Einführung
In diesen Tagen — vom 28. Juli bis 11. August 1957 — finden zum sechsten Male seit 1947 die sogenannten „Weltfestspiele der Jugend und Studenten für den Frieden“ statt. Schauplatz dieser grandiosen Massenaktion unter kommunistischer Regie ist diesmal Moskau. Seit 1947 haben die voraufgegangenen „Festspiele“ im Abstand von zwei Jahren stattgefunden in Prag (1947), Budapest (1949), Ostberlin (1951), Bukarest (1953) und Warschau (195 5). In diesem Jahr befinden sich zehntausende junge Arbeiter, Bauern, Studenten, Kultur-und Geistes-schaffende aus 140 Nationen für die Dauer von zwei Wochen in Moskau und treffen mit hunderttausenden junger Sowjetbürger aus allen Teilen der UdSSR zusammen. Das Gesicht dieses Festivals wird bestimmt von politischen Kundgebungen und Demonstrationen, kulturellen und sportlichen Wettbewerben, vielseitigen fachlichen und wissenschaftlichen Zusammenkünften. Träger und Organisator der Weltfestspiele (WFS) ist offiziell der „Weltbund der Demokratischen Jugend“ (WBDJ), in Wahrheit liegen Initiative und Leitung beim Komsomol, der kommunistischen Jugendorganisation der Sowjetunion, der die Veranstaltung im Auftrage der KPdSU gemeinsam mit den kommunistischen Parteien und deren Jugendverbänden organisiert, dirigiert und überwacht. Der WBDJ ist eine von der KPdSU formal unabhängige internationale Dachorganisation aller kommunistischen und mit dem Kommunismus sympathisierenden nationalen Jugendbewegungen. Die tatsächliche Leitung der WBDJ liegt in den Händen der Sowjets.
Der Plan zur Durchführung solcher „Festspiele“ wurde 1946 in Moskau entwickelt, zu einem Zeitpunkt also, in dem der Stalinismus auf der Höhe seiner Macht stand. Die Weltfestspiele sollten eines seiner wichtigsten Propagandamittel werden. Bei deren Gründung war die KPdSU von der Vorstellung geleitet, gerade die junge Generation in allen Ländern sei für das Neue’ und damit den Kommuinsmus am empfänglichsten. Sie scheute daher keine materiellen und finanziellen Mittel, um die Festspiele zu einem grandiosen Schauspiel zu gestalten. Riesige kulturelle und sportliche Veranstaltungen sollen das hohe Niveau der kommunistischen Kultur, ihre Kraft, optimistischen Lebens-geist und glückliches Leben in einem kommunistischen Staat demonstrieren sowie Begeisterung, Kampfgeist und Siegesgewißheit wecken.
Die Festspiele beschränken sich nicht nur auf die 14 Tage ihrer Durchführung. Sie bestehen vielmehr aus drei Etappen und umfassen — je nach Größe und Bedeutung des einzelnen Landes — insgesamt eine Zeit von fünf bis zehn Monaten. Die erste Etappe dient der Vorbereitung des Festivals. Sie beginnt in vielen Ländern ein halbes Jahr vor den eigentlichen Festspielen und besteht aus propagandistischen Aktionen. Die zweite Etappe ist die Durchführung des Festivals selbst. Die dritte Etappe dient der Auswertung des Treffens in Kundgebungen, Versammlungen, durch Presse, Funk usw. Die Weltfestspiele gehen weit INHALT Einführung Zur Geschichte der internationalen kommunistischen Jugendbewegung Die kommunistische Jugendinternationale (KJI)
Die Komintern und die KJI Der Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ)
Entstehung Ziele Aufbau und Organisation Die Weltfestspiele der Jugend und Studenten von Prag bis Moskau Vorbereitung Sicherung Finanzierung Durchführung Ein Aufruf an die Jugend der Bundesrepublik Schlußfolgerungen über den Rahmen einer Jugendveranstaltung hinaus, weil sie mit den jeweiligen nationalen und internationalen Losungen des Kommunismus für die Massenpropaganda verbunden sind und für die entsprechende Zeit zum propagandistischen Schwerpunkt der Arbeit aller kommunistischen Organisationen einschließlich der Parteien werden. Im wesentlichen werden mit den Weltfestspielen fünf taktische Ziele verfolgt:
1. Den kommunistischen Einfluß in den kapitalistischen, kolonialen und halbkolonialen Ländern zu verstärken und neue Anhänger zu gewinnen.
2. Die Völker des Gastlandes und der Volksdemokratien sollen von ihren eigenen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Problemen abgelenkt werden. Das Zusammentreffen ihrer Delegationen mit den Jugendlichen aus den unterentwickelten Ländern sowie den kapitalistischen Staaten soll Jugend und Bevölkerung in Sowjetunion und Volksdemokratien von der Überlegenheit des kommunistischen Systems überzeugen.
3. Die Weltfestspiele sind ein wichtiges Instrument der sowjetischen Außenpolitik, deren Thesen zumeist den politischen Inhalt des Festivals bilden.
4. Allen Teilnehmern der Weltfestspiele soll das glückliche Leben im kommunistischen Sozialismus’ vor Augen geführt werden, obwohl der. Lebensstandard im Ostblock noch unbefriedigend ist.
5. Auf dem Festival soll die UdSSR als Mittelpunkt der Welt in Erscheinung treten. Sie bietet die besten professionellen Sportler und Künstler auf, die natürlich den Amateuren aus anderen Ländern turmhoch überlegen sind.
Zusätzlich dienen die Weltfestspiele der Tarnung vielseitiger geheimer Vereinbarungen zwischen volksdemokratischen und sowjetischen Instanzen einerseits und bestimmten Delegationen aus den Ländern der freien Welt andererseits, die sich unter dem Deckmantel des Festivals ungestört abschließen lassen. Auch die kommunistischen Nachrichtendienste benützen die Festspiele, um zahlreiche Verbindungen zu knüpfen.
Mit ihrer Zielsetzung und den gewaltigen materiellen Anstrengungen gehören die Festspiele zu den größten Aktionen des internationalen Kommunismus. Die VI. Weltfestspiele sind bedeutender als die vorautgegangenen. Zum ersten Mal öffnet die Sowjetunion ihre Grenzen zehntausenden von Ausländern, die sich mehrere Wochen auf ihrem Territorium aufhalten und trotz aller Sicherungsmaßnahmen schwer zu kontrollieren sind. Gleichzeitig ist dieses Festival das erste internationale Massentreffen im Ostblock nach dem XX. Parteitag der KPdSU und den Ereignissen in Polen und Ungarn. Erstmalig seit 1947 nehmen wieder jugoslawische Delegationen an den Festspielen teil. Die Weltfesfspiele 1957 finden in einer Situation politischer Gärung und schneller Umschichtung im Ostblock statt.
1 955 fanden die Weltfestspiele in Warschau statt. Es ist erwiesen, daß die studentische Jugend Warschaus, ein Jahr später zu den aktivsten Kräften des polnischen Oktober zählend, in ihrer antistalinistischen Haltung durch die Aussprache mit den Delegationen anderer Länder wesentlich beeinflußt wurde. Die VI. Weltfestspiele bieten die gleichen Voraussetzungen für eine breite Diskussion über alle Probleme des Ostblocks, sie vermögen deshalb den Prozeß der Liberalisierung in der jungen Generation wesentlich zu beeinflussen.
Die Sowjets sind sich dieser Situation bewußt. Sie tun alles, um durch eine Fülle kultureller, sportlicher und geselliger Veranstaltungen die Zeit für Diskussionen einzuschränken. Auch die stalinistischen Partei-führungen in den Ostblockstaaten waren bemüht, nur linientreue Jugendliche zu delegieren. Dies durchzuführen dürfte jedoch unmöglich sein, da sie andererseits an der Entsendung kultureller, wissenschaftlicher und sportlicher Spitzenkräfte interessiert sein müssen, um die zahlreichen Wettbewerbe zu bestehen. Unter ihnen aber befinden sich viele oppositionelle Elemente.
Aus diesen Gründen sind die Weltfestspiele weitaus mehr als eine kommunistische Jugendveranstaltung in internationalem Rahmen, sie sind vielmehr von großer Bedeutung für die weitere Demokratisierung in der UdSSR und den Ländern des Ostblocks. Heute spielt die kommunistische Jugend bei der Zerstörung des Systems eine ähnliche revolutionäre Rolle wie vor vierzig Jahren, als sie sich zur Zerstörung der . Bourgeoisie'formierte.
Zur Geschichte der internationalen kommunistischen Jugendbewegung
Abbildung 2
Abbildung 2
Die Anfänge der internationalen revolutionären Jugendbewegung liegn noch vor dem ersten Weltkrieg. Vom 18. bis 24. August 1907 tagte in Stuttgart der 7. Kongreß der II. Internationale, auf der auch Lenin anwesend war. Er beschäftigte sich in erster Linie mit der Stellung der Sozialisten zum Kriege.
Zur gleichen Zeit fand der 1. internationale Sozialistische Jugendkongreß statt, der Karl Liebknecht zu seinem ersten Vorsitzenden wählte. Das Programm der I. Jugendinternationale umfaßte Forderungen gegen Krieg, Militarismus und Völkerhetze, für Verbesserung der Lage der jungen Arbeiter, besonders der Lehrlinge.
Ähnlich der Internationale der sozialistischen Parteien zerbrach auch die Internationale der Jugend an den Kriegsvorbereitungen, dem sich steigernden Nationalismus in allen europäischen Ländern und den inneren Meinungsverschiedenheiten in den sozialistischen Jugendverbänden selbst. Mit Beginn des 1. Weltkrieges löste sich die I. Jugendinternationale genau so auf wie die II. Internationale. Diese war in feindliche Lager zerfallen, nachdem ihre Parteien den geforderten Kriegskrediten ihrer jeweiligen Regierungen zugestimmt und zum Teil — wie in Frankreich und Belgien — in die Regierungen eingetreten waren. Damit hörte die II. Internationale auf, zu existieren; ihre Konzeption war in einer Welle des Nationalismus, die der Weltkrieg auslöste, untergegangen.
Während des Krieges differenzierten sich die sozialistischen Bewegungen im wesentlichen in drei Gruppen: eine, die sich offen auf die Seite der Befürworter des Krieges stellte, in der Parteisprache »Opportunisten'(weil sie sich den Forderungen ihrer Regierungen opportun beugten) oder . Revisionisten'genannt, die ihren bisherigen Standpunkt aufgaben und einer Revision unterzogen. Die zweite Gruppe teilte zwar den Standpunkt der ersten nicht, trat aber nicht gegen sie in Opposition, sondern versuchte um der Einheit der Bewegung willen, eine Versöhnung zwischen . Opportunisten'und den . Linken'herbeizuführen.
Sie wurden . Zentristen'genannt. Die dritte Gruppe bestand aus jenen . Linken', die auf dem alten Standpunkt beharrten und versuchten, den Krieg mit allen Mitteln einschließlich der Meuterei, des Generalstreiks usw. zu beenden.
Die gleichen Gruppierungen entwickelten sich auch in der I. Jugend-internationale, die in Karl Liebknecht ihre profilierteste Persönlichkeit und gleichzeitig den Repräsentanten der . Linken'besaß. Obwohl dieser linke Flügel in der Jugend stärker war als in den sozialistischen Parteien, erwies er sich doch insgesamt als zu schwach, um sich durchsetzen zu können. Karl Liebknecht z. B. sprach sich zwar in der Reichstagsfraktion der SPD am 4. August 1914 gegen die Bewilligung der Kriegskredite aus, im Reichstag selbst jedoch stimmte er mit seiner Fraktion für die Kredite, weil er die Fraktionsdisziplin nicht brechen wollte. Hier kommt die politische Unsicherheit der radikalen Linken bei Kriegsausbruch zum Ausdruck. Trotzdem müssen diese Gruppen als die direkten Vorläufer der späteren kommunistischen Jugendinternationale und der Komintern angesehen werden. So schwach sie auch zu Beginn des Krieges waren, so schnell erstarkten sie während des Krieges. Als noch im ersten Kriegsjahr weitere Kriegskredite bewilligt werden sollten, weigerte sich Karl Liebknecht dieses Mal mit folgenden Worten:
„Unter Protest gegen den Krieg, seine Verantwortlichen und Regisseure, gegen die kapitalistische Politik, die ihn heranfbesdtwor, gegen die kapitalistischen Ziele, die er verfolgt, gegen die Annexionspläne, gegen den Bruch der belgischen und luxemburgischen Neutralität, gegen die Militärdiktatur, gegen die soziale und politische Pflid'itvergessenheit, deren sich die Regierung und die herrschenden Klassen auch heute nocln schuldig wachen, lehne ich die geforderten Kriegskredite ab.“
Unter dem Eindruck der Schrecken des Krieges und unter dem Einfluß der russischen Bolschewiki begannen die linken revolutionären Gruppen sich bald zu sammeln. Allmählich bildeten sich in allen sozialistischen Parteien Gruppen, die mehr oder weniger entschieden von den regierungstreuen Sozialdemokraten abrückten. 1915 fand in Zimmer-wald (Schweiz) eine Konferenz dieser Gruppen statt, die bereits den starken Einfluß der russischen Bolscheweki zeigte. Die dort formierte , Zimmerwalder Linke', wie sie Lenin bezeichnete, war der eigentliche Ausgangspunkt einer von der II. Internationale getrennten, neuen, revolutionären, sozialistischen internationalen Bewegung, die bald nach der russischen Oktoberrevolution als III. Internationale zur Weltpartei des internationalen Kommunismus werden sollte.
Parallel zur Zimmerwalder Tagung wurde in Bern ein internationaler sozialistischer Jugendkongreß durchgeführt, auf dem sich ebenfalls einige Jugendorganisationen mit der radikalen . Antikriegspolitik'der Bolschewiki identifizierten.
1916 tagte In Kienthal (Schweiz) die zweite Konferenz der revolutionären Sozialisten. Hier war die , Zimmerwalder Linke'stärker vertreten als im Vorjahr. Das Kienthaler Manifest erklärte, ein dauerhafter Friede könne nur durch den Kampf für den Sozialismus erreicht werden. Es ging damit weiter als die Zimmerwalder Konferenz, wenn auch die Forderung der Bolschewiki, den Weltkrieg in einen allgemeinen Bürgerkrieg zu verwandeln, die Macht zu ergreifen und den Krieg so zu beenden, auch in Kienthal von der Mehrheit der Teilnehmer abgelehnt wurde. Auf der Kienthal-Konferenz trennten sich erstmalig die revolutionären Elemente der sozialistischen Bewegung von den regierungstreuen, sie verbanden sich stärker mit den Bolschewiki unter Lenin und legten de facto bereits den Grundstein zur III. Internationale, die drei Jahre später, am 4. März 1919, in Petrograd gegründet wurde. Damit nahm die endgültige Spaltung zwischen Sozialdemokraten und Kommu nisten ihren Lauf, sie prägte sich analog auch in der sozialistischen Jugendbewegung auf nationaler wie internationaler Ebene aus.
