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Das Bild der deutschen Geschichte im Spiegel amerikanischer Geschichtslehrbücher | APuZ 48/1958 | bpb.de

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APuZ 48/1958 Das Bild der deutschen Geschichte im Spiegel amerikanischer Geschichtslehrbücher

Das Bild der deutschen Geschichte im Spiegel amerikanischer Geschichtslehrbücher

ROBERT MULTHOFF

Die Frage nach dem Bilde der deutschen Geschichte im Spiegel amerikanischer Geschichtslehrbücher interessiert in gleicher Weise den deutschen Historiker wie den deutschen Geschichtslehrer. Für beide ist es überaus lehrreich zu sehen, welche Tatsachen und Probleme der deutschen Geschichte dieser Bücher auswählen und wie sie sie darstellen und ausdeuten. Diese Frage ist aber auch von höchster politischer Bedeutung. Denn durch den Geschichtsunterricht wird das geschichtliche und damit auch das politische Urteil geformt. Er ist in der durch Geschichtslosigkeit bedrohten modernen Welt vielfach sogar der einzige Ort, an dem diese geschichtliche und politische Urteils-und damit Willensbildung systematisch vor sich geht. Dies gilt in besonders hohem Maße für die moderne amerikanische Massengesellschaft, die fast ausschließlich mit dem Leben der Gegenwart und der Gestaltung der Zukunft beschäftigt ist. Man darf ohne Übertreibung sagen, daß in dieser Gesellschaft der Sinn für Geschichte ohne die Arbeit der Schule sterben würde

Das trifft weitgehend für die moderne Gesellschaft überhaupt zu. Es gilt in besonders hohem Maße für die amerikanische Gesellschaft, und zwar aus zwei Ursachen. Erstens: Die Amerikaner sind verglichen mit den Völkern Europas, zunächst in ganz äußerlichem Sinne ein geschichstloses Volk insofern, als ihre eigene, eigentliche Geschichte nur zurückreicht bis zur Declaration of Independence (1776), allenfalls bis zu den Founding Fathers der Mayflower (1620). Sie ist also überschaubar, nicht belastet mit Traditionen und scheinbar geradlinig Nun wurzelt die Kultur Amerikas gewiß im Erbe Europas, und es ist geradezu ein Anliegen der amerikanischen Geschichtslehrbücher, diese Verwurzelung b. wußt zu machen. Das naive Geschichtsselbstverständnis Amerikas aber sieht die Geschichte dieses Landes gerade nicht in europäischer Kontinuität sondern als eine Geschichte sui generis. Dies führt zu dem zweiten Punkte: Das amerikanische Geschichtsdenken ist von dem Europas grundsätzlich verschieden Geschichte ist für den amerikanischen Menschen etwas ganz anderes als für den Europäer, und zwar sowohl nach Inhalten als auch nach Wertungen. Es leuchtet ein, daß daher auch die deutsche Geschichte in Amerika in ganz anderem Lichte erscheint, als sie uns vertraut ist. Es ist die Sicht, die im Spiegel amerikanischer Geschichtslehrbücher ihren Niederschlag gefunden hat.den jungen Menschen in der High School (Oberschule) vermittelt wird und dort in ganz entscheidender Weise zur Formung ihres geschichtlichen und politischen Urteils beiträgt. Audi ihres politischen Urteils. Es ist längst erkannt und oft ausgesprochen worden, daß die Schule und in ihr der Unterricht in Geschichte ein Politikum ersten Ranges darstellt. Dies gilt in besonders hohem Maße für ein Land, in dem Education als ein überaus wichtiges Anliegen der Nation angesehen wird, weil good education geradezu eine Vorbedingung für das Funktionieren der Demokratie ist. Die High School ist daher für alle Jungen und Mädchen verbindlich. Der Unterricht in Geschichte an der High Schoo! erfaßt also alle Jugendlichen Amerikas und formt ihr geschichtliches und politisches Urteil. Auch aus diesem Grunde sollte die Frage nach dem Bilde der deutschen Geschichte im Spiegel amerikanischer Geschichtslehrbücher für uns von höchstem Interesse sein.

An dieser Stelle ist zunächst zu klären, auf welcher Stufe und in welchem Umfang die deutsche Geschichte auf der amerikanischen High School behandelt wird. Die Beantwortung dieser Frage ist sehr schwierig, da es dafür keine alle High Schools bindenden Vorschriften gibt. Auch in USA haben die Einzelstaaten Kulturhoheit. Innerhalb der Einzelstaaten sind die Schulen aber viel stärker abhängig von den sie tragenden Gemeinden als von der staatlichen Schulverwaltung. Es gibt keine verbindlichen staatlichen Lehrpläne, sondern nur sehr allgemeine Rahmenbestimmungen und „Empfehlungen". Wenn dennoch Normen erkennbar sind, so sind diese die Folge der von den Colleges geforderten Standards. Die Norm, die auf diese Weise zustande gekommen ist, sieht so aus: 47 der 48 Staaten fordern für Klasse 11 (Juniors) amerikanische Geschichte (und zwar auch für die privaten High Schools), empfehlen für Klasse 10 (Sophomores) Weltgeschichte, für Klasse 12 (Seniors, die Abschlußklasse) Gegenwarts-und Gemeinschaftskunde. Amerikanische Geschichte ist also für so gut wie alle Schüler und Schülerinnen im 11.

Schuljahr Pflichtfach. Die anderen geschichtlichen Stoffgebiete, also auch Weltgeschichte, werden von den Verwaltungen nur empfohlen. Die Folge ist, daß die Schulen sie ihren Students nicht zur Pflicht machen, sondern „bieten" (offer). Sie können somit in den entsprechenden Jahren als Wahlfächer (optional Subjects) getrieben werden, das heißt immer mit täglich 1 Stunde, also 5 Wochenstunden (da der Samstag schulfrei ist). Manche Schulen, vor allem die privaten High Schools, bieten noch geschichtliche Sonderkurse wie Alte Geschichte, Europäische Geschichte, Neuere Geschichte. Früher boten die Schulen einen 4jährigen Kurs in der Folge: Antike und mittelalterliche Geschichte, Neuere Geschichte, Englische Geschichte, Amerikanische Geschichte. Das Schulfach „Welt-geschichte" ist das Ergebnis einer Entwicklung, die nach dem ersten Weltkrieg begonnen hat.

Die entscheidende Frage ist nun, in welchem Umfang die Students von der Wahlmöglichkeit der geschichtlichen Fächer Gebrauch machen. In Amerika gehört Geschichte sicher nicht zu den beliebten Schulfächern — aus geistigen und seelischen Ursachen, die schon angedeutet worden sind. Die vier alten Kurse waren freiwillig (not required) und sind daher häufig nicht gewählt worden. Heute ist es so, daß etwa die Hälfte der Schulen, die das Fach Weltgeschichte im 10. Schuljahr bieten, es praktisch auch fordern. Das ist die Folge des zunehmenden Interesses an Weltgeschichte auf Grund der starken und ständig gesteigerten Verflechtung Amerikas in die Weltpolitik seit dem zweiten Weltkrieg. Das Committee on Atuerican History in Schools and Colleges hat vor einer isolationistischen Betrachtung und Behandlung der amerikanischen Geschichte dringend gewarnt und zugleich empfohlen, daß jeder High School Student Weltgeschichte als besonderes Fach studieren sollte. Ein Bericht über den Stand des Geschichtsunterrichtes in USA (von Cartwright-Bining, The Teaching of History in the US, 1950) nennt den Anstieg des Interesses für das Schulfach Weltgeschichte phänomenal.

Er ist zahlenmäßig zu belegen: Im Schuljahr 1946/47 bereits haben an diesen Kursen der High Schools 70, 8°/0 der students der 10. Klasse teilgenommen. Die Zahl ist seither noch gestiegen. Man darf annehmen, daß heute etwa 4/5 aller Schüler und Schülerinnen Amerikas Weltgeschichte und in ihrem Rahmen deutsche Geschichte studieren.

Die vorliegende Untersuchung hat sich zum Ziel gesetzt, das Bild der deutschen Geschichte, das diese students vermittelt bekommen, darzustellen. Sie fußt auf persönlichen Erfahrungen des Verfassers an amerikanischen High Schools sowie auf einer Prüfung von etwa 20 amerikanischen Geschichtslehrbüchern des Internationalen Schulbuch-instituts in Braunschweig. Im Unterricht der amerikanischen Schule spielt das text-book eine beherrschende Rolle. Es befindet sich in der Hand jedes Student, und die Lehrer halten sich im allgemeinen eng an die im text-book gebotene Auswahl und Deutung des Stoffes. Er scheint in dieser Hinsicht weniger selbständig als sein deutscher Kollege, was mit der glänzenden Ausführung und Aufmachung der Bücher Zusammenhängen mag. Das gilt auch für die Geschichtslehrer und die Geschichtsbücher. Man darf daher annehmen, daß das in ihnen gebotene Bild im Unterricht mehr oder weniger unverändert vermittelt wird. Die Prüfung dieser Bücher ist daher für uns von höchstem Interesse.

Nun hat das Internationale Schulbuchinstitut auf einer Reihe von Konferenzen und durch Gutachten und Thesen das notwendige Werk der Prüfung der Geschichtslehrbücher vieler Länder in Angriff genommen, auch der amerikanischen. Über die Ergebnisse dieser Prüfung berichten die Bände II und V des Internationalen Jahrbuchs für Geschichtsunterricht (Braunschweig 1953 und 1956). Die vorliegende Arbeit benutzt diese Ergebnisse, ihr Ziel aber ist in mehrfacher Hinsicht ein anderes. Sie versucht, durch eine vergleichende Prüfung der verfügbaren amerikanischen Geschichtslehrbücher die allen gemeinsamen Züge des amerikanischen Bildes der deutschen Geschichte zu finden und zu einem Gesamtbilde zu formen. Dies Bild soll unpolemisch so gegeben werden, wie es ist, ohne kritische Stellungnahmen und Korrekturen. Es besteht kein Zweifel, daß dies Bild in vieler Hinsicht einseitig, ja falsch und nach unserem Empfinden ungerecht ist. Dennoch muß anerkannt werden, daß die Verfasser dieser Bücher in fairer Weise und wissenschaftlicher Objektivität bemüht gewesen sind, sich von der deutschen Geschichte ein Bild zu machen. Wie sind dann jene „Fehler“ und „Verzeichnungen“

zu erklären?

Die Antwort auf diese Frage liegt in der Erkenntnis, daß die amerikanische Sicht der Geschichte im allgemeinen und der deutschen Geschichte im besonderen an ganz bestimmte und für den Amerikaner typische Voraussetzungen und Vorentscheidungen gebunden ist. Der Spiegel der amerikanischen Geschichtslehrbücher ist ein „schaffender Spiegel“. Was aber ist für den Amerikaner Geschichte? Seine Auffassung von Geschichte steckt natürlich in seinen Darstellungen der Geschichte, auch in denen der Geschichtslehrbücher. Sie scheint durch diese Darstellungen hindurch, läßt sich daher aus ihnen herausholen. Sie wird noch deutlicher in den einleitenden Teilen dieser Bücher, wo hier und da die Frage aufgeworfen wird, welchen Sinn es habe, sich mit Geschichte zu beschäftigen — für den jungen amerikanischen Menschen eine noch wichtigere Frage als für den jungen Deutschen oder Europäer. Fast alle Bücher nehmen zu der Frage Stellung, welches das Ziel des Geschichtsunterrichtes sei und was man aus der Geschichte „praktisch“ lernen könne — auch das eine überaus wichtige Frage in einem Lande, dessen Weltanschauung — eingestanden oder nicht — der Pragmatismus ist. Die Frage nach dem Ziel des Geschichtsunterrichtes führt unausweichlich zurück zu der nach dem Wesen der geistigen Wirklichkeit, die wir Geschichte nennen. Denn die Ziele der Beschäftigung mit Geschichte, also auch des Geschichtsunterrichtes, können sich nur ergeben aus dem Wesen und den Möglichkeiten der Sache, um die es hier geht, also aus der Geschichte selbst.

Der Frage, woher die amerikanische Sicht der Geschichte stammt, wie sie entstanden ist, worauf sie beruht, ist man oft nachgegangen. Die Antwort weist in zwei Richtungen. Das amerikanische geschichtliche Denken ist erwachsen aus der geistigen und seelischen Verfassung der Founding Fathers, jener englischen Kalvinisten und Puritaner, die ihre alte Heimat verließen, um in einem neuen Erdteil ein neues Leben zu beginnen. Viele Elemente ihrer Sicht politischer und geschichtlicher Dinge sind einfach angelsächsisch, sind englischer Art, wie sie sich stets von der des Kontinentes unterschieden hat. Es sind die Elemente, die Gerhard Ritter in seinem Buche „Die Dämonie der Macht“ herausgestellt hat. Mit ihrer besonderen Auffassung vom Wesen der Politik und Geschichte haben jene Siedler ihren Staat geschaffen und ihren Kontinent erschlossen, wobei diese Auffassungen sich bestätigt und verfestigt haben. Jeder Historiker und jeder Geschichtslehrer weiß, daß die amerikanische Geschichte nicht im Stil der europäischen verlaufen ist und daher auch nicht im Stil der europäischen geschrieben und dargestellt werden kann. Hier gelten andere Kategorien als für die Staaten und Völker Europas. Das gilt sowohl für die äußere wie für die innere Geschichte, für die politische wie für die Kulturgeschichte, und zwar nicht nur hinsichtlich ihres äußeren Ablaufs, sondern vor allem hinsichtlich der Sehweise und Einstellung der Menschen, die die Träger dieses politischen und geschichtlichen Geschehens gewesen sind.

Gerhard Ritter hat überzeugend nachgewiesen, daß wir es bei den Angelsachsen mit Moralismus als einem besonderen Typus politischen Denkens zu tun haben. Die Linie dieses Denkens läßt sich nachzeichnen von den Schriften des Thomas Morus über Hugo Grotius, die Puritaner, die Declaration of Independence und die Constitution bis hin zu den Ideen und Programmen Wilsons und F. D. Roosevelts. Der Inhalt und das Thema der Weltgeschichte, so drückt eines der Lehrbücher (NeffPlaner) diese amerikanische Überzeugung aus, ist a struggle for human rights based on the natural law. Der politische Machtkampf ist im Grunde genommen — basically — ein Kampf um Recht. Krieg darf daher nur geführt werden als Werkzeug strafender Gerechtigkeit, als Kreuzzug. Wir wissen, daß die Amerikaner in beide Weltkriege in diesem Sinne eingegriffen haben. Im gleichen Sinne werden sie in den Geschichtslehrbüchern behandelt. In beiden Weltkriegen ist Amerika gegen Deutschland angetreten. Das Urteil über das Deutschland von 1917 und 1941 kann daher nur ungünstig ausfallen. Das gleiche generelle Urteil trifft freilich die meisten Religions-und Kabinettskriege einschließlich der Kriege Bismarcks. Es wird zu prüfen sein, wie dieses generelle Urteil im einzelnen nuanciert ist.

Mit dieser Überzeugung von dem Kampf um Recht als Thema der Weltgeschichte verbindet sich die von der moralischen und kulturellen Überlegenheit der Demokratie. Für den Amerikaner ist es ein fester Glaubenssatz, daß Freiheit, Frieden, Wohlstand und Fortschritt nur in der Demokratie gesichert sind. Die Sache der Demokratie zu fördern ist daher eines der Ziele, wenn nicht das Hauptziel, des Geschichtsunterrichtes in Amerika. Das Urteil über den Staat der Deutschen vor 1919 ist durch eine solche Vorentscheidung weitgehend festgelegt. Die freiheitliche Demokratie ist allen Staaten, die nicht nach den gleichen gerechten Grundsätzen regiert werden, aber nicht nur moralisch und kulturell, sondern auch wirtschaftlich überlegen, und zwar schon auf Grund der Tatsache, daß ihr Ziel nicht Machtpolitik im Stil der Staaten Europas, vor allem auf dem Festland, sondern die Wohlfahrt der Menschen ist. Denn der Mensch hat ein Recht auf Glück. Die Declaration of Independence zählt pursuit of happiness zu den inalienable rights, und Wohlfahrt gehört zu diesem Glücke. Es ist durchaus der Mensch, der im Mittelpunkte dieses politischen und geschichtlichen Denkens steht, der Mensch — und nicht der Staat. Man above the State — das wird naturrechtlich begründet. Gerade dem deutschen politischen Denken wird immer wieder vorgeworfen, daß es in der geistigen Nachfolge Hegels den Menschen dem Staate aufgeopfert habe. Hitler erscheint unter diesem Aspekt geradezu als ein geistiger Nachfolger und Vollstrecker der Lehre Hegels.

