Die folgende Darstellung ist mit freundlicher Genehmigung des Verlages dem Buch von Dr. Günther Nollau „DIE INTERNATIONALE" entnommen. Das Buch wird demnächst im Verlag für Politik und Wirtschaft, Köln, erscheinen.
I. Die Organisation
Nach den Beschlüssen der beiden ersten Weltkongresse sollte die Komintern eine aus einzelnen Sektionen, den nationalen Kommunistischen Parteien, bestehende Weltpartei sein. Ihr Zweck war, mit allen Mitteln, auch mit Waffengewalt, „für den Sturz der internationalen Bourgeoisie und für die Schaffung einer internationalen Sowjetrepublik“ zu kämpfen
Die Organisation der Komintern wies einmal alle Elemente einer kommunistischen Partei auf. Zum anderen hatte sie, anders als nationale Parteien, organisatorische Glieder, die sie befähigten, ihrer Rolle als Welt partei gerecht zu werden.
Der Weltkongreß und das EKKI Das oberste Organ der Komintern (§ 4 der Statuten) war der Weltkongreß, zu dem die „Sektionen" ihre Delegationen entsandten. Der Weltkongreß entsprach dem Parteitag einer nationalen Partei, auf dem sich die Delegierten der Untergliederungen versammeln. Der Weltkongreß wählte das Exekutivkomitee (EKKI) als leitendes Organ der Komintern Das EKKI ist mit dem Zentralkomitee einer kommunistischen Partei zu vergleichen. Dem Politbüro der kommunistischen Parteien entspricht das von EKKI gewählte Präsidium, dessen Vorsitz von 1919 bis 1927 Sinowjew und danach bis 1929 Bucharin innehatte
Das Prinzip des „Demokratischen Zentralismus" galt auch für die Komintern (vergl. die zwölfte der einundzwanzig Bedingungen, die der II. Weltkongreß angenommen hatte). Die Anwendung dieses Prinzips machte das Präsidium des EKKI zum beherrschenden Organ der Komintern ebenso wie — dank des „Demokratischen Zentralismus“ — die Zentralkomitees der nationalen Parteien zu den ausschlaggebenden Gremien geworden sind. Als äußeres Zeichen dieser Entwicklung kann gelten, daß die Weltkongresse schon ab 1922 nicht mehr, wie die Statuten vorschrieben, jährlich, sondern in immer größeren Intervallen einberufen wurden (IV. Weltkongreß 1922; V. Weltkongreß 1924;, VI. Weltkongreß 1928; VII. und letzter Weltkongreß 1935). Eine bemerkenswerte Parallele zu dieser Entwicklung dürfte sein, daß bei der KPdSU die Parteitage auch nicht jährlich, sondern nur in großen Abständen stattgefunden haben (XVII. Parteitag 1934; XVIII. Parteitag 1939; XIX. Parteitag 1952; XX. Parteitag 1956).
Das EKKI begann, anstelle des Weltkongresses als entscheidendes Organ aufzutreten. Der IV. Weltkongreß
Bald nachdem die „erweiterte Exekutive" gebildet war, beschloß das Politbüro der KPdSU am 11. September 1923, den Aufstand in Deutschland vorbereiten zu lassen. Das EKKI hatte nur noch darüber zu beraten, wie der Beschluß auszuführen sei 5). Im Mai 1927 erlebte Ignazio Silone, wie die sowjetische Delegation unter Stalins Leitung von einem Erweiterten EKKI-Plenum verlangte, ein Schreiben Trotzkis an das Politbüro der KPdSU zu verdammen, ohne den Delegierten Gelegenheit zu geben, das Schreiben kennenzulernen. Bereits damals war die Kominternelite so weit „bolschewisiert", daß Silones Weigerung von den anderen Delegierten teils nicht verstanden (Ernst Thälmann), teils scharf bekämpft wurde (Otto Kuusinen)
Castro Delgado hat über die Befehlsverhältnisse, die im EKKI Anfang der vierziger Jahre herrschten, geschrieben:
„Ganz oben ist Stalin, der allen befiehlt. Diejenigen, die sich in der Mitte der Stufenleiter befinden, gehorchen denen, die über ihnen sind und befehlen den unteren. Und der untere gehorcht iwuier. Es gibt zwei Arten zu befehlen: Die großen Chefs befehlen in einem väterlichen, aber festen Ton, die kleinen Funktionäre in einem rauhen Ton wie Unteroffiziere. Aber es gibt nur eine einzige Art zu gehorchen. Ungehorsam wird nicht geduldet. Und es ist Ungehorsam, in irgendeinem Punkte mit den offiziellen Thesen nicht einverstanden zu sein."
Generalsekretär war Dimitroff, zweiter Sekretär Manuilski, dem als Gehilfen der Ungar Ernö Gero und der Bulgare Stepanoff unterstanden
Stalin hatte Dimitroff Generalsekretär werden lassen, weil er meinte, die Herrschaft der KPdSU über die Komintern würde weniger offen in Erscheinung treten, wenn ein Bulgare Generalsekretär wäre. Außerdem war Dimitroff nach seinen „Erfolgen“ im Reichstagsbrandprozeß in der Internationale populär — und er blieb gefügig. Castro Delgado hat einige Jahre aus nächster Nähe beobachtet, daß Dimitroff nichts anordnete, was Manuilski nicht gebilligt hatte. Manuilski seinerseits war völlig von Shdanow abhängig, der damals die internationale Arbeit im ZK der KPdSU leitete. Manuilskis Gehilfen, Gero und Stepanoff, hatten weit größeren Einfluß als die „gewählten“ Sekretariatsmitglieder
Die Sektionen der Komintern entsandten ihre Vertreter ins EKKI. So waren nach dem VII. Weltkongreß z. B. in Moskau: Kopecki als Vertreter der tschechischen Partei, Ulbricht als Vertreter der KPD, Castro Delgado als Vertreter der spanischen Partei, Veljko Vlakowitsch als Vertreter der jugoslawischen Partei
Die Abteilungen des EKKI Unter dem Präsidium arbeiteten die Abteilungen des EKKI, das insoweit etwa wie das Zentralkomitee einer nationalen kommunistischen Partei gegliedert war. In den Beschlüssen des IV. Kongresses über die Reorganisation der Exekutive sind eine Organisationsabteilung (OrgBüro), der die Abteilung für Statistik und Information unterstellt sein sollte, und eine agitatorisch-propagandistische Abteilung erwähnt
Als kommunistische Weltpartei konnte die Komintern nicht ohne Kaderabteilung auskommen. In den ersten Jahren war der polnische Kommunist Krajewski, ein Freund von Felix Dsershinski, ihr Leiter ’
Alichanow stand noch zu Beginn der Säuberungen, denen er Ende Mai 1937 ebenso wie sein Stellvertreter Tschernomordik zum Opfer fiel, an ihrer Spitze
Das Bestehen einer Militärabteilung ist von Krivitzky, Wollenberg und Borkenau bezeugt
Die Propagandatätigkeit der Komintern wurde von der „Agitprop" -Abteilung ideologisch gesteuert
Org-Büro und Finanzabteilung Die wichtigste Abteilung war die Organisationsabteilung, auch Org-Büro genannt. Ihr unterstanden die Abteilung für internationale Verbindungen (OMS — Otdjel Meshdunarodnoi Swjasi), das Herz der Komintern, wie Krivitzky sie nennt, und die Finanzabteilung 25). Leiter des Org-Büros war jahrelang Ossip Piatnitzky, ein Bolschewik, der schon vor der russischen Revolution von 1905 bei der Einschleusung der Zeitschrift „Iskra“ von der Schweiz nach Rußland mitgewirkt hatte und über reiche konspirative Erfahrungen auf internationalem Gebiet verfügte. Er trat mehrfach öffentlich durch seine Kritik an den schwachen organisatorischen Leistungen der „Sektionen“ hervor
Die Internationale Kontrollkommission (IKK)
Schon der III. Weltkongreß bildete eine „Provisorische Kontrollkommission“
Verhalten von Angehörigen der Komintern zu ahnden. Peter I.
