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Der V, SED-Parteitag und die „Vollendung" der Sowjetisierung Mitteldeutschlands | APuZ 34/1958 | bpb.de

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APuZ 34/1958 Der V, SED-Parteitag und die „Vollendung" der Sowjetisierung Mitteldeutschlands

Der V, SED-Parteitag und die „Vollendung" der Sowjetisierung Mitteldeutschlands

RUDOLF H. BRANDT

Unter der zentralen Losung „Sieg des Sozialismus in der DDR" hat das Zentralkomitee der SED im Juli 1958 vor den über viertausend Delegierten und Gästen des V. Parteitages seine Absicht bekundet, die Sowjetisierung Mitteldeutschlands „in wenigen Jahren" zum Abschluß zu bringen und so die „Vollendung des Sozialismus in der DDR“ herbeizuführen. Damit hat im vierzehnten Jahr der sowjetischen Besetzung ein neuer Abschnitt in der kommunistischen Unterdrückung der mitteldeutschen Bevölkerung begonnen, der nach den Plänen der SED-Diktatur weitere tiefgreifende Veränderungen der sozialen Struktur und der Lebensbedingungen in der Zone bringen soll.

Der letzte Abschnitt der „Übergangsperiode"

Abbildung 1

Welche umwälzende Bedeutung den Direktiven des V. SED-Partei-tages im Sowjetblock zugemessen wird,, zeigt sich deutlich, wenn sie im Zusammenhang mit den Grundsätzen der Strategie und Taktik des Kommunismus betrachtet werden.

Nach der kommunistischen Theorie ist der SED-Staat eine „Volksdemokratie“, also ein kommunistisches Herrschaftssystem, das den spezifischen politischen und ökonomischen Bedingungen der sogenannten „Übergangsperiode von Kapitalismus zum Sozialismus“ Rechnung trägt. Die „historische Aufgabe“ dieses Systems besteht darin, auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens schrittweise den Übergang zu sowjetichen Formen und Methoden zu vollziehen — in der Wirtschaft z. B.den privaten Sektor zu beseitigen — und so seinen „volksdemokratischen“ Charakter nach sowjetischem Vorbild in einen „sozialistischen“ zu verwandeln. Chruschtschow selbst betonte in seiner Rede auf dem V. SED-Parteitag unter Hinweis auf die „historische Rolle der Volksdemokratien“ mit besonderem Nachdruck, bisher habe allein die Sowjetunion — die nun der „kommunistischen Gesellschaftsordnung“ entgegengehe, — den „sozialistischen“ Aufbau vollendet, aber nun seien gegenwärtig auch mehrere volksdemokratische Staaten dabei, den „Aufbau des Sozialismus zu vollenden“ und damit die Übergangsperiode abzuschließen.

Er sagte dazu u. a.:

„Bisher wurde erst in einem Lande, in der Sowjetunion, der Aufbau des Sozialismus vollendet . . . Trotz aller Umtriebe der Feinde haben wir den Sozialismus aufgebaut und gehen jetzt erfolgreich der kommu-

nistischen Gesellsdraftsordnung entgegen.

Aber schon nimmt eine ganze Reihe volksdemokratischer Länder unmittelbar die Verwirklichung der Aufgabe in Angriff, den Aufbau des Sozialismus zu vollenden.

Es wird nicht lange dauern, und das chinesische, das bulgarische, das tsd'iechoslowakische Volk und die anderen freien Völker werden den Aufbau des Sozialismus vollendet haben. Nidtt mehr fern ist der Tag, an dem auch . . . alle Werktätigen der DDR . . . das lichte Gebäude des Sozialismus erridttet haben werden.

So hat bekanntlidi die Volksrepublik China den genossensdiaftlichen Zusammenschluss der Landwirtschaft bereits abgesdtlossen. In der Koreanischen Volksdemokratisdten Republik waren Ende 1957 bereits über 95 Prozent aller Bauernhöfe in Genossensdiaften vereint. In der Volksrepublik Bulgarien bewirtschaftet der sozialistische Sektor mehr als 92 Prozent der landwirtsdtaftlichen Nutzfläche. In der Tschecheslowakei umfaßt der sozialistisdie Sektor über 70 Prozent der landwirtsdiaft-lidten Gesamtfläche, in Albanien fast 70 Prozent usw.

Worin besteht heute, da unser Land große Erfolge in seiner Entwicklung . . . erzielt hat, eine Rolle? Darin, daß es den Weg zum Kommunismus bahnt, darin, daß die Sowjetunion als der stärkste, als der wirtschaftlich am meisten entwidzelte Staat anderen Ländern die uneigennützigste Hilfe erweist, denn sie betrachtet den Aufbau des Sozialismus in jedem Land und die Erfolge aller Völker, die den Sozialismus errichten als ihre ureigene Sache, als ihren Erfolg ... Wir verstehen, daß man nicht allein zum Kommunismus schreiten kann, losgelöst von seinen Brüdern — den Völkern der sozialistischen Länder; man muß einander helfen und durch gemeinsame Anstrengungen die Zurückgebliebenen auf das Niveau der Fortgeschrittenen bringen. Zum Kommunismus werden wir auf breiter Front gelangen In dieser Darstellung Chruschtschows erscheint die „Vollendung des Sozialismus in der DDR“ als Teil eines kommunistischen Gesamtplanes für die weitere gesellschaftliche Umgestaltung aller von der kommunistischen Diktatur beherrschten Länder und für die Einwirkung auf die Entwicklung in den anderen Teilen der Welt. Was bedeutet nun „Vollendung des Sozialismus“ nach der kommunstischen Theorie? Das Modell ist der Status, den der Machtapparat und die soziale Struktur des sowjetischen Systems, in Rußland im Jahre 1936 erreicht hatten. Zu diesem Zeitpunkt war die Verfügungsgewalt über alle zu „sozialistischem Eigentum“ erklärten Produktionsmittel in vol-lem Umfange in den Händen des Diktators konzentriert und die Beseitigung des privaten Sektors in allen Wirtschaftszweigen abgeschlossen. Als einziges privatwirtschaftliches Rudiment gibt es seither in Rußland nur noch die individuell betriebene kleine „Nebenwirtschaft“ der Kolchosmitglieder. Dazu wird im Kapitel „Der Sieg des Sozialismus in der UdSSR“ im kommunistischen Lehrbuch „Politische Ökonomie" u. a. ausgeführt: „Der Sieg des Sozialismus bedeutete das Ende der Übergangsperiode . . . Im Jahre 1936 erreichte der Anteil der sozialistischen Wirtschaftsformen an der Gesamtmenge der Produktionsmittel 98, 7 Prozent, davon in der Industrie 99, 95 Prozent und in der Landwirtschaft 96, 3 Prozent. Der Sozialismus ist die Gesellschaftsordnung, die auf dem gesell-schaffliesten Eigentum an den Produktion Prozent. Der Sozialismus ist die Gesellschaftsordnung, die auf dem gesell-schaffliesten Eigentum an den Produktionsmitteln in seinen beiden For-men — dem staatliclten Eigentum (Volkseigentum) und dem genossen-sdiaftlich-kollektivwirtsdtaftlichen Eigentum — beruht . . . und in der das Prinzip der Verteilung nadt Arbeitsleistung verwirklicht wird. Mit dem Sieg des Sozialismus trat die UdSSR in das Stadium des allmählichen Übergangs vom Sozialismus zum Kommunismus ein“ 2). Was Ulbricht unter dem Leitwort „Sieg des Sozialismus in der DDR" auf dem V. SED-Parteitag über die unmittelbaren nächsten Maßnahmen und Ziele der SED-Diktatur in Mitteldeutschland sagte, entsprach in Sinn und Ausdrucksweise den Darlegungen des Lehrbuches „Politische Ökonomie“ über den „Sieg des Sozialismus“ in der LIdSSR. In der Zone gab es bisher nach kommunistischer Darstellung seit der sowjetischen Besetzung zwei Abschnitte in der „sozialen Umgestaltung" — die Zeit des „Aufbaus der antifaschistisch-demokratischen Ordnung“ von 1945 bis etwa 1952 und die Jahre der „Schaffung der Grundlagen des Sozialismus“ von 1952 bis 1958. Der jetzt begonnene dritte Abschnitt der Umgestaltung in Mitteldeutschland soll nach den Direktiven des V. SED-Parteitages den „Sieg des Sozialismus“ bis etwa 1961 herbeiführen. Im „Beschluß des V. Parteitages der SED über den Kampf um den Frieden, für den Sieg des Sozialismus, für die nationale Wiedergeburt Deutschlands als friedliebender demokratischer Staat" heißt es über die verschiedenen Entwicklungsabschnitte der Umgestaltung in der Zone unter anderem: „In den Jahren 1945 bis 1949 wurden die Aufgaben der bürgerlichdemokratischen Revolution unter der Führung der Arbeiterklasse und ihrer Partei auf dem Gebiet der DDR gelöst.

Ausgehend von der Leninsdten Lehre . . , stellte unsere Partei — der damaligen sozialen, politisdien und ökonomischen Lage und unter Berücksidttigung des Grades des Klassenbewußtseins der Arbeiter — die sozialistisdte Umwälzung nicht unmittelbar auf die Tagesordnung. . . . durch die sowjetischen Streitkräfte vor Interventionen der west-, liehen Imperialisten gesdiützt, organisierte die Arbeiterklasse die anti-faschistisdt-demokratisdie Umwälzung und beseitigte die Grundlagen des Imperialismus. Mit der Entwicklung der Arbeiter-und-Bauern-Macht, die eine Form der Diktatur des Proletariats ist, erfolgte der Übergang zur zweiten Etappe der Revolution. Im Jahre 1952 nahmen wir durch Besdiluß der 2. Parteikonferenz den planmäßigen Aufbau der Grundlagen des Sozialismus in Angriff . . . Die sozial-ökonomisdie Struktur in der DDR zeigt, daß . . . die Grundlagen des Sozialismus im wesentlichen geschaffen sind. Die Grundaufgabe in der DDR ist jetzt die Entwicklung der soziali-stischen Demokratie . . .der Sieg der sozialistischen Gesellschaftsordnung" 3). Was mit diesen Formulierungen gemeint ist, geht deutlich aus der Praxis während der vergangenen dreizehn Jahre und aus den Direktiven für den gegenwärtigen Entwicklungsabschnitt hervor. Die Zeit des „Aufbaues der antifaschistisch-demokratischen Ordnung“ war hauptsächlich ausgefüllt mit dem Aufbau eines totalitären Macht-und Verwaltungsapparates, dem faktischen Verbot der sozialdemokratischen Partei, der gewaltsamen Gleichschaltung der bürgerlichen Parteien sowie Monopolisierung der Großindustrie und des Maschinenparks der Landwirtschaft in den Händen der SED-Führung. Nach diesen Maßnahmen erklärte Ulbricht auf der 2. Parteikonferenz der SED im Juli 1952, jetzt sei die Zeit gekommen, den „Aufbau des Sozialismus“ zu beginnen, die „volksdemokratische Ordnung“ zu entwickeln und durch „Schaffung der Grundlagen des Sozialismus" zu festigen. Damals erfolgte die erste Welle der Kollektivierung der Landwirtschaft, eine scharfe Drosselung des privaten Sektors in Industrie und Handel sowie ein rapides Anziehen der Arbeitsnormen-Schraube in den Betrieben des staatlichen Sektors. Die katastrophalen Auswirkungen dieser tief einschneidenden Maßnahmen auf den Lebensstandard führten zu einer schweren wirtschaftlichen und politischen Krise und zum Juniaufstand 1953. Der Widerstand der Bevölkerung, die weitgehende Zersetzung der kommunistischen Organisationen und Funktionärkader, der schwere Rückschlag in der Planerfüllung und der schroffe Rückgang der Agrarproduktion zwangen die SED-Diktatur, den Prozeß der Umgestaltung sofort zu unterbrechen und teilweise rückgängig zu machen. Im Rahmen des „Neuen Kurses“ erfolgten Konzessionen an die Arbeiterschaft, die Kollektivierung der Landwirtschaft wurde gestoppt und dem privaten Sektor in den verschiedenen Wirtschaftszweigen wieder größere Betätigungsmöglichkeiten eingeräumt. Die weitere Umgestaltung unter der Parole „Schaffung der Grundlagen des Sozialismus" ging dann in den folgenden Jahren unter wesentlichen Einschränkungen und in einem bedeutend langsameren Tempo vor sich als z. B. in der Tschechoslowakei. In den fünf Jahren seit dem Juniaufstand 1953 wurde der „sozialistische Sektor“ in der Industrie auf einen Anteil von rund 89 Prozent der Bruttoproduktion, im Einzelhandel auf 70 Prozent des Umsatzes und in der Landwirtschaft auf rund 3 5 Prozent der Nutzfläche erweitert. Mit dieser Ausdehnung des sozialistischen Sektors ist nach offizieller kommunistischer Darstellung die „Schaffung der Grundlagen des Sozialismus" erfolgt.

Vor dem Ende des privaten Sektors

Der neue Entwicklungsabschnitt, der vom V. SED-Parteitag eingeleitet wurde, soll in Mitteldeutschland die Periode des Überganges vom „volksdemokratischen“ zum „sozialistischen“ Status der kommunistischen Diktatur durch die Beseitigung des restlichen privaten Sektors in der Wirtschaft beenden. Gegenwärtig gehören zu diesem Sektor noch über 700 000 Bauernwirtschaften, rund 240 000 selbständige Handwerksbetriebe, etwa 13 000 private kleine Industriebetriebe, annähernd 170 000 private Einzelhandelsverkaufsstellen und schätzungsweise ungefähr 50 000 freiberuflich Tätige und andere selbständige Gewerbetreibende.

Es’ sind insgesamt rund 1, 5 Millionen selbständige Gewerbetreibende, Ha" Iwerksmeister, Händler, Unternehmer Millionen selbständige Gewerbetreibende, Ha" Iwerksmeister, Händler, Unternehmer und Landwirte mit ihren ramilien, deren privatwirtschaftliche Existenzgrundlage die aufgezählten Betriebe des privaten Sektors bilden und die nach der Theorie der Kommunisten die restlichen „kapitalistischen Klassenkräfte“ in der Zone darstellen. Sie sollen nach den Beschlüssen des V. SED-Parteitages in wenigen Jahren faktisch enteignet und zu „schaffenden Werktätigen“ der kommunistischen Staats-und Kollektivbetricbe gemacht werden. Damit ist auch für die gegenwärtig noch im privaten Sektor beschäftigten rund 1, 5 Millionen Arbeiter und Angestellten, für die es bisher keine „Wettbewerbe um Erfüllung und Übererfüllung eines Plansolls“ gab, eine radikale Änderung der Arbeitsbedingungen verbunden. Sie sollen künftig als Arbeitskräfte der Staats-und Kollektivbetriebe ebenfalls nach kommunistischen Arbeitsnormen und Neuerermethoden im Rahmen von „sozialistischen Wettbewerben" arbeiten.

Einen gewissen Maßstab für das Ausmaß der Änderung der Besitz-verhältnisse und der sozialen Schichtung, die mit der Beseitigung des restlichen privaten Sektors verbunden ist, vermittelt ein Blick auf die Beschäftigtenzahlen in den verschiedenen Betriebsformen und Wirtschaftszweigen. Im Juli 195 8 arbeiteten von rund 8 Millionen Beschäftigten in Mitteldeutschland 5 Millionen im „sozialistischen“ Sektor und 3 Millionen im privaten Sektor der Wirtschaft. Von den 5 Millionen Beschäftigten des sozialistischen Sektors arbeiteten 2, 5 Millionen in den staatlichen Industriebetrieben (einschließlich Bau). Dazu kamen 2 Millionen Beschäftigte in den staatlichen Betrieben in Handel und Verkehr, bei der Eisenbahn und Post sowie in der Verwaltung. Auf den sozialistischen Sektor in der Landwirtschaft (VEG. MTS, LPG) entfielen rund 0, 5 Millionen Beschäftigte.

Von den 3 Millionen Beschäftigten des privaten Sektors arbeiteten im Juli 1958 rund 0, 7 Millionen ir privaten Industriebetrieben (einschließlich Bau). In selbständigen Handwerksbetrieben (ohne Bauhandwerk) gab es etwa 0, 6 Millionen Beschäftigte. Weitere 0, 6 Millionen Personen arbeiteten in privaten Verkehrs-und Handelsbetrieben. Die Zahl der Beschäftigten in Bauernwirtschaft und privaten Gärtnereien betrug rund 1, 1 Millionen.

Für die beabsichtigte Beseitigung des restlichen privaten Sektors im Wirtschaftssystem der SED-Diktatur gab Ulbricht auf dem V. SED-Parteitag zwei Hauptgründe an, einen politischen und einen ökonomischen. Er sagte, es sei notwendig, aus politischen Erwägungen die privatwirtschaftliche Betätigung ganz zu unterbinden, weil sie ein Nährboden der bürgerlichen, der kapitalistischen Ideologie sei und von ihr politische Störungen ausgingen. Weiter behauptete Ulbricht, die auf dem Parteitag verkündeten neuen höheren Produktionsziele könnten nur erreicht werden, wenn — neben einer erheblichen Steigerung der Arbeitsproduktivität in den Staats-und Kollektivbetrieben — die „Zersplitterung von Produktionsmitteln“ in der Kleinindustrie, im Handwerk, im Handel und in der Landwirtschaft auf viele kleine private Betriebe durch deren Zusammenfassung in größeren staatlichen und kollektiven Betriebseinheiten überwunden würde.

Die ökonomische Begründung ergänzt Ulbricht mit der Erklärung, die Arbeitsproduktivität werde außerdem durch die Einführung der kommunistischen Betriebs-und Arbeitsorganisation — mit Wettbewerben. Arbeitsnormen, Neuerermethoden und täglichem Plansoll — in den bisherigen Privatbetrieben bedeutend steigen. Im „Beschluß des V. SED-Parteitages“ wurden die politischen Motive für die Beseitigung des privaten Sektors u. a. in folgender Weise zum Ausdruck gebracht:

„Es gibt aber auch in der DDR innere Ursachen des Klassenkaiupfes, die ihre Wurzel haben int noch vorhandenen kapitalistischen Privateigentum . . . viele bürgerliche und kleinbürgerliche Anschauungen, die durch die Existenz kleinbürgerlicher Schichten ständig genährt werden . . . sind der sozialistischen Bewußtseinsbildung hinderlich“

4).