Der Mensch ist in dieser Geschichtsschau aber nicht nur the important part of our world (Cordier-Robert) als Ziel staatlicher Tätigkeit, er ist auch der Träger des politischen und geschichtlichen Lebens, das dynantic eleiuent in history (Phalow-Stearns). Geschichte geschieht nicht einfach, sondern wird von Menschen gemacht, Menschen sind ihre actors. Das amerikanische Geschichtsdenken bekommt dadurch einen ausgesprochenen voluntaristischen Zug. Die Vergangenheit ist eine Summe von achievements und failures handelnder Menschen, Gegenwart und Zukunft enthalten Verpflichtungen (obligations) und stellen Forderungen (demands) an handelnde Menschen. Für ihre Beurteilung spielt das Wort efficiency (Leistung) eine große Rolle. Es wird selbst auf die preußischen Könige des absoluten Staates angewandt, die sonst im historischen Urteil so schlecht abschneiden. Solche Werturteile sucht der Unterricht in Geschichte pädagogisch fruchtbar zu machen: Geschichte ist a dtallenge to youth (Neff-Planer). Aus diesem geistigen Boden ist das Geschichtsdenken Toynbees erwachsen. Es ist der des Kalvinismus, der seinen Gläubigen Aktivismus zur Pflicht macht. In dieser Haltung haben die Siedler Amerikas einen Kontinent erschlossen und die „Grenze" immer weiter nach Westen vorgeschoben.

History of Civilization

Diese Grenze ist die der Zivilisation, nicht primär die des Staates. Civilization — das ist ein großes Wort des amerikanischen Lebens und des amerikanischen Denkens. Es ist wahrscheinlich das meistgebrauchte Wort der amerikanischen Geschichtslehrbücher. Geschichte ist für das amerikanische Geschichtsdenken history of civilization. Einige Lehrbücher sprechen geradezu aus, daß die politische Geschichte nur a convenient frainework für die Geschichte der civilization sei (Boak-Slosson-Anderson). Diese nimmt daher in den Büchern einen sehr breiten Raum ein. Die eigentliche politische Geschichte tritt ihr gegenüber stark zurück, auch in der Darstellung der deutschen Geschichte. So wird in den meisten Büchern etwa die Geisteskultur der deutschen Klassik und der großen deutschen Musik sehr viel ausführlicher dargestellt als die gleichzeitigen politischen Ereignisse, die liberalen und daher „fortschrittlichen" preußischen Reformen nicht ausgenommen.

An dieser Stelle aber bedarf der Begriff civilization einer genaueren Prüfung. Er ist weder durch „Zivilisation" noch durch „Kultur“ angemessen zu übersetzen, da er ein typisches Erzeugnis des geschichtlichen Denkens der Angelsachsen, vor allem Amerikas, ist. History of civilization ist nicht Geistesgeschichte im Stile Europas. Man könnte den Begriff vielleicht durch Volksgeschichte, Geschichte der Lebensäußerungen des Volkes übersetzen (Golo Mann, Vom Geist Amerikas). Die Amerikaner selbst sprechen gelegentlich von history of civilization als einer social oder civic history. Das Schulfach, das sie zum Gegenstände hat, heißt daher vielfach social studies oder civics. Aber das ist nicht einfach Soziologie in unserem Sinne. Sondern es ist eine Soziologie front a democratic Standpoint. Für diesen Standpunkt erfolgt die Lösung sozialer Konflikte throitgh contprontise, oder sie sollte so erfolgen. Anders geartete Gesellschaftsstrukturen können daher schwerlich eine gerechte Würdigung finden. Das gilt für breite Strecken auch der deutschen Geschichte. Man darf vielleicht sagen, daß das amerikanische Geschichtsdenken ein Denken in demokratischen Kategorien sei in dem Sinne, daß es aus diesem Denken erwachsen ist, aber auch in dem Sinne, daß es diesem Denken dienen soll. Man könnte dieses Denken daher auch pragmatisch nennen. Die geschichtlichen Ereignisse werden kaum je ideengeschichtlich gedeutet. Geschichtliche Erkenntnisse an sich werden offensichtlich als sinnlos angesehen. Geschichte als Bildungsgut im Sinne Europas oder gar im Sinne der Ranke-Schule ist für das amerikanische Denken wertlos. Nur als pragmatische Bildung ist geschichtliche Bildung fruchtbar. Was heißt das? Es besagt, daß die Geschichte als a laboratory of the social Sciences (Caldwell-Merrill) anzusehen ist, dem attitude and value patterns („Muster") zu entnehmen sind. In der Geschichte sucht der Amerikaner nicht das Einmalige, sondern das Reguläre (Golo Mann). Sie ist für ihn eine continuity, die stetig fortschreitende civilization. Auf diesem Wege gibt es LImwege und Rückschläge, aber diese sind im Grunde genommen nur „Pannen" und als solche avoidable und corrigible. All ihre Probleme sind nicht neu. Denn wie unsere Vorfahren noch in uns sind, so auch deren Nöte und Sorgen: Die Vergangenheit ist gegenwärtig, in uns und um uns. Geschichte lehrt die basic needs of ntankind (Platt-Drummond). Aber nicht nur dies: Sie ermöglicht zugleich an acquisition of generalizations, a forntulation of principles and laws und damit an insight into the future (West). Denn sie ist das gesetzmäßig Fortschreitende. An dieser Stelle wird wieder deutlich, daß und in welchem Sinne ein Zusammenhang besteht zwischen einer so verstandenen Geschichte und der Soziologie. Die Soziologie fordert und erarbeitet patterns of behavior eines Citizen, dessen Tugenden enlightenwent („Einsicht“), social intelligence, responsibility und greater human syntpathy sind, Tugenden, die für das Miteinander gerade des amerikanischen Volkes unentbehrlich sind. Die Geschichte aber, das laboratory of the social Sciences, liefertsolche patterns of behavior. Wieder zeigt sich, daß Geschichte in amerikanischer Sicht nur in ganz bestimmtem, pragmatischem Sinne „Bildungsmacht“ ist. Sie will nicht zeigen, wie es eigentlich gewesen ist, sondern wie die Dinge zu dem wurden, was sie s i n d , to interpret present day living, to understand the world in which you have to live (Becker-Duncalf) und to assist in ntaking man the arbiter of his fate (West). Die Vergangenheit interessiert nur insofern, als sie die Gegenwart verstehen lehrt und für die Bewährung in der Gegenwart patterns liefert. Sie ist nicht „unmittelbar zu Gott", sondern sie wird durch Gegenwartsbeziehung mediatisiert. Es wird sich zeigen, daß unter dieser „Voraussetzung“ ein echtes Verständnis etwa des deutschen Mittelalters nicht möglich ist.

Man kann hinsichtlich des amerikanischen Geschichtsdenkens von rückwärts gewandtem Determinismus sprechen (Schüddekopf im Internationalen Jahrbuch, Bd. II, 195 3, S. 201). Doch bedarf diese Aussage einer Ergänzung. Für den Amerikaner ist Geschichte nicht nur das gesetzmäßig Fortschreitende, sondern zugleich das erfreulich Fortschreitende. Sie ist an uphill climb (Neff-Planer) toward a bester world. Ihre Perioden sind stages of progress (Boak-Slosson-Anderson). Dieses Geschichtsdenken ist ausgesprochen optimistisch. Es glaubt scheinbar ungebrochen an den Fortschritt: in der Geschichte geht es nicht einfach weiter (continuously), sondern es geht bergauf (uphill). Die Gesetzlichkeit der Geschichte führt aufwärts. Aber sie vollzieht sie nicht, sondern sie muß vollzogen werden. Der handelnde Mensch ist ihr Vollstrecker. Er ist aufgerufen so make the world a bester place to live in (Cordier-Robert). An dieser Stelle berührt sich die Überzeugung von dem Vorhandensein eines Entwicklungsgesetzes in der Geschichte mit dem Aufruf an den Aktivismus des Puritaners, diesem Gesetz zu dienen. Das amerikanische Geschichtsdenken hat aber auch eine ganz bestimmte Vorstellung von der Beschaffenheit dieser better world, vom Ziel dieses Fortschritts: in der better world ist in den internationalen Beziehungen das Recht an die Stelle der Macht gesetzt. Hier treffen sich also der Fortschrittsglaube und jener Moralismus, den wir als Typ politischen Denkens der Puritaner kennen. Alle diese Elemente, der Fortschrittsglaube, der Aktivismus und der Moralismus der Kalvinisten, verbinden sich im politischen Denken und Handeln der beiden Präsidenten, die die Amerikaner neben Washington und Lincoln zu ihren größten zählen, nämlich Wilsons und F. D. Roosevelts, so umstritten die politischen Ergebnisse des Denkens und Handelns jener Männer auch sein mögen. Beide haben im Sinne ihres typisch amerikanischen Denkens gegen das Deutschland des „Kaisers“ und des „Führers" gekämpft Damit ist gegeben, aus welcher Sicht die jüngste, tragische Periode der deutschen Geschichte in den amerikanischen Geschichtslehrbüchern betrachtet und dargestellt wird.

Ein letzter, sehr wesentlicher Zug des amerikanischen Geschichtsdenkens, der in Unterricht und Lehrbüchern deutlich zum Ausdruck kommt, muß noch erwähnt werden. Das für das 10. Schuljahr empfohlene geschichtliche Stoffgebiet heißt „Weltgeschichte", und das ist auch der Titel vieler der in diesem Schuljahr benutzten Lehrbücher. Beides macht deutlich, daß dieses Geschichtsdenken auf eine echte Weltgeschichte abzielt. Weltgeschichte ist hier wirklich global gemeint, ist nicht nur Geschichte der germanisch-romanischen Völker oder des europäisch-amerikanischen Kulturkreises. Sie bezieht die Geschichte all der Kulturkreise in breitem Umfang mit ein, die in deutschen Geschichtsbüchern meistens nur ganz am Rande oder gar nicht behandelt werden.

Das bedeutet für die deutsche Geschichte, daß ihr verhältnismäßiger Anteil entsprechend geringer ist. Es ist für einen Deutschen lehrreich und vielleicht sogar heilsam zu sehen, wie klein die Bedeutung Deutschlands in dieser globalen Sicht ist.

Die globale Sicht des amerikanischen Geschichtsdenkens beruht auf mehreren Voraussetzungen und Überzeugungen. Sie alle münden ein in den Glauben an die unity of history. Diese Einheit liegt zunächst im Ursprung der Geschichte: comwon biological kumanity twderlies all human cultures (West). Sie liegt ferner in der Tatsache der interdeyendence aller Völker dieser. Erde (Platt-Drummond). Sie liegt aber auch im Ziel der Geschichte, im Ziel der one world, an die F. D. Roosevelt glaubte. Wenn das Ziel aber one world ist, dann bedarf es der world citizenship, der world co-operation und des understanding of world conditions and world affairs today (Rogers-Adams-Brown). Dieses sympathatic understanding of otlter people bezieht sich auf their historical background, their national inheritance, their legitiwate aspirations, and their contributions to civilization (ebd.). Dieser Gedanke begegnet in fast allen amerikanischen Geschichtslehrbüchern: zur civilization of wankind haben alle Völker ihren Beitrag geliefert, jeder ist unique.

Wahrheit und Gerechtigkeit erfordern daher, all diese Beiträge auch zu berichten und zu würdigen. In amerikanischer Sicht liegt der deutsche Beitrag viel mehr im kulturellen Bereich (der Dichtung, der Musik, der Wissenschaften, der Technik, der Wirtschaft) als im politischen, da die in der deutschen Geschichte entwickelten Formen des politischen Lebens in Amerika nicht zur Geltung und Wirkung gekommen sind. Auch aus diesem Grunde nimmt die Darstellung der politischen Geschichte Deutschlands in den amerikanischen Geschichtslehrbüchern nur einen geringen Raum ein.

Die Überzeugung von der interdependence of all peoples in der Vergangenheit und mehr noch in der Zukunft ist sicher der wichtigste Grund der amerikanischen Konzeption einer globalen Weltgeschichte. Ein pragmatischer kommt hinzu: die American role of world leaderskip (Wallbank-Taylor). Amerika muß die Weltprobleme kennen, um sie lösen zu können, und sie alle haben ihren historical bad^ground. Manche Lehrbücher zählen in ihrer Einleitung solche Weltprobleme auf (etwa Caldwell-Merrill). Es ist für uns Deutsche wieder lehrreich zu sehen, daß die deutsche Teilung vielfach nicht unter den vordringlichsten Weltproblemen erscheint.

An dieser Stelle mag das Notwendigste gesagt werden über die äußere und innere Form der im Fach Weltgeschichte benutzten Lehrbücher. Es handelt sich in den meisten Fällen um einbändige Werke mit einem Umfang von 500 bis 600 Seiten, die das Pensum eines Jahres sind. Es ist nicht zu erkennen, daß in dieser Stoffmasse Schwerpunkte gesetzt worden sind. Man kennt offensichtlich weder den „Mut zur Lücke“ noch das paradigmatische Lernen, jedenfalls nicht in der Anlage der Lehrbücher. Sie behandeln in annähernd gleicher Ausführlichkeit alle großen Kulturkreise und Zeiten der Weltgeschichte. Daraus ergibt sich, daß Tatsachen und Probleme der deutschen Geschichte, die uns wesentlich sind, häufig nur knapp oder gar nicht behandelt werden. Die Darstellung der neuesten Zeit seit dem ersten Weltkrieg, vor allem seit dem Epochenjahr 1917, ist naturgemäß sehr viel ausführlicher als die der früheren Perioden. Es ist der Zeitraum, in dem Amerika in Kriegen mit Deutschland gestanden hat. Ist es verwunderlich, daß diese Erfahrungen mit dazu beigetragen haben, das Geschichtsdenken Amerikas zu formen und zu verfestigen, daß sie die Sicht auch auf frühere Perioden überschatten? Hinsichtlich der Form der Darstellung beherzigen die meisten Werke die Mahnung von Wallbank-Taylor: evnphasis upon vital movements and trends rather than in the intensive analysis and study of limited periods. Dies bedeutet durchaus nicht das, was man bei uns wohl „Herausarbeitung der großen Linien“ nennen würde. Die amerikanischen Geschichtslehrbücher verzichten nicht auf Erzählung und Anschauung. Denn history must meet the needs of a large and diversified Population. Zur Anschauung gehört die Bebilderung. Sie besteht leider vielfach aus „Schinken" der Historienmalerei, vor allem für die älteren Perioden In den neueren Perioden treten neben diese Cartoons, also die politische Karikatur, und zwar in sehr suggestiven Beispielen. Ihre „bildende" Wirkung ist sicher größer als die des gedruckten Wortes, zumal in Amerika. Denn diese Cartoons bleiben als geistige Eindrücke stärker haften als Worte. So erscheint etwa Bismarck in dräuender Gebärde, mit einem fürchterlichen Schnauzbart, unter einer Pickelhaube, angetan mit überlangen Kürassierstiefeln, in der Faust ein gewaltiges Schwert. In anderen Lehrbüchern ist er (nach dem Punch) der Lotse, der das Schiff des Neuen Kurses verläßt. — Die Bilder werden ergänzt durch Karten, Diagramme, die verschiedenartigsten zeichnerischen Darstellungen. Auch diese Dinge haben vielfach die deutsche Geschichte zum Gegenstände. In fast keinem Buche fehlt der bunte Flickenteppich der Karte des alten deutschen Reiches zur Illustrierung seines vom Ideal des modernen Nationalstaates so weit entfernten deplorable state. Viele Werke erläutern den wirtschaftlichen Aufstieg des Bismarck-Reiches durch graphische Darstellungen'

Die amerikanischen Geschichtslehrbücher sind aber nicht nur Lesebücher, sondern auch Arbeitsbücher. Der Stoff jeder ihrer units wird verarbeitet durch Aufgaben, die die Students gemeinsam oder selbständig zu lösen haben, da learning by doing vor sich gehen müsse. Auch die Themen dieses Arbeitsteiles haben selbstverständlich Tatsachen und Probleme der deutschen Geschichte zum Gegenstände. Durch die Art der Fragestellung werden diese gelegentlich schärfer pointiert, als das im Textteil der Fall gewesen ist. Auch lenkt sie die Beantwortung manchmal in eine ganz bestimmte Richtung. So stellt das Buch von Rogers-Adams-Brown unter Topics for Talks and Class Discussion etwa die folgende Aufgabe: Arrange an informal debate on the following topic: Resolved: That Germany should never again be allowed to become Strong and united. — Es wird nunmehr zu prüfen sein, wie die „Voraussetzungen" des amerikanischen Geschichtsdenkens das Bild der deutschen Geschichte in ihren verschiedenen Phasen gestaltet haben. Beim Durchgang durch die deutsche Geschichte, der rein chronologisch erfolgen soll, sind diese „Voraussetzungen“ also immer gegenwärtig zu halten, um zu verstehen, welche Fakten der deutschen Geschichte ausgewählt und wie sie dargestellt worden sind.