Stutschka sagte auf dem VI. Weltkongreß, die IKK solle nur Fälle von politischer Bedeutung behandeln
Ein Beispiel für die Tätigkeit der IKK ist der bekannte Maslow-Fall, in dem die IKK dazu benutzt werden sollte, die deutsche „Linke"
zu schwächen
wende und die NSDAP de facto toleriere. Münzenberg erklärte Jaeger während einer vorübergehenden Abwesenheit Fliegs, welchen Einfluß dieser in der KPD und in Moskau habe. Flieg war als Vertrauensmann der OMS einer der mächtigsten Kommunisten in Deutschland, wenn er auch hinter den Kulissen wirkte. Jaeger wurde schon nach wenigen Wochen aufgefordert, nach Moskau zu kommen. Dort hatte er sich vor einer „Internationalen Kommission“ zu verantworten, der Radek, Kuusinen, Bela Kun und Knorin angehörten
Die Internationale Kontrollkommission und die Kaderabteilung wurden, wie noch erörtert werden wird, von der OGPU dazu benutzt, ihren Einfluß auf die Internationale auszudehnen. Schon als die Untersuchung des Maslow-Falles begann (1923), hatte die GPU zwei ihrer Angehörigen in der IKK: Joseph S. Unschlicht und Peter I. Stutschka
Damit trat der stärker werdende Einfluß der OGPU auf parteiinterne Angelegenheiten in Erscheinung, der in der weiteren Entwicklung dazu führte, daß den Befragungen durch die IKK der Zugriff der OGPU (NKWD) folgte. Das Schicksal von Heinz Neumann, das diesen Verlauf nahm, hat Margarete Buber-Neumann eindringlich geschildert
Margarete Buber-Neumann hatte Gelegenheit festzustellen, welch enge Beziehungen zwischen NKWD und IKK bestanden. Heinz Neumann hatte ihr, als er noch in Freiheit war, von dem Inhalt der sich lange hinziehenden Vernehmungen bei der IKK erzählt. Nachdem M. Buber-Neumann selbst verhaftet war, hielt der Untersuchungsbeamte des NKWD ihr die gleichen Vergehen vor, die Heinz Neumann bei dei IKK vorgeworfen worden waren
Die IKK war auch berechtigt, die Abrechnung und Berichterstattung der Sektionen über ihre Finanzgebarung zu prüfen, wenn der Verdacht be-stand.
daß Parteigelder unredlich oder zweckwidrig verwendet worden waren Als zum Beispiel 1924 der Kassierer der deutschen Partei, Arthur König, beschuldigt wurde, mit OMS-Geldern spekuliert zu haben, untersuchte die IKK sein Finanzgebaren
Mit dem Überwiegen des Einflusses der KPdSU in der Internationale trat die IKK hinter der sowjetischen zentralen Parteikontrollkommission (ZPKK) an Bedeutung zurück, in der die GPU zur beherrschenden Kraft wurde.
Die Organisation der Welt partei Im EKKI bestanden Sekretariate für Gruppen von Sektionen (LänderSekretariate)
Die territorialen Sekretariate im EKKI (Ländersekretariate)
Bekanntgeworden sind das Lateinische, das Mitteleuropäische, das Westeuropäische, das Osteuropäische, das Fernöstliche, das Skandinavische und das Balkansekretariat 37). Die bedeutendsten Ländersekretariate waren für Jahre das Mitteleuropäische und das Westeuropäische, weil bis 1933 die Versuche, in Mitteleuropa zu revolutionären Umwälzungen zu gelangen, den Schwerpunkt der Kominternpolitik gebildet hatten. Nach 1934 verlagerte sich der Schwerpunkt nach Westeuropa (Volksfrontpolitik; Spanienkrieg). — Die personelle Besetzung der Sekretariate hat — besonders infolge der Säuberungen häufig gewechselt.
Leiter des Balkansekretariats war Dimitroff, bevor er (1929) in das Westeuropäische Büro nach Berlin ging
Das Mitteleuropäische Sekretariat (zuständig für Deutschland, Österreich, CSR) wurde bis 1936 von Waldemar G. Knorin mit seinem Gehilfen Gregori Smolianski geleitet. Als Knorin infolge der Säuberungen verschwand, wurde Palmiro Togliatti Leiter des Sekretariats, der vorher Leiter des Lateinischen Sekretariats gewesen war *
Im Mitteleuropäischen Sekretariat waren zeitweise die Deutschen Sepp Schwab, Hermann Nuding und Fritz Heilmann tätig. Als Vertreter der KPD wirkten im Mitteleuropäischen Sekretariat Fritz Heckert, Hermann Schubert und in den letzten Jahren Walter Ulbricht. Das Lateinische Sekretariat wurde —nach den Säuberungen — geleitet von Boris Stepanoff (Bulgare). Es war zuständig für Spanien, Italien und Südamerika
Die Abteilung für internationale Verbindungen (OMS)
Die OMS hatte als Verbindungsglieder besondere Beauftragte zu den wichtigsten Sektionen der Komintern entsandt. Sie sicherte durch einen geheimen Apparat die Verbindungen des EKKI mit ihren Beauftragten in den verschiedenen Ländern
Mit Hilfe der OMS steuerte das EKKI die Tätigkeit der Kommunistischen Parteien in der Welt.
Die OMS gehörte zum Org-Büro des EKKI. Als Leiter des Org-Büros verfügte Ossip Piatnitzky über die Mittel und den Apparat der OMS und besaß großen Einfluß in der Internationale. Von den OMS-Beauftragten bei den Sektionen sind zu nennen Jacob Mirow-Abramow, der von 1921 bis 1930 in Berlin war und danach Leiter der OMS in Moskau wurde, D. Petrowsky, der unter dem Namen „Bennet“ in England arbeitete, und Henry Robinson in Paris
Mit der Funktion der OMS als Verbindungsorgan war ihre Paßabteilung eng verbunden. Die meisten Kuriere und die meisten der sonstigen im Interesse der Komintern reisenden Personen brauchten Pässe. Die Paßabteilung lieferte sie. Nach Krivitzky hat die Abteilung — anders als die sowjetischen Geheimdienste — Pässe nicht selbst hergestellt, sondern echte Pässe „umgedoktert“, d. h. verfälscht
Diese Paßabteilung der KPD hat in verschiedenen Fällen für Kominternfunktionäre (z. B.den Schweizer Kommunisten Paul Ruegg) Ausweispapiere hergestellt.
Die OMS stützte sich, um die Verbindung zu ihren Außenstellen oder den nationalen Parteien herzustellen, in erster Linie auf ihr Kurier
System. In den dreißiger Jahren wurden auch die Seeverbindungen und Hafenstützpunkte der Internationale für Seeleute und Hafenarbeiter für Zwecke der OMS benützt. Von 1934 bis 1936 befaßte sich die OMS damit, Funkverbindungen zu ihren Außenstellen und einigen nationalen Parteien in Europa zu schaffen
Während des II. Weltkrieges stand die Komintern mindestens zeitweilig auch mit einigen Sektionen in Funkverbindung
Die Kommissionen Für ständige oder zeitweilige Aufgaben wurden vom EKKI „Kommissionen“ eingesetzt. Im Statut der Komintern gab es dafür zunächst keine Grundlage. Der VI. Weltkongreß sanktionierte jedoch die seit 1924 vom EKKI geübte Praxis
Eine der ad hoc eingesetzten Kommissionen war die „Chinesische Kommission“, die den Revolutionsausbruch in China (1926/27) zu steuern hatte. Zu ihrem Vorsitzenden wurde Joseph S. Unschlicht ernannt, ein hoher OGPLI-Funktionär, der Stalins Vertrauen genoß. — Die „Polnische Kommission“ des EKKI und des ZK der KPdSU bestand seit dem V. Weltkongreß. 1926 arbeitete sie daran, Pilsudski zu verhindern, die Macht in Polen zu übernehmen. Stalin, Sinowjew, Unschlicht und Dsershinski gehörten ihr an
Die „ständigen Büros“ des EKKI Schon bald nachdem die Komintern gegründet war, wurden Außenstellen in Westeuropa, dem damaligen Schwerpunktgebiet der Kominternarbeit, eingerichtet. Die Legitimation dazu erhielt das EKKI durch § 9 des Statuts:
„Im Bedarfsfälle organisiert das Exekutivkomitee in den verschiedenen Ländern seine technischen und anderen Hilfsbüros, die völlig dem Exekutivkomitee untergeordnet sind. Die Vertreter des Exekutivkomitees erledigen ihre politischen Aufgaben im engsten Kontakt mit der Parteizentrale des betreffenden Landes."
Die Sektionen waren verpflichtet, Anweisungen der „ständigen“ Büros zu befolgen
Die Komintern hatte ferner in Irkutsk eine Außenstelle eingerichtet, das sogenannte Irkutsker Büro. Die von diesem Büro geleitete Arbeit sollte die sowjetischen Interessen durch Zusammenarbeit mit den chinesischen Generalen fördern, die in Nordchina herrschten („Irkutsker Linie“
Das Westeuropäische Büro (WEB)
Zur größten aller Außenstellen und zum wichtigsten Verbindungszentrum der Komintern außerhalb Moskaus entwickelte sich aus dem bescheidenen Propagandainstitut Bronskis und Thomas’ im Laufe der Jahre das Westeuropäische Büro, das sich bis 1933 in Berlin befand
„In dieser Zeit unterstützt Dimitroff, der einige Jahre audt in Berlin lebte, die westeuropäischen Kommunistischen Parteien in ihrer Tätigkeit durdt wertvolle Ratsddäge. Eine ganz besondere enge Freundschaft bildet sich zwischen ihm und den Genossen Thälmann und Piedt heraus.“
Wieviele Abteilungen das Westeuropäische Büro hatte, ist nicht genau bekannt. Sie dürften jedoch zahlreicher gewesen sein als die vier Abteilungen, die aus der späteren Kopenhagener Zeit überliefert sind: Dort bestanden Abteilungen für Politik (Leiter: Otto Kuusinen, Finne), für Organisation (Leiter: Ernst Wollweber, Deutscher), für Finanzen (Leiter Richard Jensen, Däne) und für Spionageabwehr (S-Apparat, Leiter: Michel Avatin, Lette
Richard Krebs schreibt zutreffend, das Westeuropäische Büro sei „von Island bis Kapstadt“ zuständig gewesen. Zweifellos ist die revolutionäre Arbeit ganz Westeuropa und den -skandinavischen Län in in dern von dem Berliner Büro geleitet worden. Das beweisen allein die Instrukteuraufträge, die Richard Krebs in England, Frankreich, Dänemarl . Norwegen und Schweden auf Anordnung der Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter (ISH) ausgeführt hat, die dem Westeuro-päischen Büro unterstellt war. Die Zuständigkeit des WEB als Verbindungsstelle ging über diesen Bereich noch hinaus. So leitete z. B. die OMS Geldmittel, die für das Fernöstliche Büro in Shanghai bestimmt waren, durch ihre Verbindungsstelle im Berliner WEB.
