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Philosophische, soziologische und wirtschaftstheoretische Grundlehren | APuZ 25/1957 | bpb.de

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APuZ 25/1957 Handbuch des Weltkommunismus Die formale Struktur des Kommunismus Philosophische, soziologische und wirtschaftstheoretische Grundlehren

Philosophische, soziologische und wirtschaftstheoretische Grundlehren

E. G. WALTER UND G. NIEMEYER J. M. BOCHENSKI

/ 73 Minuten zu lesen

A. Einleitung

Abbildung 2

§ 1. BEDEUTUNG Die Kommunistische Partei ist nicht nur eine Organisation mit begrenzten praktischen Zielen, sondern und vor allem eine „Philosophie in Aktion". Sie wurde gegründet, besteht und handelt, um eine bestimmte Weltanschauung — nämlich den sogenannten Marxismus-Leninismus — zu verbreiten und ihre Konsequenzen der gesamten Menschheit aufzuzwingen.

Diese Tatsache wird nur zu oft von Nichtkommunisten verkannt.

Sie meinen, die Philosophie spiele im Leben und Handeln der Kommunistischen Partei ebensowenig eine Rolle, wie in ihrem eigenen.

Sie stellen sich diese Partei ähnlich den anderen ihnen bekannten Parteien vor. Das ist jedoch ein Grundirrtum. Wegen bestimmter marxistischer Lehren (Zusammenhang von Theorie und Praxis) und auch wegen der den Russen oft eigenen Tendenz, stets auf die höchsten Prinzipien zurückzugreifen (principialnost), hat die Philosophie für die Kommunisten eine ausschlaggebende Bedeutung. Das kann aus der enormen Bedeutung ersehen werden, welche dem Marxismus-Leninismus sowohl in der Theorie (a), als auch in der Praxis (b) zugeschrieben wird.

a. Theorie Sowohl Lenin und Stalin, als auch alle anderen sich damit befassenden kommunistischen Führer und Philosophen betonen stets die ungeheure Bedeutung des „Marxismus-Leninismus".

Lenin:

„Ohne revolutionäre Theorie kann es auch keine revolutionäre Bewegung geben.“ (Was tun? LAW I. S. 194 /LSW IV. 2. S. 152)

„Die Rolle des Vorkämpfers (kann) nur eine Partei erfüllen, die von einer fortgeschrittenen Theorie geleitet wird“, (ebda.) S. 195/LSW IV.

S. 153)

„Die Hauptaufgabe der Taktik des Proletariats bestimmte Marx in strenger Übereinstimmung mit allen Leitsätzen seiner materialistisch-dialektischen Weltanschauung“. KM/FE 40)

Wie hoch Lenin die Philosophie schätzte, zeigt vor allem die Tatsache, daß er mehrere Jahre dem eifrigen Studium der philosophischen „Irrtümer" seiner Kameraden widmete und ein umfangreiches Werk darüber verfaßte (Materialismus und Empiriokritizism u s).

Stalin:

„Der dialektische und historische Materialismus (bildet) . .. die theoretischen Grundlagen der marxistischen Partei“. (DHM, S. 141).

XX. Parteitag:

„Der Parteitag beauftragt das Zentralkomitee, auch in Zukunft die Reinheit der marxistisch-leninistischen Theorie wie seinen Augapfel zu hüten" (Entschließung des XX. Parteitages der KPdSU, XX. Parteitag der KPdSU, 1956 S. 364).

Statut der SED:

Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands ... läßt sich in ihrer gesamten Tätigkeit vom Marxismus-Leninismus leiten (Statut der SED, IV. Parteitag der SED 1954, Berlin 1956, S. 5),.

b. Praxis Diese theoretisch anerkannte höchste Bedeutung des Marxismus-Leninismus, und im besonderen der Philosophie, wird durch die Kommunisten ganz folgerichtig in der Praxis angewandt: die Philosophie wird in einem in nicht-kommunistischen Ländern kaum bekannten Umfange gelehrt. Sie wird in geradezu ungeheuren Auflagen verbreitet, und die Partei kontrolliert alles, was sich in irgendeiner Weise auf die Philosophie bezieht oder beziehen könnte mit einer Strenge, die nur durch die Anerkennung der überragenden Bedeutung dieser Philosophie erklärbar ist. Art. 2 des Parteistatutes von 1939 lautet:

. Das Mitglied der Partei ist verpilichtet: a) unernrüdlich an sich zwecks Hebung des Bewußtseins und zwecks Aneignung der Grundlagen des Marxismus und Leninismus zu arbeiten."

Dieser Satz wurde auch in dem Statut von 1952 (Art. 3 e) ausgenommen (Tägliche Rundschau 17. X. 1952, nach B. Meissner, Die Kommunistische Partei d e r S o w j e t u n i o n vor und nach dem Tode Stalins. Frankfurt am Main 1954, S. 56).

Demgemäß schult die Partei immer (trotz verschiedener Schwankungen in der Ausführung) alle ihre Mitglieder und darüber hinaus alle Gebildeten bis zu den Schullehrern eingehend in ihrer Philosophie. Die Hörer eines Ausbildungskurses in Moskau hatten im Jahre 1945 126 Stunden „Philosophie“ von den 340 Stunden des Gesamtprogramms Im Jahre 1951 hatten die Studenten des medizinisch-pharmazeutischen Instituts in Bukarest sechs obligatorische Wochenstunden des Marxismus-Leninismus im ersten und elf im zweiten Jahre

An den meisten ungarischen Universitäten hatten die Studenten wenigstens während zwei Jahren je zwei Wochenstunden Marxismus-Leninismus zu hören

Besonders intensiv werden Parteifunktionäre im Marxismus-Leninismus geschult. Zwischen 1944 und 1950 sollen 500 000 solcher Funktionäre Parteischulen, an welchen vor allem diese Doktrin gelehrt wird, absolviert haben (Kultura i Zizn Nr. 23, 20. VIII. 1950).

Nach Boris Meissner gibt es in der SU nicht weniger als 6 000 Bezirkssekretärschulen und ca. 100 000 Parteischulen der primären Orga 000 Bezirkssekretärschulen und ca. 100 000 Parteischulen der primären Organisationen, welche im Jahre 1948/49 800 000 Parteimitglieder erfaßt haben (B. Meissner, Stalinistische Autokratie und Bolschewistische Staatspartei, Europa-Archiv 6, 1951, S. 3749).

Einige Ziffern über die Auflagen: Bis zum 1. 9. 1952 hatte man in der Sowjetunion 931 536 000 Exemplare der „klassischen" (meistens philosophischen) Werke des Marxismus-Leninismus verbreitet 4). Vom „Kurzen Lehrgang" allein, welcher das bekannte philosophische Kapitel Stalins enthält, wurden in derselben Zeit 41 391 000 Exemplare vertrieben 5). Allein 1951 kamen 52 000 000 „Klassiker" auf den Markt 6).

In Polen erschienen (1945 — 30. 9. 1953) 8 282 370 Exemplare der Werke Lenins.

Die Kontrolle der Partei über die Philosophie und alles, was mit ihr zusammenhängt, ist überaus streng: die höchsten Parteibehörden greifen stets mit Verurteilungen und bindenden Weisungen ein.

So wurde am 25. 1. 1931 u. a. Deborin durch das Zentralkomitee der Partei verurteilt; am 11. 11. 1938 der „Kurze Lehrgang“ (mit seinem philosophischen Kapitel) empfohlen; am 24. 6. 1947 ein Lehrbuch der Geschichte der Philosophie (G. F. Aleksandrovs) seitens des Sekretärs des Zentralkomitees A. Zdanov angegriffen und verurteilt. Einige Verurteilungen auf anderen Gebieten, immer im Namen der „Reinheit der Philosophie" erfolgten in: Ethnographie (1932), Literatur (1934), Pädagogik (1936), Genetik (1948), Geschichtsschreibung (1950), Sprachlehre (1950) und Physiologie (1950).

§ 2. BESTANDTEILE UND EINTEILUNG Nach Lenin besteht der „Marxismus", also die kommunistische Weltanschauung, aus Philosophie, Ökonomie und Sozialismus Tatsächlich jedoch zeigt sich folgendes: der dialektische Materialismus — also die Philosophie im strengsten Sinne des Wortes — gilt als letzte Grundlage des Systems. Durch Anwendung seiner Leitsätze auf die sozialen Probleme der Gesellschaft ergibt sich der historische Materialismus, welcher eine Sozialphilosophie und Soziologie des Kommunismus bildet. Was die Ökonomie anbetrifft, so spielt sie in der kommunistischen Theorie eine ganz unwesentliche Rolle: die wirklich lebendige kommunistische Nationalökonomie ist einfach ökonomische Politik, während die Theorie aus einigen wenigen, Marx entlehnten und starr verabsolutierten Lehren besteht. Im Sozialismus sind zwei Elemente zu unterscheiden: (1) die Lehre von der Entwicklung zum Kollektivismus durch Revolution, Diktatur des Proletariats usw., (2) eine Eschatologie, die eigentlich mit den Grundlagen der Lehre nicht das geringste zu tun hat. Nun gehört der erste Bestandteil zum historischen Materialismus bzw. zur politischen Theorie, die im zweiten Abschnitt dieses Kapitels besprochen wird (II, B); es bleibt also nur die Eschatologie zu besprechen.

Somit ergibt sich folgende Einteilung des Stoffes:

1. Dialektischer Materialismus 2. Historischer Materialismus 3. Prinzipien der Wirtschaftstheorie 4. Eschatologie.

B. Philosophie: Quellen, Geschichte und Charakteristik

§ 3 . QUELLEN Die kommunistische Philosophie ist im wesentlichen die Lehre Lenins. Stalin (abgesehen davon, daß er am 25. Februar 1956 „abgesetzt" wurde) hat diese Lehre — oft oberflächlich — zusammengefaßt und nur unwesentlich vermehrt bzw. verändert.

Lenin selbst hängt vor allem von Marx und Engels ab. Er betrachtete beide (irrtümlicherweise) als eine Einheit und, Engels folgend, deutet er Marx in einer von verschiedenen möglichen Weisen. Er selbst hat diese Lehren wesentlich verändert. Dabei ist er auch von gewissen russischen Denkern abhängig.

Marx und Engels haben eine Synthese von zwei philosophischen Systemen des 19. Jahrhunderts durchzuführen versucht: der Dialektik Hegels und des naturwissenschaftlichen Materialismus. Somit gibt es drei Hauptquellen der kommunistischen Philosophie: l..der Hegelianismus, 2.der naturwissenschaftliche Materialismus des 19. Jahrhunderts, 3. das russische revolutionäre Denken. Dazu kommt als originale Leistung Marxens der historische Materialismus.

