In dieser Nummer der Beilage bringen wir Fortsetzung und Schluß der Betrachtung des russisch-chinesischen Verhältnisses aus der Perspektive eines chinesischen Gelehrten.
IV. Revolution in China
1. Bündnis und Entfremdung seit Weltkriegsende
Im Frühjahr 1945 sah sich China drei Hauptproblemen gegenübergestellt: Dadurch, daß Japan sich von der Mandschurei nach Indochina eine Überland-Verbindungslinie geschaffen hatte, die China in zwei Hälften teilte, wurde China bei der Durchführung des Krieges in eine besorgniserregende Lage versetzt. In der Zwischenzeit setzten die chinesischen Kommunisten ihre politische Infiltration und territoriale Expansion fort und stellten damit eine weitere Bedrohung für die Regierung dar, indem sie die Lage im Inneren verschärften. Auch in den umliegenden Provinzen von Sinkiang gab es Schwierigkeiten. In den letzten Tagen des Monats Januar kam es in der Provinz gelegentlich zu kleineren Kämpfen zwischen chinesischen Truppen und Kosaken, die sich schließlich zu einem Bürgerkrieg größten Ausmaßes entwickelten.
Da alle drei Hauptprobleme, denen sich China im Frühjahr 194 5 gegenübergestellt sah, in der einen oder anderen Weise in ursächlichem Zusammenhang mit der sowjetischen Politik standen, wuchs in China der Wunsch nach besseren Beziehungen mit Sowjetrußland. Als der damalige chinesische Premier-und Außenminister, Dr. T. V. Song, Ende Juni nach Moskau reiste, erhielt er von Präsident Truman eine Note, die sich auf die Bedingungen des Geheimabkommens von Yalta hinsichtlich der Mandschurei bezogen
Diese Verhandlungen wurden wegen der Konferenz von Potsdam am 17. Juli unterbrochen. Dr. Song kehrte nach Tschungking zurück. Während seines dortigen Aufenthaltes trat er zugunsten Dr. Wang Schih tschieh von seinem Amt als Außenminister zurück. Dr. Song berichtete, daß die Sowjetregierung Ansprüche erhoben habe, die über das Yalta-Abkommen hinausgingen
Anfang August reisten Dr. Song und der neue Außenminister Dr. Wang zusammen mit einer Reihe von Beratern und Fachleuten nach Moskau, um ihre Gespräche fortzusetzen. Japans Kapitulation schien immer noch weit entfernt und Japans Bemühungen um den Frieden waren nur der Sowjetregierung allein bekannt. Wie erinnerlich, hatte die japanische Regierung am 10. August formell erklärt, daß sie „vor einigen Wochen“ die Sowjetregierung dringend um Unterstützung zur Wiederherstellung des Friedens mit den Feinden Japans gebeten habe
Die beiden Hauptverträge der beiden vertragschließenden Partner sahen die Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe im Kriege gegen Japan bis zum Endsieg vor; sie enthielten das gegenseitige Versprechen, diese Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe auch nach der Niederringung Japans fortzusetzen, um eine japanische Aggression unmöglich zu machen. Außerdem verpflichteten sich die vertragschließenden Partner, die Souveränität und territoriale Einheit des anderen zu respektieren, sich nicht in die inneren Angelegenheiten des anderen einzumischen und keinerlei Bündnisse einzugehen, die sich direkt gegen einen der Partner richten würden.
Eine von Molotow unterzeichnete Note enthielt die Feststellung, daß Rußland die volle Souveränität Chinas über die drei Ostprovinzen der Mandschurei anerkenne und die territoriale und administrative Einheit dieser Provinzen respektiere. Weiter hieß es in der Note, daß das Versprechen Rußlands, sich nicht in die inneren Angelegenheiten Chinas einzumischen, sich auf die Provinz Sinkiang beziehe und daß jede mora-lische und materielle Hilfe der Sowjets an die Nationalregierung, als die Zentralregierung Chinas, gegeben würde. Den Verträgen war als Anhang eine Erklärung Generalissimus Stalins beigefügt, in der es hieß, daß drei Wochen nach der Kapitulation Japans sowjetische Truppen mit dem Rückzug aus der Mandschurei beginnen und ihn spätestens innerhalb von drei Monaten beendet haben würden. Der chinesische Außenminister Wang Schi-tschih erklärte, daß China die Unabhängigkeit der Äußeren Mongolei anerkennen würde, sofern eine Volksbefragung den Wunsch des Volkes nach Unabhängigkeit bestätigen sollte. In seiner Antwort stellte Molotow fest, daß Rußland „die politische Llnabhätigig-
keit und territoriale Einheit der Volksregierung der Äußeren Mongolei“
respektieren würde.
Die ostchinesische Eisenbahn und die südmandschurische Eisenbahn, die von jetzt an die Bezeichnung „Chinesische-Changchun-Eisenbahn"
erhielt, sollte als ein „rein kommerzielles Verkehrsunternehmen geführt werden, in dessen Gewinn sich Rußland und China zu teilen hätten“.
Generaldirektor sollte ein Russe sein, während sich das Direktorium aus Chinesen zusammensetzen sollte. „Die Eisenbahn soll nicht für die Verlegung von Sowjettruppen benutzt werden. Eine Ausnahme hiervon bilden gemeinsame Militäroperationen der beiden Länder gegen Japan“.
Rußland wurde das Recht zuerkannt, militärische Güter in versiegelten Waggons ohne Zollinspektion mit der Eisenbahn zu befördern, doch die Bewachung dieser Güter sollte von der chinesischen Bahnpolizei übernommen werden.
Port Arthur sollte zum Marinestützpunkt für die „gemeinsame Benutzung“
chinesischer und russischer Marine-Einheiten ernannt werden.
Innerhalb der Hafenanlagen sollte eine für Rußland bestimmte Zone freigemacht werden mit dem Recht, dort Armee, Luft-, und Seestreitkräfte zu stationieren. „Die Zivilverwaltung in dem entspredtenden Gebiet obliegt China . .
Dairen sollte zum offenen Hafen für den internationalen Handel und die Schiffahrt erklärt werden. Die Hälfte der Hafenanlagen und Einrichtungen sollten gebührenfrei an Rußland verpachtet werden. „Dairen wird von China verwaltet. Der Hafen-Direktor soll unter russisdten Bürgern, der Stellvertreter unter diinesischen Bürgern ausgewählt wer den.“ Während des Krieges mit Japan soll der Kommandierende General der sowjetischen Streitkräfte den Oberbefehl und die Verantwortung über alle Angelegenheiten, die sich auf den Krieg und die Kriegszonen in der Mandschurei beziehen, übernehmen. „Sobald ein Teil des wiederhergestellten Gebiets aufhört Kriegszone zu sein, erhält die National-regierung der chinesisdien Republik volle Autorität in allen Zivilfragen“.
Zahlreiche Kämpfe hätten vermieden werden können, wenn die sowjetische Kriegserklärung an Japan nicht zu dem Zeitpunkt erfolgt wäre, an dem die japanische Regierung bereits in unmißverständlicher Sprache ihre bevorstehende Kapitulation angezeigt hatte. Doch mit dem vollen Vertrauen, den Sieg bereits in der Tasche zu haben, begannen sowjetische Land-und Luftstreitkräfte eine Offensive, als wenn es gelte, einen Angriff gegen eine kampfstarke Armee japanischer Fanatiker zu führen, die sich geschworen hatten, bis zum Tode zu kämpfen. Sowjetische Streitkräfte marschierten in die Mandschurei ein, sie besetzten strategische Punkte. Sowjetische Flugzeuge bombardierten Changchun, die Hauptstadt der Mandschurei, Harbin, und Kirin und japanische militärische Ziele
Entsprechend dem chinesisch-sowjetischen Bündnis-und Freundschaftsvertrag wurden bald darauf Vorbereitungen für eine Volksbefragung in der Mandschurei über die Frage der Unabhängigkeit getroffen.
Berichten zufolge befanden sich hinter der Kulisse der Volksbefragung eine Anzahl sowjetischer Agenten. Jeder Wähler, war aufgefordert worden, einen Wahlzettel zu unterschreiben, hinter den etwa 500 000 abgegebenen Wahlzetteln befand sich keine ablehnende Stimme
Am 5. Februar 1946 erklärte Tschiang Kai-schek ausländischen Korrespondenten in Tschungking, daß offizielle Gespräche mit den sowjetischen Behörden über wirtschaftliche Konzessionen an Rußland geführt würden, die über jene hinausgingen, die in dem chinesisch-sowjetischen Vertrag von 1945 festgelegt worden seien. Am 9. Februar sandte der amerikanische Außenminister, James Byrnes, gleichlautende Noten an China und Rußland, in der die Position der Vereinigten Staaten hinsichtlich dieser Angelegenheit erläutert wurde. „Diese Regierung ist der An- sicht, daß die endgültigen Dispositionen über japanische Auslandsver-mögen, wie die Industrien in der Mandschurei, eine Angelegenheit gemeinsamer Belange und Interessen sind und alle diejenigen Alliierten betrifft, die die Hauptlast bei der Niederringung Japans getragen haben ... erscheint uns daher zu diesem kritischen Zeitpunkt höd'ist ungelegen, irgendeine endgültige Verfügung über das jepanische Auslandsvermögen in der Mandschurei zu treffen, sei es die Beseitigung soldter industrieller Vermögenswerte wie . Beutegut'aus der Mandschurei, oder sei es ein Übereinkommen zwischen der russischen und chinesisdten Regierung bezüg-lidt der Kontrolle oder des Eigentums dieser Vermögenswerte.“
Die chinesische Antwort auf die amerikanische Note ließ erkennen, daß die Sowjetregierung in einem Memorandum vom 21. Januar 1946 erklärt hatte, alle japanischen Unternehmen in der Mandschurei, die die japanische Armee beliefert hatten, würden als Kriegsbeute der Sowjetstreitkräfte betrachtet. Die chinesische Regierung wies den sowjetischen Anspruch mit dem Hinweis zurück, daß die russische Auslegung des Begriffs „Beutegut" nicht mit der allgemeinen Definition dieses Begriffs durch das internationale Recht in Einklang zu bringen sei. Die britische Regierung übersandte dem Kreml eine Note, in der sie gegen die Beseitigung industriellen Eigentums in der Mandschurei durch die Russen protestierte. Die Note besagte, daß „die Verfügung über japanisdte Vermögen eine Angelegenheit sei, die zwischen den Alliierten diskutiert und beigelegt werden müsse, die einen Anspruch auf japanische Reparationsleistungen haben“; und daß „ein Staat, in dessen Territorium sich diese Vermögenswerte befinden, solche Vermögen treuhänderisch zu verwalten habe
Pauley, der amerikanische Delegierte bei der japanischen Reparationskommission, verfaßt hatte und zwar als Leiter einer Mission, die mit der Begutachtung der industriellen Lage in der Mandschurei beauftragt war, nahm die Plünderung später weit größere Formen an. Während der russischen Besetzung erlitt die Mandschurei „unsagbare Verluste . Dem Bericht zufolge sind nach vorsichtigen Schätzungen Schäden in einem Um-fang von etwa 2 Milliarden amerikanischer Dollar entstanden. Der Bericht enthüllte auch, daß die sowjetischen Besatzungsbehörden Aktien im Werte von 3 Millionen amerikanischer Dollar und mehr als 500 Millionen mandschurischen Yen von mandschurischen Banken konfisziert hatten
Sowjetrußland hatte im Kriege gegen Nazi-Deutschland enorme Opfer gebracht und hohe Verluste erlitten. Aus diesem Grunde mag man geneigt sein, die anmaßenden Demontagen und die Fortschaffung industriellen Eigentums aus Deutschland zu entschuldigen. Im Fernen Osten jedoch hatte Rußland nur einige Tage gegen Japan gekämpft. Auf der anderen Seite hatte China acht Jahre lang gegen Japan gekämpft und dabei ungeheure Verluste erlitten. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache hätten die industriellen Güter rechtmäßig in der Mandschurei verbleiben müssen. Ihre Demontage und Fortschaffung durch die Sowjets entbehrt jeder Rechtsgrundlage, denn die sowjetische Haltung ist auch vom Standpunkt des internationalen Rechts aus wenig vertretbar.
