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Geschichte Europas als Problem | APuZ 1-2/1958 | bpb.de

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APuZ 1-2/1958 Geschichte Europas als Problem Die veränderte Stellung Kanadas in der Weltpolitik

Geschichte Europas als Problem

GEORG STADTMÜLLER

Der Ablauf des geschichtlrchen Schicksals, seine Erkenntnis durch die Geschichtswissenschaft und die pädagogische Darbietung dieser Erkenntnisse im Geschichtsunterricht hängen unlöslich miteinander zusammen. Aus dem Bilde, das die Wissenschaft von der geschichtlichen Entwicklung eines Landes oder Volkes mit Hilfe der Einzelforschung erarbeitet und mit den Mitteln der Geschichtschreibung zu einem Bilde gestaltet, ergab sich zu allen Zeiten eine mächtige Einwirkung auf das Bewußtsein eines Zeitalters. Das Bild der geschichtlichen Vergangenheit, die Bewertung der eigenen Gegenwart und der Wille zur Gestaltung der Zukunft sind nicht voneinander zu trennen. Daher berufen sich alle politischen Strebungen, Strömungen und Richtungen auch jeweils auf die Geschichte, aus der sie wie aus einer Waffenkammer ihre Argumente und Selbstrechtfertigungen beziehen. Das Wissen um die Geschichte ist das Wissen um uns selber, um unsere Ursprünge und unseren bisherigen Weg, um unsere Tugenden und Verfehlungen und zugleich schon — wenn vielleicht auch unbewußt — der Entschluß zu Zukunftszielen. Daher ist es klar, daß dem Geschichtsunterricht als Mittel der Menschenerziehung und Menschenführung umfassende Bedeutung zukommt. Ein richtig gestalteter Geschichtsunterricht kann der beste Weg zur Völkerversöhnung werden, ein im Geiste des Chauvinismus mißbrauchter und mißgestalteter Geschichtsunterricht war in der Vergangenheit oft genug ein Instrument der Völkerverfeindung und nationalistischer Verhetzung. Man muß es einmal selbst in der Praxis des Geschichtsunterrichts bei Jugendlichen verspürt und diese lebendige Erfahrung in sich ausgenommen haben, wie stark die Geschichte die Phantasie des Jugendlichen anspricht. Sie füllt mit ihren farbigen Bildern Phantasie und Gemüt des jugendlichen Schülers und gestaltet dieses zu einem Bildersaal historischer Erinnerungen aus. Das gesamte Fühlen und Empfinden des jungen Menschen kann dadurch so beeinflußt werden, daß es für den Rest seines Lebens davon bestimmt bleibt.

Die deutschen Erfahrungen

Abbildung 1

Wenn wir nach solcher grundsätzlichen Besinnung über die Bedeutung des Geschichtsunterrichts einmal an die Frage herantreten, welche besondere Aufgabe der Geschichtsunterricht heute und hier haben kann — in der Mitte des 20. Jahrhunderts, in einem in seinen Grundlagen erschütterten und nach neuer Orientierung suchenden Europa —, so glaube ich, daß zur Beantwortung dieser Frage die in Deutschland gemachten Erfahrungen einen besonders wertvollen Beitrag liefern können. Deutschland hat in den letzten Menschenaltern mehr katastrophenhafte Umbrüche erlebt als jedes andere Volk Europas. Zunächst die politisch-staatliche Revolution von 1918 mit der Beseitigung der monarchischen Spitze im Reich und in den Ländern, die Einführung der republikanischen Staatsform und zugleich die mehr zentrale Straffung der deutschen Reichsverfassung. Es folgten die anderthalb Jahrzehnte des Experimentierens mit der neuen Weimarer Reichsverfassung. Rückschauend werden wir sagen, daß es nur ein Intervall war, gezeichnet durch viel ehrliches Wollen, aber auch durch unbestreitbare Unzulänglichkeiten sowohl der geschriebenen Verfassung als auch dei politischen Parteien, die in ihren Zielsetzungen zu stark auseinander-klafften und ohne jenen gemeinsamen Boden demokratischer Über-zeugungen und Spielregeln waren, ohne den ein demokratischer Mehrparteienstaat erfahrungsgemäß nicht bestehen kann. Dann kam die nationalsozialistische Revolution von 1933, die schließlich in die Katastrophe von 1945 hineinführte.

Der Zusammenbruch von 1945 war für alles Leben in Deutschland zunächst einmal eine unvorstellbare Katastrophe. Kein Teil des staatlichen, wirtschaftlichen gesellschaftlichen und geistigen Lebens Deutschlands blieb davon verschont Aus einem großen Teil der von Deutschland besiedelten Gebiete wurden die Bewohner — insgesamt rund 12 Millionen — gewaltsam vertrieben. Alles in allem eine Katastrophe der staatlichen und nationalen Kontinuität, wie sie seit 700 Jahren, nämlich seit dem Untergang der hohenstaufischen Dynastie und dem Zerfall einer einheitlichen Reichsgewalt, in der deutschen Geschichte nicht mehr zu verzeichnen war. Die staatliche Neuentwicklung, die nach 194 5 begann, knüpfte in vielem an die Zeit der Weimarer Republik an, hütete sich aber in nüchterner Besonnenheit, die Fehler der Weimarer Verfassung, sowohl der geschriebenen als auch der ungeschriebenen Verfassung, zu übernehmen. Man machte mit der föderalistischen Aufgliederung des deutschen Staatsgebietes Ernst, man gab der Regierung gegenüber den Machtbestrebungen des Parlaments eine stärkere LInabhängikeit. Viel mächtiger aber als dieses bewußte, in eine neue Zukunft strebende Zielen waren die Entwicklungstendenzen in dem neuen Deutschland, die außerhalb jeder rationalen Zielsetzung liegen, die von dem Schicksal uns auferlegt wurden. Dazu gehört zunächst die schon erwähnte Tatsache, daß ein Dutzend Millionen heimatvertriebener Menschen in ein verkleinertes Staatsgebiet zurückgeströmt sind und hier Politik und Verwaltung vor Aufgaben stellten, die zunächst unlösbar schienen. Der Rückstrom dieser Heimatvertriebenen hat das ganze deutsche Staatsgebiet mit einer gleichmäßigen Firnisschicht entwurzelter Menschen überzogen, die bei aller landsmannschaftlichen Gesinnung doch gesamtdeutsch eingestellt waren und so dazu beigetragen haben, wie eine Klammer die verschiedenen deutschen Länder bewußtseinsmäßig stärker zusammenzufassen als je zuvor. Es kam dazu die Aufteilung des ehemaligen preußischen Staates durch Besatzungsrecht und die Verselbständigung der ehemaligen preußischen Provinzen zu eigenen Bundesländern innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Ein drittes muß hier noch erwähnt werden: der politische Schwerpunkt des neuen deutschen Staates verlagerte sich von Berlin an den Rhein. Dies bedeutete zu einem gewissen Teil auch einen stammesmäßigen Wechsel der politischen Führungsschicht: die führenden politischen Kräfte des neuen deutschen Staates wurden zum erstenmal in der Geschichte des Deutschen Reiches seit der Bismarckzeit stark von dem rheinfränkischen Stamme bestimmt. Diese politische Schwerpunkt-verlagerung ist auch in europäischer Betrachtung nicht bedeutungslos:

von dem neuen Schwerpunkt am Rhein wird die Dringlichkeit einer dauerhaften Verständigung mit Frankreich noch stärker empfunden.

Ich möchte auf Grund dieser Darlegungen meine Ansicht über die Bedeutung des deutschen Standortes für die Erarbeitung eines gesamteuropäischen Geschichtsbildes in zwei Thesen zusammenfassen:

Der deutsche Standort ist heute für eine gesamteuropäische Betrachtung dieser Probleme besonders geeignet, 1. weil hier die Krisenerscheinungen unserer Zeit schmerzlicher und tiefer gewirkt haben und ihre Symptome sichtbarer geworden sind als in irgendeinem anderen Lande Europas (die politische Katastrophe Polens war wohl noch schwerer, die innere Krise jedoch reichte wohl nicht so tief), 2. weil Deutschland in seinem Inneren die Probleme der Integration, die Europa in anderer Weise und auf anderer Ebene gestellt sind, lösen mußte, und dies mit einer im einzelnen noch schwierigeren Problematik.

Bisherige Bemühungen um die Geschichtsrevision"

Mit der Frage des Geschichtsunterrichts haben sich in den Jahren nach 1945 in verschiedenen Ländern Europas zahlreiche Konferenzen befaßt, am häufigsten und leidenschaftlichsten wohl in Deutschland. Denn in Deutschland waren diese Probleme mit existentieller Schärfe gestellt, und nach 194 5 hat sich der Ruf nach einer Revision unseres überkommenen „nationalen" Geschichtsbildes unüberhörbar vernehmen lassen. Unter den zahlreichen Tagungen, die damals zustande kamen, sind vor allem jene französisch-deutschen Tagungen zu erwähnen, die in der ersten Zeit Jahr um Jahr in Speyer stattgefunden haben, dann seit einigen Jahren Tagungen des in Braunschweig bestehenden und von Prof. Georg Eckert geleiteten Internationalen Schulbuch-Instituts (früher „Institut für internationale Schulbuchverbesserung“). Die Speyerer Tagungen haben den Versuch gemacht, mit dem Schwerpunkt eines französisch-deutschen Gespräches die Fragen des historischen karolingischen Kernraumes des alten Abendlandes in vergleichender Betrachtung zu beleuchten und von dem Ergebnis der Geschichtsforschung aus auch dem Geschichtsunterricht neue Wege zu weisen.

Die Braunschweiger Bemühungen waren anderer Art. Sie gingen unmittelbar von den praktischen Fragen des Geschichtsunterrichts aus, und zwar von einer Kritik an den Texten der üblichen Schulgeschichtsbücher. In zahlreichen Besprechungen deutscher Geschichtslehrer mit französischen, italienischen, englischen, dänischen, ja, sogar indischen Historikern und Geschichtslehrern wurden die Geschichtsbücher der beiden Nationen daraufhin durchgesehen, was darin verbesserungswürdig und verbesserungsbedürftig ist. Auf Grund dieser Aussprachen, die jeweils in gutem Geiste und auf hohem wissenschaftlichen Niveau stattfanden, wurden dann ganz konkrete Vorschläge für die Ausgestaltung der Schulbücher gemacht, die in der Regel auch von den Schulbuchverlagen und von den deutschen Unterrichtsministerien angenommen wurden. Diese Bemühungen des braunschweigischen Schulbuchinstituts sind mit Dankbarkeit zu begrüßen und verdienen jegliche Förderung. Aber wir müssen uns darüber klar sein, daß diese Bemühungen zur Verbesserung unserer Schulgeschichtsbücher im Grunde genommen doch am Rande des Problems bleiben. Ihr Ziel kann sich nur auf die periphere Bereinigung bestehender Irrtümer richten. Sicherlich ist schon damit Beträchtliches gewonnen, wenn in den deutschen Geschichtsbüchern eine richtige Würdigung Ludwigs XIV. und Napoleons I. zu finden ist, wenn die französischen Geschichtsbücher ein objektives Bild von der Politik der beiden deutschen Großmächte Österreich und Preußen oder von der Politik Bismarcks bieten. Dies ist ein Stück echten Beitrages zur geistigen Grundlegung der Völker-versöhnung. Aber — und es muß dies mit allem Nachdruck ausgesprochen werden: die wesentlichsten Fragen, die uns heute auf dem Felde der Geschichtsrevision gestellt sind, lassen sich mit Bemühungen auf diesem Weg nicht lösen, denn das Bild einer europäischen Geschichte werden wir nicht dadurch gewinnen, daß wir einzelne französische Mißverständnisse gegenüber Deutschland und einzelne deutsche Mißverständnisse gegenüber Polen oder einzelne italienische Mißverständnisse gegenüber Frankreich ausräumen, sondern allein dadurch, daß wir den Blick auf die europäische Geschichte als Ganzes richten. Die Frage lautet also: Wie kann der Geschichtsunterricht auf der Grundlage der strengen fach-wissenschaftlichen Forschung, mit deren Erkenntnissen und mit der strengen Gesinnung wissenschaftlicher Objektivität, ohne sich an eine kurzlebige Propaganda des Tages auszuliefern, ein Bild der europäischen Geschichte erarbeiten, das der objektiven Wahrheit entspricht und dabei so anziehend, so farbig geboten wird, daß sich die Phantasie des jungen Menschen in jener Weise und in jener Mächtigkeit entzündet, die die Voraussetzung aller erzieherischen Formung ist?

Die Grundfragen der europäischen Geschichte

Was wir europäische Kultur nennen, ist nach einer Formulierung, die in der Geschichtswissenschaft der großen europäischen Nationen seit langem gängig ist, aufgebaut auf drei Grundlagen:

1.dem Erbe der griechisch-römischen Antike, 2.dem Christentum, 3.den romanisch-germanischen Völkern.

Wir wollen uns einmal diese konventionelle These, die wir in jungen Jahren alle im Geschichtsunterricht von der Volksschule über die höhere Schule bis zur Universität hinauf gehört haben, auf ihre Richtigkeit hin kritisch ansehen:

• Die griediisdi-röimsdie Antike ist ohne Zweifel eine der wesentlichen Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung, aber in keiner Weise wesentlicher und umfassender als das zivilisatorische und geistige Erbe der altorientalischen Hochkulturen und Israels.

Die weltgeschichtliche Leistung und Fortwirkung von Hellas ist allgemein bekannt und bedarf hier keiner Darlegung. Der hellenische Geist hat mit jener grenzenlosen Fruchtbarkeit, die ihm zu allen Zeiten und in nahezu allen Bereichen des Lebens eigen war, auf den Gebieten des Wissenschaftlichen und Künstlerischen fast die gesamten Grundlagen der europäischen Kultur gelegt. So war es in der Geschichtsschreibung, in der Philosophie, in der Dichtung, in der hohen bildenden Kunst, in den exakten Naturwissenschaften, in der Mathematik, in der Medizin, in der Geographie und in der Astronomie.