Lenin schreibt:

„Die Philosophie des Marxismus ist der Materialismus...

Marx und Engels verfochten mit aller Entschiedenheit den philosophischen Materialismus ... Aber Marx blieb nicht beim Materialismus des 18. Jahrhunderts stehen, sondern er entwickelte die Philosophie weiter. Er bereicherte sie durch die Errungenschaften der deutschen klassischen Philosophie und besonders des Hegeischen Systems, das seinerseits zum Materialismus Feuerbachs geführt hatte. Die wichtigste dieser Errungenschaften ist die Dialektik ... Marx, der den philosophischen Materialismus vertiefte und entwickelte, führte ihn zu Ende und dehnte dessen Erkenntnis der Natur auf die Erkenntnis der menschlichen Gesellschaft aus. Der historische Materialismus von Marx war eine gewaltige Errungenschaft des wissenschaftlichen Denkens.“ (Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus. MEM S. 55 f. /LAW I. S. 64 f.)

Die wichtigsten biographischen und bibliographischen Daten über die Vorläufer der kommunistischen Philosophie sind:

Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770— 1831), Philosophieprofessor in Heidelberg und Berlin; zahlreiche Werke, darunter „Phänomenologie des Geistes" (1807) und „Wissenschaft der Logik" (1817).

Naturwissenschaftlicher Materialismus im 18. Jh.: P. H. D.

v. Holbach (1723— 1789); D. Diderot (1713— 1784); CI. A. Helvetius (1717— 1771) und andere französische Enzyklopädisten. Im 19. Jh.: J. Moleschott (1822— 1893); L. Büchner (1824— 1899); K. Vogt (1817 bis 1895). „Materialismusstreit": 16. 9. 1854.

Ein Bindeglied zwischen Hegel und Marx bildet Ludwig Feuer-bach (1804— 1872), der eine „materialistische Umdeutung" der Dialektik Hegels durchführte und durch seine Lehre von der Religion als „Entfremdung" des Menschen ein Vorläufer Marxens ist.

Karl Marx (5. 5. 1818 bis 14. 3. 1883) war vor allem Revolutionär, Soziologe und Ökonom. Hauptwerke: Das Kapital (Bd. I 1867, Bd. II—III posthum); Das kommunistische Manifest (mit Engels) 1848.

Friedrich Engels (28. 11. 1820 bis 5. 8. 1895), Freund und Mitarbeiter Marxens, ist der eigentliche Schöpfer des dialektischen Materialismus, indem er dem sozialen Gedanken Marxens einen universalen philosophischen Unterbau gab. Hauptwerke: Ludwig Feuer-bach (1886); „Anti-Dühring" (mit Marx) 1877/78; Dialektik der Natur (posthum 1930).

Unter den russischen Revolutionären sind für Lenin vor allem einige Anarchisten, so P. A. Kropotkin (1842— 1921), M. Bakunin (1814— 1876) und die Populisten (Narodniki) S. G. Necajev (1847— 1882), P. Tkacev (1844— 1885) und russische Marxisten wichtig, darunter an erster Stelle G. V. Plechanov (1856— 1918), durch welchen Lenin den Marxismus kennenlernte.

Lenin = Vladimir Iljic Ulianov (22. 4. 1870 bis 21. 1. 1924), der eigentliche Begründer und erste Führer des Weltkommunismus, war vor allem ein Revolutionär und lebte bis zur Revolution (Oktober 1917) meistens im Ausland. Seine philosophischen Hauptwerke sind: Materialismus und Empiriokritizismus (gegen Bogdanov 1909) und Philosophische Hefte (posthum). Die wichtigsten unter den anderen Schriften sind: Was tun? (1902), Der Imperialismus als h ö c h s t e s S t a d i u m des Kapitalismus (1917), Staat und Revolution (1918) und Der . Linke Radikalismus'(1920).

Stalin = Josif Vissarionovic Dzugasvili (21. 12. 1879 bis 5. 3. 1953), Nachfolger Lenins als Führer des Kommunismus, war wie jener ein Revolutionär, ohne jedoch dessen Interesse und Begabung auf dem Gebiet der Philosophie zu besitzen. Wichtigste philosophische Schriften: Kapitel IV, 2 der Geschichte der Kommunistischen Partei: Der dialektische und historische Materialismus (1938)

und eine Reihe von Aufsätzen über Linguistik (1950). Unter den anderen Schriften sind „Die Fragen des Leninismus" (zuerst 1926, dann öfters und in immer wechselnder Gestalt veröffentlicht) am wichtigsten.

§ 4. GESCHICHTE Der Inhalt der kommunistischen Philosophie ist mit der russischen kommunistischen Philosophie identisch. Kommunisten, die anderen Nationen angehören (mit möglicher Ausnahme von Mao Tse-Tung) wiederholen nur und erklären, was die Russen schon gesagt haben.

Deshalb entspricht die Geschichte der kommunistischen Philosophie ihrer Geschichte in Sowjetrußland.

Diese Geschichte zerfällt in vier Perioden: (1) Anfangsperiode (1917 bis 1926) ohne nennenswerte Leistungen. (2) Periode der Auseinandersetzungen (1926 bis 1930). (3) „Stille Periode" (1931 bis 1947), in welcher wieder nichts geschieht. (4) 2danovsche Periode (1947 bis heute), wo wir wieder einige Produktivität und Auseinandersetzungen finden. Ob mit der Absetzung Stalins (1956) etwas Neues zustande gekommen ist, kann noch nicht gesagt werden.

Die erste ist die Periode der „Liquidierung" der nicht-leninistischen Philosophen, die alle umgebracht oder vertrieben wurden (1922).

Seit 1926 entspann sich eine Polemik zwischen drei Gruppen: den „Mechanisten", den sog. „menschevisierenden" (mehr der Dialektik als dem Materialismus zugeneigten), Leninisten unter A. M. Deborin und den „Orthodoxen" (mit M. B. Mitin an der Spitze). Am 31. Januar 1931 wurde Deborin durch das ZK der Partei feierlich verurteilt, und seit dieser Zeit herrschte bis 1947 in der Sowjetphilosophie eine vollständige Einigkeit. Sie bestand ausschließlich aus Kommentaren zu den „Klassikern". 1938 erschien Stalins Aufsatz, der dann als obligatorische Grundlage des Lehrens und Lernen galt. Am 24. 6. 1947 verurteilte A. A. Zdanov im Namen des ZKs ein Buch von A. G.

Alexandrov und forderte die kommunistischen Philosophen zu regerer Tätigkeit auf. Darauf wurde (1947) eine Zeitschrift (Voprosy Filos o f i i) gegründet, in welcher wieder einige Auseinandersetzungen zustande kamen. Ein neuer Eingriff der Partei, nämlich Stalins Verurteilung der sprachwissenschaftlichen Lehren N. Marr's (1864— 1934)

im Jahre 1950 brachte eine Neuerung auf dem Gebiet der Logik und eine gewisse begrenzte Liberalisierung in der Deutung Lenins mit sich. Welches das Ergebnis des letzten Eingriffes der Partei sein wird, nämlich durch die Erklärung, daß Stalin Irrtümer begangen hat (25. 2. 1956), ist zur Zeit nicht klar.

§ 5 . CHARAKTERISTIK Die kommunistische Philosophie ist äußerlich gesehen viel mehr einer Theologie als einer Philosophie im westlichen Sinne des Wortes ähnlich. Sie gründet auf unfehlbaren „Klassikern", besteht meistens aus Kommentaren darüber, ist extrem dogmatisch und operiert mit dem Begriff der Orthodoxie. Dazu ist sie höchst aggressiv und nationalistisch.

Die kommunistische Philosophie zeichnet sich durch eine ganz einzigartige Rolle aus, die in ihr die sogenannten „Klassiker" (Marx, Engels, Lenin und — bis 1956 — Stalin) spielen. Was sie sagen, wird nie in Frage gestellt, ihre Aussagen dienen als Axiome in der Beweisführung, und das kommunistische philosophische Schrifttum besteht fast ausschließlich aus Kommentaren zu diesen „Klassikern", wobei sie ständig und ausgiebig zitiert werden.

„Nennen Sie bitte", sagte 1947 Z. A. Kamenskij, „auch nur eine einzige ... Arbeit (der Leiter des Philosophischen Institutes), die ein origineller Beitrag zur Philosophie wäre" (VF 1947, 1. S. 377 a). „. . . Wir sind im Kommentieren steckengeblieben" (M. A. Leonov, ebda., S. 156 b). Die sowjetrussische Philosophie ist eine „Zitatologie".

(V. A. Cagin, op. cit. S. 200 b und M. M. Baskin S. 160 a). Stalin war ein Muster dieser „Zitatologie“: er hat in seinem „Dialektischen und Historischen Materialismus“ (29 Seiten im Russischen) 18 Zitate eingefügt, die fast die Hälfte des Textes ausmachen. Neuerdings wurde die „Zitatologie" milder; aber die „Klassiker" bleiben unbestritten Autoritäten.

Dazu operiert die kommunistische Philosophie ständig mit dem Begriff der Orthodoxie. Unorthodoxe — d. h.der Auslegung der Partei widrige — Auslegungen des Leninismus werden öfters verurteilt (s. o.). Diese Philosophie ist auch extrem dogmatisch.

„Alle Theorien“, liest man im „Kommunist" (1955, 5, S. 23), die dem Marxismus widersprechen, müssen als solche gebrandmarkt, nicht zum Gegenstand der Diskussion werden" (cf. VF 1955, 2, S. 233). „Der Marxismus-Leninismus ruht auf einer einzigen ideologischen Grundlage — dem dialektischen und historischen Materialismus; deshalb kann von verschiedenen ideologischen Tendenzen innerhalb der marxistischen Weltanschauung keine Rede sein" (Kommunist, 1955, 7, S. 123).

Nichtleninistische Autoren werden im kommunistischen Schrifttum immer als boshafte und dumme Feinde behandelt und beschimpft. In den kommunistischen Ländern wird nur die orthodoxe kommunistische Philosophie zugelassen, sowohl in den Schulen als auch in den Veröffentlichungen. Der Stil der philosophischen Veröffentlichungen der Kommunisten ist höchst „kriegerisch".