Das sowjetische Argument stützte sich offensichtlich auf die These, daß die geraubten Güter japanisches Volksvermögen seien und Rußland daher nach Artikel 53 der Haager Landkriegsordnung berechtigt sei.
sich diese Güter anzueignen. Dieses Argument ist jedoch haltlos, weil die Mandschurei nicht von Russen besetztes Feindgebiet, sondern chinesisches Hoheitsgebiet war. Nach der Erklärung von Kairo (1943) und der Erklärung von Potsdam (1945), die beide von der Sowjetregierung akzeptiert worden waren, sollte die Mandschurei an China zurückgegeben werden und das gesamte japanische Volksvermögen in der Mandschurei an China übergehen.
Da der Tag des Sieges über Japan auf den 2. September fiel, hätten die sowjetischen Streitkräfte die Mandschurei bis zum 8. Dezember geräumt haben müssen. Doch die sowjetischen Behörden erhoben jetzt übertriebene Forderungen hinsichtlich der gemeinsamen chinesisch-sowjetischen Kontrolle und der Erschließung von Mineralquellen in der Mandschurei
Am 22. März traf die Antwort der Sowjetregierung ein, in der sie versprach, daß die sowjetischen Truppen „bis spätestens“ Ende April aus der Mandschurei abgezogen würden
Die rassische Hilfe an die chinesischen Kommunisten während des Bürgerkrieges war eine äußerst umstrittene Angelegenheit, die sich hauptsächlich auf die Art und die Ausmaße der Hilfeleistung bezog. Auf dem Höhepunkt kommunistischer militärischer Erfolge bemerkte Mao-Tse-tung am 30. Juni 1949, daß der kommunistische Sieg in China ohne die Hilfe der Sowjetunion und anderer Volksdemokratien nicht möglich gewesen wäre
Rußlands Eintritt in den Krieg gegen Japan entzündete neue Begeisterung bei den chinesischen Kommunisten und beeinflußte sie, die Situation auszunutzen. Am 10. August erließ General Tschu Teh, Oberkommandierender der kommunistischen Streitkräfte, einen Befehl an seine Truppen, die japanische Kapitulation anzunehmen und alle Dörfer, Städte und Verbindungszentren zu besetzen. Einen Tag später erließ er den Befehl an vier Armee-Gruppen, die sich auf die Mandschurei zu vorwärts bewegten
Die sowjetischen Behörden jedoch erhoben keinen Einwand gegen den Einmarsch kommunistischer chinesischer Streitkräfte in die Mandschurei.
Am 2. Oktober 194 5 berichteten alliierte Militärs vor der Presse in China, daß die chinesischen Kommunisten gewaltsam in die Mandschurei einmarschiert seien und mit den sowjetischen Streitkräften zusammenarbeiteten
Ein Sprecher der Kommunisten gab zu, daß die kommunistischen Truppen Waffen der Japaner sichergestellt hätten
Die Krise brach aus, als die Regierung daranging, die Mandschurei zu besetzen und sie wieder unter chinesische Souveränität zu bringen, wie es in der Deklaration von Kairo und im chinesisch-sowjetischen Vertrag zum Ausdruck kam. Nur nach heftigen Kämpfen gelang den Regierungsstreitkräften der Durchbruch und Einmarsch in die Manschurei
Es dürfte als erwiesen gelten, daß Sowjetrußland den chinesischen Kommunisten bei ihrem gewaltsamen Einmarsch in die Mandschurei und bei der Besetzung verschiedener strategischer Punkte und Gebiete geholfen hat, indem es die Kommunisten mit japanischen Waffen und Munition ausrüstete, Pläne ihrer Gegner, der nationalchinesischen Streitkräfte, verzögerte oder ihren Lauf behinderte, die Bildung örtlicher, den Kommunisten ergebener Regierungen förderte und ihnen schließlich zu einem äußerst günstigen Zeitpunkt erlaubte, von den sowjetischen Streitkräften geräumte Städte zu besetzen.
Kurz vorher war mit Rußland vereinbart worden, daß Dairen unter chinesische Verwaltung gestellt und zum Freihafen für die internationale Schiffahrt erklärt werden sollte und daß Port Arthur zum Marinestützpunkt für die „gemeinsame Nutzung“ Chinas und Rußlands ausgebaut und der chinesischen Zivilverwaltung unterstellt werden sollten. Die sowjetische Regierung weigerte sich jedoch beharrlich, die Häfen von chinesischen Truppen besetzen zu lassen oder sie der chinesischen Verwaltung zu unterstellen. Sowjetische Truppen blieben dort selbst nachdem andere Gebiete der Mandschurei durch die Sowjets bereits geräumt worden waren. Chinesisch-sowjetische Verhandlungen über den Wechsel in Dairen wurden ausgenommen. Durch Meinungsverschiedenheiten wurden sie jedoch wesentlich erschwert. Der Vorwand der Sowjets für die Sperrung der nationalen Truppen von Port Arthur lautete, daß die Verteidigung dieses Stützpunktes der Sowjetregierung durch den Chine sisch-Sowjetischen Vertrag von 1945 anvertraut worden sei. In einer TASS-Erklärung über Radio Moskau hieß es: „TASS ist ermächtigt worden, festzustellen, daß Dairen in Übereinstimmung mit Artikel /V des sowjet-dtinesisclten Übereinkommens über Dairen vor einem Friedensvertrag mit Japan unter die Regierung des Regimes fällt, das sidr in dem Gebiet des Marinestützpunktes Port Arthur eingerichtet hat.“
Der chinesische Außenminister behauptet, daß Artikel IV des Abkommens sich nur „auf Kriegszeiten mit Japan“ bezöge, von „vor dem Abschluß eines Friedensvertrages mit Japan“ jedoch keine Rede sei
Der chinesisch-sowjetische Disput über Dairen und Port Arthur war durch die Unterschiede in der Interpretation des Begriffes „Krieg“ ausgelöst worden. Allgemein gesehen ist Krieg nichts weiter als ein ausgedehnter bewaffneter Konflikt. Im rechtlichen Sinne wird der Krieg oft als ein Kriegszustand bezeichnet, der mit einem Friedensvertrag zwischen den kriegführenden Nationen abgeschlossen werden muß. Diese zweigleisige Konzeption des Krieges wird von den Gerichtshöfen anerkannt
In Sinkiang gab es endlose Schwierigkeiten. Zusammen mit dem Konflikt und Disput in der Mandschurei kennzeichneten sie die allgemeine Verschlechterung der chinesisch-sowjetischen Beziehungen in den Jahren nach dem „Victory Day." Kaum war ein Monat nach dem feierlichen Versprechen der Sowjets vergangen, als im nordwestlichen Teil Sinkiangs heftige Kämpfe ausbrachen, in denen die sowjetische Intervention zweifelsfrei erwiesen wurde. Die Kämpfe wurden von den Kosaken eingeleitet und gegen chinesische Streitkräfte, die in diesem Gebiet stationiert waren, geführt. Außer den Kosaken waren jedoch Truppen von Ili in einer Stärke von 6000 Mann eingesetzt, die russisch sprachen, russische Uniformen trugen und von einem russischen General kommandiert wurden
2. Chinas Bürgerkrieg und der sowjetisch-amerikanische Kalte Krieg
Nach dem „Victory Day“ setzte China seine größten Friedenshoffnungen auf den neu unterzeichneten Vertrag mit Rußland. Durch sowjetische Aktionen war dieser Vertrag lange vorher zu einem Blendwerk gemacht worden. Eine andere große Quelle der Hoffnung nach dem „Victory Day“ war in China die Tschungking-Konferenz zwischen Generalissimus Tschiang Kai-schek und Mao Tse-tung, dem Vorsitzenden der chinesisch-kommunistischen Partei.
Begleitet von dem Botschafter der Vereinigten Staaten, General Patrick Hurley, konferierte Mao mit Tschiang und anderen Führern der Regierung. Eine ganze Zeitlang waren dort die Hoffnungen groß, die Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden großen Parteien beseitigen und ein Übereinkommen erzielen zu können, das China den Frieden und die Einheit bringen würde. Doch nach etwa drei Wochen endete die Konferenz nur mit einer Reihe von Proklamationen, die hochtrabende Grundsätze von geringem tatsächlichen Wert enthielten
Ende 1945 trafen sich in Moskau die Außenminister der Vereinigten Staaten, der Sowjetunion und Großbritanniens, um unter anderem die Situation in China zu besprechen. Nach Beendigung der Konferenz wurde ein Kommunique herausgegeben, das sich auf China bezog und feststellte, daß die drei Außenminister „übereinstimmend von der Notwendigkeit eines vereinigten demokratiscl-ien Chinas unter der Nationalregierung, von einer Mitarbeit aller demokratisch gesinnten Kräfte in den verschiedenen Zweigen der Nationalregierung, und von seiner Beendigung der Gärungsprozesse im Inneren überzeugt seien“, und daß der sowjetische und amerikanische Außenminister „völlig darin übereinstimmen, dem Wunsche nach Abzug sowjetischer und amerikanischer Streitkräfte aus China müsse Rechnung getragen werden.“ Diese Erklärung
Sie hatte daher nicht die gewünschten und erhofften Auswirkungen auf die Situation im Inneren Chinas.
LIngefähr zu der Zeit als die obige Erklärung zustande gekommen war, wurde General George C. Marshall, früher Oberkommandierender der Armee der Vereinigten Staaten, von Präsident Truman zum Chef einer Mission nach China ernannt, mit dem Ziel, die Differenzen der großen politischen Parteien, durch deren Streit das Land in den Bürgerkrieg getrieben worden war, beizulegen. Marshall hatte Erfolge und war an dem Zustandekommen eines Waffenstillstandsabkommens zwischen den Regierungs-und den kommunistischen Streitkräfte wesentlich beteiligt
Mitte März konnte General Marshall bei seiner Rückkehr nach Washington auf einer Pressekonferenz berichten, daß die Kuomintang und die kommunistischen Führer gegenwärtig ihre jeweiligen Armeen in die Nationalarmee eingliederten, daß ein gesetzgebender Ausschuß mit einem amerikanischen Stab in Peking errichtet worden sei mit dem Ziel, die bisher bereits erreichten Übereinkommen weiter auszubauen und daß die Inspektionsgruppe, bestehend aus drei Mann — einem Amerikaner, einem Kuomintang und einem Kommunisten — gebildet worden sei, um die Durchführung der Bedingungen des Übereinkommens an den verschiedensten Orten im Lande zu überwachen
Kurz nachdem Marshall seinen Bericht veröffentlicht hatte, teilten die Russen den Rückzug ihrer Truppen aus der Mandschurei mit
Ein anderer Faktor für die Verzögerung der Übereinkommen war die Unstimmigkeit über den Zeitpunkt der politischen Reform und der militärischen Reorganisation. Die Kommunisten bestanden auf der Reihenfolge: erst politische Reform und dann militärische Neuordnung. Die Regierung vertrat die Ansicht, die Reorganisierung habe der politischen Reform vorauszugehen. Dieser tote Punkt enthülle deutlich den tiefsitzenden Argwohn und das Mißtrauen zwischen den beiden Parteien.