Die Politik der Komintern in Deutschland scheiterte 19 3 3. Das Westeuropäische Büro wurde teils nach Paris, teils nach Kopenhagen verlegt, seine Unterlagen mußten dorthin transportiert werden. Dabei zeigte sich, mit welchem Erfolg die Arbeit des Büros jahrelang abgeschirmt worden war. Während das Karl-Liebknecht-Haus der KPD für die Zentrale der Aufstandsbewegung gehalten und von Polizeikräften besetzt wurde, konnten Beauftragte der Komintern die vertraulichen Papiere des Westeuropäischen Büros aus den geheimen Wohnungen, in denen sie lagerten, entfernen und nach Kopenhagen bringen
„Über meine Tätigkeit in Deutsddand. Ich wiederhole meine Aussage vom 20. März, daß ich in Deutsddand mit meinen bulgarischen Fragen und meiner bulgarisdten sdiriftstellerischen Arbeit beschäftigt war (hauptsädilich mit der Lage der politisdten Emigration, der Kampagne für die politische Amnestie in Bulgarien usw.).
„Den bei mir gefundenen Aufruf der Kommunistischen Internationale und den Aufruf für einen Internationalen antifaschistischen Arbeiterkongreß, die in der „Internationalen Pressekorrespondenz“ sowie in der kommunistischen Weltpresse veröffentlicht wurden, habe ich von der Redaktion der „Inprekorr“ zur Information erhalten.
Die mir vom Herrn Untersuchungsrichter gezeigte Pressenachricht der KPD über die Reidtstagsbrandstiftung habe ich bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal gesehen. So ein Schriftstück habe ich nie in meinen Händen gehabt auch nie gelesen.
Über meine politisdten Verbindungen in Deutschland. Idi war in Verbindung mit der Redaktion der „Internationalen Pressekorrespondenz“, wo ich audi meine Artikel über Bulgarien, über die politische Amnestie und über andere Fragen veröffentlicht habe. Ich war audi von Zeit zu Zeit in Verbindung mit der „Internationalen Arbeiter-Hilfe“ wegen verschiedener Fragen der bulgarisdten Sektion der IAH. In der Frage der bulgarisdten politischen Emigration habe idt direkt die gelegentlich notwendigen Verbindungen mit dem Internationalen Sekretariat der Roten Hilfe gehabt. Andere Verbindungen in Deutsdiland brauchte ich für meine Arbeit überhaupt nicht.
Idt kenne persönlidt die führenden deutschen Kommunisten, die an den versdtiedenen Tagungen der Kommunistischen Internationale in Moskau während meiner Anwesenheit dort teilgenommen haben und öffentlich aufgetreten sind, wie z. B. Thälmann, Heckert, Pieck
Internationale Massenorganisationen Mit der Organisation der Komintern waren einige der internationalen kommunistischen Massenorganisationen eng verknüpft: Die Rote Gewerkschaftsinternationale (Profintern), die Kommunistische Jungendinternationale, die Frauensektion und die Internationale Rote Hilfe (MOKP)
Die Rote Gewerkschaftsinternationale (Profintern)
Die Profintern wurde gegründet, als der II. Weltkongreß in Moskau stattfand. Im Statut der Komintern war bestimmt (§ 14), die „auf dem Boden des Kommunismus stehenden, im internationalen Maßstab unter der Leitung der Kommunistischen Internationale zusammengesschlossenen Gewerkschaften sollten eine Gewerkschaftssektion der Komintern bilden“. Die Gewerkschaftssektion sandte einen Vertreter in das EKKI.
Dieser Vertreter, S. A. Losowski, spielte im EKKI keine bedeutende Rolle. Ebensowenig übte die Prosintern nennenswerten Einfluß auf die Kominternpolitik aus. Ihre Geschichte von der Gründung bis zur Auflösung zeigt, wie eng die Profintern mit den Linienänderungen der Kominternpolitik verknüpft war. Folgte die Komintern einem „linken"
Kurs, so hatte die Profintern die „gelben“ Gewerkschaften zu spalten.
Wurde in der Komintern ein „rechter“ Kurs (Einheitsfronttaktik) gesteuert, so sah sich die Profintern von der Auflösung bedroht. Das Wesen der „rechten“ Gewerkschaftpolitik war, die „gelben“ Gewerkschäften von innen her zu erobern. Damit war das Bestehen besonderer „roter“ Gewerkschaften kaum vereinbar.
Zur Zeit des II. Weltkongresses (März 1920), als der erste Höhepunkt der „linken“ Kominternpolitik erreicht war, wurde die Profintern gegründet
Die „Tradition“ der Roten Gewerkschaftsinternationale ist nach 1945 durch den am 3. Oktober 1945 in Paris gegründeten Weltgewerkschaftsbund übernommen worden
Die Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter (ISH)
Diese „maritime" Sektion der Profintern erlangte in den Jahren, die auf ihre Gründung (1931) folgten, besondere Bedeutung. Ihr schlossen sich Seeleute und Hafenarbeiter in den wichtigsten Häfen an. Das EKKI legte besonderen Wert darauf, die ISH zu entwickeln, sie mit Geldmitteln und fähigem Personal zu unterstützen, denn Seeleute und Hafenarbeiter konnten den Feinden der Komintern, den „imperialistischen Mächten“, erheblichen Saden zufügen, wenn sie den See-und Hafenverkehr lahmlegten. Geschickte Organisatoren, wie der Generalsekretär Albert Walter, waren in der ISH tätig
Die rote Jugendinternationale Schon während des ersten Weltkrieges hatten sich einige sozialistische Jugendorganisationen der radikalen „Antikriegspolitik“ der Bolschewiki genähert. Das zeigte sich im Jahre 1915 auf dem internationalen sozialistischen Jugendkongreß von Bern und auf der Konferenz von Zimmerwald. Der Berner Kongreß beschloß, eine Zeitschrift „Jugendinternatio-nale" herauszugeben. In dieser internationalen Jugendbewegung begann Willi Münzenberg, politisch hervorzutreten
Am 20. November 1919 fand in Berlin ein internationaler Jugendkongreß statt, an dem Delegierte aus 14 Ländern teilnahmen, die etwa 250 000 Mitglieder sozialistischer Jugendorganisationen vertraten
Die Kommunistische Jugendinternationale hatte ihren Sitz in Berlin und unterhielt dort geheime Büros. Sie versuchte, einen eigenen Apparat aufzubauen, der zuverlässige Verbindungen zu den angeschlossenen Organisationen gewährleisten sollte
Die Kommunistische Jugendinternationale hat nie so großen Einfluß erlangt, wie nach der Haltung großer Teile der damaligen Jugend erwartet werden konnte. Befähigte Kommunisten, die sich in der Jugendinternationale betätigten, gingen alsbald auf andere Gebiete über. Ihr hochbegabter Gründer, Willi Münzenberg, schied im Sommer 1921 aus der Jugendarbeit aus
Auf dem XV. und XVI. Parteitag der KPdSU (1927 und 1930) wurde Schatzkin als Mitglied der Zentralen Revisionskommission gewählt. Er beteiligte sich an der oppositionellen Arbeit Lominadses. Schatzkin beging 1936 Selbstmord, als er im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen Sinowjew festgenommen werden sollte
193 5 fiel er in Ungnade und wurde schließlich das Opfer eines Flugzeugunfalls
Auch Besso Lominadse und Heinz Neumann, die sich wahrscheinlich im Rahmen der Jugendinternationale in Moskau kennenlernten, gaben bald die Jugendarbeit auf. Neumann begann 192 3, im Zersetzungsapparat der KPD tätig zu werden. Er blieb jedoch durch häufige Reisen nach Moskau in enger Verbindung mit der Komintern und mit Lominadse.
Beide wurden 1927 als getreue Stalinanhänger nach Kanton geschickt. Sie wurden für das Scheitern des Aufstandes verantwortlich gemacht
Henry Robinson arbeitete zu Anfang der zwanziger Jahre in der Jugendinternationale. Von 1930 bis 1936 war er als Vertreter der OMS mit dem Sitz in Paris für Frankreich, die Schweiz und Großbritannien verantwortlich. Robinson geriet später in engen Kontakt mit dem sowjetischen Nachrichtendienst. Dieser Kontakt führte ihn 1942 in die Hände der Gestapo, da der verhaftete Leon Trepper seine Verbindung zu Robinson preisgegeben hatte
In den letzten Jahren des Bestehens der Jugendinternationale betätigte sie sich nicht mehr. Von ihrer Organisation waren nur einige Sekretäre (Michael Wolf, Raymond Guyot) übrig geblieben. Die Jugendinternationale wurde, als die Deutschen sich im Herbst 1941 Moskau näherten, mit der Komintern nach Ufa verlegt. Dort wurden sie aufgelöst. Anders als die Komintern hat die Jugendinternationale keine Abwicklungsbüros in Moskau gehabt
Die Aufgabe der Kommunistischen Jugendinternationale (Jugendliche in der ganzen Welt für die kommunistische Politik zu gewinnen)
Die Frauensektion der Komintern (Kommunistische Fraueninternationale)
Schon im neunzehnten Jahrhundert war von den Sozialisten erkannt worden, wie wichtig es war, die Frauen für ihre Ziele zu gewinnen. Die Politik der Sozialdemokratie entsprach einer Zeitströmung, als sie Gleichberechtigung und Stimmrecht für die Frauen forderte. Das in den achtziger Jahren erschienene Buch August Bebels „Die Frau und der Sozialismus“ erreichte hohe Auflagen
Der 1. Weltkongreß machte es „zur dringenden Aufgabe aller an die Kommunistische Internationale angeschlossenen Parteien, mit aller Kraft und Energie für die Gewinnung der proletarischen Frauen einzutreten“
Eine große internationale Frauenbewegung ist jedoch aus diesen Ansätzen nicht entstanden. Die wenigen anderen Frauen, die in der Komintern eine Rolle spielten, wie Alexandra Kollontaj, Angelika Balabanowa, Ruth Fischer, befaßten sich mehr mit Grundfragen der Politik und Organisation als mit Frauenarbeit. Nach dem zweiten Weltkriege wurde am 2. Dezember 194 5 in Paris die „Internationale Demokratische Frauenföderation“ (IDFF) gegründet, die den Gedanken einer internationalen „demokratischen" Frauenbewegung ausgenommen hat.