Einige Zitate aus dem Grundwerk der kommunistischen Philosophie, dem „Materialismus und Empiriokritizismus" Lenins. Die Philosophie seiner Gegner ist als „sinnloses Geschwätz" (S. 133), „Kauderwelsch* (ebd.), „Deklamationen“ (S. 120), „armselige Sophismen“ (S. 32), „grenloser Stumpfsinn" (S. 326) gekennzeichnet. Die Philosophen selbst sind ihm „bösen Gewissens" (S. 84), „konfuse Professoren" (S. 86), „Sophisten“ (S. 126), „Scharlatane" (S. 135), „Flohknacker" (S. 95), „Philister"

(S. 358). „Kommis der Theologen" (S. 351), „Clowns" (S. 118) und „Hanswürste" (S. 322). Dieser Stil aber ist durch A. A. Zdanov allen Philosophen im Namen der Partei als Muster empfohlen worden (VF 1947, 1, S. 268).

Tatsächlich erfahren wir — um nur einige Beispiele zu nennen —• daß L. Blum ein „Söldling des Imperialismus" ist (VF 1948, I, S. 233), E. Gilson und J. Maritain „Dunkelmänner", J. P. Sartre und Malraux „Lakeien De Gaulle's" (VF 1948, 2, S. 279), Eddington ein „Knecht des Pfaffentums" (VF 1948, 2, S. 287) usw, Auch in dieser Beziehung hat sich die Lage nach dem Tode Stalins ein wenig verbessert, jedoch bleibt der „kriegerische" Ton an der „philosophischen Front" immer noch bestehen.

Es ist noch zu bemerken, daß die kommunistischen Philosophen sich durch einen extremen russischen Nationalismus auszeichnen.

Nur ein Beispiel: Der Plan eines Kurses über die Ästhetik enthält elf Kapitel, wovon fünf den nichtrussischen Ästetikern (u. a. Marx und Engels) jedoch sechs solchen Ästhetikern wie Belinskij, Cernysevskij, Dobroljubov, Plechanov und Lenin gewidmet sind (V. F. Berestnev u.

P. S. Trofimov in: VF 1948, 1). Wer nicht genug nationalistisch ist, wird der „nizkoplonstvo" (wörtlich: der kriecherischen Haltung) der bourgoisen Welt gegenüber angeklagt (so 1948 V. Kedrov).

C. Der dialektische Materialismus

Nach Stalin besteht der dialektische Materialismus (auch „Diamat“ genannt) aus einer Lehre, dem Materialismus, und einer Methode, der Dialektik (DHM S. 141). Das entspricht aber dem Inhalt des Diamat (auch nach Stalins eigener Darstellung) nicht: die kommunistische Dialektik ist keine Methode, sondern eine allgemeine Seinslehre (Ontologie) und Metaphysik. Die Einteilung ist jedoch insofern von Bedeutung, als sie die doppelte Quelle des Diamat darstellt: der Materialismus nämlich stammt aus dem alten naturwissenschaftlichen Materialismus, die Dialektik aus Hegel. § 6. DER MATERIALISMUS Das Wort „Materialismus" bedeutet bei den Kommunisten Viel mehr als üblich, nämlich eine Erkenntnistheorie, eine Ontologie, eine Metaphysik, Kosmologie und Psychologie. Die Hauptthesen des so verstandenen Materialismus können folgendermaßen zusammengefaßt werden:

(1) Realismus: es gibt Dinge, die von der menschlichen Erkenntnis unabhängig sind und im Bewußtsein „abgebildet, widergespiegelt und photographiert" werden. (2) Rationalismus: alles in der Wirklichkeit ist vollständig erkennbar: es gibt nichts Unerkennbares. Es gibt absolute Wahrheit.

(3) Ontologie: alles was ist, ist seiner Natur nach materiell. Die mannigfaltigen Erscheinungen der Welt stellen verschiedene Formen der sich bewegenden Materie dar.

(4) Metaphysik: die materielle Welt ist die einzige Wirklichkeit. Sie ist unendlich in Zeit und Raum. Es gibt keinen Gott.

(5) Psychologie: der Geist, das Bewußtsein ist sekundär in Hinsicht auf die Materie: er ist bloß ein Produkt, eine Funktion, eine Begleiterscheinung der Materie.

Jeder, der irgendeine dieser vielen Behauptungen leugnet, wird von den Kommunisten entgegen dem Sprachgebrauch aller Nicht-kommunisten „Idealist" genannt, während diese nur einen Gegner des Realismus so bezeichnen.

Dieser Materialismus enthält nichts Neues im Vergleich zu dem, was von den Materialisten des 18. und 19. Jahrhunderts gelehrt wurde und was längst in der westlichen Philosophie überwunden worden ist.

Lenin war sich der Schwierigkeiten bewußt, denen der alte Materialismus angesichts der Entwicklung der Wissenschaften begegnet, und es gibt bei ihm auch Texte, in denen das Wort „Materie" so gedeutet wird, als ob es einfach das vom Denken unabhängige Sein bedeute. Er schreibt zum Beispiel:

„Die einzige . Eigenschait'der Materie, an deren Anerkennung der philosophische Materialismus geknüpft ist, ist die Eigenschaft, objektive Realität zu sein" (MEMP V, 2, S. 750 f; LSW XIII S. 261 f).

„Der Begriff der Materie bedeutet erkenntnistheoretisch ... nichts anderes als: die objektive, unabhängig vom menschlichen Bewußtsein existierende und von ihm abgebildete Realität" (a. a. O. S. 251; LSW S. 262). (Kursiv von Lenin selbst.)

Jedoch schreibt er — und nach ihm natürlich alle Kommunisten — der Materie als wesentliche Eigenschaft zu, sich im Raume zu bewegen (MEMP III, 5, S. 164; LSW XIII, S. 167) und er sagt auch ausdrücklich, der „dialektische" Materialismus unterscheide sich vom „vulgären"

d. h. klassischen Materialismus der alten Naturwissenschaftler nur darin, daß diese (1) „Mechanisten" seien, (2) „antidialektisch" philosophieren und (3) in der Gesellschaftslehre Idealisten sind:

„Ausschließlich dieser drei . Dinge wegen, ausschließlich in diesen Grenzen lehnt Engels sowohl den Materialismus des 18. Jahrhunderts als auch die Lehre der Büchner und Konsorten ab! In allen übrigen . . . Fragen, die eher zum ABC des Materialismus gehören, gibt es zwischen Marx und Engels einerseits und all diesen alten Materialisten andererseits keinen Unterschied und kann es auch keinen geben.

(MEMP IV, 7, S. 230 f.: LSW XIII, S. 239.)

Es ist nur zu bemerken, daß die Kommunisten keine Vertreter des „Mechanismus" sind, d. h. daß sie nicht alles durch Lage und Moment der stofflichen Partikel erklären wollen. Die Materie hat vielmehr nach ihrer Ansicht viele wesensverschiedene Arten der Bewegung, z. B. „Leben, Bewußtsein, soziales Geschehen" (KFS, 4. A. S. 123 b).

Diese Bewegungen sind Eigenschaften der Materie.

Fragt man, wie die Thesen des Materialismus begründet sind, so findet man, daß sie entweder ohne jede Begründung aufgestellt werden, oder daß man sich auf die Errungenschaften der Wissenschaften beruft. In einigen Fällen, so gegen den Idealismus Kants, werden recht amüsante Mißverständnisse als Argumente gebraucht: die Kommunisten behaupten, die künstliche Erzeugung der Alisarin hätte seine Theorie des „Dinges an sich" widerlegt

§ 7 . DIE DIALEKTIK: WESEN UND INHALT Der zweite Bestandteil des dialektischen Materialismus, die Dialektik, wird gewöhnlich als „die Wissenschaft von den allgemeinsten Entwicklungsgesetzen in der Natur, in der menschlichen Gesellschaft und im Denken" angesehen 8). Am besten kann sie als die grundlegende kommunistische Metaphysik des Zusammenhanges und der Entwicklung aller Dinge bezeichnet werden.

Wie der Materialismus einfach aus der Philosophie der alten naturwissenschaftlichen Materialisten, so ist die Dialektik aus dem System Hegels übernommen worden. Was ihren Inhalt anbetrifft, so zählt Lenin 16, Engels drei und Stalin vier Grundlehren der Dialektik. Die wichtigsten darunter können in den folgenden fünf vermeintlichen „Gesetzen" zusammengefaßt werden:

(1) Gesetz des Zusammenhanges: alle Dinge und Erscheinungen stehen in einem durchgehenden gegenseitigen Zusammenhang. (2) Gesetz des optimistischen Evolutionismus:

alles ist in einer Entwicklung begriffen, die zu immer Besserem führt. (3) Gesetz der Notwendigkeit: alles was ist und wird, ist und wird notwendig.

(4) Gesetz der Sprünge: die Entwicklung kommt nicht all-!

mählich, sondern durch plötzliche Sprünge zustande, durch welche 3 „neue Qualitäten" erzeugt werden.

(5) Gesetz des Widerspruches: die treibende Kraft der Entwicklung sind „Widersprüche" und der „Kampf" im Wesen der Dinge selbst.

Die Darstellung der Dialektik ist bei den Nachfolgern Lenins meistens recht oberflächlich und irreführend, weil es sich um eine schwierige philosophische Lehre handelt, die noch dazu viel Unsinn enthält. Es soll deshalb betont werden, daß Lenin selbst sie als höchst bedeutend ansah — er hat sie die Seele des Diamat genannt — und hat sich eingehend mit dem Studium Hegels beschäftigt. Um den Kommunismus zu verstehen, soll man zu Lenin und darüber hinaus zu Hegel greifen. Freilich haben die Kommunisten den Idealismus Hegels verworfen, aber die Dialektik wurde vollständig übernommen.

Der Kommunismus ist wesentlich Hegelianismus.

Aus der obigen Analyse ist einigermaßen zu verstehen, was bei den Kommunisten das vielgebrauchte Adjektiv „dialektisch" bedeutet. Es hat viele Bedeutungen. „Dialektisch" ist ein Verfahren, in welchem man Umgebung und Zusammenhänge beachtet (1); weiter geht „dialektisch" vor, wer den zukünftigen Stand der Dinge einsieht (2); „dialektisch" verstehen, heißt auch aus den Gesetzen etwas zu verstehen (3); der wichtigste Sinn des Adjektivs „dialektisch" bezieht sich auf das Gesetz der Sprünge: da es wegen dieser Sprünge verschiedene Arten von Dingen gibt, heißt „dialektisch" hier etwa soviel wie „elastisch", „sich anpassend", „immer neue Methoden dem Gegenstand gemäß anwendend" (4); endlich nennen die Kommunisten auch ein Verfahren „dialektisch", welches zum Kampfe oder zur Auseinandersetzung führt (5). Mit dieser letzten Bedeutung hängt auch die einfachste zusammen, nach der die Dialektik ein Dialog, eine Diskussion ist. Ein guter Dialektiker ist dann einfach der, der gut diskutieren kann.