Die deutsche Geschichte wird zurückgeführt auf das germanische Altertum. Die Germanen sind die Vorfahren, ancestors, der Deutschen, für den Amerikaner in viel direkterer Weise als für uns. Das mag mit daran liegen, daß das Wort German für „deutsch“ und „germanisch“ steht; nur wenige Bücher verwenden für „germanisch“ das Wort Germanic oder Teutonic. Diese Germanen waren „Barbaren“. Manche Bücher fügen hinzu: „as the Romans called them“. Für die meisten steht fest, daß sie auch objektiv Barbaren waren. Ihre civilization wird etwa (bei Smith-Muzzey-Lloyd) so geschildert: The German peoples had not advanced much beyond the Late Stone Age. They got their food by hunting and shifted their homes osten. Sometimes they kept cattle or raised a few crops. They spent most of their time in fighting and plundering. An anderer Stelle (bei Neff-Planer) heißt es, daß sie seminomads, gamblers und excessive drinkers gewesen seien; dies, weil sie in dichten Wäldern und kaltem Klima zu leben hatten. Nur einmal (bei Boak-Slosson-Anderson) werden sie a settled agricultural people genannt. In ihren public assemblies aber könne man a rüde form of democracy sehen (Platt-Drummond). Ihre Rassenreinheit sei freilich ein Mythus (West). Als Quelle wird gelegentlich Tacitus genannt. Die Ergebnisse der archäologischen Forschung sind offensichtlich wenig benutzt worden.

Preservers or Destroyers?

Diese germanische Welt nun kommt in den Great Barbarian MigratiOHS in Bewegung. Welches waren die Ursachen dieser Wanderungen? Einige Bücher vermuten: ein Klimasturz; andere behaupten: love of pillaging (Smith-Muzzey-Lloyd). Das Ergebnis war die Zerstörung des römischen Reiches und der antiken Kultur. Das habe geschehen können, weil das römische Reich von innen her germanisiert worden sei, die Römer decadent, die Germanen aber virile and hearty („gesund“, „kräftig“) gewesen seien. Der Verfall der antiken Kultur wird als eine Tragödie für den Fortschritt (progress) angesehen (Magenis-Appel). Die Kultur (civilization) sei nach Osten, nach Byzanz, gewandert und dort bis zur Renaissance bewahrt worden. Die Frage, in welchem Umfang die Germanen wirklich die Zerstörer der antiken Kultur waren, wird unterschiedlich beantwortet. Der Auffassung, daß sie durch die antike Kultur mindestens nicht sehr stark beeinflußt worden seien (HabbertonRoth), steht die gegenüber, daß sie viel von ihr angenommen hätten (Magenis-Appel). Von complete destruction of civilized life könne keine Rede sein; die Germanen seien preservers rather than destroyers gewesen (Boak-Slosson-Anderson). Nur für die Wandalen scheint festzustehen, daß sie destructive just for the sake of destruction gewesen sind, wie die Herkunft und der Gebrauch des Wortes vandalisw beweise (Evans-Sankowsky).

Auf der Great Barbarian Migrations folgt das Dark Age. Mit dark age wird in manchen Büchern der Zeitraum des 6., 7. und 8. Jahrhunderts bezeichnet (wie in der englischen Geschichtsschreibung), von anderen der Zeitraum des ganzen Mittelalters. Jene Jahrhunderte des Überganges werden in allen Büchern nur sehr kurz behandelt, zumal es in ihnen keinen „Fortschritt“ gegeben hat. Von allen germanischen Völkern gelten die Franken als das most progressive (Magenis-Appel). Aber erst Karl d. Gr. überwindet das Chaos des Dark Age. Er ist der erste wirklich große Herrscher der neuen westeuropäischen civilization (Pahlow-Stearns) und ihr Retter, a beacon light der mittelalterlichen Geschichte (Platt-Drummond), gewiß ein Autokrat, der aber klug genug war to permit much local Selfgovernment an to encourage education ebd.). Nach seinem Tode freilich führen die Reichsteilungen ein neues Zeitalter der Verwirrung herauf. In dieser Verwirrung beginnt das eigentliche Mittelalter, das eigentliche Dark age zugleich mit der Entstehung der Staaten Frankreich und Deutschland durch die Verträge von Verdun und Mersen, in deren Folge der Blick der Deutschen wie gebannt auf Lotharingien geheftet blieb (Roges-Amams-Brown). Den nmit diesen Verträgen beginnt zugleich die eigentliche deutsche Geschichte.

Die Voraussetzungen des amerikanischen Geschichtsdenkens sind so geartet, daß sie ein echtes Verständnis des Mittelalters sehr erschweren, wenn nicht verhindern. Denn das Mittelalter ist eine eigene Welt, die aus ihren eigenen Voraussetzungen verstanden werden muß. Sein Bild muß verzerrt werden, wenn man hier nach modernen Maßstäben wertet.

Das sind für uns geläufige Erkenntnisse. Sie sind es nicht für den Amerikaner; und sie können es kaum sein, denn die amerikanische Geschichte kennt kein Mittelalter. Das Mittelalter ist in Amerika daher auch nicht gegenwärtig wie in Europa. Welchen geschichtlich gebildeten Europäer, der in Amerika, etwa im Mittelwesten oder an der pazifischen Küste, reist oder lebt, überkommt dort nicht gelegentlich das Gefühl, von seinen geschichtlichen Wurzeln abgeschnitten zu sein? Wie aber soll man in dieser Atmosphäre einem jungen Amerikaner eine Vorstellung davon geben, was das Mittelalter war? Ist das in der modernen Welt schon in Europa schwierig, wie jeder erfahrene Geschichtslehrer weiß, so scheint es in Amerika fast eine Unmöglichkeit. Und die Schwierigkeit beginnt hier schon bei den Geschichtslehrbüchern.

Denn die einem echten Verhältnis des Mittelalters abträglichen Vor-entscheidungen des amerikanischen Geschichtsdenkens treten bei der Darstellung des Mittelalters naturgemäß besonders deutlich zutage.

Über alle diese Schwierigkeiten sind sich die besten dieser Bücher übrigens durchaus im klaren. So spricht West von den misconceptions (falschen Auffassungen) des amerikanischen Mittelalter-Bildes und meint zudem, die Behandlung dieses Stoffgebietes werde ungebührlich vernachlässigt. Dabei biete auch das Mittelalter an exellent oppor- tunity to study problems still present, also Möglichkeiten der Erhellung zeitloser Gegenwartsprobleme. Solche sind (nach West) vier Fragen: die nach den Bedingungen des Kulturverfalls (der für das Mittelalter also implizite angenommen wird), die, ob und wie Menschen ohne government and law leben können (was für das Mittelalter somit vorausgesetzt wird), die nach dem Verhältnis von Religion und Politik (oder Kirche und Staat) und die nach dem Wesen des Nationalismus (der im späten Mittelalter entstanden sei). Es ist deutlich, wie sehr die erste und die zweite Frage im amerikanischen Geschichtsdenken wurzeln und nur aus seinen Voraussetzungen und Vorentscheidungen verstehbar sind. Sie beruhen auf eben solchen misconceptions, vor denen West einleitend warnt.

Wie sieht das von den amerikanischen Geschichtslehrbüchern gebotene Bild des Mittelalters nun aus? Hier und da wird das Mittelalter in der uns geläufigen Weise gekennzeichnet als eine Synthese der drei Elemente Antike, Germanentum und Christentum (so bei Pahlow-Stearns; die Darstellung bei Habberton-Roth spricht von Combination of Roman civilization, German customs, and Christianity). Durchweg aber wird die These vertreten, das Mittelalter sei Niedergang der Kultur (civilization) gewesen. Allenfalls könne man von einer Verschiebung der Kultur (zurück nach dem Osten: Byzanz, oder in den Raum der Kirche) sprechen. Nur sehr langsam habe sich während des Mittelalters die neue Ausdehnung der Kultur durch die Kirche und den großen Handel, etwa in der Folge der Kreuzzüge, vollzogen. Nur West läßt den Raum centered on the English Channel im hohen Mittelalter als ein echtes Kulturzentrum gelten. Alle anderen Bücher lassen den Wieder-aufstieg der Kultur erst mit dem Aufschwung der Städte (infolge des großen Handels) und der Universitäten beginnen. Für sie ist das Mittelalter das Dark Age schlechthin.

Kann man den Begriff Dark Age hinsichtlich des 7. Jahrhunderts allenfalls noch deuten als „dunkel“ im Sinne eines Mangels an Über-lieferung, so bedeutet dark in der Anwendung auf das ganze Mittelalter eindeutig „kulturlos“. Es war eine Zeit, wo das Leben weder sicher (safe) noch angenehm (pleasant) war. Seit dem 4. Jahrhundert herrscht in Westeuropa die Barbarei (barbarism). Sie ist die Folge der Verödung der Schulen und der Vernachlässigung der formal education (West), die im spätrömischen Reich bereits angefangen hat und durch die „Barbaren“ vollendet wird. Hier wird eine Grundvorstellung des amerikanischen Geschichtsdenkens überraschend deutlich: civilization ist nur möglich durch education, civilization aber ist eo ipso dewocratic civilization. Hieraus erhellt die Tatsache, daß in Amerika Probleme der Erziehung mit wahrer Leidenschaft erörtert werden.

In amerikanischer Sicht ist Mittelalter in polit. Hinsicht geradezu gleichbedeutend mit Feudalismus (feudalism). Alle Darstellungen geben ein ausführliches und anschauliches Bild des feudal and manorial (grund-herrlichen) System unter stärkerer Berücksichtigung der Tatsachen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens, also einen breiten Querschnitt.

Die Ereignisse der politischen Geschichte treten darin stark zurück. Auch werden nur wenige Linien zur Gegenwart gezogen. Das Mittelalter ist fern und fremd. Es ist nur eine Periode des Überganges (transition). Es erscheint in dieser geschichtlichen Sicht völlig mediatisiert.

Aber das Mittelalter wird nicht nur einfach als Feudalism gekennzeichnet, sondern als Feudal Anarchy. Seine politische Geschichte ist anarchisch. Ihr Inhalt ist political disintegration (Auflösung, Zersetzung) (West). Feudalismus ist gleichbedeutend mit chronic neighbourhood warfare; denn government and law sind in Westeuropa zwischen dem 7. und dem 11. Jahrhundert zusammengebrochen (ebd.). Das ist ein düsteres Bild. Es ist so dunkel wie das des geistig-kulturellen Lebens.

Denn im Mittelalter waren die Menschen zwar extremely religious, aber auch extremely superstitious (abergläubisch) (Evans-Sankowsky).

Mittelalter heißt wars, disease, ignorance and poverty (HabbertonRoth). Es gibt darin wenig „Fortschritt“ toward freedom and a bester way of life (Magenis-Appel). Nur an einer Stelle (bei Neff-Planer) wird das Wesen des Feudalismus in positivem Sinne so gekennzeichnet-everyone had his place in Society, which in principle was guaranteed by contract. In politischer Hinsicht wird ihm nur eine positive Leistung zugestanden: die Abwehr der Bedrohung durch den äußeren Feind (HabbertonRoth). In diesem Rahmen nun erfolgt die Darstellung der deutschen Geschichte des Mittelalters. Sie erscheint darin sozusagen völlig eingeschmolzen, fast nur als Beleg der für das ganze europäische Mittelalter gültigen Einsichten. Nur an einzelnen Punkten erfährt die deutsche Geschichte im Mittelalter eine besondere Erwähnung oder Behandlung. Es sind dies Otto der Große und die Konsequenzen seiner Erneuerung der Kaiserwürde sowie der Streit um die Investitur, zentriert um Gregor und Heinrich in Canossa und endend mit dem Wormser Konkordat. Im übrigen ist Deutschland nur mehr ein Beispiel für die verheerenden Auswirkungen des Feudalismus, die hier sogar besonders kraß in Erscheinung getreten sind, denn Deutschland mußte für die civilization gewonnen werden aus einem „Meer der Barbarei“ (PahlowStearns). Dieser Vorgang sei um so schwieriger gewesen, als Deutschland den Weg zu staatlicher Einigung im Mittelalter nicht gefunden habe, wie Italien und im Unterschied zu Frankreich und England. Das lag nur zum Teil im System des Feudalismus begründet. Auch Deutschland wird im Mittelalter ein Land der Burgen, die heute romantisch wirken, früher aber gleichbedeutend waren mit oppression, injustice, and tragedy (Rogers-Adams-Brown). Sie hinderten die Deutschen daran, e i n Volk und e i n Staat zu werden (ebd.). Die gleiche Wirkung hatte die Verzettelung der deutschen Kräfte in Italien, wie sie seit Otto dem Großen eingeleitet worden war. Alle Darstellungen sind sich darin einig, daß die Kaiser-und Italienpolitik der deutschen Könige des Mittelalters ein schwerer Fehler gewesen sei. A waste of energy and resources — darauf laufen alle Urteile hinaus. Am Ende des Mittelalters ist Deutschland (wie Italien) hopelessly divided, statt eines nationalen Staates ein Bündel kleiner territorialer Staaten: the Gerntanies. Damit ist zugleich das Urteil gesprochen über das „Reich". Das Reich war „bad for the German people“, „a failure" (Rogers-Adams-Brown). Zu seiner Kennzeichnung wird vielfach die Formel Voltaires verwendet, das „Reich" sei weder heilig noch römisch noch ein Reich gewesen. Der Maßstab dieser Wertung ist liberal und national im Stile des 19. Jahrhunderts. Das Urteil über das „Reich" kann nur negativ sein, wenn man es mißt am Maße des liberalen Nationalstaats. Von echter geschichtlicher Deutung wird man da freilich kaum sprechen können. Doch ist hier und da richtig erkannt, daß das „Reich“ nicht nur universal angelegt, sondern zugleich national verfaßt gewesen ist (Körner) und daß Geschichte des Mittelalters immer zugleich in universaler und lokaler („provincial") Sicht getrieben werden müsse. Vor allem das Buch von Wallbank-Taylor stellt diesen localism der deutschen Geschichte, besonders während des Mittelalters, sehr klar heraus. Attadiment to ancient tribal subdivisions scheint diesem Buche kennzeichnend für die deutsche Geschichte hin bis zu Hitler. Es berichtet, daß noch 1914 viele bayerische Bauern fröhlich in den Krieg gezogen seien in dem Glauben, es gehe gegen ihren Erbfeind, die Preußen. Dieser particularism wird geschildert als Auswirkung von localism und factionalisnt des Mittelalters, aber auch der Kaiser-und Italienpolitik und des Investiturstreites. Provinziales und universales Mittelalter haben Deutschland und Italien im 19. Jahrhundert ihre nationale Einheit finden lassen.

Die sogenannte ostdeutsche Kolonisation des Mittelalters erscheint meistens als ein erobernder Ausgriff. In dem Buch von Wallbank-Taylor wird sie gekennzeichnet als die größte Leistung (achievement) des mittelalterlichen Deutschland, durch die western Christian culture verbreitet worden sei.

Wir wenden uns dem Zeitraum von 1500 bis 1648 zu, der Zeit der deutschen Reformation und der konfessionellen Kämpfe. Es ist unverkennbar, daß das amerikanische Geschichtsdenken zu diesem Zeitraum ein echteres und engeres Verhältnis hat als zum Mittelalter. Das wird verständlich, wenn man in Betracht zieht, daß dieses Denken letzten Endes in dem des Kalvinismus und der Puritaner wurzelt. Aber auch zu Luther hat das amerikanische Denken ein fruchtbares Verhältnis, wie einige neuere Leistungen der amerikanischen Luther-Forschung zeigen. Der eigentliche Quellgrund der Haltung Luthers wird freilich hier und da verkannt, so wenn etwa bei Pahlow-Stearns der auf Luther bezügliche Abschnitt überschrieben wird: Showing How Men Tried to Adjust Their Religions Life of Changes Whidt Had Taken Place in Their World. Religiöse Entscheidungen erscheinen hier als „Anpassungen" an Umwandlungen der äußeren Welt. Andere Lehrbücher (etwa Magenis-Appel) sehen die Reformation als Auswirkung der Renaissance und stellen sehr stark ihre wirtschaftlichen und politischen („Germany was to be for the Germans“) Ursachen heraus. Sie ist in diesem Sinne einfach und schlechthin The Protestant Revolt. Luther ist ihre große und ganz zentrale Gestalt. Damit rückt die deutsche Geschichte für diesen Zeitraum auch in den amerikanischen Darstellungen entscheidend in den Mittelpunkt. Natürlich ist Luther in „aufgeklärter" Sicht kein Mann des „Fortschritts". So nennt ihn das Buch von Wallbank-Taylor a born leader, genius, bigot and zealot (Eiferer) und fährt dann fort: „He put his truth in faith and not in the ‘harlott reason (Hure Vernunft). In this respect Luther represents a Step bad^ward in intellectual history to ntedievalisnt." Hinsichtlich Luthers Glaubensfreiheit und seiner Rechtfertigung aus dem Glauben begegnet hier und da das liberale Mißverständnis, so wenn es bei Platt-Drummond heißt: „He declared that eadt person should Interpret the Bible according to his own conscience", oder wenn das Buch von Habberton-Roth den Anspruch jedes Menschen auf his own judgment in matters of religion als das eigentliche Anliegen Luthers ansieht.