Dagegen hat der hellenische Geist in anderen Bereichen nicht dieselbe Fruchtbarkeit entfaltet. Seine religiöse Grundhaltung war einseitig, sie war gerichtet auf eine ästhisch aufgefaßte Mythologie, nicht jedoch auf eine Gewissensmoral, jene Gewissensmoral, die in der Religiosität des Alten Testamentes so sichtbar stark in Erscheinung tritt. Ebensowenig dauerhaft war die Leistung des antiken Hellas in den Bereichen des Staatlichen und des Rechtlichen. Zwar hat der helle-nische Geist auch über diese Fragen tief nadigedacht und eine Fülle von Ideen und Einrichtungen hervorgebracht. Aber es ist bezeichnend, daß es den Hellenen versagt blieb, eine bleibende staatliche Rechtsordnung im innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Bereich aufzurichten, die den römischen Leistungen auf den Gebieten des Staates und des Rechts vergleichbar gewesen wäre.

Von hier aus wird es schon klar, daß nicht nur die griechisch-römische Antike, sondern darüber hinaus auch der Bereich der altorientahschen Hochkulturen und des kleinen, aber als religiöse Weltmacht hochbedeutsamen Israel in die Darstellung einbezogen werden muß. Die alt-orientalischen Hochkulturen in den großen Stromoasen des Tigris, des Euphrats und des Nils haben nahezu alle materiell-zivilisatorischen Grundlagen der europäischen Kultur gelegt, jene Grundlagen, die bis zum Anbruch der technisch-industriellen Revolution nicht wesentlich erweitert worden sind. Es ist eigenartig und unbestritten, bedarf aber, da diese Tatsache gewöhnlich übersehen wird, erst recht der Hervorhebung, daß Hellas zu den materiellen Grundlagen unserer Zivilisation nahezu nichts beigetragen hat, ja, vielmehr sogar auf einigen Gebieten, auf einigen Teilbereichen der materiellen Zivilisation einen, wenn auch geringen, Rückschritt darstellt. Die altorientalischen Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens, zu denen als dritte, wenn auch von geringerer Bedeutung, die Kultur des hettitischen Großreiches zu zählen ist, haben die grundlegenden Fortschritte auf zahlreichen Gebieten des Lebens gebracht: im Ackerbau, in der Viehzucht, in der Bewässerung, im Verkehr, ferner die Erfindung von Schrift und Geld, die Nachrichtenmittel, die Organisation des städtischen und staatlichen Lebens mit den ersten Formen einer großen Verwaltung. Dies alles ist die einmalige und bleibende Leistung der altorientalischen Hochkulturen.

Die Leistung des kleinen und politisch stets bedeutungslosen Israel lag auf einem völlig anderen Gebiet: Israel hat nie eine politische Geschichte von Gewicht gehabt, sondern war immer ein kleiner, machtpolitisch recht einflußloser Staat, aber dafür ist seine religiöse Geschichte um so bedeutsamer. Israel ist jenes Volk, das den strengen Eingottglauben hervorgebracht und zur Grundlage seines gesamten staatlichen und geistigen Lebens gemacht hat. Lind mit diesem Eingottglauben in engem Zusammenhang steht die Vorstellung der sittlichen Persönlichkeit des Einzelmenschen. Israels bleibende Größe liegt auf religiös-sittlichem Gebiet. Dadurch ist es eine geistige Weltmacht geworden, die für die Hervorbringung der europäischen Kultur wenigstens ebenso bedeutsam geworden ist wie der hellenische Geist.

Auch unsere Anschauungen über die zweite Komponente der europäischen Kultur bedürfen einer gewissen Revision: Das Christentum hat sich schon im Zuge, seiner siegreichen Ausbreitung in der Mittelmeerwelt zu zwei, zwar nicht dogmatisch, aber doch kulturmorphologisch verschiedenartigen Formen entfaltet.

In den Ländern des lateinischen Westens ist das Christentum geprägt worden unter dem Einfluß der römischen Denkens, und es ist nüchtern, handfest, praktisch aufgefaßt worden mit dem Blick auf die moralische Anwendung im Dienste der Gestaltung der diesseitigen Welt, der consecratio mundi. So hat die römische Kirche eine Moraltheologie als wissenschaftliches System hervorgebracht und im Zusammenhang damit ein Kirchenrecht. Wichtig vor allem war die römische Auffassung des Verhältnisses von Kirche und Staat. Hier ist zum erstenmal die vor-christliche Auffassung, daß der Staat zugleich auch eine religiöse Kult-gemeinschaft ist, durchbrochen und ersetzt worden durch die Anschauung, daß es einen staatsfreien Eigenbezirk des religiösen Lebens gibt, der von der Kirche kraft eigener Hoheit geordnet wird. Im byzantinisch-orthodoxen Bereich wird das Christentum mehr transzendent-jenseitig gesehen, es gibt kein moraltheologisches System, es gibt keine Naturrechtslehre als wisenschaftliche Disziplin. Zwar gibt es ein Kirchenrecht, aber dies ist in der Setzung, in der Verkündigung und in der Anwendung abhängig vom Staat. Denn die orthodoxe Kirche ist von dem Staat nicht verschieden, sie steht nicht neben ihm, sie ordnet ihre innerkirchlichen Fragen nicht selbst kraft eigener Rechtshoheit, sondern sie ist dem Staat ein-und untergeordnet, ja, sie ist irgendwie mit ihm identisch. Es ist das System der „Kaiserkirche“ (Anton Michel)

Alle diese Unterschiede haben zusammengewirkt, um Europa von seinen frühchristlichen Anfängen her in zwei verschiedene Kulturwelten zu differenzieren. Seit mehr als einen Jahrtausend, ja, man kann sagen seit anderthalb Jahrtausenden, schneidet daher durch unseren Erdteil eine unsichtbare Demarkationslinie, die die orthodoxen Völker von den katholischen Völkern scheidet. Dabei muß man mit Nachdruck betonen, daß orthodox und slawisch in keiner Weise identisch ist, denn die eine und im Mittelalter wenigstens ebenso bedeutsame Hälfte der slawisch sprechenden Völker (Polen, Tschechen, Slowaken, Kroaten, Slowenen) nahm das Christentum in seiner katholischen Form von Rom her an und gliederte sich damit in die Kulturwelt des lateinischen Abendlandes ein, deren Schicksal sie teilte, während jenseits der Demarkationslinie die übrigen slawisch sprechenden Völker (Bulgaren, Serben, Ukrainer, Russen) zugleich mit den Rumänen die Lebensform der orthodoxen Christenheit annahmen. Man kann daher in historischer Betrachtung von einem „zwiefältigen Europa“ sprechen. • Die neuen Völker, auf denen die Kulturentwicklung des christlich werdenden Europas in seinen beiden Hälften beruhte, waren nicht nur, wie die konventionelle Anschauung weithin behauptet, Romanen und Germanen, sondern es kamen zahlreiche andere Völker und völkische Elemente hinzu, so daß man gut tut, von den „neuen Völkern“ zu sprechen. LInter diesen „neuen Völkern“ stehen an Zeit ihres Eintretens auf die Bühne der Geschichte, aber auch an Bedeutung sicherlich die Romanen und die Germanen voran, aber neben ihnen haben auch andere große Bedeutung: so die Reste der großen keltischen Völker-familie, die im Laufe des Mittelalters immer mehr an den insularen Nordwestrand des Abendlandes zurückgedrängt wurden, ferner die Gruppe der slawisch sprechenden Völker, die durch die slawische Völkerwanderung im 6., 7. und 8. Jahrhundert von ihrer ältesten Heimat in der westlichen Ukraine aus die umliegenden Räume, den Donau-raum, den Balkan und den Weichselraum besiedelten, schließlich auch die verschiedenen türkischen und finnisch-ugrischen Völker, die als Reiterhirten mit der ganzen politischen Begabung der Reiterhirtenvölker in den europäischen Raum einbrachen und jahrhundertelang im Osten unseres Kontinents eine politisch bedeutendere Rolle spielten als die Slawen. Drei ihrer Staatengründungen leben bis zur Gegenwart mit ihren eigenen Sprachen fort und zeigen durch die Kunst der außen-politischen Führung noch immer die Spuren des alten politischen Erbes: die Türkei, Ungarn, Finnland, während das ebenfalls von eurasischen Reiterhirten gegründete Großbulgarische Reich des Früh-und Hochmittelalters bereits durch die Christianisierung seine bulgarische Sprache aufgegeben und die slawische Sprache der bäuerlichen Unterschicht angenommen hat.

Deutschland und Frankreich

Am meisten revisionsbedürftig in unseren Geschichtsbüchern ist das Verhältnis Deutschlands zu Frankreich und überhaupt die Stellung Frankreichs in der europäischen Kulturgeschichte. Sie pflegt in den deutschen Geschichtsbüchern nur recht flüchtig behandelt zu werden. AIs Beispiel — eines unter beliebig vielen! — sei hier darauf hingewiesen, daß eine Gesamtdarstellung, die Hans Freyer vor einigen Jahren unter dem Titel „Weltgeschichte Europas“ veröffentlicht hat, die geistige Führungsstellung Frankreichs im Mittelalter kaum erwähnt. Nur in einigen Zeilen wird darauf hingewiesen, daß Frankreich auch im Mittelalter geistig eine bedeutende Rolle gespielt hat. Nichts wird jedoch darüber gesagt, daß Frankreich ohne Zweifel die geistige Führungsmacht des mittelalterlichen Abendlandes, wenigstens seit dem 11. Jh. bis in das 14. Jh. hinein, gewesen ist. Freilich ist der Ausdruck „Frankreich" insofern historisch nicht richtig, als es ja nicht das ganze Frankreich in der heutigen Ausdehnung dieses geographischen Begriffes war, sondern genauer gesagt das Land zwischen Loire und Niederrhein, in noch engerer Begrenzung das Land zwischen Seine und Niederrhein, das zur größeren Hälfte romanisch, also französisch sprechendes Volks-gebiet war, zur kleineren Hälfte germanisch (niederländisch-deutsches Volkstumsgebiet).

Dieser Raum, der die geschichtliche Herzlandschaft des alten Franken-reiches war, ist die Ursprungszelle aller großen mittelalterlichen Kultur-und Geistesbewegungen: des Rittertums, des Minnesangs, der Epik, der Scholastik, der Mystik, der gotischen Kunst, aber auch der neuen Kolonisationsbewegung, die nach der Jahrtausendwende aus diesem Herzland des Abendlandes aufbrach, von da aus in einer riesigen Ausbreitungsbewegung, vor allem nach Osten, aber auch nach der Iberischen Halbinsel und nach den Britischen Inseln, ausgegriffen hat. Dieser Raum von „Franzien" war die Mitte der abendländischen Geschichte — wenigstens von der Jahrtausendwende bis etwa 13 50 Man wird weiterhin sagen müssen, daß Frankreich auch dann nochmals seit dem 16. bis in das 19. Jahrhundert hinein alles in allem doch die geistig und kulturell führende Nation war, wie ja auch die französische Monarchie an staatlicher Macht weitaus die erste Potenz in dem europäischen Mächtespiel war. Im Zusammenhang damit bedarf auch die mächtige Ausstrahlung, die Frankreich auf geistig-kulturellem Gebiet in alle Welt entfaltet hat, einer neuen Sicht. Diese „Außengeschichte“

Frankreichs deckt sich lange Zeiten hindurch größtenteils mit der geistigen und technisch-kolonisatorischen Ausstrahlung Europas in die Welt überhaupt; denn in zahlreichen überseeischen Ländern, z. B. im Osmanischen Reich, war es so, daß das französische Element schlechthin stellvertretend stand für das europäische Element überhaupt.

Die technisch-industrielle Revolution und die Herausbildung einer einheitlichen Weitzivilisation

In unserem Jahrhundert erleben wir es, wie aus den bisherigen Einzelkulturen und Kulturkreisen, die Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch ihre besondere Existenz gelebt haben, eine einheitliche Welt-zivilisation sich herauszubilden beginnt. Als Ergebnis der europäischen Kolonisation war um 1900 nahezu die ganze Welt unter die Herrschaft der europäischen kolonialen Mächte geraten. Dann begann die Gegenbewegung der farbigen Völker zum erstenmal sichtbar zu werden in dem Japanisch-Russischen Krieg von 1905, der zur allgemeinen Überraschung der öffentlichen Meinung Europas mit einem schnellen und völligen Sieg der bisher unbeachteten asiatischen Macht Japans über das riesige Reich Rußland endete. Damit kündete sich bereits die beginnende Wende an. Als Ergebnis der beiden Weltkriege ist festzustellen, daß Europa seine bisherige politische und wirtschaftliche Führer-stellung auf dem Erdball eingebüßt hat, daß das System der kolonialen Herrschaft zusammengebrochen ist, daß Schritt um Schritt die einzelnen kolonialen Mächte sich wieder zu befreien und ihre eigene Staatsform zu schaffen beginnen, daß die Vereinigten Staaten von Amerika und die Sowjetunion als die führenden Weltmächte unserer Zeit einander gegenüberstehen und daß zwischen beiden oder hinter beiden sich als dritte Weltmacht China mit seinen fast 600 Millionen Einwohnern und seinen großen Bodenschätzen zu erheben beginnt.

Die Europäisierung der Erde hat zivilisatorisch dazu geführt, daß die technisch-industrielle Revolution die ganze Welt erobert und die Grundlagen für eine einheitliche planetarische Zivilisation gelegt hat Nach dieser Leistung, die bleibend sein wird, ist die „Europäisierung“ dann wie ein Bumerang auf ihre Urheber zurückgeprallt. Europa und das alte Abendland drohen geradezu in eine politische Geschichtslosigkeit zurückzusinken. So behaupten es wenigstens manche schwarzsehende Propheten. Die Wirklichkeit der vor uns liegenden Zukunft wird wohl anders aussehen. Ein europäischer Staatenbund wird als vielgliedriger, aber machtvoller Faktor in ein neues Mächtespiel auf dem Erdball eintreten können und eintreten müssen. Das Beste seiner kulturellen Leistungen wird die Grundlagen abgeben für die einheitliche Weltkultur, die sich herausbildet. In dieser aber werden auch die Faktoren, die Elemente, die Komponenten der anderen Hochkulturen der Erde wirksam werden, vor allem der chinesischen Kultur mit ihren rechtsstaatlichen Prinzipien und der indischen Kultur mit ihrem reichen Schatz an religiösen, philosophischen und dichterischen Werten.