Mit den ökonomischen Gründen für die sogenannte „sozialistische Umgestaltung des Handwerks und der kapitalistischen Kleinindustrie“ beschäftigte sich Ulbricht auf dem Parteitag in Ostberlin u. a. in nachstehenden Ausführungen:

„Wenn jetzt, wie ich nachgewiesen habe, die weitere Steigerung der Arbeitsproduktivität zum Schlüssel der Lösung unserer ökonomischen Hauptaufgabe wird, dann zeigt sich, daß das Wachstum der Arbeitsproduktivität im Handwerk und der kapitalistischen Kleinindustrie in doppelter Hinsicht auf ernste objektive Schranken stößt. Einmal ist es die Zersplitterung der Produktion, die den Fortschritt der Arbeitsproduktivität und den Einsatz moderner Maschinen und Ausrüstungen hemmt; zum anderen ist es die Ausbeutung in diesen Betrieben, die verhindert, daß sie mit ihrer ganzen schöpferischen Kraft auf die Weiterentwicklung dieser Betriebe einwirken . . .

Auf verschiedenen Gebieten unserer Volkswirtschaft wirkt sich die Zersplitterung der Produktion durch das Privateigentum an den Produktionsmitteln besonders nachteilig aus. So vor allem im Bau-und Ausbaugewerbe. Die niedrige Arbeitsproduktivität in den Betrieben des privaten Bau-und Baunebengewerbes, die Tatsache, daß auf einem Bau oft mehrere kleine Firmen nebeneinander arbeiten, ist eine der maßgeblichen Ursachen dafür, daß bei der Durchführung unserer Bauvorhaben, besonders im Wohnungsbau, ernste Schwierigkeiten entstehen. Die sachliche Beurteilung der Tatsachen sagt, daß mit einer wesentlichen Produktionssteigerung im Handwerk und in der kapitalistischen Kleinindustrie bei Beibehaltung der jetzigen Produktionsverhältnisse nidtt mehr zu rechnen ist; das heißt, der Widerspruch zwischen Produktionsverhältnissen und Produktivkräften ist in diesen Sektoren zur Lösung reif geworden.

Deswegen schlagen wir den Handwerkern und den kleinen Unternehmern vor, die Probleme der sozialistischen Umgestaltung in sachlicher Aussprache mit den Vertretern der staatlichen Organe und der in der Nationalen Front des demokratischen Deutschland zusammengeschlossenen Parteien zu erörtern, sich über den genossenschaftlichen Zusammenschluß der Handwerker und die staatliche Beteiligung zu unterrichten und diese Wege auf der Grundlage der Freiwilligkeit zu beschreiten . . . 5)

Enteignung von 240 000 Handwerksbetrieben

Schon seit einigen Jahren propagierte die SED-Diktatur den Zusammenschluß der selbständigen Handwerker zu sogenannten „Handwerksproduktionsgenossenschaften (HPG)“. Es kam jedoch nur dort zur Bildung solcher Kollektivbetriebe, wo linientreue Funktionäre alle bisher verfügbaren administrativen und sonstigen Druckmittel anwandten. Die meisten der zuständigen Partei-und Staatsfunktionäre aber zeigten keinen Eifer in dieser Richtung; sie förderten oft sogar unter Mißachtung der Parteidirektiven aus rein fachlichen und wirtschaftlichen Erwägungen selbständige Handwerksbetriebe und auch private Industriebetriebe. Das geschah vor allem dann, wenn im Verantwortungsbereich dieser Funk-tionäre bestimmte Engpässe oder Rückstände in der Planerfüllung nur durch Einschaltung des privaten Sektors gemindert oder überwunden werden konnten. Seit etwa zwei Jahren beschäftigte sich jede Tagung des SED-Zentralkomitees mit diesem Problem, ohne eine wesentliche Änderung erreichen zu können. Deshalb gab es zur Zeit des V. Partei-tages in der Zone erst 1 304 HPG mit rund 3 3 000 Handwerksmeistern und Gesellen als Mitglieder.

Das Vorbild für die HPG, in denen die etwa 240 000 mitteldeutschen Handwerksbetriebe mit rund 800 000 Beschäftigten (einschließlich Bau-handwerk) jetzt in schnellem Tempo aufgehen sollen, sind die Gewerbe-Artels in der UdSSR, deren Mitgliederzahl immer mehr zurückgeht, weil aus vielen Gewerbe-Artels mit der Zeit staatliche Betriebe gemacht wurden. In vielen Zweigen des Handwerks ist auch in der Zone die spätere Umwandlung von HPG in staatliche Industriebetriebe vorgesehen.

Ulbricht sagte auf dem V. Parteitag über die Entwicklung und Förderung der HPG u. a.:

„In den Produktionsgenossenschaften des Handwerks arbeitet der ehemalige Geselle gleichberechtigt neben dem früheren selbständigen Handwerksmeister, und es erfolgt eine Kooperation der Arbeit der früheren Einzelbetriebe . . . Die bestehenden Produktionsgenossenschaften des Handwerks sind weitgehend zu fördern und zu Musterbeispielen genossenschaftlicher Arbeit zu entwidteln. Die örtlichen Organe der Staatsmacht müssen die Leistungen der Produktionsgenossenschaften entwicl^eln und lenken. Die Besteuerung der Produktionsgenossenschaften muß endgültig festgelegt werden, in solcher Weise, daß sie besser gestellt werden als die Betriebe der Einzelhandwerker.

Was die Materialversorgung betrifft, so sind Maßnahmen zu treffen, die gewährleisten, daß die Produktionsgenossenschaften des Handwerks bevorzugt mit Material versorgt werden"

Damit ist das weitere Schicksal der selbständigen Handwerksbetriebe in die Hände der örtlichen Partei-und Staatsorgane gelegt, die angewiesen sind, in kurzer Frist die Kollektivierung des Handwerks durchzuführen. Die theoretische Formel, der Zusammenschluß zu Kollektiv-betrieben müsse „auf der Grundlage der Freiwilligkeit“ erfolgen, hat in der Praxis nur formale Bedeutung. Die Voraussetzung der Freiwilligkeit gilt als erfüllt, wenn der Betroffene vollendete Tatsachen nachträglich mit einem formalen Ja zu einem Arbeitsplatz in einem Kollektiv-betrieb anerkennt, weil er keine andere Wahl mehr hat. Nach kommunistischer Darstellung ist die Kollektivierung in der UdSSR und die bisherige teilweise Kollektivierung in Mitteldeutschland auch auf der Grundlage der „Freiwilligkeit“ durchgeführt worden.

Die selbständigen Handwerker in den Dörfern will die SED-Diktatur nicht in HPG zusammenfassen, sondern zu Mitgliedern der LPG machen. Der „Beschluß des V. SED-Parteitages“ enthält zu dieser Frage folgende Anweisung:

„. . . die Einzelhandwerker auf dem Lande, wie z. B. Schmiede, Tischler und Stellmacher, sind verstärkt für den Eintritt in landwirtschaftliclte Produktionsgenossenschaften zu gewinnen"

Die Durchführung dieser Maßnahmen bedeutet die Liquidierung des selbständigen Handwerks in Stadt und Land. Bis Ende 1959 sollen nach einer Anweisung der Staatlichen Plankommission mindestens 50 Prozent aller Handwerksbetriebe kollektiviert sein.

Die „Staatsbeteiligung" an 13 000 privaten Industriebetrieben

Die Umwandlung der restlichen annähernd 13 000 privaten kleinen Industriebetriebe mit etwa 530 000 Beschäftigten soll nach den Beschlüssen des V. SED-Parteitages zunächst durch „staatliche Beteiligung“ in halbstaatliche und damit „halbsozialistische“ Betriebe geschehen. Grundsätzlich ist beabsichtigt, diese Betriebe im Verlauf der weiteren Umgestaltung völlig zu verstaatlichen. Die prvaten Industrie-betriebe in Mitteldeutschland, die bis jetzt noch nicht verstaatlicht wurden, sind überwiegend kleinere Betriebe der Konsumgüter-Industrie. In der Leichtindustrie entfielen z. B. 1957 noch etwa 25 Prozent der Brutto-produktion auf die privaten Betriebe. Am höchsten war in diesem Industriezweig der private Anteil in der „Erzeugnisgruppe Bekleidung, Wäsche und andere Näherzeugnisse“; er betrug über 40 Prozent.

Die „staatliche Beteiligung“ als eine Methode der allmählchen UmWandlung von privaten Betrieben in kommunistische Staatsbetriebe wurde zuerst im kommunistischen China praktiziert und damit begründet, auf diese Weise könnten die fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen des Unternehmers dem sozialistischen Aufbau nutzbar gemacht werden. In den letzten Jahren ist sie auch in anderen Volksdemokratien angewendet worden. Grundsätzlich wird diese Methode nur gegenüber solchen Besitzern privater Industriebetriebe als zweckmäßig betrachtet, die selbst unmittelbar als Fachleute in der Leitung des Betriebes tätig sind.

Die Zahl der halbstaatlichen Betriebe im SED-Staat war bis Mitte 1958 noch gering. Ihr Anteil an der gesamten industriellen Brutto-produktion im Jahre 1957 wurde offiziell mit 1, 2 Prozent, der Anteil der privaten Industriebetriebe ohne Staatsbeteiligung mit 10, 1 Prozent angegeben. Durch neue Maßnahmen soll das Tempo der Umwandlung der privaten Industriebetriebe beschleunigt werden. Lll'bricht sagte dazu auf dem V. SED-Parteitag u. a.:

„Die gegenwärtig bei der staatlidten Beteiligung angewandte juristische Form reicht nicht aus, um alle privatkapitalistisdien Betriebe in die schrittweise sozialistische Umhandlung einzubeziehen. Deshalb müssen weitere juristische Formen für die Aufnahme der staatlid^en Beteiligung geschaffen werden. Unsere Kreditpolitik und die Verteilung der Produktionsmittel fördern nodt ungenügend die Umgestaltung der Privatindustrie.

Die sozialistisdte Umgestaltung . . .der Privatindustrie ist ein Bestandteil unserer planmäßigen Entwicklung und muß auf der Grundlage der örtlid'ien Perspektivpläne erfolgen“

Wesentlich ist den Kommunisten bei der schrittweisen Enteignung und Übernahme dieser Betriebe — neben der unmittelbaren Eingliederung in die Organisation der staatlichen Industrie und der direkten Entscheidung über Entwicklung und Verwendung ihrer Kapazität — das sogenannte „neue Verhältnis der Arbeiter zum Betrieb“. Nadi der Parteidoktrin gilt es als „Verrat an den Klasseninteressen“ und „Hilfeleistung für den Klassenfeind“, wenn sich die Kommunisten in privaten Betrieben auf die Seite der Betriebsleitung stellen. Ist aber eine „Staatsbeteiligung“ erfolgt, dann verlangen die Partei-und Staatsorgane von den Belegschaften dieser Betriebe maximale Arbeitsleistungen und stellen den Betriebsfunktionären die Aufgabe, die Betriebsleitung zu unterstützen und ihre Tätigkeit in erster Linie auf die Planerfüllung und die Steigerung der Arbeitsproduktivität auszurichten. Zu diesem Thema sagte Ulbricht auf dem V. SED-Parteitag u. a.:

„Durdt die staatliche Beteiligung an privaten Industriebetrieben wird die Ausbeutung eingesdiränkt, ein neues Verhältnis der Arbeiter zum Betrieb entwidzelt und werden sdtrittweise die alten hemmenden kapita-listisdien Produktionsverhältnisse überwunden.

Es werden dadurch Voraussetzungen für die aktive Einflußnahme der Arbeiter auf die Steigerung der Arbeitsproduktivität und die Entwicklung des Betriebes gesdraffen. . . . Die Arbeiter sollten das Mitbestim-mungsrecht, den Wettbewerb, die Neuererbewegung, Produktionsberatungen und ökonomisdie Konferenzen zur Anwendung bringen und da-durdt auf die gesellsdiaftlidie und ökonomisdie Entwiddung des Betriebes Einfluß nehmen.

Die sdirittweise sozialistisdte Umgestaltung der privaten Industrie-betriebe führt zur allmählichen Llmwandlung des kapitalistischen Unternehmers zum sdiaffenden Werktätigen und gibt ihm an der Seite der Arbeiterklasse und der übrigen Werktätigen eine sidtere soziale Grundlage"

Wenige Monate vor dem V. SED-Parteitag wurden bei den FDGB-Leitungen „Kommissionen für Privatbetriebe“ gebildet, um die „politische Massenarbeit“ in den privaten Industriebetrieben und in den selbständigen Handwerksbetrieben zu organisieren. Der prinzipielle Unterschied der Aufgaben der FDGB-Funktionäre vor und nach Übernahme einer Staatsbeteiligung stellte die zentrale „Kommission für Privatbetriebe“ beim FDGB-Bundesvorstand im Kommunique über ihre erste Sitzung, die am 28. März 1958 stattfand, nachdrücklich in folgender Weise heraus:

„In den Betrieben mit staatlicher Beteiligung hält es die Kommission für erforderlidi, die Ausspradte mit den Arbeitern und Angestellten über ihre Verantwortung als Sadiwalter für das staatlidie Eigentum fortzusetzen. . . . Durdt die beharrliche Erläuterung der politisdien und ökonomischen Zusammenhänge der staatlidren Beteiligung sind die Arbeiter und Angestellten für die Teilnahme am Arbeitswettbewerb zur Erfüllung der staatlidien Aufgaben und der Festigung der neuen Produktionsverhältnisse in diesen Betrieben zu gewinnen. . . .

Die Ausspradte mit allen Arbeitern und Angestellten in den privat-

kapitalistisdien Betrieben über die sozialistischen Perspektiven sollte fortgesetzt werden, damit sie helfen, die Unternehmer für die freiwillige Aufnahme der staatlidien Beteiligung zu gewinnen. . . . Die Gewerk-

schaftsleitungen in den privatkapitalistisdien Betrieben müssen ihr ge-

werkschaftlidies Mitbestimmungsredit hinsichtlidt der Wahrung der gesamtstaatlidien Interessen stärker geltend machen und ihre Forderungen zur termingemässen Abführung der Steuern sowie zur Begleidtung der Steuersdtulden an den Staat gegenüber den Unternehmern durchsetzen“

Den Besitzern privater Industriebetriebe wird keine Wahl gelassen:

man verspricht ihnen eine „persönliche Perspektive“ in leitender betrieblicher Position als „schaffende Werktätige“, wenn sie mit der „Staatsbeteiligung“ einverstanden sind. Lehnen sie ab, haben sie im kommunistischen Machtbereich überhaupt keine „Perspektive“ mehr. Wenige Tage nach dem V. SED-Parteitag zitierte Grotewohl in einer Rede eine Darstellung der Situation der privaten Unternehmer in der Zone, die er als zutreffend bezeichnete und in der es u. a. hieß: „Nadi den Darlegungen hat der Privatunternehmer in unserer Republik zwei Möglidikeiten: Er kann sich gegen die Entwiddung stemmen, oder er bejaht sie bewußt und paßt sich dieser Entwicklung an. Wer sich als einzelner dieser Gesamtentwicklung entgegenstellt, handelt wie Don Quichotte, der den Kampf gegen die Windmühlenflügel führen will. Er kann auf die Dauer nidtt bestehen. ... Ich habe solche Diskussionen mit meinen Kollegen, daß die staatlidie Beteiligung doch nur eine Form des Übergangs sei; auf einer bestimmten Höhe der Entwicklung zum Sozialismus würden diese Betriebe dann voll in das gesellsdiaftlidte Eigentum übergeführt werden. Das ist richtig. . . . Wenn ich mich also gegen diese Entwiddung stemmen will, dann gibt es nur nodt eine Frage zu beantworten, und das ist die der Republik-flucht“ Für die schnelle Übernahme der restlichen privaten Industriebetriebe durch die Methode der Staatsbeteiligung haben die Parteiorgane in den Bezirken und Kreisen des SED-Staates bestimmte Termine und Sollzahlen festgelegt. In der Entschließung der SED-Bezirksdelegiertenkonferenz Berlin vom 27. Juni 1958 hieß es z. B.: „Bis Ende 1958 muß die Zahl der mit staatlidier Beteiligung arbeitenden Betriebe verdoppelt werden“ Offensichtlich ist beabsichtigt, die „Staatsbeteiligung“ an privaten Industriebetrieben als erste Stufe der Enteignung in wenigen Jahren allgemein durchzusetzen.

Liquidierung des privaten Einzelhandels

Den restlichen privaten Einzelhandel in Mitteldeutschland will die SED-Diktatur nach dem Beschluß des V. SED-Parteitages durch Kommissionsverträge — bei größeren Betrieben auch durch Staatsbeteiligung — in schnellerem Tempo als bisher in den staatlidien Sektor im Einzelhandel eingliedern. Mitte 1958 gab es in Mitteldeutschland noch annähernd 170 000 private Einzelhandelsbetriebe, darunter über 26 000 Gaststätten und Hotels. Diese privaten Betriebe waren am gesamten Einzelhandelsumsatz noch mit 30 Prozent beteiligt. Über die Methoden zur Einbeziehung des privaten Einzelhandels in die Entwiddung zum „Sieg des Sozialismus“ sagte Ulbricht auf dem V. SED-Parteitag u. a.: „Die Erarbeitung weiterer Formen der sozialistischen Umgestaltung gilt auch für den Einzelhandel. Bisher erfolgte der Absdduß von Kommissionsverträgen zwischen dem staatlichen Großhandel und dem privaten Einzelhandel sowie zwischen den Konsumgenossenschaften und dem privaten Einzelhandel auf dem Lande. Um jedodi den Kommissionshandel stärker als bisher in das Versorgungssystem des sozialistischen Einzelhandels des jeweiligen Kreises einzubeziehen, wird vorgeschlagen, die bestehenden Kommissionshandelsverträge vom sozialistischen Großhandel auf den sozialistischen Einzelhandel zu übertragen und alle künftigen Kommissionshandelsverträge durch den sozialistischen Einzelhandel abschließen zu lassen. Die Form des Kommissionshandelsvertrages reicht jedoch allein nicht aus zur Einbeziehung des privaten Einzelhandels in die sozialistische 9

Entwidüung. Es sollte geprüft werden, ob es nicht zwed^mäßig ist, für größere Einzelhandelsbetriebe, Gaststätten und Hotelbetriebe, ähnlidt wie in der Produktion, die staatlidie Beteiligung anzuwenden. Dadurch wird ein größerer Einfluß auf die gesellsdiaftlidie Entwicklung der privaten Einzelhändler erreidit und der Charakter der Betriebe sowie die Stellung der Beschäftigten in den Betrieben verändert"

Kommissionsverträge und Staatsbeteiligung beseitigen praktisch den privatwirtschaftlichen Charakter der betroffenen Einzelhandelsbetriebe und ihre weitere Umwandlung in staatliche oder kollektivwirtschaftliche Betriebe ist nur noch eine formale Angelegenheit.