Die Internationale Rote Hilfe (IRH; MOPR)
Die Internationale Rote Hilfe war eine Einrichtung der Komintern. Sie bildete als „selbständige und außerhalb der Parteien stehende Hilfsorganisation" zahlreiche nationale Sektionen
Die IRH betätigte sich nicht nur karitativ. Die Kommunisten nützten dieses weitverzweigte Netz von Stützpunkten auch für ihre konspirativen Zwecke, z. B. zur Hilfeleistung für Apparatangehörige aus, die in Schwierigkeiten geraten waren. So schildert M. Buber-Neumann, wie der Leiter der Schweizer Roten Hilfe im Jahre 1934 ihr ermöglicht hat, die Grenze nach Frankreich illegal zu überschreiten
Bei der Auswahl und beim Transport der Freiwilligen für den Spanischen Bürgerkrieg war die IRH gleichfalls beteiligt
Die gegenwärtig bestehende „Internationale Vereinigung demokratischer Juristen“, bei dessen Gründung Kommunisten mitgewirkt haben, kann als eine Organisation bezeichnet werden, die einen Teil der Aufgaben der „Internationalen Roten Hilfe“ fortführt. Den nationalen Sektionen der „Internationalen Roten Hilfe“ entsprechen auch heute nationale Organisationen. So hat in Deutschland der „Zentralret zum Schutze demokratischer Rechte“ die Aufgabe, politische Gefangene und ihre Angehörigen zu betreuen. Daß seine Funktionäre dabei Methoden angewandt haben, die gegen die Strafgesetze verstoßen, hat in seinem Urteil vom 20. Mai 19 5 8 der Bundesgerichtshof festgestellt.
II Die Arbeitsweise
Lenin hatte im „Linken Radikalismus" der kommunistischen Partei empfohlen, legale mit illegalen Arbeitsmethoden zu verbinden
„Fast in allen Ländern Europas und Amerikas tritt der Klassenkampf in die Phase des Bürgerkrieges ein. Unter derartigen Verhältnissen können die Kommunisten kein Vertrauen zu der bürgerlichen Legalität ha-ben. Sie sind verpflichtet, überall einen parallelen illegalen Organisationsapparat zu schaffen, der im entsdreidenden Moment der Partei behilflich sein wird, ihre Pflidit gegenüber der Revolution zu erfüllen. In all den Ländern, wo die Kommunisten infolge des Belagerungszustandes und der Ausnahmegesetze nicht die Möglidikeit haben, ihre gesamte Arbeit legal zu führen, ist die Kombinierung der legalen mit der illegalen Tätigkeit unbedingt notwendig.“
Es würde nicht dem Sprachgebrauch der Bolschewisten und ihrer Praxis entsprechen, die Worte „legal“ und „illegal“ mit „gesetzlich“ und „ungesetzlich“ gleichzusetzen. Richtiger ist es, statt „legal“ „offen" und statt „illegal“ „getarnt" oder „konspirativ“ zu sagen. Dabei ist zu bedenken, daß nicht alle „offene“ Arbeit der Komintern gesetzmäßig war. So wurde z. B. ihr Statut in der ganzen Welt bekannt gemacht, in dem es hieß, daß „mit den Waffen in der Hand für die Schaffung einer internationalen Sowjetrepublik“ gekämpft werden solle, was entschieden eine gesetzwidrige Absicht enthielt. Umgekehrt verstieß nicht jede konspirative Tätigkeit der Bolschewisten gegen die Gesetze (z. B. die fast überall getarnt ausgeführte Finanzierung der „Sektionen“ oder die Übermittlung von Weisungen des EKK 1 an eine nicht verbotene kommunistische Partei durch den Apparat der OMS).
Die wesentlichen Züge der legalen Arbeitsweise des Weltkongresses und des EKKI sind bereits gestreift worden. Zusammengefaßt ergibt sich folgendes Bild:
Der Weltkongreß konnte nur bis etwa 1922 als „oberstes Organ“ der Internationale fungieren. Seit dieser Zeit begann das EKKI, die „wichtigsten Fragen des Programms und der Taktik“ zu entscheiden. Diese Entwicklung setzte schon zu Lenins Lebzeiten mit den Einheitsfrontthesen des EKKI vom Dezember 1921 ein und endete auf dem VII. Weltkongreß (1935), der nur bestätigte, was vorher schon ausgeführt war:
die Volksfrontpolitik. Der ständig wachsende Einfluß der KPdSU im EKKI bewirkte, daß die Entscheidungsbefugnis auch dieses internationalen Organs gemindert wurde. Als die KPdSU unter Stalins Herrschaft geraten war, beherrschte Stalin auch die Internationale. Ein äußeres Anzeichen für den Abschluß dieses Prozesses ist die überschwengliche Ovation, die der VII. Weltkongreß Stalin darbrachte. Zu diesen Ereignissen gibt es einige Parallelen: Die Diskussionen auf dem I. und II. Weltkongreß waren uneingeschränkt frei gewesen. Auf dem IV. Weltkongreß widersprachen noch einige „Linke“ der Einheitsfrontpolitik, was zu ihrem späteren Ausschluß beitrug. Die Teilnehmer des VII. Weltkongresses erlebten keine freien Diskussionen mehr. Die 1924 einsetzende Praxis, den Weltkongreß nur in großen Zeitabständen (1924 — 1928 — 193 5) einzuberufen, widersprach den Statuten der Komintern, jedoch spiegelt sie die realen Machtverhältnisse wider. Stalin ignorierte die Statuten völlig, als er nach 193 5 den Weltkongreß überhaupt nicht mehr zusammentreten ließ. Er übte seine Herrschaft über die Komintern aus, indem er ihren Apparat mit „seinen“ Leuten (sowjetischen Parteifunktionären und OGPU-Angehörigen) durchsetzte. Die Arbeitsteilung unter den Mitgliedern des EKKI-Präsidiums Die Beschlüsse des IV. Weltkongresses über die Reorganisation der Exekutive ließen einen Brauch erkennen, der sich im EKKI eingebürgert hatte: Das Präsidium des EKKI verteilte die Arbeit auf die Präsidiumsmitglieder (später: Sekretariatsmitglieder) derart, daß ein Präsidiumsmitglied für die Arbeit in je einem der wichtigsten Länder oder in einer Gruppe von Ländern verantwortlich war. Die Präsidiumsmitglieder überwachten die Arbeit der für jedes der wichtigsten Länder ernannten Referenten, die in den territorialen Sekretariaten tätig waren. Diese Arbeitsteilung hat von den ersten Jahren der Komintern bis zu ihrer Auflösung bestanden
Die Verantwortlichkeit für Frankreich und Italien lag dagegen bei Leo Trotzki, solange er zum EKKI-Präsidium gehörte. Trotzki war während der Emigrationszeit (im ersten Weltkriege) in Frankreich gewesen, sprach fließend französisch und kannte die französischen Probleme gut
Die Bevollmächtigten des EKKI Das EKKI machte von seinem Recht, Bevollmächtigte in die einzelnen Länder zu senden, ausgiebig Gebrauch
Man unterscheidet Bevollmächtigte, die ständig (d. h. eine längere Zeit hindurch) in einem Lande lebten, und solche, die nur zu bestimmten Veranstaltungen (z. B. Parteitagen) der Sektionen gesandt wurden. Es gab schließlich die mit besonderen Aufgaben betrauten internationalen Instrukteure
Das Wirken der ständigen Komintern-Bevollmächtigten führte oft zu Reibungen mit den Spitzen der nationalen Parteien. Der Generalsekretär der KPD Ernst Reuter (Friesland) hatte 1921 Differenzen mit dem Kominternbevollmächtigten Radek, als Friesland verlangte, die Berichte, die Felix „Wolf“ (Rackow) an die Komintern sandte, sollten der Zentrale der KPD zur Kenntnis gebracht werden. Auch die Arbeitsweise von Jelena Stassowa, die später für die Komintern in Berlin war und versuchte, alle internationalen Verbindungen zu kontrollieren, erregte Mißstimmung in der KPD
Die Position der Kominternbevollmächtigten festigte sich, je mehr die nationalen kommunistischen Parteien dem Moskauer Zentrum unterworfen wurden. In den dreißiger Jahren oblag den Kominternbevollmächtigten praktisch die Führung der Parteien, denen sie zugeteilt waren. Ihre Einflußnahme erstreckte sich bis in das tägliche Parteileben.