Am 15. Dezember 1945 sagte Präsident Truman in einer Erklärung: „Die Vereinigten Staaten und die anderen Vereinten Nationen anerkennen die gegenwärtige Nationalregierung der Republik China als die einzige rechtmäflige Regierung in China . . . In der Fortsetzung der ständigen und engen Zusammenarbeit mit der Nationalregierung der Republik während des Krieges, im Einklang mit der Potsdamer Erklärung und in dem Wunsch, einen eventuellen in China verbliebenen japanischen Einflusses zu beseitigen, haben und werden die Vereinigten Staaten die Nationalrcgierung unterstützen, um die Abrüstung und den Abzug japanischer Truppen in den befreiten Gebieten zu erreidten
Die chinesischen Kommunisten wurden nicht müde, mehrfach ihre Beschuldigungen zu wiederholen, die amerikanischen Streitkräfte in China würden der Regierung in dem Bürgerkrieg helfen. Auch waren die Sowjets schnell zur Hand, die Vereinigten Staaten ebenfalls in dieser Angelegenheit zu beschuldigen. So wurde China zum Objekt des kalten Krieges zwischen den USA und UdSSR. Sowjetische Beamte, die sowjetische Presse und der Rundfunk wehrten sich gegen die amerikanische Militärhilfe an die Kuomintang, beschuldigten die LISA, China in „ein Semi-Kolonialreich zurückzustoßen und behaupteten, die amerikanisdre Militärhilfe an die Nationalregierung sei eine direkte Einmisdiung in die inneren Angelegenheiten Chinas“.
Am 14. und 15. September sandte Tschou En-lai umfangreiche Noten an General Marshall, in denen er den sofortigen Rückzug amerikanischer 1 ruppen aus China und die Einstellung der Hilfslieferungen für die Kuomintang-Regierung forderte
In der Zwischenzeit fehlte es keineswegs an amerikanischen Angriffen auf die sowjetische Politik in China. Nach einer Inspektionsreise durch den Fernen Osten berichtet Senator Owen Brewster seinen Landsleuten, die amerikanische Marine sei in China stationiert, um darauf zu achten, daß „China nicht schon morgen in Amerika sei und zwar unter den Sporen der sowjetisdien Diktatur
Am 18. Dezember erließ Präsident Truman eine Verlautbarung über die Politik der Vereinigten Staaten gegenüber China, die besagte:
......... Wir anerkennen die Nationalregierung von China........... Wir werden daher unsere positive und realistische Politik gegenüber China fortsetzen, die auf der Basis des vollen Respekts für seine nationale Souveränität und auf unserer traditionellen Freundschaft für das chinesische Volk beruht.........
Ende Januar gab das State Department, das jetzt von General Marshall geleitet wurde, die Entscheidung der Regierung der Vereinigten Staaten bekannt, ihre Bemühungen um eine Vermittlung in China einzustellen und sich aus dem gesetzgebenden Ausschuß der Drei beim Hauptquartier in Peiping zurückzuziehen
Am 10. März, bei der Eröffnungssitzung der Außenministerkonferenz über europäische Probleme in Moskau, schlug Molotow plötzlich eine Diskussion der Situation in China vor und wandte sich gegen die Anwesenheit irgendeines chinesischen Vertreters bei dieser Diskussion
Kurz nach Molotow gab es auf Kosten Chinas eine diplomatische Überraschung
3. Sowjetische Diplomatie am Vorabend der Niederlage Nationalchinas
Die Eroberung der kommunistischen Metropole Yenan durch die nationalistischen Truppen im Frühjahr 1947 wurde eine Zeitlang als sensationell betrachtet. Doch strategische und logische Faktoren sprachen deutlich zugunsten der Kommunisten. Was auch immer die Gründe dafür waren, die Kommunisten gewannen in der Mandschurei ständig die Oberhand. Sun Fo, Präsident der Legislative in Yuan, warnte davor, die Mandschurei könne unter sowjetische Herrschaft fallen, und er erbat dringend Hilfe aus den Vereinigten Staaten
LIngefähr um diese Zeit wurden offiziell gegen die Sowjetunion Anschuldigungen wegen ihrer Hilfe an die chinesischen Kommunisten erhoben. General Tsch’eng Tsch’eng, der Chef des Stabes Generalissimus Tschiang Kai-scheks, erklärte in Nanking, daß sich zumindest 31 rus-
sische Berater bei den kommunistischen Truppen in Szepingkai in der Mandschurei aufhielten und daß die Sowjets den kommunistischen Truppen bei ihren Transporten von der Mandschurei nach Schantung geholfen hätten
In seiner Neujahrsbotschaft 1948 an das chinesische Volk wies der Generalissimus zwar indirekt doch deutlich darauf hin, daß Sowjetrußland die chinesischen Kommunisten unterstütze. Er sagte: „Die gegenwärtige kommunistische Bedrohung kommt ebensosehr von außen wie von innen“
Einer AP-Meldung vom 30. Dezember 1947 aus Peking zufolge, sagte der sowjetische Generalkonsul in Peking, Sergei Tichwinsky, an diesem Tag: „Meine Regierung anerkennt nur eine Regierung in China —die Nationalregierung — und unterstützt die Kommunisten in keiner Weise“.
In der letzten Hälfte des Jahres 1947 machten die Kommunisten in der Mandschurei ständige Fortschritte. Währenddessen ernannte Präsident Truman — offensichtlich im Hinblick auf die steigende Krise — General Albert Wedemeyer zu seinem Sondergesandten, mit der Aufgabe, eine „Tatsachen ermittelnde Mission“ nach China zu leiten. Die chinesischen Kommunisten griffen General Wedemeyer als einen Imperialisten an, der „weitere Aggressionen“ plane. Die Nationalisten waren von der Wedemeyer-Mission tief gerührt, da sie in ihr Anzeichen für ein fortgesetztes oder erneuertes Interesse an ihrem Schicksal sahen. General Wedemeyer konferierte nicht nur mit Regierungsbeamten, sondern auch mit den Führern verschiedener sozialer Gruppen. Kurz vor seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten veröffentlichte er eine Erklärung, in der er die Kommunisten rügte, Gewalt bei der Verbreitung ihrer Ideologien anzuwenden. Er betonte, daß Militärgewalt allein den Kommunismus nicht auslöschen würde und behauptete, daß es China an begeisterungsfähiger Führung mangele
Trotz seiner großangelegten Militär-Kampagne fuhr die Nationalregierung fort, politische Maßnahmen zur Errichtung einer konstitutionellen Demokratie zu unternehmen. Tschiang Kai-schek und Li Tsungjen wurden zum Präsidenten und Vizepräsidenten gewählt
katnpagne ist ein Krieg zwischen der Demokratie und dem Totalitarismus, zwischen Kräften der Einheit und der Spaltung, zwischen Patrioten und Verrätern, zwischen freiheitsliebenden Menschen und Unterdrük-
kern, zwischen denen, die auch weiterhin China als unabhängige Nation zu sehen wünschen und solchen, die China unterjochen wollen
In der Zwischenzeit hatte sich die Flut gegen die Nationalisten gewandt und der Docht ihrer Flamme begann zu flackern.
Am 9. Juli verabschiedeten 137 Mitglieder der Legislative von Yuan eine Resolution, die darauf hinwies, daß die Welt irregeführt worden sei, wenn sie glaube, China sei in einen Bürgerkrieg verwickelt, vielmehr entspräche es der Tatsache, daß die Chinesen gegen die von Moskau gelenkte kommunistische Aggression kämpfe
In ihrer verzweifelten Lage wandten sich die Nationalisten erneut um Hilfe an die Vereinigten Staaten. Vorher, am 3. April 1948, hatte der Kongreß der Vereinigten Staaten ein Gesetz verabschiedet, das die Summe von 463 000 000 Dollar an China als Hilfeleistung vorsah, von der jedoch nur 125 000 000 Dollar für Waffen und militärische Ausrüstungen verwandt werden konnten
Bald darauf übermittelte Botschafter Wellington Koo dem amerikanischen Präsidenten Truman ein Programm, das die dringende Bitte nach Hilfe in vierfacher Hinsicht enthielt: 1) sofortige Unterstützungserklärung an Tschiang Kai-schek, 2) Beschleunigung des Nachschubs an die Streitkräfte der Nationalisten, 3) Ernennung von Offizieren zur Unter-Stützung bei der Führung dieser Streitkräfte, 4) Bewilligung von drei Milliarden Dollar als Hilfe für einen Zeitraum von drei Jahren
In seiner New Yorker Botschaft (1948) streckte Präsident Tschiang seine Friedensfühler weit aus, um den Bürgerkrieg unter der Bedingung zu beenden, daß die Einheit der Armeen der Nationalisten sichergestellt und die Verfassung nicht verletzt würde
Die Nanking-Regierung fand diese Pillen zu bitter und lehnte es ab, sie zu schlucken. Die kommunistischen Streitkräfte eroberten bis zum Ende des Jahres mit großer Schnelligkeit und Präzision das chinesische Mutterland. Der Sitz der Nationallegierung wurde von Ort zu Ort verlegt und etablierte sich schließlich am 9. Dezember 1949 in Teipei auf Taiwan (Formosa).
Was genau zwischen dem Kreml und der chinesischen Partei in dieser entscheidenden Zeit vorging, ist natürlich hinter der-Eisernen Vorhang in einen Schleier gehüllt. Die Führer der kommunistischen Partei bekundeten jedoch häufig ihre Solidarität mit der Sowjetunion. Sie stellten sich hinter die Angriffe der Kominform gegen die jugoslawische kommunistische Partei. Im März 1949 erklärte die Nachrichtenagentur „Neues China“, China bliebe keine andere Wahl, als die kriegsliebenden amerikanischen Imperialisten „zu ihrem Erzfeind zu erklären und die Sowjetunion als ihren ständigen und zuverlässigen Freund zu bezeichnen
Zu Beginn des Jahres 1949 veranlaßten die Sowjets Verhandlungen über die Erneuerung des Handels, der Errichtung von Öl-und Bergbau-gesellschaften in Sinkiang und über die Erteilung von Flugrechten in Tsingkan
Die Verhandlungen machten keine Fortschritte und die Nationalregierung schien den Zeitpunkt verpaßt zu haben.
Am 1. Oktober 1949 wurde eine neue Republik proklamiert. Bereits einen Tag später riß die Sowjetregierung ihre diplomatische Maske herunter und anerkannte das neue Regime. Wochen später, am 15. November, sandte Tschou En-lai, Premier-und Außenminister des neuen Regimes, einen Brief an den Präsidenten der Vollversammlung der Vereinten Nationen, in dem er erklärte, daß die national-chinesische Delegation bei den Vereinten Nationen China nicht repräsentieren könne und kein Recht habe, für das chinesische Volk zu sprechen
V. Chinas Anklage der UdSSR vor den Vereinten Nationen
In der ersten Hälfte des Jahres 1948, als der Bürgerkrieg seinem Höhepunkt zuschritt, wurde das Mißtrauen der nationalistischen Führer gegenüber dem sowjetischen Einfluß, auf den sie den Erfolg der Kommunisten zurückführten, noch wesentlich verstärkt und zwar durch die Haltung führender Persönlichkeiten in den Vereinigten Staaten gegenüber der Sowjetregierung in bezug auf die russischen Vertragsverpflichtungen gegenüber China.