Auch die wenigen privaten Großhandelsunternehmen, die im Juli 19 58 noch mit ungefähr 5 Prozent am gesamten Umsatz des Großhandels beteiligt waren, sollen faktisch in den staatlichen Sektor eingegliedert werden. Dazu wird im Beschluß des V. SED-Parteitages ausgeführt:

„Wir halten es für notwendig, mit der Zersplitterung im Großhandel Sdtluß zu madien und schlagen vor, unter staatlidier Leitung und Kontrolle die Großhandelsorgane aller Eigentumsformen in Großhandels-

gesellsdiaften zusammenzufassen“


700000 Bauernfamilien verlieren ihre Höte

Die sogenannte „sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft" wurde im Beschluß des V. SED-Parteitages als „die komplizierteste Aufgabe in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus“ bezeichnet. Mit der Kollektivierung der Landwirtschaft liegt die SED-Diktatur hinter den anderen Volksdemokratien, die sich in der Endphase des sozialistischen Aufbaues befinden, wie z. B. Tschechoslowakei, Bulgarien und China, noch weit zurück. Anfang April 1958 gab es in der Zone 7 367 LPG mit einer Nutzfläche von 1 791 560 Hektar und 2 57 OOO Mitgliedern. Der Anteil der LPG an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche betrug zu diesem Zeitpunkt 27, 7 Prozent, hinter den Mitgliedern der LPG waren nur ungefähr 65 OOO ehemalige Bauern. Über zwei Drittel der LPG-Mitglieder waren Landarbeiter und Angehörige anderer Berufe; letztere meist aus Industriebetrieben und staatlichen Verwaltungen abkommandiert. Der größte Teil der früheren Besitzer der bisher kollektivierten Bauernwirtschaften war während der ersten Kollektivierungswelle vor dem Juniaufstand 1 9 53 von ihren Höfen vertrieben worden. Wegen Mangel an Funktionären und Arbeitskräften blieb ein beträchtlicher Teil der damals enteigneten Flächen unbewirtschaftet und wurde in den folgenden Jahren im Rahmen der „Örtlichen Landwirtschaftsbetriebe“ (ÖLB) verwaltet, jedoch kaum bearbeitet. Die Staatsorgane boten noch im vergangenen Jahr den LPG und auch den Bauern für die Übernahme der Bearbeitung von Flächen der ÖLB bedeutende Vergünstigungen an. Wegen Mangel an Arbeitskräften sind die Kommunisten in der Zone entgegen ihrer frühren Anordnung jetzt auch bereit, die Besitzer von Wirtschaften über 20 Hektar Nutzfläche als Arbeitskräfte in die LPG aufzunehmen. Obwohl diese Schwierigkeiten nicht geringer geworden sind und außerdem fast alle LPG unrentabel arbeiten und geringere Leistungen je Hektar aufzuweisen haben als die Bauernwirtschaften, hat der V. SED-Parteitag beschlossen, in wenigen Jahren auch die noch vorhandenen über 700 000 Bauernwirtschaften, die Mitte 195 8 noch 6 5 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche bearbeiteten, zu kollektivieren. Ulbricht behauptete, die Planziele für die landwirtschaftliche Erzeugung könnten nur durch die totale Kollektivierung erreicht werden und führte dazu auf dem Parteitag u. a. aus: „Die großen Ziele des zweiten und dritten Fiinfjahrplans für die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion können doch nur verwirklicht werden, wenn in jedem Dorf überlegt wird, wie sich nun entsprechend diesen Zielen die Produktion weiterentwidtelt. Da die genossenschaftliche Zusatmaenarbeit klar ihre Überlegenheit bewiesen hat, ist verständlich, daß damit die Frage verbunden ist, wie im Dorf das Nebeneinanderarbeiten der Bauern zum Miteinanderarbeiten wird. Es gibt dabei noch manchen Bauern, der zunädtst noch sagt, warum sollen wir mit der LPG neue Aufbauarbeit beginnen? Haben wir nidtt unsere Einzelwirtschaft gut entwickelt und damit zur besserer! Versorgung der Bevölkerung beigetragen? Wir können diesen Bauern nur antworten: Jawohl, die werktätigen Bauern haben, unterstützt von der Arbeiterklasse, mit dem Aufbau ihrer Wirtschaften gute Leistungen vollbracht. Aber jetzt befinden wir uns in einer Etappe, wo wir mit der Entwicklung der Einzelwirtsdmften nicht mehr weiterkommen. . . . Den Weg in eine glücklidte sozialistische Zukunft können wir jedoch auf der Grundlage der Einzelwirtschaft nicht beschreiten. Auf dieser Basis bleiben viele Probleme des alten Dorfes ungelöst. Solange die Einzelwirtschaft existiert, bleibt selbst in den besten Betrieben dfe Produktion rückständig, und hohe Produktionsleistungen werden mit großen Arbeitsanstrengungen, mit Vergeudung von Arbeitskraft und mit Verzicht auf ein kulturvolles Leben erkauft, weil für Wissenschaft und Technik die Anwendungsmöglidtkeiten versdrlossen bleiben. Die große Aufgabe besteht darin, mit allen Kräften den Aufsdiwung und die Ausdehnung der sozialistisdten Produktion und die Änderung der gesamten Lebensverhältnisse im Dorf zu fördern und so mit dem Mittel des Beispiels und der Überzeugung die Bauern für den sozialistischen Weg in der Landwirtsdtaft zu gewinnen“ Auch im Beschluß des V. SED-Parteitages wurde behauptet, auf privatwirtschaftlicher Grundlage könne die landwirtschaftliche Erzeugung nicht genügend gesteigert werden, um gemäß dem Planziel bis 1962 die Versorgung der Bevölkerung mit Fleisch, Milch, Eiern und tierischem Fett allein aus der mitteldeutschen Erzeugung zu sichern. Wörtlich wird dazu im Parteitags-Beschluß ausgeführt: „Die isolierte Arbeit der Einzelbauern in ihrem kleinen Beirieb führt zur Stagnation im privaten Sektor der Landwirtsdtaft. Durdi die ungleichmäßige Entwiddung der Bauernwirtschaften steigt die gesamtpro-duktion der Einzelbetriebe nur nodt wenig, da diese beschränkten Produktionsverhältnisse die Ausnutzung und Entfaltung der modernen Agrarwissenschaften und der modernen Technik hemmen. Dieser Widerspruch läßt sidt nur durch den Zusammenschluß der Einzelwirtsdiaften zu landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften lösen“ Diese zynische Begründung empört die Menschen in den mitteldeutschen Dörfern besonders deshalb, weil die Diktatur hier selbst der Entwicklung der Produktivität der Bauernwirtschaften entgegenwirkt und z. B.den Bauern keine legale Möglichkeit gibt, Traktoren zu kaufen. Der Bedarf der Bauern an Maschinen, Geräten und Ausrüstungen wurde in den Wirtschaftsplänen kaum berücksichtigt. Den Bauern wurde auch nicht erlaubt, sich gemeinsam größere Maschinen zu kaufen. Dazu kamen die höheren Gebühren für die Leistungen der MTS und viele weitere Benachteiligungen der Bauernwirtschaften gegenüber den LPG. Das ZK der SED hat andererseits selbst wiederholt öffentlich zugeben müssen, daß die vielseitig bevorzugten und subventionierten, überwiegend schon seit fünf Jahren bestehenden LPG zum größten Teil unrentabel wirtschaften und mit ihren Erträgen hinter den Leistungen der systematisch vom SED-Staat behinderten Bauernwirtschaften zurückbleiben. Auf der 33. ZK-Tagung der SED im Oktober 1957, die den vom V. Parteitag beschlossenen Kurs einleitete, bestätigte Ulbricht dieses Zurückbleiben mit der Aufforderung an die Agrarfunktionäre: „. . . systematisch daran zu arbeiten, daß die Marktproduktion der LPG in allen Produkten bis 1960 die durchschnittlichen Ergebnisse unserer Landwirtsdtaft erreicht“ Den MTS stellte der DDR-Ministerrat in seinem „Beschluß zur Förderung der weiteren sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft“ vom 12. Juni 195 8 in diesem Zusammenhang die folgende Aufgabe: „Der Einsatz der Maschinensysteme ist von den MTS so zu organisieren, daß die LPG unter Einhaltung der agrotechnischen Termine gegenüber den werktätigen Einzelbauern führend sind und bereits im Jahre 1958 in der Rege! die Hektarerträge der Einzelbauern bei allen Kulturen erreichen und übertreffen“ Selbst wenn dieses Ziel erreicht würde, dann wäre das kein Beweis einer „überlegenen Produktivität“ der LPG, sondern nur das Ergebnis einer gesteigerten Subventionierung der LPG und der verschärften Behinderung der Bauernwirtschaften. So wurde den MTS z. B. verboten, Vollerntemaschinen auf den Feldern der Bauern einzusetzen. Auf einer Konferenz der MTS-Funktionäre im Januar 1958 erklärte ZK-Sekretär Mückenberger über das Verhältnis der MTS zu den Bauern: „Dabei muß es allerdings für alle Stationen bindend sein, daß die modernen Vollerntemasdtinen aus Gründen ihrer rentablen Ausnutzung nicht auf den Feldern der Einzelbauern, sondern nur auf den Groß-ßädien der LPG eingesetzt werden dürfen. Durch den Einsatz von Kombines auf den Flächen der Einzelbauern entstehen durch die Vielzahl der Wendungen hohe unproduktive Zeiten. . . . Heute gehört es zur Aufgabe . . .der MTS, bei den Bauern Klarheit über die ökonomische Überlegenheit der LPG gegenüber den einzelbäuerlichen Wirtscl'taften zu schaffen“

Zu dieser Zeit wurde auch damit begonnen, MTS-Traktorenbrigaden ständig den Leitungen der LPG zu unterstellen, um u. a.den ausschließlichen Einsatz auf den Flächen der LPG zu sichern. Ulbricht hatte diese Taktik gegenüber den Bauernwirtschaften schon auf der „Konferenz zur Verbesserung der Arbeitsweise der Partei“ im Dezember 1958 vor etwa 1 000 Sekretären der SED in Ostberlin erläutert und gesagt:

„Die Bauern haben die Ideologie des Kleinbesitzers, der an sein Eigentum denkt, daran interessiert ist, daß sein privates Eigentum sich vermehrt. . . . Jetzt, nadrdem der Widerspruch zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse auf dem Lande so kraß ist, wo wir die modernste Technik haben und auf der anderen Seite die kleinen . Handtücher“, auf denen die Einzelbauern arbeiten, muß dieser Widerspruch gelöst werden. Sie werden sich schon überzeugen, wenn sie mit den Händen ihre Kartoffeln ausbuddeln müssen, während die anderen mit den Kombines arbeiten . . .“

Damit war die Methode angedeutet, mit der eine „Überlegenheit“ der LPG herbeigeführt und die „Überzeugungsarbeit“ unter den Bauern geleistet werden soll: Einschränkung und spätere völlige Einstellung der MTS-Arbeiten, die noch bis 19 57 auf Feldern der Bauern zugelassen waren, und gleichzeitig Kurs auf ausschließlichen Einsatz des MTS-Maschinenparks in den LPG. So soll die Lage herbeigeführt werden, in der die Bauern, von modernen technischen Hilfsmitteln entblößt, gezwungen sind, „mit den Händen ihre Kartoffeln auszubuddeln“, während in den LPG bereits ein beträchtlicher Prozentsatz der Feld-und Stallarbeiten vollmechanisiert ist. Gleichzeitig wird jeder Versuch der Bauern, echte genossenschaftliche Formen gegenseitiger Unterstützung und Zusammenarbeit zu entwickeln als „konterrevolutionäre Tätigkeit“ bezeichnet und unterdrückt.

Nach den Direktiven der 33. ZK-Tagung der SED vom Oktober 19 57 sollten bis Ende 1960 mindestens 50 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Zone von LPG bewirtschaftet werden. In den folgenden Monater klärten Beauftragte des ZK auf den Tagungen in den Bezirken, diese Zielsetzung bedeute keineswegs die Festlegung eines bestimmten Tempos für die weitere Kollektivierung, es sei vielmehr anzustreben, möglichst schnell ein starkes Übergewicht des kollektivierten Nutzflächenanteils zu schaffen. Für den Bezirk Magdeburg wurde wenige Wochen nach dem V. SED-Parteitag die Aufgabe gestellt, den Anteil der LPG-Flächen bis 1960 auf mindestens 65 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche zu erhöhen. Das würde für diesen Bezirk den Anteil des gesamten sozialistischen Sektors in der Landwirtschaft — LPG und VEG — auf rund 7 5 Prozent steigern, da auf die VEG und andere staatliche Agrarwirtschaften hier etwa neun Prozent der gesamten Nutzfläche entfallen. Im Kreis Straußberg betrug der Anteil des gesamten sozialistischen Sektors an der landwirtschaftlichen Nutzfläche An-fang August 1958 bereits 70, 7 Prozent, im MTS-Bereich Prötzel, der zu diesem Kreis gehört, schon 86, 7 Prozent. Auch in anderen Kreisen hatte die Kollektivierung zu dieser Zeit den zunächst für 1960 geplanten 50-Prozent-Anteil an der Nutzfläche schon weit überschritten. Nach Angaben des ZK-Sekretärs Mückenberger waren Anfang August 195 8 über 300 Dörfer in der Zone bereits vollkollektiviert und gerade diese „vollgenossenschaftlichen Dörfer“ werden gegenwärtig als das erstrebenswerte Vorbild bezeichnet. Wenn dieses Tempo der letzten Monate beibehalten wird, ist damit zu rechnen, das spätestens bis 1961 die noch bestehenden über 700 000 Bauernwirtschaften restlos enteignet und in die Kollektivwirtschaften einbezogen sind.

Produktionsziele und Lebensstandard

Im Zusammenhang mit der vorgesehenen weiteren Umgestaltung der gesellschaftlichen Struktur in der Zone — durch Beseitigung der restlichen Privatwirtschaft — ist eine erhebliche Steigerung der Produktion geplant. Wie bereits dargelegt wurde, hat Ulbricht die Beseitigung des privaten Sektors als eine entscheidende Voraussetzung für die Erfüllung der Planziele bis 1961 bzw. 1965 bezeichnet. Die geplante Produktionssteigerung soll dazu beitragen, die sogenannte „ökonomische Hauptaufgabe“ zu lösen, über die im „Beschluß des V. SED-Parteitages“ u. a. folgendes ausgeführt wird: „Die ökonomische Hauptaufgabe besteht darin, die Volkswirtschaft innerhalb weniger Jahre so zu entwickeln, daß die Überlegenheit der sozialistischen Gesellschaftsordnung gegenüber der kapitalistischen Herrschaft umfassend bewiesen wird. Deshalb muß erreicht werden, daß der Pro-Kopf-Verbrauch der werktätigen Bevölkerung an allen wichtigen Lebensmitteln und Konsumgütern höher liegt als der Pro-Kopf-Verbrauch in Westdeutschland. Diese Aufgabe ist der Anteil unserer Republik am weltweiten Kampf für die friedliche Koexistenz und für den friedlichen Wettkampf zwischen der 'sozialistischen und der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Der Schlüssel zur erfolgreichen Lösung dieser ökonomischen Hauptaufgabe ist die rasche Steigerung der Arbeitsproduktivität“ Diese „ökonomische Hauptaufgabe“ soll nach den Ausführungen auf dem V. SED-Parteitag bis zum Jahre 1961 gelöst sein. Ulbricht sagte dazu wörtlich: „Wir schlagen der Arbeiterklasse und der ganzen werktätigen Bevölkerung der DDR vor, durdr gemeinsame größere Anstrengungen in den nächsten drei Jahren die ökonomische Hauptaufgabe bis 1961 zu lösen“

Bei der Formulierung der „ökonomischen Hauptaufgabe“ wurde die Erhöhung des Lebensstandards in der Zone in den Vordergrund gestellt; aus allen weiteren Ausführungen ging jedoch hervor, daß das Schwergewicht der Produktionssteigerung nicht auf den Gebieten liegen soll, die für die Versorgung der Bevölkerung entscheidend sind. Eine wesentliche Einschränkung machte Ulbricht hinsichtlich der geplanten Erhöhung des Pro-Kopf-Verbrauchs in der Zone mit der Bemerkung:

„Nachdem unsere Republik Westdeutschland bereits jetzt im Verbrauch pro Kopf der Bevölkerung bei fast allen Nahrungsmitteln überholt hat, werden wir auf Grund dieser Produktionssteigerung bis 1961/62 auch bei den wichtigsten industriellen Konsumgütern den Pro-

Kopf-Verbrauch Westdeutschlands erreichen oder gar überschreiten

Diese Behauptung, in der Zone sei der westdeutsche Pro-Kopf-Verbrauch „bei fast allen Nahrungsmitteln überholt“ und es bleibe nur noch die Aufgabe, bis 1961/1962 den westdeutschen Pro-Kopf-Verbrauch „auch bei den wichtigsten industriellen Konsumgütern“ zu erreichen, entspricht nicht den Tatsachen. Gegenwärtig gibt es in der Versorgung mit Lebensmitteln z. B. noch erhebliche Lücken. Über eine dieser Lücken sagte vier Wochen vor dem V. SED-Parteitag, auf der 36. ZK-Tagung, Politbüro-Mitglied Rau u. a.:

„Ein fühlbarer Mangel besteht auch in der Versorgung mit Obst.