§ 8 . DAS GESETZ DES ZUSAMMENHANGES Dieses ist die vielleicht wichtigste, fundamentalste Lehre des Kommunismus, und man kann ohne Übertreibung sagen, daß vom Verständnis dieses Gesetzes die richtige Einschätzung des Kommunismus abhängt. Dabei ist ein solches Verständnis selten, weil die Kommunisten es selbst oberflächlich darstellen. So wie Stalin es formulierte (DHM S. 143), enthält das Gesetz nur die Alltagswahrheit, daß Dinge und Erscheinungen sich gegenseitig beeinflussen und voneinander abhängig sind. Tatsächlich aber enthält das Gesetz viel mehr, nämlich die Hegeische Lehre vom Primat des „Ganzen" vor dem Teil, also einen metaphysischen Kollektivismus. Das Individuum existiert nur in dem „Ganzen" und durch das „Ganze"; deshalb existiert es nur für das „Ganze". In letzter Analyse voll wirklich ist nur die ganze Welt — alles andere besteht nur als ein „Moment", „dialektisch", in diesem Ganzen.

Der ökonomische und soziale Kollektivismus bilden nur eine Seite der Anwendung dieser Lehre. Die Grundlehre der kommunistischen Moral, nach welcher der Einzelmensch ausschließlich für die Gesellschaft da ist und handeln soll, ist eine andere. Die im folgenden ausführlich belegte Mißachtung des Einzelnen ergibt sich folgerichtig aus demselben Gesetz.

Unter den Hegelkommentatoren schätzte Lenin ganz besonders Iwan Iljin. Dieser aber faßt den Grundgedanken Hegels folgender maßen auf:

„Gott ist für Hegel . . . die einzige Realität; außer ihm gibt es nichts.

Er entwickelt sich zu einem lebendigen System von konkreten Bestimmungen . . . Hegel betonte mehrmals und ausdrücklich, er sei Pantheist, und zwar in dem Sinne, daß er ein selbständiges Sein der Welt ablehne: P anthei sm u s ist Ak o s m i s mu s. Es gibt nur Gott; die Welt ohne Gott und außerhalb Gottes ist bloßer Schein."

(Iwan Iljin, Die Philosophie Hegels als kontemplative Gotteslehre, Bern 1946, S. 11.)

Das Zentrale ist hier nicht, daß gerade Gott genannt wird, auch nicht der Pantheismus und Akosmismus, sondern der Gedanke, daß alles Individuelle, Einzelne nur ein „Moment" des „Ganzen" ist. „Das Wahre ist das Ganze" sagt Hegel, und das heißt, daß der Teil, das Individuum seine Wirklichkeit nur i m Ganzen und durch das Ganze hat — und auch, daß es in der Wertordnung auf dieses Ganze vollständig bezogen ist Diese Lehre kann nur zu leicht mißverstanden werden, und sie ist auch in der Geschichte öfters mißverstanden worden. Hegel leugnet das Individuum nicht im gewöhnlichen Sinne, sondern „dialek-tisch": es wird freilich als Individuum „aufgehoben" zugunsten des „Ganzen", etwa des Staates, aber dann wird dieses „Ganze" wieder „aufgehoben" durch ein höheres Ganzes, in welchem das Individuum auch ein „Moment" ist und so weiter ins Unendliche. Am Ende bleibt nichts bestehen als der unendliche „dialektische" Prozeß der Ideewelcher „Gott" genannt wird. Der einzige Unterschied zwischen Hegel und den Kommunisten besteht hier nur darin, daß das, was er „Idee" nannte, jetzt „Materie" heißt — wobei beide Worte wahrscheinlich überhaupt keinen Sinn haben — denn weder Hegel noch die Kommunisten sind imstande zu sagen, was eigentlich diese Idee bzw. Materie ist. Marx: „Feuerbach löst das religiöse Wesen in das menschliche Wesen auf. Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum inne-wohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse. Feuerbach, der auf die Kritik dieses wirklichen Wesens nicht eingeht, ist daher gezwungen: 1. von dem geschichtlichen Verlauf zu abstrahieren und das religiöse Gemüt für sich zu fixieren, und ein abstrakt — isoliert — menschliches Wesen vorauszusetzen . . (Thesen über Feuerbach, 6, ME AS II, S. 127 ff.). Als Menschheit soll man nicht ein „Abstraktum" verstehen, das in einzelnen Menschen vorkommt, sondern „das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse" — also das Hegeische „Konkret-Allgemeine", das „Ganze". Engels: „Die wahre Natur der „Wesens" bestimmungen von Hegel selbst ausgesprochen („Enzyklopädie", I, § 111, Zusatz): „Im Wesen ist alles relativ" . . . „Teil und Ganzes z. B. sind schon Kategorien, die in der organischen Natur unzureichend werden. — Abstoßen des Samens — der Embryo und das geborene Tier sind nicht als „Teil“ aufzufassen, der vom „Ganzen" getrennt wird, das gäbe schiefe Behandlung. Erst im Kadaver . . . " (Dialektik der Natur , Berlin 1952, S. 226 — MEGA Sonderausg. Moskau 1935, S. 607 f.) „Relativ" bedeutet hier im ersten Text offenbar nicht soviel wie „veränderlich", sondern soviel wie „auf andere bezogen": das Wesen besteht also in dieser Bezogenheit — auf das „Ganze". — Der zweite Text zeigt an einem Beispiel, wie man „dialektisch" die Selbständigkeit des Tieres leugnen soll. „(die dialektische Philosophie) . . . weist von Allem und an Allem die Vergänglichkeit auf, und nichts besteht vor ihr, als der ununterbrochene Prozeß des Werdens und Vergehens, des Aufsteigens ohne Ende vom Niedern zum Hähern, dessen bloße Widerspiegelung im denkenden Hirn sie selbst ist.“ (LF S. 8 /ME AS II, S. 337.) Lenin: „Beginnenwir mit dem Einfachsten, ... miteinembeliebigen Satz: die Blätter des Baumes sind grün, Johann ist ein Mensch, der Spitz ist ein Hund u. dgl. Schon hier (wie Hegel genial bemerkt hat) haben wir Dialektik: Einzelnes ist Allgemeines . . . das Einzelne existiert nicht anders als in dem Zusammenhang, der zum Allgemeinen führt. Das Allgemeine existiert nur im Einzelnen, durch das Einzelne. Jedes Einzelne ist (auf die eine oder andere Art) Allgemeines. Alles Allgemeine ist ein Teilchen oder eine Seite oder das Wesen des Einzelnen ... Alles Einzelne hängt durch Tausende von Übergängen mit einer anderen A r t Einzelner (Dingen, Erscheinungen, Vorgängen) zusammen usw. Schon hier haben wir Elemente, Keime, Begriffe der Notwendigkeit, des objektiven Zusammenhanges in der Natur etc." (Nachlaß S. 287.) „. . . eine prächtige Formel: . Nicht nur abstrakt Allgemeines, sondern ein solches Allgemeines, das den Reichtum des Besonderen, des Individuellen, Einzelnen (allen Reichtum des Besonderen und des Einzelnen?) in sich faßt!!'Tres bien!" (Nachlaß S. 17.) Diese Stelle ist mit drei Strichen bezeichnet. Dreimal unterstreicht Lenin auch den Hegeischen Satz: „Das Interesse liegt in der ganzen Bewegung", und schreibt daneben: „vortrefflich!" (Nachlaß S. 163.) Eine andersartige wichtige Anwendung des Gesetzes vom Zusammenhang ist die kommunistische Theorie der „dialektischen" Beziehungen zwischen Theorie und Praxis. Da aber diese sich auch auf einige Prinzipien des historischen Materialismus stützt, wird sie unten behandelt (§ 13).

§ 9. EVOLUTIONISMUS, NOTWENDIGKEIT UND „SPRUNGE" a. Der optimistische Evolutionismus Das zweite „Gesetz" der Dialektik hat zwei Bestandteile: es behauptet erstens, daß es in der Welt nichts Unveränderliches und Ewiges gibt, außer der Materie und den Gesetzen ihrer Bewegung (d. h.des Diamats selbst). Zweitens, daß diese Veränderung eine aufsteigende Evolution sei, die immer bessere Formen herausbringt. Es handelt sich wieder um zwei Hegeische Behauptungen, die aber auch von den Materialisten des 18. Jahrhunderts vertreten wurden. Lenin zitiert anerkennend die oben angeführte Stelle aus Engels über die Vergänglichkeit aller Dinge (LSW XVIII S. 18; zit. aus LF 8 ME AS S. 607f.), wie auch die folgende: „Der große. Grundgedanke", . . . „daß die Welt nicht als ein Komplex von fertigen Dingen zu fassen ist, sondern als ein Komplex von Prozessen, worin die scheinbar stabilen Dinge nicht minder wie ihre Gedankenbilder in unserem Kopf, die Begriffe, eine ununterbrochene Veränderung des Werdens und Vergehen durchmachen . . ." (a. a. O.; zit. aus LF S. 42 /ME AS II, S. 361). Diese Änderung ist dabei als eine Verbesserung aufzufassen. Ein führender kommunistischer Philosoph, Rosental, faßt diese Lehre folgendermaßen zusammen: „Marx, Engels, Lenin und Stalin lehren, daß die Entwicklung in Natur und Gesellschaft keine Wiederholung des Alten ist, daß die Bewegung nicht in irgendeinem unveränderlichen Rahmen vor sich geht, sondern daß sie sich auf dem Wege der Ablösung des Alten durch das Neue, durch die Vernichtung dessen, was sich überlebt hat, und die Behauptung des Neuen, Progressiven, Revolutionären vollzieht. * (M. M. Rosental. Die marxistische dialektische Methode. Berlin 1954, S. 128.) Fragt man, wie dieser Optimismus — außer durch Zitate aus den „Klassikern" — begründet wird, so wird immer wieder die Biologie (Darwinismus) angeführt. Es'handelt sich aber im Grunde nur um den im 19. Jahrhundert so verbreiteten Glauben, daß alles zum Besseren tendiert. b. Notwendigkeit Die genannte Entwicklung ist nach den Kommunisten streng notwendig. Es handelt sich wieder um einen Hegelschen Gedanken.