Einer wesentlichen Reform bedarf unser Geschichtsbild auch im Hinblick auf die Bedeutung der wirtsdraftlichen und gesellschaftlichen Faktoren.Zwar ist der Versuch des historischen Materialismus in seiner gemeinhin angewandten Form abzulehnen, weil er eine unzulässige Vergröberung des viel komplizierteren historischen Sachverhaltes darstellt. Denn die geistigen und religiösen Faktoren der Geschichte lassen sich weder aus der Geschichte hinwegdeuten noch auf ausschließlich wirtschaftliche und gesellschaftliche Ursachen zurückführen. Aber es bleibt die Tatsache bestehen, daß die Forschungsarbeit des historischen Materialismus, der heute die Vorherrschaft in der Sowjetunion erlangt hat, nicht nur in stofflicher Hinsicht weite Bereiche der allgemeinen Geschichte neu aufgearbeitet, sondern auch neue Fragestellungen gezeigt und neue Methoden begründet hat. Wir können diese Ergebnisse nicht länger ignorieren; wir müssen sie, wenn freilich auch nur nach sorgfältigster kritischer Prüfung, in unser Gebäude der historischen Erkenntnis mit hineinnehmen. Die Geschichte ist nicht verständlich, außer aus der Kenntnis des breiten sozialökonomischen Unterbaues.

Im Zusammenhang damit gewinnt die Betrachtung der Bevölkerungsgeschichte auch für Europa ein ungeheures Gewicht. Es zeigt sich, daß die Bevölkerungsentwicklung in unserm Erdteil nicht durch alle Jahrhunderte hindurch eine gleichmäßig aufsteigende Linie beschreibt, sondern daß das Bevölkerungswachstum der europäischen Länder einige Anstiege aufweist, die dann Jahrhunderte hindurch unterbrochen werden, d. h. diesen Anstiegen folgen Zwischenzeiten des relativen Stillstandes oder doch eines viel geringeren, auffällig geringeren Bevölkerungswachstums. So können wir feststellen, daß in der Zeit von 800 n. Chr. bis etwa 1300 n. Chr. die europäische Bevölkerung in einer außerordentlich starken Vermehrung begriffen war, daß von etwa 1 300 bis 1600 diese Bevölkerungsentwicklung sich sehr verlangsamte, ja nahezu zum Stehen kam, daß dann vom 17. Jahrhundert ab mit der technisch-industriellen Revolution die Bevölkerungsvermehrung ein immer schnelleres und schließlich nahezu beängstigendes Tempo einschlug. Denken wir einmal daran zurück, daß die Zahl der Erdbevölkerung um das Jahr 18 80, also vor rund 80 Jahren, die Hälfte der heutigen Gesamtzahl betrug!

Auch für die Geschichte der einzelnen Länder ergeben sich von hier aus interessante Perspektiven. Das zahlenmäßige Verhältnis der beiden heutigen Weltmächte LISA und Sowjetunion hat sich im Lichte der Bevölkerungsbewegung im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte mit riesenhaften Schritten ständig zu Gunsten Amerikas und zu Ungunsten Rußlands verschoben. Als die 13 nordamerikanischen Kolonien im Jahre 1780 sich vom englischen Mutterland befreiten, zählten sie rund drei Millionen Einwohner. Damals war New York noch eine kleine holzgebaute Stadt, die im wesentlichen auf der Hudson-Insel Manhattan lag. Zur gleichen Zeit zählte das Russische Reich, das damals bereits von der Ostsee und vom Schwarzen Meer quer durch Nordasien bis an den Stillen Ozean und hinüber nach dem nordwestlichen Amerika (Alaska) reichte, rund 30 Millionen Einwohner, also rund die zehnfache Bevölkerungszahl. Die Entwicklung der folgenden anderthalb Jahrhunderte hat dazu geführt, daß die Vereinigten Staaten nicht nur ihr Gebiet bis zur Westküste Nordamerikas ausdehnten, sondern auch Schritt um Schritt den bevölkerungsmäßigen Vorsprung des Russischen Reiches nahezu völlig eingeholt haben, und zwar nicht nur durch die Einwanderung europäischer Elemente, sondern auch durch das innere Bevölkerungswachstum, das bis zur Gegenwart hinein überaus stark ist. Freilich erklärt sich das unterschiedliche Wachstum der Bevölkerung der beiden heutigen Weltmächte vor allem auch aus dem differierenden ärztlichen Versorgungsstand. Während es in den Vereinigten Staaten von Amerika gelungen ist, die Kindersterblichkeit bis auf ein Mindestmaß einzuschränken, ist dieses Problem im Russischen Reich des 19. Jahrhunderts überhaupt nicht gelöst worden und auch in der heutigen Sowjetunion noch nicht völlig gelöst. Gerade die Bekämpfung der Kindersterblichkeit aber ist zusammen mit der Akkumulation von Bevölkerungsmassen in den neuen Industriestädten die große Voraussetzung für die sprunghafte Vermehrung der Bevölkerungszahl in den letzten zwei Jahrhunderten gewesen.

Die menschheitsgeschichtliche Einmaligkeit des Abendlandes

Wenn wir von diesem Blick auf einige reformbedürftige Punkte unseres herkömmlichen Geschichtsbildes aus nunmehr die Frage stellen, worin eigentlich das Spezifische der abendländischen Entwicklung beruht, so werden wir vor allem drei Erscheinungen dafür namhaft machen müssen:

1. die individuelle Prägung der Völker, 2.der Geist der wissenschaftlichen Rationalität, 3. die Hervorbringung des Rechtsstaates.

Zwar ist es überall in der Geschichte der Menschheit so, daß Völker die Träger der geschichtlichen Entwicklung sind. Es gibt nirgendwo eine allgemeine Menschheitsgeschichte, außer als Geschichte von Völkern und Völkergruppen und Völkergemeinschaften. Im Abendland aber ist eine merkwürdige individuelle Prägung der Völker votn Geistigen her festzustellen. In den übrigen Kulturwelten fehlt diese Prägung vom Geistigen her. Im Abendland sind sie so stark von der christlichen Glaubensverkündung erfaßt worden, daß von hier aus sich ihrem Bewußtsein die Frage auftat nach Sinn, Berechtigung und Aufgaben der Völker in dieser Welt. Die christliche Geschichtsdeutung des Mittelalters hat zunächst die Kirche ganz und gar in den Mittelpunkt der Geschichtserklärung gestellt. Die Kirche hat die Aufgabe, diese Welt zu gestalten. Als dann im Spätmittelalter das einheitliche Geschichtsbild des christlichen Mittelalters zerbrach, da machten die verselbständigten Völker sich auch diese christliche Geschichtsdeutung zu eigen und bezogen sie nunmehr auf sich selbst. So kommt es, daß nunmehr die Völker begannen, von ihrer Aufgabe und von ihrer Sendung zu sprechen. Dies ist der Anfang der nationalen Geschichtsideologien, aber auch des nationalen Selbstbewußtseins und der großen nationalen Eigenleistungen, die aus der abendländischen Geschichte nicht weggedacht werden können.

Ein zweites Spezifikum der abendländischen Geschichte ist der Geist der wissenschaftlichen Rationalität. Er verdankt seine Grundlegung dem hellenischen Geist. Er wirkte dann fort in dem Versuch einer wissenschaftlichen Theologie und nach der Neuentdeckung des Aristoteles im Hochmittelalters in dem Versuch, diese Theologie mit philosophischen Mitteln zu unterbauen. So entstanden die großen Systeme der scholastischen Theologie und Philosophie. Von diesen aber führte der Weg einerseits in die Entfaltung der exakten Naturwissenschaften, andererseits in die philosophischen Systeme und Ideologien der Neuzeit Man mag diese Entwicklung bejahen oder verneinen, sie ist sicher charakteristisch für die abendländische Geschichte, und man wird auch sagen können, daß die Beantwortung der großen Fragen, die uns heute aufgegeben sind, auf abendländischem Boden nicht möglich sein wird, außer aus diesem Geiste der wissenschaftlichen Rationalität heraus.

Die dritte und vielleicht großartigste Leistung der abendländischen Geschichte ist die Hervorbringung des Rechtsstaates. Er ist nur auf abendländischem Boden entstanden und nur hier möglich. Ein Blick in die orthodoxe Welt des östlichen Europas zeigt bereits, wie wenig selbstverständlich die rechtsstaatlichen Anschauungen und Einrichtungen des öffentlichen Lebens an sich sind. Die Grundlage für die Hervorbringung des Rechtsstaates ist der Selbständigkeitsanspruch der katholischen Kirche gewesen. Sie hat ihn in harten Kämpfen gegenüber dem Staat — gegen byzantinische Kaiser, gegen deutsche und französische Könige — durchgesetzt und ausgebaut. Die wissenschaftliche Naturrechtslehre, die von der katholischen Moraltheologie entwickelt wurde, war die Waffenkammer der Argumente, mit denen der Absolutheits-und Alleinherrschaftsanspruch der staatlichen Gewalt zurückgewiesen werden konnte. Der christlich gewordene Staat mußte auf die antik-vorchristliche Gleichsetzung von Staat und nationaler Kult-gemeinschaft verzichten. Zunächst verteidigte die Kirche ihren religiösen Bereich als staatsfreien Eigenbezirk; dann folgte dem Beispiel der Kirche der Adel und schließlich auch die Städte. Durch das Zusammentreten der spruchberechtigten Vertreter dieser drei Stände — Kirche, Adel, Städte — bildete sich im Spätmittelalter das ständische Parlament. Dies ist die geschichtliche Wurzel des parlamentarischen Rechts-und Verfassungsstaates, der in der Neuzeit durch die Proklamation des Prinzips der Gewaltenteilung zum bewußten Kunstwerk des öffentlichen Lebens ausgestaltet wurde. Er ist auf abendländischem Boden entstanden und nur aus den Wurzelkräften der abendländischen Geistesgeschichte verständlich.

Seit drei Jahrzehnten geht, nicht nur bei den Fatalismussüchtigen, die Rede vom — angeblich unvermeidlichen — „Untergang des Abendlandes“. So drängt sich uns die Frage auf, was das Abendland an unvergänglichen Werten nicht nur für den eigenen Kulturkreis, sondern darüber hinaus für die außerabendländischen Kulturwelten hervorgebracht hat, was verdient, als abenländischer Beitrag einzugehen in die werdende Weltkultur, die sich vor unseren Augen in den Grundlinien schon abzuzeichnen beginnt. Eine gültige Antwort ist nur möglich aus dem Abstand der vergleichenden Betrachtung der großen Kulturkreise — wobei der historische Betrachter seinen Blick auf das Ganze der Menschheitsgeschichte zu richten hat, auf jenen Gesamtstrom, der nach einer gewissen Regelmäßigkeit typische Erscheinungen auftauchen und wieder verschwinden läßt.

Auch heute, da das Abendland seine einstige politische Vorrangstellung eingebüßt hat, herrscht Gewißheit darüber, daß kein anderer Kulturraum eine entscheidendere Rolle in der Menschheitsgeschichte gespielt hat. Selbst ein Chinese oder Inder, der um das Ganze der Menschheitsgeschichte weiß, wird dieser Feststellung nicht gut widersprechen können. Er wird zwar auf die großen Leistungen seines eigenen Kulturkreises hinweisen können: der Chinese auf Geschichtsschreibung, Rechtstradition und Malerei, der Inder auf tiefsinnige philosophische und theologische Spekulationen. Aber auch er kann nicht den Blick verschließen vor der Tatsache, daß just aus dem Abendland alle jene Umwälzungen gekommen sind, die in dem vergangenen halben Jahrtausend das Angesicht unseres Erdballs in immer neuen Wellenbewegungen umgestaltet haben: durch händlerische Kolonisation und militärische Eroberung (Conquista), dann durch die christliche Mission, und schließlich durch die industrielle Revolution, der alle älteren Lebensformen erlegen sind, zunächst im Abendland, dann in Nordamerika und Osteuropa, schließlich in aller Welt.

Wenn man versucht, aus dem Abstand der vergleichenden Betrachtung die großen Kulturwelten unseres Erdballs nebeneinander zu sehen, so fällt an der Geschichte der abendländischen Kultur eines vor allem auf: das Bild einer überquellenden Dynamik von Kräften, die unerschöpflich scheinen, das Bild einer nach außen drängenden Kraft und endlich eine ungeheure, sich ständig steigernde Fließgeschwindigkeit. Die Geschichte des Abendlandes strömt „schneller“ dahin als die anderer Kulturländer. Dabei hat sie es vermocht, bis vor etwa anderthalb Jahrhunderten eine merkwürdige und fast zielstrebige Kontinuität zu bewahren, in der alles auf die fortschreitende Summierung geschichtlicher Erfahrungen hinzuzielen scheint.

Diese abendländische Kultur hat sich bis in das Zeitalter der Aufklärung und der beginnenden technisch-industriellen Revolution der lateinischen Weltsprache-als sprachlichen Ausdrucksmittels bedient. Das Latein ist die Muttersprache des abendländischen Geistes. In ihr haben alle Völker des aufsteigenden Abendlandes zu denken gelernt. In dem Schülerverhältnis zu dem Latein als der Sprache altehrwürdiger Überlieferung haben sich die Volkssprachen des Abendlandes überhaupt erst zu eigener literarischer Ausdruckskraft emporgerankt. Vorher konnten sie — um in einem Bilde zu sprechen — nur stammeln.

In der Welt der orthodoxen Christenheit hatte das Griechische anfänglich eine ähnliche Stellung. Bald trat dann freilich in den orthodoxen Missionsgebieten im Bereiche der slawischsprechenden Völker das Kirchenslawische an die Stelle der griechischen Kirchen-und Literatursprache.

Das Abendland hatte das Glück, daß sich auf seinem Boden in Römern und Germanen zwei Völker begegneten, die sich — bei aller sonstigen Verschiedenheit — wie in einer idealen Ehe zusammenfanden. Beiden gemeinsam war ein gläubiges Vertrauen in die Zukunft und ein Optimismus gegenüber allen irdischen Schwierigkeiten. Bei den Germanen der Frühzeit, die gerade in die Morgenhelle der Geschichte eintraten, war es das von einer bubenhaften Unbekümmertheit getragene Selbstvertrauen, mit allem fertig zu werden; bei den Römern war es mehr das Vertrauen in die Kraft der Form, der auctoritas, der potestas, der Sinn für dignitas und der ehrfürchtige Glaube daran, daß auch die Staatskunst an Spielregeln gebunden ist.