Am 2. Juni veröffentlichte der US-Senat ein Dokument des State Departments, d -sich auf die Vertragsverletzungen der Sowjets bezog. Diesem Dokument zufolge hatte die Sowjetregierung durch die Beseitigung und Zerstörung der mandschurischen Industrien gegen Artikel VI des chinesisch-sowjetischen Vertrages vom 14. August 1945 verstoßen und ihr Versprechen gebrochen, ausschließlich der chinesischen Zentralregierung Hilfe zu leisten, indem sie japanische Waffen an chinesische Kommunisten geliefert und das Dairen-Abkommen verletzt hatten durch eine systematische Behinderung der chinesischen Regierung, die sich dort um Bildung einer Hafenverwaltung bemüht hatte
In einer Abrüstungs-Diskussion in den Vereinten Nationen verlas Her chinesische Vertreter T. F. Tsiang eine Nachricht der Associated Press, wonach, laut Schätzungen des japanischen Außenamtes, rund 50 000 japanische Kriegsgefangene der UdSSR von den chinesisch-kommunistischen Streitkräften beschäftigt würden. Gegen Ende des Jahres sagte Präsident Truman: „Die Sowjetregierung betrachtet Verträge nicht als heilig. Ich habe mit den Russen in Potsdam ganz bestimmte Übereinkommen getroffen, von denen keines gehalten worden ist. Bestimmte Übereinkommen wurden in Yalta erzielt, keines von ihnen wurde eingehalten . .
Am 20. Mai 1949, als Nanking bereits in die Hände der chinesischen Kommunisten gefallen war, bat die chinesische Legislative in Yuan das Kabinett, bei den Vereinten Nationen um Vermittlung im Bürgerkrieg nachzusuchen und beschuldigte die Sowjetregierung der Verletzung des Vertrags von 1945
Diese Empfehlung wurde am nächsten Tag auf der 230. Tagung der Vollversammlung vorgelegt. Der zu behandelnde Punkt war folgendermaßen abgefaßt: „Bedrohung der politischen Unabhängigkeit und territorialen Integrität Chinas und des Friedens im Fernen Osten hervorgerufen durch die Sowjetunion, die sich der Verletzung des Freundschafts-
und Bündnisvertrages, abgeschlossen am 14. August 1945 zwischen der Republik Chinas und der Union der Sozialistisclten Sowjet-
Republiken, und der Verletzung der Charta der Vereinten Nationen schuldig machte“. Tsiang, der chinesische Delegierte, eröffnete die Debatte mit dem Hinweis, daß die zur Diskussion stehende Angelegenheit auf Chinas eigene Initiative und freie Willensentscheidung, nicht aber auf Betreiben der Vereinigten Staaten zurückzuführen sei. Er wies darauf hin, daß der chinesisch-russische Vertrag von 1945 und seine Ergänzungsverträge in Erfüllung des Abkommens von Yalta geschlossen worden seien. Er beschuldigte jedoch die Sowjetunion, ihre Vertragsverpflichtungen nicht eingehalten zu haben, indem er sagte, daß anstelle wirtschaftlicher Hilfeleistungen für China die Armee der UdSSR einen beachtlichen Teil industrieller Anlagen aus der Mandschurei geschafft habe, daß die Sowjetunion anstelle der moralischen und wirtschaftlichen Hilfe an die Zentralregierung von China den kommunistischen Aufstand in China durch direkte und indirekte moralische und materielle Hilfe unterstützt habe, daß die Sowjetregierung anstatt Chinas Souveränität in der Mandschurei zu respektieren die Zentralregierung Chinas daran hinderte, den Hafen Dairen zu benutzen und die Errichtung einer Administration dort nicht zugelassen habe. Er behauptete, daß diese Verstöße auch gleichzeitig Verstöße gegen die Grundrechte der Charta der Vereinten Nationen seien
Der Hauptausschuß behandelte den chinesischen Antrag auf seiner 338. Sitzung am 25. November 1949. Wyschinsky nutzte die erste mögliche Gelegenheit zu sprechen. Er behauptete, daß es keine Bedrohung des Friedens in China und im Fernen Osten durch die Sowjetunion gäbe, und daß die Kuomintang-Regierung nicht das Recht hätte, sich als Vertreter des chinesischen Volkes auszugeben. Er erklärte, seine Delegation würde an der Behandlung des chinesischen Antrags nicht teilnehmen, noch würde sie irgendeine Entscheidung, die in dieser Hinsicht gefällt werden sollte, anerkennen
Tsiang, der den Fall Chinas gegen die Sowjetunion vortrug, lenkte zunächst die Aufmerksamkeit auf Artikel 2 der Charta der Vereinten Nationen, der besagt, daß „alle Mitglieder sich in ihren internationalen Beziehungen von der Bedrohung oder der Gewaltanwendung gegen die territoriale Einheit oder politische Unabhängigkeit irgendeines Landes wenden sollen“ und daß „alle Mitglieder......... in gutem Glauben die Verpflichtungen erfülen sollen, denen sie sich in Übereinstimmung mit der gegenwärtigen Charta unterworfen haben“. Er berichtete dem Hauptausschuß, daß die sowjetische Maßnahme in China in dem ihr zugrundeliegenden Sinne eine Verletzung der Präambel, Artikel I und Artikel II der Charta darstellten. Tsiang bezog sich auf den chinesisch-sowjetischen Vertrag von 1945 und die Zusatzverträge und wies darauf hin, daß die sowjetischen Verpflichtungen nach diesem Übereinkommen im allgemeinen von vierfacher Bedeutung seien, nämlich 1) Die Leistung moralischer Unterstützung und materieller Hilfe ausschließlich an die Nationalregierung als die Zentralregierung in China. 2) Die Beachtung der vollen chinesischen Souveränität über die Mandschurei und die Anerkennung ihrer territorialen und administrativen Einheit. 3) Die Respektierung der politischen Unabhängigkeit und territorialen Einheit der mongolischen Volksrepublik. 4) Abstand zu nehmen von einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten Sinkiangs. All diesen Verpflichtungen, so sagte er, habe die Sowjetunion keine Beachtung geschenkt.
Zur Begründung dieser Anschuldigungen gab Tsiang dem Hauptausschuß einen Überblick über „die Schritte und Maßnahmen, mit denen die Sowjetunion die Wiederherstellung der nationalen Autorität durch die Zentralregierung in China verhindert habe“, und gab „Tatsachen und Zahlen bekannt, die sich auf die Militär-und Wirtschaftshilfe an die chinesischen Kommunisten in der Mandschurei bezogen.“ Er berichtete dem Hauptausschuß, daß die Sowjetunion den chinesischen Kommunisten Unterstützung gewährte, indem sie sie mit sowjetischen und japanischen Waffen ausrüstete, ihre Armeen und Offiziere ausbildete, ihnen erlaubte, japanische Kriegsgefangene zu beschäftigen, ihren eigenen Truppen gestattete, an Operationen der chinesischen Kommunisten teilzunehmen, ihnen ausgedehnte wirtschaftliche und technische Hilfe zur Auswertung ihrer Bodenschätze bewilligte und ihre Verkehrsanlagen und Kraftindustrien wiederherstellte. Tsiang verwies vor dem Hauptausschuß zunächst auf die „wirtschaftlichen Ränke der Sowjets in der Mandschurei“. Er bezog sich sofort auf die wohlbekannten Demontagen industrieller Anlagen aus diesem wichtigen Gebiet und zitierte den Bericht der Edwin W. Pauley-Mission über japanische Reparationsleistungen, indem er darauf hinwies, daß nach diesem Bericht sich „der Gesamtwert des von der sowjetischen Armee entfernten Vermögens auf 800 000 000 US-Dollar belief.“
In bezug auf die Äußere Mongolei erklärte Tsiang, daß deren Armee von sowjetischen Beamten geleitet werde und „in alle Positionen der politischen und verwaltungsmäßigen Maschinerie dieses sogenannten unabhängigen Staates eingeschleust worden seien.“ Hinsichtlich der Intervention der Sowjets in die inneren Angelegenheiten Sinkiangs stellte Tsiang fest, daß die Sowjetunion „Unruhen hervorgerufen und dort die sogenannte ostturkestanische Republik errichtet habe“. Er behauptete, daß die Sowjetunion „die neue Waffe der Fünften Kolonne" für ihre territoriale und politische Expansion eingesetzt habe, und daß die chinesisch-kommunistische Partei „völlig dem Moskauer Diktat unterworfen sei". In dem Bemühen, die vielen Anschuldigungen über Schiebungen und Korruption, die der Nationalregierung unterstellt worden waren, zu entkräften, behauptete Tsiang, daß sich die Armut in China „im Verlaufe von Jahrhunderten entwickelt“ habe, daß die chinesische Regierung trotz dieser Armut einen langen Krieg gegen die japanische Aggression geführt habe und daß die Hilfe der Vereinigten Staaten an China nur 125 000 000 Dollar betragen habe, während die Hilfe der Vereinigten Staaten an Griechenland sich in der gleichen Zeit auf 318 000 000 US-Dollar belaufen habe.
Schließlich versprach der chinesische Vertreter die Hoffnung aus, „daß die Vollversammlung das Urteil über die Sowjetunion aussprechen werde, da sie meine Regierung bei ihren Anstrengungen um die Wiederherstellung ihrer Autorität in der Mandschurei behindert und den chinesischen Kommunisten militärische und wirtsd^aftliche Hilfe gewährt hat.“ Er hoffte, daß „die Vollversammlung allen Mitgliedstaaten empfehlen würde, künftig von weiteren militärischen und wirtschaftlichen Hilfeleistungen an die chinesischen Kommunisten Abstand zu nehmen.“ Er hoffte, daß „kein Mitgliedstaat diplomatische Beziehungen mit einem Regime aufnehmen werde, das vielleicht von den chinesischen Kommunisten errichtet würde“
Diese „drei Hoffnungen" wurden später in einen Entschließungsantrag ausgenommen, der an das „erste Komitee“ weitergeleitet wurde. Diese Resolution rief ferner alle Mitgliedstaaten auf, „von einer Ausnutzung der gegenwärtigen Situation Chinas um irgendwelcher Vorteile willen, Abstand zu nehmen, da sie mit der politischen Unabhängigkeit und territorialen und verwaltungsmäßigen Einheit Chinas unvereinbar seien“
Der Hauptredner der darauffolgenden Sitzung, die drei Tage später abgehalten wurde, war Philip Jessup von der US-Delegation. In seiner umfangreichen Rede sagte Jessup, es sei die Ansicht der Vereinigten Staaten, der Sowjetunion begrenzte Rechte an Dairen und an den Ostchinesischen und Südmandschurischen Eisenbahnen zu garantieren und man habt, niemals gedacht, daß die Sowjetunion die Souveränität beeinträchtigen würde, indem sie die völlige Kontrolle über Dairen und über die Eisenbahnen suchte und Marionettenregierungen in den nördlichen Provinzen bildete. Er überreichte dem Komitee einen gemeinsamen Resolutionsentwurf, der von den Vereinigten Staaten, Australien, Mexiko, Pakistan und den Philippinen eingebracht worden war und dessen einschneidender Abschnitt folgenden Wortlaut hatte: „Die Vollversammlung wünscht die Stabilität der internationalen Beziehungen im Fernen Osten zu fördern und fordert alle Staaten auf: 1. die politische Unabhängigkeit zu garantieren und sich in ihren Beziehungen zu China von den Grundsätzen der Vereinten Nationen leiten zu lassen; 2. das Recht des chinesischen Volkes auf freie Wahl seiner politischen Institutionen und auf eine von ausländischer Kontrolle freie Regierung jetzt und in Zukunft zu respektieren; 3. die sich auf China beziehenden und zur Zeit bestehenden Verträge zu respektieren, und 4. davon Abstand zu nehmen, eine Einflußsphäre in China zu erlangen oder ausländisch kontrollierte Regime innerhalb des chinesischen Territoriums zu bilden und von einem Bemühen zur Erlangung besonderer Rechte oder Privilegien innerhalb des Territoriums von China abzusehen“
Dieser gemeinsame Entschließungsantrag sollte den chinesischen Resolutionsentwurf ersetzen, gegen den Jessup, zusammen mit den Vertretern der vier Delegationen, die diesen Antrag eingebracht hatten, ständig opponierte.