Die politischen Auswirkungen der Reformation werden unter zwei Aspekten gesehen. Der eine liegt im Hinweis auf die Vermehrung und Verstärkung der Staatshoheit, wofür Luther verantwortlich gemacht wird, vor allem auf Grund seiner Haltung im Bauernkriege (so Neff-Planer); der andere sieht die Reformation als eine Möglichkeit der „Patrioten“, Luthers Bewegung zu benutzen to further the cause of German nationalisw, als dtance to unite Germany (so Wallbank-Taylor). Doch ist diese Möglichkeit ja keine Wirklichkeit geworden. Die meisten Deutschen, so meint das Werk von Rogers-Adams-Brown, sind sehr religiös. Statt aber dadurch friedfertig zu werden, sind sie streit-süchtig geworden. Ihre religiösen Streitereien führten sie in den Dreißigjährigen Krieg, an dessen Ende sie hilflos waren gegenüber tyrants at honte und robber kings abroad (Rogers-Adams-Brown). Überdies waren und blieben sie von der großen kolonialen Erschließung der Welt ausgeschlossen (Habberton-Roth). Denn das Reich sei durch die Friedensschlüsse von 1648 almost an inland state geworden (Pahlow-Stearns). Vom Standpunkt derer aber, die den Großen Krieg angefangen hatten, konnten all ihre Bemühungen nur als useless und futile (wirkungslos) angesehen werden (ebd.).

Wir fassen den nächsten Zeitraum der europäisch-deutschen Geschichte zusammen als den des absoluten Staates, und unter dieser Signatur erscheint er auch in den meisten amerikanischen Geschichtslehrbüchern. Wir treten damit in die geschichtliche Periode ein, in der die Geschichte der USA beginnt und bis zu der das lebendige amerikanische Geschichtsbewußtsein zurückreicht und zurückgreift, und zwar in sehr spezifischer Weise. Die USA haben ihre politische Freiheit und die Besonderheit ihres American way of life erkämpft von einem Staate Europas und einem König, der in ihren Augen ein Tyrann war, obwohl er kein Monarch im Stile Ludwigs XIV. gewesen ist, kein absoluter Herrscher, sondern ein konstitutioneller. Wir verdanken Ranke die Erkenntnis, daß ein Staat zwar aus rein geschichtlicher Zufälligkeit entspringt, je nach „Natur der Dinge und Gelegenheit, Genius und Glück , daß dieser Kairos aber, dieser Moment, in welchem die äußere Unabhängigkeit erkämpft und in Besitz gebracht wird", sein Leben recht eigentlich bestimmt, und zwar sein Leben in allen Äußerungen, also auch sein politisches und geschichtliches Denken, sein „Nationalgefühl . Gilt dies für das in den Freiheitskriegen geborene deutsche „National-

gefühl", so gilt es auch für das im War of Independence, der American Revolution, entstandene nationale, politische und geschichtliche Denken Amerikas. Daraus folgt, daß dieses geschichtliche Denken hinsichtlich des absoluten Staates eine Vorentscheidung getroffen hat, die den absoluten Staat nur als eine „dunkle Folie" (Sattler im Internationalen Jahrbuch, Bd. II, 1953, S. 151) gegen Verfassungsstaat und Demokratie sehen kann. Ein Kapitel bei Platt-Drummond ist geradezu überschrieben: The Vices of Autocracy highlight (stellen heraus, setzen ins rechte Licht) the Virtues of Democracy. Die positive Leistung des absoluten Staates, die Überwindung des Ständestaates und des Chaos, das die dreißigjährigen Religionskriege in Frankreich und Deutschland hinterlassen hatten, kann dieses Denken nicht sehen, da in Amerika kein Ständestaat zu überwinden war, sondern die Übergriffe eines konstitutionellen Königs abzuwehren waren. Um wieviel dunkler ist das Bild, das von den wahrhaft absoluten Herrschern und Fürsten Frankreichs und Deutschlands gezeichnet wird! Selbst die aufgeklärten absoluten Fürsten des 18. Jahrhunderts sind doch nur enligktened oder benevolent despots, die zwar „gewisse Reformen" durchführten, jedoch ohne ihre absolute Herrschaft zu mindern. Daß ihre Regierungsform efficient (wirksam, leistungsfähig) gewesen sei, ist die einzige Anmerkung, die ihnen gelegentlich zuteil wird.

Was nun den absoluten Staat in Deutschland betrifft, so werden als Ursachen seiner Entstehung angeführt der Zustand des verwüsteten Landes im Jahre 1648, der das Volk in völlige Betäubung (stunned) versetzt habe, und das Fehlen einer starken bürgerlichen Mittelklasse, also ein soziologisches Moment. Der Blick haftet dabei vornehmlich an Preußen. Die deutschen Klein-und Mittelstaaten, aber auch Habsburg, treten demgegenüber zurück. In amerikanischer Sicht ist die deutsche Geschichte seit 1648 weitgehend die Geschichte Preußens, auch ihrem Geiste nach. Das „andere“ Deutschland, etwa das der deutschen Bewegung oder der inspired Musicians, wird durchaus nicht unterschlagen. Manche Bücher sprechen von diesen Leistungen deutscher Kultur sogar sehr ausführlich und mit großer Bewunderung. Das Buch von Habberton-Roth etwa nennt Goethe one of tke greatest poets in world literature, und der Name Beethoven wird stets mit großer Ehrfurcht ausgesprochen. Aber dieses „andere“ Deutschland sei gegenüber dem Geiste Preußens eben nicht zur Geltung und Wirkung gekommen. Deutschland und Preußen sind seit dem Aufstieg der Hohenzollern identisch, und der allgemeine Tenor der meisten Darstellungen ist doch der, daß eine gerade Linie führe vom Großen Kurfürsten über Bismarck zu Hitler. Wie sieht diese Linie aus? Wie erscheint Preußen in amerikanischer Sicht?

Stress on Militarism and Autocracy

Es sind zwei Kennzeichnungen, die immer wieder auf Preußen angewendet werden: autocratic governtnent und army discipline. Dispotismus und Militarismus sind sein eigentliches Wesen. Drilling and regiwenting affected not only the artny, but every aspect of Prussian hfe (Smith-Muzzey-Lloyd). Das preußische Heer war eine tnachinelike arnty, worin not a fliker (Funke) of individuality geduldet wurde (PlattDrummond), und der preußische Staat nichts weiter als das Werkzeug dieser Armee, not a State whiclt possesses an arnty, but an army wltidt possesses a State (Wallbank-Taylor). Diese Dinge sind die deep-rooted tradition Deutschlands geworden und geblieben bis zu Hitler. Es waren die Junker und die Hohenzollern, die sie dem preußisch-deutschen Wesen eingepflanzt haben.

Das Urteil über die Hohenzollern ist äußerst ungünstig, ja geradezu abfällig. Mit ihrer Erwerbung der Mark Brandenburg (1415) beginnt für viele Bücher die Geschichte des neueren Deutschland, die folgerichtig 1945 endet. Die Hohenzollern mit ihrem stress on militarism and autocracy tragen daher die größte Verantwortung für die heutige Not Deutschlands (Platt-Drummond). Ihr Ehrgeiz war nur auf Erraffen (grabbing) von Gebiet ihrer Nachbarn gerichtet. Jeder Kurfürst oder König aus diesem Hause sah seinen Stolz darin, sein Gebiet über sein Erbe hinaus zu erweitern, by fair rneans or foul (durch anständige oder unredliche Mittel) (Wallenbank-Taylor), in fast habsüchtiger (miserly) Gier (Bining-Shryock-Wolf), und sich dessen noch zu rühmen. Dafür biete die Geschichte kaum ein paralleles Beispiel. Gelegentlich (so bei Platt-Drummond) wird der Mangel Preußens an natürlichen Grenzen als Erklärung für Militarismus und Expansionspolitik angeführt. Dadurch haben die Hohenzollern zusammen mit den Habsburgern, ihren Rivalen in Europa, viele, viele Jahre lang in einem Zustand des Krieges gehalten (Magenis-Appel). Selbst der Erwerb Preußens (1618 durch Erbschaft) wird als grabbing gekennzeichnet (bei Rogers-Adams-Brown). Seit dem 18. Jahrhundert sei die äußere Politik der Hohenzollern dann vollends ambitious (ehrgeizig) und aggressive geworden (Wallbank-Taylor).

Im gleichen Rahmen hält sich die Beurteilung der drei großen Hohenzollern. Der Große Kurfürst wird dargestellt als der „Vater der berühmten preußischen Armee“ (Platt-Drummond) und Gründer des Generalstabs, der seither bis zu den Tagen Hitlers Kriege geplant habe. Er ist daher einer der Begründer des modernen Militarismus (RogersAdams-Brown). Er hat nicht gezögert, zum Kriege zu schreiten, um mehr Land an sich zu reißen. Seine Methode des Machtgewinns war aber nicht nur warlike, sondern auch dishonest (ebd.). Hinsichtlich der inneren Politik wird ihm das Wort zugeschrieben, „a government cannot be too absolute, provided it is efficient“ (Platt-Drummond). Zeal for efficiency erscheint als eine der Eigenschaften, die die Hohenzollern den Deutschen eingepflanzt haben, wobei Leistung und Erfolg wichtiger seien als Freiheit. — Friedrich Wilhelm I. wird geschildert als ein zwar eccentric, boorislt (bäurisch) fellow (Habberton-Roth), aber capable sovereign, der eigentliche Begründer des Preußentums, Schöpfer der Armee als einer fighting machine. Auf diesen „Potsdamer Führer“ gehe die deutsche Tradition von Subordination to the state, efficient government from above, am'a blind confidence in the military point of view letzten Endes zurück (Wallbank-Taylor).

Die Darstellung und Bewertung der Tätigkeit und Wirkungen Friedrichs des Großen nimmt, wie nicht anders zu erwarten, einen breiteren Raum ein. Fast alle Bücher machen den Versuch einer Beschreibung und Kennzeichnung seiner Persönlichkeit, gelegentlich im Vergleich zu der seines Zeitgenossen Washington. Alle sind sich darin einig, daß er militärisch ein Genie gewesen sei. In der Führung seiner Kriege hat er Tatkraft, Fähigkeit (ability) und Geschicklichkeit gezeigt (Smith-Muzzey-Lloyd). Seine und Ludwigs XIV. schmutzige (sordid) und kaltblütig vom Zaun gebrochenen Kriege sind immerhin mit größerer Mäßigung geführt worden als die Religionskriege (Boak-Slosson-Anderson). Wenn er den Beinamen eines „Großen“ verdient, so auf alle Fälle mehr wegen seiner Werke des Friedens (Platt-Drummond). Der Stil seiner äußeren Politik war der eines krassen staatlichen Egoismus („the rest of the world could look out for itself"), und im Verfolg dieser Ziele schreckte er vor Lüge und Gewaltsamkeit nicht zurück. Im Stile aller Hohenzollern war er ohne Rücksicht auf die Berechtigung (justice) seiner Ansprüche nur auf Gebietserwerb bedacht, und in diesem Sinne soll er einmal gesagt haben: „I take what I want; there will always be plenty of Professors to fustify what I do“ (Platt-Drummond). Darin folgte er der Lehre der modernen Staatskunst, die (seit Macchiavelli) den Staat als amoral (jenseits der Ethik stehend) ansah, in einer Haltung, die immer wieder unscrupulous oder ruthless („unbarmherzig") genannt wird. Manche Darstellungen geben zu, daß er in dieser Hinsicht nur kühner und erfolgreicher als seine Zeitgenossen gewesen sei. Diese Haltung sei aber leider die der rulers of modern Germany gewesen (Rogers-AdamsBrown). Der Erwerb Schlesiens, ohne Kriegserklärung eingeleitet, war grab, robbery, und die Teilung Polens, von Friedrich d. Gr. vorgeschlagen, a disgraceful (schändlich) affair. Rußland und Preußen haben zunächst alles getan to keep Poland in disorder, und dann hinterhältig (treacherously) erklärt, sie könnten einen so gefährlichen Nadibarn nicht dulden (Smith-Muzzey-Lloyd). — In der inneren Politik war seine Regierungsform die eines benevolent or enlightened despot, der wie sein Vater seine „Untertanen" für unmündige Kinder hielt, sie daher autokratisch regierte und als Dank für seine Mühewaltung striktesten Gehorsam verlangte. In diesem Staate gab es wie auch sonst in Deutschland freilich fast nur Bauern, die, in ihrer Masse noch immer Leibeigene (serfs), die „Lasttiere der Gesellschaft" waren, also keine Mittelklasse, wodurch der absolute Staat soziologisch erklärt, wenn auch nicht gerechtfertigt wird.

Dennoch wird man nicht sagen dürfen, daß das LIrteil über Friedrich den Großen eindeutig negativ sei. Fast alle Bücher anerkennen zunächst seine große persönliche Bgabung, nicht nur als saldier und diplomatist; immer wieder wird er able oder capable genannt, vor allem im Vergleich zu andern Herrschern des 18. Jahrhunderts (etwa Ludwig XIV. oder Georg III.). Sie anerkennen auch seine ungeheure Arbeitsleistung. Viele nennen ihn mit seinem eigenen Wort den ersten Diener seines Staates. Dabei habe er es durchaus auf die Wohlfahrt (welfare) seiner Untertanen abgesehen gehabt. Und diese seine Bemühungen waren efficicHt und successfu! wie die keines anderen Herrschers in Europa. Seine Leistungen (achievements) werden beachtlich (remarkable) genannt. Seine Verwaltung ist die sparsamste, wirksamste, duldsamste und „fortschrittlichste“ der damaligen Zeit gewesen (Pahlow-Stearns).

Dies alles wird zugegeben, auch seine hohe Bildung (education). Friedrichs Name leuchtet hell unter denen der aufgeklärten Herrscher des 18. Jahrhunderts (the most enlightened ruler of the time: Pahlow-Stearns), ganz zu schweigen von der Menge der nicht-aufgeklärten Fürsten Deutschlands, den princelings (Duodezfürsten). Aber all diese Anerkennung gilt stets nur mit der Einschränkung, die grundsätzlich dem absoluten Staate gegenüber gemacht wird, auch gegenüber dem Österreich der Maria-Theresia. — Die deutsche Geschichtsschreibung aber hat sich zu fragen, wie weit sie selbst dafür verantwortlich ist, daß die Rolle Preußens im Gesamtrahmen der deutschen Geschichte so überbetont wird.

Die Wirkung der Kriege Napoleons auf die deutsche Geschichte wird unterschiedlich beurteilt. Auf der einen Seite führten sie zu Eingriffen und Maßnahmen, die der Schöpfung eines einheitlichen deutschen Reiches dienten durch die Beseitigung der deutschen Kleinstaaterei, etwa im Reichsdeputationshauptschluß (1803). Den ersten Anstoß zu seiner Einheit verdankt Deutschland also nicht einem seiner Fürsten oder Preußen, sondern dem französischen Eroberer (so Smith-Muzzey-Lloyd). Auch von Napoleons Rheinbund wird gesagt (Platt-Drummond):

it paved („pflasterte“) the way for a united Gerwany. Auf der andern Seite aber entstand durch Napoleons Kriege der deutsche Nationalismus unter der Führung Preußens. Für den deutschen Nationalismus und seine kriegerische Neigung werden Deutschlands Nachbarn also mit verantwortlich gemacht: „They have hemmed her about (eingeschlossen)

and wade tvar upon her borders; for ceuturies they helped keep the Germans disunited and at war“ (Rogers-Adams-Brown). Deutsche Philosophen haben diesen Nationalismus dann formuliert, begründet und verkündet und damit zu Deutschlands Zusammenbruch in den beiden Weltkriegen beigetragen (Neff-Planer). Fichte war der erste in ihrer Reihe mit seiner Behauptung von den Deutschen als der really superior nation, der die Zukunft und die Führung der Völker der Erde gehöre (Habberton-Roth und Smith-Muzzey-Lloyd). Doch standen in den Reihen der Freiheitskämpfer auch utany noble figures to save the Fatherland front Napoleons dowination (Boak-Slosson-Anderson) Die Deutsche Bewegung mit ihren Leistungen in Dichtung, Musik, Philosophie und den Naturwissenschaften wird in den meisten Werken ausführlich gewürdigt. Dagegen werden die preußischen Reformen nur eben erwähnt.