Das Abendland hat — seine patristischen Anfänge beweisen es — zunächst in einer geistigen Umarmung des griechischen Orients gelebt. Die Herrschaft griechischer Sprache und Kultur reichte weit nach dem lateinischen Westen herüber. Dann kam — erst zaghaft und schrittweise — die Emanzipation des Abendlandes. Politisch wurde dieser Umschwung sichtbar im Aufstieg des Westens. Die „Translatio imperii" des Jahres 800 wurde im lateinischen Westen als Übernahme des „Reiches" empfunden. Auch dieses Ereignis, dessen weltweite Bedeutung bald sichtbar werden sollte, war, wenn man den historischen Strom als Ganzes vor Augen hat, nicht Wirkung dessen, was vorher war, oder Ursache dessen, was nachher kam, sondern vielmehr nur ein Symptom dafür, daß die Zeit für eine Wende reif geworden war.

Politisch war seitdem das Abendland selbständig und mündig geworden. Bald vollzog sich diese Wendung auch im Geistigen. Bis zur Jahrtausendwende verlief das Kulturgefälle von Osten nach Westen dann kehrte es sich um. Seit dem 11. Jahrhundert übernahm das Abendland die Führung. Das sichtbare Zeichen hierfür sind die Kreuzzüge mit ihren überlegenen ritterlichen Lebensformen. Dann setzt bald die große Entwicklung der abendländischen Philosophie und Theologie ein, die abendländische Rechtsentwicklung aus römischer, kanonistischer und germanischer Wurzel, es beginnen die großen Systembildungen der Scholastik (Anselm, Albert, Thomas, Bonaventura, Duns Scotus) und endlich auch die selbständige Kunst der Gotik.

Schon bald danach brach ruckartig jene große Krise aus, deren Erklärung die Historiker immer wieder beschäftigt hat. In vielerlei Anzeichen kündigte es sich an, daß jener großartige Versuch des glaubens-starken Mittelalters, die politische Welt um den Kern des Sacrum Imperium, zu ordnen, gescheitert war. Die tatsächliche Macht des Kaiser-reiches war auf Mitteleuropa und Oberitalien beschränkt. Außerhalb dieses abendländischen Kernraumes blieb der Hoheitsanspruch des Reiches mehr Theorie als politische Wirklichkeit.

Abendländische Philosophien und Ideologien

Mit dem großen Umbruch um 1300 beginnt jedenfalls auf allen Gebieten des Lebens etwas Neues. Die alte philosophische Tradition wurde bedroht durch den Nominalismus, der, wenn man ihn zu Ende dachte, zu der Folgerung führen konnte, daß es absolute Wahrheiten und Werte an sich, unabhängig vom Bewußtsein und Willen des Menschen, nicht gibt. Diese philosophische Entwicklung führte dann über viele Zwischenglieder zu dem neuzeitlichen Wirbeltanz philosophischer Systeme, wo System um System sich ablöst. Der Philosoph neuer Art sieht seinen Ehrgeiz nicht mehr in der handwerklichen Demut des mittelalterlichen Denkers, der am Werk seiner Vorgänger weiterbaut; er will vielmehr umstürzen und einreißen, um etwas völlig Neues an die Stelle der Überlieferung zu setzen, das zunächst vom Urheber und seinen geistigen Adepten als der Weisheit letzter Schluß angepriesen, dann aber bald erkannt wird als das, was es wirklich ist: ein Versuch mehr, bestenfalls nicht unvollkommener als alle früheren Versuche.

Daneben geht freilich der schulmäßige Betrieb der „christlichen Philosophen“ weiter. So gabelt sich die abendländische Philosophieentwicklung seit dem 16. Jahrhundert: Einerseits wird eine Philosophie weiterüberliefert, die es versucht, an der Tradition des bewährten Alten festzuhalten, die aber verkrustet und den geistigen Zusammenhang mit dem lebendig weiterströmenden Leben verliert; andererseits entsteht eine Vielzahl von jeweils lebensnah erscheinenden Philosophie-systemen, von denen zwar jedes einzelne genau in die geistige Situation seiner Zeit paßt, aber zugleich mit der Konjunktur seiner Zeit auch seine zweifelhafte „Lebensnähe" und den Talmiglanz seines konjunkturgetragenen Wahrheitsanspruches verliert.

Diese Gabelung ist auch in anderen Bereichen sichtbar, etwa in der Rechtsgeschichte. Bei einigen abendländischen Nationen kann man von einem ungebrochenen Fortwirken der mittelalterlichen Naturrechtsanschauungen sprechen. So war es in den Niederlanden, in der Schweiz, in England und in Ungarn. In den anderen Staaten endete der Machtkampf zwischen den alten ständischen Gewalten und der neuaufstrebenden absoluten Monarchie mit dem Sieg der Krone. Dieser Ausgang eines langen Kampfes führte eine Rechtsauffassung und eine Staats-und Verwaltungspraxis herauf, die sich immer stärker von der alten Vorstellung loslöst, daß das Recht über dem Staat steht. So kam das Recht immer näher an den Strudel des Positivismus heran, in den es dann im 19. und 20. Jahrhundert versank. Am Ende dieser Abwärtsentwicklung konnte der barbarische Satz gesprochen werden: „Recht ist, was der Führer befiehlt“ oder: „Das Recht geht vom Volke aus".

Die Zersetzung der sittlichen Bindungen hat ihre Ursache letztlich in der Zersetzung der Glaubenssubstanz. Nur das Bild der Verwitterung vermag vielleicht klarzumachen, worum es sich hierbei handelt -einer Verwitterung, die sich von außen her hineinfrißt, indem sie zunächst Randschichten ergreift, dann Schritt um Schritt in immer tiefere Schichten vordringt und schließlich auch den Kern erfaßt. Der Vorgang war im einzelnen recht eigenartig. Vielfach war es so, daß die Zersetzung nicht bei den Positionen und Behauptungen, sondern bei den Begründungen einsetzte. Man versuchte, eine überlieferte Begründung, die in den Geruch geraten war, „altmodisch“ zu sein, durch eine neue „zeitgemäße“ zu ersetzen, gewöhnlich aus dem edlen Bemühen heraus, die Behauptung noch besser gegen die Angriffe ihrer in den Wechselwinden des Zeitgeistes segelnden Gegner zu stützen. Aber die neue „zeitgemäße“ Begründung fällt dann mit dem Ablauf der ihr gemäßen Zeit. Und mit der Begründung fällt dann auch die Position, weil die Substruktionen des Gedankengebäudes zusammengebrochen sind So haben im 16. und 17. Jahrhundert — in der Zeit des Hugo Grotius — jene Männer, die — ohne es so recht zu wissen und zu wollen — damit begannen, die Naturrechtslehre von ihrer alten metaphysischen Grundlage loszulösen, als Schulfrage und Diskussionsbeispiel vielfach die Frage erörtert, wie sittliche und rechtliche Fragen zu erörtern und zu lösen sind unter der philosophischen Annahme der Nichtexistenz Gottes (etsi Deus non daretur). Sie haben sich mit ehrlichem Willen darum bemüht, eine Moral aufzubauen, die auch für Atheisten verpflichtende Kraft hätte. Aus dieser schulmäßigen Annahme wurde bald eine philosophische Ausgangsstellung, der Konditionalis wurde zum Realis.

Im einzelnen ist das Schauspiel, das dieser Wirbeltanz der Systeme und Ideologien bietet, verwirrend vielfältig. Jede Ideologie ist ein Aggregat aus oft recht verschiedenartigen Einzelelementen, die nur durch das Bekenntnis zu einem gemeinsamen Symbol oder durch den Gegensatz zu einem gemeinsamen Feind zu einer kurzlebigen Einheit zusammengehalten werden. Die Lebensdauer einer Ideologie hat ihr Ende erreicht, wenn sie zum äußeren Siege gelangt ist oder wenn ihre Träger gewaltsam zerschlagen werden — es gibt beide Möglichkeiten, die erste ist häufiger und im allgemeinen fruchtbarer. Welches Schauspiel vollzieht sich dann vor unseren Augen! Das Gedankenaggregat der Ideologie zerfällt in seine Bestandteile, die sich als Einzelvorstellungen wiederum selbständig machen. Sie suchen nun nach einem neuen Gefäß, wo sie wiederum Wohnung nehmen können, nach einem neuen Magneten, der die Splitter zusammengruppiert. So entsteht eine neue Ideologie, die zunächst eine ebenso faszinierende Wirkung ausübt, dann aber sich als ebenso kurzlebig erweist wie alle ihre Vorgängerinnen.

In der fortschreitenden Zersetzung aller Bindungen und Überzeugungen bilden Aufklärung und Französische Revolution einen tiefen Einschnitt. Sicherlich waren viele — wenn auch nicht alle! — Vertreter der Aufklärung Männer des guten Willens. Aber das Ergebnis ihrer Bemühungen mündete eben doch in den großen Strom des Verhängnisses ein. Das ist ja der tragische Gesamteindruck der neuzeitlichen Geistesgeschichte, daß jene, die das Gefüge der alten Ordnung unterhöhlen, dieses gewöhnlich guten Glaubens tun, oft verblendet, oft noch nicht einmal verblendet, sondern in Selbsttäuschung befangen.

Das von dem Träumer Rousseau gezeichnete Menschenbild der Aufklärung ist sicherlich unter allen denkbaren Auffassungen vom Menschen besonders wirklichkeitsfremd: Der Mensch als das von Natur gute Wesen, von dem man nur alle schlechten Einflüsse ausschalten muß, damit er gut bleibe und immer noch besser werde. Diese Illusion war anderthalb Jahrhunderte hindurch von mächtigem Einfluß auf das abendländische Denken. Sie hat sich als Antriebs-kraft in der Entfaltung und im geschichtlichen Mächtigwerden des Fortschrittsglaubens ausgewirkt. Das 19. Jahrhundert hat die Früchte der Aufklärung ausreifen lassen. Die politischen Ideologien, die nun in rascher Folge ausgebrütet wurden, muten an wie die Suche nach dem verlorenen Paradies, das man durch die Anwendung irgendeines ideologischen Rezeptes wiederherstellen will. Das politische Denken wird ein Tummelplatz für kurzschlüssige Weltverbesserer, die sich in Extremen bewegen. Man reißt jeweils aus dem vielfältigen Gesamtbild einer Wahrheit einen an sich berechtigten Teilaspekt heraus, nämlich jenen, der dem Erfinder der neuen Ideologie zusagt. Man setzt ihn absolut und erklärt ihn für allein richtig, alles andere aber für falsch. So hat sich in der Neuzeit der Kreislauf der Kunstrichtungen, der philosophischen Schulmeinungen und der Ideologien abgespielt. Die Ideologien aber waren verkappte politische Ersatzreligionen, bestimmt dazu, jene Leere des Herzens auszufüllen, die der denkende Mensch qualvoll empfindet und die gebieterisch nach einer Ausfüllung ruft: wenn es nicht die rechte ist, muß es eine falsche sein, ein „Ersatz“.

Der technische Fortschritt — ein Danaergeschenk?

Das Abendland hat der Menschheit noch ein anderes gegeben, das uns heute Tast als Danaergeschenk erscheinen will: den technischen Fortschritt, der im Gefolge der industriellen Revolution nach und nach das Antlitz des ganzen Erdballs umgestaltet hat, beginnend im 18. Jahrhundert auf beiden Seiten des Ärmelkanals, vor allem in England, dann in Wachstumswellen ausgreifend, einerseits nach Nordamerika, andererseits nach Deutschland (Ruhrgebiet, Sachsen, Oberschlesien), nach Ruß-land (Donez), Sibirien (Kusnezk) und dem Fernen Osten. Heute ist die industrielle Revolution dabei, auch die entlegensten Teile der Erde zu erfassen.

Dem Siegeszug der Maschine und der Industrialisierung folgten die modernen säkularisierten Ideen des Westens auf dem Fuße. Mit der Umwälzung der wirtschaftlichen Verhältnisse stürzten auch die politischen Systeme und die gesellschaftlichen Gefüge. Die ehemaligen „Kolonialvölker“, die sich in Indonesien und sonstwo vor unseren Augen gestern und heute emanzipierten, führen ihren Kampf nicht nur gegen den europäischen Imperialismus des kolonialen Zeitalters, sondern gleichzeitig auch gegen eine Feudalstruktur, die auch dort nicht mehr haltbar ist. Mit dem politischen Erwachen der Leibeigenenmassen Asiens verschieben sich die politischen Gewichte des Erdballs. Eines der entscheidenden Ereignisse — vielleicht werden spätere rückschauende Betrachter sagen: das eigentlich entscheidende — ist jedenfalls die Tatsache, daß die Milliarde Reisbauern im Fernen Osten, die nun einmal die eine Hälfte der Menschheit ausmachen, politisch mündig werden. Wo Lesen und Schreiben Allgemeingut des Volkes werden, ist das politische Mündigwerden der Massen nicht mehr aufzuhalten.

Was das Abendland an Ideen und Erfindungen in die fremden Kulturwelten hineingetragen hat, prallt heute wie ein Bumerang gegen uns zurück, zunächst einmal politisch, militärisch und wirtschaftlich, aber morgen und übermorgen sicherlich auch geistig. Gewiß wird es so kommen, wie es der Theologe und Religionshistoriker Günther Schulemann schon vor anderthalb Jahrzehnten in einem hellsichtigen Buche vorausgesagt hat, daß nämlich die Auseinandersetzung zwischen Christentum und Buddhismus eine viel tiefere Krise heraufbeschwören wird als im Mittelalter der Kampf der Philosophen und Theologen um die Rezeption des Aristoteles.

Das Sendungsbewußtsein des Abendlandes — die Consecratio mundi

Inmitten dieser Umwälzungen erhebt sich erst recht die Frage, was von diesem alten Abendland bleiben wird, was aus den Früchten werden wird, die das Bündnis von Christentum und Antike mit den „Neuen Völkern" gezeitigt hat. Was macht die einzigartige Größe der abendländischen Geschichte aus?

