achtung vor den Regeln der Demokratie im westlichen Sinne erwartet. Die unabdingbaren Gesetze einer Entwicklung solch primitiver Wirtschaftsverhältnisse stehen ihr entgegen, noch mehr aber das politische Temperament der Schwarzen.

Mehr als je wird Afrika zur Trumpfkarte des Westens im strategischen Kräftespiel werden. Der Weg nach Südamerika, durch das die LldSSR die Vereinigten Staaten paralysieren wollen, führt über Afrika. Das rechtfertigt die amerikanischen Anstrengungen, die in letzter Zeit unternommen wurden, um die Verteidigung des afrikanischen Kontinents zu organisieren.

Als letztes endlich: Die europäischen Mächte können darauf hoffen, einen sicheren Einfluß im afrikanischen Kontinent zu behaupten, wenn sie die agrarische und industrielle Entwicklung Afrikas wirkungsvoll fördern, die gerade erst begonnen hat und das drückendste Problem dieses Erdteiles bleibt. Die Voraussetzung für ein erfolgreiches Handeln der europäischen Mächte in Afrika ist allerdings, daß sie dem Wunschbild „Eurafrika“ entsagen und allen damit verknüpften Hoffnungen, das Problem des europäischen Prestigeverlustes in der Welt wie mit einem Zauberwort lösen zu können.

Fussnoten

Fußnoten

  1. C. I. S. L. = I. B. F. G. (d. i. internationaler Bund Freier Gewerkschaften.

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