Der chinesische Vertreter wies ständig darauf hin, daß der gemeinsame Entschließungsantrag nur eine ausführliche Version des endgültigen Paragraphen des chinesischen Resolutionsentwurfs sei. Carlos Stolk von Venezuela vertrat die Ansicht, die erste Aufgabe müsse darin bestehen, festzustellen, ob die chinesischen Beschuldigungen korrekt seien. In seiner Antwort auf den Vorschlag, der Antrag der Chinesen solle dem Internationalen Gerichtshof zugeleitet werden, stellte Tsiang fest, daß die Anschuldigungen gegen die Sowjetunion mit Ausnahme des Streitfalles Dairen nicht unter die Jurisdiktion des Gerichts falle. Er fügte hinzu, das Regime in Peking kontrolliere nicht ganz China und werde von der Bevölkerung nicht unterstützt.
Haiti und Peru erhoben jetzt ihre Einwände gegen die chinesische Resolution, indem sie erklärten, daß die Frage der Anerkennung allein der Entscheidung der verschiedenen Regierungen obliege. Martinez Moreno von El Salvador kritisierte die Haltung der Großmächte. Er sagte, der chinesische Vertreter habe bewiesen, daß die Sowjetunion den chinesischen Kommunisten moralische und materielle Hilfe gewährt und dadurch die Charta, das Yalta-Abkommen, und den chinesisch-sowjetischen Vertrag von 1945 verletzt habe und es daher keinen Grund gäbe, den Resolutionsentwurf der Chinesen nicht zu unterstützen. Der stärkste Befürworter des chinesischen Resolutionsentwurfs war die chilenische Delegation. Carlos Valenzuela von dieser Delegation versicherte, im Hinblick auf den gemeinsamen Resolutionsentwurf, daß seine gravierendsten Verfügungen schon verletzt worden seien. Er behauptete, daß, während der gemeinsame Resolutionsentwurf alle Staaten aufgefordert habe, die politische Unabhängigkeit Chinas zu respektieren, die chinesische Volksrepublik unter dem Kommunismus bereits ein Mitglied des Sowjetblocks sei und seine Unabhängigkeit verloren habe. Ein anderer aufrechter Redner war Sir Carl Berendsen von Neuseeland. Er erklärte:
„Wenn die VoUversatWHlutig in der Tat beabsichtige, in dieser Angelegenheit ihre Hände in Unschuld zu waschen, so täte sie gut daran, dies offen und'ehrlich zu sagen“
Die Delegation von Cuba, Equador und Peru brachten gemeinsam einen Resolutionsentwurf ein, in dem sie forderten, daß der Interimsausschuß die chinesischen Anschuldigungen gegenüber der Sowjetunion überprüfen und in der nächsten Sitzung der Vollversammlung hierüber Bericht erstatten solle. Die Delegationen von Chile und Irak sagten diesem Resolutionsentwurf ihre Unterstützung zu. Es kam zur Abstimmung und Annahme dieser gemeinsamen Drei-Mächte-Erklärung
Da der Fünf-Mächte-Resolutionsentwurf andere Forderungen enthielt, wurde auch über ihn abgestimmt und auch er wurde angenommen. Sodann wurden diese zwei Resolutionen an die Vollversammlung weitergeleitet, die über ihre endgültige Annahme oder Ablehnung zu entscheiden hatte.
Am 7. Dezember lehnte der sowjetische Vertreter während der 272.
Plenarsitzung die weitere Behandlung dieser Angelegenheit ab. Er wiederholte seine Ansicht, daß die chinesische Delegation keine Ermächtigung habe und daher nicht das chinesische Volk vertreten könne, daß sich die sowjetische Delegation nicht an der Diskussion über diese Beschwerde beteiligen und alle Entscheidungen ignorieren werde, die hierüber getroffen würden
Der Delegierte der Vereinigten Staaten, Jessup, kritisierte die Haltung der sowjetischen Delegation gegenüber der chinesischen Frage und erklärte sie als im Gegensatz zu den Verfahrensregeln der Vollversammlung stehend. Am folgenden Tag wurde über die beiden Resolutionen auf der 273. Plenarsitzung abgestimmt. Sie wurden beide angenommen. Damit ging der Antrag der Chinesen gegen die Sowjetunion an den Interimsausschuß weiter
Am 7. Februar 1950 griff das Interimskomitee die Frage des chinesischen Antrags auf. Bei dieser Gelegenheit zitierte Tsiang die Rede des amerikanischen Außenministers Dean Acheson vor dem Nationalen Presseclub in Washington vom 12. Januar, in der gesagt worden war, die Sowjetregierung trenne die nördlichen Provinzen Chinas vom Mutterland. Tsiang stellte fest, daß seine Regierung gezwungen sei, den Kampf gegen die chinesischen Kommunisten fortzusetzen.
Um zu beweisen, daß die vorzeitige Anerkennung eines Rebellen-Regimes einen Verstoß gegen das internationale Recht darstelle, berief sich Tsiang auf den englischen Völkerrechtler Lauterpacht
Der Interimsausschuß unternahm jedoch keine weiteren Schritte. Im März verbreitete Generalsekretär Trygve Lie ein Memorandum, das nach Ansicht der chinesischen Delegation „einen editen Versuch darstellte, die Delegierten der Vereinten Nationen zu beeinflussen, für den Beitritt Rot-Chinas in die Vereinten Nationen zu stiwwen.“ Der chinesische Delegierte erhob die Beschuldigung, Lies Memorandum sei ein „vorsätzlidter Angriff auf Chinas Front innerhalb der Vereinten Nationen“, und daß Lie „das Vertrauen der Öffentlidrheit In die Unparteilichkeit des Sekretariats zerstört habe.“
Ende November 1950 beriet der Hauptausschuß in mehreren Sitzungen über die chinesische Frage. Tsiang wiederholte die Anschuldigungen gegenüber der Sowjetunion. Außerdem behauptete er, daß das kommunistisch-chinesische Regime von den Sowjets als Instrument bei ihren Expansionsbestrebungen in Tibet ausgenutzt worden sei, daß das kommunistische Regime die Verbrennung „aller klassischen Werke von Konfuzius, Laot-se Mencius, einschliefllich der Kommentare über diese mehr als 2 500 Jahre alten klassischen Vorbilder“ angeordnet habe und daß dieses Regime sich „einer wirksamen und weitverbreiteten Widerstandsbewegung entgegenstelle“
Am 24. Juni begann der Krieg in Korea. Nach einem Bericht einer Kommission der Vereinten Nationen in Korea intervenierte das kommunistische China im koreanischen Krieg durch den Einfall nordkoreanischer Streitkräfte in Südkorea. Schon kurz nach Beginn des koreanischen Krieges spürte das kommunistische China den Druck der Vereinten Nationen. Am 1. Februar 1951 wurde es zum Aggressor gebrandmarkt. In einer Abstimmung am 18. Mai wurde ein Embargo über strategische Güter über China verhängt. Dadurch wurden die Hoffnungen und Forderungen der chinesischen Delegation erfüllt — wenn auch nur als Folge der Entwicklungen in Korea.
Das ganze Jahr über lag der chinesische Antrag gegen die Sowjetunion unangetastet im Interimsausschuß. Am 26. Januar 1952 auf der 502. Sitzung des Ersten Komitees erneuerte der chinesische Vertreter seine Anschuldigungen, die Sowjetunion habe die Charta und den chinesisch-sowjetischen Vertrag von 1945 verletzt. Er schloß seine Ausführungen mit der Überreichung eines Resolutionsentwurfs, durch den die Vollversammlung aufgefordert wurde, die Verletzung sowjetischer Vertragsverpflichtungen gegenüber China anzuerkennen
Malik ergriff daraufhin erneut das Wort. Er erhielt die Ansicht aufrecht, daß der sowjetische Vertrag von 1950 mit den chinesischen Kommunisten noch günstiger sei als der chinesisch-sowjetische Vertrag von 194 5 und daß es unbegründet sei, von einer Vertragsverletzung der Sowjets gegenüber China zu sprechen. In seiner Antwort auf Maliks Erklärung stellte der chinesische Vertreter Tsiang fest, daß der Grund, warum der Vertrag von 1950 im Vergleich zu dem von 1945 günstiger sei, auf der Tatsache basiere, daß das kommunistische in China Regime
Diese Resolution wurde dann der Vollversammlung zur Annahme oder Ablehnung zugeleitet. In der Plenarsitzung der Vollversammlung am 1. Februar 1952 machte Cooper von den Vereinigten Staaten geltend, daß die Sowjetunion weder in der Debatte im Hauptausschuß noch in der Plenarsitzung eine ernsthafte Verteidigung ihres Vorgehens in der Mandschurei unternommen habe. Die sowjetische Verteidigung, so sagte er, drehe sich um die frivole Beweisführung, daß eine Regierung, die von der Sowjetunion nicht anerkannt sei, kein gesetzlich verbrieftes Recht habe, Beschuldigungen gegen die Sowjetunion zu erheben. Die von der chinesischen Delegation eingebrachte Resolution wurde schließlich mit 25 zu 9 Stimmen bei 24 Stimmenthaltungen angenommen
„Die Vollversammlung ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken die Bemühungen der National-regierung von China bei der Wiederherstellung der Nationalen Autorität in den drei Ostprovinzen (Mandschurei) nach der Kapitulation Japans verhindert und den drinesischen Kommunisten Militär und Wirtschaftshilfe gegen die Nationalregierung von China gewährt hat. Sie stellt fest, daß die Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken in ihren Beziehungen mit China seit der Kapitulation Japans unterlassen hat, den Freundschafts-und Bündnisvertrag zwisd^en China und der Union der Sozialistisdien Sowjet-Republiken vom 14. August 1945 zu erfüllen
Der chinesische Antrag gegen die Sowjetunion brachte nicht nur eine wichtige Phase der chinesisch-sowjetischen Beziehungen ans Tageslicht, sondern auch den Stand internationaler Beziehungen im allgemeinen, soweit er sich auf China konzentrierte. Er war auch ein Test für die wirksame Kraft der Vereinten Nationen bei der Behandlung einer kritischen und komplizierten internationalen Streitfrage. Soweit es die Schilderung von Tatsachen betraf, hatte die chinesische Delegation bei der Darlegung ihres Falles gute Arbeit geleistet. Vom technischen oder taktischen Gesichtspunkt her ließ die Darstellung jedoch zu wünschen übrig. Erstens hätten eine Reihe der vorgetragenen Tatsachen wirksam unter rechtsgültige Konzeptionen gestellt werden können. Zweitens fanden die Delegationen des Sowjetblocks durch den Nachdruck, mit dem das Ansehen der Nationalregierung betont wurde, neue Angriffsflächen. So konzentrierten sich diese Delegationen einfach darauf, die Nationalregierung zu diskreditieren. Der chinesische Antrag wäre wahr-
scheinlich wirksamer gewesen und hätte größere Unterstützung gefunden, wenn die Tatsachen und Argumente so zusammengefaßt und dargelegt worden wären, daß sie auf den Schaden und das Unrecht hingewiesen hätten, das die Sowjetregierung China als Staat und den Chinesen als Volk zugefügt hatten. Die Haltung der verschiedenen Regierungen gegenüber Chinas Situation wurde bei keiner Gelegenheit deutlicher erkennbar als bei ihrer empfindlichen Reaktion auf die Empfehlung, das Regime in Peking nicht anzuerkennen. Die Anerkennung der National-regierung wurde von vielen weiterhin aufrechterhalten, doch reservierten sie sich gleichzeitig das Recht, ihre Position später im Lichte veränderter Umstände zu wechseln.