Die kommunistische Jugendinternationale (KJI)
Bald nach dem I. Weltkongreß im März 1919 schlossen sich große Teile der sozialistischen Jugendorganisationen aus der Schweiz, Schweden, Norwegen, Spanien, Österreich, Rumänien usw. mit allen Verbänden der Sowjetunion der III. Internationale an. Einige Monate später, am 20. November 1919 fand in Berlin ein internationaler Jugendkongreß statt, an dem Delegierte aus 14 Ländern teilnahmen, die etwa 2 50 000 Mitglieder vertraten. Organisator dieser Konferenz war der deutsche Kommunist Willi Münzenberg (der 1940 in Frankreich wahrscheinlich vom MWD liquidiert wurde). Er bezeichnete die Teilnahme der Berliner Tagung als den aktiven Kern der Berner Jugend-internationale von 1915. Die Delegationen beschlossen, die . Internationale Verbindung sozialistischer Jugendorganisationen'in die , Kom-
munistische Jugendinternationale’ (KJI) umzuwandeln. Der Berliner Kongreß stellte sich einstimmig auf den Boden der Entschließung des 1. Weltkongresses der Komintern in Petrograd, in der es u. a. heißt:
„Die Widersprüche des kapitalistisdren Weltsystems, die in seinem Sdroß verborgen waren, äußerten sidr mit kolossaler Kraft in einer riesigen Explosion, im großen imperialistisdien Weltkrieg. Aber im selben Maße, wie die Anarchie der kapitalistisdren Produktionsweise durdr die kapitalistisd-ie Organisation in den einzelnen Ländern ersetzt wird, werden die Gegensätze, der Konkurrenzkampf, die Anarchie in der Weltwirtschaft immer schärfer. Die neue Epoche ist ausgebrochen! Die Epoche der Auflösung des Kapitalismus, seiner inneren Zersetzung, die Epoche der kommunistischen Revolution des Proletariats. Die revolutionäre Epodte des Proletariats fordert vom Proletariat die Anwendung solcher Kampfmittel, die seine ganze Energie konzentrieren, nämlich die Methode der Massenaktion mit ihrem logischen Ende — dem direkten Zusammenstoß mit der bürgerlidten Staatsmaschine im offenen Kampf.
Das Anwachsen der revolutionären Bewegungen in allen Ländern, die Gefahr der Erstidtung der Revolution durdi das Bündnis der kapitalistischen Staaten, die Versuche der sozialverräterisdien Parteien, sich miteinander zu vereinigen und endlich die absolute Notwendigkeit der Koordinierung der proletarischen Aktionen, — alles muß zur Gründung einer wirklidi revolutionären und wirklich proletarischen kommunistisdten Internationale führen!
Die Internationale, die die Interessen der internationalen Revolution, den nationalen Interessen unterordnet, wird die gegenseitige Hilfe des Proletariats verschiedener Länder verkörpern, denn ohne wirtsdiaftliche und andere gegenseitige Hilfe wird das Proletariat nicht imstande sein, die neue Gesellschaft zu organisieren!“
Diese revolutionäre Plattform, gleichzeitig Programm der Komintern, wurde für eine Reihe von Jahren Basis der politischen Arbeit der kommunistischen Jugendverbände, und die sektiererische Beschränkung der Jugendinternationale bis in die dreißiger Jahre hinein ist nur durch dieses Programm zu erklären. Die ausschließlich politisch-revolutionäre Zielsetzung verwandelte die Jugendorganisationen in Hilfsverbände der kommunistischen Parteien, beraubte sie spezifischer, für die Jugendarbeit unentbehrlicher Elemente und isolierte sie von den Massen.
Die Kommunistische Jugendinternationale war eng mit der Komintern verbunden, sie bezeichnete sich selbst als einen Teil der Komintern, Deren Statut bestimmte im § 15, daß die Jugendinternationale im Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale (EKKI) einen Vertreter mit beschließender Stimme haben solle. Auf dem IV. Kongreß der Komintern wurde sogar beschlossen, die KJI habe einen Vertreter mit beratender Stimme in das Präsidium des erweiterten EKKI zu entsenden. Die KJI nahm ihren Sitz in Berlin, unterhielt aber gleichzeitig ein Büro zur Koordination ihrer Arbeit mit dem EKKI in Moskau. Mitglied der KJI konnte jede Jugendorganisation werden, deren Programm dem der KJI entsprach, die kommunistische Propaganda betrieb und sich den Beschlüssen der Jugendinternationale unterwarf. Ähnlich den 21 von Lenin auf dem 11. Weltkongreß verkündeten Thesen der Komintern hatte auch die KJI ein Statut, das dem der Komintern entsprach. In ihm wird u. a.der Aufbau eines parallel zur offiziellen Organisation arbeitenden illegalen Apparates gefordert, da in die . bürgerliche Legalität'kein Vertrauen zu setzen sei. Entsprechend schuf die Jugendinternationale in Berlin und anderen europäischen Hauptstädten illegale Büros, um durch diesen eigenen Apparat zuverlässige Verbindungen zu den angeschlossenen Organisationen zu unterhalten.
Durch die Verschärfung der sozialen Gegensätze und der politischen Kämpfe besonders während der Wirtschaftskrise nach 1929 geriet auch die Politik der KJI und ihrer Sektionen mehr und mehr in eine Isolierung, da sie mit rein politischer Zielsetzung arbeitete und ihre Organisationen die besonderen Interessen der Jugend völlig vernachlässigten. Mitglied einer Sektion der KJI wurde nur, wer bereits von den Grundprinzipien der kommunistischen Ideologie überzeugt und bereit war, diese zu vertreten. Das Risiko dieser Arbeit wird klar bei einer Betrachtung der Aufgaben, die sich damals die Sektion der KJI stellten.
Es war z. B. die Pflicht aller Organisationen, systematisch kommunistische Propaganda in den Armeen ihrer Staaten durchzuführen, eine Tätigkeit, die in allen Ländern mit hohen Strafen belegt wurde. Das Jugendleben der Sektionen und Gruppen der KJI bestand ausschließlich aus politischer Arbeit, Agitationseinsätzen und Propaganda. Darüber hinaus zeichneten sich die Organisationen durch eine vollkommene Ergebenheit gegenüber der Sowjetunion aus. Zielsetzung, Sprache, Lieder und Kulturleben waren von sowjetischen Einflüssen bestimmt Ihr Ziel war nicht die Errichtung einer Arbeiterdemokratie in ihrer Heimat, sondern die Gründung einer Sowjetrepublik. Hinzu kam, daß die kommunistischen Jugendsektionen — gleich allen Sekten, die keinen Kontakt zu den Massen haben — eigene gesellschaftliche und moralische Gesetze entwickelten. Aus ihrer grundsätzlichen Ablehnung der bürgerlichen Ordnung, deren tatsächlich vorhandene Zerfallserscheinungen als Norm gedeutet wurden, konstruierten die Jungkommunisten einen Moralkodex, der von der Öffentlichkeit überwiegend als amoralisch empfunden werden mußte. So isolierten sich die kommunistischen Jugendorganisationen mehr und mehr von der Jugend, nachdem die revolutionäre Welle der zwanziger Jahre viele junge Menschen, besonders Studenten und Intellektuelle an die KJI herangeführt hatte. Zudem benützte die Komintern in wachsendem Maße die Sektionen der KJI für den Aufbau ihrer illegalen Organisationen und die Arbeit der Spionageapparate. In den Sektionen der KJI, besonders in Deutschland, mischten sich offizielle politische Aufgaben mit denen des Geheimapparates, so daß die Funktionärkader sich zunehmend illegaler Tätigkeit widmeten und die Arbeit unter der Jugend vernachlässigten. Diese Faktoren führten zu einer völligen Isolierung der KJI von den Massen der Jugend, die weder Programm noch Praxis dieser Verbände verstanden. Die Sektionen entwickelten sich zu isolierten Sekten mit wenigen, wenn auch aktiven und zum Teil fanatischen Anhängern. In einem solchen isolierten, politisch hochgezüchteten Kreis konnte auf die Dauer Überheblichkeit . nicht ausbleiben. Die Mitglieder der KJI fühlten sich der übrigen Jugend überlegen. Als politisch „Gebildete“ glaubten sie mehr als die anderen zu wissen; die These, sie seien der Vortrupp des Proletariats, trug wesentlich zu dieser Auffassung bei. Hinzu kam die Stalinisierung der Komintern und damit auch der KJI.
Die Komintern und die KJI Je mehr die Komintern ihren ursprünglichen Charakter als Welt-organisation des internationalen Kommunismus verlor und zu einem Instrument der sowjetischen Außenpolitik wurde, desto mehr geriet auch die KJI in die gleiche Abhängigkeit. Die anfangs internationalistische Politik der Komintern und KJI, deren Hauptziel die Weltrevolution war, und deren Sektionen unter Lenin ein gewisses Maß an Gleichberechtigung besaßen, gerieten in wachsendem Maße in die Abhängigkeit der UdSSR, sie wurden zu Außenstellen der KPdSU.
Auf dem II. Kongreß der Komintern, im Juli 1920, legte Lenin 21 Thesen vor, in denen die Konsequenzen aus dem Versagen der I. und II. Internationale gezogen waren. Sie bildeten die Grundlagen für die straffe Organisation des internationalen Kommunismus, gleichzeitig aber war in ihnen bereits der Keim für die spätere Umwandlung der Komintern in ein Instrument des Stalinismus enthalten. Die 21 Thesen preßten den Weltkommunismus in ein zentralistisch geleitetes, eiserner Disziplin unterworfenes System. Alle kommunistischen Parteien hatten sich bedingungslos der kommunistischen Internationale zu unterwerfen, alle oppositionellen Kräfte waren rücksichtslos zu entfernen, in allen Ländern eine illegale Terrororganisation aufzubauen, systematisch Zersetzungsarbeit in den Armeen zu leisten und der Sozialdemokratie ein offener Kampf arzusagen, Gewerkschaften und Betriebsräte sollten infiltriert und die Sektion der Komintern von sog.
opportunistischen Elementen gesäubert werden.
Die 21. Thesen der III. Internationale verpflichteten die Presse der einzelnen Parteien, alle offiziellen Dokumente der Komintern zu veröffentlichen, verlangten eine laufende Überprüfung der Parlamentsfraktionen und forderten eine bedingungslose Unterstützung der Sowjetunion. Alle Parteimitglieder, von denen die 21 Thesen nicht anerkannt wurden, sollten aus den Parteien ausgeschlossen werden.
In der 17. These hieß es z. B.:
„Alle Parteien müssen ihren Namen in kommunistische Partei, Sektion der 111. Internationale“ ändern“.
Das bedeutete den Verzicht auf jede Unabhängigkeit.
Lenin mochte die unbedingte Gleichberechtigung aller in der Komintern vertretenen nationalen Parteien noch vorausgesetzt haben, in den Händen der stalinistischen Sowjetbürokratie jedenfalls verwandelten sich die 21 Thesen zu einem Instrument des stalinistischen Imperialismus von heute.
Die internationalen und innersowjetischen Ursachen für die Umwandlung der Komintern zu einem sowjetischen Apparat, können hier nicht aufgezeigt werden. Tatsache ist jedenfalls, daß schon der V. Kongreß der Komintern Mitte der zwanziger Jahre unter dem vorherrschenden Einfluß von Stalin und der durch ihn repräsentierten Sowjetbürokratie stand. Gestützt auf die 21 Thesen wurden die Parteien der Komintern rücksichtslos von allen oppositionellen Kräften gesäubert und schon Anfang der dreißiger Jahre waren die Sektionen der Komintern nur noch Befehlsempfänger der politischen Zentrale des Kreml.
Von 1928 bis zur Auflösung der Komintern 1943, d. h. 15 Jahre hindurch, führten die kommunistischen Parteien gehorsam alle Befehle aus, die von der sowjetischen Partei unter Stalin erteilt wurden. Revolutionäre Bewegungen wurden nur dort gefördert, wo sie sich unter Führung der Sowjets vollzogen und mit deren Interessen parallel liefen. Wo dies nicht der Fall war, wurden sie niedergeknüppelt oder durch die GPU verhindert.
Die Befehle Stalins an die KPD, mit den Nationalsozialisten gegen die Sozialdemokratie und die demokratische Mitte der Weimarer Republik zu kämpfen, haben die Machtergreifung Hitlers vorbereitet. Hunderttausende von chinesischen Kommunisten und Arbeitern wurden durch die von Stalin befohlenen Kominternbeschlüsse geopfert. Die Komintern war aber nicht nur das politische Organ der Sowjetdiplomatie. Die These, die von allen kommunistischen Parteien den Aufbau eines illegalen Organisationsapparates verlangte, wurde von Stalin zum Aufbau eines weltweiten Spionage-, Sabotage-und Diversionsnetzes benutzt, so daß die Komintern gleichzeitig zur Spionagefiliale des sowjetischen Geheimdienstes wurde.
Die These von der Beseitigung aller oppositionellen Kräfte benutzte Stalin, um die Säuberung und Liquidierung in den dreißiger Jahren in der Sowjetunion und in den Sektionen der Komintern durchzuführen und sich völlig hörige nationale Parteiführungen zu schaffen. So wurden alle selbständig denkenden Führer der KPD liquidiert und sowjethörige Politiker vom Schlage Ulbrichts eingesetzt.
Diese sowjethörige Politik der Komintern wirkte sich auch auf die kommunistische Jugendinternationale aus, die gehorsam alle Schwenkungen der kommunistischen Internationale mitmachte. Sie wurde zu einem ausschließlichen Machtinstrument der internationalen sowjetischen Jugendpolitik, entsprechend den besonderen Interessen Moskaus.
Der revolutionäre Elan der internationalen kommunistischen Jugend ging verloren, ihr Einfluß schwand dahin. Bereits Ende der zwanziger Jahre stellte die KJI keine effektive Kraft mehr im Gefüge der kommunistischen Organisation dar. Unter dem Vorsitz des französischen Kommunisten Raymond Gyot, der heute noch in der französischen KP eine einflußreiche Rolle spielt, vollzog die KJI eine scharfe Kurswendung nach rechts, schloß sich der opportunistischen Politik der Komintern an und versuchte, mit nationalistischen Scheinlösungen den verlorenen Boden unter der Jugend zurückzugewinnen. Ausgangspunkt der unter dem Begriff , Volksfrontpolitik‘ bekannt gewordenen neuen Richtung der Komintern war der VII. Weltkongreß der Komintern 19 3 5 in Moskau.