Louis F. Budenz berichtet z. B., in den dreißiger Jahren habe der Kominternbevollmächtigte bei der KP der LISA in einer Redaktionssitzung einen Artikel des Chefredakteurs des „Daily Worker", Clarence Hathaway, schärfstens kritisiert
Die Instrukteure oder Bevollmächtigten der Komintern gehörten in der Regel nicht der Nation oder der Partei an, zu der sie entsandt wurden. Die Russen Manuilski und Mirow-Abramow sowie der Bulgare Dimitroff waren in Deutschland tätig. Der in Belgien geborene Henry Robinson arbeitete in Frankreich, Matthias Rakosi in Italien, der Deutsche Jonny Löhr in Rumänien, D. Petrowski (alias Bennet) in England, Heinz Neumann in China und Spanien, Josef Pogany (John Pepper) und der Deutsche Gerhard Eisler (Hans Berger) in den LISA
All diese Umstände lassen es nur zu verständlich erscheinen, daß auch wegen der Tätigkeit der „Instrukteure“ fortgesetzt Schwierigkeiten zwischen den „Sektionen“ und dem EKKI entstanden. Die Balabanowa beklagte sich über deren Auftreten in Italien, Sinowjew berichtete, daß Giacinto Serrati die Abgesandten des EKKI „graue Kardinäle" genannt habe, wobei ungeklärt bleibt, wen Serrati hatte treffen wollen. Paul Levi bezeichnete Kleine-Guralski und seine sowjetischen Helfer wegen ihres Verhaltens vor und während der „Märzaktion" 1921 als „Turkestaner“, um ihr Einverständnis für die deutschen Verhältnisse zu geißeln
Illegale Arbeitsweise Das Statut sagte in § 12:
„Die allgemeine Lage in ganz Europa und Amerika zwingt die Konimunisten der ganzen Welt zur Schaffung illegaler kommunistischer Organisationen neben der legalen Organisation. Das Exekutivkomitee ist verpflichtet, dafür zu sorgen, daß das überall praktisch verwirklicht wird." Sowohl das EKKI als auch die Sektionen haben diese Verpflichtung erfüllt. In offiziellen Komintern-Veröffentlichungen wurde zwar verschiedentlich zugegeben, daß das EKKI „illegale“ Arbeit leistete, (z. B. im Statut, in den 21 Bedingungen oder vom Erweiterten EKKI-Plenum noch 1930). Aber nur selten trat offen in Erscheinung, welche Teile der Organisation die illegale Arbeit leisteten
Aus der jahrzehntelangen konspirativen Erfahrung der im EKKI tätigen Funktionäre wie z. B. Radek, Sinowjew, Pjatnitzky und Dimitroff erklärt sich, daß sie beim Aufbau illegaler (d. h. getarnter) Organisationen und in der Anwendung konspirativer Arbeitsmethoden Erstaunliches leisteten. Auch diese Arbeitsmethoden entwickelten sich wie die gesamte Kominternpraxis. Radek lebte Anfang der zwanziger Jahre halblegal in Berlin. Er konferierte mit Reichswehroffizieren im sowjetischen Auftrag und beeinflußte noch vom Gefängnis Moabit aus die KPD. Zehn Jahre später tarnte sich Dimitroff besser. Er wirkte — unerkannt durch die Polizei — volle drei Jahre als Leiter des großen Westeuropäischen Büros. Welche Arbeitsmethoden wurden angewandt? Der illegale Arbeiter versuchte, so unauffällig zu erscheinen, sich so harmlos zu benehmen wie nur möglich. Er trug weder verdächtige Schriftstücke noch sonstiges Material bei sich. Er vermied, mit bekannten Kommunisten zusammenzutreffen. Geheime Wohnungen benutzte er nur, wenn ihre Inhaber vorher sorgfältig überprüft waren. Wer in mehreren Bezirken arbeitete, benutzte verschiedene Decknamen für jeden Bezirk. Deckadressen wechselte man häufig, ebenso Trefforte. Jeder Genosse wurde als verdächtig behandelt, der Fragen stellte, die nicht seinen Parteiauftrag betrafen. Pünktlichkeit war für jeden „Illegalen" streng geboten
Nach einem anderen leitenden Grundsatz wurde die „illegale“ Arbeit von der offenen Parteitätigkeit streng getrennt. Der illegale Apparat, d. h. das mit illegaler Arbeit befaßte Funktionärskorps hatte mit der offenen Parteitätigkeit nichts zu tun und benutzte geheime Büros, die nicht mit allgemein zugänglichen Parteiarbeitsräumen verbunden waren.
Dementsprechend trennte der illegale Apparat seine Arbeitsunterlagen (Akten usw.) von denen der offenen Parteiorganisation.
Die Hilfsbüros und Stützpunkte der Komintern Zu Anfang der dreißiger Jahre, als das Netz der Komintern am weitesten entwickelt war, verfügte sie in großen Teilen der Welt, sicher in ganz Westeuropa und Nordamerika, über feste Stützpunkte, von denen aus ihre Operationen geleitet wurden. Der bedeutendste dieser Stützpunkte war das Westeuropäische Büro in Berlin. Es hatte Außenstellen in Kopenhagen und Paris und konnte sich in allen Küstenstädten der westlichen Welt auf die von der Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter kontrollierten Seemannsklubs stützen. Die Stützpunkte dienten als Anlaufstellen für Kominternbeauftragte. Bei ihnen konnte ein „Instrukteur“ sich melden, wenn er Kontakt zu seiner Organisation verloren hatte, bei ihnen erhielt er Unterkunft und Geldmittel sowie weitere Befehle. Richard Krebs hatte nach einer mehrjährigen von ihm verbüßten Gefängnisstrafe keinen Kontakt mehr mit der Kominternorganisation. In Le Havre erhielt er durch einen Verteiler kommunistischer Flugblätter Verbindung zu dem Leiter des Stützpunktes der Komintern, der ihn schließlich bis nach Berlin schleuste.
Uber die Aufgaben eines solchen Stützpunktleiters sagt Krebs
„Solche Agenten gab es in allen Häfen und Städten iin Inneren des Landes. Ihre offizielle Tätigkeit bestand darin, Kontakte herzustellen und Pässe für internationale Funktionäre auszustellen, die ihrem Bezirk zugewiesen waren oder durch ihn hindurchreisten. Sie besorgten Deckadressen für die konspirative Post und für den Versand von Propagandaliteratur.
Sie empfingen und verteilten die Kominternunterstützungen für die lokalen Organisationen. . . . Alle offiziellen Berichte der Leitungen wurden in Berlin und Moskau auf ihre Exaktheit geprüft, indem sie mit den entsprechenden Geheimberichten der örtlichen Agenten verglichen wurden. Immer stammten diese Agenten aus dem Lande, in dem sie arbeiteten; immer standen sie auf der Gehaltsliste der GPU."