Der Wiener Kongreß und seine Ergebnisse werden durchweg negativ beurteilt. Er habe zwar Frankreich nicht „bestraft“ und sei in dieser Hinsicht „weiser“ gewesen als der von Versailles 1919 (Boak-SlossonAnderson). Im übrigen aber habe er versucht, die Uhr zurückzustellen, und keinen dauerhaften Frieden schaffen können, da er die Prinzipien ignoriert habe, die allein einen solchen Frieden hätten sichern können:

nationalisnt (im Sinne von Nationalstaatlichkeit), constitutional governntent, and equal rights (Smith-Muzzey-Lloyd). Er habe versäumt, aus Deutschland einen starken Nationalstaat zu machen und den Kampf um Freiheit zum Erfolg zu führen. An dieser Stelle wird deutlich, daß das Wort nationalisnt in dem doppelten Sinne von (berechtigtem) Nationalgefühl und (anmaßendem) Nationalismus verwendet werden kann. Hier und da ist sein Gebrauch daher mißverständlich und irreführend. Als der evil genius des Wiener Kongresses und Europas während der nächsten Jahrzehnte erscheint Metternich, das Haupt einer Gruppe von Privilegierten, denen an Legitimität, Entschädigung und Garantien gelegen war (Magenis-Appel). Er wird fast überall stärker als Repräsentant seiner aristokratischen Klasse denn als Vertreter Österreichs geschildert, und natürlich war Demokratie eine Bedrohung der Privilegien dieser Klasse. Nur das Buch von Pahlow-Stearns nennt ihn earnest und sincere in his convictions; sein Hauptziel sei gewesen, in Europa Recht und . Ordnung herzustellen. Die Autokratie der Habsburger kommt nicht besser weg als die der anderen Fürsten. Sie habe sich gestützt auf a Standing arnty of soldiers, a sitting arnty of officials, a kneeling arnty of priests, and a creeping arnty of infornters (Spitzel) (Palmer, A History of the Modern World). Mit Hilfe dieser Autokratie habe Metternich durch den Deutschen Bund Deutschland und durch die „unheilige“ Heilige Allianz und mehr noch durch die Quadrupelallianz Europa beherrscht und bedrückt.

Die Bewegung von 1848 wird knapp geschildert und gewürdigt, die Ursachen ihres Scheiterns werden ausführlicher analysiert. Als solche werden herausgestellt das Versäumnis der Liberalen, die Unterstützung der Arbeiterschaft und der Bauern zu gewinnen (Caldwell-Merrill), die Kapitulation des Liberalismus vor dem engen Nationalismus (WallbankTaylor), die „leeren Worte" der Beratungen von Frankfurt und (bei Pahlow-Stearns) die Unfähigkeit und Unwilligkeit Friedrich Wilhelms IV.

Das Scheitern der Bewegung wird als eines der entscheidenden Ereignisse der neueren Geschichte angesehen (Wallbank-Taylor).

In einer zusammenfassenden Betrachtung legt das Geschichtslehrbuch von Rogers-Adams-Brown sich einmal die Frage vor, wie es zu erklären sei, daß Deutschland in so viele Kriege verwickelt gewesen sei, und kommt dabei zu folgenden Ergebnissen:

1. Deutschland hat wenig natürliche Grenzen.

2. Die Reformation wurde der Anlaß zu Kriegen.

3. Deutschland ist im Gegensatz zu Frankreich und England erst spät, zu spät, eine starke vereinigte Nation geworden, weitgehend infolge der Italien-und Rompolitik der deutschen Kaiser des Mittelalters.

4. Es hat eine Reihe von Kriegen um das burgundisch-lothringische Gebiet und um das Elsaß geführt.

5. Bismarcks Beispiel hat die Deutschen glauben lassen, daß man Kriege führen müsse, um das zu bekommen, was man nötig habe oder haben wolle.

Bismarck erscheint in den meisten Büchern als die zentrale, die typische Gestalt der deutschen Geschichte, ihre eigentliche Mitte, ihre reinste Verkörperung, aber auch ihre schicksalhafte Wende. Seine Persönlichkeit und sein Werk werden gründlich analysiert, auch in ihren Nachwirkungen. Das Bismarck-Bild der amerikanischen Geschichtslehrbücher würde eine Sonderuntersuchung lohnen. Es kann im Rahmen dieser Arbeit nur knapp angedeutet werden.

Kaum eine der vorliegenden Darstellungen zweifelt an Bismarcks Größe. Bei Bining-Shryock-Wolf wird er ein großer Staatsmann genannt, bei Smith-Muzzey-Lloyd „ungewöhnlich begabt“. In der Beurteilung des Politikers Bismarck sind sich fast alle Darstellungen einig. Nur wenige berühren das Problem des Menschen Bismarck, der hinter dem Politiker steht. Soweit dieses Problem angegangen wird, erscheint der Mensch Bismarck widersprüchlich und zutiefst rätselhaft. Bei Becker-Duncalf wird er geschildert als eine Mischung von Gutmütigkeit und Zynismus. Es heißt da (S. 510): He knew the weaknesses (Schwächen) and vices (Laster) of wen rather bester than he knew their virtues (Tugenden). Aber — und dies scheint das eigentliche Rätsel seiner Persönlichkeit — dieses Wissen um die Schwächen und Fehler der Menschen hat ihn nicht bitter gemacht: sein Zynismus ist von heiterer Art (a genial cynicism). Viele Darstellungen gestehen ihm cowwon sense zu; bei Boak-Slosson-Anderson ist dies seine stärkste Charaktereigenschaft. Dieser contnton sense aber ist merkwürdig und rätselhaft gemischt mit Mystizismus: Bismarck fühlt sich als auserwähltes Werkzeug Gottes ‘so bei Becker-Duncalf, ähnlich bei Rogers-Adams-Brown). Dies berührt die Frage nach seiner Religiosität. Bei Caldwell-Merrill wird er „tief religiös“ genannt, doch bleibt die Frage nach der Art seiner Religiosität völlig offen. — Das Buch von Rogers-Adams-Brown versucht. Bismarcks politische „Weltanschauung“ psychologisch zu erklären, nämlich aus Abneigung gegen seine Mutter. Sie habe new ideas and progress geliebt Vielleicht sei Bismarck aus diesem Grunde so sehr gegen Fortschritt und Demokratie eingestellt gewesen.

Damit ist die Frage nach dem Politiker Bismarck angeschnitten. Selbstverständlich war er ein Preuße durch und durch, wobei vielfach darauf hingewiesen wird, daß das Preußentum keineswegs als rück-ständig und unwirksam vorzustellen sei ns is usnally the case witk autocratic regimes (Wallbank-Taylor), sondern als eine höchst erfolgreiche Form der Autokratie. Selbstverständlich war Bismarck auch ein „Junker" und als solcher monarchistisch — mehr als der König selbst (BiningShryock-Wolf), konservativ, ja reaktionär. Dem entsprachen Ziele und Mittel seiner Politik. Seine Ziele waren die Einigung Deutschlands, ein „größeres Deutschland“ unter preußischer Führung, und die deutsche Herrschaft über Westeuropa (so etwa Wallbank-Taylor). Keine der Darstellungen sagt ihm nach, daß er eine deutsche Weltbeherrschung erstrebt habe. Doch wird verschiedentlich betont, daß der Erfolg seiner politischen Ziele und Mittel die Deutschen, vor allem ihre superpatriots, dazu geführt habe zu glauben und zu beanspruchen, es sei Deutschlands Schicksal und Mission, die Welt zu beherrschen (Smith-MuzzeyLloyd). Dies war schlimmer als Bismarcks Werk selbst: er hat durch sein Werk Deutschland auf den Weg eines extremen Militarismus — he wade the German people military-itiinded (Rogers-Adams-Brown), wilitaristic (Evans-Sankowsky) — und Nationalismus geführt (Habberton-Roth).

Blood and Iron

Erscheint das Ziel Bismarcks, die nationalstaatliche Einigung Deutschlands, den amerikanischen Darstellungen durchaus vertretbar, sogar berechtigt, so sind seine Mittel schlechthin verwerflich. Es waren die Mittel kriegerischer Gewalt und macchiavellistischer Diplomatie. Bismarcks politisches Denken wird geschildert als eine Mischung von Militarismus und Macchiavellismus. Bismarck war ein Gewaltpolitiker. Er war a forceful political leader (Caldwell-Merrill), erfüllt von belief in force, und diesen seinen Glauben hat das deutsche Volk von ihm übernommen (Rogers-Adams-Brown). Bismark war der Politiker der gepanzerten Faust und des blanken Schwertes (Smith-Muzzey-Lloyd). Kein Buch verzichtet auf das Wort von Blut und Eisen, als habe Bismarck kein anderes Wort gesprochen oder als sei kein anderes seiner Worte für ihn so kennzeichnend. Es findet sich sogar als Kapitelüberschrift (Blood and Iron Triumph in Germany, bei Wallbank-Taylor Bd. 2 S. 231) oder als Stichwort (Bismarck uses „Blood and Iron" to unify Germany, bei Platt-Drummond S. 372). Viel von der Not und dem Haß in unserer heutigen Welt könne auf Bismarcks Blut-und Eisen-Politik zurückgeführt werden (so Rogers-Adams-Brown). Denn der Erfolg dieser Politik habe die Deutschen glauben lassen, daß der Krieg ein nationales Geschäft sei, das sich bezahlt mache (Wallbank-Taylor). Bismarck habe folgerichtig eine „Reihe von Kriegen“ angefangen (Habberton-Roth). Für die meisten Lehrbücher steht fest, daß diese Kriege „kaltblütig“ geplant und vom Zaune gebrochen (picked) worden sind. Bismarcks gesamte Politik erscheint in ihren Zielen und Mitteln „geplant“ wie ein „Programm". Denn diese Planung der Kriege sei erfolgt mit den Mitteln einer machiavellistischen Diplomatie, in deren Kunst Bismarck ein Meister gewesen sei. Diese Diplomatie wird nnscrupulons, crafty (listig), tricky, shrewd (schlau) genannt. Lying und dieating ohne Hemmung waren ihre Mittel (Rogers-Adams-Brown). In dieser Hinsicht sei Bismarck noch skrupelloser als Cavour gewesen. Kein Staatsmann der neueren Geschichte vor den Diktatoren unserer Zeit war schlauer und erfolgreicher als Bismarck (Wallbank-Taylor). Die Verschlagenheit dieser Diplomatie wird darin gesehen, daß durch Bismarcks arrangements der Feind immer als aggressor erschien (Smith-Muzzey-Lloyd) und nicht beteiligte Staaten neutral oder freundlich blieben (Platt-Drummond). Nur einmal (bei Wallbank-Taylor) wird gesagt, daß Bismarck wie Cavour wohl keine andere Möglichkeit gesehen habe als die, sich furchtbarer Mittel (terrible means) zu bedienen.

Bismarcks großes Ziel (great purpose) also war die Umformung des bestehenden deutschen Bundes in einen Nationalstaat unter Führung Preußens, und um dies Ziel zu erreichen, erachtete er drei Dinge als notwendig (Bining-Shryock-Wolf): den Ausschluß Österreichs, den Umbau des Deutschen Bundes zu einem engeren Verband unter Preußen as its undisputed director, und einen auswärtigen Krieg zur Erweckung eines „nationalen Patriotismus“ und LImformung des Bundes in ein „Reidi“.

In Verfolg dieses „Programms“ brach Bismarck zunächst einen Streit mit Dänemark vom Zaune (Caldwell-Merrill), in den er Österreich hin-einzuziehen wußte. Durch einen Krieg mit Dänemark wünschte er Schleswig-Holstein für Preußen zu gewinnen, vor allem Kiels wegen (Neff-Planer). Geplant, und zwar seit langem, war auch der Krieg mit Österreich. Er wird von Bismarck bewußt herbeigeführt (stirred up), indem eine Situation geschaffen wird, die zum Kriege führen mußte (Smith-Muzzey-Lloyd). Es war nicht einmal schwierig, diesen Krieg zu provozieren (Wallbank-Taylor). Immerhin hatte Bismarck eine „Entschuldigung“ (excuse) nötig, um der öffentlichen Meinung willen. Doch nahm er Österreich im Frieden „nicht viel" Land ab: „He just wanted to show her that Prussia was the boss of the German States“ (RogersAdams-Brown). Aber Bismarck hatte noch einen anderen Grund dafür, daß seine Friedensforderungen fairly generous waren: er hatte bereits einen Krieg mit Frankreich „geplant“ (Platt-Drummond). Über die Verantwortung am deutsch-französischen Kriege von 1870/71 sowie über seine Folgen bis hin zum ersten Weltkrieg sind sich alle amerikanischen Darstellungen einig: Bismarck hat diesen Krieg gewollt, er hat ihn geplant, er hat ihn diplomatisch vorbereitet, indem er eine Falle stellte, in die zu gehen Napoleon töricht oder hilflos genug war. Bei Rogers-Adams-Brown heißt es, er habe ihn gewollt, weil er Elsaß-Lothringen für Preußen haben wollte. Für Becker-Duncalf ist es sicher (certain), daß er alles, was er konnte (all he could, his best), getan habe, um diesen Krieg herbeizuführen. Aber w i e er ihn herbeiführte, das erscheint als ein Gipfel machiavellistischer Politik: he pushed France into a position where she would have to accept an insult or declare war (Rogers-Adams-Brown). Mehr noch: Frankreich erschien in den Augen der getäuschten Welt als verantwortlich für den Ausbruch des Krieges (Boak-Slosson-Anderson, ähnlich Neff-Planer). In diesem Zusammenhang spielt selbstverständlich die Emser Depesche in den amerikanischen Darstellungen eine große Rolle. In dem Buch von Rogers-Adams-Brown findet sich (S. 405) ein Bild des Iron Chancellor mit folgender Unterschrift: To gain his own ends, Bismarck resorted to some notorious tricks, warst of whidi was the one that set off the Franco-Prussian War. He rewrote a note from France to provoke (hervorrufen) the war. Keine der Darstellungen behauptet, daß er die Depesche „gefälscht“ (falsified) habe (bei Smith-Muzzey-Lloyd heißt es altered, bei Wallbank-Taylor paraphrased, bei Caldwell-Merrill ist die Rede von som? dtanges, bei Evans-Sankowsky wird formuliert: cleverly he dtanged). Welches aber war die Wirkung seiner „Änderungen“? Der Vorgang sah so aus, als ob der König den französischen Botschafter beleidigt (insulted) habe (Caldwell-Merrill, ähnlich Magenis-Appel), oder wie ein endgültiger Abbruch der diplomatischen Beziehungen (Boak-Slosson-Anderson). Das war eine Falle (trap), ein raffinierter Trick (trick). Die Verantwortung Napoleons besteht nun darin, in diese Falle gegangen zu sein, offensichtlich, weil er kaum anders konnte (Smith-Muzzey-Lloyd). Innenpolitische Erwägungen mögen dabei eine Rolle gespielt haben (Caldwell-Merrill: an effort to regain his domestic popularity), die französischen Ultra-Imperialisten die Hand im Spiele gehabt haben (Becker-Duncalf). Die Frage, ob Napoleon III. trotz seiner haughty attitude towards Prussia (Pahlow-Stearns) wirklich den Krieg gewollt habe, bleibt offen. Die Formulierungen schwanken zwischen decided to take France into a foreign war und allowed himself to be drawn into a war. Für Pahlow-Stearns ist er a willing victim (williges Opfer) des warplotter (Kriegs-anstifter). Auf alle Fälle war seine Haltung ein schwerer Fehler (a great blunder), der Bismarcks Spiel erleichterte (Boak-Slosson: played right into Bismarck’s hands).

Der Verlauf des Krieges wird nur kurz geschildert. Sein Ergebnis war eine Demütigung (humiliation) Frankreichs im Frieden von Frankfurt. Das neue kaiserliche Deutschland kündigte seinen Eintritt in die Völkerfamilie Europas an durch die harten (harsh) Friedensbedingungen, die der „arrogant“ (Neff-Planer) Bismarck dem geschlagenen Frankreich auferlegte, vor allem durch die Einverleibung und versuchte Germanisierung von Elsaß-Lothringen, a wrovtg (Unrecht) that must be righted (Bining-Shryock-Wolff, ähnlich Rogers-Adams-Brown). Für viele Darstellungen steht fest, daß in diesen Vorgängen (things that Bismarck did) wesentliche Ursachen des Ersten Weltkriegs zu suchen seien.