Zu dieser Zeit waren Deutschland und Italien bereits vom totalitären System beherrscht, die These der Komintern, der Faschismus werde in kurzer Zeit von selbst abwirtschaften, war wiederlegt, und Stalin suchte neue Wege, um politisch aus der Sackgasse herauszukommen, in die er den internationalen Kommunismus manövriert hatte. Die Infiltration liberaler und sozialdemokratischer Parteien sollte die Isolierung der Kommunisten beseitigen, deshalb hatte die Politik der Komintern und der Kommunistischen Jugendinternationale in den Hintergrund zu treten und einer betont nationalistischen Politik Platz zu machen.
Der VII. Weltkongreß der Komintern faßte 19 3 5 die entsprechenden Beschlüsse, nachdem Wilhelm Pieck als Sprachrohr Stalins den Gesamt-bericht gegeben, Georgi Dimitroff zur neuen Parteilinie referiert und Raymond Gyot zu den speziellen Fragen der internationalen Jugend-bewegung Stellung genommen hatte. Das Ergebnis waren Beschlüsse, welche die isolierte Position der kommunistischen Parteien und Jugendverbände beseitigten sollten, die Verkündigung der , Volksfrontpolitik , verstärkte Infiltration der sozialistischen Parteien, liberalen Gruppen und nationalen Gewerkschaften, Veränderung der Arbeitsmethoden der Parteien und besonders der Jugendverbände durch Verstärkung der kulturellen Massenarbeit und die Proklamierung nationaler Losungen.
Eine solche grundlegende Änderung der politischen Linie mußte naturgemäß die internationalen Organisationen des Kommunismus in ihrer offiziellen Bewegungsfreiheit einengen; mehr noch als früher wurden sie zu konspirativen UIntergrundorganisationen, die den Rest ihres öffentlichen Einflusses verloren.
Die Kommunistische Jugendinternationale bestand zwar — gleich der Komintern — bis zum Mai 1943. Vom Jahre 193 5 ab war jedoch kaum noch ein politischer Einfluß spürbar. Der Wandel ihrer Aufgabe kam auch in der personellen Besetzung der Führungsspitze zum Ausdruck. Die erfahrenen Massenagitatoren wurden von illegalen Apparatschicks ersetzt. So war zum Beispiel Mischa Wolf, der Sohn des kommunistischen Schriftstellers Friedrich Wolf, zunächst Sekretär der KJI; heute ist er Leiter des Spionage-und Nachrichtendienstes der Sowjetzone.
Zu Beginn des 2. Weltkrieges existierte die KJI nur noch auf dem Papier, sie hatte ihre Arbeit längst eingestellt. Als im Mai 1943 die Komintern aufgelöst wurde und die wichtigsten Funktionäre mit den Archiven von Eifa wieder nach Moskau übersiedelten, besaß die KJI nicht einmal mehr Büros. Gleichzeitig aber hatte sich bereits eine neue Entwicklung angebahnt. Als die französischen Jugendverbände 1937 im Rahmen der Volksfront gegen den Faschismus große Demonstrationen durchführten, marschierten die sozialistischen Verbände militant uniformiert und mit roten Fahnen, während die kommunistische Jugend in Volkstrachten mit der Trikolore auftrat und Volkstänze darbot. Die Linie des VII. Weltkongresses begann sich durchzusetzen. Einige . breitere'Jugendverbände, in denen nicht nur Jungkommunisten organisiert waren, wurden fast gleichzeitig geschaffen, so der JSLI (Juventud Socialista Unificada), der sozialistische Jugendverband Spaniens, in dem Kommunisten, Sozialisten und Splittergruppen vereinigt waren. Er geriet im Verlauf des spanischen Bürgerkrieges unter die vollkommene Kontrolle der Stalinisten.
Einige Zeit später wurde auf Initiative der KPF in Frankreich die . Republikanische Jugend Frankreichs'(RJF), eine der ersten sogenannten . überparteilichen'Jugendorganisationen gegründet, in der Jugendliche verschiedener Konfessionen und Weltanschauungen erfaßt wurden. Ihre leitenden Funktionäre waren Kommunisten oder sympathisierten mit dem Kommunismus. In anderen Ländern entwickelten sich die gleichen Ansätze. Eine neue internationale Organisation mußte geschaffen werden, die gemäß den Beschlüssen des VII. Weltkongresses dieser neuen nationalen Organisationsform Rechnung trug. Die KJI als Organisation war überholt, erforderlich war die Bildung einer internationalen Organisation, die nach außen überparteilich wirkte, in der Vertreter aller Gruppen, Richtungen und Konfessionen vereinigt waren, deren Leitung, Finanzierung und Kontrolle aber in Händen von Kommunisten liegen sollte, die ihre Direktiven aus Moskau erhielten. Der Ausbruch des 2. Weltkrieges verzögerte die Gründung dieser Weltorganisation. Nach Eintritt der UdSSR in den Krieg aber wurden durch den Verlauf des Krieges die natürlichen Voraussetzungen zur beschleunigten Bildung des . Weltbundes der Demokratischen Jugend'geschaffen.
Der Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ)
Abbildung 3
Abbildung 3
Die Entstehung des Weltbundes Die Verwirrung im kommunistischen Lager zu Beginn des zweiten Weltkrieges war groß, der Pakt zwischen Stalin und Hitler hatte in den Reihen der kommunistischen Parteien tiefe Llnsicherheit ausgelöst. Da die Anweisungen der Komintern sich widersprachen, war den verschiedenen kommunistischen Parteien nicht klar, welche Einstellung zum zweiten Weltkrieg sie beziehen sollten. Auch die internationale Jugendbewegung des Kommunismus konnte sich unter diesen Bedingungen nicht entfalten, weil sie gezwungen war, als Anhängsel der kommunistischen Parteien deren Schwenkungen mitzumachen. In Frankreich und England z. B.definierten die KP-Führungen bis zum Jahre 1940 den Krieg als eine Auseinandersetzung zwischen verschiedenen . imperialistischen'Mächten. Nach dem Pakt zwischen Stalin und Hitler gab die Komintern diese Losung aus: es sei Aufgabe der Kommunisten, den Krieg als solchen zu verhindern und durch Sobotage und passiven Widerstand die Kampfkraft der eigenen Armeen zu schwächen. Ihre Vertreter reisten in den Ländern herum, um diese Linie durchzusetzen. Erst als der Angriff auf Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien und Frankreich erfolgte, begannen die Kommunisten dieser Länder, sich zu Widerstandsgruppen zusammenzuschließen und Verbindungen zu bürgerlichen Gruppen der Resistance aufzunehmen. Die Komintern förderte diese Bewegung erst, nachdem Hitler die LIdSSR angegriffen hatte. Infolge dieser allgemeinen Verwirrung konnte im ersten Kriegsjahr die neue Linie der internationalen Jugendpolitik, die der VII. Weltkongreß der Komintern beschlossen hatte, nicht verwirklicht werden.
Andererseits konzentrierten sich 1939 und 1940 in England und — soweit es sich um linientreue Kommunisten handelte — in der Sowjetunion zahlreiche Flüchtlinge aus den von Hitler angegriffenen Ländern. Aus Frankreich flohen die Angehörigen der ehemaligen Internationalen Brigaden des spanischen Bürgerkrieges beim Herannahen der deutschen Truppen aus ihrem französischem Asyl nach England. Aber nicht nur Kommunisten suchten in England Unterschlupf, gleichzeitig trafen viele, meist junge Juden und antifaschistische Intellektuelle aus zahlreichen Ländern Europas in England ein. Auch sie waren in der Mehrheit linksorientiert. Aus diesen Kreisen bildeten sich im Lauf des Jahres 1940 nationale Organisationen der Tschechen, Polen, Deutschen, Holländer, Franzosen usw. Charakteristisch ist, daß alle diese Verbände nicht in ihrer alten Form als kommunistische Organisationen entstanden. Die Parteien selbst waren aus technischen Gründen als Kultur-organisationengetarnt, die jugendlichen Emigranten dagegen schlossen sich bewußt zu sogenannten überparteilichen Verbänden zusammen, die allerdings in der ersten Zeit nur einen lockeren Zusammenhalt hatten. Schon damals z. B. bildeten die deutschen Emigranten — sechs Jahre vor der Gründung der sowjetzonalen Staatsjugend FDJ eine , Freie Deutsche Jugendbewegung', deren Leiter, Horst Brasch, ein junger Kommunist bürgerlicher Herkunft, früher Mitglied der katholischen Jugendbewegung gewesen war. In der Emigration also wurden die Beschlüsse des VII. Weltkongresses der Komintern verwirklicht. Auch in Moskau, wo Vertreter vieler Nationalitäten politisches Asyl gesucht hatten, wurden nicht etwa die Emigrationsgruppen der alten kommunistischen Jugendverbände gebildet, sondern, ähnlich wie in London, nationale Verbände mit überparteilichen Charakter.
Als Hitler die Sowjetunion angriff, schien dem Kreml die Zeit endlich reif, zur aktiven Vorbereitung einer neuen Jugendorganisation überzugehen, von der er sich gleichzeitig eine Hilfe bei der Propagierung der Zweiten Front und der Aktivierung des Widerstandes gegen Hitler versprach. Die KPdSLI beauftragte das Zentralkomitee des sowjetischen Komsomol, eine internationale Konferenz nach Moskau einzuberufen, um den Auftakt zu dieser neuen Entwicklung zu geben. Am 28. September 1941 tagte in Moskau eine Jugendkonferenz, an der neben den Komsomolzen Vertreter der erwähnten Gruppen aus anderen Ländern teilnahmen. Die Konferenz wandte sich an die Jugend der Welt mit der Aufforderung, zum Sieg über Hitler beizutragen und alle Kraft zum Widerstand gegen die deutschen Okkupanten in den besetzten Gebieten zu mobilisieren.
Genau dreizehn Tage später, am 11. Oktober 1941, tagte in London eine Jugendkonferenz ähnlicher Zusammensetzung, an der 5000 Menschen aus vielen besetzten Ländern teilnahmen. Diese Konferenz griff den Appell von Moskau auf. Ihr Aufruf enthielt erstmalig Andeutungen über die Schaffung einer Zweiten Front. In der Erklärung heißt es u. a.:
„Soldaten, Matrosen, Flieger -und junge Frauen in den Armeen, bereitet Euch auf den Tag vor, an dem wir im Westen Europas den Kampf aufnehmen werden. Laßt uns Schulter an Sdrulter arbeiten.
Unser Motto sei: arbeiten, lernen, dienen und kämpfen für den Sieg! *"
In diesem Auszug der Resolution wird ein Teil der neuen Grund-konzeption sichtbar. Er enthält die unmißverständliche Aufforderung zur Schaffung der Zweiten Front, er fordert die Jungkommunisten auf. zu „arbeiten" und zu „dienen“, d. h. alle politischen und sozialen Forderungen zurückzustellen und entgegen dem Grundsatz, in kapitalistischen Betrieben Lohnforderungen zu stellen, die Produktion durch Mehrleistung zu steigern. Gerade in dieser Frage herrschte in den kommunistischen Parteien des Westens Unklarheit, die von den Instrukteuren der Komintern noch vermehrt worden war. Die englische und zu Beginn des Krieges auch die französische KP hatten den Standpunkt vertreten, die Kriegskonjunktur sei für Lohnforderungen und Streiks besonders geeignet. Jetzt aber, da neben den . kapitalistischen'Ländern auch das . Vaterland aller Werktätigen'bedroht war, befahl Stalin eine sofortige Kursschwenkung, die sich auch in der Entschließung der Londoner Konferenz manifestierten sollte.
Es war kein Zufall, daß die Londoner Konferenz zwei Wochen nach der Tagung in Moskau durchgeführt wurde. Funktionäre des Komsomol berichteten später, es habe im Sekretariat der sowjetischen Jugendorganisation lebhafte Auseinandersetzungen gegeben, ob die Londoner oder die Moskauer Tagung den Auftakt der neuen Bewegung bilden solle. Ein Teil der Funktionäre habe dazu geneigt, mit London zu beginnen, um den Charakter der Unabhängigkeit der Bewegung von der Sowjetunion deutlich zu machen. Der andere, stärkere Teil jedoch habe die Meinung vertreten, die Selbständigkeit der neuen Organisation dürfe nicht zu weit gehen und die führende Rolle der Sowjetunion müsse unter allen Umständen gewahrt bleiben. Deshalb wurde zuerst die Konferenz in Moskau abgehalten, während zur gleichen Zeit die kommunistischen Funktionäre in England mit ihren Verbindungen die Teilnehmer für die dann . spontan'folgende Beratung in London zusammenstellten. Das Ziel der Londoner Konferenz erschöpfte sich jedoch nicht im Aufruf zum Widerstand gegen den Faschismus. Gleichzeitig wurde ein „Internationaler Jugendrat in Großbritannien“ konstituiert, dem die Vertreter einiger englischer Verbände und die Leiter der in England entstandenen ausländischen Organisationen angehörten.
Mitglieder dieses Rates waren im wesentlichen die gleichen Mitglieder des internationalen Ausschusses, der die Londoner Konferenz vorbereitete. Hier wandten die Kommunisten jene Methoden zur Vorbereitung der Konferenz an, die dann in der Geschichte des Weltbundes — und nicht nur in dieser Organisation — typisch werden sollten: sie bedienten sich sympathisierender oder politisch indifferenter Gruppen, um ihre eigentlichen Absichten zu tarnen. Sie sorgten dafür, daß einige dieser Vertreter in Ausschüsse, Räte und Vorstände kamen, gleichzeitig aber achteten sie streng auf ihre eigene Majorität und die Besetzung der Schlüsselpositionen durch Kommunisten. Da durch den Krieg alle ideologischen Unterschiede zwischen Kommunisten und Nichtkommunisten in den Hintergrund gedrängt waren, fanden sie keinen Widerstand. Und es bestanden für die Nichtkommunisten um so weniger Bedenken, mit Kommunisten zusammenzuarbeiten, als der opferreiche Kampf des russischen Volkes der Sowjetunion im Westen viele Sympathien eingebracht hatte.
Die Situation wurde von dem . Internationalen Jugendrat in Großbritannien'ausgenützt. Er berief auf Betreiben der Kommunisten für den November 1942 erneut eine internationale Jugendkonferenz nach London ein, die noch mehr Länder erfassen und der neuen Bewegung noch mehr Gewicht verleihen sollte. Auf der Basis des Antifaschismus gelang es, eine wirklich repräsentative Konferenz durchzuführen, an der Delegierte aus den USA, den verschiedenen Armeen des Empire, große Jugendverbände aus Großbritannien, Delegationen aus der LIdSSR und andere teilnahmen. Wie populär diese Konferenz war, ergibt sich unter anderem aus der Teilnahme von Sir Stafford Cripps, damals britischer Handelsminister, der außerdem als einer der Protektoren der Zusammenkunft fungierte.
Die Kommunisten verfolgten mit dieser Konferenz folgende Absichten: Einmal sollten neue Methoden des Kampfes gegen die Achsenmächte diskutiert werden (Partisaneneinsätze und Widerstandsarbeit).