„Der dialektische Materialismus steht auf dem Standpunkt, daß in der Natur und in der Gesellschaft nicht der Zufall, sondern Notwendigkeit herrscht. Dies bedeutet, daß alles, was in der objektiven Welt ist, notwendig, d. h. gemäß objektiver erzeugt wird.“ (KFS, Gesetze L. A., S. 397a.) „Notwendig" wird eine Entwicklung genannt, welche sich aus den inneren Gesetzen des betreffenden Dinges ergibt; was durch äußere Faktoren verursacht wird, wird „Zufall" genannt. So ist z. B. die Zerstörung einer Pflanze durch den Hagel in diesem Sinne „zufällig". Das erlaubt den Kommunisten zu behaupten, daß sie auch den Zufall anerkennen. Es ist jedoch klar, daß vom Gesichtspunkt der ganzen Welt kein Zufall zulässig ist, sondern alles notwendig wird. Darüber hinaus anerkennen die Kommunisten auch die menschliche „Freiheit". In einem immer wieder zitierten Text von Engels heißt es: „Nicht in der geträumten Unabhängigkeit von den Naturgesetzen liegt die Freiheit, sondern in der Erkenntnis dieser Gesetze und in der damit gegebenen Möglichkeit, sie planmäßig zu bestimmten Zwekken wirken zu lassen." (Friedr. Engels, Anti-Dühring, Berlin 1948, S. 138.)

Es folgt daraus, daß die Kommunisten die Willensfreiheit ablehnen: .der Mensch ist nach ihrer Ansicht durchaus determiniert, jedoch wird er „frei" genannt, weil er die Natur zu beherrschen weiß. Es soll noch bemerkt werden, daß die Kommunisten das Wort „Determinismus" verwerfen. Auch diese Lehre wird dadurch begründet, daß man auf die Ergebnisse der Wissenschaften hinweist. c. Die „Sprünge" Die Entwicklung kommt nach der kommunistischen Dialektik durch sprunghafte Übergänge zu neuen „Qualitäten" zustande. Es ist eine andere Hegeische These, im schroffen Gegensatz zum alten Materialismus. Sie wird am klarsten von Stalin zusammengefaßt: „Im Gegensatz zur Metaphysik betrachtet die Dialektik den Entwicklungsprozeß nicht als einfachen Wachstumsprozeß, in welchem quantitative Veränderungen nicht zu qualitativen Veränderungen führen, sondern als eine Entwicklung, die von unbedeutenden und verborgenen quantitativen Veränderungen zu sichtbaren Veränderungen, zu grundlegenden Veränderungen, zu qualitativen Veränderungen übergeht, in welcher die qualitativen Veränderungen nicht allmählich, sondern rasch, plötzlich, in Gestalt eines sprunghaften Überganges von dem einen Zustand zu dem anderen Zustand eintreten . . * (DHM S. 144 /Mosk. S. 129.) Dieser Text enthält die folgenden Gedanken: (1) es gibt in der Natur wesentlich („qualitativ", nicht nur „quantitativ") verschiedene Stufen; (2) der Übergang von einer zu einer anderen wird durch quantitative Veränderungen vorbereitet; (3) er kommt aber nicht allmählich, sondern plötzlich, durch einen „Sprung" zustande.

Eine der wichtigsten Anwendungen der Lehre ist die Theorie der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft: diese wird durch kleine soziale Änderungen vorbereitet; ein wirklicher Fortschritt aber kann nur durch einen „Sprung“, d. h. durch die Revolution zustande kommen.

. Um also in der Politik nicht iehlzugehen", schrieb Stalin im Kommentar zu diesem Punkt, „muß man Revolutionär sein und nicht Reformist.“ (DHM S. 150 /Mosk. S. 133.)

§ DAS GESETZ DES WIDERSPRUCHS Die treibende Kraft der Entwicklung ist nun nach Hegel und den Kommunisten der „Widerspruch", der im Wesen aller Dinge liegen soll. Das Wort ist schlecht gewählt, denn es handelt sich gar nicht um (logische) Widersprüche, sondern um gegensätzliche Tendenzen.

Zwischen ihnen besteht ein „Kampf", der endlich notwendig zur Vernichtung einer Seite (der alten „These") durch die andere (die neue „Antithese") führt. Diese Vernichtung soll jedoch „dialektisch"

sein, indem das Alte zwar vernichtet, aber doch „aufgehoben" wird, d. h. „in seinen Gegensatz überschlägt". Dem siegreichen Neuen widersetzt sich später etwas Drittes (die „Synthese"), das es wieder vernichtet und „aufhebt" und so weiter bis ins Unendliche. Somit ist die Geschichte des Seienden im allgemeinen und der Gesellschaft im besonderen als eine Reihe von Vernichtungskämpfen aufzufassen.

Die wichtigsten Texte Lenins zu dieser Frage sind die folgenden:

„Im eigentlichen Sinne ist die Dialektik das Studium des Widerspruchs im Wesen der Gegenstände selbst: nicht nur die Erscheinungen sind vergehend, beweglich, fließend, . . . sondern auch die Wesenheiten der Dinge.“ (Nachlaß S. 188.)

„ 1) die Bestimmung des Begriffs aus ihm selbst ... 2) das Widersprechende im Dinge selbst („das Andere seiner"), die widersprechenden Kräfte und Tendenzen in jedweder Erscheinung; 3) die Vereinigung von Analyse und Synthese. Dies sind allem Anschein nach die Elemente der Dialektik. Man kann sich diese Elemente detaillierter wohl auch so vorstellen: . . . 4) die innerlich widersprechenden Tendenzen (und Seiten) in diesem Dinge. 5) das Ding (die Erscheinung etc.) als Summe und E i n-h eit der Gegensätze. 6) der Kampf resp, die Entfaltung dieser Gegensätze . . (a. a. O. S. 144).

„Bei der ersten Auffassung der Bewegung bleibt die Selbst bewegung ihre treibende Kraft, ihre Quelle, ihr Motiv im Schatten (oder diese Quelle wird nach außen verlegt — Gott, Subjekt etc.). Bei der zweiten Auffassung richtet sich die Hauptaufmerksamkeit gerade ‘ auf die Erkenntnis der Quelle der „Selbst" Bewegung.

Die erste Auffassung ist tot, arm, trocken. Die zweite lebendig. Nur die zweite liefert den Schlüssel zum Verständnis der „Selbstbewegung"

alles Seienden, nur sie liefert den Schlüssel zum Verständnis der „Sprünge", der „Unterbrechung der Kontinuität“, der „Verwandlung in das Gegenteil“, der Vernichtung des Alten und der Entstehung des Neuen.

Die Einheit (Zusammenfallen, Identität, Wirkungsgleichheit) der Gegensätze ist bedingt, zeitweilig, vergehend, relativ. Der Kampf der sich gegenseitig ausschließenden Gegensätze ist absolut, wie die Entwicklung, die Bewegung absolut ist." (a. a. O., S. 286.)

Diese Grundlehre wurde nun (besonders seit A. A. Zdanovs Auftreten im Jahre 1947) dadurch ergänzt, daß die Widersprüche einen dialektischen, d. h., auf jeder Stufe anderen Charakter tragen sollten und zwar gemäß der Theorie der „Qualitäten" und „Sprünge". Mao Tse-Tung sagt z. B., man soll ebensowohl die Universalität des Widerspruches beachten (daß er überall vorhanden ist) als auch seine Partikularität (daß er in jedem Fall anders ist. AS I S. 365). Die wichtigste Anwendung ist die Einteilung der Gegensätze in „antagonistische" und „nicht-antagonistische".

Rosental sagt dazu:

„Die marxistische Dialektik lehrt, daß es antagonistische und nichtantagonistische Widersprüche gibt. Antagonistische Widersprüche sind im gesellschaftlichen Leben solche Widersprüche, die den grundlegenden Klassengegensatz . . . zum Ausdruck bringen und die nur durch den unversöhnlichen Klassenkampf überwunden werden können . . .

Zum Unterschied von den antagonistischen Widersprüchen sind die nichtantagonistischen Widersprüche völlig anderer Natur. Im gesellschaftlichen Leben stehen hinter solchen Widersprüchen nicht feindliche Klassen mit einander entgegengesetzten Interessen." (M. M. Rosental:

Die marxistische dialektische Methode. Berlin 1954, S. 274.)

„Die Überwindung aller nichtantagonistischen Widersprüche vollzieht sich ebenfalls auf dem Wege des Kampfes . . . Aber die Über-windung der nichtantagonistischen Widersprüche geht ganz anders vor sich, als es bei den antagonistischen Widersprüchen der Fall ist .. . die antagonistischen Widersprüche (wachsen) im Laufe des Kampfes an und verschärfen sich, bis eine der gegensätzlichen Kräfte beseitigt ist. Die nicht antagonistischen Widersprüche dagegen werden im Laufe des Kampfes ausgeglichen und gemildert und finden eine glückliche Lösung im Interesse der fortschreitenden Entwicklung." (a. a. Q., S. 294 f.)

„Eine der wichtigsten Formen" dieser nichtantagonistischen Widersprüche und die „neue treibende Kraft der Entwicklung" soll „Kritik und Selbstkritik" sein (a. a. O., S. 308 ff.).

D. Der historische Materialismus

Der historische Materialismus entsteht durch Anwendung der Prinzipien des dialektischen Materialismus auf Probleme des gesellschaftlichen Lebens, und zwar wird vor allem hier der Grundsatz des psychologischen Materialismus (s. oben § 6) angewandt. Wie im Einzelmenschen der Geist, das Bewußtsein, eine Abspiegelung des Leibes (der Materie) ist, so soll auch in der Gesellschaft ihr geistiges Leben, ihr Bewußtsein, eine Abspiegelung der materiellen Bedingungen des sozialen Lebens sein. Unter „materiellen Bedingungen" werden aber die ökonomischen Bedingungen verstanden. Durch diese wird also letzten Endes alles, was der Mensch denkt und will, „bestimmt".

Der historische Materialismus wurde von den Kommunisten aus Marx entnommen, welcher ihn im folgenden, immer wieder zitierten Text 10) zusammenfaßte:

„In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhält-• ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft. Die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer überbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen . . .'

„Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das§ 11. GRUNDLAGEN: BASIS UND ÜBERBAU Bewußtsein des Menschen, das ihr „Sein“, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt". (Zur Kritik der politischen Ökonomie, Vorwort ME AS S. 337 f).

Weiter sagt Marx, daß es sich hier um die „juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz ideologischen Formen" handelt (A. a. O. S. 338).

, Die wichtigsten hier gebrauchten Begriffe sind jene der (ökonomischen) Basis und des (geistigen) Überbaues.

Die Basis ist zuerst und unmittelbar durch die Produktionsverhältnisse zwischen Menschen gebildet, nämlich jene Verhältnisse, in welche die wirtschaftlich tätigen Menschen notwendig eingehen. Diese entsprechen aber wieder den gegebenen Produktivkräften, d. h. letztens den gegebenen Werkzeugen und Methoden der Produktion. Stalin definiert diese Produktivkräfte wie folgt:

„Produktionsinstrumente, mit deren Hilfe materielle Güter produziert werden, Menschen, die diese Produktionsinstrumente in Bewegung setzen und die Produktion der materiellen Güter dank einer gewissen Produktionserfahrung und Arbeitsfähigkeit bewerkstelligen — alle diese Elemente zusammen bilden die Produktivkräfte der Gesellschaft.“ (DHM S. 162).