Zunächst die Kraft, die Welt zu bejahen, und die aus dem Glauben kommende, um entgegenstehende Schwierigkeiten unbekümmerte Über-zeugung, daß alle Fragen aus der Kraft des Glaubens heraus gemeistert werden können, ein Optimismus, von dessen Fülle wir Heutigen uns kaum eine rechte Vorstellung machen können. Der orthodoxen Christenheit des Ostens fehlt beispielsweise jener Diesseitsoptimismus, der aus dem Bewußtsein der abendländischen Christenheit nicht weggedacht werden kann; sie hat daher vor der Aufgabe, die im Diesseits nun einmal gestellt ist — das Chaos zu bewältigen und jene Dämme zu bauen, ohne die ein geordnetes Zusammenleben in der Volksgemeinschaft und Völkergemeinschaft nicht möglich ist —, in höherem Maße versagt als die abendländische Christenheit.

Der dem Abendland eigene Optimismus kam aus der besonders-artigen Auffassung der christlichen Heilswahrheit. Sie ist im lateinischen Westen eine andere als im orthodoxen Osten. Wenn wir die theologie-geschichtliche Problematik der drei großen Antinomien der klassischen Theologie — der allgegenwärtige Gott als Person, Christus Gott und Mensch, Willensfreiheit und Gnade — der Reihe nach betrachten, so drängt sich die Beobachtung auf, daß in der östlichen Christenheit im Vordergrund des theologischen Denkens allesbewegend die christologische Antinomie steht: Wie ist es möglich, daß der Logos als zweite Person der trinitarischen Gottheit Mensch geworden ist? Um diese Frage hat man im orthodoxen Osten jahrhundertelang mit einer Erbitterung gekämpft, die nicht in den Kopf eines abendländischen Menschen geht. Denn das theologische und in seinem Gefolge auch das politische Denken des Abendlandes kreiste zu allen Zeiten um die Frage, wie das Verhältnis von Willensfreiheit und Gnade zu verstehen sei, wie beide sich in einem geheimnisvollen Zusammenwirken verhalten. Dies ist das theologische Kernproblem des abendländischen Denkens — von Tertullian über Augustinus und die Scholastik bis hin zu Martin Luther und dann über Blaise Pascal und John Henry Newman bis in die dialektische Theologie der Gegenwart.

Die Tatsache, daß das Verhältnis von menschlicher Willensfreiheit und göttlicher Gnade dem abendländischen Denken zum besonderen Problem werden konnte, beweist, daß das abendländische Bewußtsein vor allem auf den Bereich des Handelns und Gestaltens zielt. Daher ist die Frage der Willensfreiheit hier so entscheidend. Der Mensch kann nicht aus dem Glauben selbstentscheidend handeln, wenn ihm nicht durch die Willensfreiheit eine Chance gegeben wird, ein Spielraum, in dem sich seine Kräfte bewegen und entfalten können.

Auch die Art zu denken ist im lateinischen Westen und im griechischen Osten verschieden. Während das in die Tiefe bohrende Denken der Hellenen in Hypothesen und Theorien schwelgte, hat das abendländische Denken in seiner großen Zeit auf alle diese Fragen die Antwort des „Sowohl — als auch" gegeben. Es hatte eine Scheu davor, die Vielfalt der Aspekte, in denen eine philosophische Wahrheit oder ein geschichtlicher Sachverhalt zu schillern pflegt, in sich gegenseitig ausschließende Extreme auseinanderzureißen. Diese echt römische Abneigung gegen spitzfindiges hellenisches Philosophieren ist in den großen dogmatischen Auseinandersetzungen des 5. Jahrhunderts mit Händen zu greifen. -

Dieser Gegensatz des „Denkstiles“ blieb dann auch in der Folgezeit. Im lateinischen Westen glaubte man nicht daran, daß man die Mysterien der Offenbarung mit der Vernunft durchdringen könne, während der hellenische Geist es stets mit neuem Wagemut unternahm, den Ozean des philosophischen und theologischen Denkens in allen Richtungen kreuz und quer zu durchfurchen. Der römische Geist ist bescheidener, aber auch konkreter: er sucht nach einer handfesten Formel, mit der man in dieser Welt etwas machen kann.

So hebt sich also das besondere Wesensbild des abendländischen Bewußtseins heraus: ein kraftvolles Vertrauen darauf, daß man mit der Gnadenhilfe Gottes diese Welt erobern, durchdringen, gestalten und heiligen könne, ein aus dem Glauben heraus weltfreudiger Optimismus, das Bekenntnis zur Freiheit des menschlichen Willens als der echten Möglichkeit, sich frei zu entscheiden, im Zusammenhang damit die Achtung vor der Würde der Person, der Glaube an die Mächte des Geistes und des Willens, die Überzeugung, daß die rechte Ordnung nicht von unten nach oben, sondern von oben nach unten fließt, daß also nicht, wie es der Materialismus und andere verwandte Anschauungen wollen, das Geistige nur ein subtiler — und fiktiver — Überbau über einem sozial-ökonomischen Unterbau ist.

Aus diesem weltfreudigen Optimismus ergibt sich der missionarische Schwung, der in der abendländischen Geschichte überall wirksam wird. Zwar fehlt es auch im Abendlande nicht an Anwandlungen der Resignation und des Zweifels, aber sie sind von vorneherein zum Zurücktreten verurteilt. Freilich verstummen sie nie völlig. Auch die abendländische Geschichte ist nicht ohne Stimmen religiöser Menschen, die zur völligen Weltflucht raten. Doch haben diese Stimmen nie überwogen, weder an Zahl noch an Gewicht. Wesentlich ist vielmehr, daß in den außerabendländischen Kulturen fast alle religiösen Menschen die diesseitige Welt fliehen, während im abendländischen Kulturbereich auch die meisten religiösen Menschen ihren Auftrag gerade darin sehen, in der Welt zu verbleiben, um sie zu gestalten und zu heiligen. Hier liegt der Unterschied. Das Abendland lebt aus einem mächtigen Sendungsbewußtsein: die Consecratio mundi wird als Aufgabe begriffen.

Diese Weltbejahung versteigt sich nicht in die Wolken, sie bleibt wirklichkeitsecht, nüchtern und besonnen. Sie glaubt nicht an die Rezepte und Patentlösungen des Fortschrittes, auf daß für alle Zeiten Not und Elend, Lüge und Gewalttat aus dieser Welt verbannt sein könnten. Vielmehr bleibt sie sich bewußt, daß es einer von Tag zu Tag erneuten Anstrengung jedes einzelnen Menschen bedarf, um dieses Ziel hier und heute zu erreichen, um, wie Hugo Grotius es ausdrückt, „omnibus viribus huic saeculo in peius ruenti sese opponere", d. h. um sich mit allen Kräften der diesseitigen Welt, die täglich und stündlich in das Schlimmere abzugleiten droht, entgegenzustellen. Aus dem Wissen um die Brüchigkeit des Menschen, die seine Schwäche, aber auch seine Chance ist — der Mensch ist ja nicht wie das Tier in einem festen Geleise von Ilmweltbedingungen instinktgeführt, er hat vielmehr stets eine Variationsbreite von guten und schlechten Möglichkeiten vor sich, zwischen denen er sich entscheiden kann, in ihm steckt, wie Pascal einmal sagt, Engel und Bestie zugleich —, aus diesem Realismus sind die großen politischen Leistungen des Abendlandes hervorgegangen.

An erster Stelle ist hier die sittliche Begrenzung der Staatsgewalt zu nennen. Aus der ethischen Bejahung der Macht und aus dem Sinn für das Recht, den in dieser Stärke keiner der außerabendländischen Kulturkreise aufzuweisen hat, fließt das Bemühen, Immunitätsbezirke zu schaffen, die dem Zugriff staatlicher Willkür entzogen sind: staats-freie Eigenbezirke der einzelmenschlichen Persönlichkeit, der Kirche sowie einzelner kultureller und sozialer Einrichtungen.

Der wichtigste staatsfreie Eigenbezirk war zu allen Zeiten-die Kirche.

Das Verhältnis von Kirche und Staat ist im Osten und Westen völlig verschieden gewachsen. In der orthodoxen Christenheit ist die Kirche dem Staate nicht gleichberechtigt nebengeordnet, sondern als zugehörig ein-und untergeordnet. Der ökumenische Patriarch von Konstantinopel ist, wenn nicht der Idee nach, so doch in der realpolitischen Praxis, ein Instrument der großen Reichspolitik gewesen. Nicht der Patriarch, sondern der byzantinische Kaiser und später der moskauische Zar galten als „irdischer Christus“, auf sie wurde das Herrenwort an Petrus „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe!“ bezogen. Es ist bekannt und die Geschichte ist reich an Beispielen dafür, zu welchen verhängnsvollen Folgeerscheinungen eine solche unwürdige Rolle der Kirche zu rühren pflegt. Ein Blick hinter den Eisernen Vorhang, wo der moskauische Patriarch von Kremls Gnaden der sowjetischen Politik willfährig dient, besagt alles.

Solcher „Cäsaropapismus“ konnte im lateinischen Abendlande nie zur Herrschaft gelangen. Im Abendlande standen Kirche und Staat gleichberechtigt nebeneinander. Die Kirche ordnete ihren Bereich kraft eigener Rechtshoheit. Das Spannungsverhältnis zwischen den beiden unabhängig nebeneinander stehenden Gewalten hat gewaltige Kräfte geweckt. Der stürmische Aufbruch politischer Ideen, den wir im Abend-lande bereits seit dem Mittelalter erleben, ist nur zu erklären aus dem gleichberechtigten Nebeneinander von Kirche und Staat und aus dem menschlich unvermeidlichen Abringen beider Gewalten, das ganz neue Kräfte aus den Völkern des Abendlandes hervorgelockt hat.

Abendland" und „Europa”

Die Ausdrücke „Abendland" und „Europa“ gehen in dem merkwürdig schillernden Sprachgebrauch unserer Zeit vielfach ineinander über. Gewöhnlich wird „Abendland“ mehr, aber nicht ausschließlich — für das westliche Europa gebraucht, während „Europa" irgendwie einen — im einzelnen nicht klar abgegrenzten — weiteren Raum bezeichnet und mit Vorliebe — aber nicht ausschließlich — für die Neuzeit verwandt wird. Unstreitig wird der Begriff Europa nach dem Osten unseres Erdteils hin als geographisch weiter empfunden; zugleich aber gilt er als inhaltlich ärmer und überlieferungsloser als das mit geschichtlichen Erinnerungen erfüllte Wort „Abendland".

Der Erdteil Europa hat sich in einer langen schicksalsschweren Entwicklung zur kulturellen und seelischen Zwiefältigkeit differenziert. Von den geschichtlichen Anfängen an war er in gewisser Weise zwiefältig angelegt. Unter den beiden geistig so verschiedenen Hälften Europas — dem lateinischen Abendland und dem orthodoxen Osteuropa — hat das Abendland seit der Jahrtausendwende, da das Frühmittelalter in das Hochmittelalter übergeht, ein überragendes historisches Schwergewicht gewonnen und behauptet. Es gibt keinen eindrucksvolleren Beweis für diese Vorrangstellung des Abendlandes als die Tatsache, daß alle jene Bücher, deren Titel mit dem Modewort Europa eine Darstellung der gesamteuropäischen Geschichte erwarten läßt, in Wirklichkeit gewöhnlich nur die abendländische Westhälfte Europas behandeln

Dem Wort „Abendland“ hatte Oswald Sprengler zu Ende des Ersten Weltkrieges durch sein Werk „Der LIntergang des Abendlandes" plötzlich eine ungeheure Bedeutungsfülle und Gegenwartsnähe erobert. Seit 1945 bahnte sich jedoch eine bedeutungsvolle Neubelebung des alten Wortes „Europa“ an. Durch die Bemühungen um eine politische und wirtschaftliche Zusammenfassung des westlichen Europa drängte sich dieses Wort wieder in den Vordergrund, nunmehr angefüllt mit neuen, hoffnungsstarken Gefühlen und Stimmungen. Unverkennbar steht auch unsere historische Wissenschaft im Zeichen solchen Pendel-schlages. In den meisten Werken unserer jüngsten Vergangenheit wird — schon im Titel — von „Europa“ gesprochen, wo es sich in Wirklichkeit nur um den westlichen Teil des Gesamtkontinentes „Europa“ handelt, um jenen feingegliederten Vielvölkerraum, wo über ein Jahrtausend hindurch das Latein als Verkehrs-und Überlieferungssprache der geistigen Oberschicht die Völker zu einer Seelengemeinschaft der Überlieferung und des Bewußtseins zusammenschloß. Keines dieser Werke zieht in den Kreis seiner Betrachtung jene andere Vielvölkerwelt, die über ein Jahrtausend hindurch von griechisch-byzantinischer Sprache und Überlieferung geprägt wurde und in Konstantinopel, der „Gottbehüteten Kaiserin der Städte“, ihren geistigen, kirchlichen und machtpolitischen Mittelpunkt hatte.

Das zwiefältige Europa

Das Abendland ist nicht das ganze Europa. Europa ist mehr. Europa ist die Gesamtheit unseres Erdteiles, die geschichtlich geprägt ist durch das Bündnis, welches das antike Geisteserbe und das Christentum eingegangen sind mit der Gesamtheit der „Neuen Völker“, mit jenen germanischen, slawischen und eurasischen Völkerschaften, die durch die Völkerwanderungen nach dem südlichen Europa eingeströmt sind. Dieser unser Erdteil Europa — in der vollen Ausdehnung des geographischen Begriffes — bietet dem geschichtlichen Betrachter das Bild einer bis in die Tiefe hinabreichende Zwiefältigkeit — in den antiken Anfängen schon sichtbar in dem spannungsvollen Nebeneinander von Hellenen und Römern, in voller Deutlichkeit hervortretend mit dem Anbruch des Frühmittelalters, nachdem durch die drei Völkerwanderungen der Germanen, der slawischen (und eurasischen) Völkerschaften sowie der Araber die im Zeichen römischer Weltherrschaft und hellenistischer Weltkultur geeinte Mittelmeerwelt der Spätantike wieder auseinandergesprengt worden war in drei verschiedene Kulturwelten, die nunmehr ihre eigene Geschichte lebten: arabischer Osten — griechische Mitte — lateinischer Westen. Der nunmehrigen kulturellen und sprachlichen Dreiteilung der Mittelmeerwelt entsprach hinfort auch eine dreifache Fortüberlieferung der Antike.