Weiter kam es ihnen darauf an, die Kampagne zur Schaffung der Zweiten Front zu verstärken und die Jugend der nichtbesetzten Länder zu höherer Produktion anzuspornen. Schließlich — und das war für die Kommunisten die wichtigste Angelegenheit — sollte dieser Kongreß, die vorübergehende Einmütigkeit zwischen Kommunisten und Nicht-kommunistennützend, Maßnahmen für den Ausbau der neuen Welt-organisation festlegen. Deshalb wurde von dem Jugendrat, der fest in den Händen der Kommunisten war, ein Dokument für die Nachkriegs-arbeit des Bundes vorgelegt, das u. a. sieben Grundrechte der Jugend vorsah, für die der Weltbund sich einzusetzen entschloß. Diese Grundrechte waren:
1. Das Recht auf Arbeit, 2. Das Recht auf Ausbildung, 3. Das Recht auf Erholung, 4. Das Recht auf Erziehung, 5. Das Recht auf Gesundheitspflege, 6. Das Recht, sich in Organisationen zusammenzuschließen, 7. Die Gleichberechtigung der Geschlechter.
Schon damals waren diese Grundrechte auf die sich bereits abzeichnenden politischen und sozialen Auseinandersetzungen in den kolonialen Ländern zugeschnitten, die später Objekte der massivsten Propaganda des Weltbundes werden sollten. Und allein die Formulierung der Grundrechte zeigt die geistige Urheberschaft der Kommunisten.
Indem die Konferenz der Gründung eines . Weltjugendrates'zustimmte, erreichte die Organisationsform eine höhere Stufe. Dieser Rat sollte über die in England lebende Jugend hinaus alle demokratischen Jugendverbände der Welt zur Zusammenarbeit auffordern und zum Anschluß an die in London entstandene Bewegung veranlassen. Damit war das Hauptziel Moskaus erreicht:
Die neue internationale Jugendbewegung unter kommunistischer Führung war geschaffen, schon im Anfang unvergleichlich breiter und größer als die KJI je gewesen war. Zu ihr waren Persönlichkeiten gestoßen, die vor dem Kriege jede Zusammenarbeit mit den Kommunisten abgelehnt hätten. Bezeichnend ist, daß auf der Konferenz neben Sir Stafford Cripps auch die Botschafter der LISA, der LIdSSR, Chinas und der Präsident der tschechoslowakischen Exilregierung, Benesch, anwesend waren und Reden hielten.
Bis Kriegsende war die Aktivität des Weltjugendrates an sich gering und in erster Linie von dem Ziel bestimmt, neue Mitgliederorganisatio-nen zu gewinnen und die Positionen der Stalinisten zu festigen. Seine erste größere Aktion war die Durchführung der , Weltjugendwoche'vom 21. bis 28. März 1943. In dieser ersten Frühlingswoche sollten in allen Teilen der Welt, in denen gekämpft und für den Sieg der Alliierten gearbeitet wurde, von der Jugend besondere Leistungen zur schnellen Beendigung des Krieges vollbracht werden. Das Hauptziel des Rates war, sich zu konsolidieren, um nach dem Kriege die gewaltige einheitliche Weltorganisation der Jugend unter kommunistischer Führung zu schaffen. Mit Unterstützung der Reste des illegalen Apparates der Komintern und der KJI, vor allem aber durch die nationalen kommunistischen Jugendverbände und Parteien, wurden Verbindungen in allen Teilen der Welt geknüpft, wobei die damaligen Sympathien breiter Volksschichten für die Sowjetunion die Arbeit wesentlich erleichterten. Nach der Befreiung bildeten sich in Frankreich und Italien nach dem Muster des Weltjugendrates große nationale Jugendverbände, die unter Führung und Kontrolle der Kommunisten standen. Die Entwicklung verlief so günstig, daß die Initiatoren bald nach dem Kriegsende ihr Werk vollenden konnten. Die noch lockere Organisationsform des Weltjugendrates wurde als unzureichend und überholt bezeichnet. Kommunisten und Sympathisierende drängten auf die Einberufung einer Weltjugendkonferenz mit dem Ziel, einen großen, straff organisierten Bund zu schaffen, der mit einem festen Programm, mit Statuten und Beiträgen die „demokratische Jugend aller Nationen“ umfassen sollte. Die Kommunisten hatten gute Vorarbeit geleistet: alle wichtigen Positionen waren in ihren Händen; mit der Zustimmung der Nichtkommunisten gingen sie an die Einberufung dieses Kongresses. So tagte vom 31. Oktober bis zum 10. November 1945 in London die erste . Welt-jugendkonferenz', auf der sich der . Weltbund der Demokratischen Jugend'konstituierte. Der Nachfolger der Kommunistischen Jugend-internationale war geboren, nach zehn Jahren waren die Beschlüsse des VII. Weltkongresses der Komintern verwirklicht. Die Ziele des Weltbundes Der 1. Weltjugendkongreß fand noch in der Atmosphäre der vorbereitenden Tagung von 1942 statt. Der König von England, der Präsident der USA, Benesch, inzwischen tschechischer Staatspräsident, Mitglieder der Regierung von England und anderen Ländern sandten der Konferenz ihre Grüße, Sir Stafford Cripps hielt die Ansprache auf der Eröffnungskundgebung. Es war erforderlich, auf dieser ersten großen Konferenz die Überparteilichkeit des Bundes in jeder Weise zu betonen. Die Sekretärin des Bundes, die Engländerin Kitty Hookham, damals bereits mit den Kommunisten sympathisierend, führte in ihrem Bericht über die Konferenz u. a. aus:
„Die anwesenden Delegierten sind Flieger, Matrosen, Soldaten, Helden der alliierten Armeen . . . Sie sind Katholiken, Protestanten, Baptisten, Methodisten, Presbyterianer, Unitarier, Hindus, Mohammedaner und Juden. Sie sind Konservative, Liberale, Sozialisten, Kommunisten und Genossenschaftler ..."
Sie verschwieg jedoch die Vorbereitung der Konferenz, die fast ausschließlich in den Händen von Kommunisten gelegen hatte. Die Initiatoren der Tagung gaben sich große Mühe, eine möglichst neutrale Sprache zu sprechen und ihre eigentlichen Absichten in den Entschlie-ßungen der Konferenz zu verschleiern. Der Kreml war nicht daran interessiert, einen ideologischen Kampf im Weltbund zu entfachen; zunächst kam es darauf an, die kommunistischen Positionen zielstrebig auszubauen. Entsprechend wurden Ziele und Statuten des Bundes angelegt.
In der . Verfassung des Weltbundes der Demokratischen Jugend'heißt es dazu in Abschnitt drei , Ziele 1:
„Die Ziele des Bundes sind:
a) Bemühungen um inniges internationales Verständnis und Zusammenarbeit unter der Jugend auf den Gebieten von Wirtschaft, Politik, Erziehung, Kultur und Sozialwesen, unter Würdigung der Verschiedenheiten von Ideen und nationalen Besonderheiten; die Leistung des gröfltmöglichen Beitrages zur Ausrottung des Faschismus in all seinen Formen; die Leistung tätiger Beihilfe für die Regierungen in ihren Bemühungen um. Frieden und Sicherheit und in der Erziehung der kommenden Generation im Geiste der Demokratie sowie der Hebung des Lebensstandards der jungen Generation.
b) Wirken für gute Erziehungs-, Arbeits-und Freizeitbedingungen und für die Entwidtlung kultureller-, erzieherischer und sportlidter Betätigung für jeden Jugendlichen.
c) Das eindringliche Bestehen auf der Schaffung freier und freiwilliger Zusammenarbeit und Verbindung von Jugendorganisationen auf nationaler Grundlage angesichts des augenblicklidten Mangels einheitlidter nationaler Jugendausschüsse.
d) Mit all seiner Kraft darauf zu bestehen, die jüngere Generation mit den Ideen und Verantwortlichkeiten der Weltbürgerschaft vertraut zu machen.
e) Die Interessen der Jugend in internationalen Angelegenheiten und Organisationen zu vertreten und, wo immer möglich, Fragen bezüglidi der Interessen der Jugend zur Kenntnis solcher Organisationen zu bringen; die Aufmerksamkeit der öffentlichen Weltmeinung auf die dringenden Nöte der Jugend zu lenken; engstmöglichen Kontakt mit anderen Organisationen, die ähnlidte Ziele verfolgen, aufrechtzuerhalten und die Unterstützung hervorragender Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu suchen.“
Den kommunistischen Initiatoren war es darum zu tun, eine möglichst breite Ausgangsbasis zu schaffen. Je allgemeiner und unverfänglicher Programm und Ziele des Weltbundes formuliert waren, um so größer die Chance, Organisationen -war nichtkommunistische zu infil trieren, andere Weltorganisationen auszuschalten, durch die Gründung internationaler Verbände unter kommunistischer Kontrolle einen Einfluß auf die Vereinten Nationen auszuüben und unter dem Deckmantel der Überparteilichkeit die Ziele des Weltkommunismus in allen Ländern zu propagieren. Der Weltbund sollte — gleich den unter ähnlichen Bedingungen geschaffenen internationalen Frauen-, Kultur-, Intellektuellen-und Friedensvereinigungen, die unter der Losung des dauerhaften Friedens getarnten sowjetischen Offensiven zur Ausbreitung der imperialen Sowjetpolitik in allen Teilen der Welt unterstützen, um auf diese Weise größere Teile des liberalen und demokratischen Lagers in der Welt zu gewinnen oder mindestens zu neutralisieren. Der Weltbund verkörperte auf dem Sektor der Jugendpolitik des internationalen Kommunismus den großangelegten Versuch einer Infiltration der nichtkommunistischen Jugendverbände und gleichzeitig die neue Form der kommunistiselten Jugendinternationale unter den veränderten Bedingungen nach dem zweiten Weltkrieg. Die Forderungen nach internationaler Verständigung, nach Beseitigung der Reste des Faschismus, nach Demokratie, Hebung des Lebensstandards, nach Propagierung der ', Weltbürgerschaft‘ und nach Beeinflussung der öffentlichen Meinung hinsichtlich der Jugendinteressen entsprechen in erster Linie der Sowjet-
politik, da sie nur im Westen und in den kolonialen Ländern angewandt wurden, auf den autoritär gelenkten Ostblock aber ohne Auswirkung waren. Unter . Verständigung'mit anderen Verbänden verstanden die Kommunisten die Infiltration anderer Jugendverbände und deren Gewinnung für die Kampagnen der Sowjetpolitik, z. B. die Unterzeichnung des Stockholmer Friedensappells, die LInterstützung Nordkoreas im Koreakrieg, die Verteidigung der sowjetischen Deutschland-konzeption usw. Mit der Forderung nach Demokratie und Beseitigung der Reste des Faschismus sollte die kommunistische Propaganda in allen westlichen Ländern legalisiert werden. Im Ostblock dagegen war es unmöglich, freiheitliche Gedankengänge durch den Weltbund zu verbreiten, weil dort die kommunistischen Einheitsjugendverbände herrschten und eine totalitäre Kontrolle über die Jugend ausübten.
Das gleiche trifft auf die sogenannten . Grundrechte'des Weltbundes zu. Die vom Bund verkündeten Rechte auf Arbeit, Ausbildung, Erholung, Gesundheitspflege, das Recht auf Organisation, gewerkschaftliche Betätigung und Gleichberechtigung der Geschlechter sind allein auf die westlichen und kolonialen Länder gemünzt. Im Rahmen des Ostblocks gelten sie als formal erfüllt. Die Delegierten der kommunistischen Einheitsorganisationen verherrlichen die politischen und sozialen Verhältnisse in ihren Ländern und stellen sie als vorbildlich hin. Damit richtet sich die Aktivität des Weltbundes ausschließlich auf den Westen und die kolonialen Länder. In der UdSSR und den Volksdemokratien unterstützt sie jeweils die Regierungspolitik.
Schon auf der ersten Weltjugendkonferenz wurde 194 5 in London in der Entschließung ausdrücklich vermerkt:
„Die Konferenz unterstützt den gerechten Kampf der Kolonial-und Halbkolonialvölker um ihre Freiheit und Selbstbestimmung“.
In der Folgezeit hat der Bund eine umfangreiche und erfolgreiche Initiative in den asiatischen, afrikanischen und südamerikanischen Ländern entwickelt. Hier erzielte er auch seinen größten Einbruch in die Reihen der nichtkommunistischen Jugendorganisationen, nicht zuletzt dank der konservativen Politik der Westmächte, besonders der Regierungen von England und Frankreich. In Indonesien, Vietnam, Ceylon, in den arabischen Ländern, Indien und den französischen Kolonien wuchs der Einfluß des Bundes unter der nichtkommunistischen Jugend rapide. Da in vielen ehemaligen Kolonialländern nationale Jugend-und Gewerkschaftsverbände überhaupt verboten waren und sich erst nach Proklamation der Unabhängigkeit bilden konnten, vermehrte sich die Zahl der Mitgliederorganisationen des Weltbundes in der Periode der kolonialen Befreiungskämpfe beträchtlich. Waren auf dem ersten Weltjugendkongreß 1945 in London Delegierte und Beobachter aus 63 Ländern anwesend, so nahmen an der X. Ratstagung 1955 in Warschau bereits Vertreter und Beobachter aus 114 Staaten teil. Andererseits sind eine Reihe von Organisationen und Persönlichkeiten aus den westlichen Demokratien, die nach 1945 zuerst noch mit dem Weltbund sympathisierten, inzwischen ausgeschieden, weil sie seine einseitige Orientierung durchschaut hatten.
Im Laufe der Jahre hat der Weltbund sein politisches Gesicht gewandelt. Die allgemein formulierten Ziele von 194 5 sind längst durch konkretere ersetzt worden, aus denen seine einseitige Parteinahme für den Kommunismus hervorgeht. In seiner politischen Aktivität hat der Weltbund mehr und mehr die Position der Sowjetunion bezogen.
Auf der X. Ratstagung in Warschau waren seine Hauptforderungen:
Verbot der Kernwaffen, Einschränkungen der Rüstungen und Streitkräfte, Lösung der deutschen Frage als einer Sache der Deutschen selbst, Verminderung der internationalen Spannungen auf dem Wege von Verhandlungen, Koexistenz und Weltfrieden.
Diese Forderungen hätten Inhalt jeder diplomatischen oder propagandistischen Erklärung der Sowjetunion sein können. Jede Schwenkung der sowjetischen Außenpolitik wird vom Weltbund gehorsam mitgemacht. Angeblich für Frieden und Selbständigkeit, gegen jede Aggression, hat er den Angriff der Nordkoreaner auf Südkorea genau so gedeckt wie er das Eingreifen der Sowjetpanzer zur Niederschlagung der ungarischen Revolution billigte, gleichzeitig aber die Aggression in Ägypten entschieden verurteilte. Diese wenigen Beispiele beweisen den eigentlichen Charakter des Weltbundes als einer internationalen Hilfsorganisation des Kommunismus.