Man kann zwar in diesem Jahr hoffen, daß unsere eigene Obsternte wesentlich besser wird als im Vorjahr und dadurch eine Erleichterung in der Obstversorgung der Bevölkerung eintritt. Es ist notwendig, umgehend dafür zu sorgen, daß den Gemeindeverwaltungen die Verantwortung für die Organisierung der Ernte im Bereich ihrer Gemeinde übertragen wird. Die Arbeiterkontrollen sollten sich auch dieser Frage annehmen. Um in Zukunft einen größeren 1 eil des Obstbedarfes der Bevölkerung aus der eigenen Ernte zu decken, ist es notwendig, daß in jedem Kreis, in jeder Gemeinde ein Plan des Anbaues von Obstbäumen cjusgearbeitet und durdigefiihrt wird; dabei kann man aud\ die Initiative von Sdmlkindern auswerten und sie anregen, daß jedes Schulkind, unter Anleitung von dazu befähigten Erwachsenen, seinen eigenen Obstbaum pflanzt und pflegt. Audi das Sammeln von Waldbeeren könnte in erhöhtem Maße organisiert werden" Hier wurde ein „fühlbarer Mangel“ in der Versorgung mit einheimischem Obst zugegeben. Die Versorgung mit Südfrüchten ist jedoch noch weit geringer; sie haben in der Zone noch immer Seltenheitswert und werden nur ausnahmsweise angeboten. Ungenügend und deshalb noch immer rationiert ist auch die Versorgung mit Kartoffeln. Wie die Lage in dieser Hinsicht ist, illustriert folgende Bekanntmachung für Ostberlin von Ende Juni 1958: „Die Anmeldungen der Kartoffelkarten für den Versorgungszeitraum 195S/59 sind in der Zeit vom 16. Juni bis 15. Juli beim Einzelhandel vorzunehmen. Ab sofort wird auf den Sonderabsdinitt 1 der Kartoffelkarte 1958/59 1 kg neue Kartoffeln zum Verkauf freigegeben" Für Ostberlin, das in der Versorgung gegenüber den anderen Großstädten in der Zone stets bevorzugt wird, weil es als „Schaufenster der DDR“ gilt, wurde dann ab 8. bis zum 31. August 1958 der Verkauf von Frühkartoffeln vorübergehend freigegeben, die Kartoffelkarten für den Versorgungszeitraum bis Oktober 1959 jedoch auch hier grundsätzlich beibehalten. Gäbe es einen Grund für die Rationierung der Versorgung mit Kartoffeln, wenn in der Zone der Pro-Kopf-Verbrauch bei „fast alle Nahrungsmitteln" höher wäre als in Westdeutschland, wie Ulbricht behauptete? Auch die Versorgung der mitteldeutschen Bevölkerung mit Milch ist noch völlig ungenügend und weit vom Pro-Kopf-Verbrauch in Westdeutschland entfernt. Es gibt noch immer Milchkarten für Kinder, Tbc-Kranke, werdende Mütter und einige andere Personengruppen. Diese Personen erhalten eine „Bezugsanmeldung“, die zum vorrangigen Bezug von täglich einen halben Liter Vollmilch berechtigt. Es gibt auch freiverkaufte Milch, aber weil das Gesamtaufkommen hinter der Nachfrage weit zurückbleibt, blieb die Rationierung im gleichen Umfange wie in den letzten Jahren bestehen. Gegen die Behauptung Ulbrichts, in der Zone sei „bei fast allen Nahrungsmitteln“ der Pro-Kopf-Verbrauch bereits höher als in Westdeutschland, könnten noch weitere Tatsachen angeführt werden. Aber diese Behauptung wurde auch von der mitteldeutschen Bevölkerung nicht ernst genommen und im Widerspruch zu dem, was Ulbricht behauptete, ist in der offiziellen Formulierung der „ökonomischen Hauptaufgabe“ allgemein davon die Rede, daß erst in einigen Jahren der gegenwärtige westdeutsche Stand des Pro-Kopf-Verbrauchs „an Lebensmitteln und industriellen Konsumgütern" erreicht werden soll. Auf dem V. SED-Parteitag wurde auch eine ganze Reihe von Maßnahmen genannt, die erst im Verlauf der nächsten Jahre ein entsprechendes Ansteigen des Pro-Kopf-Verbrauchs an Lebensmitteln ermöglichen sollen. So ist eine erhebliche Steigerung des Aufkommens an Fleisch, Milch, Fett, Eiern, Gemüse und Obst aus der Landwirtschaft der Zone geplant. Bei Fleisch, tierischem Fett und einigen anderen Erzeugnissen soll die Zunahme gleichzeitig bis 1962 den Fortfall der bisherigen Importe möglich machen. Ulbricht versprach u. a. auch eine bessere Versorgung mit Fisch und Fischwaren sowie mit Kaffee und Kakao. Nadi seinen Ausführungen über die industriellen Konsumgüter soll die Produktion von Lederschuhen, Textilien und Kühlschränken im Jahre 1961 erheblich höher sein als 1957 und die Rationierung von Braunkohlenbriketts für den Hausbrand soll bis dahin abgeschafft sein.

Was im Referat Ulbrichts und im Beschluß des V. SED-Parteitages für 1961 hinsichtlich der Versorgung mit Lebensmitteln und industriellen Konsumgütern ausgeführt wurde, ist weitgehend eine Wiederholung der Versprechungen, die bereits bei Beginn des ersten Fünfjahrplanes 51/55 gemacht wurden. Im „Gesetz über den Fünfjahrplan 1951 bis 1955" hieß es u. a.:

„Die Aufgabe besteht darin, den Vorkriegslebensstandard der Bevölkerung zu erreidten und bedeutend zu übersdireiten. . . . Spätestens im Jahre 1953 ist die Rationierung vollständig aufzuheben. . . . Durch die Steigerung der Produktion erhöht sich die Warenbereitstellung gegenüber 1950 auf das 2Vifache und übersteigt damit die Warenmenge des Jahres 1936"

Nadi der offiziellen Statistik stieg die industrielle Produktion im Verlauf des 1. Fünfjahrplanes im Jahre 195 5 um 89, 6 Prozent im Vergleich zu 1950; die Versorgung der Bevölkerung hatte sich aber gegenüber dem Stand von 1950 nicht wesentlich gebessert, sie war zeitweise durch die Krise des Jahres 1953 sogar schlechter geworden. Erst als sich die 19 53 erfolgte Herabsetzung schwerindustrieller Planziele und die nach dem Juniaufstand angeordneten Erleichterungen für den privaten Sektor ausgewirkt hatten, trat in den letzten Jahren eine fühlbare relative Verbesserung der Versorgung ein. Wenn jetzt entgegen der Erfahrung der Jahre 19 52/53 der damalige Kurs auf eine schnelle Liquidierung des privaten Sektors wiederaufgenommen wurde und zur Beseitigung der restlichen Privatwirtschaft bis etwa 1961 führen soll, dann werden erneute negative Auswirkungen auf die Versorgung nicht ausbleiben.

Die oppositionelle Gruppe im SED-ZK, Schirdewan, Wollweber und Oelßner, warnten besonders aus diesem Grunde vor dem Kurs, der jetzt auf dem V. SED-Parteitag festgelegt wurde.

Schwerindustrie weiter im Mittelpunkt

Tatsächlich liegt bei den Planzielen für die Zeit bis 1961 bzw. 1965 das Schwergewicht nicht bei der Entwicklung der Konsumgütererzeugung und der landwirtschaftlichen Produktion, sondern bei der weiteren vorrangigen Entwicklung der Schwerindustrie. Über diese Ziele sagte ulbricht auf dem V. SED-Parteitag u. a.: „Diese ökonomische Hauptaufgabe umfaßt den entsprechenden Ausbau der Grundstoffindustrie und — was für die DDR von besonderer Bedeutung ist — die rasche Entwidmung der internationalen Arbeitsteilung und der planmäßigen Zusammenarbeit innerhalb des gesamten sozialistisdien Lagers. Ausgehend von den guten Arbeitsergebnissen unserer Werktätigen, dem Aufschwung der Wettbewerbsbewegung und der Arbeitsaktivität sowie auf Grund der Ergebnisse der geführten Wirtschaftsverhandlungen mit der Sowjetunion und den volksdemokratisdien Ländern ist es möglich, die ökonomischen Ziele für die Jahre 1959 und 1960 zu erhöhen. . . . Insgesamt wird in diesen beiden Jahren die Industrieproduktion um mehr als 6 Milliarden Mark gegenüber den ursprünglichen Zahlen des Zweiten Fünfjahrplans erhöht. Der Entwurf des dritten Fünfjahrplqns soll vorsehen, daß die Industrieproduktion von 1960/65 auf mindestens 150 Prozent anwächst. Gegenüber 1957 wird sich die Industrieproduktion demnach fast verdoppeln. In den Mittelpunkt des weiteren industriellen Aufbaus tritt während des dritten Fünfjahrplans die chemische Industrie. . . . Ausgehend von den bisher erreichten Resultaten soll die Chemie ihre Bruttoproduktion um mehr als 60 Prozent steigern. . . . Auf Grund der Vereinbarungen mit der Sowjetunion erfolgt auf bestimmten Gebieten der chemischen Industrie eine Kooperierung der Forschung und der Produktion. Die Sowjetunion gibt uns eine bedeutende Unterstützung, indem sie uns für die Entwidmung bestimmter Zweige der chemischen Industrie langfristige Kredite zur Verfügung stellt. In der Metallurgie ist das Aufkommen an Walzstahl aus eigener Produktion und aus dem Import von 4, 5 Millionen Tonnen im Jahre 1960 auf 6, 3 Millionen Tonnen im Jahre 1965 zu steigern. Der Masdiirtenbau ist so zu entwidtelu, daß bei gleichzeitiger Steigerung des Exports der Werkzeugniaschinenpark der DDR weitgehend erneuert werden kann“

Im Rahmen der Arbeitsteilung im Sowjetblock ist vorgesehen, die Position der DDR als Lieferant von Maschinen, Ausrüstungen, Uranerz, Kunstdünger, synthetischen Fasern, Kunststoffen und industriellen Konsumgütern auszubauen. Dazu sagte Ulbricht in seinem Referat auf dem Parteitag in Ostberlin u. a.:

„Die Grundkonzeption des dritten Fünfjahrplans bedingt einige Um-stellungen im Maschinenbau und in anderen Zweigen der metallverarbeitenden Industrie. . . . Diese Grundkonzeption bedeutet zugleich einen weiteren Schritt der Eingliederung der Volkswirtschaft der DDR in das sich herausbildende, noch in voller Bewegung befindliche System der internationalen sozialistischen Arbeitsteilung und Kooperation.

Unsere Verpflichtung besteht darin, uns auf einige widitige Produktionszweige . . . zu spezialisieren und ihre Erzeugung so zu steigern, daß wir audt die wachsenden Bedürfnisse der befreundeten sozialistischen Staaten auf bestimmten Gebieten befriedigen können. . . .

Auch in bezug auf die Chemie, die Leichtindustrie und andere Massenbedarfsgüter erzeugende Industriezweige werden im Zuge der internationalen sozialistischen Arbeitsteilung die Exportanforderungen wadtsen. . . .“

Der beabsichtigte erhebliche Ausbau der Chemischen Industrie in der Zone ist auf den Beschluß des KPdSU/ZK vom Mai 1958 zurückzuführen, den enormen Rückstand der Sowjetunion und des gesamten Sowjet-blocks in der Produktion von synthetischen Fasern, Kunststoffen und anderen chemischen Erzeugnissen zu verringern. Über die Maßnahmen, die in diesem Zusammenhang in der „DDR“ geplant sind, machte Ulbricht u. a. folgende Ausführungen:

„Deswegen liegt der Schwerpunkt des weiteren Aufbaus der chemischen Industrie auf dem Gebiet der Kunststoffe und der vollsynthetischen Fasern. Im dritten Fünfjahrplan wird die Produktion von Kunststoffen auf 250 Prozent gesteigert.

Um die umfangreichen Investitionen — ihr Gesamtvolumen beträgt etwa 230 Millionen DM — durchführen zu können, wird die Sowjetunion außerhalb der normalen Handelsabkommen wichtige Materialien liefern, darunter allein etwa 95 000 Tonnen Walzstahl sowie nicht-rostenden Stahl, Hüttenaluminium, Kupferwalzerzeugnisse, Schnittholz u. a. Die DDR wird die Kredite der Sowjetunion durdr entsprediende Gegenlieferungen von PVZ (Polyvinylchlorid) und anderen Kunststoffen zurückzahlen.

Neben die Braunkohle als widitigsten Rohstoff der chemischen Industrie wird in zunehmendem Maße das Erdöl treten. Im dritten Fünfjahr-

plan werden wir in unserer Republik eigenes Erdöl fördern und den Erdölimport von jetzt 1, 5 Million Tonnen auf 4, 8 Millionen erhöhen.

. . . Deswegen wird im dritten Fünfjahrplan als gemeinsames Projekt der Sowjetunion und der interessierten sozialistischen Länder eine Erdölleitung zur Versorgung audt unserer Republik gebaut. Ein großes Erdölverarbeitungswerk wird in unserer Republik entstehen. , . . In diesem Werk werden neben Treibstoffen, Heizöl und sonstigen Produkten der Mineralölindustrie bisher importierte organisdie Grundstoffe wie Benzol, Xylol, Äthylen usw. aus Erdöl erzeugt. Damit wird die moderne Petro-Chemie audi in der DDR in großem Umfange eingeführt und für die dtemische Industrie, insbesondere für die Produktion von Kunststoffen und Chemiefasern, eine neue Rohstoffgrundlage geschaffen“

Chruschtschow hatte in einer Rede im Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld vor Funktionären und Fachleuten der mitteldeutschen chemischen Industrie am 9. Juli, einen Tag vor Beginn des V. SED-Parteitages, die Meinung vertreten, die Herstellung von Treibstoffen aus Kohle in der Zone sei unrationell und deshalb zugunsten der Verarbeitung sollte von Erdöl eingestellt werden. Chruschtschow sagte u. a.: „Die chemischen Betriebe, die am meisten Strom verbrauchen, sollten dort errichtet werden, wo der Strom billiger ist und dort Rohstoffe erhalten, und Betriebe zur Herstellung von Fertigerzeugnissen sollten dort entwickelt werden, wo qualißzierte Arbeitskräfte, Ingenieure und Chemiker vorhanden sind. ... Die DDR hat keine großen Energiehilfsquellen, Wasserkraft gibt es bei Ihnen fast gar nicht. . . . In der Sowjetunion beßnden sich z. B. gewaltige, noch nicht ausgenutzte Wasserkraftreserven. Außerdem haben wir große Möglichkeiten zur Verwendung von Steinkohle für energiewirtsdraftliche Zwecke.

Sie (die Deutschen) haben früher als andere die Aufgabe gelöst, im industriellen Maßstab flüssigen Brennstoff aus Kohle ... zu produzieren. Seinerzeit war die rasche Lösung dieser Aufgabe von strategischen Erwägungen diktiert. . . . Jetzt hat sich die Situation geändert, und man muß sehen, inwiefern die Produktion flüssigen Brennstoffs aus Kohle wirtschaftlich zwed^mäßig ist. Vielleidu wäre es wirtsdcaftlidi vorteilhafter, die Werke, die bei Ihnen arbeiten und flüssigen Brennstoff produzieren, auf die Verarbeitung von Erdöl umzustellen. . . . Die Vorräte an Erdöl in der Sowjetunion sind fast unbegrenzt. . . . Und das bedeutet, daß wir der DDR die notwendige Menge Erdöl überlassen können“

Durch die weitere wirtschaftliche Integration der Zone in den Sowjet-block und die dort jetzt eingeleitete Arbeitsteilung erfordert auch Um-stellungen im Maschinenbau und in anderen Zweigen der industriellen Produktion in Mitteldeutschland. Die metallverarbeitende Industrie soll z. B. auf Produktionszweige mit hohem Veredelungsgrad ausgerichtet werden.

Eine der größten Schwierigkeiten bei der geplanten Ausweitung der Industrieproduktion ist die ungenügende Erzeugung von Elektroenergie. Noch im Winterhalbjahr 1957/58 gab es Stromabschaltungen während der Spitzenzeiten selbst in den größten Betrieben. Für die kommenden Jahre ist deshalb der Bau von zwei Großkraftwerken bei Lübbenau und Vetschau auf Braunkohlenbasis geplant, durch die im Vergleich zu 1957 die Elektroenergieerzeugung um 50 Prozent steigen soll.

Dies sind die Schwerpunkte der Pläne für die industrielle Entwicklung in der Zone bis 1965. Der Wohnungsbau, die Erzeugung industrieller Konsumgüter für den Bedarf der mitteldeutschen Bevölkerung und die Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion spielen in dieser Konzeption wie bei allen früheren Wirtschaftsplänen der SED-Diktatur nur eine untergeordnete Rolle.

Die Mittel für die geplante Ausweitung der chemischen Industrie, die Umstellung im Maschinenbau, die Erneuerung der zum größten Teil veralteten technischen Ausrüstung in vielen Zweigen der Industrie und für andere Projekte sollen hauptsächlich durch höhere Arbeitsleistungen der Menschen in den Staats-und Kollektivbetrieben aufgebracht werden. Es wird der Zone weder durch die sowjetischen Kredite etwas geschenkt, noch durch die geplanten höheren Rohstofflieferungen aus der Sowjetunion, über die Ulbricht auf dem V. SED-Parteitag folgende Angaben machte:

„Die Lieferungen der Sowjetunion an die DDR in fast allen widt-

tigen Grundstoffen . . . werden im Verlauf der nädtsten sieben Jahre um das Mehrfadce erhöht. So wird die Lieferung von Erdöl von 1 040 000 Tonnen im Jahre 1957 auf 4 800 000 Tonnen 1965 gesteigert, die Lieferung von Roheisen von 417 000 Tonnen auf 1 600 000 Tonnen, an metallurgisdtem Koks von 928 000 Tonnen auf 1 550 000 Tonnen, an Walzstahl und Rohren von 652 000 Tonnen auf 1 560 000 Tonnen, an Kupfer von 15 000 Tonnen auf 43 000 Tonnen, an Aluminium von 18 000 Tonnen auf 85 000 Tonnen, an Apatitkonzentrat zur Herstellung von Phosphordünger von 365 000 Tonnen auf 800 000 Tonnen, an Sdcnittholz von 406 000 Kubikmeter auf 1 200 000 Kubikmeter, an Zellstoff von 12 000 Tonnen auf 54 000 Tonnen

Dafür ist die „DDR“ bei der Anfang Juli 1958 in Moskau getroffenen Vereinbarung über die gegenseitigen Warenlieferungen bis 1965 zu entsprechenden Gegenlieferungen verpflichtet worden. Darüber hieß es im Kommunique über diese Moskauer Vereinbarung:

„Die DDR wird ihrerseits an die Sowjetunion Maschinen und Ausrüstungen, chentisdie Apparate, Waggons, Diesellokomotiven, Schiffe, chemische Erzeugnisse, Trikotagen, Möbel und andere Waren liefern"

Die Lieferungen von Liranerz wurden z. B. auch bei dieser Gelegenheit nicht erwähnt. Auf dem V. SED-Parteitag war der Hinweis auf die Gegenlieferungen aus der Zone noch dürftiger. Einzelheiten über Art und Umfang wurden im Gegensatz zu den konkreten Angaben über die sowjetischen Lieferungen verschwiegen. Ulbricht sagte lediglich:

„Die DDR wird dagegen Erzeugnisse des Maschinenbaues, der Chemie, der Leichtindustrie und anderer Zweige liefern. Dabei werden bis zum Jahre 1962 die sowjetischen Lieferungen den Umfang der Lieferungen der DDR beachtlich überschreiten"

Auch Politbüromitglied Rau, im ZK und im DDR-Ministerrat für den Außenhandel verantwortlich, machte in seiner Rede auf dem V. SED-Parteitag keine Angaben über die Gegenlieferungen aus der Zone. Dieses Schweigen hatte einen guten Grund. Die Exportliste enthält vor allem solche Erzeugnisse, an denen in der Zone noch immer ein großer Bedarf und Mangel herrscht. Das gilt nicht nur für die technische Ausrüstung der Industrie, sondern vor allem auch für industrielle Konsumgüter. Hier entspricht die geplante Steigerung der Produktion der Erhöhung der Lieferverpflichtungen, und mit einem wesentlich höheren Aufkommen z. B. an industriellen Konsumgütern für den Absatz in der Zone ist in den nächsten Jahren kaum zu rechnen.