Den Stützpunkt von „Monsieur Gance“ in Le Havre hatten vor Krebs so illustre Gäste wie Romain Rolland, Bela Kun, Otto Kuusinen, Albert Walter. Tom Mann und Harry Politt benutzt. Ob Cance allerdings den Regeln der Konspiration entsprach, wenn er Krebs das alles mitteilte, mag zweifelhaft sein. Immerhin — für den Grad der Konspiration, der in Le Havre im Jahre 1930 erforderlich war, scheinen die Geheimhaltungsmaßnahmen von Rene Cance ausgereicht zu haben. Krebs lernte bald einen Stützpunkt kennen, der gut abgeschirmt war, das Quartier Roger Walter Ginsbergers in Paris, Rue de Seine Nr. 63
Ginsburger befaßte sich ursprünglich als Vertreter der Roten Gewerkschaftsinternationale (Profintern) mit Gewerkschaftsarbeit, insbesondere mit Angelegenheiten der „Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter"
(ISH). Die Einrichtungen der ISH wurden vielfach von geheimen „Apparaten“ der Komintern und von sowjetischen Nachrichtendiensten benutzt. Dementsprechend hat auch der Stützpunkt des völlig linientreuen Ginsberger bald erheblich größere Bedeutung gewonnen
Neben diesen Stützpunkten für getarnte Reisende und internationale Instrukteure bestand noch eine Gruppe von anderen örtlich gebundenen Kominternbeauftragten, die die Aufgabe hatten, für die OMS die Verbindung zum Zentralkomitee der Partei des Landes zu halten, in dem sie sich aufhielten. Ihr Sitz befand sich dort, wo das Zentralkomitee der von ihnen betreuten Partei seine Büros hatte, also meist in der Hauptstadt des Landes. Durch ihre Hände gingen stets die finanziellen Unter-Stützungen der Komintern für die nationalen Parteien. Diese Funktion hatte Mirow-Abramow von 1921 bis 1930 in Berlin
Die „internationalen Instrukteure“
Eng verknüpft mit den Stützpunkten der Komintern war die Arbeit der „internationalen Instrukteure“, d. h.der Bevollmächtigten der Komintern, die abgesandt waren, um die Sektionen auf bestimmten Arbeitsgebieten anzuleiten. LInter ihnen gab es Spezialisten für Agitation, für Streiks, für Frauenfragen, für die verschiedenen Industriezweige und für militärische Probleme. Diese Instrukteure wurden entweder von den „Sektionen“ angefordert oder — was häufiger geschah — zu den Sektionen entsandt, bei denen nach Meinung des EKKI ein Bedürfnis vorlag. Sie traten konspirativ auf, d. h. sie lebten unter Decknamen in geheimen Quartieren, arbeiteten in geheimen Büros, benutzten falsche Pässe usw. Gelegentlich ist das geheime Wirken derartiger „Kominternagenten" im Untergrund durdi öffentliche Gerichtsverfahren aufgedeckt worden. Das bekannteste Verfahren dieser Art dürfte der sogenannte Tscheka-Prozeß sein, der 1925 in Deutschland lief. In ihm wurde festgestellt, daß Beauftragte der Komintern 1923/24 eine „Tscheka-Organisation“ für individuellen Terror und eine sogenannte Partisanenorganisation, um den bewaffneten Umsturz vorzubereiten, gebildet hatten
Aufstandsvorbereitungen dieser Art wurden seit 192 5 aufgegeben. Die politisch-gewerkschaftliche Arbeit trat in den Vordergrund. Demzufolge bewegte sich auch die Tätigkeit der Komintern-Instrukteure auf politisch-gewerkschaftlichem Gebiet. Ihr Ziel war, bei der Arbeiterschaft eine Massenbasis für die kommunistischen Bestrebungen zu gewinnen. Das Wirken eines solchen unter Kontrolle des Westeuropäischen Büros in Berlin und der Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter (ISH) in Hamburg tätigen „internationalen Instrukteurs“ hat Richard Krebs beschrieben
Die Finanzierung der kommunistischen Parteien Das EKKI benutzte seine finanziellen Mittel sowohl, um weltrevolutionäre Absichten zu verwirklichen also auch dazu, die Sektionen der Komintern zu kontrollieren und in dauernder Abhängigkeit zu halten. Boris Souvarine, der auf dem III. und IV. Weltkongreß in das Präsidium des EKKI gewählt wurde und die Kominternpraktiken genau kennt, schreibt:
„Bis auf seltene Ausnahmen brauchten die kommunistischen Parteien Europas, Amerikas und Asiens finanzielle Hilfe des EKKI, d. lt.der bolschewistischen Partei. Diese Form der Solidarität an Bedingungen knüpfen, heißt, einen unwiderstehlichen Drucl? ausüben.“
Das Verhältnis des sowjetischen Staates zur Komintern und ihren Sektionen schildert Karl Kautsky folgendermaßen
„Die in Moskau sitzende Leitung der 3. Internationale, die nur ein Werkzeug der Sowjetregierung ist, nur von deren Geldunterstützungen lebt, fühlt sich durch die von ihr gespendeten Geldmittel als absoluter Herr der von ihr ausgehaltenen kommunistischen Parteien.“
Die Mittel der Komintern wurden ihren jeweiligen politischen Absichten entsprechend eingesetzt. Von 1919 bis 1933 flossen große Sum-men nach Mitteleuropa, insbesondere nach Deutschland, weil sich die Komintern in dieser Zeit darauf konzentrierte, in Deutschland politische Umwälzungen hervorzurufen. Erst mit Beginn der Volksfrontepisode verwendete die Komintern einen großen Teil ihrer Mittel in West-europa.
Zur Zeit der Zusammenarbeit mit der Kuomintang 192 5/27 gingen auch sehr beträchtliche Beträge durch Borodins Hände. Von Lominadse und Heinz Neumann ist bekannt, daß sie auf dem Wege nach Kanton in ihrem Reisegepäck einen Koffer voll Dollars mitführten
In den Anfangszeiten der Komintern war es üblich, Geld und Diamanten, die die OGPLI beschlagnahmt hatte, ins Ausland zu senden. Als jedoch die Sowjetunion von 1922 ab (Rapallovertrag) in Handelsbeziehungen zur westlichen Welt trat, konnten die benötigten Devisen auf weniger plumpe Weise beschafft werden
Da die Sektionen der Komintern überwiegend von den finanziellen Zuschüssen aus Moskau abhängig waren, hatten sie alle Vorhaben, die größere Zuwendungen erforderten, über den OMS-Vertreter dem EKKI zu unterbreiten. Dort wurde über die Finanzierung der Projekte und damit über alle bedeutenderen politischen Pläne der Sektionen entschieden. Die Kommunistischen Parteien konnten aber auch ihren normalen Geschäftsbetrieb kaum ohne OMS-Hilfe aufrechterhalten 15T). Die KPD beschäftigte um die Mitte der zwanziger Jahre mehrere Tau-send hauptamtliche Funktionäre, um die Aufgaben zu erfüllen, die die Komintern ihr übertragen hatte. Sie betrieb eine kostspielige Propa-ganda und übernahm damit Lasten, die sie aus eigenen Mitteln nicht decken konnte
Den Wert finanzieller Unabhängigkeit scheint Tito als Führer der jugoslawischen Partei (1938) schätzen gelernt zu haben. Er erklärt
„Es war notwendig, die Partei unabhängig von fremder Finanzierung zu machen. Auch dies ist eine grundlegende Vorbedingung für wirklichen Erfolg. Wenn man eine Beihilfe von draußen zu erwarten hat, gewöhnt man sich nie daran, in der nächsten Umgebung nach einer hilfsbereiten Anhängerschaft Ausschau zu halten. Das Geld aus Moskau, das uns für die kommunistische Parteiarbeit von 1919 bis 1937 zugeflossen war hatte mehr Schaden als Nutzen angericlttet. Von dem Augenblick an, da ich an der Spitze der Partei stand, nahmen wir keine fremde Hilfe mehr an. So waren wir gezwungen, uns ganz auf die eigenen Hilfsquellen zu verlassen und unser Finanzproblem war damit ein politisches geworden. Denn nun hing unsere Unterstützung ja von dem Ausmaß des Einflusses ab, den wir auf das Volk hatten. Außerdem rechneten wir auch jetzt viel genauer, seit es unser eigenes Geld war, das uns Arbeiter aus ihrem Lohn, Bauern aus ihrem geringen Verdienst gespendet hatten. Jeder Dinar wurde erst nach eingehender Überlegung ausgegeben, zumal wir ja nicht allein für Papier und Drucli Geld brauchten, sondern vor allem zur Unterstützung unserer Mitglieder, die unter dem Terror der Polizei gelitten hatten oder aus Angst vor Verfolgung nirgends mehr arbeiten konnten.“
Schulen und Universitäten Das Scheitern des Revolutionsversuches in Deutschland (Oktober 1923) schloß eine Reihe von Mißerfolgen ab. Die sowjetischen Kommunisten meinten, da ihre Revolution Erfolg gehabt habe werde die Übernahme der bolschewistischen Prinzipien die Sektionen der Komintern in die Lage versetzen, erfolgreich zu operieren. Diese Überlegung wirkte bei dem Beschluß des V. Weltkongresses (1924) mit, die Sektionen der Komintern zu bolschewisieren. Ein wirksames Mittel der Bolschewisierung war, die Funktionäre im sowjetischen Sinne zu schulen. Von 1924 an wurden daher ausgewählte Kommunisten aus allen Ländern politisch, in Bürgerkriegstaktik oder nachrichtendienstlich ausgebildet
Im Jahre 193 5 wurden an der Schule etwa 500 Schüler ausgebildet, die von der Bevölkerung völlig abgeschlossen waren und während des Schulaufenthalts Decknamen zu gebrauchen hatten. Die Kaderabteilung wachte darüber, daß die konspirativen Regeln beachtet wurden.
An der Leninschule liefen Ein-, Zwei-oder Dreijahreskurse. Audi neunmonatige Kurzkurse wurden abgehalten. Prominente Bolschewik!
wie Stalin und Bucharin hielten Vorträge. Auch Tito unterrichtete dort, als er Mitglied des Balkansekretariats des EKKI war
Hunderte von Kommunisten aus westlichen Ländern haben die Lenin-Schule besucht. Zahlreiche Schüler haben im politischen Leben ihrer Parteien eine erhebliche Rolle gespielt (z. B. Anton Ackermann und Karl Schirdewan in Deutschland). Viele deutsche Absolventen der Lenin-Schule sind bei illegaler Arbeit in Deutschland ergriffen und hingerichtet worden (z. B. Wilhelm Knöchel). Bekannt wurden ferner Edward Kardelj, heute jugoslawischer Außenminister, und Sam Carr (im kanadischen Spionagefall Gousenko)
Während des Krieges bestand in der Nähe von Lisa, das vorübergehend Sitz der Komintern war, eine Schule ähnlicher Art. Die Schüler waren jedoch nicht bewährte Kommunisten, sondern meist Kinder von solchen, die in der Sowjetunion erzogen und offenbar als Nachwuchskräfte in Aussicht genommen waren. An dieser Schule studierten nur Schüler aus Ländern, die sich mit der Sowjetunion im Kriegszustand befanden.
Es waren Ländersektionen eingerichtet, denen jeweils die Schüler angehörten, die aus einem Lande stammten. Schüler und Lehrer trugen Decknamen. Die Schüler mußten strengste „proletarische Disziplin“
einhalten. Zu den Lehrern zählten so prominente Kommunisten wie der Pole Jakob Berman, die Deutschen Bernhard Koenen und Paul Wandel.