Aufbau und Organisation des Bundes Noch deutlicher wird die Abhängigkeit des Weltbundes vom Sowjet-block bei einer Betrachtung seines Aufbaus und seiner Organisationsform. Nach der Verfassung des Weltbundes ist seine höchste Körperschaft der Weltjugendkongreß. Dieser Konkreß, der laut Statut spätestens alle zwei Jahre zusammentreten soll, hat die offizielle Aufgabe, die Politik des Bundes zwischen den einzelnen Kongressen festzulegen. In der Praxis aber werden die Beschlüsse von anderen Gremien, dem Sekretariat und vor allem von dessen sowjetischen Vertretern bestimmt.
Die Verfassung garantiert eine kommunistische Mehrheit in der Vollversammlung, indem sie die Größe der Delegationen von der zahlenmäßigen Stärke der jeweiligen Jugendorganisation und der Bevölkerungszahl des Landes abhängig macht. Da in der Sowjetunion und den Volksdemokratien Einheitsorganisationen der Jugend bestehen, die auf Grund der staatlichen Maßnahmen in der Regel die Mehrheit der Jugend umfassen, ist automatisch ein zahlenmäßiges Übergewicht der kommunistischen Organisationen gesichert. Dazu kommt, daß diese kommunistischen Verbände fraktionell auftreten, während die nichtkommunistischen Organisationen isoliert und ohne zentrale Leitung operieren.
Der Rat behält sich das Recht vor, den angeschlossenen internationalen Organisationen, z. B.dem ebenfalls unter kommunistischen Einfluß stehenden . Internationalen Studentenbund’ (ISB, Sitz Prag) nach dem gleichen Prinzip Stimmrechte zu erteilen. Damit können unter kommunistischer Führung stehende andere internationale Organisationen durch ihre kommunistisch gelenkten Sekretariate parteiergebene Vertreter in großer Anzahl als Delegierte zum Weltkongreß entsenden, so daß dadurch die Mehrheit der kommunistischen Vertreter gesichert ist.
Zwischen den einzelnen Weltjugendkongressen leitet nach den Statuten der Weltjugendrat die Geschäfte des Bundes. Er soll einmal jährlich zusammentreten. Seine Mitglieder werden auf der jeweiligen Weltjugendkonferenz . gewählt'. Diese Wahl ist in Wirklichkeit fiktiv, da dem Weltkongreß nur eine von den Kommunisten vorbereitete Liste unterbreitet wird. De facto ist auch der Rat nur ein repräsentatives Gremium ohne nennenswerten politischen Einfluß auf die Politik des Bundes. Eine größere Rolle spielt der Ausschuß, in der Angleichung an die Kommunistische Terminologie auch . Exekutivkomitee'genannt. Er setzt sich aus etwa 15— 20 Funktionären zusammen, deren Mehrheit aus Kommunisten besteht. Während in der Zusammensetzung des Weltkongresses und des Rates Großzügigkeit geübt wird, weil er in erster Linie repräsentative Aufgaben zu lösen hat, wird bei der Exekutive größter Wert auf die eindeutige Überlegenheit der Kommunisten gelegt. Der eigentliche Arbeitskörper ist das hauptamtliche Sekretariat, von dem in der Verfassung nur bescheiden mitgeteilt wird, es werde von der Exekutive geschaffen. In Wirklichkeit aber ist das Sekretariat die eigentlich bestimmende Körperschaft, seine Mitarbeiter sind hauptamtlich tätig. 194 5 waren in diesem Sekretariat noch einige Nichtkommunisten, dann wurden in den Jahren 1951/52 personelle Änderungen vorgenommen, die eine ausschließliche Besetzung des Sekretariats mit Kommunisten sicherten. Hier wird die eigentliche Arbeit des Bundes geplant, angewiesen und überwacht. Das Sekretariat führt die eigentlichen Geschäfte, entwirft alle Dokumente, verwaltet die Gelder des Bundes und steuert seine Aktivität. Die parteipolitische Zusammensetzung der hauptamtlichen Funktionäre des Sekretariates ist ein weiterer Beweis des kommunistischen Übergewichtes. Der Präsident des Bundes, Bruno Bernini, ist Mitglied der kommunistischen Partei Italiens. Der Generalsekretär, Jacques Denis, bürgerlicher Herkunft und aus der katholischen Jugendbewegung stammend, ist bereits vor zehn Jahren zur KP Frankreichs übergetreten. Die hauptamtlichen Sekretäre des Weltbundes: Gomez — Brasilien, Chen Li-jen — China, Nixon — London, Vdovin — LIdSSR, sind sämtlich Mitglieder ihrer nationalen kommunistischen Parteien. Die wichtige Funktion des Schatzmeisters bekleidet der ungarische Kommunist Antal Gönyel. Von den acht Vizepräsidenten des Welt-bundes sind sechs Kommunisten, unter ihnen der Vorsitzende des sowjetischen Komsomol. Von 36 Mitgliedern des Exekutivkomitees, zu dem auch die Vizepräsidenten gehören, sind über 26 Mitglieder der jeweiligen kommunistischen Parteien. Der Rest besteht aus Vertretern von Organisationen, die nach Befreiung ihrer Länder aus kolonialer Abhängigkeit stark mit den Kommunisten sympathisieren.
Der Weltjugendrat ist zwar breiter zusammengesetzt, die Majorität liegt jedoch auch hier bei den Kommunisten. Der Weltbund arbeitet nach dem Prinzip des .demokratischen Zentralismus', das in allen kommunistischen Parteien und deren Hilfsorganisationen gilt. Es bedeutet die uneingeschränkte Anerkennung und Erfüllung der von der Führung beschlossenen Anweisungen und die bedingungslose Erfüllung aller zentralen Beschlüsse. In der Verfassung des Bundes heißt es daher auch, daß die Mitgliederorganisationen verpflichtet sind, an der Konstitution des Bundes festzuhalten und daran zu arbeiten, daß „. . . die Mitgliedsverbände die Entscheidungen des Kongresses und seiner führenden Körpersdtaften (Rat, Exekutive, Sekretariat, Finanzprüfungsausschuß)
innerhalb des Rahmens der betreffenden Organisation durchführen.“
Weiterhin ist während der Entwicklung des Bundes eine weitgehende Angleichung seines Aufbaus an die Formen der kommunistischen Massenorganisationen des Ostblocks erfolgt. Während sich der WBDJ noch 1945 einfach in den Weltkongreß, den Rat und die diesem angeschlossenen Sekretäre gliederte und letztere einer gewissen Kontrolle des Rates unterwarf, wurde bereits 1951 das Exekutivkomitee als die bestimmende Körperschaft begründet, die kaum noch von dem einmal jährlich tagenden Rat überprüft werden kann.
Exekutive und Sekretariat aber sind ausschließlich Instrumente der KPdSLI, ihre Entscheidungen werden direkt von den Sowjets gesteuert. Nach Auflösung der KJI mußten seitens der Sowjets mit der Entstehung des Weltbundes neue Wege zu dessen Kontrolle gefunden werden. Dank der zahlenmäßigen Stärke des Komsomol (19 Millionen Mitglieder) war der führende Einfluß der kommunistischen Jugendbewegung im Weltbund grundsätzlich gesichert, trotzdem suchten die Sowjets darüber hinaus unmittelbar auf die Entscheidungen der hauptamtlichen Gremien Einfluß zu gewinnen. Deshalb schufen sie neben dem Zentralkomitee des Komsomol ein sogenanntes . Komitee der Sowjetjugend’, das nach außen hin über den Komsomol hinaus die gesamte sowjetische Jugend repräsentieren sollte. Damit sollte dem Anwurf entgegengetreten werden, eine rein kommunistische Jugendorganisation wie der Komsomol bestimme die Geschicke einer überparteilischen Weltorganisation. In Wirklichkeit aber ist das . Antifaschistische Komitee der Sowjetju-
gend nichts anderes als die Ausländsabteilung des Zentralkomitees des Komsomol. Diese Ausländsabteilung des Komsomol wurde aufgelöst, mit dem Komitee vereinigt und in ein seperates Haus gelegt, um nach außen hin eine Unabhängigkeit vom Komsomol zu betonen. Tatsächlich aber waren die Leiter des Komitees, früher Romanowsky, jetzt Vdowin, gleichzeitig Mitglieder des Sekretariates des ZK des Komsomol. Alle Maßnahmen des Komitees wurden im Sekretariat des Komsomol beschlossen, nicht anders als bei jeder anderen Abteilung der sowjetischen Jugendorganisation. Zugleich wurden die Leiter des Komitees und Beauftragten des Komsomol Mitglieder der Exekutive und des Sekretariates des Weltbundes, wo ihre Stimme bei allen Plänen und Entscheidungen ausschlaggebend war und ist. Jede Maßnahme des Bundes, jede Losung und Planung geht von den Sowjetvertretern aus, zu jeder Entscheidung ist ihre Zustimmung erforderlich. Da alle Mitglieder des Sekretariates Kommunisten sind und diese auch in der Exekutive die Mehrheit besitzen, werden selbstverständlich die Anweisungen der Sowjets bedingungslos befolgt.
Die führende Rolle der Sowjetunion ist auch heute noch für die meisten Kommunisten oberstes Gebot. So wurden die Hauptlosungen der sowjetischen Außenpolitik ebenso wie alle anderen sowjetischen Kampagnen ausnahmslos vom Weltbund übernommen und lediglich in eine für die Massen der nichtkommunistischen Jugend verständliche Sprache übersetzt.
In der Exekutive arbeiten die Sowjetvertreter im Rahmen von Fraktionen. Vor Beginn der offiziellen Exekutivsitzung werden die kommunistischen Vertreter der Exekutive zusammengerufen und der offizielle Kurs der Sitzung festgelegt. An diese Beschlüsse sind alle kommunistischen Exekutivmitglieder gebunden. Anschließend werden auf diesen Geheimbesprechungen die einzelnen Redner bestimmt, damit die Sowjets ihre Vorschläge in der Öffentlichkeit nicht allein vertreten. Nicht selten kommt es vor, daß einzelne Kommunisten mit der persönlichen Beeinflussung von Nichtkommunisten beauftragt werden, um diese zur Zustimmung der Vorschläge zu bewegen. In den Jahren 19 51/52 waren die Vertreter des Komsomol noch vorsichtiger. Bei den vertraulichen Vorbesprechungen wurden nicht nur Beschlüsse gefäßt und Redner bestimmt, sondern auch Maßnahmen für den Fall besprochen, daß Vorschläge der kommunistischen Fraktionen auf Widerstand, der Nichtkommunisten stoßen sollten. Für solche Eventualitäten wurde eine Anzahl weiterer Redner vorgesehen und die Aufspaltung der Exukutive in Kommissionen vorbereitet. Darüber hinaus wurden nicht zuletzt Maßnahmen besprochen, deren Druck die Opposition gefügig machen sollte. Mit solchen Methoden sicherten die Sowjets die politische Führung im Weltbund.
Der Weltbund ist von den Sowjets und deren Satelliten materiell völlig abhängig. Laut Verfassung des Weltbundes richten sich seine Mitgliedsbeiträge nach der zahlenmäßigen Stärke der einzelnen Mit-gliederorganisationen. Der Komsomol mit 19 Millionen Mitgliedern, die chinesischen Verbände mit mehr als 20 Millionen, die Einheitsorganisationen der Ostblockländer mit mehr als 12 Millionen bringen naturgemäß den Hauptanteil der Beiträge auf. Darüber hinaus sind sie noch zu Spenden für die finanzschwachen Verbände der kapitalistischen Länder verpflichtet, deren Zahlungen oft nur auf dem Papier stehen. Gehälter, Wohnungen, Hotels und Büroräume des Sekretariats in Budapest, seine Agitationsfonds, Reisespesen, Autos usw. werden größtenteils von den Sowjets und den Verbänden der Ostblockländer getragen. Damit befinden sich die Angestellten des Bundes in direkter materieller Abhängigkeit von den Sowjets und deren Satelliten. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß der Weltbund in seiner politischen Arbeit die Linie der sowjetischen Außenpolitik verfolgt, in seinem Organisationsaufbau den Massenjugendverbänden kommunistischer Prägung entspricht und in seiner materiellen Lage völlig von den Sowjets und ihren Satelliten abhängig ist. Im Auftrage der KPdSU haben die Vertreter des Komsomol im Weltbund und dessen führenden Gremien die Leitung in ihren Händen konzentriert und gesichert.
Trotzdem ergeben sich nach dem XX. Parteitag der KPdSU neue Probleme für die innere Einheit des WBDJ, die auch im Westen nicht übersehen werden sollten. Die These von der Legalität eigener Wege zum Sozialismus, die auf dem XX. Parteitag verkündet wurde, gefährdet die bisherige Leistungspraxis im Weltbund ernstlich. Schon brauchen sich die polnischen Vertreter der Exekutive nicht mehr an die Weisungen der Komsomolzen gebunden zu fühlen. Eine Anzahl von asiatischen und arabischen Verbänden drängt auf vermehrte Einflußnahme, die ebenfalls den absolutistischen Machtanspruch der Sowjets gefährdet. So gab es in Sekretariat und Exekutive des Weltbundes anfangs keine Einigkeit in der Einschätzung der ungarischen Revolution Erst ein starker Druck der Sowjets erzwang eine immer noch unbefriedigende Erklärung. Die Kluft, die nach Stalins Tod in den kommunistischen Parteien aufgerissen wurde, zieht sich auch durch die Weltjugendorganisation. Es wird nicht zuletzt von der aktiven und klugen Koexistenz-politik des Westens abhängen, ob und in welchem Tempo Veränderungen in dieser großen Organisation stattfinden können.
Die Weltfestspiele der Jugend und Studenten von Prag bis Moskau
Abbildung 4
Abbildung 4
Die Aktivität des Weltbundes erstreckt sich auf internationale Aktionen wie die „Weltjugendwoche“, den „Weltjugendtag“, den „Tag der kolonialen Jugend“ und ähnliche Veranstaltungen, Versammlungskampagnen und Meetings. Die größte zentrale Aktion des WBDJ bilden die sogenannten „Weltfestspiele der Jugend und Studenten für den Frieden“, die seit Beendigung des zweiten Weltkrieges zum Sechsten Male durchgeführt werden. Diese Form der internationalen Massenaktion ist im Rahmen der kommunistischen Jugendbewegung ein Novum. Zwar hat es auch zur Zeit der KJI internationale Jugendkongresse mit kulturellen Veranstaltungen, Agitproptrupps und Wettbewerben gegeben, den Weltfestspielen jedoch sind größere und breitere Ziele gesteckt. Die Weltfestspiele, die vom Weltbund in Verbindung mit dem . Internationalen Studentenbund’ durchgeführt werden, sind eine großangelegte Propagandaaktion mit dem Ziel, neue nichtkommunistische Verbände für den Kommunismus zu gewinnen. Durch Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Festspiele sollen die Mitgliederorganisationen des WBDJ ihre Tätigkeit verstärken, ihren Einfluß besonders in den unterentwickelten Ländern vertiefen und Kraft, Optimismus, Lebensmut, Friedenswillen, sozialen und kulturellen Fortschritt der UdSSR und des Ostblocks dokumentieren. Nach der offiziellen Darstellung des WBDJ ist das Festival ein grandioses Fest des Friedens, der Völkerfreundschaft und des frohen sportlichen und kulturellen Wettstreites. In der Tat jedoch dienen die Festspiele der jeweiligen Politik der Sowjetunion, der Vertiefung ihrer internationalen Kontakte, der Infiltration nichtkommunistischer Organisationen und der Propagierung der führenden Rolle der UdSSR.