Trotz ihrer ungeheueren Struktur und Organisation verfügten die Vereinten Nationen nicht über eine geeignete Behörde, die den chinesischen Antrag gerecht und wirksam hätte behandeln können. Obwohl der Antrag oft zur Debatte stand, wurde er in Wirklichkeit nicht ernsthaft untersucht und erwogen. Nur wenige Delegationen schienen ein ernsthaftes Interesse an diesem Antrag zu nehmen. Alle Großmächte — die Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich und die Vereinigten Staaten — wünschten seine baldmöglichste Erledigung und Versenkung. Die sowjetische Delegation schlug vor, ihn zu begraben noch bevor er überhaupt geboren war. Der Antrag wurde wie eine tote Katze oder eine heiße Kartoffel, die keiner gerne in die Hände nimmt, von Komitee zu Komitee geschoben. Wenn die Sowjetunion tatsächlich die Aggression begangen hat, die ihr von der chinesischen Delegation vorgeworfen wurde, dann war sie unbestraft davongekommen — ungeachtet der Vereinten Nationen.
VI. Sowjetrußland und die Chinesische Volksrepublik
1. Der neue sowjetisch-chinesische Vertrag und andere Abkommen
Am 30. Juni 1949 sagte Mao Tse-tung in bezug auf die Außenpolitik: „Ihr neigt nach einer Seite . . . nicht nur in China, sondern in der ganzen Welt lehnt man sich ohne Ausnahme entweder an die Seite des Imperialismus oder an die Seite des Sozialismus. Neutralität ist nur eine Tarnung, und einen dritten Weg gibt es nicht"
tig zu erklären." Gleichzeitig versicherten beide Regierungen, die Unabhängigkeit der Mongolischen Volksrepublik sei voll garantiert. Weiter tauschten die beiden Partner Noten „über den Entsdiluß der Sowjetregierung aus, der Volksrepublik China ohne Gegenleistung das von japanischen Eigentümern in der Mandschurei durch sowjetisdte Wirtschaftsorganisationen erlangte Gut zurüdtzugeben.
Durch das Freundschafts-Bündnis und den gegenseitigen Hilfsvertrag beabsichtigen die beiden vertragschließenden Partner in eine enge Zusammenarbeit einzutreten, um ... die Wiederholung einer japanischen Aggression „oder die eines anderen Staates, der in irgendeiner Form mit Japan zusammenarbeitet, zu verhindern ... an allen internationalen Aktionen teilzunehmen, die darauf abzielen, den Frieden und die Sicherheit in der ganzen Welt zu erhalten . . . mit Japan zu einem möglichst frühen Termin einen Friedensvertrag zustande zu bringen, . . . gegenseitige Konsultationen bei allen wichtigen internationalen Problemen abzuhalten, die gemeinsame Interessen Chinas und der Sowjetunion betreffen, . . .“ und „die wirtschaftlichen und kulturellen Bande zwisd^en China und der Sowjetunion zu entwickeln und zu konsolidieren." Durch den gleichen Vertrag auferlegen sich die beiden vertragschließenden Partner die negative Verpflichtung, „keine Allianz zu beschließen“ und „keine Koalition einzugehen oder irgendeine Aktion oder Maßnahme zu unternehmen“, die sich gegen eine der beiden Parteien richtet.
Durch das Übereinkommen über die chinesische Tschangchun-Eisen-
bahn, Port Arthur und Dairen, verpflichtet sich die Sowjetregierung (1) der Pekinger Regierung ohne Gegenleistung alle ihre Rechte für die gemeinsame Verwaltung der chinesischen Tschangchun-Eisenbahn zu übertragen. (2) Ihre Truppen aus Port Arthur zurückzuziehen und der Pekinger Regierung gegen einen bestimmten Entschädigungsbetrag alle dortigen Einrichtungen zu übergeben, und zwar entweder nach Abschluß eines Friedensvertrages mit Japan oder „nicht später als gegen Ende 1952“, unter der Voraussetzung, daß Sowjetrußland im Falle eines Krieges mit Japan oder irgendeinem anderen mit Japan kollaborierendem Staat", den Marinestützpunkt Port Arthur wieder benutzen kann und (3) der Pekinger Regierung im Verlauf des Jahres 1950 „allen Grundbesitz in Dairen zu übergeben, die vorübergehend von der So wjetunion verwaltet wird oder gepachtet ist". Während die Verwaltung von Dairen in die Hände der Pekinger Regierung gelegt wird, „ist die Frage des Hafens von Dairen vom Abschluß eines Friedensvertrages mit Japan abhängig".
Das Abkommen macht zur Bedingung, daß bis zum Zeitpunkt der endgültigen Abtretung sowjetischer Rechte und Interessen an der chinesischen Tschangchun-Eisenbahn, die Bahn unverändert unter gemeinsamer chinesisch-sowjetischer Verwaltung verbleibt und daß bis zum endgültigen Abzug sowjetischer Truppen aus Port Arthur und der noch schwebenden Übergabe der Hafenanlage, die Zivilverwaltung in dem Gebiet von Port Arthur der direkten Autorität der Pekinger Regierung untersteht, militärische Angelegenheiten jedoch dem Befehl einer gemeinsamen chinesisch-sowjetischen Kommission unterstellt werden. Das Übereinkommen über Kreditbewilligung sieht einen Kredit der Sowjetregierung an die Pekinger Regierung in Höhe von 300 000 000 Dollar vor, der zum Einkauf der verschiedensten industriellen und technischen Ausrüstungen aus der Sowjetunion verwandt werden soll. Nach der Unterzeichnung der obigen Verträge und Übereinkommen waren beide Parteien stolz auf ihre Leistungen und betonten die große Bedeutung der neuen Verträge.
Die neuen sowjetischen Verträge und Übereinkommen ähnelten zwar in ihrem allgemeinen Inhalt und Umriß den alten Verträgen zwischen dem Kreml und der Nationalregierung, doch gibt es zwischen ihnen auch einige gravierende Unterschiede. Die neue Serie von Verträgen erscheint noch günstiger für China, wenn man ihr die korrespondierenden Gesichtpunkte der alten Verträge gegenüberstellt.
1. Durch den neuen Vertrag wird der Umfang der chinesisch-sowjetischen Allianz erweitert. Der chinesisch-sowjetische Vertrag von 1945 sah nur gemeinsame Maßnahmen für den Fall der Wiederholung einer japanischen Aggression vor. Der chinesisch-sowjetische Vertrag von 1950 jedoch verpflichtet die beiden Parteien für den Fall einer Aggression durch Japan „oder durch irgendeinen anderen Staat, der mit Japan in irgendeiner Form kollaborieren sollte, zusammenzuarbeiten.“ Dieser Unterschied läßt deutlich erkennen, daß sich die neue chinesisch-sowjetische Allianz ebenso — oder sogar noch stärker — gegen die Vereinigten Staaten als gegen Japan richtet. Das offizielle Organ der Pekinger Regierung, die Jen Min Jih Pao, schrieb am 26. Februar 1950 in einem Leitartikel: „Diese diinesisch-sowjetisdre Allianz ist ein schwerer Sdrlag gegen den amerikanisdien Imperialismus, der jetzt das Wiederauftauchen der japanischen Aggression begünstigt.“
2. Das alte Abkommen über die chinesische Tschangchun-Eisenbahn sollte ursprünglich eine Laufzeit von 30 Jahren haben und die Eisenbahn erst nach Ablauf dieser Frist an China zurückgegeben werden. Das neue Abkommen sah die Rückgabe der Eisenbahn an China „nicht später als gegen Ende 19 52“ vor. Diese Bedingung wurde eingehalten.
3. Dem Abkommen über Port Arthur von 1945 zufolge sollten die Sowjets den Hafen nach 30 Jahren freigeben. In dem neuen Abkommen versprachen sie, diese Bedingung „nicht später als gegen Ende 1952 zu erfüllen. In der Folgezeit hielt die Sowjetregierung jedoch nicht ihr Versprechen oder sie wurde von diesem Versprechen entbunden. Später änderte sie wiederum ihre Meinung. Nach einem Bericht in der Tageszeitung „Volkschina" vom 16. Juni 195 5 erließ Peking und Moskau am 2 5. Mai 19 5 5 ein gemeinsames Kommunique, in dem erklärt wurde, Sowjetrußland habe alle seine Truppen von Port Arthur abgezogen.
4. Die Sowjetregierung versprach der Pekinger Regierung die Rückgabe des „von den Sowjets gegenwärtig gepachteten Eigentums . Im Abkommen von Dairen aus dem Jahre 1945 fehlte ein solches Versprechen. 5. Die Sowjetregierung versprach der Pekinger Regierung die Rückgäbe von „Vermögenswerten, die sowjetische Wirtschaftsorganisationen von japanischen Eigentümern in der Mandschurei erhalten hatten". Im Jahre 1945 hatte die sowjetische Regierung der Nationalregierung ein solches Versprechen nicht gegeben. Dieses Versprechen wurde eingehalten und die Rückgabe formell am 28. August 19 50 beendet. Zu den Vermögenswerten zählten Kasernen, Lagerhäuser, eine Ölraffinerie, eine Maschinenfabrik, eine Zementfabrik, eine Glasfabrik, die Anlagen und Ausrüstung des Hafens Dairen, kulturelle und Unterrichtsorgane, Mietshäuser, Leichtindustrien zur Herstellung von Zement, Zucker, Seife, Papiermühlen, Zigarettenfabriken, elf Kinos usw.
6. 1950 erklärte sich die Sowjetregierung bereit, ihre Kreditanleihen an die Pekinger Regierung auf 300 000 000 Dollar zu erhöhen, während sie der Nationalregierung im Jahre 1945 nur die unbestimmte Zusicherung gab, die sowjetische moralische Unterstützung und materielle Hilfe „ginge ganz an die Nationalregierung als die Zentralregierung von China“. Demgegenüber ist das sowjetische Kreditabkommen mit der Pekinger Regierung in allen Einzelheiten exakt abgefaßt. Im Hinblick auf das riesige Territorium und die fruchtbare Bevölkerung Chinas und im Hinblick auf die riesigen Zerstörungen, die jahrzehntelange Kriege verursachten, hätte China für seine wirtschaftliche Entwicklung und seinen nationalen Wiederaufbau eine vielfach größere Summe als 300 000 000 Dollar benötigt.
7. In bezug auf das Übereinkommen über die Äußere Mongolei bestätigte die Pekinger Regierung nur eine Tatsache, die bereits vollzogen war. Wenn künftige chinesische Historiker diese Tatsache beklagen sollten, dürften sie aller Wahrscheinlichkeit nach die Nationalregierung dafür verantwortlich machen.