Einige Schüler sind inzwischen zu Einfluß gelangt wie Heinz Hoffmann, jetzt Generalleutnant in der „Nationalen Volksarmee“ in der DDR, Lene Berg, Direktorin des Instituts für Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee der SED, und Mischa Wolf, der aus der Jugendinternationale hervorgegangen war, später bei Manuilski arbeitete und zur Zeit eine leitende Funktion im Ministerium für Staatssicherheit der Sowjetzone hat
Neben diesen Schulen wurden noch Einrichtungen geschaffen, die auf die nationalen Belange einzelner Völker oder Völkergruppen zugeschnitten waren. Im Jahre 192 5, als die Zusammenarbeit mit der Kuomintang auf ihrem Höhepunkt stand, wurde in Moskau die Sun-Yat-Sen-LIniversität für die Ausgebeuteten des Fernen Ostens gegründet. Karl Radek war ihr erster Rektor
Gleichfalls in Moskau lag die Kommunistische Universität für die Nationalen Minderheiten des Westens (KL 1NMZ)
Kominternzwecken diente ferner die sog. Wilson-Schule, die Funker für den „Funkapparat“ ausbildete, den die OMS in den dreißiger Jahren einrichtete
Die Schüler wurden durch diese Schulen und Universitäten mit der Denkweise vertraut gemacht, die in der sowjetischen Partei herrschte.
Sie erwarben Kenntnisse, die sie befähigten, in den geheimen Apparaten der Komintern und ihrer Sektionen zu arbeiten. Die Schüler waren darauf gedrillt, die sowjetische Partei (und die Sowjetunion) als das teuerste Gut jedes Kommunisten zu betrachten. Mit dieser Einstellung kehrten sie in ihre nationalen Parteien zurück. Die Schüler der Kominternschulen und -Universitäten wurden zu Gliedern einer Kette, mit der die sowjetische Partei die kommunistischen Parteien der ganzen Welt an sich fesselte. Nicht zuletzt aus diesem Grunde unterhält die KPdSU auch heute noch „Zentralschulen“ für ausländische Kommunisten in der Sowjetunion.
Sonstige Einwirkungen der Komintern auf einzelne Kommunisten Auch Einwirkungen sonstiger Art auf einzelne Kommunisten gehörten zu den Mitteln, die angewendet werden, um die Kontrolle der Komintern über ihre Sektionen zu verbessern. Die Kominternbeauftragten versuchten zum Beispiel, Vertrauen bei Mitgliedern der Parteien zu erwerben, zu denen sie delegiert waren, um die wahre Stimmung in diesen Parteien kennenzulernen, oder um eine Opposition innerhalb dieser Parteien zu schaffen, falls das erforderlich schien. So machte sich Manuilski, als er 1924 nach Berlin kam, zahlreiche Freunde unter den Parteiintellektuellen, indem er ihnen bezahlte journalistische Aufträge beschaffte. Hunderte deutscher Kommunisten wurden Angestellte der sowjetischen Handelsvertretung. Sie erhielten ihre guten Gehälter in Goldmark ausgezahlt. Natürlich waren diese Angestellten vom Wohlwollen der Moskauer Stellen abhängig
Dem Zweck, engere Bindungen zur Komintern oder zu Stalin herzustellen, dienten Einladungen einzelner Kommunisten nach Moskau. So wurde Heinz Neumann, solange er persona grata war, wiederholt nach Moskau gerufen. Bei einem dieser Besuche beauftragte ihn Stalin, eine Broschüre gegen Maslow zu schreiben
Besuche in der Sowjetunion dienten jedoch nicht nur dazu, mit den Eingeladenen in bessere, freundschaftliche Kontakte zu geraten. Ein Aufenthalt in Moskau konnte auch als massives Druckmittel ausgenutzt werden. So wurde Ruth Fischer, als sie im September 192 5 in Moskau eintraf (der Kampf des EKKI gegen die deutsche Linke war im vollen Gange), von Piatnitzky der Paß abgenommen. Sie lebte im „Lux", dem Hotel der Kominternprominenz, 10 Monate lang praktisch als Staatsgefangene
Die Komintern und die sowjetischen Nachrichtendienste
Die Beziehungen der Komintern zu den sowjetischen Nachrichtendiensten spiegeln das Verhältnis wider, in dem die Internationale zur sowjetischen Partei und zum sowjetischen Staat stand. Als die Komintern gegründet wurde, war die sowjetische Partei nur eine der mehreren großen Sektionen. Einflüsse von sowjetischen Sicherheitsorganen auf die Komintern waren nicht bemerkbar. Seit 1920 nahm das Gewicht der sowjetischen Partei in der Komintern zu. Der sowjetische Staat erstarkte nach Abschluß der Bürgerkriege. 1921 wurde die Ausländsabteilung (INO) des sowjetischen Staatssicherheitsdienstes gegründet
Der Aufklärungsdienst der Roten Armee begann, über die Grenzen des Landes hinauszuwirken. In Frankreich wurde zum Beispiel der Redakteur der „L’Humanite“, Robert Pelletier, vom sowjetischen Nachrichtendienst angeworben. Leo Trotzki, der damals großen Einfluß in EKKI besaß, wollte vermeiden, die Sektionen der Komintern durch Spionagetätigkeit für Rußland zu kompromittieren. Im Fall Pelletier verbot er als Volkskommissar für das Kriegswesen, den „Aufklärungsdienst" der Roten Armee mit kommunistischer Parteiarbeit zu verquicken. Pelletier mußte L’Humanite verlassen
In Deutschland hatte der sowjetische militärische Nachrichtendienst solche Schwierigkeiten nicht zu überwinden. Nach dem Zusammenbrechen des Aufstandsversuchs vom Oktober 1923 gewann er eine ganze Anzahl fähiger deutscher Kommunisten als Mitarbeiter. Auch in Frankreich änderten sich die Verhältnisse bald. Trotzkis Einfluß schwand, das sowjetische nationale Interesse rückte in den Vordergrund.
Als 1927 die Spionagegruppe Jean Cremets verhaftet wurde, zeigte sich, daß viele französische Kommunisten an dieser Affaire beteiligt waren.
Die französische Partei war schwer kompromittiert Das hielt den sowjetischen militärischen Nachrichtendienst jedoch nicht ab, weitere Hilfsleistungen von ihr zu fordern. 1929 hatte Henri Barbe die Führung im Politbüro übernommen. Er hatte Kontakt mit dem GRU-Agenten „Muraille" der ihn bat, fähige Mitglieder von kommunistischen Jugendgruppen zu nennen, die in der Sowjetunion geschult werden sollten. „Muraille“ wurde im April 1931 wegen Spionage verhaftet. Die französische Partei sah sich erneut kompromittiert. Barbes Vorstellungen beeindruckten jedoch Pjatnitzky und Manuilski nicht. Der Leiter des Org-Büros erklärte’: „So bedauerlich es sein mag, daß die kommunistischen Parteien in diese Dinge verwickelt werden, die Arbeit muß weitergehen“. Auch Jan Bersin, der Leiter des militärischen Nachrichtendienstes, lehnte Barbes Bitte ab, keine Mitglieder der französischen Partei als Agenten anwerben zu lassen Da Barbe auf seinem Standpunkt beharrte, ließ die Komintern ihn fallen, so daß er Ende 1931 aus dem Politbüro ausschied
Der militärische Nachrichtendienst der Sowjetunion benutzte also die Sektionen der Komintern und ihre Mitglieder, um seine Tätigkeit gegen fremde Mächte zu aktivieren. Die OGPLI dagegen drang in die innere Organisation der Internationale ein. Stalin beherrschte in der sowjetischen Partei das Org-Büro und die Zentrale Parteikontrollkommission (ZPKK). Auch im Staatssicherheitsdienst (OGPLI) hatte er einen starken Rückhalt. Mit Personen, die in diesen Stellen ihre Ergebenheit bewiesen hatten, versuchte er, die hohen Kominternpositionen zu besetzen.
Bereits seit April 1925 war Sinowjew des Kominternapparats nicht mehr sicher, obwohl er noch dem EKKI-Präsidium als Vorsitzender angehörte.
Er konnte z. B. nur unter Schwierigkeiten Nachrichten an seine Parteigänger im Ausland gelangen lassen
Stutschka. Auch in die Kommissionen, die im EKKI gebildet wurden, entsandte Stalin mit Vorliebe OGPU-Leute. So war Josef S. Unschlicht Vorsitzender der chinesischen Kommission. Der Leiter der OGPU, Felix Dsershinski, sowie Josef S. Unschlicht gehörten neben Stalin und Sinowjew der „polnischen Kommission“ an. In der „spanischen Kommission“ arbeiteten neben Dolores Ibarruri, Andre Marty und Palmiro Togliatti die Kaderfunktionäre Bielow und Blagojewa, die enge NKWD-Verbindungen hatten.