In dem zwiefältigen Erdteil Europa hat die lateinische Westhälfte, die wir das Abendland zu nennen pflegen, seit der Jahrtausendwende Schritt um Schritt ein starkes geistiges und politisches Übergewicht über die bisher führende byzantinisch-orthodoxe Welt gewonnen und behauptet. Seitdem bereitet sich in dem Ausgreifen des Abendlandes aus einem geographisch zunächst überaus engen Rahmen das neue weltgeschichtliche Zeitalter vor, dessen Leitthema schließlich die Ausbreitung der spätabendländischen Zivilisation über den ganzen Erdball wurde.

Abendland und orthodoxe Christenheit sind von den Wurzeln her verschiedenartig geprägt. Zwar wurzelt hier wie dort die Entfaltung einer neuen christlichen Kultur in dem Bündnis zwischen antikem Kulturerbe und christlichem Glauben. Beide Elemente werden aber dann übernommen von neuen, im Norden — außerhalb des Limes — beheimateten Völkern: im Westen vor allem von Germanen, aber auch von Kelten, Slawen, Ungarn und Finnen, im orthodoxen Osten hauptsächlich, aber nicht ausschließlich von Slawen. Aus solchen verschiedenartigen Wurzeln wächst das zwiefältige Europa in sein doppeltes — lateinisches und byzantinisches -Mittelalter hinein, indem das Nebeneinander griechischer und römischer Wesensart sich mit christlichen Vorzeichen und Komponenten, aber auch mit Empfindungsweisen der „Neuen Völker“ verbindet.

Zu der Zwiefältigkeit der europäischen Geschichte haben verschiedene Tatsachen zusammengewirkt: zunächst die sprachliche Verschiedenheit — hier Griechisch, dort Latein —, dann vor allem die Verschiedenheit der kirchlichen Entwicklung. Die lateinische Kirche des Westens und die griechische Kirche des Ostens gingen in der theologischen Aus-deutung der großen Heilsgeheimnisse, in der Ausgestaltung des einzel-menschlichen und volkstümlichen Frömmigkeitslebens und in der Wertung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat getrennte Wege. So kommt es daß die geistige Trennungslinie zwischen „Abendland“ und „Osteuropa (in der hier verwandten und geistesgeschichtlich allein sinnvollen Bedeutung) mitten durch die Welt der slawischen Völker hindurchschneidet. Polen, Tschechen, Slowaken, Kroaten und Slowenen gehören eindeutig in den abendländischen Bereich der lateinischen Kultur, die übrigen slawischen Völker (Serben, Bulgaren, Russen sowie der Großteil der LIkrainer) in den Bereich der byzantinisch-orthodoxen Kultur. Seit der Christianisierung der „neuen Völker“ steht dem lateinischen Abendland eine von Byzanz her bestimmte orthodoxe Christenheit des Ostens gegenüber: der Bereich der Ostkirche mit dem Mittelpunkt Konstantinopel.

Was ist nun die geistige Wesensart der beiden Hälften des zwiefältigen Europa — des lateinischen Abendlandes und des von der Orthodoxie bestimmten Osteuropa? Es kann sich hier nur darum handeln, die innere Wesensform („Entelechie") dieser beiden Kulturwelten zu beschreiben. Jeder Versuch kausalmechanisch-genetischer Erklärung scheint aussichtslos.

Zwar ruhen beide Hälften des zwiefältigen Europa auf den gleichen geistigen Grundlagen der antiken Kultur und des christlichen Glaubens. Aber schon die gemeinsamen Grundlagen sind im Westen und Osten jeweils in besonderer Weise verarbeitet worden. Im lateinischen Westen erlitt das antike Geisteserbe zunächst viele schwere Verluste. Die Tradition der antiken Naturwissenschaft, der antiken Philosophie und der antiken Geschichtsschreibung brach fast völlig ab. Hingegen kennt die byzantinisch-orthodoxe Kulturwelt des europäischen Ostens nicht eine solche katastrophenhafte Unterbrechung der kulturellen Kontinuität. Die dunklen Jahrhunderte der Slawen-und Arabernot (7. -9. Jahrhundert) haben wohl zu einer merklichen Verarmung und Vergröberung des geistigen Lebens geführt, aber die Stetigkeit der geistigen Fortentwicklung grundsätzlich nicht in Frage gestellt.

Merkwürdig verschieden war auch das weitere Schicksal des antiken Geisteserbes im Abendland und in Byzanz. Es wurde in Byzanz zu allen Zeiten sorgsam gehütet und seit dem neuen Aufschwung des geistigen Lebens im 10. Jahrhundert zum Ausgangspunkt der neuerwachenden humanistischen Studien gemacht. Man hat in Byzanz nie aufgehört, Homer, Demosthenes und Aristoteles zu lesen. Aber diese humanistische Bewahrung eines überlieferten Geistesschatzes hat in der orthodoxen Christenheit niemals eine umwälzende geistige Bewegung ausgelöst, die dem italienischen Rinascimento vergleichbar wäre. Die Nachahmung (uunotg) von „klassischen“ Vorbildern war im byzantinisch-orthdoxen Osten so sehr das beherrschende Gesetz alles geistigen Schaffens, daß die spontanen Regungen der arteigenen Kräfte nicht zur Entfaltung kommen konnten: Das Geistesleben hat dort seit dem ausgehenden Altertum etwas Epigonenhaftes, die Tradition blieb stets so stark, daß sie sich mehr als Ballast auswirkte. Anders im lateinischen Abendland, wo sich nach den schweren Umwälzungen des 5. Jahrhunderts in mehreren Begegnungen ein immer tieferes Aufnehmen und Verarbeiten antiker Anregungen vollzog, das gewaltige Eigenkräfte freisetzte.

Auch das kirchliche Christentum erlebte unter dem Einflüsse des antiken Geisteserbes im lateinischen Abendland eine andere Ausprägung als im griechischen Byzanz. Von dem nüchternen Geiste römischen Rechtsdenkens sind manche Bereiche der westkirchlichen Glaubenslehre entscheidend mitgeprägt worden: die Moraltheologie und die Naturrechtslehre, die Auffassung der Werkfrömmigkeit und die Deutung des christologischen Geheimnisses im Sinne einer -echt römischen —Satisfaktionstheorie: der Kreuzestod Christi als satisfaction vicaria hier spüren wir das Hineinwirken des römisch-rechtlichen „do ut des“ in die christliche Theologie. Der hellenistische Mensch des Ostens hat das Geheimnis der Erlösung ganz anders gesehen. Die zentralen Denkprobleme der abendländischen Theologie -Willensfreiheit, Gnade, Vorsehung -haben im theologischen Denken der östlichen Christenheit keine vergleichbare Rolle gespielt. Die Theologie der griechischen Patristik und des byzantinischen Mittelalters steht vielmehr ebenso wie die große russische Religionsphilosophie des 19. Jahrhunderts ganz und gar im Zeichen der Christologie. Den gläubigen Christen des Ostens beschäftigt wie schon erwähnt eine einzige Frage mit erschütternder Eindringlichkeit: wie es möglich ist, daß der Logos als zweite Person der trinitarischen Gottheit, der unendliche, allgegenwärtige Gott, zum sichtbaren diesseitigen Menschen in ärmlicher Knechtsgestalt geworden ist, klein und schwach wie ein Mensch. Dieses christologische Problem durchzieht wie ein roter Faden die gesamte Entwicklung der ostkirchlichen Theologie. Auch alle Sektenbewegungen der östlichen Christenheit stehen im Zeichen dieser Frage, worin auch die persönliche Heilsgewißheit jedes Einzelnen beschlossen liegt.

Die besondere Form, die das moraltheologische Denken im lateinischen Abendland gewonnen hat, verrät schon im Wortschatz die Spuren des römischen Rechtes. Nur im Abendland gibt es eine wirkliche Naturrechtslehre und — im Zusammenhang damit — einen staatsfreien Eigen-bezirk der einzelmenschlichen Persönlichkeit (res privata). In der ganzen Christenheit des Ostens fehlt eine eigentliche Moraltheologie und in ihrem Gefolge eine entfaltete Naturrechtslehre nahezu völlig, während die Dogmatik einen wesentlich stärkeren Einfluß der hellenistischen Philosophie erkennen läßt als im Westen.

Im Zusammenhang damit steht auch die verschiedene Auffassung des Verhältnisses von Kirche und Staat. Im lateinischen Westen fand sich der Herrschaftsanspruch des Staates zu allen Zeiten zwei Gegenspielern gegenüber, die ihn in seine Schranken zurückwiesen und dadurch das Aufkommen „totalitärer“ Tendenzen nahezu unmöglich machten. Diese Gegenspieler, die ihren Zuständigkeitsbereich als staatsfreien Eigen-bezirk entschlossen gegen einen Alleinherrschaftsanspruch des Staates verteidigten, waren die Einzelperson und die Kirche. Die Rechte der Einzelperson wurden im Mittelalter durch die Kirche und den Adel verteidigt. Das in diesen Kämpfen errungene Widerstandsrecht (jus armis resistendi) des Adels wurde im gesamten Abendland die Grundlage der weiteren Verfassungsentwicklung. Der zweite Gegenspieler des staatlichen Alleinherrschaftsanspruches war die Kirche. Im lateinischen Westen war die gleichberechtigte Stellung der Kirche neben dem Staat im Grundsatz unbestritten. Der jahrhundertelange Kampf zwischen Papsttum und Kaisertum ging nur darum, wo die Demarkationslinie der beiderseitigen Zuständigkeiten im einzelnen zu ziehen war. Ein Kaiser konnte — ohne der Würde seines hohen Amtes etwas zu vergeben — einem Papst bei zeremonieller Begrüßung den Steigbügel halten. In der orthodoxen Christenheit des Ostens war hingegen das Verhältnis der beiden Gewalten von allem Anfang an und bis auf den heutigen Tag völlig anders: im mittelalterlichen Byzanz, im russischen Zarentum und unter Stalin. Der Gedanke, daß der weltliche Herrscher „seinem“

Patriarchen den Steigbügel halten sollte, ging nicht in den Kopf eines byzantinischen Basileus, eines rumänischen Hospodaren oder eines moskauischen Zaren. Nicht der Patriarch, sondern der Kaiser galt als „irdischer Christus“ (& nystog Xototg), dessen Auftreten von einem staats-liturgischen Zeremoniell umrahmt war. Die Kirche war dem Staate nicht neben-, sondern ein-und untergeordnet. Der Kaiser in Konstantinopel war nicht gewillt, dem Bischof im fernen Altrom eine andere Stellung zuzubilligen als die eines „lateinischen Reichspatriarchen des Westens“. Hier wird der tiefe Unterschied zwischen westkirchlicher und ostkirchlicher Auffassung des Verhältnisses von Kirche und Staat offenkundig. Aus den historischen Voraussetzungen des abendländischen Mittelalters erwuchs der neuzeitliche Gedanke des Rechtsstaates, der eine Besonderheit der abendländischen Entwicklung darstellt. Die Idee des Rechtstaates ist eine abendländischeErrung e n sc haft. Sie kann nicht losgelöst gedacht werden von der Tatsache, daß Einzelpersönlichkeit und Kirche den Alleinherrschaftsanspruch des Staates in seine Schranken zurückgewiesen und ihre Bereiche als staatsfreie Eigen bezirke dem Zugriff der staatlichen Gewalt entzogen haben. In der Christenheit des orthodoren Ostens fehlten'diese Voraussetzungen, daher konnte der Rechtsstaat dort nicht aus eigener Wurzel erwachsen. * Diese Tiefe und innere Verschiedenartigkeit der beiden Christenheiten, die hier nur in einigen wenigen Strichen angedeutet werden kann, bildete den Grund für die wachsende theologische und kirchliche Entfremdung, die sich schließlich in dem großen Schisma von 1054 zum endgültigen Bruch auswuchs, der trotz aller mühevollen päpstlichen Unionsversuche in den folgenden Jahrhunderten nie mehr überbrückt werden konnte.

Die alte Spannung zwischen der lateinischen und der byzantinischen Kirche ist seit dem 9. Jahrhundert noch verstärkt worden durch kirchen-politische Gegensätze in den neuerschlossenen Missionsländern des Nordens. Die beiden Kirchen des Westens und des Ostens lagen im missionarischen Wettstreit um die Donau-und Balkanländer, ja eine zeit-lang sogar um den Warägerstaat von Kiew. Die endgültige Grenze des Einflußbereiches der beiden Kirchen bildete sich erst um das Jahr 1000 heraus, nachdem auch der ostslawisch-warägische Staat von Kiew und der Stämmebund der Ungarn das Christentum angenommen hatten. Mit Ausnahme der litauischen und finnischen Völkerschaften war damals ganz Europa christlich geworden.

Die neue Kirchengrenze war zugleich auch Kulturgrenze Von den Karpaten an nordwestwärts gehörten die Länder zur Westkirche, ostwärts und südwärts der Karpaten blickte man nach Byzanz. Der illyrische Nordwestbalkan (Bosnien und seine Nachbarlandschaften) gehörte zunächst mehr in den Bereich der westlichen Kirche. Serbien, das jahrhundertelang zwischen beiden Kirchen eine unentschiedene Zwischen-Stellung einnahm, hat sich dann im 13. Jahrhundert endgültig für den Osten entschieden.

Ein mächtiges Vordringen der abendländischen Kulturwelt brachte jene abendländische Ostbewegung, die in unseren herkömmlichen Darstellungen als deutsche Ostkolonisation bezeichnet zu werden pflegt. In Wirklichkeit war diese deutsche Ostkolonisation nur das Kernstück einer viel umfassenderen Bewegung, die sich auf breiter Front von Schweden bis zum Mittelmeer abgespielt hat: im Norden die schwedische Eroberung, Missionierung und Kolonisierung Finnlands, daran nach Süden anschließend die dänische Kolonisation in Estland, dann als gewaltiges Kernstück der abendländischen Ostbewegung die deutsche Ostkolonisation von Ostpreußen bis Österreich, schließlich im äußersten Süden die Gründung eines überseeischen Imperiums durch Venedig und die Gründung der überwiegend französisch-sprachigen Kreuzfahrer-staaten in Syrien und Palästina (“ France d’outremer"). Der Ursprungs-raum dieser großen abendländischen Ostbewegung liegt unzweifelhaft zwischen Loire und Rhein. Von dort aus gingen auch alle anderen großen Neuerungen des Mittelalters — Gotik, Rittertum, Heldenepik — aus, dort entsprang auch die abendländische Ostbewegung.