Die Basis im eigentlichen Sinne sind aber nur die Produktionsverhältnisse. Der überbau zerfällt seinerseits in zwei Schichten: (1) juristischer und politischer überbau, (2) Bewußtseinsformen, die diesem ersten überbau entsprechen; diese umfassen die „ideologischen For-men", d. h. juristische, politische, religiöse, künstlerische und philosophische Lehren.

Die ganze Struktur sieht also folgendermaßen aus:

(1) Produktivkräfte (und darunter an erster Stelle die Produktionswerkzeuge), (2) Produktionsverhältnisse: die Basis, (3) überbau 1: juristische und politische Verhältnisse, (4) überbau 2: ideologische Formen, nämlich Lehren — wobei (4) durch (3), (3) durch (2) und (2) durch (1) bestimmt ist: Welche Produktionsinstrumente solche Produktionsverhältnisse; welche Produktionsverhältnisse, solche juristischen usw. Verhältnisse; wie diese, so die Ideologie. Es sind also die Produktionswerkzeuge, die letzten Endes alles bestimmen.

§ 12. ENTWICKLUNGSLEHRE Die ganze oben beschriebene Struktur ist ständig in der Entwicklung begriffen und zwar so, daß die Änderung im überbau durch jene in der Basis, und die Änderung der Basis durch solche in den Produktivkräften verursacht werden. Der zweite Teil des eben angeführten Textes von Marx faßt diese Lehre kurz zusammen:

„Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure überbau langsamer oder rascher um.... Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind. Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens schon im Prozeß ihres Werdens begriffen sind." (A. a. O.

zitiert wie oben bei Lenin, Stalin usw.)

Ein Beispiel von Stalin für die Periode der Feudalordnung (Mittelalter) ist das folgende: Die Produktivkräfte dieser Periode schließen keine Industrie im eigentlichen Sinne des Wortes ein. Nun beginnt aber „die junge europäische Bourgeoisie neben den kleinen Zunft-werkstätten große Manufakturbetriebe zu bauen“; dies ist eine „Neugruppierung der gesellschaftlichen Kräfte, die mit einer Revolution enden mußte“ (A. a. O. S. 175). Denn die Produktivkräfte (nämlich die Produktionsinstrumente) wurden geändert und ihnen genügen die alten Produktionsverhältnisse nicht mehr.

Diese Lehre wird nun dadurch ergänzt, daß den meisten Typen der Produktivkräfte bestimmte Klassen entsprechen sollen. Eine Definition der Klasse finden wir weder bei Marx noch bei Engels;

dagegen liest man bei Lenin die folgende Beschreibung:

„Als Klassen bezeichnet man große Menschengruppen, die sich voneinander unterscheiden nach ihrem Platz in einem geschichtlich bestimmten System der gesellschaftlichen Produktion, nach ihrem (größtenteils in Gesetzen formulierten) Verhältnis zu den Produktionsmitteln, nach ihrer Rolle in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit und folglich nach der Art der Erlangung und des Anteils am gesellschaftlichen Reichtums, über den sie verfügen. Klassen sind Gruppen von Menschen, von denen eine sich der Arbeit einer anderen aneignen kann infolge der Verschiedenheit ihres Platzes in einem bestimmten System der sozialen Wirtschaft." (Die große Initiative, AW II, S. 570.)

Nach Lenin soll es nun fünf Grundtypen von Produktionsverhältnissen geben, die auf fünf verschiedene Typen von Produktivkräften bezogen sind. Die ersten vier sind in folgendem Text beschrieben:

„Die Entwicklung aller menschlichen Gesellschaften, wie sie sich im Laufe von Jahrtausenden in allen Ländern ohne Ausnahme vollzogen hat, zeigt uns eine allgemeine Gesetzmäßigkeit, Regelmäßigkeit, Folgerichtigkeit folgender Art: zuerst haben wir eine Gesellschaft ohne Klassen — die ursprüngliche, patriarchalische Urgesellschaft, in der es keine Aristokraten gab; dann eine Gesellschaft, die auf Sklaverei beruht, die Sklavenhaltergesellschaft ... Auf diese Form folgt in der Geschichte eine andere Form — die Leibeigenschaft. Die Sklaverei verwandelte sich in der übergroßen Mehrzahl der Länder in ihrer Entwicklung in Leibeigenschaft . . . Weiterhin entstand in der Gesellschaft der Leibeigenschaft in dem Maße, wie sich der Handel entwickelte, wie ein Weltmarkt entstand, in dem Maße, wie die Geld-zirkulation sich entwickelte, eine neue Klasse, die Klasse der Kapita listen ... Diese grundlegende Tatsache, der Übergang der Gesellschaft von den Urformen der Sklaverei zur Leibeigenschaft und schließlich zum Kapitalismus, müßt ihr stets im Auge behalten .. (Lenin, Uber den Staat, AW 11, S. 381 f.).

Diese Lehre wurde dann durch Stalin (DHM, S. 167— 171) ausgearbeitet und kann in folgender Tabelle dargestellt werden:

Name Produktivkräfte Produktionsverhältnisse Urgemeinschaft Werkzeuge, Gesellschaft!. Eigentum Bogen, Pfeil, Jagd, der Produktionsmittel Fischerei Klassen Sklaverei-Ordnung Privateigentum von Sklavenbesitzer Viehzucht, Ackerbau, Produktionsmitteln und Handwerk und von Menschen Sklaven Verbesserte Gewinnung des Eisens, Privateigentum von eisern. Pflug, Webstuhl, Feudalherren Feudalismus weitere Entwicklung und des Ackerbaues von Leibeigene und des Handwerks

Große, mit Maschinen Privateigentum von Kapitalisten Kapitalismus ausgerüstete Produktionsmitteln und Fabriken allein Proletarier Weitere „kolossale Gesellschaftliches Sozialismus Entwicklung" der Eigentum der Keine Fabrikindustrie Produktionsmittel Klassen Wie jede Entwicklung (drittes „Gesetz" der Dialektik) ist diese Entwicklung notwendig: die Kommunisten wissen, daß der Sozialismus unvermeidlich ist und kommen wird.

§ 13. THEORIE UND PRAXIS Vom Standpunkt des historischen Materialismus erhält eine der zentralen Lehren der kommunistischen Philosophie ihren vollen Sinn — die Lehre von der „dialektischen" Einheit der Theorie und Praxis.

Diese Lehre ist zuerst in den „Gesetzen" der Dialektik begründet.

Gemäß dem ersten „Gesetz" besteht ein durchgehender Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis; gemäß dem fünften „schlagen sie'

gegenseitig um, so wie alle Gegensätze: die Praxis geht in die Theorie über, die Theorie dient der Praxis und wird durch sie bestätigt. Eine der Anwendung dieses Prinzips ist die „dialektische" Erkenntnistheorie: Die Industrie beweist ebensowohl die Objektivität unseres Wissens, als auch die Falschheit der Kantischen Lehre vom Ding an sich (s. oben § 6 Ende).

Die Theorie ist aber auch ein Teil des Überbaues; als solche ist sie zuerst durch die Basis bedingt; diese ist die Ursache, während die Theorie ihr Abbild und ihre Wirkung ist. Damit besteht die Theorie für die Praxis; ihr ganzer Sinn ist, diese Praxis zu leiten. Nun ist der überbau, wie gesagt, an eine Klasse gebunden, wenigstens solange es Klassen gibt. Demgemäß besteht der ganze Sinn der Theorie (soweit sie ein Teil des Überbaues ist) darin, dem Klassenkampf zu dienen.

Diese Lage hebt jedoch das fundamentale „dialektische" Prinzip der gegenseitigen Bedingtheit nicht auf. Die Theorie — wie der ganze überbau — wirkt ihrerseits auf die Basis ein.

„Die Entwicklung der verschiedenen Teile des Überbaues ist in der ökonomischen Entwicklung begründet. Jedoch zeigen sie auch einen Einfluß auf einander und auf die ökonomische Grundlage. Der Sachverhglt ist durchaus nicht der, daß nur die wirtschaftliche Lage als einzige aktive Ursache auftritt, während die anderen Phänomene nur passive Wirkungen sind. Nein, es gibt hier eine gegenseitige Wirkung auf der Grundlage der ökonomischen Notwendigkeit.“ (Engels Brief an Starkenburg vom 25. 1. 1894, zitiert durch Glezerman, a. a. O. S. 39.)

„Die Theorie wächst auf der Grundlage der Praxis und erscheint als Ergebnis der praktischen Erfahrung der Massen. Mithin kann es ohne Praxis keine wissenschaftliche Theorie geben. Die Praxis stellt der Theorie die Probleme, welche die Theorie lösen soll. (KFS 4, AS 59 b.)

„Jedoch, die auf der Grundlage der praktischen Tätigkeit ausgewachsene Theorie ist eine sehr große Macht, die auf die Praxis selbst einwirkt.“ (A. a. O. S. 592 b.) § 14. DIE IDEOLOGIE a. Allgemeine Eigenschaften Die Ideologie — die den zweiten Teil des Überbaues bildet, — wird als „ein System bestimmter Ansichten, Ideen, Begriffe, Vorstellungen, an welche sich diese oder jene Klasse oder politische Partei hält", definiert (KFS 4 A. 1954 S. 186 a). Von jeder Ideologie gilt, daß sie (1) eine Abspiegelung des Gesellschaftlichen Seins, d. h. letzten Endes des wirtschaftlichen Lebens und der Interessen der Gesellschaft ist, (2) immer die Ideologie einer Klasse ist, (3) daß ihr ganzer Sinn darin besteht, ein Werkzeug und eine Waffe im Kampf dieser Klasse zu sein, (4) daß sie — wie ihre ökonomische Basis — immer in Entwicklung begriffen ist, und zwar so, daß eine neue . Ideologie schon im Rahmen des alten Systems entsteht, und umgekehrt, die alte eine Zeitlang weiter unter dem neuen System als „Überbleibsel“ lebt.

Daraus ergeben sich zwei wichtige taktische Regeln: Man soll zuerst die ökonomische Basis und nicht die Ideologie angreifen; wenn aber die Basis schon vernichtet ist, soll man die „Überbleibsel" selbst direkt bekämpfen.

Zur Ideologie gehören ganz eindeutig: Politische Theorie, Rechts-theorie, Philosophie, Sittlichkeit, Kunst und Religion. Was die Wissenschaft anbetrifft, so gehören die Gesellschaftswissenschaften ganz eindeutig, die Naturwissenschaften in einem beschränkten Sinn zur Ideologie.