Der strategische Plan zu den Weltfestspielen gliedert sich zeitlich in drei Etappen, denen spezifische Schwerpunkte zugewiesen sind: Vorbereitung, Durchführung und Auswertung des Festivals.
Die Vorbereitung der Festspiele Die Periode der Vorbereitung dient der Aktivierung der jeweiligen nationalen Jugendorganisationen, die dem Weltbund angeschlossen sind.
Sie vollzieht sich unter den aktuellen Losungen der nationalen kommunistischen Bewegungen und wird deshalb in den einzelnen Ländern unterschiedlich geführt. Die politische Vorbereitung umfaßt zwei Komplexe: die internationalen und nationalen Aspekte der Kampagne zum Festival. Die internationale Thematik der Vorbereitung des Festivals ist im allgemeinen in allen Ländern gleich. Sie beinhaltet im wesentlichen die aktuellen Losungen der sowjetischen Außenpolitik, in diesem Jahr die Probleme der Abrüstung, des Kernwaffenverbots und die Minderung internationaler Spannungen durch friedliche Koexistenz. In den vergangenen Jahren enthielten sie die Aufforderung zur Unterstützung der nordkoreanischen Aggression, zum Kampf gegen den amerikanischen Imperialismus, zur Verstärkung der kolonialen Revolutionen usw.
Neben diesen international gültigen Zielen werden zur Vorbereitung des Festivals in den einzelnen Ländern unterschiedliche Losungen aufgestellt, die sich auf die verschiedenen, national bedingten Probleme beziehen. Eines jedoch haben auch diese überall gemeinsam:
Sie stehen nie im Widerspruch zur Politik der jeweiligen nationalen kommunistischen Parteien, wenn sie auch nicht — zur Wahrung der Überparteilichkeit des Festivals — ausgesprochene Parteilosungen darstellen. Die dem Weltbund angeschlossenen arabischen Verbände zum Beispiel stellen in den Vordergrund ihrer Propaganda den weiteren Kampf um die nationale LInabhängigkeit, den Kampf gegen die Eisenhowerdoktrin, die Unterstützung der algerischen Freiheitskämpfer und den wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg ihrer Länder.
In den lateinamerikanischen Ländern richtet sich der Kampf gegen den Einfluß der LISA, wird für die Übernahme der Bodenschätze in nationale Regie und für die Verwirklichung zahlreicher wirtschaftlicher, sozialer und kulturpolitischer Forderungen eingetreten. In allen westlichen Ländern beziehen sich diese Forderungen — regional unterschiedlich — auf politische, wirtschaftliche, soziale, erzieherische und kulturelle Fragen. In den Ländern des Ostblocks dagegen, in denen eine offizielle Kritik an der Politik der kommunistischen Parteien nicht möglich ist, werden Losungen zur Steigerung der Produktion, zur Stärkung der Armee, zur Verteidigung der „Errungenschaften“ proklamiert, Wettbewerbe und Selbstverpflichtungen abgeschlossen. So dient die politische Vorbereitung des Festivals eindeutig dem Ziel, in den westlichen Ländern die bestehende Ordnung zu untergraben, in den unterentwickelten ehemaligen Kolonien den Nationalismus zu schüren und in den kommunistischen Staaten das bestehende System zu stabilisieren. Als wichtigste Aufgabe ist allen dem Weltbund angeschlossenen Verbänden aufgegeben, Kontakte zu anderen Jugendverbänden, Gruppen und zu Einzelpersönlichkeiten zu schaffen. Der Weltbund ist bei der Werbung der Teilnehmer für die Festspiele bestrebt, über den Rahmen seiner Mitgliederorganisationen hinaus zu wirken. Deshalb werden die Werbemaßnahmen in den einzelnen Ländern nicht von den dem Weltbund angeschlossenen Verein allein getragen. Als eigentliche Initiatoren der Festspielvorbereitungen versuchen diese Organisationen, ein nationales Festspielkomitee ins Leben zu rufen, bei dem sie selbst im Hintergrund bleiben, weil sie in vielen Fällen bereits als Kommunisten abgestempelt sind. Diese nationalen Festspielkomitees sollen so breit wie möglich zusammengesetzt sein und vor allem Wissenschaftler, namhafte Künstler, Dichter, Bildhauer usw. zu ihren Mitgliedern zählen. Als Präsident fungiert in der Regel eine parteilose, möglichst bekannte, angesehene Persönlichkeit, die wiederum die Überparteilichkeit des Festivals unter Beweis stellen soll. Nach dem Muster dieses nationalen Komitees werden in den einzelnen Bezirken, Kreisen und Städten, wenn möglich auch in den Betrieben, ebenfalls Ausschüsse gebildet, so daß zur Vorbereitung der Festspiele zahlreiche Kontakte zwischen den eigentlichen Veranstaltern und breiten bisher nicht erfaßten Tugend-kreisen entstehen. Die eigentlichen Organisatoren, die unter kommu-
nistischer Führung stehenden Jugendverbände, entsenden ihre Vertreter auch in diese Ausschüsse und Komitees, sind im übrigen aber bemüht, deren Tätigkeit möglichst unauffällig zu lenken. Da sie im Gegensatz zu den als Aushängeschildern dienenden Repräsentanten über mehr Zeit verfügen, in einem Parteiauftrag handeln und bereits einen festen Plan für die Tätigkeit des Komitees besitzen, fällt es meist nicht allzuschwer, die Initiative dieser Tarnorgane aus dem Hintergrund zu leiten.
Aus Anlaß der Vorbereitung werden zahlreiche Verbindungen geknüpft, von denen die wichtigsten an die jeweiligen kommunistischen Parteien weitergegeben werden. Die nationalen kommunistischen Parteien entwickeln selbst Unterstützungspläne für die Jugendverbände, stellen diesen Agitatoren und finanzielle Mittel zu Verfügung und popularisieren Ziel und Zweck der Weltfestspiele in ihren eigenen Parteiversammlungen. Die öffentliche Agitation vollzieht sich dann in Versammlungen, Diskussionssoren, Wanderungen, Kultur-und Sportfesten und im Rahmen geselliger Zusammenkünfte.
Außer der politischen Propaganda zu den Festspielen wird in den letzten Jahren zunehmend eine allgemeine und unpolitische Propaganda geführt, anknüpfend an die Reiselust der Jugend und ihren natürlichen Wunsch, fremde Länder zu sehen. Dabei spielt die materielle Seite eine wichtige Rolle, da in den meisten Fällen — besonders in den Ländern mit großen kommunistischen Parteien wie Frankreich und Italien — die Reisespesen durch Zuschüsse der Parteien und des Weltbundes auf ein Minimum reduziert werden. Die Fahrt aus der Bundesrepublik zu den VI. Weltfestspielen nach Moskau einschließlich vierzehntägigem Aufenthalt kostet die westdeutschen Teilnehmer nur 145 DM. Die gleiche Reise würde unter normalen Umständen wesentlich mehr erfordern.
Weiterhin werden in den einzelnen Ländern von den Komitees und den am Festival interessierten Jugendverbänden Künstler, Kultur-gruppen und Sportler angesprochen, um sie zur Teilnahme an den Weltfestspielen zu veranlassen. Den nationalen Komitees werden so-genannte Kultur-und Sportkommissionen angegliedert, die ein „Nationalprogramm" einstudieren, in dem traditionsgebundene Volkskunst mit aktuell-politischer Agitation verbunden ist. In Ländern, in denen Festspielkomitees und kommunistische Organisationen großen Einfluß besitzen, werden in Vorbereitung der Festspiele nationale Festivals organisiert, auf denen Vorentscheidungen der Wettbewerbe ausgetragen und die Generalproben der zentralen Programme aufgeführt werden. Dabei behalten die kommunistisch gelenkten Jugendverbände trotz aller Komitees stets den Gesamtüberblick und überwachen unter Anleitung der kommunistischen Parteien alle Vorbereitungen. Sie verteilen-die Mittel und stellen den Kern der Delegation, unter deren Teilnehmern sich stets eine Anzahl von Sicherheitsbeauftragten befinden.
Während in den Ländern außerhalb des Ostblocks die Vorbereitung der Festspiele zu einer großangelegten politischen und kulturellen Kampagne mit dem Ziel der LInterwanderung anderer Jugendverbände, Kultur-und Sportorganisationen benützt wird, hat die gleiche Phase in den Ländern des Ostblocks andere Aufgaben. Mit staatlichen Mitteln wird hier ein großer Apparat in Bewegung gesetzt. Große Versammlungskampagnen, Sternfahrten, Kultur-und Sportwettbewerbe, Preisausschreiben usw. sollen Jugend und Bevölkerung mit den Gedanken des Festivals vertraut machen., Im Mittelpunkt stehen Verpflichtungen zur Steigerung der Produktion, industrielle Wettbewerbe und eine umfangreiche Pressekampagne. Auch in diesen Ländern werden repräsentative Komitees und Kommissionen gebildet, aber mehr noch als in den westlichen Ländern liegt die Leitung der Vorbereitungen ausschließlich bei den kommunistischen Jugendverbänden.
Sie wählen die Teilnehmer aus, überprüfen jeden einzelnen Kandidaten vor seiner Delegierung durch die Kaderabteilungen und lassen die endgültige Gesamtliste der Teilnehmer in den Politbüros der kommunistischen Parteien beschließen. Die Delegationsleitung besteht in der Regel aus einigen Sekretären dieser Organisationen, unter den Teilnehmern befindet sich eine Anzahl Geheimpolizisten (auf etwa 2C bis 30 Delegierte je einer), andere Delegierte sind Angehörige der jeweiligen Nachrichtendienste, die während des Festivals mit Teilnehmern aus dem Westen in Kontakt treten.
Die Delegationen gliedern sich in drei Gruppen: die politische, die kulturelle und die Sportdelegation. Jeder der Teildelegationen steht ein Vertreter des Jugendverbandes vor, ihr gehören einige Geheimpolizisten an. Auch sind ihr Dolmetscher zugeteilt, die in der Regel ebenfalls von der Geheimpolizei verpflichtet sind. Die Delegationen haben strenge Instruktionen. Sie werden vor ihrer Abfahrt meist auf einem Vier-Wochen-Lehrgang politisch geschult und am Ende des Lehrgangs nochmals gesiebt. Kulturschaffende und Sportler können jedoch nicht nach diesen Prinzipien ausgesucht werden, weil die Wettkämpfe die Entsendung der Spitzenkräfte erfordern, deren künstlerisches und sportliches Können keineswegs mit politischer Linientreue identisch ist. Die Kultur-und Sportdelegationen werden deshalb besonders gut überwacht.
Ein Vergleich zwischen westlichen und östlichen Delegationen ergibt folgendes Bild: Während die Delegationen aus den westlichen Ländern verhältnismäßig locker geführt werden, sind die Teilnehmer aus dem Ostblock straff organisiert und geleitet. Während die oft ahnungslosen Gäste aus dem Westen völlig unvoreingenommen zu den Festspielen erscheinen, sind die Delegationen aus der Sowjetunion und den Volksdemokratien ideologisch vorbereitet. Die Teilnehmer aus den westlichen Ländern sind meist nur mit geringen Mitteln ausgerüstet. Sie werden von dem Glanz, der Qualität und der Vielseitigkeit der Darbietungen der Ostblockdelegationen geblendet. Damit hat die KPdSU ein wesentliches Ziel der Weltfestspiele erreicht: Das Gastland — immer ein Land des Ostblocks — erscheint wirtschaftlich, sozial und politisch als erstrebenswertes Vorbild der allgemeinen Entwicklung. Die mit unbeschränkten Mitteln ausgestattete Delegation der Sowjets erscheint als überlegener Repräsentant des bereits verwirklichten Sozialismus.
Die Vorbereitungen in dem Gastland werden unter Einsatz großer Mittel durchgeführt. Schwimmstadien, Vergnügungsparks, Sportarenen/große Basare, neue Theater, Konzertpaläste und neue Hotels werden errichtet, große Mengen an Verpflegung werden freigegeben, die ein trügerisches Bild von der Lage des Landes geben. In allen Gastländern, in denen seit 1949 die Weltfestspiele durchgeführt wurden, mußten jeweils ein Jahr vorher Zusatz-Haushaltspläne für das Festival genehmigt werden. Die eigens für die Festivalteilnehmer erbauten Sportanlagen stehen nach dem Festival in keinem Verhältnis zu den normalen Bedürfnissen der einheimischen Bevölkerung. In Ostberlin (1951) und Bukarest (195 3) z. B. wurden Sportstätten mit einer Kapazität er-richtet, die heute nicht ausgenutzt werden kann und deren Unterhalt große Summen verschlingt.
Ähnlich ist es mit der Verpflegung der ausländischen Teilnehmer. Monatelang vor Beginn der Festspiele werden lebenswichtige Nahrungsmittel verknappt, gehortet und dann zum Festival ausgegeben. In den Läden von Budapest war 1949 eine Fülle von Waren erhältlich, die der ungarischen Bevölkerung hur noch aus der Erinnerung bekannt waren. Die gleiche Erscheinung hat sich bei allen bisherigen Festspielen wiederholt. Die Hauptstädte, in denen die Festspiele stattfinden, werden in der Vorbereitungzeit nach einem besonderen Plan bearbeitet, in den fast jedes Haus einbezogen ist. Durch zahlreiche Aufklärungsgruppen und Quartierwerber, durch die in den kommunistischen Staaten agierenden Hausobleute werden die Bewohner politisch bearbeitet. Da die Sehnsucht der vom Ausland abgeschlossenen Menschen nach Kontakten mit Ausländern groß ist, stellen sie in der Regel Quartiere zur Verfügung. In der Praxis bekommen sie jedoch nur zuverlässige Kommunisten zugewiesen, da die unzuverlässigen Gäste entweder in Hotels oder in gut vorbereiteten Massenquartieren wie Schulen, Erholungsheimen, Gästehäusern und Heimen untergebracht werden. Das aber wissen die Be-wohner zum Zeitpunkt der Quartierwerbung noch nicht. Sie gehen bereitwillig auf alle Vorschläge ein, helfen bei der Ausschmückung ihrer Straßen und Häuser, veranstalten vor dem Eintreffen der Teilnehmer einen Generalhausputz und überbieten sich den Gästen gegenüber in Gastfreundschaft.