Infolge der türkischen Eroberung (um 1500) rollte dann die geistige Demarkationslinie zwischen dem lateinischen Abendland und dem orthodoxen Osteuropa nach Westen vor und dies in einer Zeit, da gleichzeitig in Europa sich tiefe machtpolitische und geistige Veränderungen vollzogen. Die europäische Mitte verlor im Spätmittelalter durch den Zerfall des Deutschen Reiches an machtpolitischem Gewicht, während an den Rändern neue Großmächte aufstiegen, im Westen vor allem Frankreich, im Osten die drei Doppelkönigreiche Polen-Litauen, Böhmen-Mähren, Ungarn-Kroatien. Dann begann das Zeitalter der überseeischen Entdeckung. Portugal, Spanien und England stiegen durch die von ihnen gemachten großen überseeischen Entdeckungen zu Großmächten auf. Parallel erfolgte der machtpolitische und wirtschaftliche Aufstieg des europäischen Ostens. Von Moskauaus begann die kolonisatorische Erschließung Sibiriens.

Danach brachte das Zeitalter der abendländischen Kirchenspaltung, der Reformation und Gegenreformation, eine neue Ausbreitung des lateinischen Westens nach dem Osten. Die Reichweite der Reformation war erstaunlich. Ihre äußersten Wachstumsspitzen, denen freilich jeder echte Einfluß versagt blieb, reichten bis nach Konstantinopel, ja sogar bis nach Ägypten hinüber. In Konstantinopel wurde ein ökumenischer Patriarch wegen kalvinistischer Sympathie hingerichtet. Und sogar in Ägypten beschäftigte sich eine orthodoxe Synode mit der von reformatorischen Gedankengängen drohenden Gefahr. Nicht geringer war die Reichweite der Gegenreformation. Der kroatische Jesuit Juri Krizanic wurde der Begründer einer katholisch-gegenreformatorischen Frühform des Panslawismus.

Geschichte Osteuropas ist nicht nur Geschichte Rußlands

Erst im 17. Jahrhundert trat dann das moskauische Rußland auf die weltgeschichtliche Bühne. Diese Tatsache muß betont werden, wenn wir nicht ein falsches Bild von der Geschichte Osteuropas gewinnen wollen. Wenn man eine der herkömmlichen Darstellungen der osteuropäischen Geschichte aufschlägt, so erscheint darin die russische Geschichte von allem Anfang an als breites Mittelstück, ja weithin hat der Leser den Eindruck, daß russische und osteuropäische Geschichte nahezu identisch seien. Dies ist ein retrospektives Zerrbild des geschichtlichen Gesamtablaufs. In Wirklichkeit war fast ein volles Jahrtausend hindurch die Geschichte des oströmischen (byzantinischen) Reiches das Herzstück der osteuropäischen Geschichte. Konstantinopel, das „Neue Rom", die „Gottbehütete Kaiserin der Städte", war bis zu ihrem Fall in türkische Hand als Sitz des Kaisers und des Patriarchen zugleich der Brennpunkt des politischen und des kirchlich-kulturellen Lebens für den gesamten weiten Bereich der orthodoxen Christenheit (Bulgaren, Serben, Rumänen, Ukrainer, Russen).

Daß diese schlichten geschichtlichen Tatsachen im allgemeinen nicht richtig gesehen werden, liegt daran, daß die herkömmliche „osteuropäische Geschichte" in engem Zusammenhang mit der slawischen Philologie entstanden ist. Alle Geschichtsforschung ist in erster Linie an die philologische Quelleninterpretation gebunden. Die Begründung der slawischen Philologie ging der Begründung der „osteuropäischen Geschichte" zeitlich voraus. Die byzantinisch-neugriechische Philologie und die sprachliche Erforschung der eurasischen (ural-altaischen und finnischugrischen) Völker haben erst später und in viel geringerem Umfange Bürgerrecht an den Universitäten erlangt. So war es unvermeidlich, daß die „osteuropäische Geschichte“, die als eigene Wissenschaftsdisziplin noch recht jung ist, ihr Augenmerk vor. allem auf die russische Geschichte richtete. Dieses längst zu eng gewordene Betrachtungsschema gilt es heute in der von dem Fortschritt der Forschung geforderten Weise auszuweiten. Eine umfassendere Betrachtung — von Konstantinopel her — ist notwendig geworden. Die „gottbehütete Kaiserstadt" am Bosporus ist wenigstens bis um 1700 immer der Schwerpunkt Ost-europas geblieben — machtpolitisch und kulturell! —, auch noch in altosmanischer Zeit.

Zu derselben Erkenntnis kommt eine Betrachtung der Quellenverhältnisse. Wenn man die osteuropäische Geschichte von etwa 900 n. Ch. an betrachtet, so steht die griechische Quellenmasse weitaus an erster Stelle. An zweiter Stelle folgen dann seit 1500 die in türkischer (osmanischer) Sprache abgefaßten Quellen. Selbst diese türkischen Quellen — Geschichtschreiber und Akten, veröffentlichte und unveröffentlichte — waren wohl noch um 1600 umfangreicher und wichtiger als die in russischer Sprache abgefaßten Geschichtsquellen. Freilich ist vieles von diesen türkischen Quellen untergegangen, die Masse des Erhaltenen ist noch unveröffentlicht und unzugänglich.

Bis zur Zerstörung des byzantinischen Reiches durch den vierten Kreuzzug (1204) ist Byzanz die erste Macht des europäischen Ostens gewesen. An zweiter Stelle kamen dann an machtpolitischer Bedeutung die eurasischen Reiterhirten-Völker, die Awaren, Madjaren, Urbulgaren, Kumanen (Polovtzer), Petschenegen, Tataren usw. An dritter Stelle folgten die Slawen, deren Staaten erst seit dem Hochmittelalter zu größerer machtpolitischer Bedeutung aufstiegen.

Erst seit dem 17. Jahrhundert trat „Moskowien" in die große europäische Staatengeschichte ein. Der nordrussische Staat von Moskau wurde in kurzer Zeit zur Großmacht. Die Eroberung Sibiriens — die sibirische Conquista — ist ein Vorgang, der mit der Kolonisation Amerikas durchaus vergleichbar ist. Das neue „Moskowien“ bemühte sich, als europäischer Staat zu gelten, da es seit dem Untergang des ost-römischen Reiches (1453) keine orthodoxe Staatenfamilie mehr gab. Zwischen dem 16. Jahrhundert und der Regierung Peters des Großen liegen die hartnäckigen Bemühungen Rußlands um Anerkennung des Zarentitels durch die europäischen Großmächte, was der größten Anstrengungen der russischen Diplomatie bedurfte.

Schon vor Peter I. bahnte sich die Verwestlichung Moskowiens an. Peter der Große war der Vollender dieser Bestrebungen. Er war sowohl Bewahrer als Neuerer (darin durchaus vergleichbar mit Kemal Atatürk, dem Begründer der Neuen Türkischen Republik) Seit der Zeit Peters war Rußland ein fester Bestandteil des europäischen Staatensystems. Gleichzeitig mit diesem Aufstieg Rußlands verlor das osmanische Reich Schritt um Schritt die frühere Weltmachtstellung, seitdem nach der entscheidenden Niederlage vor Wien (1683) der mittlere Donauraum der Herrschaft des Sultans entrissen worden war.

In einer merkwürdigen Gleichzeitigkeit erlosch damals auch die spätbyzantinische Lebensform, die den politischen Untergang des ost-römischen Reiches um Jahrhunderte überdauert hatte. Man hat geradezu den Eindruck, als ob diese „Entelechia byzantina" des schützenden Gefäßes des osmanischen Reiches bedurft hätte, um am Leben zu bleiben. Mit dem Erlöschen der spätbyzantinischen Lebensform, die nur in vereinzelten Auswirkungen noch bis heute fortlebt, verlor zu Ende des 18. Jahrhunderts die innerhalb des türkischen Reiches fortlebende griechische Kultur ihre lebendige Kraft und es entstand ein geistiges Vakuum, in das sich der französische Kultureinfluß ergießen konnte. Es ist das Zeitalter der französischen Aufklärung, da französische Sprache und Kultur ihren Siegeszug über die ganze Welt antreten. Zu Ende des 18. Jahrhunderts ist Frankreich auch im orthodoxen Bereich der Wortführer des Westens. Die Schlagworte der französischen Aufklärung und der französischen Revolution im Bunde mit den Ideen der deutschen Romantik entzünden die balkanischen Freiheitsbewegungen. Das neu-griechische Volk erkämpft sich — unterstützt von den christlichen Großmächten — die nationalstaatliche Unabhängigkeit, aber dieser politische Sieg bedeutet in seinen kulturellen und wirtschaftlichen Folgen einen schweren Rückschlag. Das Griechentum verliert seine bisherige übernationale Weltgeltung auf kulturellem, kirchlichem und wirtschaftlichem Gebiete.

Der Geist des Westens flutete ein. Man schickte die Jugend an die westeuropäischen Universitäten. Für alle Völker des europäischen Ostens entstand das Problem, wie sie sich mit der gewachsenen abendländischen Kultur auseinandersetzen wollten. Es kam im Osten zu einem Traditionsbruch mit allen damit stets verbundenen Krisenerscheinungen, am schwersten bei den Russen. Hier haben wir im 19. Jahrhundert nach dem napoleonischen Feldzug gegen Rußland (1812), nach dem Wiener Kongreß (1815), und dann wieder nach dem Krimkrieg (18 54— 18 56) die großen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Grundströmungen der russischen Geistesgeschichte: den „Westlern (Tschaadajev u. a.) und der entgegengesetzten altrussischen Gruppe der „Slawo-

philen" (Aksakov, Chomjakov u. a). Die „Westler“ suchten die Linie Peters I. beschleunigt fortzusetzen. Sie wollten Rußland in allem und jedem zu einem europäischen Volk und Staat machen. Bei den „Slawophilen" auf der anderen Seite entstand das Schlagwort von dem „faulen, vermorschenden Westen“ (gniloj zapad). Die Ausein-andersetzung zwischen diesen beiden Strömungen ging in Rußland durch das ganze 19. Jahrhundert hindurch, ohne eine überzeugende und allgemein anerkannte ideologische Lösung zu finden. Die große Synthese Wladimir Solovevs fand auf russischem Boden wohl mehr Ablehnung als Zustimmung, ihre geistige Nachwirkung hat sich vor allem im Westen abgespielt. Das innere Gefüge der ostkirchlichen Christenheit ist von dieser Auseinadersetzung nicht sehr berührt worden. Der überlieferte Kirchenbegriff hat sich als stärker erwiesen.

Geschichte Europas ?

Es ist von je die bedrückende Hypothek der Durchschnittshistorie gewesen, jeweils „vaticinia ex eventu" zu liefern, also um die Phasen-verspätung einiger Jahre, eines Jahrzehnts, manchmal sogar eines vollen Menschenalters, hinter dem großen Ereignisgang der Geschichte und dem damit zusammenhängenden Bewußtseinswandel der Zeit einherzuhinken. Erst der politische Versuch, eine europäische Schicksalsgemeinschaft zu schaffen, lenkt die Augen auf die „Geschichte Europas“, erst im Schatten des UN-Versuches entstand die Konzeption einer neuen gesamtmenschheitlichen Weltgeschichte. Dieser feststellbare Zusammenhang zwischen geschichtlichem Ereignisgang und historisch-wissenschaftlicher Erkenntnis gehört nun einmal zum Wesen der historischen Wissenschaft, er macht ihre Problematik und Fragwürdigkeit, aber auch ihren Rang und ihre Lebensnähe aus.

Die im letzten Jahrzehnt in großer Zahl erschienenen Bücher über die „Geschichte Europas“ behandeln nicht das gesamte Europa, sondern nur den romanisch-germanischen Westrand Europas — manchmal sogar nur jenen Abschnitt daraus, den die Verfasser näher kennen und daher in kühner Vereinfachung des Erkenntnisvorganges als den wesentlichen erklären. Was man nicht kennt, darf nicht von Bedeutung gewesen sein. So bleibt bei den meisten dieser Darstellungen doch der erschreckende Eindruck einer fast völligen Abhängigkeit von unserem konventionellen Geschichtsbild. Eine solche „Geschichte Europas“ pflegt mit dem Alten Orient zu beginnen, wobei Israels menschheitsgeschichtliche Bedeutung nicht erwähnt oder nur in ganz unzulänglicher Weise berührt wird, dann kommen nach altbekanntem Schema Hellas, Rom, Karl d. Gr. und danach rollt die Geschichte des Westreiches ab, die als Hauptthema der mittelalterlichen Geschichte betrachtet wird. Von der geistigen Vorrangstellung Frankreichs vom 11. bis 14. Jahrhundert und dann wiederum vom 17. bis 19. Jahrhundert pflegt wenig oder nichts gesagt zu werden. Gegenüber unseren östlichen Nachbarvölkern — Polen, Tschechen, Ungarn — begnügt man sich mit skizzenhaften Andeutungen.