Unterlegenes Wirtschaftssystem

Wesentlich für die Beurteilung der wirtschaftlichen Perspektiven in der Zone nach dem V. SED-Parteitag ist es, neben den gegenwärtigen wirtschaftlichen Ausgangspositionen auch die besonderen politischen Bedingungen zu berücksichtigen, unter denen die erwähnten Planziele erreicht werden sollen. Es sind kommunistische Methoden, mit denen in der Zone die industrielle Produktion bis 1965 im Vergleich zu 1957 fast verdoppelt werden soll. In den ersten drei Jahren dieses Zeitraumes ist die Beseitigung der restlichen privatwirtschaftlichen Betätigung vorgesehen. Das bedeutet u. a.den Fortfall der individuellen Initiative und Verantwortungsfreudigkeit von über 700 000 Bauern, etwa 240 000 jetzt noch selbständigen Handweriksmeistern, von über 13 000 kleinen Unternehmern und rund 170 000 Einzelhändlern und anderen selbständigen Gewerbetreibenden. Die nachteiligen Auswirkungen können kaum überschätzt werden. Mit der weiteren Schrumpfung und der völligen Beseitigung des restlichen privaten Sektors werden nach allen Erfahrungen auch in Mitteldeutschland alle negativen Erscheinungen noch schärfer hervortreten, die für das sowjetische Wirtschaftssystem typisch sind.

System und Methoden der „vollendeten“ Sowjetisierung sind noch weniger effektiv und produktiv im ökonomischen Bereich als die Formen und Methoden der sogenannten „Übergangsperiode“, obwohl auch letztere bereits den wirtschaftspolitischen Systemen in westlichen demokratischen Industriestaaten weit unterlegen sind. Diese Unterlegenheit z. B. gegenüber Westdeutschland hat Ulbricht auf dem V. SED-Parteitag unter dem Druck der Tatsachen, die den Menschen in der Zone bekannt sind, auch teilweise zugegeben. Er sagte u. a.:

„Wir haben Westdeutschland auf dem Gebiet der Produktionsverhältnisse, der gesellschaftliclren Ordnung überholt. Wir wissen aber audt, dafl wir auf einer Reihe von Gebieten der Entwicklung der Produktiv-kräfte nodt zurüddiegen. Wir kennen die Ursadten dafür, die in der Spaltung Deutschlands und damit in den wesentlidt ungünstigeren Bedingungen für unsere ökonomische Entwicklung bestehen. Aber das Problem besteht dodi darin, daß wir bei weitem noch nidtt die großen Vorteile unserer Gesellsd-taftsordnung gegenüber der kapitalistischen Produktionsweise ausnutzen. Das ist ein wesentlicher Grund, weshalb bei uns die Arbeitsproduktivität teilweise noch niedriger ist als in Westdeutsdtland. . . .

Warum ist diese Darlegung so wichtig? Weil es in Berlin und an einigen anderen Stellen Menschen gibt, die sagen: Nun, wenn ihr bis 1960 auf den Gebieten, wo wir noch nicht den Pro-Kopf-Verbrauch in Westdeutsddand erreid^t haben, den gleid-ien Pro-Kopf-Verbrauch er-

reid'ten wollt, dann, beweist ihr dodi damit, daß wir in einigen Positionen gegenüber Westdeutsddand noch zurüd^ sind. Das bestreiten wir gar nicht. . . . Wir sind jedodi in der gesellschaftlichen Entwicklung weit voraus"

Bei einer angeblich „überlegenen gesellschaftlichen Ordnung“ sind also in der Zone die Produktivkräfte weniger entwickelt und die Arbeitsproduktivität und der Pro-Kopf-Verbrauch niedriger als im „gesellschaftlich zurückgebliebenen" Westdeutschland. Das liegt nicht an objektiven Schwierigkeiten — die Zerreißung der organischen Zusammenhänge der deutschen Wirtschaft durch die Zonengrenze hatte auch für Westdeutschland die gleichen schwerwiegenden Folgen — auch in Mittel-deutschland gibt es wirtschaftliche Potenzen, die eine blühende Wirtschaft ermöglichen. Dort gibt es z. B. — um nur die Rohstoffe zu erwähnen — u. a. die größte Braunkohlenförderung der Welt, den bedeutendsten Uranerzabbau Europas und große Kalivorkommen. Offensichtlich ist das Zurückbleiben, das dort erst in den letzten 13 Jahren eingetreten ist, durch das System der kommunistischen Diktatur in der Zone bedingt. Das zeigt sich auf allen Gebieten, auch beim durchschnittlichen Niveau des technischen Entwicklungsstandes und der Qualität der Erzeugnisse. Ulbricht selbst gab dafür auf dem V. SED-Parteitag folgende Beispiele, die mit der wirklichen Spaltung Deutschlands gewiß nichts zu tun haben:

„Eine Überprüfung der wissenschaftlich-technischen Führung des Gebietes Foto-Kino-Tedinik in den Betrieben VEB-Kamerawerk Dresen-Niedersedlitz und Kinowerk Dresden zeigte, daß auf diesem Gebiet der Rückstand zum technischen Weltniveau nicht geringer, sondern größer geworden ist. . . . Die Ursachen dieses Rüd^standes sind darin zu suchen, daß es keine klare verpßiditende Perspektive und keine entsprechende Führung dieses Industriezweiges gibt. . . .

Wir haben die verantwortlidten Wirtschaftsfunktionäre schon vor zwei Jahren darauf aufmerksam gemacht, daß es notwendig ist, der Erzeugung von Qualitäts-und Edelstählen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Das ist leider nicht geschehen. . . .

In die gleiche Riditung der Behinderung der rationellen Organisation der Produktion zielt die in der Metallurgie übliche sogenannte , Tonnen-ldeologie‘. Sd'ion auf der dritten Parteikonferenz wurde gefordert, — , eine neue Methode der Planung und Abrechnung festzulegen, die gewährleistet, daß die Planerfüllung der Metallurgie nach Sortiment und Qualität berwertet wird'— damit sollte eine sortiments-gerechte Belieferung der metallverarbeitenden Betriebe . . . gesichert werden. Dennoch ist seit dieser Zeit — März 1956 — keine Veränderung erreldtt worden. . . . Die verantwortlichen Genossen im ehemaligen Ministerium für Berg-und Hüttenwesen und in der Staatlidten Plan-kommission haben nidtt um die Veränderung dieses Zustandes gekämpft, sondern haben sich mit der Tonnenerfüllung zufrieden gegeben“

Über schlechte Qualität der Erzeugnisse für den Export, die Nichteinhaltung von Lieferterminen und andere Schwierigkeiten, die ihre Ursachen in der Organisation und den Methoden des kommunistischen Wirtschaftssystems haben, sagte Politbüro-Mitglied Rau auf dem fünften SED-Parteitag: . unser Gebäude steht auf dem festen Granit des Sozialismus. Jedoch dürfen wir trotzdem nicht die Tatsache übersehen, daß unser Maschinenbau beträchtliche nomenklaturmäßige Rüd^stände zu verzeichnen hat, daß also ein Teil der vertraglichen Liefertermine nicht eingehalten wurde. . . . Verändern muß man auch die Sorglosigkeit vieler Betriebsleitungen in bezug auf die Qualität der Erzeugnisse. Das gilt besonders für die feinmechanisch-optische Industrie. . . . Viele Beanstandungen ergeben sich auch bezüglidt der Qualität unser Wälzlager. . . . Qualitätsmängel treten auch bei Universalbaggern des VEB Nobas in Nordhausen, bei Portalkränen aus dem Kranbau Eberswalde, bei Kühlautomaten und anderen Erzeugnissen unserer Industrie auf Es erfolgt eine völlige ungenügende Qualitätskontrolle in vielen unserer Betriebe“

Während Ulbricht u. a. auf die absurde Methode der „Planerfüllung in Tonnen“ hingewiesen hatte, erwähnte Rau die ebenso unsinnige „Planerfüllung nach dem Wert". Er beschäftigte sich mit der allgemeinen Erscheinung in der Zone, daß Betriebe und Handelsorgane, deren Planerfüllung nach dem Wert der Produktion oder des Umsatzes gemessen wird, auf kostspieligere Erzeugnisse ausweichen, um das Wert-Soll zu erreichen. Das machten z. B. auch die staatlichen Handelsunternehmen nach der letzten, vor dem V. SED-Parteitag erfolgten Preissenkung für verschiedene Lebensmittel und Konsumgüter. Rau führte dazu aus:

„Ein Teil der Einzelhandelsbetriebe ging dann dazu über, die billigen Warensortimente nicht mehr zu führen. In vielen Lebensmittelgeschäften gab es weder die billige Sorte von Butter noch die billige Sorte von Margarine zu kaufen. Manche HO-Gaststätten setzten nidtt die Preise herab, sondern zwangen den Gast, größere Portionen zu nehmen. Nahrungsmittelbetriebe waren plötzlich der Meinung, daß man Konditorei-waren nur noch mit Butter herstellen kann und keine Margarine verwenden darf. Entsprechend nahmen sie höhere Preise. Schon früher mußten wir ähnliche Erscheinungen bei der Textilindustrie feststellen.

So gab es plötzlich keine billigen Gardinen aus Zellstoff. . . .

Indem diese Betriebe nur teuere Rohstoffe verwenden oder die Einzel-handelsgeschäfte nur die teueren Waren zum Verkauf anbieten, wollen sie auf beciueme Art ihren auf der Wertgrundlage aufgestellten Produktions-und Umsatzplan erfüllen und entsprechende Prämien kassieren“

Auch der Vorsitzende der Staatlichen Plankommission, ZK-Mitglied Leuschner, brachte Beispiele für die Fragwürdigkeit der kommunistischen Planungsmethoden — und der offiziellen Planerfüllungs-Statistik — und wies auch auf Störungen in der Produktion hin. Er sagte u. a.:

„Im ersten Halbjahr dieses Jahres ist die industrielle Bruttoproduktion auf fast 112 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. ... Wir planen aber nicht nur wertmäßig die Industrieproduktion insgesamt, sondern auch mengenmäßig die wid'itigsten volkswirtsdtaftlidten Erzeugnisse, und dabei zeigt sich, daß z. B. in der Grundstoffindustrie von 130 abgerechneten Staatsplanpositionen nur bei 70 das Planziel für das zweite Quartal erreicht wurde. Es verhält sidt auch ähnlich in der metallverarbeitenden Industrie und auch in der Leiditindustrie. So konnten wir z. B. im zweiten Quartal nidit den geplanten Produktionszuwachs bringen bei Kohle, Sdtwefelsäure, Phosphordünger, Filmen, Grauguß, Stahlguß, spanabhebenden Werkzeugmasdünen, Drehautomaten, Webstühlen, Rübenvollerntemasdtinen, Mähdreschern, wollenen Kammgarn-geweben usw. Idt könnte nodt eine ganze Menge nennen. . . .

Wenn es gelungen wäre, die vermeidbaren Stillstandszeiten völlig auszuschalten, unentsdtuldigtes Fehlen in den Betrieben zu unterbinden und den überhohen Krankenstand auf ein normales Maß zu senken, wären wir allein im ersten Quartal dieses Jahres in der Lage gewesen, unsere Industrieproduktion um weitere 700 Millionen DM zu erhöhen“

Solche und noch viel weitgehendere selbstkritische Ausführungen von ZK-Mitgliedern über die negativen Auswirkungen ihrer „politökonomischen" Praxis sind in den Protokollen aller Parteitage und ZK-Tagungen der SED seit Entstehen des „sozialistischen Sektors“ in der mitteldeutschen Wirtschaft in großer Zahl verzeichnet. Auch die Fachzeitschriften und speziellen Fachtagungen liefern viele Beispiele. Was fehlt, das sind positive Schlußfolgerungen. Wer es wagt, die offiziell zugegebenen negativen Erscheinungen auf das System und die Prinzipien der kommunistischen Diktatur zurückzuführen, wird als „Revisionist“ und bei zugespitzter Situation auch als „Agent der Konterrevolution“ bezeichnet und entsprechend behandelt. Die offizielle Parteilinie orientiert sich weiter nach der Doktrin der kommunistischen Politökonomie und läßt nur solche „Reformen“ und Erwägungen zu, die nicht gegen das Leninsche Diktatur-Prinzip verstoßen. So wurden auch auf dem V. SED-Parteitag aus den erwähnten kritischen Feststellungen keine positiven Schlußfolgerungen gezogen.

Harter Kurs auf höhere Arbeitsnormen

Die Mittel für die Ausweitung der Produktion entsprechend den Plan-zielen bis 1965 will die SED-Diktatur hauptsächlich durch Erhöhung der Arbeitsnormen beschaffen. Alles, was auf dem V. SED-Parteitag über „sozialistische Leitungsmethoden“ in den Betrieben, über die Änderungen in der Organisation und Leitung der gesamten Wirtschaft, die erweiterte Zuständigkeit mittlerer und unterer Organe im Staats-und Wi. tschaftsapparat und über die stärkere Einschaltung der „Gewerkschaften“ in das wirtschaftliche Geschehen gesagt wurde, war hauptsächlich darauf gerichtet, wirksamere Methoden, zur Steigerung der Arbeitsintensität zu entwickeln. Ulbricht sagte dazu u. a.:

„Der Schlüssel zur erfolgreichen Lösung unserer ökonomischen Hauptaufgabe ist die Steigerung der Arbeitsproduktivität. . . . Diese Neuerermethoden sind gleichzeitig wesentlidte Grundlagen des sozialistischen Wettbewerbs, der nadh wie vor die Hauptmethode zur Steigerung der Arbeitsproduktivität darstellt.

Vom Genossen Seifert und den anderen Neuerern unserer Republik können wir lernen, daß es darauf ankommt, die Reserven im Wirkungsgrad der mensdtlichen Arbeitskraft aufzuded^en und durdt entspre-

dtende Verbesserungen der Betriebs-und Arbeitsorganisation die Arbeitsproduktivität zu steigern“

Einen großen Raum nahmen auf dem V. SED-Parteitag die Schilderungen der gegenwärtig herausgestellten Neuerermethoden zur Ermittlung höherer Arbeitsnormen ein. Am meisten wurde die Methode des SED-Funktionärs Erich Seifert propagiert, die darin besteht, jeden Arbeiter zur Ermittlung aller „Verlust-und Wartezeiten“ und seiner eigenen „Reserven“ durch Messungen zu veranlassen. Jeder Arbeiter soll sich verpflichten, auf diese Weise höhere Normen zu ermitteln und deren Einführung zu beantragen. Seifert sagte auf dem V. SED-Parteitag: „Ein entscheidendes Hemmnis sind die in alten, überholten Normen enthaltenen Reserven, die dazu benutzt werden, um Verlustzeiten abzudecken und dadurch Mängel und Schwädien im Arbeitsablauf zu verschleiern. . . .