Das Ergebnis des deutsch-französischen Krieges aber war nicht nur die Niederlage und „Demütigung“ Frankreichs, sondern auch die Gründung des Deutschen Reiches. Wie wird dies Reich in den amerikanischen text-books beurteilt? Zunächst erscheint es als ein „vergrößertes Preußen“ (enlarged Prussia; so Bining-Shryock-Wolf, wo es heißt: the German people submitted to be Prussianized). Preußen wurde nicht ein Teil Deutschlands, sondern „verschlang" (swallowed) alle seine deutschen Nachbarstaaten (Wallbank-Taylor: the German Empire a compact between a lion, half a dozen foxes, and a score of mice). Damit erbte das Reich die für Preußen bezeichnenden Eigenschaften: seinen „Despotismus“ und seinen Militarismus. Das Reich war nur eine Scheindemokratie, ein absoluter Staat unter konstitutionellen Formen (WallbankTaylor), eine Autokratie in a deiuocratic framework (Platt-Drummond).

Der Reichstag war nur eine debating Society, eine hall of echoes, der Bundesrat undemocratic, und praktisch lag fast alle Macht in den Händen des Kaisers und des Kanzlers (Caldwell-Merrill). Tatsächlich (actually) war der Kaiser ein absoluter Herrscher (Neff-Planer). Deutschland wird oder bleibt eine Autokratie, es hat seine Einheit gewonnen, aber keine Freiheit, und wird damit zum „politischen Kindergarten“

Europas (Wallbank-Taylor). Mehrere Verfasser suchen nach einer Erklärung dieses Tatbestandes. Ihre Antwort liegt in dem Hinweis auf die Tatsachen, daß die deutsche Autokratie ein benevolent despotism gewesen sei, daß sie efficient gewesen sei, daß das deutsche Volk, diszipliniert und in seinen strengen (strict) Schulen zur Achtung vor der Autorität erzogen, die Autokratie seiner Obrigkeiten innerlich bejaht habe (Magenis-Appel), daß diese Haltung durch die Philosophie Hegels und die Geschichtschreibung Treitschkes vorbereitet und untermauert worden sei, also der deutschen Tradition entsprochen habe (Wallbank-Taylor).

Denn für das deutsche Denken sei, im Gegensatz zum politischen Denken Englands, Frankreichs und Amerikas, der Staat immer weit bedeutsamer gewesen als seine Bürger (Smith-Muzzey-Lloyd). Auch habe der ungeheure wirtschaftliche Aufschwung und die Blüte der Wissenschaften und des kulturellen Lebens die Deutschen vom Interesse am politischen Leben abgezogen und mit dem Reiche versöhnt, auch die große Zahl derer, die dem Reiche gleichgültig (indifferent) oder gar feindlich (hostile) gegenüberstanden, wie vor allem viele Süddeutsche. Viele Darstellungen führen deren Haltung dem Reihe gegenüber auf ihre von der der „Preußen“ verschiedene Mentalität zurück. Bei Becker-Duncalf etwa werden die „Preußen“ als practica! und hard-headed, die Süddeutschen als far ntore easygoing and artistic, less aggressive beschrieben. „They disliked the hard, unimaginative Prussians.“

Für Europa und die Welt gefährlicher war der Militarismus des neuen Reiches. In diesem Reihe war der Einfluß des Heeres sehr groß, und in diesem Heere gaben die „Junker“ den Ton an. Sie waren die eigentlihe Stütze des Kaiserreihes wie später des Dritten Reihes (WallbankTaylor). Moltke, dessen Wort vom Traum des ewigen Friedens (bei Wallbank-Taylor) zitiert wird, Bismarck, ja selbst der Kaiser waren nur ihre Exponenten. Nur bei Pahlow-Stearns wird der Versuh gemäht, den „Militarismus“ des Reihes aus seiner politishen Lage zu erklären. Es heißt da: „Germany had no vast ocean between herseif and possible unfriendly neighbors; the best that Bismarck could do was to keep up an army capable of dealing with France and to make friends with other neighbors." Bei Roger-Adams-Brown wird Deutshland a country open to invasions genannt und von dem deutshen Gefühl der Bedrohtheit gesprohen.

Als die beherrshenden Gestalten des Reihes ersheinen Wilhelm I.

und Bismarck. Der Kaiser wird geshildert als ambitious und forceful.

Sein „Ziel“ (aim) sei stets gewesen, Österreih aus dem Deutshen Bunde zu verdrängen und Deutshland unter Führung Preußens zu einigen (Smith-Muzzey-Lloyd). An anderer Stelle (bei Boak-Slosson-Anderson) wird er a well-disposed and patriotic man, every indt a saldier genannt. Über sein Verhältnis zu seinem Kanzler wird kaum etwas gesagt. In den meisten Darstellungen ist Bismarck schlechthin der Herr Deutshlands, neben und hinter dem der Kaiser völlig vershwindet. Der Stil seiner Persönlihkeit bestimmt durhaus den Stil der Reichspolitik. Er war der erste Diktator des neuen Deutshland (Smith-MuzzeyLloyd). Erfüllt von Haß gegen Demokratie und Freiheit hat er sih diktatorisher Mäht (dictatorial powers) bedient, und die einzige Hilfe, die er vom deutshen Volke verlangte, war Gehorsam (HabbertonRoth). Man könne durchaus sagen, daß die Blut-und Eisen-Politik als das Ideal des neuen Reiches angenommen worden sei. Doh sei Bismarck nah 1871 sehr darauf bedacht gewesen, den Frieden in Europa zu bewahren und so für Deutshland die Stellung zu behaupten, die es erkämpft hatte (Smith-Muzzey-Lloyd, ähnlich Becker-Duncalf). Er habe dies erreicht durh ein überaus kunstvolles Bündnissystem, das Europa verhängnisvoll in zwei Mähtegruppen gespalten habe. Hinter seinen außenpolitischen Bemühungen stand freilih sein shlehtes Gewissen (guilty conscience) Frankreich gegenüber, das er durh Wegnahme von Elsaß-Lothringen shleht (badly) behandelt habe (Rogers-Adams Brown). Immerhin — unter seiner meisterhaften (masterful) Führung behielt Deutshland bis 1890 die Hegemonie in Europa (Wallbank-Taylor). Eine Darstellung (Pahlow-Stearns) vertritt die These, Bismarcks eigentliches außenpolitishes Ziel sei ein Bündnis mit England gewesen. Auf die Kolonialpolitik habe er sih nur widerwillig eingelassen (Bining-Shryock-Wolf). Dennoh habe Bismarcks Werk und Wirken auh nah 1871 den deutschen Nationalismus mähtig gefördert, unwillkürlich und beabsihtigt. Auh sein innenpolitishes „Programm“ nah 1871 habe die Steigerung des deutshen Nationalismus zum Ziele gehabt: Bismarck habe den Kulturkampf geführt, um die alte Rivalität zwischen Päpsten und deutshen Kaisern zu erneuern (Smith-MuzzeyLloyd) und um dem Reihe die ihm fehlende religiöse Einheit zu geben (Neff-Planer). LInter diesem Aspekt ersheint der Kulturkampf fast als Kampf Preußens gegen die süddeutshen Staaten (Caldwell-Merrill).

Stärker freilih als diese bekamen die niht-deutshen Minderheiten der Polen, Dänen und Franzosen den Nationalismus des neuen Reihes zu spüren. Ihre Rehte werden mißahtet, sie sollen germanisiert werden (Wallbank-Taylor, ähnlich Habberton-Roth).

Bismarcks Kampf gegen den Sozialismus wird in allen Darstellungen mehr oder weniger ausführlih, aber objektiv geshildert. Seine soziale Gesetzgebung ersheint vielfah als ein Einlenken, ein Nachgeben (Bismarck turned round; Bismarck shifted his tactics), wird aber als eine große staatsmännishe Leistung sehr positiv gewürdigt (Caldwell-Merrill: Germany then became under Bismarck a pioneer in social legislation; Wallbank-Taylor: a pioneer effort in modern social reform, his greatest claim to fame). Ihre Wirkung sei die gewesen, daß um 1900 die deutschen Arbeiter die bestversorgten in der Welt waren (Habberton-Roth). Aber es war eine Leistung der staatlihen Obrigkeit, von der es bei Rogers-Adams-Brown heißt: Bismard? looked out for the peoble, but he never let them devide for themselves what they wanted. Das Wesen dieser staatlichen Fürsorgemaßnahmen wird als „Staatssozialismus" gekennzeihnet. An „laissez faire“ habe Bismarck niht geglaubt (Pahlow-Stearns) und seit 187 8 versuht to set the dock badz, da die Liberalen ihre Shuldigkeit getan hätten (had served their pur-pose: Becker-Duncalf). Nur eine Darstellung (Platt-Drummond) behauptet, der Sinn der Sozialversiherung sei gewesen to make healthier soldiers out of drafted workers. — Die Ursahen und Vorgänge der Entlassung Bismarcks werden durhweg sehr sachlich dargestellt. Das Buh von Neff-Planer bringt dazu den bekannten cartoon des Punh („Der Lotse geht“).

Für die Darstellung der Zeit von 1890 bis 1914 läßt sih sagen, daß sie im allgemeinen dem Stande der internationalen Forshung entsprehen. Für die Amerikaner ist die beherrshende Gestalt der deutshen Geshihte dieser Jahre Wilhelm II., meistens shlehthin the Kaiser genannt und vielfah noh immer als ein wahres Ungeheuer (ogre) vorgestellt. Die Geshihtslehrbüher beurteilen ihn sachlicher und maßvoller, jedoch im ganzen ungünstig. Sie shildern ihn als einen vain and arrogant man, dem trotz manher guten Eigenshaften — er sei fromm (pious, devout) gewesen, von außergewöhnlichem Pflichtbewußtsein und ein fleißiger Arbeiter -die views and love of humanity eines weisen Herrschers gefehlt haben (so Habberton-Roth, ähnlih Platt-Drummond), im ganzen ein äußerst gefährliher Mann, ein Mann, der die gepanzerte Faust geschüttelt habe (Becker-Duncalf), für Deutschland einen Platz an der Sonne verlangt (Magenis-Appel) und praktisch Bismarcks Blut-und-Eisen-Politik fortgesetzt habe (Rogers-AdamsBrown). Er habe Deutschland zur größten der Weltmächte machen wollen (Platt-Drummond), dabei freilich viel von Bismarcks politischer Weisheit vernachlässigt (Habberton-Roth), den er entlassen habe, weil er auf ihr „eifersüchtig" (jealous) gewesen sei (Boak-Slosson-Anderson) und eine aktivere (more aggressive) Kolonialpolitik gewünscht habe (Magenis-Appel). Gelegentlich erscheint als sein größter politischer Fehler, daß er nicht klug (smart) oder glücklich (lucky) genug gewesen sei, Rußland an seiner Seite zu halten (Rogers-Adams-Brown). Doch mußten sich die „ehrgeizigen" Bestrebungen Rußlands und Deutschlands im vorderen Orient überschneiden, ja aneinander ausschließen, und manche Darstellungen sehen in diesem Konflikt die Hauptursache des ersten Weltkriegs (so Boak-Slosson-Anderson).

Der Aufstieg Deutschlands zu einer großen Industrie-und Militärmacht wird als one of the most striking (auffallend, eindrucksvoll) developntents of modern times geschildert (etwa bei Caldwell-Merrill), und hier und da wird betont, daß die wahre Größe Deutschlands viel mehr mit Kohle und Eisen zu tun habe als mit Bismarcks „Blut und Eisen" (so bei Boak-Slosson-Anderson). Es wird zugegeben, daß der Aufschwung des deutschen Außenhandels die competing (konkurrierend) nations sehr beunruhigt habe (Habberton-Roth). Nicht in diesem wirtschaftlichen Aufschwung aber wird die eigentliche deutsche Gefahr gesehen, sondern in der Steigerung des deutschen Nationalismus zu einem aggressiven Imperialismus, dem der Kaiser in seinen Reden Ausdruck verliehen habe. Immer wieder, in fast allen Darstellungen, wird die deutsche Haltung jener Jahre als aggressive gekennzeichnet, und als ihr Ziel erscheint Weltbeherrschung (Evans-Sankowsky). Dazu habe sich Deutschland nach den Worten Wilhelms II. berufen gefühlt (Platt-Drummond). Dieser Glaube an eine deutsche Mission in der Welt beruhe auf den deutschen Leistungen und Erfolgen, aber auch auf der Überzeugung und Verkündung deutscher „Wissenschaftler", daß die Deutschen von einer besonders begabten Rasse abstammten und daß es daher ihre Pflicht sei, die deutsche „Kultur" über die ganze Erde auszubreiten, notfalls mit Gewalt. Auch die deutsche Nationalhymne „Deutschland über alles“ zeige, daß die Deutschen sich wirklich für ein überlegenes (superior) Volk halten (Caldwell-Merrill). In diesem Zusammenhang weisen manche Darstellungen (etwa Wallbank-Taylor) auf die Tätigkeit des Alldeutschen Verbandes mit seiner Propagierung des Pan-Germanismus und antisemitischer Rassenmythen hin; hier sei die Saat des totalitären Nationalismus gesät worden (so bei Wallbank-Taylor, wo die Mitgliederzahl des Alldeutschen Verbandes mit 100 000 angegeben wird). In anderen Darstellungen (etwa bei Lane-Goldman-Hunt) erscheint Deutschland geradezu als der Hort des Antisemitismus seit dem 19. Jahrhundert. Deutsche Schriftsteller erläutern (expound) aber nicht nur die Philosophie des Nationalismus, sondern auch die des Imperialismus, und zwar in grundlegendster (most thoroughgoing) Form (Becker-Duncalf). Nun waren Nationalismus und Imperialismus gewiß typisch für die Haltung aller Großmächte der damaligen Zeit. Deutschland aber sei in dieser Hinsicht the most aggressive gewesen, vor allem infolge der Verbindung von Nationalismus und Imperialismus mit dem deutschen Militarismus. In Deutschland bereiten die hohen Offiziere Krieg vor und waren bei der Aussicht auf Krieg sehr entzückt (showed great delight: Habberton-Roth). Die Auswirkungen dieses nationalistischen und imperialistischen Militarismus zeigten sich unmittelbar in einer aggressiven Kolonialpolitik, in der Flottenbaupolitik, dem naval race, worin England eine Drohung sehen mußte (Bining-Shryock-Wolf), schließlich in der „Zurückweisung“ (rebuff) der englischen „Eröffnungen“ (overtures) der Jahre 1898— 1901 (Wallbank-Taylor). Bei Pahlow-Stearns freilich heißt es, daß Deutschland trotz Wilhelms II. Bekundungen schlechten Geschmacks ein Bündnis mit England hätte haben können, wenn es bereit gewesen wäre, Englands Satellit zu werden. In allen Darstellungen wird die letzte Verantwortung für alle diese Dinge der deutschen Regierung zugeschoben. Das Volk, zum Gehorsam erzogen, sei damit zufrieden gewesen, auf Grund einer Verfassung ohne ched^s and balances alle öffentlichen Dinge und seine Freiheiten seinen Herrschern (rulers) zu überlassen, und viele dieser Führer (leaders) seien unbannherzig (ruthless), grausam (cruel) oder töricht (stupid) gewesen (Rogers-Adams-Brown). Deutschland habe mit seinen „Führern" eben kein Glück gehabt.

All Blundered into War

Man kann nicht sagen, daß das kaiserliche Deutschland in seinen politischen Äußerungen günstig beurteilt worden sei. Völlig unparteiisch aber wird die Frage nach den Ursachen und Anlässen des Ersten Weltkriegs und damit die nach der Verantwortung für diese große Katastrophe beantwortet. Die meisten Darstellungen betonen, daß im Grunde genommen kein Staat den Krieg gewollt habe und daß alle versucht hätten, ihn abzuwenden. Phalow-Stearns spricht von unfähigen Politikern (ineffective statesmen) und zitiert das Wort von Lloyd George: „We blundered into war, all of us“. Wenn man schon die Frage nach echter Verantwortung stelle, so müsse man sagen, daß sie für alle Staaten oder keinen gelte. Darin seien sich die meisten Historiker einig (Becker-Duncalf, ähnlich Wallbank-Taylor); erst die Politik Hitler-Deutschlands habe viele Historiker zu der alten Ansicht von Deutschlands alleiniger Verantwortung für den Ersten Weltkrieg zurückkehren lassen (Caldwell-Merrill). Der Krieg von 1914 mußte kommen (was bound to come: Bining-Shryock-Wolf); er war das logische Ergebnis (logical outcome) der allgemeinen Lage Europas, inherent in the prevailing Order of international anardty (Wallbank-Taylor). Diese allgemeine Lage sei gekennzeichnet gewesen durch wirtschaftliche Rivalität, übersteigerten Nationalismus, Imperialismus, Militarismus und die Aufsplitterung in zwei feindliche Systeme von Bündnissen, also durch Mangel an international co-operation. Die Frage nach den Ursachen des Ersten Weltkriegs wird in fast allen Darstellungen durch Hinweis auf jene vier oder fünf Punkte beantwortet (am klarsten bei Boak-Slosson-Anderson, Magenis-Appel, Platt-Drummond und Wallbank-Taylor). Nur an einer Stelle (bei Neff-Planer) wird noch einmal auf 1871 als eine der Ursachen von 1914 hingewiesen; auch der Streit um Grenzgebiete (boundary disputes) wird nur einmal als verursachend er-wähnt (bei Magenis-Appel). Für die Entstehung jener Europa zersplitternden Systeme von Bündnissen wird Bismarck verantwortlich gemacht (bei Rogers-Adams-Brown). Das Vorhandensein dieser Blöcke habe die politische Atmosphäre Europas vergiftet; denn die Alliierten glaubten, gegen die Autokratie eines aggressiven Deutschland zu kämpfen, während die Mittelmächte meinten, eine große Verschwörung (a great conspiracy) abzuwehren, die Deutschland habe zerschmettern (crush) wollen (Smith-Muzzey-Lloyd). Nur die Darstellung von Pahlow-Stearns spricht von eingekreisten und isolierten (encircled and isolated) Mittel-mächten. Für den Zusammenbruch des Systems europäischer Bündnisse macht ein cartoon bei Magenis-Appel einen Stoß oder Tritt (kick) Deutschlands verantwortlich.