Dimitri Manuilski, der im Org-Büro der KPdSLI Karriere gemacht hatte, war einer der ersten Stalin-Anhänger, die mit Kominternaufträgen außerhalb der Sowjetunion auftauchten. Audi OGPU-Angehörige erhielten Auslandsaufträge der Komintern. So liegen Anhaltspunkte vor, daß der Organisator der Partisanengruppen, die 1923 in Deutschland aufgebaut wurden, „Willi“ (Selenin) der OGPU angehörte
Wo „Feinde der Sowjetunion“, wie die Generale Kutiepow und Miller aus Frankreich, verschwanden — die Spuren führten stets zu OGPU-Leuten
Zahlreiche Beispiele für OGPLI-Tätigkeit im Kominternbereich hat Richard Krebs überliefert
Nicht nur außerhalb der Sowjetunion hatte die Geheimpolizei derart einflußreiche Positionen in der Kominternorganisation inne. Auf dem VII. Weltkongreß wurde z. B. Michael Trilisser, der jahrelang eine leitende Position in der OGPLI bekleidet hatte, als einer der EKKI-Sekretäre gewählt. Eine seiner Aufgaben war, den Kippenberger-Apparat der KPD aufzulösen
Die OGPLI-Tätigkeit außerhalb der Sowjetunion erreichte während des spanischen Bürgerkriegs ihren Höhepunkt. Die OGPLI kontrollierte alle Freiwilligentransporte nach Spanien, um „Agenten“ aus deren Reihen zu entfernen
„Schon int Dezember 1936 fegte der Terror durdt Madrid, Barcelona und 'Valencia. Die OGPU hatte ihre eigenen Sondergefängnisse. Ihre Formationen führten Morde und Entführungen durdt. Sie füllte verborgene Kerker mit Gefangenen, sie machte Razzien. Natürlich arbeitete sie unabhängig von der republikanischen Regierung. Das Justizministerium hatte keine Autorität über die OGPU, die als Staat im Staat galt. Sie war eine Macht, vor der selbst die hödisten Beamten der Regierung Caballero zitterten.“
Die Herrschaft des Staatssicherheitsdienstes über die Komintern war zu dieser Zeit schon so selbstverständlich, daß Leo Haikiss, ein hoher OGPU-Beamter, mit Richard Krebs in Kopenhagen die Frage erörtern konnte, ob Wollweber, damals der stärkste Mann im Westeuropäischen Büro, insgeheim mit der Gestapo zusammenarbeitete
Eine gewisse Rolle beim Eindringen der OGPU in die Komintern haben auch die Kaderabteilungen der Komintern und ihrer Sektionen gespielt. Sie konnten der OGPU Informationen über Eigenschaften, Fehler und Schwächen der Parteimitglieder liefern und haben das ohne Einschränkung getan
Presse-und Agitprop-Arbeit der Komintern Lenin hatte die Bedeutung der Presse für die Organisation einer politischen Bewegung frühzeitig erkannt. Schon im Jahre 1901 ließ er in der „Iskra“ den Aufsatz „Womit beginnen?“ erscheinen, in dem er ausführte: „Die Zeitung ist nicht nur ein kollektiver Propagandist und und kollektiver Agitator, sondern auch ein kollektiver Organisator“
Die Veröffentlichungen des EKK 1 und der Sektionen In § 9 des Statuts heißt es:
„Das Exekutivkomitee leitet die gesamte Arbeit der Kommimistiscken Internationale von einer Tagung bis zur anderen, gibt in mindestens vier Sprachen das Zentralorgan der Kommunistischen Internationale (die Zeitschrift „Kommunistische Internationale“) heraus, tritt mit den erforderlichen Aufrufen im Namen der Kommunistischen Internationale hervor und gibt für alle der Kommunistischen Internationale angehörenden Organisationen und Parteien bindende Richtlinien. ..."
Demzufolge ist die Zeitschrift „Die Kommunistische Internationale“ in zahlreichen Sprachen regelmäßig erschienen, bis die Komintern aufgelöst wurde. Sie ist ein wertvoller Fundort für „Dokumente“ der internationalen kommunistischen Bewegung und ihrer Sektionen. Außerdem wurde von der Komintern eine „Internationale Pressekonferenz“ in deutscher, englischer und französischer Sprache herausgegeben. Der Titel der in Berlin erscheinenden deutschen Ausgabe lautete abgekürzt: Inprekorr
Die Komintern legte besonderes Gewicht darauf, die Presse ihrer Sektionen auf die Kominternlinie ausgerichtet zu sehen. In den 21 Bedingungen heißt es darüber:
Die gesamte Propaganda und Agitation muß einen wirklich kommunistischen Charakter tragen und dem Programm und den Beschlüssen der Kommunistischen Internationale entsprechen. Alle Presseorgane der Partei müssen von zuverlässigen Kommunisten geleitet werden, die ihre Hingebung für die Sache des Proletariats bewiesen haben. . .
„Die periodische und nicht-periodische Presse und alle Parteiverlage müssen völlig dem Parteivorstand unterstellt werden, ohne Rüdtsicht darauf, ob die Partei in ihrer Gesamtheit in dem betreffenden Augenblid? legal oder illegal ist. Es ist unzulässig, daß die Verlage ihre Selbständigkeit mißbrauchen und eine Politik führen, die der Politik der Partei nicht ganz entspricht.“
Ähnlich eindeutig erklärte das Statut (§ 11):
„Die Organe aller Parteien und aller Organisationen, die der Kommunistischen Internationale angehören und die zu den für die Kommunistisdie Internationale Sympathisierenden zählen, sind verpfliditet, alle offiziellen Besdrlüsse der Kommunistischen Internationale und seines Exekutivkomitees zum Abdrud? zu bringen.“
Diesen Vorschriften entsprechend ist die gesamte Presse der Komintern und ihrer Sektionen gestaltet worden
Die kommunistische Presse geriet in Schwierigkeiten, wenn die Kominternlinie nicht bekannt war und daher Änderungen in den Publi-kationen nicht berücksichtigt werden konnten. Ein anschauliches Bild der Lage, die im „Daily Worker“ entstand, als auf den Stalin-Hitler-Pakt der Kriegsausbruch folgte, hat Douglas Hyde gegeben
Zu ihrem Meister entwickelte sich Willi Münzenberg, nachdem er 1921 von Sinowjew, mit dem er erhebliche Differenzen gehabt hatte, aus der Leitung der Jugendinternationale entfernt worden war. Lenin beauftragte ihn, in der westlichen Welt eine große Hungerhilfeaktion zugunsten der Sowjetbevölkerung aufzuziehen, die an den Fol-gen des Kriegskommunismus litt. Dabei zeigte Münzenberg seine Fähigkeit, organisatorische Aufgaben größten Stils zu bewältigen. Er schuf die Internationale Arbeiterhilfe (IAH, 12. Sept. 1921), gründete Verlage, Zeitungen, Zeitschriften
Neben organisatorischen Fähigkeiten entwickelte Münzenberg eine erstaunliche Kunst der Menschenbehandlung. Er gewann bedeutende Persönlichkeiten für seine Zwecke
Lenormand, Bertold Brecht, Heinrich Mann, Klaus Mann, Lion Feuchtwanger, Anna Seghers, Alfred Kerr, Alfred Kantorowicz, Erich Weinert, Robert Musil, Aldous Huxley, John Strachey, Martin Andersen-Nexö, Ilja Ehrenburg, Alexej Tolstoi, Michael Kolzow.
Die Kominternagitation versuchte ferner, den großen Anklang auszunutzen, den das europäische, besonders das deutsche Theater im zweiten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts in allen Volksschichten fand. Die Kommunisten gewannen 1928 beherrschenden Einfluß im „Arbeiter-Theater-Bund Deutschlands“, der Dachorganisation der deutschen Arbeiter — Theatervereinigungen. Vorsitzender des Bundes wurde Arthur Pieck, der Spielleiter der „Roten Blusen“ 1929 berief der Bund eine „Reichskonferenz“ nach Berlin ein, auf der Friedrich Wolf über das Thema „Die Kunst als Waffe“ referierte. Im Sommer 1930 tagte in Moskau die „ 1. Konferenz des Internationalen Arbeiter-Theaterblindes“. Sie stellte das Arbeiter-Laienspiel in den Dienst der Komintern und verpflichtete die Arbeitertheater aller Länder, „die verschiedenen Liebhabervereine der Arbeiterschaft, die Volksbühnen und dergleichen mehr in Agitprop-Truppen zu verwandeln“. Die Agitprop-Truppen sollten neue Mitglieder für die kommunistischen Massenorganisationen werben. Sie wendeten bei ihrer Arbeit alle Arten der Bühnen-kunst an: politische Revuen, Massendeklamationen, Kurzszenen und Schlager
„ 1. Kunst ist nicht Selbstzweck, nicht individualistische Genießer-angelegenheit;
2. Kunst ist uns aufpeitscltende Agitation, zielweisendes revolutionierendes Erlebnis; 3. Kunst ist uns Kollektivschaffen, geistige Kooperation, Massenempfinden empfindend und Massenwillen ver- körpernd; 4. Kunst ist uns ein Mittel, unseren Klassenhaß gegen den Kapitalismus kundzutun und dem Willen zum Kommunismus, zur klassenlosen Gesellsd'iaft Ausdruck zu geben. Wir zerbrechen uns nicht die Köpfe in künftigen Jahrhunderten, wir wälzen nicht Folianten aus der Theatergesdiidrte der Vergangenheit. Wir leben heute, in der Gegenwart gilt es zu kämpfen, um sie revolutionär zu verändern
In diesem Sinne wurden künstlerische Glanzleistungen der Komintern-agitation dienstbar gemacht.
Anmerkung:
Günther Nollau, Dr. jur., geboren 1911. Studierte an den Universitäten von Innsbruck, Wien, München und Leipzig Rechtswissenschaften und Volkswirtschaftslehre. Von 1942 bis 1950 Rechtsanwalt in Krakau und Dresden. Jetzt Beamter der Bundesregierung.