Die Sicherung der Festspiele Neben diesen offiziellen Vorbereitungen aber werden von den kommunistischen Parteien und deren Jugendverbänden zahlreiche interne Maßnahmen getroffen. Zu den wichtigsten gehört die Auswahl der Ordner, Dolmetscher und des Sicherheitspersonals. Aus den zuverlässigsten Kadern der Partei, der Jugendorganisation und des Staatsapparates werden alle Sprachkundigen auf besonderen Schulen zusammengezogen, ideologisch instruiert und dann in Dolmetscher-Brigaden eingeteilt. Sie haben nicht nur die Aufgabe, den Gästen bei der Verständigung mit der Bevölkerung behilflich zu sein, sondern erhalten auch genaue Anweisungen über die Betreuung der Delegationen. Gleichzeitig sind sie verantwortlich für die politische Beeinflussung, die Kontrolle und die Beobachtung der ihnen anverlrauten Gruppen. Während der Lehrgänge besuchen Kommissionen der jeweiligen Staatssicherheitsdienste die Dolmetscher und verpflichten die Zuverlässigsten als Agenten der Geheimpolizei. Diese geben während des Festivals den Spitzenfunktionären der Sicherheitsdienste genaue und detaillierte Berichte über Verhalten, Gespräche und Kontakte der Betreuten. Während der Festspiele in Budapest (1949), Berlin (1951) und Bukarest (1953) war jeder Leiter einer Dolmetscherbrigade gleichzeitig Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes. Aus den Aufgaben ihrer Dolmetscher stellten sie täglich ausführliche Berichte für die Geheimpolizei zusammen. Auf diese Weise sind in Budapest 1949 einige Hundert Ungarn verhaftet worden, weil sie versuchten, mit westdeutschen und österreichischen Delegierten in Kontakt zu kommen, um diesen Briefe ins Ausland mitzugeben.
Nicht nur die Dolmetscher erhalten eine Sonderausbildung. Neben ihnen werden zahlreiche Helfer, Ordner, Lotsen und Wachleute ausgebildet. Die Sicherung der Festspiele wird in der Regel nach folgendem Prinzip vorbereitet: Jedes Objekt, ob Hotel, Massenquartier, Theater, Speiselokal, Sport-und Kulturanlage, Museum, Ausstellung usw. erhält einen Ordner-und Lotsenstab. Schwerpunkte sind jene Objekte, die dem Wohnen und Schlafen dienen, sie sind Tag und Nacht bewacht. Die Pförtner registrieren jeden Ein-und Ausgang, der nicht in Gegenwart der Lotsen und Dolmetscher vonstatten geht. Diese Kontrolle erstreckt sich jedoch nur auf die Delegationen aus dem Westen. Die Teilnehmer aus den Volksdemokratien und der Sowjetunion werden nicht so gründlich überwacht, weil sie ihre eigenen strengen Anweisungen und auch eigenes Sicherheitspersonal in der Delegation haben. In den Quartieren der westlichen Teilnehmer wird eine besonders genaue Kontrolle über jene Besucher geführt, die nicht in dem betreffenden Objekt wohnen. Jeder Besucher wird besonders in den Abendstunden von den Ordnern nach seinem Namen, dem Zweck seines Besuches und der Person gefragt, die er zu sprechen wünscht. Diese Angaben werden in der Regel unauffällig notiert; wiederholen sie sich, so werden sie an die Sicherheitsorgane weitergegeben. Für jedes Objekt ist ein Beamter der Staatspolizei vorgesehen, der seine Mitarbeiter aus dem Ordnern und Lotsen heraussucht. Auch diese Kräfte werden vor ihrem Einsatz in Sonderschulungen mit ihren Aufgaben vertraut gemacht.
Eine besondere Rolle spielen die Nachrichtendienste in Vorbereitung der Festspiele. Einmal werden ihre Agenten als Betreuer westlicher Delegationen präpariert, zum anderen bringen sie ihre Mitarbeiter in jenen großen Hotels unter, in denen namhafte Persönlichkeiten des Auslandes wohnen. Weiterhin bereiten sie u. a. eine Reihe von Kontaktleuten vor, die dann als offizielle Vertreter des jeweiligen Gastlandes Zusammenkünfte mit ausländischen Teilnehmern führen sollen. Diese Kontaktleute treten in der Regel als Wissenschaftler, Funktionäre oder Kulturschaffende auf. Die Delegationen aus den Volksdemokratien und besonders aus der Sowjetzone haben zu allen bisherigen Festivals eigene Vertreter ihrer Nachrichtendienste mitgebracht, die ihrerseits ebenfalls Kontakte anknüpfen und Informationen sammeln: Mancher spätere Agent, der im Westen für einen östlichen Geheimdienst tätig war, ist zum ersten Mal auf einem Festival „angesprochen“ oder sogar „geworben“ worden.
Eine besonders sorgfältige Ausbildung erhält der Chefbetreuer jeder einzelnen nationalen Delegation. Dieser vereinbart mit der Leitung der Delegation das Besichtigungsprogramm, er ist für alle Schwierigkeiten, Beschwerden und Sonderwünsche zuständig und leitet gleichzeitig den Einsatz der Dolmetscher, Ordner und Helfer. Diese Chefbetreuer — insgesamt etwa 150 — werden aus den zuverlässigen Spitzenfunktionären der jeweiligen kommunistischen Partei und der Jugendorganisation ausgewählt. Es handelt sich im allgemeinen um linientreue und ideologisch geschulte Kräfte. Sie stehen in ständiger Verbindung mit der Zentrale ihrer Partei und der Staatspolizei, sie haben meist auch eine Querverbindung zu den Nachrichtendiensten.
Eine spezielle Beaufsichtigung wird für alle neutralen Beobachter Journalisten usw. vorbereitet. Ihnen werden ebenfalls „Kollegen“ zugeteilt, die ihnen offiziell alles erleichtern, sie in Wirklichkeit aber überwachen sollen.
Alle Vorbereitungen in dem jeweiligen Gastland der Festspiele werden von einem sogenannten Organisationskomitee getroffen. Seine Arbeit umfaßt die eigentlichen Planungen, das Programm des organisatorischen Ablaufes, die Betreuung der Teilnehmer, Sicherheitsfragen, Finanzierung usw. Alle politischen, organisatorischen und technischen Vorbereitungen werden von der Leitung der Jugendorganisation ausgearbeitet, von der Führung der kommunistischen Partei genehmigt und schließlich durch das von der Leitung des Jugendverbandes gebildete Organisationskomitee verwirklicht, das der Jugendorganisation untersteht. Da andererseits der überparteiliche Charakter der Festspiele gewahrt werden soll (deren Träger ja nicht eine einzelne Jugendorganisation sein darf und schon gar keine kommunistische), wird neben dem Organisationskomitee noch ein internationales Festspielkomitee gegründet, das von Weltbundvertretern aus verschiedenen Nationen besetzt wird. In Wirklichkeit aber ist dieses Komitee ohne Kompetenzen.
Es dient nur der Repräsentation und erhält alle Instruktionen und Zuteilungen von dem Organisationskomitee. Seitens der Sicherheitsorgane des Gastlandes wird es mit einem gewissen Mißtrauen betrachtet und besonders überwacht. In den Räumen des Festspielkomitees sind ebenfalls Agenten der Geheimpolizei untergebracht, die nicht nur die Besucher registrieren, sondern auch die Tätigkeit der Mitglieder des Komitees beobachten.
Die Finanzierung der Festspiele Die Finanzierung der Festspiele erfolgt einmal durch die Regierung des gastgebenden Staates, zum anderen durch die Mitgliedsorganisationen des Weltbundes. Sie wird durch Zuschüsse und Lieferungen aus der Sowjetunion und den Volksdemokratien unterstützt. Nach Ausarbeitung des Plans des Festivals durch die Jugendorganisation, in deren Land die Festspiele stattfinden, und nach Billigung durch die zuständige Parteiführung, begibt sich eine Delegation aus führenden Funktionären nach Moskau, um Weisungen für den Verlauf des Treffens und Ratschläge für die organisatorischen Vorbereitungen einzuholen. In Moskau finden in der Regel Besprechungen mit dem Zentralkomitee des Komsomol, dem Staatlichen Komitee für Sport und Körperkultur, Instanzen des Staatsapparates und der KPdSLI statt, um Einzelheiten des politischen, sportlichen und kulturellen Ablaufes zu besprechen und Empfehlungen über Sicherheitsmaßnahmen entgegenzunehmen. Die Ergebnisse dieser Besprechungen sind bindend für die Organisatoren der Veranstaltungen. Als z. B. die Weltfestspiele 19 51 in Ostberlin durchgeführt werden sollten, begab sich eine Delegation aus leitenden FDJ-Funktionären bereits acht Monate vorher nach Moskau, um dort politische Zielsetzung und Aktionen, den Ablauf der Sportspiele, Inhalt, Aufbau und Organisation der Kulturwettbewerbe und nicht zuletzt die Methoden der Absicherung zu besprechen und sowjetische Erfahrungen zu studieren. Nach dieser Instruktionsfahrt gelten die Pläne als endgültig, ihre Verwirklichung beginnt. Die Beratungen zur Finanzierung werden in erster Linie vom Politbüro der jeweiligen kommunistischen Partei geführt, nachdem der Finanzexperte der Partei mit dem zuständigen Minister und der Führung der Jugendorganisation einen Voranschlag über die Höhe der erforderlichen Mittel ausgearbeitet hat. Dieser liegt — umgerechnet — etwa bei 20 Millionen DM. Sind die Voranschläge als Rahmensumme von der Parteiführung gebilligt worden, so entwerfen die Finanzexperten des Staatsapparates in Verbindung mit den zuständigen Jugendfunktionären einen genauen Haushaltsplan, der für alle Ausgaben (Bauten, Verpflegung, Transportkosten, Dekoration, Repräsentation usw.) bestimmte Titel vorsieht. Für die Einhaltung dieser Titel sind später jene Funktionäre verantwortlich, die im Rahmen des Organisationskomitees die entsprechenden Aufgabengebiete leiten. Das detaillierte Budget wird der Parteiführung nochmals zur Bestätigung übergeben. Erst dann wird der Voranschlag als Zusatz zum staatlichen Haushaltsplan (Nachtragshaushalt) dem jeweiligen Parlament vorgelegt, dessen Zustimmung nur eine Formsache ist. Die eigentliche Entscheidung ist längst in der Parteiführung gefallen. Zusätzlich werden mit dem Sekretariat des Weltbundes Vereinbarungen getroffen über Zuschüsse für die dem Weltbund angeschlossenen Verbände in den kapitalistischen Ländern. Nach einem Plan des Weltbundes, der mit den Sowjets abgestimmt ist, hat jede Volksdemokratie einige kapitalistische , Patenländer‘, die zu unterstützen sie verpflichtet ist. Diese Subvention ist in der Regel für Fahrgelder bestimmt, da die Jugendlichen aus entfernten Ländern sonst kaum die Möglichkeit zur Reise hätten.
Schließlich werden über die Außenhandelszentrale des gastgebenden Landes Kontakte zu einer Anzahl von Volksdemokratien ausgenommen, um auf dem Wege über Warenverrechnungen seltene Lebensmittel zu den Festspielen einführen zu können. Lim z. B. die ausländischen Teilnehmer des Festivals 1951 in Ostberlin mit echter Salami-wurst und Tokaier versorgen zu können, ohne den eigenen Devisen-haushalt zu belasten, hatte das Außenhandelsministerium der , DDR‘ folgende Vereinbarung mit der ungarischen Regierung getroffen:
Ungarn lieferte Tokaier und Salami, dafür wurden den 1500 Funktionären, Sportlern und Kulturschaffenden der ungarischen Delegation die gesamten Reisespesen und Aufenthaltskosten erlassen, die nach Anweisung des Weltbundes und des Organisationskomitees zu zahlen waren. Die Finanzierung der jeweiligen Festspiele ohne Rücksicht auf die allgemeine wirtschaftliche Lage bedeutet letztlich eine zusätzliche Steuerlast für die Bevölkerung. Eine einzige Ausnahme machte — noch in der stalinistischen Ära — die Volksrepublik Polen. Von den Sowjets war vorgesehen, die IV. Weltfestspiele 195 3 in Warschau durchzuführen. Die Polen lehnten kategorisch ab mit der Begründung, der Beschluß komme zu spät; werde seine Durchführung erzwungen, so sei der polnische Staatshaushalt gefährdet, die polnische Regierung könne dann für die Folgen keine Verantwortung übernehmen. Die Sowjets gaben nach; die Festspiele wurden in das noch ärmere, aber gehorsame Rumänien verlegt.
Die Durchführung der Festspiele Die Anzahl der am Festival teilnehmenden Organisationen ist seit 1947 ständig gewachsen. Zwar sind eine Reihe von westlichen Verbänden aus dem Weltbund ausgeschieden und haben seit Beginn des „Kalten Krieges“ keine Delegierten mehr zu den Treffen entsandt. Dieser Ausfall aber ist durch die wachsende Zahl der Jugendorganisationen aus dem vorderen Orient und aus Asien ausgeglichen worden. Nahmen an den ersten Weltfestspielen 1947 in Prag knapp 10000 ausländische Delegierte teil, so waren es 1949 in Budapest bereits 20 000 und in Ostberlin 30 000. Diese Zahl hat sich auch bei den folgenden Festspielen in Bukarest 19 53 und Warschau 19 5 5 ungefähr gehalten.
Der Charakter der Festivals hat sich im Laufe der Jahre z. T. gewandelt. Standen die Treffen in Prag, Budapest, Ostberlin und teilweise auch noch in Bukarest im Zeichen stalinschen Personenkultes und der Hetzlosungen des „Kalten Krieges“, so trugen die Festspiele 195 5 in Warschau bereits einen anderen Charakter. Bei den großen Aufmärschen und Kundgebungen waren die Stalinbilder fast ganz verschwunden, die politischen Veranstaltungen teilweise eingeschränkt, und dem kulturell-sportlichen Teil des Treffens wurde viel mehr Raum gegeben.