Dies führt zur Frage nach den Anlässen des Ersten Weltkriegs. Bei der Beantwortung dieser Frage schneidet Deutschland meistens schlechter ab als bei der nach den Ursachen, und zwar sind es zwei belastende Punkte, auf die in diesem Zusammenhang immer wieder hingewiesen wird: die Österreich gegebene „Blankovollmacht" (siehe etwa Evans-Sankowsky), logische Konsequenz des schon 1890 von Wilhelm II. gefaßten Entschlusses, Österreich „volle Unterstützung“ zu geben (PlattDrummond), und der Bruch der Neutralität Belgiens, deren Garantie für Deutschland und seinen Kanzler nur ein „Fetzen Papier (scrap of paper) gewesen sei (Evans-Sankowsky, Smith-Muzzey-Lloyd). Rußland freilich wird vorgeworfen, daß seine Gesamtmobilmachung jede Hoffnung auf Frieden zerstört habe (Rogers-Adams-Brown).

Die Frage, weshalb Amerika in den Krieg eingegriffen hat, und zwar auf Seiten der Alliierten, wird selbstverständlich in allen Darstellungen Appel und bei Rogers-Adams-Brown). Die folgenden Gründe werden angeführt: 1) die Versenkung der „Lusitania“, 2) der uneingeschränkte U-Boot-Krieg, 3) die alliierte (Greuel) -Propaganda, 4) der Glaube, für die bedrohte Sache der Demokratie zu kämpfen, 5) wirtschaftliche und finanzielle Interessen, 6) deutsche Sabotage in den Staaten, 7) der deutsche Versuch, Mexiko in den Krieg zu ziehen. Die Versenkung der „Lusitania“ wird vielfach mit allen Einzelheiten (Verlustzahlen) dargestellt. Von der alliierten Propaganda wird gesagt, daß sie sehr viel geschickter gehandhabt worden sei als die deutsche (Caldwell-Merrill). Die Mexiko gemachten deutschen Eröffnungen werden am ausführlichsten, sogar mit dem vollen Wortlaut des Angebotes, behandelt in dem Buche von Habberton-Roth.

Der Vertrag von Versailles wird in allen Darstellungen sehr eingehend beschrieben und beurteilt. Nur das Buch von Smith-Muzzey-Lloyd stellt fest, daß die Ansichten über diesen Vertrag weit auseinander gingen. Alle anderen Darstellungen stimmen in seiner kritischen Ablehnung überein und entsprechen damit dem Verhalten des amerikanischen Senates, der diesen Vertrag ja bekanntlich verworfen hat. Sie werfen ihm vor, daß er nicht verhandelt (negotiated), sondern diktiert (dictated) worden sei (so Smith-Muzzey-Lloyd und Evans-Sankowsky), imposed (auferlegt) by superior force (Becker-Duncalf), daß seine Bedingungen harsh, drastic, bitter und vindictive (rachsüchtig) gewesen seien, vor allem aber — und darin sehen alle den eigentlichen Grund seines Übels und die letzte Ursache seiner bösen Auswirkungen —, daß er Wilsons Vierzehn Punkte nicht verwirklicht habe. Daß es Wilson nicht gelungen sei, seine Ideen „gewissen“ europäischen Staatsmännern nahezubringen (to seil), sei seine und der Welt Tragödie gewesen (Rogers-Adams-Brown). Zur tiefen Enttäuschung der Liberalen in der ganzen Welt (Evans-Sankowsky) seien die Vierzehn Punkte nicht beachtet und Wilsons Idealismus verraten worden. Daher seien alle anstehenden Fragen schlecht gelöst worden, vor allem die der Reparationen, der Minderheiten, der Kolonien und der Mandate (NeffPlaner). Als besonders törichte Bedingungen werden genannt der Artikel 231, der die Kriegsschuld auf Deutschland „festgenagelt“ (pinned)

habe, die Abtretung des Polnischen Korridors, ein unwise (törichtes)

arrairgement, awkward (mißlich) and inconvenient (unzweckmäßig)

(Rogers-Adams-Brown; Pahlow-Stearns: it was as if New England were cut off from the rest of the United States), und die Handhabung der Frage der Reparationen itttpossible dewands (Pahlow-Stearns: The Germans were forced at the point of the bayonet to sign a blank cheque on which their descendants (Nachkommen) might be required to make payments unto the third and fourth generation).

Nur drei Ergebnisse des Ersten Weltkriegs werden in manchen Darstellungen „vorteilhaft“ genannt: die Beseitigung „despotischer Autoritäten“, wodurch in neuen Teilen der Welt dewocracy a reality geworden sei (Bining-Shryock-Wolf, Evans-Sankowsky), die neuen Grenzziehungen in Europa, die on the whole (im großen und ganzen) den Volkstums-grenzen entsprochen und damit den Grundsatz des Selbstbestimmungsrechtes der Völker verwirklicht (Hayes-Moon-Wayland, Evans-Sankowsky), freilich auch den Geist des Nationalismus ermutigt hätten (Smith-Muzzey-Lloyd), und der Völkerbund, die Lieblingsidee Wilsons und des amerikanischen Denkens. Das Gesamturteil über diesen Frieden aber ist durchaus ungünstig: Haß, Furcht, Gier und das Verlangen nach Rache haben ihn bestimmt, manche seiner Bedingungen sind unfair, viele sind unjust (ungerecht) (Neff-Planer), weil — darauf laufen fast alle Darstellungen hinaus — Wilson in Paris überspielt worden sei, was einen „Verrat“ der Sache der Alliierten bedeutet habe. Daß Versailles „kein guter Friede“ war, erweisen seine Nachwirkungen: instead of paving the way for peace, it planted the seed of further conflicts (EvansSankowsky), wade another world war likely (wahrscheinlich) (Habberton-Roth), scheine alniost deliberately (fast absichtlich) Hitler den Weg gebahnt zu haben. Als schlimmster grundsätzlicher Fehler erscheint manchen Darstellungen die Halbheit und Inkonsequenz der Politik der Alliierten; sie schufen dadurch in Deutschland einen Stand der Dinge und einen Sinneszustand, der die verzweifelten und verbitterten (deceived, frustrated), aber auch ehrgeizigen (ambitious) Deutschen bereit (ready, even eager) machte, Hitler zu „akzeptieren“ (Pahlow-Stearns, ähnlich Rogers-Adams-Brown). Mit andern Worten: das Schlimmste waren die psychologischen Wirkungen dieses in Deutschland „äußerst unbeliebten“ (unpopulär) Vertrages. Die Folge wurde, daß die Alli-ierten, die den Krieg gewonnen hatten, den Frieden verloren (RogersAdams-Brown, Smith-Muzzey-Lloyd). „The world was not safe for dewocracy" (Caldwell-Merrill).

Die Geschichte der Weimarer Republik wird in fast allen Büchern, wie in manchen deutschen, dargestellt als eine Vorstufe des Dritten Reiches, als eine Episode, die mit Zwangsläufigkeit zu Hitler führen mußte. Der Aufstieg des Nationalsozialismus erscheint fast unabwendbar. LInter diesem Aspekt steht die Frage nach den Ursachen des Unterganges der Weimarer Republik ganz im Vordergründe. Ihre eigentlichen Anliegen und Leistungen kommen daher viel zu kurz. Die Beurteilung ihres politischen Wollens ist im allgemeinen günstig. So heißt es etwa bei Habberton-Roth, sie sei a fine example of dentocratic government, bei Neff-Planer, Deutschland habe damals ehrlich versucht, to make a republican form of government work. Nur Wallbank (Man’s Story) nennt sie „unfortschrittlich". Ihre politischen Führer werden honest genannt. Von Ebert heißt es einmal (bei Rogers-Adams-Brown), er sei too easygoing (gutmütig?) gewesen. Das Urteil über Hindenburg ist nicht einheitlich. Manche Darstellungen gestehen ihm zu, daß er die Republik „unterstützt" und keine Partei bevorzugt habe (Rogers-AdamsBrown; positiv urteilt auch Bining-Shryock-Wolf); für andere (etwa Platt-Drummond) ist er einfach ein „Junker“. Es könne trotzdem kein Zweifel bestehen, daß die Weimarer Republik auch nach 1925 zu europäischer Zusammenarbeit bereit gewesen sei (Pahlow-Stearns). Die Frage nach den Ursachen ihres Unterganges wird meistens beantwortet durch einen Hinweis auf die wirtschaftliche Entwicklung. Inflation und Depression erscheinen als die Hauptursachen. Es wird zugegeben, daß Deutschland damals „heftig“ (intensely) gelitten habe, und zwar teilweise infolge der amerikanischen Anleihen, die das Volk on a spending spree (zu leichtfertigem Schuldenmachen) geführt hätten (WallbankTaylor), letzten Endes aber infolge des Mangels an Rohstoffen. Deutschland sei eine „have-not“ nation (Rogers-Adams-Brown). Die falsche Wirtschaftspolitik aller an Weltwirtschaft und Welthandel beteiligten Staaten, ihr „Merkantilismus", habe die deutschen Schwierigkeiten noch vermehrt (ebd.), der Ausbruch und die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise der Weimarer Republik den Todesstoß versetzt (HabbertonRoth: it feil because of the world depression; ähnlich Magenis-Appel). Die Deutschen freilich schoben alle Schuld auf die harten (harsh) Bedingungen von Versailles (Rogers-Adams-Brown). — Manche Darstellungen stellen die unheilvolle Rolle der Freikorps (Smith-Muzzey-Lloyd: practically bands of outlaws) und der Reichswehr heraus (Rogers-AdamsBrown: The leaders of the republic let themselves be pushed around by the military men and the old-time ruling-class; Caldwell-Merrill: The German General Staff made its plans for the next war in secret). Über alle diese Dinge hinausgehend wird hier und da die Frage aufgeworfen ob man nicht von einem mangelhaften Beruf des deutschen Volkes zur Demokratie sprechen könne. Zuzugeben sei auf, alle Fälle, daß es seinen Führern an Erfahrung gefehlt habe, demokratisch-parlamentarische Einrichtungen zu handhaben (Wallbank-Taylor; ähnlich Rogers-Adams-Brown: lacking experience in politics). Das gleiche gelte vom deutschen Volke als ganzem: They adrieved a republic before they had been sufficiently trained to take care of it (Wallbank-Taylor). Aber auch die Alliierten treffe ein Teil der Verantwortung: sie alle, weil sie den undemokratischen Mächten (Italien, Deutschland, Japan, Rußland)

nach 1918 die Dynamik der Entwicklung überlassen hätten (PahlowStearns), Frankreich im besonderen durch seinen Rückfall (reverted) in das alte System des Militarismus und der politischen Bündnisse der Vorkriegszeit (Bining-Shryock-Wolf), aber auch durch seine Verhinderung der Zollunion (1931), die die demokratischen Regierungen in den beiden beteiligten Ländern hätte stärken können (Habberton-Roth).

Viele Urteile laufen darauf hinaus, daß die Weimarer Republik, auch seitens der Alliierten, niemals viele Chancen gehabt habe.

Die Schlußkapitel der amerikanischen Geschichtslehrbücher schildern in großer Breite den Zweiten Weltkrieg und seine Entstehungsgeschichte im Zusammenhang mit dem Dritten Reiche. Hitlers Persönlichkeit wird nur kurz umrissen. Die meisten Darstellungen nennen ihn einfach den Austrian adventurer (österreichischen Abenteurer). Bei Rogers-Adams-Brown heißt es von ihm: All his life, kate and insecurity ruled his tortured soul, und er wird efficient, evil, and weak (schwach!) genannt, ein fanatischer Soldat, den das Erlebnis von 1918 verbittert habe, weil er den Krieg mehr als den Frieden geliebt (enjoyed) habe. Ausführlicher ist von seinem Programm die Rede. Es wird zugegeben, daß es von großer Anziehungskraft gewesen sei (sounded very attractive: Habberton-Roth). Als der entscheidende und gefährlichste Punkt dieses Programms erscheint vielen die Lehre von der deutschen Herrenrasse (master race), die freilich keine neue Idee der deutschen Geschichte sei, sondern eine Vereinfachung und Übertreibung der Lehren deutscher Hochschullehrer (Caldwell-Merrill).

Fear, Success, Propaganda and Cruel Suppression

In liesem Zusammenhang werden wieder Hegel und Nietzsche und der unheilvolle Einfluß ihrer Philosophie genannt (Rogers-Adams-Brown, noch schärfer Neff-Planer). Selbst Richard Wagners Musik wird interpretiert als warlike and triumpkant im Sinne der Idee einer Herren-rasse (Rogers-Adams-Brown). Als typisch für die Philosophie der Herren-rasse werden angesehen Sätze wie: Moral Codes are wade for the stupid and inferior, We spit at freedoiu, We will kave no otker God but Germany alone (Platt-Drummond). Zum Unglück für die Welt habe sie Hitlers Buch „Mein Kampf“ nicht gekannt oder nicht ernst genug genommen (Caldwell-Merrill). Sehr ausführlich ist die Erörterung der Frage nach den Ursachen der Erfolge Hitlers vor und nach seiner Machtergreifung. Sie hängt zusammen mit der nach den Ursachen des Scheiterns der Weimarer Republik. Vielfach wird auch in diesem Zusammenhang wieder die Depression genannt. Hier liege eine Verantwortung der Alliierten, die das ruinierte Deutschland zur Zahlung von Reparationen zwangen und die Deutschen dadurch in Haß gegen die Weimarer Republik und in das Lager Hitlers trieben (Pahlow-Stearns). Auf die Rolle und Wirkung der Hitler-Propaganda wird hingewiesen. Sie gewann das Kleinbürgertum und die Jugend. Hitler habe es verstanden, den Deutschen eine Führung zu geben at a time when tkey most needed it, und sie mit Stolz auf ihr Deutschtum zu erfüllen. Seine äußere Politik sei most populär gewesen (so Habberton-Roth). Zur Propaganda freilich kam der Terror. Die Frage, ob und in welchem Umfang das deutsche Volk seinem „Führer“ freiwillig gefolgt sei, wird unterschiedlich beantwortet. Manche Darstellungen sprechen von einer Gewaltherrschaft, die Deutschland aufgezwungen worden sei (so Evans-Sankowsky und Neff-Planer). Der Widerstand von einzelnen Gruppen, etwa der Kirchen, wird erwähnt (Habberton-Roth), doch nur ganz am Rande. Das gilt auch noch für den Zwanzigsten Juli (Habberton-Roth: a group of high army officers). Die meisten Darstellungen vertreten die Auffassung, daß die Mehrheit des deutschen Volkes Hitlers Herrschaft gestützt habe, obediently and willingly, trotz aller Opfer und Entbehrungen schon vor dem Kriege und erst recht (even more faithfully) während des Krieges (Caldwell-Merrill). Diese Überzeugung führt immer wieder zu der Frage, wodurch der Nationalsozialismus in Deutschland möglich geworden sei. Am ausführlichsten wird diese Frage in dem Buch von Rogers-Adams-Brown beantwortet. Eine Reihe von Punkten wird angeführt: 1) The Germans did not feel the civilizing power of Rome; 2) die kleinen deutschen Staaten hatten gute Gründe, ihre starken Nachbarn zu fürchten; die Vorstellung der Einkreisung war nicht ganz unbegründet (there was enough truth in it); 3) das seit Friedrich dem Großen bis zur Idee des Herrenvolkes gesteigerte Nationalgefühl; 4) die Über-zeugung, daß erfolgreiche Kriege ein Volk mächtig und berühmt machen; 5) die Allmacht des Staates, die in den vielen Verbots-Schildern Deutschlands sichtbar werde. Sehr knapp beantwortet das Buch von Magenis-Appel die Frage, wie die Herrschaft Hitlers über Deutschland zu erklären sei, durch die Stichworte fear, success, Propaganda und cruel Suppression.