Entscheidend für den Erfolg einer guten Normenarbeit ist die Haltung des Meisters. Als Meister kennt er durch seine Erfahrungen alle Kniffe und weiß am besten, wo die größten Reserven liegen. . . . Durch bessere ideologisdie politische Auseinandersetzung und ein engeres Verhältnis zwischen Arbeitern, Meistern und Intelligenz kann noch so manche Reserve aufgedeckt werden, die bisher ungenutzt im Schubkasten schlummerte. Wenn sie (die Arbeiter) erkennen, daß es iw Prinzip nicht uw die Senkung, ihrer Löhne, sondern uw die Erzielung höherer Produktionsergebnisse bei gleichew Lohn geht, dann sind sie auch bereit, selbst aktiv witzuarbeiten“ Durch Seifert und dem Neuerer Christoph kam einige Zeit vor dem V. SED-Parteitag das Schlagwort von den „Reserven im Schubkasten“ auf, mit denen die Arbeiter bei Produktionsstockungen — durch Stromabschaltungen, Materialmangel, Reparaturen an Maschien usw. — Lohneinbußen verhinderten. Christoph schilderte die Situation im Federnwerk Zittau in der SED-Funktionärszeitschrift „Neuer Weg“ in folgender Weise: „Wenn ein Kollege Arbeitsnorwer kaw, war iwwer Alarw. Wir arbeiteten dann verhalten, wie wir es von den älteren Kollegen gelernt hatten ... Es waren aber audt nodh andere Gründe, die uns drängten, in die Normen , Polster'einzubauen. Hin und wieder fehlte Material, wir wußten es selbst holen. Mandiwal wußten wir auch warten, weil keine Arbeit vorhanden war, abwohl wir wußten, daß die Aufträge eilten . . . Wir können viel wehr produzieren, wenn wir alle Reserven aus dew Tischkasten nehmen .“ Tatsächlich gab es bisher in den Betrieben ständig immer wieder Arbeitsunterbrechungen aus verschiedenen systembedingten Ursachen und das effektive Lohnniveau konnte nur dadurch gehalten werden, daß die Verlustzeiten in die Arbeitsnormen-Zeiten einbezogen wurden. Das geschah fast überall in stillschweigender Übereinstimmung zwischen den Arbeitern, den Werkleitungen und den Funktionären im Betrieb, die mit Recht außerbetriebliche Faktoren für die Stockungen in der Produktion verantwortlich machten. Unter diesen Umständen kamen auch immer wieder vom SED-ZK propagierten Neuerermethoden und „sozialistischen Wettbewerbe“ praktisch kaum zur Anwendung. Seit Jahren machte deshalb das ZK den Funktionären in den Wirtschaftsorganen, im FDGB und in den Betrieben Vorwürfe wegen „Zurückweichen vor der rückständigen Einstellung der Arbeiterschaft“ und wegen „Ausweichen“ vor der Aufgabe, höhere Arbeitsnormen durchzusetzen. Die Betriebsleiter, die sich von „sozialistischen Wettbewerben“ kein höheres Produktionsergebnis versprachen, sondern ausreichende Investmittel und genügende termingerechte Bereitstellung von Arbeitskräften, Material und Betriebsmitteln als Voraussetzung für die Planerfüllung forderten, wurden von Ulbricht in diffamierender Absicht als „Manager“ bezeichnet. Das ZK stellte Selbmann als Prototyp des „Managers“ heraus und begann Säuberungsaktionen gegen die „kleinen Selbmanns“ die „Manager“, die „Nurfachleute“, die „Neutralen“ und die „Nurgewerkschaftler“, die dem „heißen Eisen" der Organisierung von Wettbewerben zur Erhöhung der Arbeitsnormen aus dem Wege gehen. Davon war auch auf dem V. SED-Parteitag ausführlich die Rede. An die Arbeiter wandte sich Ulbricht in diesem Zusammenhang in seinem Referat auf dem Parteitag u. a. mit folgenden Ausführungen: „Mit sdilechten Normen arbeiten bedeutet soviel, als wenn wertvoller elektrisdier Strom wegen sdrlechter Isolierung der Leitung verloren geht oder kostbares Öl durch den Transport in einem zerlöchertem Eimer vergeudet wird . . . Deshalb rufen wir allen Arbeitern zu: Heraus mit den Reserven! Macht die Schubladen auf und legt die Karten offen auf den Tisdi. Sdiubladenreserven sind gut gegen den Kapitalisten, denn sie schränken die Ausbeutung ein. Sdiubladenreserven sind schlecht für den Arbeiter-und-Bauern-Staat und damit für jeden einzelnen von uns, denn sie bremsen das Tempo des gemeinsamen Vormarsches zum besseren Leben .“ Die Erhöhung der Arbeitsnormen soll angeblich allgemein bei gleichbleibendem Effektivlohn erfolgen. Es ist beabsichtigt, die Lohnpolitik so zu entwickeln, daß sie dazu beiträgt, eine periodische Erhöhung der Arbeitsnormen zu fördern. Zum Thema Arbeitsnormen und Lohnpolitik wurde im Beschluß des V. SED-Parteitages u. a. ausgeführt: „Die Arbeitsnormen müssen periodisch — etwa jährlich — entsprechend dem tedmisch-organisatorischen Maßnahmeplan sowie bei tedt-nisdi-organisatorischen Maßnahmen unter Mitwirkung der Arbeiter überprüft werden und jeweils den gegebenen Stand der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung unter Berücksichtigung der Arbeitserfahrungen und Fertigkeiten der Arbeiter Redmung tragen.

Der weitere Aufbau des Sozialismus verlangt, daß die Arbeitsproduktivität rasdier steigt als die Durchschnittslöhne . . . Die Hauptlinie der Entwicklung unserer sozialistisdten Lohnpolitik in den nächsten Jahren muß darin bestehen, solche Grundsätze, Formen und Methoden zu entwickeln, die sichern, daß der Einfluß des Arbeitslohnes auf die Steigerung der Arbeitsproduktivität . . . erhöht wird ” Hier wird die Absicht deutlich, von der Lohnseite her eine Übererfüllung der jeweiligen Arbeitsnormen zu erzwingen. Nach einer gewissen Zeit soll dann die Übererfüllung dazu dienen eine erneute Erhöhung der Normen zu begründen. Die Beteuerungen des ZK, mit der Heraufsetzung der Arbeitsnorm sollte keine Senkung des Lohneinkommens verbunden sein, finden deshalb bei den Arbeitern keinen Glauben. Tatsächlich würde eine erhebliche Lohneinbuße für die Arbeiter herauskommen, wenn z. B. alle Verlustzeiten, die bei kommunistischen Wirtschaftsmethoden permanent auftreten und systembedingt sind, bei der Festsetzung von Arbeitsnormen unberücksichtigt bleiben würden. In diesem Fall hätte jede Störung im Arbeitsablauf einen entsprechenden Lohnverlust zur Folge. Nach allen Erfahrungen ist aber mit einer Beseitigung dieser Stockungen — wie auch die Entwicklung in der Sowjetunion zeigt — nicht zu rechnen, so lange die kommunistische Diktatur besteht. Es ist ein Akt elementaren Existenzkampfes, wenn die Arbeiter in der Zone bei den Zeitmessungen der Arbeitsnormer auf „Reserven“ bedacht sind und zeitweise die Lohnverbundkarten, die als Grundlage für die Lohnverrechnung dienen, bei reibungslosem Produktionsablauf zum Teil in ihrem Schubkasten zurückbehalten, um sie nach Tagen, an denen Wartezeiten zu verzeichnen sind, mit abzugeben, um keinen Lohnverlust zu haben.

Die SED-Diktatur verläßt sich deshalb auch nicht auf die Wirkung ihrer „Argumentation“ in der Frage der Arbeitsnormen. LInmittelbar nach dem V. SED-Parteitag entsandte das ZK Funktionäre aus dem Staatsapparat vorübergehend in einige Betriebe, um dort in ihrem früheren Beruf nach höheren Arbeitsnormen zu arbeiten. Die höheren Arbeitsnormen dieser besonderen Einsatzgruppen sollen dann für den betreffenden Betrieb oder die Betriebsabteilung verbindlich eingeführt werden. Was der V. SED-Parteitag auf diesem Gebiet eingeleitet hat, ist bei aller Abwandlung der Methoden im Wesen der gleiche harte Kurs, der im Frühjahr 1953 durch rapides Anziehen der Arbeitsnormen-Schrauben in den Betrieben große Unruhe auslöste und eine Hauptursache für den Juniaufstand der mitteldeutschen Arbeiterschaft war.

Während die SED-Diktatur von den Menschen in der Zone verlangt, durch höhere Arbeitsleistungen in den Staats-und Kollektivbetrieben bis 1965 fast eine Verdoppelung der industriellen Produktion und eine erhebliche Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung herbeizuführen, — wozu auch nicht unbeträchtlich die unbezahlten Arbeitsleistungen der Bevölkerung während der Freizeit im Rahmen des „Nationalen Ausbauwerkes“, sowie die Arbeitseinsätze von Studenten und Oberschülern während der Ferien und die Einführung des sogenannten „polytechnischen Unterrichts" an allen Schulen beitragen soll — war auf dem V. SED-Parteitag nicht davon die Rede, welche Planziele etwa für eine Verkürzung der Arbeitszeit, die Entwicklung des Reallohnes oder für andere, den materiellen Lebensstandard betreffende Gebiete erwogen werden. Wie wenig die geplante Produktionssteigerung den Lebensstandard der mitteldeutschen Bevölkerung berührt, geht z. B. aus folgender Bemerkung Ulbrichts hervor:

„Der Wohnraumbedarf der Bevölkerung wadit erforderlich, daß in den Jahren 1957 bis 1965 mindestens 750 OOO Wohnungen gebaut werden"

Abgesehen davon, daß der Wohnraumbedarf ein vielfach höheres Planziel erfordern würde, zeigt die angegebene Zahl, wie in der Ge-samtplanung der Bedarf der Bevölkerung an letzter Stelle steht. Für den Zeitraum von acht Jahren sind nicht mehr Wohnungen geplant als in der Bundesrepublik schon seit geraumer Zeit in jeweils 18 Monaten geschaffen wurden. Planziel ist aber nicht gleich Planerfüllung; die Planziele für den Wohnungsbau waren bisher nie materialmäßig gesichert und wurden auch trotz ihres minimalen Umfanges in den vergangenen Jahren nicht erreicht. Dabei wurde und wird die Bevölkerung in der Zone im Rahmen des „Nationalen Aufbauwerkes“ in erster Linie bei Bauarbeiten — Enttrümmerung, Ausschachtung, Straßenbau, Kanalisation — zu unbezahlten Arbeitsleistungen herangezogen. Über den Umfang dieser während der Freizeit verrichteten unbezahlten Arbeiten machte Grotewohl auf dem V. SED-Parteitag folgende Angaben: .

„Im Nationalen Aufbanwerk wurden 1954 in freiwilliger Arbeit für 51 Millionen DM Werte geschaffen. 1957 für 165 Millionen und 1958 sollen Werte in Höhe von 250 Millionen DM geschaffen werden, von denen bis zum 30. Juni, also bis zu unserem Parteitag, bereits 108 Millionen DM realisiert waren“

In diesen Zahlen sind aber viele zusätzliche unbezahlte Arbeitsleistungen der Bevölkerung zur Instandhaltung oder beim Neubau von Wohnhäusern nicht enthalten, weil sie nicht zum „Nationalen Aufbauwerk“ gerechnet werden.

Unter diesen Umständen hat der Kurs des V. SED-Parteitages auch unter der Arbeiterschaft in Mitteldeutschland große Unruhe und Besorgnisse ausgelöst. Sie weiß, was von den tönenden Phrasen vom „Sieg des Sozialismus in der DDR“ zu halten ist. Für sie bedeutet „Vollendung des Sozialismus“ weitere Angleichung an die Lebens-und Arbeitsbedingungen in der Sowjetunion, also ein weiteres Absinken;

Widerstand der Bevölkerung und Zersetzung der Kader

Die Vollendung der Sowjetisierung Mitteldeutschlands stößt auf den Widerstand aller Gruppen der mitteldeutschen Bevölkerung mit Ausnahme einer zahlenmäßig unbedeutenden Minderheit linientreuer Funktionäre. Hätte die mitteldeutsche Bevölkerung die Möglichkeit, unter demokratischen Bedingungen in einer freien Abstimmung ihre Meinung über das Programm des V. SED-Parteitages und die kommunistische Diktatur zum Ausdruck zu bringen, würde ohne Zweifel ihr Urteil vernichtend und die wirkliche Anhängerschaft Ulbrichts eine bedeutungslose politische Sekte sein. Den Machthabern in Ostberlin ist das bekannt. Deshalb erklären sie auf dem V. SED-Parteitag, es sei notwendig, unter allen Schichten der Bevölkerung und selbst unter der Jugend eine „ideologische Umwälzung“ herbeizuführen und eine „neue Moral“ durchzusetzen. Dabei sind die Mitglieder der SED und ihrer zahlreichen Hilfsorganisationen sowie die Funktionärkader im gesamten Partei-und Staatsapparat nicht ausgenommen, denn auch in diesen Kreisen überwiegt die „bürgerliche Ideologie“ und insbesondere der „Revisionismus“.

Eine der größten Sorgen der Diktatur ist die oppositionelle Haltung der Jugend und die Tatsache, daß die jungen Menschen, die seit 1945 an den Universitäten und Parteischulen ausgebildet wurden, zum größten Teil schon während des Studiums, spätestens aber in der folgenden Praxis in Gegensatz zur Diktatur kamen. Offener als auf dem Parteitag in Ostberlin äußerte. sich darüber Ulbricht auf den vorhergehenden ZK-Tagungen. So sagte er einige Wochen vor dem V. SED-Parteitag auf einer ZK-Tagung u. a.:

„Also haben wir eine solche Lage, dafl wir Arbeiterkinder auf Ober-

sdtulen schid^en. Dort sind gegenwärtig im Durchsdinitt ungefähr 50 bis 60 Prozent Arbeiterkinder. Und von diesen Arbeiterkindern wird ein Teil sdwn auf der Obersdtule verseucht und wenn sie von der Universität kommen, sind sie bürgerlidi eingestellt. . . Bei genauer Untersuchung der Republikflucht hat sich ergeben, daß ein Teil der Studenten an den Hodischulen und Universitäten nach Beendigung ihres Studiums republikflüdttig wurden. Das trifft z. T. aud't auf Oberschüler zu, insbesondere in Berlin. . . Das heißt, wir bilden tatsädtlich einen Teil dieser Jugendlichen für Westdeutsdtland aus. Sie sprechen auch während des Unterridites ganz offen darüber, daß sie die Absicht haben, nadt Beendigung der Studienzeit nach Westdeutschland zu gehen. . .

Die reale Lage ist doch eine solche: Weil die bürgerliche Ideologie an den Universitäten und Hochschulen überhand genommen hat, weil der Revisionismus in unseren eigenen Parteiorganisationen an den Hochschulen Einfluß gewonnen hat, daraus ergeben sich jetzt, wo das korrigiert wird, eine Reihe von Zuspitzungen“

Die Parteitagsreden, für die Öffentlichkeit bestimmt, waren in dieser Frage nicht so deutlich; aber im „Beschluß des V. SED-Parteitages“

wurde das folgende weitgehende Eingeständnis gemacht: „An den Obersdtulen und Hochschulen hat die bürgerlid-ie Ideologie an Einfluß gewonnen, und nicht wenige Arbeiter-und Bauernkinder, die von den Arbeiter-und Bauernfakultäten kamen, wurden von der bürgerlichen Ideologie und westliclten Dekadenz verseucht“

Die Haltung der jugendlichen in den Betrieben und Organisationen ist nicht weniger oppositionell.

Aber auch die ablehnende Haltung der anderen Bevölkerungsgruppen hat sich in den über dreizehn Jahren kommunistischer Unterdrückung Mitteldeutschlands kaum geändert. Darüber kann auch das konforme öffentliche Scheinleben der SED-Diktatur, wie es sich bei Massenveranstaltungen und monströsen Tagungen zeigt, nicht hinwegtäuschen. Im Parteitagsbeschluß wurde diese Tatsache so umschrieben:

„Die westdeutschen Imperialisten und Militaristen unternehmen große Anstrengungen, um durch ideologische Beeinflussung diese Ent-

widdung sozialistischen Bewußtseins zu hemmen. Gleichzeitig wirken konservative und reaktionäre Kräfte in der DDR der Durchsetzung der neuen sozialistischen Ideen entgegen. Auch viele bürgerliche und klein-

bürgerlidte Anschauungen, die durch die Existenz kleinbürgerlicher Schid'iten ständig genährt werden und auf der Zählebigkeit alter Vorstellungen beruhen, sind der sozialistischen Bewußtseinsbildung hinder-

lich. Sie dringen in Form revisionistischer und opportunistischer Anschauungen in die Reihen der Partei der Arbeiterklasse ein.

Daher erfordert die Entwidzlung des sozialistisdten Bewußtseins den ständigen Kampf gegen die reaktionären Ideologien des Imperialismus, die beharrlidie-Auseinandersetzung mit allen bürgerlichen, kleinbürgerlichen, reformistischen Einflüssen sowie die Zerschlagung aller revisionistischen und opportunistischen Bestrebungen in den Reihen der Partei selbst“ *