Was die für China weniger vorteilhaften Aspekte der neuen Verträge betraf, so sind sie weniger sichtbar, doch gibt es sie. 1945 erklärte die Sowjetregierung, sie „anerkenne die drei Ostprovinzen (Mandschurei) als Teil Chinas". In dem chinesisch-sowjetischen Vertrag von 1950 wurde die chinesische Souveränität in der Mandschurei nicht erwähnt. Das gleiche kann von Sinkiang gesagt werden. Entsprechend dem Abkommen von 1945 sollte Dairen zum internationalen Freihafen erklärt werden. In dem neuen Abkommen I cißt es jedoch, daß „die Frage des Hafens Dairen von dem Abschluß eines Friedensvertrages mit Japan abhängig ist". In der Zwischenzeit wird der Hafen von den Sowjets überwacht und kontrolliert.
Während der Vertrag von 1945 die Frage diplomatischer Konsultationen nicht berücksichtigt, sind in dem Abkommen von 1950 vor allem bestimmte Vorkehrungen über diplomatische Konsultationen zwischen der Sowjetregierung und der Pekinger Regierung enthalten, die technisch gesehen auf einer gleichen und wechselartigen Grundlage beruhen. Es sollte jedoch beachtet werden, daß kommunistische Länder Sowjetrußland als ihren Führer anerkennen, für dessen Macht und Interesse sie ihre Macht und Interessen zu opfern haben.
Mao Tse-tungs „Neig-Dich-einer-Seite-Politik" zeichnet sich in klarer und eindeutiger Form ab. Das kommunistische China hat mit Rußland in vollem Umfang bei allen internationalen Problemen zusammenzuarbeiten. Es tritt in eine enge wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit mit Sowjetrußland ein. Es nimmt an keiner Aktion oder Maßnahme teil, noch wird es eine Allianz oder eine Koalition eingehen, die sich gegen Sowjetrußland richtet. Es wird Sowjetrußland über seine diplomatischen Schritte konsultieren und aller Wahrscheinlichkeit nach dem Kurs seines Alliierten folgen. Mit einem Wort: es hat zu seinen eigenen die sowjetischen Interessen in Betracht zu ziehen und ihnen zu dienen. Die Sowjetregierung ist also in der Lage, die Außen-und Innenpolitik Chinas zu beeinflussen, und es besteht wohl kaum ein Zweifel, daß sie soweit wie möglich von diesem Einfluß zum Wohle und zugunsten der Interessen Sowjetrußlands Gebrauch macht. Mit diesem latenten sowjetischen Einfluß auf chinesische Angelegenheiten erhielten die Sowjets das Vorkaufsrecht und eine Monopolstellung über alle Konzessionen, die das kommunistische China von Zeit zu Zeit im Verlauf seiner nationalen Entwicklung und seinem Wiederaufbau einzugehen hat. Die immense Unterstützung und Gewinne, die Rußland uneingeschränkt durch seine Monopolstellung erhält, werden, voll ausgenutzt, alle habsüchtigen Träume der traditionellen westlichen Imperialisten übersteigen, ganz gleich, ob es sich um die Entwicklung des riesigen chinesischen Marktes oder die Ausbeutung der chinesischen Arbeitskraft oder die materiellen Quellen handelt, ganz gleich, ob es die Förderung der chinesischen Industrien durch Investitionen oder die Bemühungen um eine kulturelle Transformation des chinesischen Volkes betrifft, die Sowjetregierung ist in der Lage, die besten Gelegenheiten für sich wahrzunehmen und sich ihre Vorteile zu sichern und sie gegenüber den west-lichen kapitalistischen Ländern zu leugnen. In dem globalen kapitalistisch-kommunistischen Kampf ist es eine wohlbekannte marxistischleninistische Strategie, den kapitalistischen Mächten die Märkte zu neh-men und sie der Investitionsmöglichkeiten in ihren Kolonien oder der unterentwickelten Länder zu berauben, um dadurch gleichzeitig die Schwächen des kapitalistischen Systems zu erhöhen und seinen Sturz zu beschleunigen. Der aufgestiegene Rote Stern in China verfolgt weitgehend d ese Strategie.
Kurz nach der Veröffentlichung des neuen chinesisch-sowjetischen Vertrages und der Übereinkommen erschienen Berichte, wonach das kommunistische China Sowjetrußland beachtliche Konzessionen gemacht haben soll
Unabhängig von dem Vertrag und den Übereinkommen, die am 14. Februar 1950 unterzeichnet worden sind, haben die sowjetischen Behörden und die chinesischen Kommunisten eine Reihe anderer Abkommen geschlossen. Nach der Bildung der Pekinger Regierung und ihre Anerkennung durch die Sowjetregierung betrafen die ersten zwei Abkommen, die Telegraph-und Telefonverbindungen und den Briefaustausch, um eine enge Integration des Post-und Telegraphenwesens zwischen den beiden Ländern zu erreichen
Um das Kreditübereinkommen vom 14. Februar 1950 zu ergänzen, unterzeichneten eine Handelsdelegation des kommunistischen China und das sowjetische Ministerium für Außenhandelsfragen am 19. April 1950 zwei Übereinkommen. Dieses Verfahren wurde 1951 und 1952 wiederholt
Wie erinnerlich sah der chinesisch-sowjetische Vertrag eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit vor. Als Ergänzung hierzu schlossen die Pekinger Regierung und die Sowjetregierung drei Einzelabkommen ab, die sich auf die zivile Luftfahrt und auf die Erschließung der Mineralquellen in Sinkiang bezogen
2 Die chinesisch-sowjetische Freundschaft und Zusammenarbeit
Bereits seit Oktober 1949 haben Peking und Moskau Parallelaktionen bei vielen Gelegenheiten unternommen. Solche Paralleldiplomatie beruht auf der „Neig-Dich-nach-einer-Seite-Politik" Mao Tse-tungs. Neben der Zusammenarbeit auf diplomatischem Gebiet sind die beiden Parteien auch in eine enge wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit eingetreten. Viele tausende sowjetischer Wissenschaftler und Kulturexperten kamen nach China, um „fortschrittliche Ideale der Sowjets“ zu verbreiten. Als Resultat zeichnet sich ein neues sowjetisiertes China ab.
Seit den ersten Tagen ihres Bestehens wünschte die Pekinger Regierung, die chinesische Nationalregierung als die Vertreterin Chinas bei den Vereinten Nationen zu ersetzen. Der sowjetische Delegierte machte in der Eröffnungsversammlung 1950 einen Vorschlag, der darauf ab-* zielte, die Delegation der Nationalisten aus den Vereinten Nationen auszuschließen und an ihrer Stelle die Vertreter der Pekinger Regierung in der Vollversammlung und der ihr verwandten Organe zuzulassen.
Dieser Vorschlag wurde jedoch niedergestimmt
Als der Korea-Krieg erbittert tobte, wurde das kommunistische China mehr und mehr in ihn verwickelt und zog sich so die Feindschaft der Vereinten Nationen zu, die in dem kriegszerstörenden Gebiet eine „Polizei-Aktion" durchführten. Während Moskau versuchte, Peking ge-gen jeden Tadel oder gegen jede Strafaktion von Seiten der Vereinten Nationen zu verteidigen, unterstützte Peking für seinen Teil alle sowjetischen Vorschläge in der Weltorganisation.
Als eine Art Gegenstück zu den Vereinten Nationen haben die Kommunisten ihre eigene Weltorganisation aufgebaut: der sogenannte Weltfriedenskongreß, der im April 1949 in Paris gegründet wurde und erklärtermaßen 72 Länder zu seinen Mitgliedern zählt
Auf dem Gebiet diplomatischer Probleme haben die Pekinger Regierung und Sowjetregierung im allgemeinen dieselbe Haltung eingenommen und die gleiche Politik verfolgt. Aus einem Bericht der Vereinten Nationen geht hervor, daß „die Sowjets 1949 und 1950 die Nordkoreaner mit Munition versorgt haben, während die chinesischen Kommunisten ausgebildete Kräfte zur Verfügung der Nordkoreaner stellten
Doch die sogenannte sowjetische Neutralität oder Nichteinmischung war alles andere als real. In diesem Krieg wurden Flugzeuge, Panzer, Artillerie und andere moderne Waffen eingesetzt, die weder von China noch von den Nordkoreanern hergestellt oder gekauft werden konnten. Sie alle kamen aus der Sowjetunion. Im Verlauf der späteren Waffenstillstandsverhandlungen demonstrierten Peking und Moskau bei mehr als einer Gelegenheit ihre Solidarität. Beide lehnten eine Kompromiß-Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen ab, die sich auf die Rückführung der Kriegsgefangenen in Korea bezog. Ungefähr zwei Monate nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens gab die Sowjetregierung bekannt, sie würde den Nordkoreanern für den wirtschaftlichen Wiederaufbau eine Milliarde Rubel bewilligen
Peking unterzeichnete einen Zehnjahresvertrag Nordkorea, eine mit der wesentliche finanzielle und technische Hilfe vorsah
Auf der Genfer Konferenz sagte Außenminister Dulles bei der Erörterung der Fragen über den Frieden in Korea und Indochina, daß er keinen Unterschied zwischen der Politik Sowjetrußlands und des kommunistischen Chinas festgestellt habe
Beide, Peking und Moskau haben behauptet, die Nationalregierung in Formosa sei illegal und habe kein Recht, China zu repräsentieren und in Namen des chinesischen Volkes zu sprechen. Seit Juni 1950, als Präsident Truman die 7. US-Flotte mit der Überwachung der Straße von Formosa beauftragte, haben diese beiden Mächte die Vereinigten Staaten der Aggression beschuldigt, Formosa besetzt zu halten und die Insel zu einem militärischen Stützpunkt für aggressive Zwecke ausgebaut zu haben. Aus Meldungen nationalchinesischer Nachrichtenagenturen ist häufig ersichtlich, daß sowjetische Unterseeboote in chinesischen Gewässern operieren. Es ist nicht leicht, diese Meldungen zu bestätigen. Doch soviel ist gewiß: die von den chinesischen Kommunisten eingesetzten Düsenjäger russischer Bauart vom Typ MIG sollen sich mit den auf Formosa stationierten amerikanischen Sabre-Düsenjägern messen. Das beweist zur genüge, daß die Sowjetregierung die chinesischen Kommunisten in ihrer Politik gegen die letzte Bastion Tschiang Kai-scheks unterstützt.