Alle diese Gebiete müssen also immer „parteilich" sein. Es hat also eigentlich keinen Sinn zu fragen, ob diese oder jene Ideologie wahr oder falsch ist; sie kann nur für eine bestimmte Klasse nützlich oder schädlich sein. Freilich behaupten die Kommunisten, daß ihre Ideologie als Ideologie der „fortschrittlichen" Klasse, die einzig wahre sei; daß aber der Kommunismus gerade nur vom Standpunkt seiner eigenen Ideologie aus die fortschrittliche Klasse vertritt — daß es sich also hier um einen c i r c u 1 u s vitiosus handelt — macht den Kommunisten keine Sorgen.

b. Philosophie Die Philosophie ist durchgehend klassenbedingt: sie ist, solange es Klassen gibt, stets parteilich.

„Das Prinzip der Parteilichkeit drückt das Wesen der marxistischen Haltung (podchoda) zu allen Problemen der Philosophie, zum Kampf der philosophischen Richtung aus. Der Marxismus-Leninismus lehrt, daß in einer Klassengesellschaft jede Ideologie, also auch die Philosophie, die Interessen dieser oder jener Klasse ausdrückt. Der Kampf der ideologischen, philosophischen Richtung ist die Offenbarung (Erscheinung) des Klassenkampies.“ (KFS 4. A. S. 440 b.)

„In der Sowjetunion, wo die Ausbeuterklassen vernichtet wurden, herrscht ausschließlich die Ideologie des Marxismus, welche nicht nur die Interessen der Arbeiterklasse, sondern auch aller Werktätigen in der sozialistischen Gesellschait ausdrückt." (a. a. O. S. 443 a.)

Von dieser allgemeinen Regel scheint es jedoch in der letzten Zeit eine Ausnahme zu geben: Die Logik soll keine Klassenangelegenheit mehr sein.

Bis 1946 gab es keine Logik als Lehrfach an den Schulen und Universitäten der UdSSR; statt dessen dozierte man eine „dialektische Logik“, nämlich die Stalinschen vier dialektischen „Gesetze". Im November 1946 wurde die formale Logik durch eine Verordnung des ZK eingeführt. Jedoch hatten die Vertreter der formalen Logik unter scharfen Angriffen und Verurteilungen zu leiden; so wurde am 23. 3.

1948 P. S. Popow wegen „Formalismus und Parteilosigkeit" im Gebiet der Logik durch eine Verordnung des Unterrichtsministers S. V.

VF 1948, 3.) Im selben Jahr klagte man einen anderen Logiker, V. F.

Kaftanov verurteilt (P. E. Wysinskij): Protiv formalizma . . .

Asmus der „Ideenlosigkeit" und des „apolitischen Charakters“ seiner Logik an (I. I. Osmakow: Vsesojuznoje sovescanije po logike, VF 1948, 4). Als aber Stalin 1950 erklärte, die Sprache sei keine Klassenangelegenheit, konnten die Logiker behaupten, dasselbe gelte für die Logik. Im Schlußwort zu einer umfangreichen Diskussion zur Logik in den Voprosy Filosofii sagte z. B. die Redaktion:

„Es gibt nicht zwei Logiken: eine alte, metaphysische, und eine neue, dialektische. ... Es gibt nur eine formale Logik, die allgemein menschlich ist. Die dialektische Logik fällt mit der Dialektik und der Erkenntnistheorie des Marxismus zusammen" (K itogam obsuzdenija voprosov logiki. VF 1951, 6, S. 143 ff).

Später kam es wieder zu einem Rückschlag der „Dialektik“. M. B.

Mitin, ein Fürsprecher der Partei in philosophischen Fragen, erklärte noch im Juli 1955, die ganze Tendenz sei „mit der gröbsten und schädlichsten Herabwürdigung der philosophischen Grundlagen ... verbunden" (M. B. Mitin: V. I. Lenin velikij materialist-dialektik. Kommunist 1955, 7, S. 21). c. Wissenschaft Bis zum Jahre 1950 galt für die Wissenschaft genau dasselbe wie für die Philosophie: Jede Wissenschaft war eine Partei-und Klassen-angelegenheit. Das verbindende „Wörterbuch der Philosophie" hat in seiner zweiten Auflage (1940) das Schlagwort „die Parteilichkeit der Wissenschaft und der Philosophie", worin man liest: „der dialektische Materialismus lehrt, daß die Philosophie wie jede Wissenschaft parteilich, klassen-gebunden ist." (KFS, 2. A. S. 210.)

Dagegen wird neuerdings in den Naturwissenschaften ein zweifaches Element unterschieden: ein objektives und ein klassen-gebundenes. Dasselbe Wörterbuch hat in der 4. Auflage (1954) als Schlagwort nur „Parteilichkeit der Philosophie" (und nicht mehr der Wissenschaft, S. 440 b). Die neue Lage wird folgendermaßen durch Glezerman dargestellt: „Die Gesellschaftswissenschaften sind unmittelbar mit den Klassen-interessen verbunden, während die Naturwissenschaften von ihnen bei weitem mehr entfernt sind. ... Es wäre aber nicht richtig, daraus den Schluß zu ziehen, daß die Wissenschaften in zwei Gruppen zerfallen ... Tatsächlich erscheint der ideologische Kampf nicht nur in den Gesellschafts-sondern auch in den Naturwissenschaften ... Auch in der Mathematik, in der Astronomie und in den anderen Naturwissenschaften findet der ideologische Kampf statt ... Es ist klar, daß dieser ideologische Kampf in den Naturwissenschaften, vor allem im weltanchaulichen Aspekt der Wissenschaft erscheint ... Es gibt keine einzige Wissenschaft, welche in der Klassengesellschaft nicht eine oder eine andere Weltanschauung einschließen würde ... Jedoch beschränkt sich die Wissenschaft nicht darauf. Sie enthält auch ein reiches Tatsachenmaterial, sie gibt eine mehr oder wertiger getreue Erkenntnis der Gesetze der objektiven Welt. Wir nehmen aus der bourgeoisen Wissenschaft alles, was wertvoll ist ...den ganzen Reichtum des Wissens. Aber wir verwerfen die reaktionären, lügnerischen, idealistischen Ideen, welche die Bourgoisie in die Wissenschaft hineinbringt." (Glezerman, a. a. O. S. 110— 113).

d. Sittlichkeit Ganz relativistisch und sozial-utilitaristisch ist nach dem Kommunismus die Sittlichkeit. „Gut und moralisch ist, was der Zerstörung der alten Ausbeutergesellschaft dient", schrieb Lenin; und ein halb-offizieller Text aus dem Jahre 1940 sagt sogar, „nur was der Zerstörung usw. dient" (KFS, 2. A. S. 177 b).

Lenin schrieb:

„Jede Sittlichkeit, die aus einem über dem Menschen stehenden klassenlosen Begriff abgeleitet wird, lehnen wir ab. Wir sagen, daß das ein Schwindel, daß das Lug und Trug ist, eine Verkleisterung der Hirne der Arbeiter und Bauern im Interesse der Gutsbesitzer und Kapitalisten.

Wir sagen, daß unsere Sittlichkeit völlig den Interessen des proletarischen Klassenkampfes untergeordnet ist. Unsere Sittlichkeit entspringt aus den Interessen des proletarischen Klassenkampfes." (Die Aufgaben der Jugendverbände. Rede auf dem III. All-russischen Kongreß des Kommunistischen JugendVerbandes. MEM S. 391 f /LAW II S. 788 /LSW XXV S. 483.)

„Der Klassenkampf geht weiter, und unsere Aufgabe ist es, alle Interessen diesem Kampf unterzuordnen.

Und wir ordnen unsere kommunistische Sittlichkeit dieser Aufgabe unter. Wir sagen: sittlich ist, was der Zerstörung der alten Ausbeutergesellschaft dient und dem Zusammenschluß aller Werktätigen um das Proletariat, das die neue kommunistische Gesellschaft errichtet.

Die kommunistische Sittlichkeit ist jene Sittlichkeit, die diesem Kampf dient ..." (a. a. O. MEM S. 393 /LAW S. 790 /LSW S. 485).

„Wenn man uns von Sittlichkeit redet, so sagen wir: für den Kommunisten besteht die Sittlichkeit ganz und gar in dieser solidarischen Disziplin und in dem bewußten Kampf der Massen gegen die Ausbeuter. An eine ewige Sittlichkeit glauben wir nicht, und wir entlarven den Betrug aller möglichen Sittlichkeitsmärchen ..."

„Die Grundlage der kommunistischen Sittlichkeit ist der Kampi für die Festigung und Vollendung des Kommunismus. Darin besteht denn auch die Grundlage der kommunistischen Erziehung, Bildung und Schulung .. (a. a. O. MEM S. 395 /LAW S. 791 f /LSW S. 487 f).

Genau dieselbe Lehre ist noch im Jahre 1956 in Kraft:

„Der Kampf um den Kommunismus bildet den Inhalt aller wichtigeren Prinzipien und Kategorien der kommunistischen Sittlichkeit’ (A. F.

Siskin: Nekotoroje voprosy teorii kommunisticeskoj moraly, VF 1956, 4, S. 9). Freilich sahen sich die Kommunisten gezwungen, der Jugend solche natürlichen Tugenden wie Solidarität, Gerechtigkeit usw zu predigen, und die Handbücher der Pädagogik enthalten viel darüber 11); jedoch bleibt als Begründung der Relativismus bestehen und die erhabenen moralischen Prinzipien gelten nur für die Mitglieder derselben Klasse bzw.der „sozialistischen Gesellschaft", wo sie dem Ziel der Partei dienlich sind e. Kunst und Religion Dieselbe relativistische und sozial-utilitaristische Auffassung gilt von der Kunst:

Der Beschluß des ZK vom Jahre 1925 stellt fest:

„In einer Klassengeseilschait gibt es und. kann es keine neutrale Kunst geben, obwohl der Klassencharakter der Kunst im allgemeinen und der Literatur im besonderen sich in mehr vielfältigen Formen ausdrückt, als z. B. in der Politik" (Beschluß vom 18. 6. 1925, zitiert bei Glezerman a. a. O. S. 119).

„In einer Klassengesellschait dient die Kunst als Ausdruck der Interessen der verschiedenen Klassen und als Waffe im Klassenkampf."

(KFS, 4. A„ S. 198 b.)

Die Lage in Bezug auf die Religion ist ähnlich. Sie wird auch sozialutilitaristisch und relativistisch aufgefaßt. Dabei unterscheidet sie sich von den anderen Ideologien dadurch, daß sie erstens absolut falsch, zweitens nur ein Werkzeug der Ausbeutung ist — und als solche (im Gegensatz zu den übrigen Ideologien) in der sozialistischen Periode nicht eine neue Gestalt annehmen, sondern einfach verschwinden soll.