Viele Beispiele wurden auf dem V. SED-Parteitag für das Vorhandensein „rückständiger, feindlicher Ideologie“ und auch für die vielfältigen Formen des Widerstandes unter allen Schichten der mitteldeutschen Bevölkerung und in allen Bereichen des „gesellschaftlichen Lebens der Diktatur angeführt. Dabei zeigte sich deutlich der Zusammenhang zwischen dem Widerstand der Volksmassen und der Zersetzung unter den Funktionärkadern des totalitären Machtapparates bis hinauf in die Spitzenorgane des ZK der SED. Tatsächlich refektieren oppositionelle Gruppierungen unter den Funktionären — auch im ZK, wie gegenwärtig die Gruppe Schirdewan, Wollweber, Ziller, Ölßner — bis zu einem gewissen Grade auch die Massenstimmung und die Forderungen von „unten“, während ihre Entstehung überhaupt auf den permanenten antagonistischen Gegensatz zwischen der kommunistischen Diktatur und der Bevölkerung sowie auf den lebensfeindlichen Charakter der kommunistischen Theorie, und auch auf das hiermit verbundene persönliche Dilemma der Funktionäre zurückzuführen ist. Das wurde z. B. auf den V. SED-Parteitag in verschiedenen Ausführungen über Schirdewan und Ölßner bestätigt. So sagte ZK-Sekretär Mückenberger über den Wider-stand gegen die Kollektivierung der Landwirtschaft u. a.: „Es ist kein Zweifel, daß bei diesem Prozeß der Umgestaltung opver-tunistiscfte und revisionistische Auffassungen auftauchen. Diese opportunistischen und revisionistischen Auffassungen .. . leugnen die Notwendigkeit der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft bzw. woben sie verzögern. Die Partei muß sie deshalb rechtzeitig erkennen und unnachsichtig bekämpfen, weil diese Auffassungen den Schwankungen, die noch bei werktätigen Bauern, vor allem bei den starken Mittelbauern, vorhanden sind, entgegenkommen.Neben dem offenen Kampf der Klassenfeinde gegen das Neue auf dem Lande zeigten sich Bestrebungen, Parteiund Staatsapparat einseitig auf die-Einzelbauern und deren Produktion zu orientieren, die Entwicklung der LPG zu leugnen und sie dem Selbstlauf zu überlassen. Das 30. Plenum entlarvte die konterrevolutionäre Plattform von Vieweg . . . Sie bedeutete die Begründung der Restaurierung des Kapitalismus in der Landwirtschaft. Vieweg machte sich damit zum Sprecher der erklärten Feinde des Sozialismus. Solche Auffassungen finden auch oftmals ihre Wurzeln im Nachgeben gegenüber dem Druck des Gegners . . . Das ZK verurteilte deshalb auch einmütig und geschlossen die schädlichen Auffassungen des Genossen Prof. Ölßner zu dieser Frage, die in ihrer Konsequenz die Partei ablenken sollten von der politisch-ökonomischen Unterstützung und Entwicklung der LPG. Letztlich waren sie darauf gerichtet, die EntwidUung der LPD abzubremsen und die Auflösung sogenannter noch wirtschaftsschwacher LPG zu propagieren. Genosse Ölßner bemühte sich nachzuweisen, daß durdt die Bildung und Entwicklung der LPG gesetzmäßig das Marktaufkommen aus dem Adterbau und der Viehwirtsdtaft zurückgehen müßte. . . Diese Meinung war umso gefährlicher, als sie den rückständigen Auffassungen der Großbauern und eines Teiles der Mittelbauern entgegenkam. Sie gründete sich damit gleidrfalls auf ein Zurückweidten vor dem Druck der Gegner. Es ist selbstverständlidt, daß im Kampf um die sozialistische Llmge-staltung der Landwirtschaft der Klassengegner sidt regt. Er ist nicht untätig. Er mödite alle Mittel aussdtöpfen, um den Prozeß der Llmgestal-tung zu verhindern bzw. zu verlangsamen. Die Gegner versud'ten heute, sich auf eine Reihe von Mittelbauern zu stützen und unter ihnen die Losung zu verbreiten, daß durdt die Mitarbeit in den LPG ihre Selbständigkeit und persönliche Freiheit eingeengt werde, ja verloren ginge. Es ist notwendig, allerorts auch in der Bauernfrage den Kampf gegen Opportunismus und Revisionismus zu führen Es war kein Zufall, wenn solche prominenten Funktionäre wie Ölßner und Vieweg in Gegensatz zu einigen Prinzipien des Kommunismus kamen. Vieweg — ungefähr zur Zeit des V. SED-Parteitages in der Zone zu vier Jahren Gefängnis verurteilt — hatte von 1945 bis nach der ersten Welle der Kollektivierung in Mitteldeutschland in der Agrarpolitik des SED/ZK zentrale Funktionen und kannte die negativen Auswirkungen dieser Politik. Ölßner war in den letzten Jahren im ZK und im Staatsapparat für die Konsumgüterversorgung verantwortlich und sammelte dabei die Erfahrung, wie jede Drosselung des privaten Sektors nachteilige Folgen für die Versorgung hatte und wie z. B. die LPG den Bauern in der Marktproduktion unterlegen sind. Sehr kritische Ausführungen wurden auf dem V. SED-Parteitag über das Verhalten der Staatsfunktionäre gemacht. Der größte Teil der Mitarbeiter sowohl in zentralen wie in örtlichen Organen wurde beschuldigt, die Direktiven des ZK zu negieren, die „sozialistische Umgestaltung" zu hemmen, den privaten Sektor zu bevorzugen, vor „rückständigen Auffassungen der Bevölkerung“ zurückzuweichen und ihre Funktionen als „formalistische Verwaltungstätigkeit“ aufzufassen. Mit diesem Thema hatten sich schon die letzten ZK-Tagungen und die Parteikonferenzen beschäftigt, die der Vorbereitung des V. Parteitages dien-ten; und auch Säuberungsaktionen waren schon eingeleitet. So wurden z. B. im Juni in Magdeburg 130 Staatsfunktionäre aus politischen Gründen entlassen. Auch leitende Funktionäre der „Zentralen Kommission für Staatliche Kontrolle" wurden von dieser ersten Säuberungswelle betroffen. huf dem V. SED-Parteitag machte Ulbricht zu dieser Frage u. a. folgende Ausführungen: „Die Auseinandersetzungen mit den schädlichen Auffassungen, wie sie in Dalle, Erfurt und anderen Bezirken durch die Brigaden des Zentralkomitees aufgedeckt wurden, lassen erkennen, daß die Parteiorganisationen bisher ihre Aufgaben nodt nicht richtig erfüllt haben. Die im Staatsapparat weitverbreitete Auffassung, die sozialistische Entwicklung dem Selbstlauf zu überlassen, und das neutrale Verhalten mandier Staatsfunktionäre haben vor allem die wirtschaftliche Entwicklung gehemmt. Wir begrüßen es, daß in der Parteiorganisation beim Rat des Bezirks Magdeburg durch die prinzipielle ideologische Auseinandersetzung eine Reihe ernster Ersdieinungen der Feindarbeit und der Vernadt-lässigung der politischen Erziehungsarbeit durdt die Parteiorganisation aufgededit wurden. In mehreren Abteilungen, wie Landwirtsdtaft, Finanzen, Örtliche Industrie und anderen, gab es starke revisionistische Auffassungen. . . Nadi längeren prinzipiellen Auseinandersetzungen in den Abteilungen des Rates des Bezirks Potsdam wurde festgelegt, daß 107 Mitarbeiter aussdteiden. . . Bei 57 Parteimitgliedern wurde die Mitglieder-sdtaft wegen Klassenfremdheit, Spießertum und Karrierismus gestridten. Es ist zu verzeichnen, daß sich der bürgerlidte Einsluß im Staatsapparat weitgehend verstärkt hat; in vielen Staatsorganen ist der Anteil der Arbeiterkader zurüd^gegangen. . . In ständiger prinzipieller Auseinandersetzung mit dem Einfluß der bürgerlichen Ideologie und im Kampf gegen alle Ersdteinungen klein-bürgerlidren, spießerhaften Verhaltens sowie durch eine straffe Lenkung und Kontrolle der Auswahl, Verteilung, Förderung und durch sozialistische Erziehung der Kader ist die führende Rolle der Arbeiterklasse und unserer Partei im Staatsapparat zu sichern und zu erhöhen .“ Unmittelbar nach dem Parteitag setzte das ZK die Säuberungsaktionen in den staatlichen Organen fort. Im Bezirk Gera erfolgte z. B. durch Grotewohl die Absetzung der leitenden Funktionäre im Rat des Bezirks. Wie zuständige ZK-Mitglieder äußerten, ist beabsichtigt, in etwa drei Jahren den größten Teil der gegenwärtigen Staatsfunktionäre durch neu ausgebildete Kräfte, die aus den Betrieben geholt werden sollen, zu ersetzen. Andere Gruppen von Partei-und Staatsfunktionären, die ebenfalls auf dem V. SED-Parteitag beschuldigt wurden, den „Klassenstandpunkt“ verlassen zu haben, die Parteibeschlüsse nicht zu beachten und von der revisionistischen Zersetzung erfaßt zu sein, waren die fachlichen und politischen Funktionäre in den Betrieben, die Funktionäre in den Werkleitungen und in den Betriebsparteiorganisationen und in den Organen des FDGB. Zur Situation im FDGB sagte Ulbricht: „Es gibt also ein Zurückbleiben in den Gewerksdiaften in bezug auf die klassenmäßige, sozialistisdre Erziehung ihrer Mitglieder. Das hängt in erster Linie mit dem sorglosen Verhalten mandrer Gewerkschaftsleitungen gegenüber dem Eindringen revisionistisdter Ersdieinungen zusammen. Die antimarxistische . Theorie'von der Neutralität'der Gewerksdiaften ist, bewußt oder unbewußt, in manchen Gewerkschaftsorganisationen ziemlich stark verbreitet. Das hemmt die Entwiddung des Verständnisses für die Rolle der revolutionären Partei der Arbeiterklasse. Daher fordern wir von den Genossen Gewerksdiaftsfunktionäre einen entsdhiedenen Kampf gegen das Nurgewerkschaftertum und gegen die Mißachtung der Prinzipien des demokratisdien Zentralismus, der sich in einer ungenügenden Verwirklidiung der Besdtlüsse der Partei und auch des Bundesvorstandes des FDGB ausdrückt .“ Auch im FDGB wurden vor und nach dem V. SED-Parteitag unter den leitenden Funktionären Säuberungsaktionen durchgeführt. ZK-Mit-glied und FDGB Bundesvorsitzender Warnke wies auf dem Parteitag besonders auf die Zersetzung und die zunehmende Opposition auch unter den hauptamtlichen Funktionären im FDGB hin und führte u. a. aus: „Nach dem 35. ZK-Plenum treten aber verschiedene Gewerksdtafts-funktionäre offener hervor, die da meinen daß die Gewerkschaftsarbeit jetzt zu politisch wäre, daß sie sich zu eng mit der Partei verbindet. Ich sage das deswegen, weil die Ursache für die ideologisdten Schwächen in einer Reihe von Betriebsgewerkschaftsleitungen bei den führenden Leitungen der Gewerksdtaften liegen. Das zeigen die Auseinandersetzungen, die mit den Genossen des Zentralvorstandes der IG Chemie und mit den Genossen des Bezirksvorstandes Leipzig der IG Metall durchgeführt werden mußten und die die Neuwahl der Sekretariate dieser beiden Vorstände zur Folge hatten. Um was geht es bei diesen und ähnlichen Auseinandersetzungen, die im Grunde in den Gewerkschaften rroch zu wenig stattfinden und mit Hilfe der Partei nodr stärker organisiert werden müssen? Dabei haben wir es mit zwei verschiedenen Formen der Negierung der führenden Rolle der Partei zu tun. Die eine lehnt offen die führende Rolle der Partei ab — sie ist leichter zu bekämpfen die andere erkennt sie zwar formal an, organisiert aber eine entgegengesetzte Praxis Die Partner der revisionistischen FDGB-Funktionäre, die der Organisierung von Wettbewerben zur Erhöhung der Arbeitsnormen aus dem Wege gehen, sind die sogenannten „Manager“ und „Nurfachleute“ in den Werkleitungen, die ebenfalls von derartigen Methoden zur Steigerung der Arbeitsproduktivität nichts halten. Eine scharfe Kritik übte Ulbricht weiter an den Funktionären, die für die Schulen und Hochschulen sowie für die gesamte kulturelle Tätigkeit in zentralen und örtlichen Organen verantwortlich sind. In diesem Zusammenhang sagte Ulbricht: „Die Umgestaltung des Schulwesens in sozialistischem Sinne ist ein Teil des Kampfes in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus in der DDR. Wir müssen leider feststellen, daß die Genossen des Volksbildungsministeriums diese großen Probleme der bevorzugten Erziehung und Ausbildung der Arbeiter-und Bauernkinder nicht redtt-zeitig erkannt haben. Im Gegenteil. Anstatt Maßnahmen zu ergreifen, damit ihre Ausbildung verbessert wird, wurde das Unterrichtsniveau gesenkt. Unter dem Druck reaktionärer Kräfte und ihres Geschreis von der angeblichen Überlastung der Schüler wurde seit 1956 von den Genossen des Ministeriums für Volksbildung das Lehrprogramm auf dem Gebiete der Literatur, des Russisdiunterrichts und der Gesellsdtaftswis-senschaft versddechtert. Das betraf nicht nur die Grund-und Ober-schulen, sondern audt die Lehrerbildungsinstitute . . Der DDR-Minister für Volksbildung, Fritz Lange, wurde trotz seiner „Selbstkritik“ auf dem Parteitag nicht wieder in das neue ZK ausgenommen. Den zentralen Schulfunktionären wurde u. a. vorgeworfen sie hätten die weltanschauliche Ausrichtung an den Schulen vernachlässigt und die Einführung des polytechnischen Unterrichts verhindert. Nadi dem Beschluß des V. SED-Parteitages soll der polytechnische Unterricht — vor allem in praktischem Arbeitseinsatz zur Planerfüllung bestehend -künftig an den allgemeinbildenden Schulen, den Oberschulen und den Hochschulen eingeführt werden. Dazu machte Ulbricht u. a. folgende Ausführungen: „Wir gehen also von folgenden Grundsätzen aus: In allen Unterrichtsfächern wird die Einheit von Theorie und Praxis mit Hilfe des polytedmisdien Unterridits und der Produktionsarbeit hergestellt. . . Die sozialistische Schule erfüllt die Schüler mit tiefer Liebe zur Arbeiterklasse, zum Staat der Arbeiter und Bauern, zum Sozialismus und zur Freundschaft mit der Sowjetunion und den Volksdemokratischen Ländern. Indem wir die Schule mit dem Leben verbinden und die Schüler unmittelbar an der sozialistisdten Produktionsarbeit teilnehmen lassen, lernen sie selbst am besten den Kampf der Arbeiter und Bauern für den Sieg des Sozialismus kennen und beteiligen sich an ihm. Es ist notwendig, daß audi an den Universitäten die Verbindung zwi-sdten Theorie und Praxis hergestellt wird. Zum Beispiel, die Studenten der landwirtschaftlichen Fakultäten müßten in der Hauptzeit der Feldarbeit ihr Studium und ihre Praxis auf den Volkseigenen Gütern in landwirtsdtaftlichen Produktionsgenossensdraften oder Maschinen-Traktoren-Stationen durdtführen. Die Studenten der Schiffsbautechnischen Fakultät müßten nach einem bestimmten Plan ihr Studium mit der produktiven Arbeit im Betrieb verbinden .“ Im Mittelpunkt der „ideologischen Umwälzung“ soll nach dem Beschluß des V. SED-Parteitages die Aufgabe stehen, den dialektischen Materialismus auf allen Gebieten zur „herrschenden Weltanschauung“ zu machen. Wörtlich heißt es im Beschluß: „Im Arbeiter-und-Bauern-Staat kann nur der dialektische Materialismus die herrschende Weltanschauung sein, die alle Bereiche des geistigen Lebens — Wissenschaft, Erziehung, Kunst und Literatur — durchdringt .“ Damit hat das SED-ZK dem Beschluß entsprochen, den die Moskauer Konferenz der kommunistischen Parteien vom November 1957 über den Kampf gegen alle nichtkommunistischen Ideologien und Anschauungen, insbesondere gegen religiöse Glaubensbekenntnisse und revisionistische Auffassungen, und für die Durchsetzung des dialektischen Materialismus als einzige legale Weltanschauung in allen kommunistischen Staaten gefaßt hatte. Nachdem das ZK einige Monate vor dem Parteitag von allen Wissenschaftlern und Lehrkräften in der Zone ultimativ gefordert hatte, den dialektischen Materialismus anzuerkennen und zur Grundlage ihrer Tätigkeit zu machen, ordnete Ulbricht auf der ZK-Tagung im Juni eine Änderung der Taktik an, weil die sogenannte „alte Intelligenz“ mit heftigem Widerspruch reagiert hatte und die Fälle von Flucht in diesen Kreisen erheblich zunahmen. Deshalb wurden die Funktionäre im Beschluß des V. SED-Parteitages ermahnt, gegenüber der „alten Intelligenz“ Geduld zu zeigen, aber sonst die „ideologische Umwälzung“ mit allen Mitteln voranzutreiben. Auf der theoretischen Grundlage des Marxismus-Leninismus, vor allem des dialektischen Materialismus und der Politökonomie, formulierte Ulbricht zehn Gebote der „sozialistischen Moral“, die nach dem Beschluß des V. SED-Parteitages für die mitteldeutsche Bevölkerung verbindlich sein sollen. Ulbricht führte dazu auf dem Parteitag u. a. aus: „Nur derjenige 'handelt sittlich und wahrhaft mensdilich, der sich aktiv für den Sieg des Sozialismus einsetzt d. h. für die Beseitigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Das moralisdre Gesicht des neuen sozialistischen Mensdien, der sich in diesem edlen Kampf um den Sieg des Sozialismus entwickelt, wird bestimmt durch die Einhaltung der grundlegenden Moralgesetze: l. Du sollst Dich stets für die internationale Solidarität der Arbeiterklasse und aller Werktätigen sowie für die unverbrüchliche Verbundenheit aller sozialistischen Länder einsetzen. 2. Du sollst Dein Vaterland lieben und stets bereit sein, Deine ganze Kraft und Fähigkeit für die Verteidigung der Arbeiter-und-Bauern-Macht einzusetzen. 3. Du sollst helfen, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu beseitigen. 4. Du sollst gute Taten für den Sozialismus vollbringen, denn der Sozialismus führt zu einem besseren Leben für alle Werktätigen. 5. Du sollst beim Aufbau des Sozialismus im Geiste der gegenseitigen Hilfe und der kameradschaftlichen Zusammenarbeit handeln, das Kollektiv achten und seine Kritik beherzigen. 6. Du sollst das Volkseigentum schützen und mehren. 7. Du sollst stets nadt Verbesserung Deiner Leistungen streben, spar-sam sein und die sozialistische Arbeitsdisziplin festigen. S. Du sollst Deine Kinder im Geiste des Friedens und des Sozialismus zu allseitig gebildeten, charakterfesten und körperlich gestählten Mensdten erziehen. 9. Du sollst sauber und anständig leben und Deine Familie achten. 10. Du sollst Solidarität mit den um ihre nationale Befreiung kämpfenden und den ihre nationale Unabhängigkeit verteidigenden Völkern üben. Diese Moralgesetze, diese Gebote der neuen, sozialistischen Sittlichkeit, sind ein fester Bestandteil unserer Weltanschauung. . . Die sozialistische Arbeitsmoral ist das Herzstück der gesamten moralischen Beziehungen in der sozialistischen Gesellschaft .“ Ulbricht ließ keinen Zweifel darüber, daß jedes der „ 10 Gebote“ als eine Aufforderung zur strikten Befolgung der Anordnungen des ZK aufzufassen ist. So stellte derV. SED-Parteitag die Aufgabe, die Vollendung der Sowjetisierung Mitteldeutschlands mit der totalen Unterdrückung aller nichtkommunistischen Ansichten unter den 17 Millionen Deutschen jenseits der Zonengrenze zu verbinden. Das umfassende Programm des V. SED-Parteitages zur „Vollendung des Sozialismus in der DDR“ könnte den Eindruck, erwecken, die Ulbricht-Diktatur habe ihre Position politisch und organisatorisch entsprechend gefestigt. Die Durchführung des Parteitages in Ostberlin war auch im äußerlichen Ablauf darauf angelegt, diesen Eindruck zu erwecken. Die Demonstration einer angeblichen „Einheit der Partei“ und des „Vertrauens zu Ulbricht“, die in der Werner-Seelenbinder-Halle in Ostberlin mit über 4000 mehrfach politisch gesiebten Teilnehmern und zahlreichen ausländischen kommunistischen Delegationen veranstaltet wurde-ist aber nicht ernster zu nehmen als das Verhalten der Teilnehmer früherer SED-Parteitage. Tatsächlich befand sich die SED zu diesem Zeitpunkt noch immer in einer tiefen Krise und für ein Nachlassen der inneren Auseinandersetzungen sind auch jetzt noch keine Anzeichen vorhanden. Die Lage in der Partei wird charakterisiert durch den Versuch des ZK, einen großen Teil des Funktionärapparates zu erneuern. Wie schnell aber aus heute Linientreuen morgen Oppositionelle werden können — auch in den Reihen der ZK-Mitglieder, — bestätigte das Verhalten der Gruppe Schirdewan, Wollweber, Ziller, Ölßner. Besonders Schirdewan, Wollweber und Ziller waren nach der ZK-Krise, die nach dem Juniaufstand 195 3 ausbrach und zum Ausschluß der Gruppe Zaißer-Herrnstadt führte, in höchste Funktionen aufgestiegen und gehörten zunächst zu den verläßlichsten Helfern Ulbrichts. In langen Auseinandersetzungen mit der Ulbricht-Gruppe verfochten sie jedoch seit 1956 oppositionelle revisionistische Ansichten. ZK-Sekretär Ziller beging im Dezember 1957 Selbstmord. Schirdewan, Ölßner und Wollweber wurden im Februar 19 5 8 aus dem Politbüro bzw. aus dem ZK ausgeschlossen. Aber noch immer hoffte Ulbricht, die Funktionsenthebung würde Schirdewan und Ölßner veranlassen, zu kapitulieren. Beide wurden wiederholt aufgefordert, zum V. SEDParteitag entsprechende Reue-Erklärungen abzugeben. Auf dem Parteitag in Ostberlin gab es aber nur eine „Selbstkritik“ von Selbmann, die jedoch dem ZK noch nicht einmal weitgehend genug war. Offensichtlich fühlten sich Schirdewan und Ölßner auch nach ihrem Ausschluß aus dem ZK mit ihren oppositionellen Ansichten keineswegs isoliert. In vielen Reden auf dem V. SED-Parteitag wurde die weite Verbreitung gleicher oder ähnlicher revisionistischer Ansichten unter den Funktionären bestätigt. Deshalb stand der V. SED-Parteitag auch zum großen Teil im Zeichen des Kampfes gegen den Revisionismus und die Zersetzung in den eigenen Reihen.