Vor allem die Kenntnis der französisch-belgischen Forschung im Westen, der polnisch-ungarischen Forschung im Osten mag hier eine Besserung bringen. Man darf die Hoffnung haben, daß die nunmehr auch in deutscher Übersetzung erschienene „Geschichte Europas“ von Henri Pirenne sich furchtbar auswirkt auf unsere deutsche Auffassung der westeuropäischen Geschichte. Auch bei Pirennes Werk handelt es sich nicht um eine Geschichte Gesamteuropas sondern um eine Darstellung seines Kernraumes, also vor allem Frankreichs, Deutschlands, Italiens (mit Ausblicken auf England). Der belgische Standort des Verfassers war durch die Zwischenlage Belgiens zwischen Frankreich, Deutschland und England für eine solche geschichtliche Zusammenschau besonders günstig. Viele Abschnitte in diesem Werk sind ausgesprochene Glanz-stücke. Dies gilt vor allem von den Ausführungen über die Neuentstehung eines Städtewesens im Hochmittelalter. Mit intimster Sachkenntnis, Insbesondere auf dem Boden des flandrischen Raumes, schildert Pirenne mit großartiger Anschaulichkeit die Entstehung neuer Städte sowie ihre gesellschaftlichen Begleiterscheinungen und Folgewirkungen: das Aufblühen der gewerblichen Erzeugung, das zahlenmäßige Wachstum der Bevölkerung, die Entstehung eines neuen „bürgerlichen" Freiheitsbegriffes, das wachsende Selbstbewußtsein der Laien als freier Stadtbürger, die Entwicklung einer dem Laienstande angehörigen Beamtenschaft, das Hervortreten der Volkssprachen gegenüber dem bisher alleinherrschenden Kirchenlatein, die revolutionäre Verfassungsproblematik der neuen Städte, das Aufkommen der Bettelorden, die ganz den neuen seelsorgerischen Aufgaben auf dem Boden der Städte zugewandt sind, die wachsende Rationalität, die sich bald als rein weltliche Gesinnung bekundet und vielerorts in ausgesprochene Ketzerbewegung abgleitet. Auch der erste Anstoß zur kolonisatorischen Ostbewegung ist von dem Bevölkerungswachstum dieser neuen Städte im niederländischen Raume ausgegangen. So ergibt sich durch die mosaikartige Zusammenfügung zahlreicher Einzelheiten ein ausdrucksstarkes Bild, wie die Stadt in allen Bereichen des Lebens sich als Motor des — oft revolutionären — Fortschrittes auswirkte. — Auch eine Anzahl anderer Glanzstücke verdienen rühmliche Hervorhebung: die geistige Führungsrolle des hochmittelalterlichen Frankreich, die Durchdringung von Französischem und Germanischem im belgischen Raum, die normannische Eroberung Englands und ihre Folgen, die Sonderstellung der englischen Staatsentwicklung, die ausgewogene und objektive Darstellung der Reformation in ihren verschiedenen Formen (Luthertum, Anglikanismus, Calvinismus).

Neun Thesen zur europäischen Geschichte

Von solcher Schau auf die Geschichte des ganzen Europa müssen die Forderungen ausgehen, die an die Darstellung der europäischen Geschichte im Unterricht gestellt werden müssen. Ausgehend von der oft beklagten Tatsache, daß das uns geläufige Bild der Geschichte auf allen Stufen der Lehre — von der Volksschule bis zur Universität — und in allen Ländern Europas nur ein unzulängliches Bild der Geschichte Europas bietet, befaßte sich mit der Frage eines „europäischen Geschichtsunterrichts“ ein im Juli 195 5 vom Europarat nach Saarbrücken geladenes europäisches Kolloquium („Die europäische Idee und die Universität“). Es wurde betont, daß die „periphere" Bereinigung unserer Geschichtsbücher durch Ausmerzung nationalistischer Fehlurteile über Nachbarvölker (u. dgl.) nicht genügt, um zu einem Bild des geschichtlichen Werdeganges der europäischen Völkergemeinschaft zu gelangen, daß es vielmehr vor allem not tut, einige große Tatsachen und Erscheinungen von gesamteuropäischer Bedeutung in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken. Die Ergebnisse dieser Überlegungen, an denen Historiker aus Frankreich, Deutschland, Österreich, Luxemburg, Irland (und Griechenland) teilnahmen, wurden — in der Hauptsache in Übernahme meiner Vorschläge — in Neun Thesen zur europäischen Geschichte niedergelegt: 1. Die „antike“ Grundlage der europäischen Geschichte umfaßt nicht nur die hellenisch-römische Antike, sondern auch die Hochkulturen des Alten Orients (materielle Zivilisation), die weltweite Ausstrahlung des aus Israel hervorgegangenen religiösen Denkens sowie das weltgeschichtliche Fortwirken des nachklassischen Griechentums und des byzantinischen Mittelalters. 2. Träger der europäischen Geschichte sind nicht nur die Völker romanischer und germanischer Sprache, sondern auch: Kelten, Slawen, Turanier (Ungarn, Finnen). 3. Die verschiedene Auffassung des Verhältnisses von Kirche und Staat hat zu einer wachsenden Differenzierung der lateinischen Westhälfte und der orthodoxen Osthälfte Europas beigetragen. Die europäische Geistesgeschichte war im Laufe des letzten Jahrtausends durch die Auswirkung dieser polaren Zwiefältigkeit bestimmt.

4. Nach dem Zerfall des weströmischen Kaiserreiches haben sich zwei geographische Schwerpunkte in der Geschichte des Abendlandes her-ausgebildet: — der eine in dem zwischen Seine und Rhein gelegenen Gebiet, in dem Romanen und Germanen im Kernland des Fränkischen Reiches sich vermischt haben und von dem seit dem Beginn des Mittelalters die meisten der großen Geistesbewegungen aufgebrochen sind — der andere, dem gleichfalls hervorragende Bedeutung für die geistige und kulturelle Entwicklung des Abendlandes zukommt, im Raume des nördlichen Italiens. 5. Ein wesentlicher Teil eines neuen europäischen Geschichtsbildes muß sich mit der besonderen Rolle der europäischen Nationen befassen.

Bei der Entstehung der heutigen Nationen haben natürlich Voraussetzungen (z. B. geographischer Art) und historische Zufälle zusammengewirkt. Für die Entstehung der Nationen sind im allgemeinen zwei Faktoren bestimmend gewesen a) die aus einer langen Zugehörigkeit zu einem Staat hervorgegangene Prägung, b) die geistige Prägung durch eine eigene Schriftsprache (die sich bei den germanischen und slawischen Völkern von einer Bibelübersetzung aus entfaltet hat). Die nationalen Ideologien sind zu einem guten Teil entstanden durch die Säkularisierung theologischer Ideen. 6. Ein Grundzug der abendländischen Geschichte, der sie von den übrigen Kulturen der Welt unterscheidet, ist der wissenschaftliche Rationalismus, der allein die Entwicklung der exakten Wissenschaften, den Aufschwung der Technik und die industrielle Revolution ermöglicht hat. 7. Die besondere Entwicklung des Abendlandes hat zur Entstehung des Rechts-und Verfassungsstaates geführt, der seine Grundsätze von der Souveränität des Rechtes herleitet. Dieser Staat beruht auf der Teilung der Gewalten und auf der Bildung von staatsfreien Eigen-bezirken (Immunitätsbezirken). Die Erringung solcher staatsfreien Eigenbezirke durch Kirche, Adel und Städte sowie die Einrichtungen der Gesetzgebung und Rechtssprechung sind die Wurzeln der Volksvertretung und des Verfassungsstaates. Dieser hat seine Sanktion und endgültige Ausprägung erfahren durch die großen Revolutionen des 17. und 18. Jahrhunderts. 8. Die europäische Geschichte der letzten zwei Jahrhunderte ist nicht zu verstehen ohne die technische, industrielle und landwirtschaftliche Revolution und die dadurch ermöglichte sprunghafte Bevölkerungsvermehrung mit ihren sozialökonomischen Folgen. 9. Europäische Geschichte kann heute nur noch als ein Teil einer allgemeinen Menschheitsgeschichte gesehen werden, also mit dem vergleichenden Blick auf die anderen großen Kulturwelten.

Die „Geschichtsrevision" — Schwierigkeiten, Möglichkeiten, Gefahren

Es wird nicht schwer sein — und die Eindrücke zahlreicher Konferenzen haben dies bestätigt —, diese oben angeführten Thesen als überzeugend darzulegen. Aber es zeigte sich auch zugleich, daß damit für die Durchsetzung einer wirklichen Geschichtsrevision in unseren Schulen nicht viel gewonnen ist. Mit Recht erhebt man den Einwand: wie soll es möglich sein, im Rahmen einer engen zur Verfügung stehenden Zeit alle diese neuen, von der Forschung erarbeiteten Erkenntnisse noch mit zu verwerten? Der gelegentlich vorgeschlagcne Ausweg, man müsse noch mehr arbeiten, ist kein Ausweg. Denn jede pädagogische Methode muß ja auf ein vernünftiges und anwendbares Mittelmaß des Möglichen zielen. Man kann also nur dadurch Zeit und Raum für die Aufnahme von neuen Gegenständen gewinnen, daß man alte, bisher tradierte Gegenstände, die nach unserer heutigen Einsicht von geringerem lebendigen Bildungswert sind, ausscheidet. Hier liegt nun die eigentliche psychologische Schwierigkeit, die schwer auszuräumen ist. In allen Konferenzen von Fachleuten hat es sich gezeigt, daß man über diese Schwierigkeit nicht hinwegkam. Denn jeder einzelne Fachmann weigerte sich, zuzugeben, daß irgend etwas aus seinem eigenen Stoffgebiet als weniger wichtig gestrichen oder zurückgestellt wird. Der erhobene Zeigefinger des Fachmannes hat die Revision immer wieder verhindert. Eine Konzeption des neuen Geschichtsbildes kann aber nur einheitlich begründet werden, sie kann nicht ausgehandelt werden aus zahllosen kleinen und dann gewöhnlich mehr opportunistisch zustandekommenden Kompromissen.

Es kommt etwas anderes hinzu: die Schulbuchverfasser, die Schulbuchverleger und die Schulverwaltungen (Ministerien) pflegen sich in ihrem Versagen gegenüber den Problemen aufeinander herauszureden, indem jeder dem anderen die eigentliche Initiative zuschiebt und sich bei Ausbleiben dieser Initiative darüber beklagt, daß jener andere eben nicht mit der erforderlichen und so begrüßenswerten Initiative vorangehe. In diesem magischen Dreieck kommt jedes Bemühen der Geschichtsrevision nur schrittweise und unter großer Verzögerung voran. Notwendig ist eine radikale Neuverteilung des Stoffes, die ausschließlich ausgeht von der Frage, was an dem überlieferten Stoff heute noch geeignet ist, grundsätzliche Einsichten zu vermitteln. Wo solche Möglichkeiten, grundsätzliche Einsichten zu vermitteln, gegeben sind, muß in dem Geschichtsbuch und in dem Geschichtsunterricht ein Schwerpunkt pädagogischer Beleuchtung gebildet werden. Vielfach werden diese Schwerpunkte nur Beispiele sein: einzelne Persönlichkeiten, einzelne Ereignisse, historische Katastrophen usw., bei denen man das Verständnis des jugendlichen Menschen für historische Wirkzusammenhänge aufschließen kann. Es gilt, die Geschichte in diesem Sinne „exemplarisch" zu betrachten.

Zum Schluß noch ein sehr ernstes Wort, um nicht mißverstanden zu werden:

Es ist die Gefahr der Geschichte, mißbraucht zu werden im Dienste von Tagesideen. Davor vor allem müssen wir uns hüten, weil sonst die Geschichte und zugleich die Lehrer der Geschichte unglaubwürdig werden und ihren Rang verlieren. Das Lehren der Geschichte darf keine Propaganda werden. Daher wäre es heute auch falsch, ein Bild der europäischen Geschichte hinzustellen, das die mächtigen Realitäten der einzelnen Volksgeschichten zu nivellieren oder gar auszulöschen bemüht ist. Mit solcher „Europäolalie“ wäre nichts gedient. Wir müssen vielmehr gerade zeigen, daß es zur spezifischen Wesensart der abendländischen Geschichte gehört, Geschichte in Völkern zu sein, aber auch, daß die Geschichte dieser einzelnen Völker sich doch zu dem Gesamtbild einer oft verfeindeten, aber im Großen doch in Zusammenarbeit lebenden Völkerfamilie zusammenfügt. Von hier aus ergibt sich auch die Ablehnung eines wurzellosen Kosmopolitismus und die Bejahung einer heimatverwurzelten Gesinnung, die von der Geschichte der engeren Heimat her den Schritt tut zur Geschichte der großen Landschaften, des Volkes, der europäischen Kulturgemeinschaft, der Völkerfamilie und darüber hinausgreifend der ganzen Menschheit. Lind es wäre falsch, wenn wir unsere Bemühungen um eine Geschichtsrevision kurzsichtig auf das Bild einer europäischen Geschichte abstellen wollten. Im 20. Jahrhundert ist europäische Geschichte auch nicht mehr möglich, es sei denn als ein Kernstück der allgemeinen Menschheitsgeschichte.

Fussnoten

Fußnoten

  1. HENRI PIRENNE, Geschichte Europas von der Völkerwanderung bis zur Reformation. Berlin: S. Fischer Verlag 1956 (575 S.).

Weitere Inhalte

2. Geschichtsbild und Geschichtsunterricht. — Saeculum 7. Unser Geschichtsbild und Israel. — Aus Politik Anmerkung: 2 (1951) S. 1— 9. und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament" vom 20. Juni 1956 S. 384— 392. Dr. phil. Georg Stadtmüller, HonProf. München, 3. Abendland und Menschheitsgeschichte. — Neues geb. 17. 3. 09 Bürgerstadt/Hessen, HonProf. München Abendland 9 (1954) S. 67— 76. 4. Das Abendland und die Welt der östlichen Christenheit. 8. Europäische Ostpolitik in der Geschichte. — 1950.. Geschichte Südosteuropas, Herausgeber der Zeitschrift SAECULUM, Jahrbuch für Universal-geschichte — Historisches Jahrbuch 74 (1955) Schicksalsfragen der Gegenwart. Handbuch S. 164— 174. politisch-historischer Bildung. Herausgegeben seit 1950. 5. Neun Thesen zur europäischen Geschichte. Be-vom Bundesministerium für Verteidigung. Innere Einzelne der obigen Ausführungen sind aus den richt über den Kongreß UNIROPA in Saarbrükken, Führung I (Tübingen 1957) S. 382— 403. folgenden Arbeiten des Verfassers übernommen worden: 4. — 9. Juli 1955. — Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 6 (1955) S. 761— 763. 1. Weltgeschichte Europas? — Saeculum 1 (1950) 6. Der Geschichtsunterricht und die europäische S. 469— 476. Idee. — Saar-Europa 3 (1956) S. 60— 74.