Die diplomatische Zusammenarbeit zwischen Peking und Moskau konnte in Indochina beobachtet werden. Beide, Peking und Moskau unterstützten die Viet-Minh und gaben ihnen beachtliche moralische und materielle Hilfe. Zur gleichen Zeit griffen beide die Politik der Vereinigten Staaten an. Auch im Verlauf der Genfer-Konferenz glichen sich die Äußerungen Molotows und Tschou En-lais, die die Sowjetunion bzw.
das kommunistische China vertraten, fast wörtlich, und zeigten dadurch erneut Einstimmigkeit in ihren Zielen und Absichten. Auch in bezug auf Südostasien und den Weltfrieden im allgemeinen glichen sich die gegenseitigen Äußerungen Pekings und Moskaus mit stumpfsinniger Monotonie. Am 11. August 1954 erklärte Außenminister Tschou En-lai, die Pekinger Regierung „würde mit Entsdiieden-heit die Bildung einer aggressiven Organisation, der sogenannten süd-
ostasiatisdien Bündnisorganisation durdt die USA ablehnend Am 14. September veröffentlichte das sowjetische Ministerium des Äußeren eine Erklärung, die besagte, daß die Aktionen, die der südostasiatische kollektive Verteidigungsvertrag in Betracht zog, „sidt entgegengesetzt zu der Arbeit über die Stärkung des Weltfriedens verhalte
Mao Tse-tungs „Neig-Dich-nach-einer-Seite-Politik" betrifft auch Chinas nationalen innere Entwicklung und den Wiederaufbau. Als Kommunist ist Mao für die Errichtung kommunistischer Institutionen und Praktiken und gegen jene der westlichen kapitalistischen Länder Am 17. Februar 1950 sagte Mao bei seiner Abschiedsansprache auf dem Moskauer Hauptbahnhof:
„Während meines Aufenthalts in der Sowjetunion habe ich sowjetische Arbeiter und Bauern gesehen, die mit großen Ergebnissen am Aufbau des Sozialismus arbeiten . . . All dies bestätigt die historische Überzeugung der chinesischen Kommunisten, daf^ die Erfahrungen der sowjetischen Wirtscltaft, der Kultur und anderen widttigen Entwicklungen beispielgebend für den Wiederaufbau Chinas sein wird
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Die ersten sowjetischen Fachleute, die nach China kamen, waren Mediziner. In Peking wurde ein sowjetisches Rot-Kreuz-Krankenhaus gebaut, das eine Reihe von sowjetischen Ärzten beschäftigt. Neben der Fürsorge für ihre Patienten machen die Ärzte davon Gebrauch, „ihre fortschrittlichsten medizinisdten Kenntnisse und Techniken" zu verbreiten
Im Verlauf des Bürgerkrieges wurde das chinesische Eisenbahnsystem stark zerstört und der Verkehr unterbrochen. Zu dieser Zeit reparierten die erfahrensten sowjetischen Eisenbahner die Eisenbahnlinien und bauten Brücken. Als Ergebnis wurde das chinesische Eisenbahnsystem Ende 1950 wiederhergestellt und der Verkehr wieder reibungslos ausgenommen
Eine andere Gelegenheit für die Beschäftigung sowjetischer Ingenieure war das Huai-Projekt. Dieser Fluß trat ständig über seine Ufer und verwüstete das Land. Kommunistischen Quellen zufolge vollbrachte bei diesem Projekt der russische Hydrauliker namens Bukow besondere Leistungen
Auch in der Industrie und Landwirtschaft wurden sowjetische Fachleute beschäftigt, ohne jedoch irgendwelche beachtlichen Leistungen vollbracht zu haben. Es wurde berichtet, daß durch die sowjetischen technologischen und industriellen Kenntnisse einige Fortsdiritte im Bergbau, den Metallurgischen-, den Maschinen-und Werkzeugindustrien erzielt worden sind
Wie steht es nun mit der sowjetischen Hilfe in Form von Kapitalanlagen, solchen wie industriellen Einrichtungen, landwirtschaftlichen Werkzeugen und Maschinen? Eine aufs geradewohl verfaßte journalistische Übersicht chinesisch-kommunistischer Literatur beweist, daß Berichte in bezug auf solche Hilfe so selten sind, wie Schwalben im Winter.
Zu Beginn des Jahres 1952 wurde bereits im kommunistischen China über die Verkündung des ersten 5-Jahresplanes gesprochen. Im August des gleichen Jahres führte Außenminister Tschou En-Iai eine große Delegation nach Moskau, um über eine dringende Hilfe für die Durchführung dieses ehrgeizigen Projekts zu verhandeln. Die Verhandlungen, die sich hieraus ergaben, waren ziemlich langwierig und zeigten, daß Moskau nicht sofort bereit war, die erbetene und notwendige Hilfe zu gewähren. Erst im September 195 3 wurde eine Erklärung hierüber abgegeben. Am 15. September sandte Mao Tse-tung eine Dankesbotschaft für die sowjetische Unterstützung an Malenkow, u. a. sagte er: „da die große Sowjetregierung sicht damit einverstanden erklärt hat, ihre wirt-sdiaftliche und tedmische Hilfe systematisch auf . . . die neuen Unternehmen . . . auszudehnen, die jetzt in China erriduet oder wiederaufgebaut werden, wird das dtinesisdte Volk . . . in der Lage sein, Sdiritt für Schritt seine eigene mächtige Großindustrie aufzubauen
Im Sommer 195 5 hielten die Führer des Pekinger Regimes die Zeit für gekommen, einen genauen Rechenschaftsbericht über die Situation abzulegl und verfaßten einen detaillierten Bericht über wirtschaftliche Probleme. Den Engländern gelang es, den vollen Wortlaut dieses Berichtes sicherzustellen. Sieerhielten dadurch Kenntnis von einer Reihe wichtiger Untersuchungsergebnisse, nämlich: daß Rußlands freiwillige Hilfe sich zum großteil auf Architekten, Konstrukteure und andere Fachleute begrenze, die beim Aufbau von 156 industriellen Hauptprojekten mitwirken, daß Peking für die Güter aus Rußland einen hohen Preis zu zahlen hätte, daß die Lebensmittel und andere Produkte, die im Inland dringend benötigt wurden, an Osteuropa als Austausch für industrielle Güter geliefert würden und daß diese Situation besonders enttäuchend für die chinesischen Kommunisten sei, die geglaubt hatten, daß Ihnen ein beac. tlicher Teil der industriellen Kapitalanlagen von Rußland geschenkt worden wäre
Die Gesellschaft für chinesisch-sowjetische Freundschaft, die von dem glühenden Russophilen Liu Schao-tschi geleitet wird, zielt darauf ab, „die freundsdiaftlidten Beziehungen zwischen China und der Sowjetunion zu entwickeln ut: d zu konsolidieren, die chinesisdi-sowjetische Zusammenarbeit zu fördern, die sowjetischen Erfahrungen beim politischen, wirtsdiaftlidten und kulturellen Wiederaufbau und die wissensdtaft-lichen Leistungen einzuführen sowie die starke Einheit der beiden Länder in dem gemeinsamen Kampf für einen dauernden Weltfrieden zu stärken."
Die Hauptarbeit der Gesellschaft zur Förderung pro-sowjetischer Gefühle besteht im Druck von Büchern, Broschüren und Zeitungen. Bei der Beeinflussung der Massen macht die Gesellschaft ebenfalls rege von sol-chen Mitteln Gebrauch wie Film, Lichtbildern und Rundfunksendungen. Eine beachtliche Unterstützung erhält sie von der sowjetischen Gesellschaft für kulturelle Beziehungen mit dem Ausland, abgekürzt (VOKS)
Durch VOKS hat die Gesellschaft für chinesisch-sowjetische Freundschaft engen Kontakt mit 64 sowjetischen Kulturorganisationen, denen sie regelmäßig Schallplatten, Filme und literarische Arbeiten zur Verfügung stellt, die den revolutionären Kampf Chinas und den nationalen Wiederaufbau behandeln
Liu Schao-tsch’i berichtete, „China habe einigen Hundert Studenten das Studium in der Sowjetunion ermöglicht und werde auch künftig eine große Zahl von Studenten nach dort entsenden
Von Anfang an hat die Sowjetregierung großen Geschmack an der Verbreitung des sowjetischen Kultur-Einflusses in China gefunden. 1949 besuchte eine Delegation von Kulturexperten Teile von China für einen Monat, die von Fadejew und Somonow geleitet wurde. Einige der Teilnehmer dieser Delegation hielten vor dem chinesischen Volk eine Reihe von Vorträgen
Erziehung ist ein lebenswichtiger und entscheidender Prozeß für die Persönlichkeitsbildung und die Verbreitung von Kenntnissen und Ideen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es wichtig zu wissen, daß der sowjetische Einfluß in der Erziehung im kommunistischen China außergewöhnlich groß ist. Unter der Leitung sowjetischer Pädagogen entspricht das Erziehungssystem im Geiste wie in der Struktur dem sowjetischen. Am 25. Mai 1953 berichtete Radio Moskau, daß sowjetische Lehrbücher von Experten chinesischer Universitäten „in Massen übersetzt“ würden
Die chinesisch-sowjetische diplomatische Zusammenarbeit war und ist gegen die Vereinigten Staaten gerichtet. Das geht eindeutig aus Dokumenten hervor und läßt keinen Raum für Zweifel. Doch warum? Die chinesischen Kommunisten sind Kommunisten und nicht mehr Agrarreformer. Als Kommunisten fühlen sie sich natürlich mit ihren sowjetischen Brüdern verbunden, um die Weltrevolution zu fördern, den Kapitalismus zu bekämpfen und die Vereinigten Staaten anzugreifen, die sie als Führer des kapitalistischen Lagers betrachten. Um den sowjetischen Einfluß in China zu stärken, mußte der amerikanische Einfluß verächtlich gemacht und liquidiert werden. Viel von der anti-amerikanischen Atmophäre ist zumindest teilweise auf die sowjetische Propaganda und Hetze zurückzuführen. Beide, Sowjetrußland und das kommunistische China hegen den Ehrgeiz, sich in Asien zum Zwecke der kulturellen Assimilation und wirtschaftlichen Integration auszubreiten. Doch sie begegnen der Opposition der Vereinigten Staaten und seiner Verbündeten.
Im Falle Formosa wissen sie, daß die Nationalisten ihren Kampf noch nicht aufgegeben haben und ihr „come-back“ versuchen werden.
Da die Vereinigten Staaten die Insel „besetzt“ haben, (das ist die Annahme Pekings und Moskau) betrachten Peking und Moskau die Vereinigten Staaten als ihren Feind.
Wenden wir uns jetzt der chinesisch-sowjetischen Zusammenarbeit auf wissenschaftlichem Gebiet zu. Die Sowjetexperten haben durch ihre wissenschaftliche Ausbildung und Erfahrung ihren Beitrag bei der industriellen Planung und in der Geschäftsführung geleistet. Im Falle der Kapitalanlagen jedoch, die so notwendig für neue Entwicklungen in Industrie und Landwirtschaft sind, war die sowjetische LInterstützung mager. Während des Zweiten Weltkrieges hat Sowjetrußland erhebliche materielle Verluste erlitten. Er kann angenommen werden, daß Rußland sich in den nächsten Jahren darauf konzentrieren wird, selbst wieder auf die Beine zu kommen und sich auszudehnen und daher auch nicht in der Lage sein wird, an China viele industrielle Einrichtungen zu liefern.
Wenn Sowjetrußland ein Hauptexportland wäre und, sagen wir einmal, eine Milliarde Dollar jährlich in China investieren könnte, so würde Chinas wirtschaftliche Entwicklung gewaltig schnell voranschreiten. Unter den gegenwärtigen Umständen jedoch vollzieht sich Chinas wirtschaftliche Entwicklung nur langsam.
Auf kulturellem Gebiet ist die chinesisch-sowjetische Zusammenarbeit eine einseitige Angelegenheit. Das gesamte Propagandanetz und das gesamte Erziehungssystem sind darauf ausgerichtet, sowjetische Ideen und Ideale zu verbreiten und sowjetische Institutionen und ihre Praktiken in den Himmel zu heben, während der kulturelle Einfluß der Chinesen nur in kleinen Strömen nach Rußland einsickert. Tatsächlich ist der Aufbruch und die Verbreitung des sowjetischen Einflusses so groß, daß er eine Kraft erzeugen kann, „die mächtig genug wäre, Berge zu versetzen und Ozeane überlaufen zu lassen“, wie es Mao Tse-tung einmal vom Kommunismus gesagt hat