Bei dieser Lage — bei unvermindertem Widerstand der Bevölkerung und weitgehender Zersetzung der Kader — stützt sich die kommunistische Diktatur in Mitteldeutschland bei ihren Bestrebungen, die Übergangsperiode zu beenden und den „Sieg des Sozialismus“ herbeizuführen, wie in den vorangegangenen Abschnitten des Umgestaltungsprozesses, allein auf den Terror, auf die totalitären Machtmittel, die ihr durch sowjetische Hilfe zur Verfügung stehen. Für Ulbricht war deshalb das Auftreten Chruschtschows auf dem V. SED-Parteitag von großer Bedeutung.

Der Kurs dieses Parteitages wurde in allen Punkten von Chruschtschow unterstützt und er sprach mit besonderem Nachdruck Ulbricht sein Vertrauen aus, als er u. a. ausführte:

„Die Reihen der SED werden unermüdlich von ihrem ruhmreichen Zentralkomitee, vom Ersten Sekretär des ZK der SED, unserem teuren Freund und Genossen Walter Ulbricht gestählt und gefestigt .“

Chruschtschow und Ulbricht waren vor allem bemüht, den Sieg des Kommunismus in der Welt als unaufhaltsam hinzustellen und jeden Widerstand als nutzlos erscheinen zu lassen.

Der „Klassenstandpunkt 7 in der kommunistischen Deutschlandpolitik

Chruschtschow unterstützte nicht nur die Beschlüsse, die sich auf die weitere kommunistische Umgestaltung in Mitteldeutschland beziehen, sondern auch die von Ulbricht vorgetragene Konzeption für die kommunistische Einflußnahme auf die Entwicklung in Westdeutschland und Westberlin. In diesem Zusammenhang führte Chruschtschow u. a. aus:

„Die Bonner herrschenden Kreise stellen zu provokatorisdren Zwek-ken die Sache so dar, ob die Sowjetunion auf irgendeiner Etappe ihr Einverständnis dazu geben und sich auf die Liquidierung der DDR einlassen könnte. Die Herren Imperialisten, die gewöhnt sind, Völker und ganze Länder als Wechselgeld in ihrem Sdiadter zu betraditen, messen auch uns offensiditlich mit ihren Mafien und nennen deshalb sogar den Preis, den Westdeutsddand an die Sowjetunion bezahlen könnte, wenn diese sich mit der Wiedervereinigung Deutsddands zu den Bedingungen der westlichen Länder, d. h. entgegen dem Willen der Werktätigkeit der DDR, ohne Berüd^sichtigung der Lebensinteressen des deutsdien Volkes, einverstanden erklären würde. Aber können denn Kommunisten zur Beseitigung einer sozialistisdien Ordnung beitragen? . . .

Die Westmächte bestehen darauf, das] sich die Gipfelkonferenz mit dieser inneren Angelegenheit des deutschen Volkes befaflt. Aber es ist doch ganz klar, daß diese Frage eine innere Angelegenheit des deutschen Volkes ist und nidtt in den Kompetenzbereich einer internationalen Beratung fällt. Diese Frage auf die Tagesordnung der Konferenz setzen, heißt die Einberufung einer soldten Konferenz torpedieren. Der Entwurf zur Bildung eines „Viereraussdutsses“ ist lediglich ein neuer Versudt, in der deutschen Frage Illusionen über die Möglichkeit ihrer Lösung durch die vier Mächte zu wecken . . . Die Regierung der DDR hat in ihren Vorschlägen einen ganz konkreten Weg zur friedlidten Wiederherstellung der Einheit Deutsddands gezeigt, der selbst unter den heutigen komplizierten Bedingungen durchaus real ist. Dieser Weg ist die Sdtaffung einer deutsdten Konföderation" Wie seit Gründung der DDR wurde auch auf dem V. SED-Parteitag von sowjetischer Seite der kommunistische Diktaturstaat auf mittel-deutschen Gebiet erneut als das Modell eines „friedliebenden, demokratischen Deutschland“ bezeichnet. Im Grußschreiben des KPdSU-ZK an den Parteitag in Ostberlin, das Chruschtschow verlas, hieß es z. B.:

„Die Gründung der DDR — des ersten friedliebenden demokratischen Staates der Arbeiter und Bauern auf dem Territorium Deutschlands — war ein Wendepunkt in der Geschichte des deutsclten Volkes und hat ihm die herrlichen Perspektiven einer friedlichen Entwicklung des Aufbaus eines neuen Lebens eröffnet . . .

Die DDR, das Bollwerk aller fortschrittlichen Kräfte des deutschen Volkes, die gegen die verderbliche volksfeindliche Politik der westdeutschen Militaristen und Revandüsten kämpfen, leistet einen unschätzbaren Beitrag zur Festigung des Friedens in Europa und in der ganzen Welt"

Die Wiedervereinigung Deutschlands wurde auf dem V. SED-Parteitag entsprechend der kommunistischen Theorie über den „Klassencharakter" des Staates und der gesellschaftlichen Ordnung als ein Problem des „Klassenkampfes“ dargestellt. Ulbricht erklärte, in Westdeutschland gelte es zunächst, die „historischen Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution" durchzuführen und eine „bürgerlichdemokratische Ordnung“ zu errichten, in der die „Grundlagen des Militarismus und Imperialismus“ beseitigt sind. Diese Zielsetzung entspricht der kommunistischen Aufgabenstellung für die erste Phase der Umgestaltung in der Zone. Im Parteitagsbeschluß hieß es dazu u. a.:

„Die allgemeine Gesetzmäßigkeit beim Übergang zum Sozialismus setzt sidr in der DDR unter den Bedingungen des Bestehens von zwei deutschen Staaten mit versdtiedenen gesellschaftlichen Systemen durch, als Klassenkampf zwisdien den beiden Hauptklassen, von denen jede in einem Teil Deutsddands die Staatsmacht ausübt. Beide Staaten wirken aufeinander ein.

In der DDR ist die Grundlage des Klassenkampfes der Kampf gegen den Klassengegner in Westberlin und Westdeutschland . . .

Das Bonner Parlament dient der Monopolbourgeoisie als demokratische Fassade . . . Die Exekutivorgane des Bonner Staates, Armee Polizei, Verfassungsschutz, werden immer offener zu Instrumenten der militaristisch-klerikalen Diktatur . . .

. . . im Zusammenhang mit dem Vorschlag der Bildung einer Konföderation der beiden deutsdten Staaten betonte (die SED), daß die sozialistische Errungensdraften in der DDR mit allen Mitteln gesichert werden, daß wir jedoch unter den Verhältnissen in Westdeutschland die Sdtaffung einer bürgerlich-demokratisdien Ordnung ... als den realen Weg zur Sicherung des Friedens und zur Wiedervereinigung betrachten"

Auch in der Zone hatten die Kommunisten nach 1945 zunächst nicht die Schaffung einer „sozialistischen Ordnung“ propagiert sondern den Aufbau einer „antifaschistisch-demokratischen Ordnung". Was in Mitteldeutschland vom Zeitpunkt der sowjetischen Besetzung bis zur Konstituierung der „DDR“ an Veränderungen der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung durchgeführt wurde, bezeichnete der Parteitagsbeschluß ausdrücklich als „die Lösung der Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution“. Das bedeutet also in der Praxis das schrittweise Verdrängen aller dem Kommunismus widerstrebenden Kräfte in die Illegalität, den Aufbau des kommunistischen Machtapparates und die erste Phase der Beseitigung des privaten, echten genossenschaftlichen und demokratisch-öffentlichen Eigentums an den Produktionsmitteln. In der Zone wurde diese erste Phase der Enteignung und der Schaffung eines kommunistischen Sektors in der Wirtschaft als die „Zerstörung der Grundlagen des Imperialismus und Militarismus“ deklariert.

Diese prinzipielle Ausgangsposition der kommunistischen Deutsch-landpolitik, wie sie von Chruschtschow und Ulbricht auf dem V. SED-Parteitag erneut erläutert wurde — die genau den Grundsätzen der kommunistischen Strategie und Taktik im Kampf um die Macht entspricht — kommt in den aktuellen Parolen und Formulierungen zur Frag der Wiedervereinigung nicht so deutlich zum Ausdruck. Diese Tages-parolen, die der Erreichung des nächsten taktischen Zieles dienen, können deshalb ohne Berücksichtigung der prinzipiellen kommunistischen Ausgangsposition und Zielsetzung nicht richtig beurteilt werden. Das gilt auch für die von Ulbricht auf dem Parteitag in Ostberlin vorgetragenen „Grundsätze eines deutschen Friedensvertrages“ und „Vorschläge zur Entspannung“, deren Formulierung die wirklichen kommunistischen Ziele nicht sofort erkennen läßt.

In diesem Konzept der kommunistischen Deutschlandpolitik ist der DDR die Rolle einer Basis für die Einwirkung auf Westberlin und Westdeutschland und für die Ausdehnung der kommunistischen Diktatur auf ganz Deutschland zugewiesen. Der Ausbau und die Festigung dieser Basis wird als die gegenwärtig wichtigste Aufgabe der Kommunisten in Deutschland bezeichnet, die angeblich der „Erhaltung des Friedens, und der Wiedervereinigung Deutschlands" dient. Grotewohl sagte das z. B. auf dem V. SED-Parteitag mit folgenden Worten:

„Wir müssen also die Sddußfolgerungen ziehen, daß die Stärke und Überlegenheit des sozialistischen Systems in der DDR der zuverlässigste Faktor für die friedliche und demokratische Wiedervereinigung Deutschlands und für die Erhaltung des Friedens in Europa ist"

Der Kurs des V. SED-Parteitages richtet sich also mit seinen Direktiven für die weitere Umgestaltung in der Zone und auch mit seinen gesamtdeutschen Aspekten in gleicher Weise gegen die Wiedervereinigung unseres Landes auf freiheitlicher Grundlage und gegen die Lebensinteressen des gesamten deutschen Volkes.

Schlußfolgerungen

In der Zone ist nach dem V. SED-Parteitag mit zunehmendem Terror gegen die Bevölkerung zu rechnen, weil die geplante Vollendung der Sowjetisierung in den nächsten Jahren, die für die Menschen in Mittel-deutschland eine weitere Verschlechterung der Lebensbedingungen bedeutet, bei allen Schichten der Bevölkerung auf heftigen Widerstand stößt und nur mit Gewalt erzwungen werden kann. Unmittelbar im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme des harten Kurses erfolgten Maßnahmen zur erneuten Abschnürung der 17 Millionen Deutschen in der Zone von der Umwelt. Es begann vor einem Jahr mit dem Verbot von Westreisen für Studenten. Um den Reiseverkehr über die Zonengrenze weiter einzuschränken, folgte im Dezember 19 57 das neue Paßgesetz. Seither wurden die Bestimmungen für die Erteilung von Reisegenehmigungen so verschärft, daß fast nur noch die Beauftragten des Regimes die Möglichkeit haben, legal nach Westdeutschland zu reisen. Im Februar 19 5 8 trat ein Ergänzungsgesetz zum Strafgesetzbuch der DDR in Kraft, das härtere Strafen für etwa vierzehn zum größten Teil neukonstruierte „Vergehen und Verbrechen gegen den Staat und gegen gesellschaftliches Eigentum“ anordnete, darunter lebenslanges Zuchthaus und Todesstrafe. Auf dem V. SED-Parteitag kündigte Ulbricht weitere Veränderungen der gesamten „Gesetzlichkeit“ und die Schaffung eines „sozialistischen“ Rechts auf allen Gebieten an, und die Schaffung eines „sozialistischen Rechts“ auf allen Gebieten an, das dazu dienen soll, „den engen und beschränkten bürgerlichen Rechts-Horizont zu überschreiten, aus dem Bewußtsein und den Lebensgewohnheiten der Bürger die Überreste des kapitalistischen Bewußtseins auszurotten" und die Menschen zu zwingen, alle Anordnungen der Diktatur zu befolgen. In den letzten Monaten haben die Verhaftungen in der Zone wieder einen größeren Umfang angenommen.

Es hat in den vorangegangenen Abschnitten der kommunistischen Umgestaltung bereits Zeiten schärfsten Terrors in Mitteldeutschland gegeben. Doch der Widerstandswille der Bevölkerung ist auch nach über dreizehn Jahren kommunistischer Unterdrückung nicht gebrochen. Der Kommunismus hat in diesem Teil Deutschlands mit gewaltätigen Methoden schrittweise den Aufbau eines sowjetischen Systems durchgeführt — der in den kommenden Jahren vollendet werden soll — aber die Herzen und Hirne der Menschen konnte er nicht gewinnen, auch nicht die der jungen Menschen. Mit der Vollendung der Sowjetisierung in Mitteldeutschland ändern sich manche Voraussetzungen für den Widerstand, aber das tägliche Ringen der Menschen mit der Diktatur um erträglichere Lebensbedingungen und das Verlangen nach demokratischen Freiheiten wird nicht aufhören; nur die konkreten Formen dieses Ringens werden sich veränderten Voraussetzungen anpassen Die Reaktion der mitteldeutschen Bevölkerung auf die Beschlüsse des V. SED-Parteitages hat gezeigt, daß bei teilweiser Bestürzung und Niedergeschlagenheit allgemein die Entschlossenheit zum weiteren Widerstand vorhanden ist.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Rede Chruschtschows auf dem V. SED-Parteitag, „Neues Deutschland” 12. 7. 1958

  2. Rede Ulbrichts auf dem V. SED-Parteitag, Neues Deutschland 11. 7. 1958

  3. Rede Ulbrichts auf dem V. SED-Parteitag, Neues Deutschland 11. 7. 1958

  4. Beschluß des V. SED-Parteitages, Neues Deutschland 18. 7. 1958

  5. Rede Ulbrichts auf dem V. SED-Parteitag, Neues Deutschland 11. 7. 1958

  6. Rede Ulbrichts auf dem V. Parteitag der SED, Neues Deutschland 11. 7. 1958

  7. FDGB-Ogan . Tribüne", vom 1. 4. 1958

  8. Grotewohl vor dem Bezirkstag Gera, Neues Deutschland 3. 8. 1958

  9. Entschließung der SED-Bezirksdelegiertenkonferenz Berlin, Neues Deutschland 6. 7. 1958

  10. Rede Ulbrichts auf dem V. Parteitag, Neues Deutschland 11. 7. 1958

  11. Beschluß des V. Parteitages Neues Deutschland18.7.1958

  12. Rede Ulbrichts auf dem V. Parteitag, Neues Deutschland 11. 7. 1958

  13. Beschluß des V. Parteitages, Neues Deutschland 18. 7. 1958

  14. Ulbrichts Rede auf der 33. SED-ZK-Tagung, Neues Deutschland 20. 10. 1958

  15. Gesetzblatt der DDR, Teil I, vom 4. 7. 1958

  16. Rede Mückenbergers auf der II. MTS-Konferenz, ND 26. 1. 1958

  17. Protokoll der SED-Konferenz in „Neuer Weg" Nr. 2/1958

  18. Beschluß des V. SED-Parteitages, ND 18. 7. 1958

  19. Rede Ulbrichts auf dem V. SED-Parteitag, ND 11. 7. 1958

  20. Rede Ulbrichts auf dem V. SED-Parteitag, ND 11. 7. 1958

  21. Rau: Bericht des Politbüros auf der 36. ZK-Tagung, ND 13. 6. 1958

  22. ND 22. 6. 1958

  23. Gesetz über den Fünfjahrplan 1951— 1955, ND 2. 11. 1951

  24. Rede Ulbrichts auf dem V. SED Parteitag ND 11.7.1958

  25. Rede Ulbrichts auf dem V. SED Parteitag ND 11.7.1958

  26. Rede Chruschtschows in Bielefeld, ND 29.7.1958

  27. Rede Ulbrichts auf dem V. SED Parteitag ND 11.7.1958

  28. Seifert auf dem V. SED-Parteitag ND 13.7.1958

  29. "Neuer Weg" Nr. 14/2 Juli Heft 1958

  30. Ulbricht auf dem V. SED-Parteitag, 11.7.1958

  31. Beschluß des V. SED-Parteitages, ND 18. 7. 1958

  32. Ulbricht auf dem V. SED-Parteitag, ND 11. 7. 1958

  33. Grotewohl auf dem V. SED-Parteitag, ND 14. 7. 1958

  34. Geheimprotokoll der 36. ZK-Tagung, Zitat teilweise auch in ND vom 14.6.1958

  35. Beschluß des V. SED-Parteitages, ND 18. 7. 1958

  36. Beschluß des V. SED-Parteitages, ND 18. 7. 1958

  37. Mückenberger auf dem V. SED Parteitag ND 13.7.1958

  38. Ulbricht auf dem V. SED Parteitag ND 11.7.1958

  39. Ulbricht auf dem V. SED Parteitag ND 12.7.1958

  40. Wimke auf dem V. SED Parteitag ND 14.7.1958

  41. Ulbricht auf dem V. SED Parteitag ND 12.7.1958

  42. Ulbricht auf dem V. SED Parteitag ND 12.7.1958

  43. Beschluß des V. SED Parteitag ND 18.7.1958

  44. Ulbricht auf dem V. SED Parteitag ND 11.7.1958

  45. Chruschtschow auf dem V. SED Parteitag ND 12.7.1958

  46. Chruschtschow auf dem V. SED Parteitag ND 12.7.1958

  47. Großschreiben des KPdSU-ZK, ND 12.7.1958

  48. Beschluß des V. SED-Parteitages , ND 18.7.1958

  49. Grotewohl auf dem V. SED Parteitag ND 14.7.1958

Weitere Inhalte

Rudolf H. Brandt, geb. 1910 in Breslau. Seit langem mit den Fragen der deutschen Arbeiterbewegung vertraut. Spezialuntersuchungen über die Lage in der SBZ.