Die ganze Geschichte des Dritten Reiches (a compound of numerous ingredients many of which had been in existence in Germany for centuries: Wallbank-Taylor) wird gesehen und dargestellt als Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs: der spanische Bürgerkrieg war der Probefall (testing ground) der Nazis (Habberton-Roth), die Beseitigung der Tschechoslowakei nur eine erste Etappe der von Hitler erneuerten deutschen Politik eines „Dranges nach dem Osten“ (drive to the east: Becker-Duncalf). Fast alle Darstellungen nehmen die Frage nach der Verursachung und damit Verantwortung des Zweiten Weltkriegs sehr ernst. Nur wenige begnügen sich mit der summarischen Feststellung, der Zweite Weltkrieg sei lediglich die Fortsetzung des Ersten gewesen (Smith-Muzzey-Lloyd), beide seien parts of the same story. Viele führen den Zweiten Weltkrieg auf die Fehler, die in Versailles und in den Friedensjahren nach Versailles gemacht worden sind, zurück. Gewiß wird vielfach der Aufstieg eines aggressiven Deutschland und letzten Endes Hitler ganz persönlich für den Zweiten Weltkrieg verantwortlich gemacht. Aber auch die Verantwortung der Alliierten wird unterstrichen: sie haben durch harte Bedingungen dem 1918 besiegten Deutschland seine wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zerstört, sie haben dann versäumt, dem demokratischen Deutschland Konzessionen zu machen, sie haben durch die Politik des appeasement den Krieg ermöglicht, ja herbeigeführt, sie haben zwar den Frieden gewollt, aber ohne die Anwendung von Macht zu wollen (Becker-Duncalf), und haben gerade dadurch den Krieg unvermeidlich gemacht (Habberton-Roth: by refusing to take action which might involve them in war, the great democratic powers made war inevitable). Amerika trage seine besondere Verantwortung durch seine Politik des isolationism. England und Frankreich haben ihre Rüstung vernachlässigt, dieses in Hinblick auf die Maginot-Linie. In der Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs spielt eine besondere Rolle der Verrat an der Tschechoslowakei; „München“ erscheint geradezu als Synonym für „Verrat“. Doch meint das Buch von Habberton-Roth, daß schwer zu sehen sei, wie die Demokratien 1938 die Tschechoslowakei hätten retten können. Es wird angedeutet, daß Besorgnis und Mißtrauen gegenüber Rußland ihre Haltung beeinflußt habe. Andere Darstellungen sehen mehr die basic causes in den allgemeinen Bedingungen der politischen Lage Europas und der Welt: dem nationalism, dem imperialism, der international anarchy (so Platt-Drummond), d. h.dem Wettrüsten und den Bündnissen. In zwei Gruppen standen sich die Mächte gegenüber, „haves“ und „have-nots“, jene erfüllt von Gier, diese von Furcht; „put wants and fears together and you have the practical reasons for war“ (Rogers-Adams-Brown, ähnlich Neff-Planer). Aus solchen Bedingungen und Verhältnissen mußte ein Krieg kommen (was bound to come: Neff-Planer). Für seine „Entfesselung“ freilich wird einheitlich und eindeutig Hitler verantwortlich gemacht.

Alle Darstellungen schildern den Verlauf des Krieges und die Rolle Amerikas in diesem Kriege mit größter Ausführlichkeit. Für die Fragestellung dieser Arbeit sind nur ein paar Einzelheiten noch von Interesse. Vom deutsch-russischen Pakt des Jahres 1939 sagt das Buch von Habberton-Roth, daß die Russen „ohne Zweifel“ (doubtless) gehofft hätten, Zeit zu gewinnen, während sich die Westmächte und das Reich gegenseitig erschöpften. Das Buch von Neff-Planer stellt fest, daß Ruß-land „trotz allem" (in spite of all) Mitglied des Internationalen Gerichtshofes gewesen sei, der Deutschland aggressiver Handlungen (acts of aggression) angeklagt habe. In Norwegen habe Deutschland Stärke und Geschick (strength and ability) gezeigt, während die Alliierten nur Schwäche (weakness) demonstriert hätten (Habberton-Roth). Der Zusammenbruch Frankreichs nach dem phony war des Winters 1939/40 führt die Darstellung von Habberton-Roth zurück auf das Versagen des nur im Stellungskriege (trench warfare) geschulten französischen Soldaten und auf die Tätigkeit von Verrätern in hohen Stellungen (traitors in high places). Das „Wunder von Dünkirchen“ erscheint als ein moralischer Sieg (ebd.). — Die Darstellungen des weiteren Verlaufes und des Endes des Krieges entsprechen dem derzeitigen Stande der internationalen zeitgeschichtlichen Forschung. Viele Bücher schließen mit der Mahnung, diesmal nach gewonnenem Kriege auch den Frieden zu gewinnen, mehr oder weniger pessimistisch. Hinsichtlich Deutschlands, the must prominent sore (wund) spot in the world, schließt das Buch von Rogers-Adams-Brown mit einer bangen Frage und einer Aufforderung an die amerikanische Jugend: Wieder sind die Deutschen geschlagen und verbittert. Will they go communist? The fate of the world may depend on the road the Germans tahe. There can be no lasting peace nntil Germany is prosperoas and contented . . . Somehow you and your generation must help the Germans use their great gifts to build a peaceful world instead of involving us all in more terrible wars.

Die vorliegende Arbeit wollte zeigen, wie sich das Bild der deutschen Geschichte in den amerikanischen Geschichtslehrbüchern spiegelt, und zugleich deutlich machen, daß sich die „Verzeichnungen“ und „Verzerrungen“ dieses „schaffenden Spiegel“ in hohem Maße auf Voraussetzungen und Vorbedingungen des amerikanischen Geschichtsdenkens zurückführen lassen. Gewiß mag hier und da, vor allem in der Darstellung der neuesten und Zeitgeschichte, ein antideutsches Ressentiment eine Rolle gespielt haben — nicht unverständlich bei einem Volke, daß in einer Generation zweimal mit Deutschland im Kriege gestanden hat, nicht unverständlich auch aus der Stimmung der ersten Jahre nach dem letzten Kriege, in denen die meisten der herangezogenen Bücher geschrieben sind. Gewiß gibt es Unterschiede im Tenor und Urteil dieser Bücher. Dennoch vird man ihnen im ganzen den Willen zur Fairneß, zum sachlichen Verstehen und Urteilen, also zur Objektivität nicht absprechen können. Der Verfasser weiß aus eigener Erfahrung, daß dieser Wille zur Objektivität auch im Geschichtsunterricht der amerikanischen Schulen vorhanden ist. Als Beispiel dafür möge die aus dem Geschichtsunterricht erwachsene Geschichtsarbeit des Sophomore einer privaten High School abgedruckt werden, deren Thema der Ausbruch des ersten Weltkriegs war.

1. Frage: Warum wurde Erzherzog Ferdinand ermordet?

Erzherzog Ferdinand wurde ermordet durch einen Anschlag (plot) der panserbischen Bewegung, die ein Ableger (outgrowth) der panslawischen Bewegung war, weil die Serben wütend (angry) waren über die Annexion von Bosnien und einen Krieg mit Österreich entfachen (stir up)

wollten, in dem Rußland den Serben helfen würde, von Österreich Gebiet zu erwerben. Die panserbische Bewegung hoffte auch, daß Ferdinands Ermordung einen Aufstand (revolt) unter den Slawen in Österreich entfachen würde.

2. Frage: Warum hat Deutschland Österreich nicht allein gegen Ruß-land vorgehen lassen?

Wenn Deutschland Österreich allein gegen Rußland hätte kämpfen lassen, wäre Österreich durch die vereinigte serbisch-russische Macht zerschmettert (crushed) worden, und Deutschland wäre in Europa ohne einen Bundesgenossen gewesen. Außerdem wären Rußlands Armeen nach einem Kriege mit Österreich mobilisiert und bereit gewesen, einen heimtückischen (sneak) Angriff auf Deutschland zu führen. Deutschland mußte Österreich diplomatisch unterstützen, denn sonst hätte Österreich ihm nie wieder vertraut (trusted), und Deutschland wäre ohne einen Bundesgenossen in Europa gewesen. Deutschland hoffte, daß seine Kriegsdrohung Rußland wieder abschrecken (bluff out) würde wie in der Marokko-Krise.

3. Frage: Warum ist England in den Krieg eingetreten?

England hatte in einem geheimen Abkommen Frankreich für den Fall eines Krieges mit Deutschland seine Hilfe versprochen. Aber die englischen Führer wußten nicht, ob die Nation hinter ihnen stehen würde. wenn sie den Krieg erklärten. Als aber Deutschland durch das neutrale Belgien marschierte, gab das den englischen Führern einen Vorwand (excuse) zur Kriegserklärung. Auch wollte England das siegreiche deutsche Heer in Belgien nicht so nahe der englischen Küste haben; und wenn Deutschland durch Belgien in Frankreich eindringen sollte, würde es dem englischen Gebiet noch näher sein.

4. Frage: Warum hat Italien an der Seite der Alliierten statt der Mittelmächte gekämpft?

Italien hatte eine Defensivallianz mit Deutschland und einen Geheimvertrag mit Frankreich abgeschlossen. Als der Krieg ausbrach, konnte Italien daher auf jeder (either) Seite kämpfen. Und da die Alliierten Italien für den Fall eines Sieges mehr versprachen und es 1915 so aussah, als ob der Endsieg (ultimate victory) den Alliierten zufallen würde, schloß sich Italien den Alliierten an. Italien löste seine Defensivallianz mit Deutschland mit der Erklärung, Deutschland sei der Angreifer gewesen und Italien daher nicht verpflichtet, Deutschland zu Hilfe zu kommen. Aber auch Deutschland war in den Krieg gezogen (dragged)

worden, hatte freilich zufällig (happened) zuerst den Krieg erklärt.

5. Frage: Warum hat Deutschland an Frankreich den Krieg erklärt?

Deutschland war davon überzeugt (sure), daß Frankreich nur auf Rußlands Eingreifen im Osten wartete, bevor es an Deutschland den Krieg erklärte. Deshalb entschloß sich Deutschland, zuerst zuzuschlagen (strike), statt Frankreich auf seine Weise (their way) den Krieg führen zu lassen. Deutschlands Hauptvorteile lagen in schneller Mobilmachung und in schneller Verlegung seiner Truppen von Front zu Front. Hätte es mit dem Angriff auf Frankreich gewartet, so wäre der Vorteil der (schnellen) Mobilmachung verloren gegangen, und der Vorteil der schnellen Verlegung (seiner Truppen) wäre sehr vermindert worden mit dem Beginn des Stellungskrieges (trench warfare). Da Deutschland nicht wußte, daß England mit Frankreich verbündet war, versuchte es, Frankreich zu schlagen (conquer) und die Westfront loszuwerden (rid) vor dem Krieg mit Rußland an der Ostfront. — Eine letzte Frage mag am Schluß dieser Untersuchung berührt werden.

Die Erkenntnis, das alles geisteswissenschaftliche Verstehen gebunden ist an atheoretische Voraussetzungen und Vorentscheidungen, ist nicht neu. In den Geisteswissenschaften gibt es kein „objektives“ Wissen im Sinne der Naturwissenschaften. Daß ihre Wissenschaftlichkeit dadurch nicht in Frage gestellt oder gar aufgehoben wird, hat Spranger schon 1929 in einer berühmten Akademierede („Der Sinn der Voraussetzungslosigkeit in den Geisteswissenschaften“) nachgewiesen. Ihre Wissenschaftlichkeit liegt darin, daß sie im Willen zur Objektivität der Idee der Wahrheit verpflichtet bleiben und ihre Voraussetzungen und Vorentscheidungen (weltanschaulicher Art) kennen, anerkennen, in Rechnung stellen und bereit sind zu diskutieren und notfalls zu revidieren. Die vorliegende Arbeit ist eine Anwendung dieser Erkenntnisse auf ein begrenztes Sachgebiet: die Darstellung der deutschen Geschichte in amerikanischen Geschichtslehrbüchern. Ihre Ergebnisse dürfen nunmehr so formuliert werden: Der Wille zur Objektivität, die „Wahrheitsgesinnung“, ist den Verfassern jener Bücher nicht abzusprechen.

Wo ihre Aussagen von unseren abweichen, fußen sie auf einem von dem unsrigen verschiedenen „Bezugssystem“, dem amerikanischen Geschichtsdenken. Dieses „Bezugssystem“ wenigstens in seinen Grundzügen und Umrissen und seine Auswirkungen auf die Formung des Bildes de, deutschen Geschichte deutlich zu machen, war das Hauptanliegen dieser Arbeit. Mit der Sichtbarmachung und Anerkennung der Besonderheit und Berechtigung dieses „Bezugssystems“ ist nun in der Tat eine Grenze der Bemühungen um eine Revision der text-books erreicht. Wenn „Fehler“ und „Verzeichnungen" mehr sind als Versehen und Irrtümer oder gar böswillige Entstellungen, wenn sie Konsequenzen jener Voraussetzungen und Vorentscheidungen sind, kann ihre Beseitigung nicht in Frage kommen, weil sie nicht möglich ist. Ist dies eine absolute, unübersteigbare Grenze? Offensichtlich nicht. Ihre Aufhebbarkeit liegt gerade in der Anerkennung der Relativität jenes wie jedes „Bezugssystems". Nicht als ob es damit selbst aufgehoben werden sollte. Die Absicht der text-book Revision war und ist gerade nicht, die an diesen Bemühungen Beteiligten weltanschaulich „gleichzuschalten". Aber in der Herausstellung und im Vergleich jener wissenschaftlichen „Bezugssysteme“ wird es möglich sein, ihre Lage zueinander zu bestimmen und vielleicht sogar den Punkt anzugeben, wo ihr Auseinander-gehen stattgefunden hat und stattfinden mußte (Spranger). Mehr wird nicht möglich, mehr aber auch nicht nötig sein. Denn die Besonderheit der geistigen Welt, zu der wir uns bekennen, liegt in der Anerkennung der Tatsache, daß mehrere „Bezugssysteme" möglich sind, die sich gegenseitig achten.

Anmerkung:

Robert Multhoff, Dr. phil., geb. 1. 1. 1905. Oberstudienrat am Wilhelm-Gymnasium, Braunschweig; Lektor für Englisch an der TH Braunschweig. 1954— 55 als Austauschlehrer in St. Louis/USA.

Literaturhinweis Der vorliegenden Untersuchung liegen die nachstehend angeführten amerikanischen Schulgeschichtswerke zugrunde, für deren Benutzung der Verfasser dem Internationalen Schulbuchinstitut in Braunschweig verpflichtet ist. Außer diesen text-books sind benutzt worden die Internationalen Jahr-bücher für Geschichtsunterricht (Braunschweig 1952 ff.) sowie Cartwright-Bining, The Teaching of History in the United States (1950) und West, Improving the Teaching of World History (The National Council for the Social Studies, 1949) (gleichfalls im Internationalen Schulbuchinstitut). Becker-Duncalf, Story of Civilization (1946).

Bining-Shryock-Wolf, This Our World (1953). Boak-Slosson-Anderson, World History (1947).

Caldwell-Merrill, World History (1952).

Capen, Across the Ages. The Story of Man’s Progress (1950). Cordier-Robert, History of World Peoples (1949).

Evans-Sankowsky, Graphic World History (1952).

Habberton-Roth, Man's Achievements through the Ages (1954). Hayes-Moon-Wayland, World History (1954).

Lane-Goldman-Hunt, The World’s History (1950).

Magenis-Appel, A History of the World (1955).

Neff-Planer, World History for a Better World (1954).

Pahlow-Stearns, Man’s Great Adventure (1949).

Platt-Drummond, Our World through the Ages (1955). Roehm-Buske-Webster, The Record of Mankind (1954). Rogers-Adams-Brown, Story of Nations (1954). Smith-Muzzey-Lloyd, World History. The Struggle for Civilization (1952). Wallbank, Man's Story (1951).

Wallbank-Taylor, Civilization past and present. 2 Bde. (1954, 1955).

Aus dem Inhalt unserer nächsten Beilagen:

* * * „Die Parteitage der KPdSU“

#* ♦ „Polnisches ABC“

Reinhold Niebuhr: „Die Ironie der amerikanischen Geschichte“

Horst E. Wittig:

„Die Marxsche Bildungskonzeption und die zweite Polytechnisierung der Sowjetschule seit dem XX. Parteitag der KPdSU“

Fussnoten

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