Der Schwerpunkt der ersten vier Weltfestspiele lag auf politischen Veranstaltungen und Demonstrationen. Alle Treffen begannen mit einer großen Eröffnungsveranstaltung im repräsentativsten Stadion des Landes, dem Einmarsch aller aktiven Teilnehmer und den Ansprachen des jeweiligen Staatspräsidenten, des Präsidenten des Weltbundes und — um seine Sonderstellung zu betonen — des Vorsitzenden des Komsomol. In den folgenden 14 Tagen wurde dann neben den Kulturwettbewerben und Sportwettkämpfen eine Fülle von politischen Veranstaltungen durchgeführt. Hervorzuheben wären: Die großen Demonstrationen zum „Tag der kolonialen Jugend“, die ständig mit heftigen Angriffen gegen den Westen verbunden waren; die Demonstrationen zum „Tag der jungen Mädchen“, an dem auf Kundgebungen und nach Demonstrationen die völlige Gleichberechtigung der Frauen gefordert wurde, die angeblich im Ostblock voll verwirklicht sei, während sie im Westen noch erkämpft werden müsse; die vielen „Freundschaftstreffen“ zwischen einzelnen Organisationen aus verschiedenen Ländern, deren Hauptinhalt Hetze gegen den Westen und Huldigung für die Sowjetunion war; die gewaltige Abschlußkundgebung mit Fackelzug und Feuerwerk, in deren Mittelpunkt ebenfalls politische Reden standen, in denen die Sowjetunion verherrlicht und der Westen beschimpft wurde. Den Höhepunkt der politischen Veranstaltungen aber bildete die Groß-demonstration mit anschließender Kundgebung, die in der Regel nach der ersten Hälfte der Festspiele durchgeführt wurde. Zu diesem Anlaß wurden neben den Delegierten hunderttausende Jugendliche aus dem Gastland mobilisiert, um besonders den Teilnehmern aus dem westlichen Ausland die Einmütigkeit und Stärke der kommunistischen Ordnung vor Augen zu führen. 1951 wurden in Ostberlin 11/2 Millionen Jugendliche aus der Zone nach Berlin transportiert, in Budapest und Bukarest mehrere hunderttausend. Auch diese Veranstaltungen standen eindeutig im Zeichen des Kampfes gegen den „anglo-amerikanischen Imperialismus“ und waren Treuebekenntnisse zur Sowjetunion. Sämtliche Festspiele bis 1955 waren Kundgebungen des „Kalten Krieges“, mit eindeutiger Zielrichtung gegen den Westen.
Auch wurden die Treffen zu illegalen Vereinbarungen zwischen Vertretern des Ostblockes und kommunistischer Jugendverbände des Westens benützt. In Budapest, Ostberlin und Bukarest z. B. wurden geheime Verhandlungen zwischen französischen, italienischen Jungkommunisten und der FDJ geführt, bei denen u. a. Probleme des Kurier-dienstes, der politischen Arbeit im Saargebiet, der antimilitaristischen Propaganda unter den in Deutschland stationierten ausländischen Truppen usw. behandelt wurden. Die Spionageorganisationen registrierten alle westlichen Teilnehmer. Alle Ergebnisse standen den sowjetischen Diensten uneingeschränkt zur Verfügung, gleichgültig, welche Organe sie gesammelt hatten.
Die jeweilige Staatspolizei beobachtete gründlich alle Kontakte zwischen westlichen und östlichen Delegierten, die festere Formen annahmen, und manche Teilnehmer sind nach den Festspielen deswegen verhört oder gar festgenommen worden. Nach dem Festival in Ostberlin verhaftete der Staatssicherheitsdienst mehrere hundert Jugendliche aus der Zone, weil sie die Fahrt nach Berlin mit einem Besuch der Westsektoren verbunden hatten.
Die kulturellen und sportlichen Darbietungen waren bis 1953 nur Staffage, sie bildeten lediglich den Rahmen für die politischen Veranstaltungen. Bei den Festspielen 195 5 in Warschau hatte der Prozeß der Entstalinisierung bereits begonnen. Die Zahl der politischen Demonstrationen wurde reduziert, ihr Inhalt war auf die Probleme der Koexistenz abgestimmt, Stalinbilder waren kaum noch sichtbar. Die Zahl der kulturellen Veranstaltungen hatte sich um ein Drittel erhöht. Sie ist inzwischen weiter vermehrt worden und gibt dem Programm des Moskauer Festivals einen Anstrich, der unpolitischer ist denn je zuvor.
Ein Aufruf an die Jugend der Bundesrepublik
Der für die Bundesrepublik bestimmte Aufruf des Internationalen vorbereitenden Komitees der VI. Weltfestspiele stellt eine perfekte Fassade für die tatsächliche politische Zielsetzung des Moskauer Festivals dar. Er wird proklamiert von . unabhängigen Persönlichkeiten des freien deutschen Geistesleben jeglicher Weltanschauung und jeglicher politischer Auffassung'. Es wird betont, „daß die VI. Weltfestspiele allen Kräften der Jugend offenstehen, unabhängig von ihrer Weltan-
schauung, Rasse, Konfession und Nationalität. Keine politische, philosophische oder religiöse Richtung darf bei den Weltfestspielen vorherrschen . . .'Und niemand, der nicht die eigentlichen Absichten des Welt-bundes kennt, könnte zunächst vermuten, daß es sich um die größte Propagandaaktion des internationalen Kommunismus handelt.
Trotz dieses betont unpolitischen und überparteilichen Rahmens haben die auf Initiative der Sowjets geschaffenen Festspiele ihre ursprüngliche Bedeutung nicht verloren, nur ihre Methoden sind verändert und der heutigen Situation angepaßt. Auch die VI. Weltfestspiele sehen Eröffnungs-und Abschlußkundgebungen vor, auf denen politische Reden gehalten werden. Nach wie vor ist das Ziel der Weltfestspiele die Infiltration der nichtkommunistischen Jugend mit der Ideologie des Kommunismus. Und besonders die VI. Weltfestspiele haben die Aufgabe, breite Kreise von der politischen Geschlossenheit und der wirt-schaftlichen Stärke der Sowjetunion und darüber hinaus des gesamten . sozialistischen Lagers'zu überzeugen. Trotzdem ist aus dem Programm und den bisher aus Moskau vorliegenden Meldungen zu ersehen, daß es grundlegende Unterschiede zwischen diesem und den früheren Treffen gibt. Während der politische Tenor aller bisherigen Festivals in offenen und unqualifizierten Angriffen gegen den Westen bestand, sind die Organisatoren der Moskauer Festspiele bemüht, ihre friedlichen Absichten und den Willen zur Koexistenz zum Mittelpunkt der Veranstaltungen zu machen. Bei den vergangenen Festspielen waren die kulturellen Darbietungen von einer strengen Zensur überwacht, auf dem diesjährigen Festival sind Jazz und Tanzturniere ebenso enthalten wie Modenschauen, Treffen junger Angler und Esperantofreunde. Völlig neu ist die Reihe fachlicher und wissenschaftlicher Zusammenkünfte, z. B. die Treffen junger Bauarbeiter, Metallarbeiter, Buchdrucker usw. Philosophische und naturwissenschaftliche Seminare sind ebenfalls Anzeichen einer neuen Taktik. Sicher sind diese Treffen geplant, um die erwarteten politischen und oppositionellen Diskussionen abzufangen und in eine das System nicht gefährdende Richtung zu lenken. Aber auch dann und gerade dann ist ihre Bedeutung groß, denn sie zeigen klar die Möglichkeiten ideologischer Auseinandersetzungen auf, die in Moskau gegeben sind.
Schlußfolgerungen
Diese Auseinandersetzungen erwachsen aus den inneren Widersprüchen des Kommunismus. Die Maßregelung von Molotow, Kaganowitsch, Malenkow und Schepilow zeugt genau so von den Schwierigkeiten des Systems wie die Dezentralisierung der sowjetischen Industrie und die offenkundige, wachsende Opposition der Studenten. In dieser Situation der allgemeinen Gärung treffen sich auf dem Festival Delegationen aus . stalinistischen'und , entstalinisierten‘ Ländern. Polen und Jugoslawien verkörpern den-Erfolg des . unabhängigen Weges zum Sozialismus'. Die chinesische Jugend vertritt die Lehre von Mao Tse-tung, nach der . alle Blumen blühen'und . alle Schulen miteinander wetteifern'sollen, Thesen, in denen die Widersprüche zwischen Partei und Volk auch im kommunistischen System bestätigt werden. Junge Ungarn berichten über ihre Revolution und zerstören die Legende von der Konterrevolution. Auch aus den übrigen Ostblockländern kommen Studenten, Arbeiter und Kulturschaffende, die in teils geheimer, teils offener Opposition gegen die stalinistische Führung stehen. Die Weltfestspiele, von Stalin ursprünglich als eine Demonstration der Stärke seines Systems gedacht, vermögen in dieser veränderten Situation zur weiteren Auflockerung des Systems beizutragen, im Rahmen der Krise, die den Ostblock erfaßt hat und mit dem XX. Parteitag der KPdSU auf dramatische Weise sichtbar geworden ist. Sie findet ihren Ausdruck im wachsenden Widerstand von Arbeiterschaft und Intelligenz gegen ein überholtes, versteinertes und bürokratisches System, das seinen Völkern trotz einiger Konzessionen auch heute noch die echte Mitbestimmung und einen normalen Lebensstandard verweigert. Dennoch zwingt der wachsende Druck von unten die Machthaber zu weiteren Zugeständnissen. Er löst letztlich die Machtkämpfe in der Führung aus, die sich zwangsläufig auf die Massen orientieren muß, nachdem sie sich selbst — eigenem Sicherheitsbedürfnis folgend — der alles beherrschenden Macht der Sicherheitspolizei beraubt hat. Über die bisherigen Zugeständnisse hinaus aber streben die Völker des Ostblocks zur Beseitigung der wirtschaftlichen Unfreiheit, der Rechtlosigkeit und sozialen Ungleichheit, zur Kontrolle der Produktionsmittel. Ihr Ziel ist die politische Macht im Rahmen einer Arbeiterdemokratie ohne Bevormundung durch die kommunistischen Parteien. In diesem Kampf wird die Arbeiterschaft unterstützt von der Intelligenz, die an Hand der Widersprüche zwischen Theorie und Wirklichkeit des Kommunismus zu den gleichen Konsequenzen kommt wie die arbeitenden Schichten durch die tägliche Praxis des sozialen Kampfes. Indem die Parteihierarchie den werktätigen Schichten und der Intelligenz Konzessionen gewährt, dokumentiert sie ihre eigene Schwäche und ermutigt die politischen Kräfte zu weiteren Forderungen.
Zu den aktivsten Elementen dieser Opposition — das haben die dramatischen Oktoberereignisse in Polen und Ungarn bewiesen — zählen Arbeiterjugend und Studentenschaft. Ihre Vertreter weilen gemeinsam mit zahlreichen westlichen Delegationen in Moskau. Niemand kann die oppositionellen Elemente dort an einem individuellen Gedankenaustausch hindern, auch wenn die Veranstalter einen Spitzeldienst organisiert haben und den Drang der Jugend nach Diskussionen durch ein lückenloses Festspielprogramm und kontrollierbare öffentliche Aussprachen abzufangen versuchen. Es kann angenommen werden, daß die oppositionellen Delegierten in Moskau jede Gelegenheit benutzen, um die strittigen Probleme der politischen, staatlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Ordnung ihrer Länder zu diskutieren. Im Mittelpunkt dieser Gespräche stehen die Ursachen der Entartung des kommunistischen Systems, die Gegensätze zwischen Parteiführung und Massen, die Unfreiheit des Geistes und der Kultur, die absolutistische Rolle der kommunistischen Parteien, mangelnde Mitbestimmung in Staat und Wirtschaft, die Rolle der Justiz und des Polizeiapparates, die Fragen der staatlichen Souveränität, die Rolle der Parlamente, zentralistische Wirtschaftsplanung als Ursache des unzureichenden Lebensstandards und vieles andere. Erstmalig hat die Sowjetjugend Gelegenheit, die wahren Hintergründe der polnischen und ungarischen Revolution zu erfahren und sich gleichzeitig über den Lebensstandard der Jugend im Westen zu orientieren, über die Tätigkeit unabhängiger Gewerkschaften, das Streikrecht, die Freiheit der Wissenschaft usw. Die allgemeine Entwicklung im Ostblock hat auch den Weltbund nicht ausgenommen. Sie hat ihn vor Forderungen gestellt, die in der grundsätzlichen Entschließung der ersten Weltjugendkonferenz 1946 formuliert sind. Hier heißt es u. a.: „Wir betonen das Redit bürgerlicher Freiheit, der Rede-, Presse-und Versamwlungsfreiheit, der Religionsfreiheit und der Freiheit zur Bildung von Gewerkschaften; die Befreiung von Not und Furcht. Diese Forderungen beruhen auf dem Anspruch auf größere Demokratie im wirtschaftlichen Leben . . . Für die Jugend müssen vor allem die demokratischen Rechte in ihren eigenen Organisationen bestehen. Sie muß das Recht haben, ihre eigenen Organisationen zu bilden und zu leiten.
Die Weltjugend ist bestärkt in ihrem Glauben an die Grundrechte der Menschen, an die Würde und den Wert des menschlid^en Wesens im Sinne der Grundsätze, die von der Charta der Vereinten Nationen aufgestellt sind. Die Weltjugend ist sich klar über Religions-und Gewissensfreiheit: Ungehemmt soll der Mensch seiner religiösen und philosophischen Überzeugung nachgehen und seine politische Überzeugung wählen dürfen. Diese Freiheit bedeutet auch, daß der Mensch nach seinem Glauben handeln und seine Meinung innerhalb der von der Charta der Vereinten Nationen gesetzten Grenzen propagieren kann. Religiöse Gemeinschaften sollen das Recltt haben, ihren Glauben in eigenen Schulen und Universitäten lehren zu dürfen."
Im Stalinismus diente diese Zielsetzung der Tarnung und Infiltration nichtkommunistischer Jugendverbände. Jetzt aber geben die inneren Auseinandersetzungen im Ostblock diesen Prinzipien eine neue Aktualität, die sich gegen das System selbst richtet. Die Verwirklichung dieser Forderungen steht mehr und mehr auch im Ostblock zur Debatte, entgegen dem Willen ihrer Initiatoren, sie werden von einer Jugend vertreten, die zu den aktivsten Verfechtern der Demokratisierung gehört.
Dem Westen erwächst hier eine neue Chance, unter einer Voraussetzung, daß die Demokratien der freien Welt die ideologische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus nicht scheuen.
AUS DEM INHALT DER BEILAGEN: Handbuch des Weltkommunismus
J. M. Bochenski: „Die formale Struktur des Kommunismus"
J. M. Bochenski, E.
G. Walter „Philosophische, soziologische und und G. Niemeyer:
wirtschaftstheoretische Grundlehren"
Gerhart Niemeyer:
„Politische Grundlehren"
John Reshetar: „Die Partei"
J. Reshetar, S. Possony und „Methodologie der Eroberung und des W. Kulski:
Herrschens"
Jan Librach:
„Die Expansion des Reiches"
Walter Kolarz: „Die Nationalitäten"
Vladimir Gsovski:
„Das Recht"
David J. Dallin: „Das Verbrechen und das Strafsystem"
Ralph James: „Die Wirtschaft"
Karl Wittfogel: „Die Bauern"
John Fizer: „Die Kultur"
J. M. Bochenski, J. Hay und W. Meysztowicz: „Die Religion"
W. W. Kulski:
„Die Situation des Individuums"
Joseph M. Bochenski:
„Zur Kritik des Kommunismus"