Die klassische Definition der Religion lautet: „Verkehrte, phantastische Abbildung in den Köpfen der Menschen von den natürlichen und gesellschaftlichen Mächten" (KFS, 4. A„ S. 510 b).

Diese Lehre wird im Kapitel XIII weiter belegt und erörtert.

f. Ideologie und absoluter Wert Alle genannten Gebiete sind damit als reine Techniken aufgefaßt — das Wahre, Gute, Schöne gelten ausschließlich als Mittel zum politischen Zweck der kommunistischen Partei. Die kommunistische Ideologie scheint also keine eigentliche Wertlehre, sondern nur eine Theorie der Technik zu enthalten. Und doch anerkennen die Kommunisten zugleich einen absoluten Wert: nämlich das Endziel der Partei.

Alles andere wird in Bezug auf diesen Zweck relativiert — der Zweck selbst gilt aber absolut, als ein unbedingtes Sollen.

Sucht man nach einer Begründung für diese Haltung, so sucht man sie in den kommunistischen Schriften vergeblich: es wird einfach behauptet, daß es so sein soll. Es ist aber klar, daß sie sich logisch aus der „dialektischen" These vom Zusammenhang ergibt: denn, ist nur das „Ganze" wahr, d. h. voll wirklich, besteht alles andere nur als ein „Moment" in diesem Ganzen und für das Ganze, dann kann es auch keine unbedingten endlichen Werte geben.

Die kommunistische Ideologie enthüllt sich also als eine extrem wertmonistische Lehre — man könnte sogar sagen: eine extrem theo-zentrische Lehre, da das genannte „Ganze" das Absolute, also eine Art Gott ist. Diese Auffassung wird noch dadurch bekräftigt, daß die praktische Haltung der Kommunisten ihrer Partei gegenüber geradezu eine religiöse genannt werden kann: sie fordert von ihnen volle Aufopferung, Gehorsam usw. 12). Der werdende Gott -das All — hat als „bewußte Spitze" die Menschheit, die wieder als „bewußte Spitze" das Proletariat hat; das Proletariat hat seine volle Bewußtheit in der Partei und diese in ihren leitenden Organen. Die Partei ist die Verkörperung Gottes.

Warum spricht man also vom Kommunismus als von einem Humanismus? Ausschließlich in dem Sinne, daß Gott mit der Menschheit (und zwar genauer, mit ihrer „bewußten Spitze", d. h. mit der Partei)

identifiziert wird. Was den wirklichen Einzelmenschen betrifft, bleibt er dabei notwendig ein bloßes Werkzeug des Unendlichen.

§ 15. BEWERTUNG Die kommunistische Philosophie enthält zweifellos viele richtige Gedanken (so den Realismus, Rationalismus usw.); auch in jenen Behauptungen, die falsch bzw. stark übertrieben sind (Materialismus, die meisten Gesetze der Dialektik), ist gewöhnlich ein richtiger Kern enthalten. Man kann auch sagen, daß fast jeder seiner Bestandteile ernsthaft vertreten werden kann; aber so, wie dies die Kommunisten tun, kann sie kein denkender Mensch anerkennen.

11) So z B. B. M. Kalinin: O kommunisticeskom vospitanii, 1946, 3. A. u.

übersetz über kommunistische Erziehung. Moskau 1949 12) Die beste Darstellung dieser sakralen Haltung in: J. Monnerot, Sociologie du Communisme, Paris 1949, deutsch 1952.

Praktisch alle Philosophen, die sich damit befaßt haben, sind zu dem Schluß gekommen, daß dieses Lehrgebäude unmöglich ernst genommen werden darf.

B. Russell: „Jene, die den Bolschewismus annehmen, schließen sich dem wissenschaftlichen Beweis gegenüber ab und begehen einen intellektuellen Selbstmord" (The Pratice and T h e o r y of Bolshevism, 2. A., London 1948, S 74).

H. B. Acton: „ein philosophisches Durcheinander“ (a philosophical farrago) (The Illusion of the Epoch, London 1955, S 271).

G. Miehe: „Gegründet auf eine fehlerhafte Problematik, primitiv formuliert, widerspruchsvoll" (Manuale di filosofia b o 1 -

scevica, Rom 1945, S. 121).

S. Hook: Fast jede Art (variety) des heute landläufigen dialektischen Materialismus ist ein falscher Nachkömmling (bastard off spring), welcher durch einen politisch motivierten Idealismus der modernen Wissenschaft auferlegt wurde" (Reason, Social Myths and Democracy New York 1950, S. 224).

J. Monnerot: „(Es gibt) einen Widerspruch zwischen Dialektik und Wissenschaft" (Sociologie du Communisme, Paris 1949, S. 209).

A. Pastore: „Keine Gnoseologie, keine Metaphysik, keine wissenschaftliche Zuständigkeit, keine Psychologie, keine Ästhetik, keine Ethik, keine Mystik ... viel Anwendung und Mißbrauch der Hegeischen Dialektik, keine sichtbare systematische Logik (bei Lenin)"

(La filosofia di Lenin, Mailand 1946, S. 211).

G. A. Wetter: „Der dialektische Materialismus verkündet nicht nur den Widerspruch ... in der Welt, sondern ist auch selbst ein immanenter Widerspruch" (II materialismo dialettico so* v i e t i c o , Rom 1949, S. 394).

Alle diese Philosophen haben den Diamat ernst und mit Sympathie studiert; Wetters Buch wurde sogar von den Kommunisten selbst als die beste Darstellung gepriesen.

Die Gründe dieses ablehnenden Urteils sind die folgenden:

(1) Die kommunistische Philosophie ist eine unbegründete, auf Autorität aufgebaute Lehre. Sie beruft sich freilich immer wieder auf die Naturwissenschaften; und doch ist sie eine reine Metaphysik, mit welcher die Naturwissenschaft nichts zu tun hat.

Ganz unbewiesen bleiben z. B.: der Realismus, die These, das alles erkennbar ist, der Materialismus, die Unendlichkeit der Welt in Raum und Zeit, der Optimismus, die Theorie der „Sprünge" und jene der „Widersprüche". Und tatsächlich können auch diese rein metaphysischen Behauptungen mit wissenschaftlichen Methoden gar nicht bewiesen werden . Die Philosophen pflegen manchmal in solchen Fällen entweder Deduktion, oder die sogenannte Phänomenologie anzuwenden (Beschreibung und Analyse des Gegebenen). Aber diese Gegenstände sind ja nicht gegeben (niemand hat gesehen, daß die Welt unendlich ist und daß es keinen Gott gibt); die Kommunisten machen auch keinen Versuch, ihre Behauptungen deduktiv abzuleiten.

Sie behaupten einfach und zitieren die „Klassiker".

(2) Die Art und Weise selbst, in der die kommunistischen Behauptungen formuliert werden, ist von ungeheurer Primitivität. Das System enthält eine lange Reihe von einfach unsinnigen oder widerspruchsvollen Aussagen, die an keiner ernsten Universität bei einem Studenten der Philosophie toleriert werden könnten.

Nur einige Beispiele: logischer Widerspruch und faktischer Gegensatz, Verbindung und Identität sind verquickt. Die Dialektik, die eine Ontologie ist, wird „Logik“ genannt, obwohl sie keinen einzigen Satz enthält, der zu schließen erlauben würde. Das Problem der Erkenntnis wird mit jenem des Verhältnisses zwischen Geist und Materie und auch mit dem platonischen Problem des Realen und Idealen verquickt. Kein einziges Argument des Idealismus wird widerlegt — alles, was man gegen Kant anzuführen weiß, ist der Engels’sche Unsinn über das Alizarin. Alles soll veränderlich sein, und doch soll es „ewige Gesetze" der Dialektik geben. Man spricht immer von einer „Materie", die bald als materiell, bald als geistig auftritt — und es ist unmöglich zu sagen, was das Wort „Materie" darin bedeuten soll. Der Materialismus wird behauptet, aber so, daß man wirklich nicht weiß, um was es sich handelt: der Geist wird, oft in ein und demselben Satz, erstens ein Produkt, dann eine Funktion, endlich eine Begleiterscheinung der Materie genannt — und doch kann er nur eines von den dreien sein.

Die „Sprünge" sollen „plötzlich" vorkommen, andererseits aber geschieht alles in der Zeit, hat also eine Dauer. Die Erkenntnis soll eine „Photographie" des Gegenstandes sein; jedoch gibt es außer uns nur Lichtwellen; wie die Farben ihre „Photographie" sein sollten, ist nicht gesagt. Der Vernichtungskampf liege im Wesen aller Dinge, aber es gäbe Fälle, in welchen alles gütig, „nichtantagonistisch" geregelt werde. Das sind nur einige unter vielen anderen kindisch-naiven, primitiven, sinnlosen oder widerspruchsvollen Behauptungen. (3) Darüber hinaus enthält die kommunistische Philosophie nicht nur oberflächliche Unstimmigkeiten, die aus der Formulierung stammen, sondern auch ganz wesentliche Widersprüche, die durch keine Analyse weggeräumt werden können, weil sie zur Grundstruktur dieser Philosophie gehören.

Diese grundlegenden Widersprüche sind vor allem drei: sie bestehen zwischen zwei Auffassungen der Wahrheit, zwei Theorien des Seienden und zwei Stellungen zur Wertfrage.

(a) Der dialektische Materialismus lehrt eine absolutistische, realistische Wahrheitsdefinition: wahr ist, was mit der Wirklichkeit übereinstimmt und deren „Kopie,. Photographie, Widerspiegelung ist";

gleichzeitig aber lehrt der historische Materialismus eine extrem sozial-pragmatistische Definition der Wahrheit: Wahr ist danach nicht, was der Wirklichkeit, sondern was den Bedürfnissen einer Klasse entspricht. Somit gibt es nach der ersten Lehre nur eine Wahrheit, nach der zweiten jedoch mehrere, nämlich so viele, wie es Klassen gibt.

Das ist ein vollständiger Widerspruch.

(b) Nach der Dialektik gibt es einen Stufenbau der Welt, indem sie aus vielen Schichten besteht, die voneinander durch „Sprünge" getrennt sind, also wesentlich verschieden sein sollen. Der Materialismus lehrt aber gleichzeitig, daß alles einheitlich materiell sein soll, also nur aus einer einzigen Stufe bestehe. Dieser Materialismus wirkt sich u. a. in dem nachdrücklich von den Kommunisten gepredigten Darwinismus aus — einer Lehre, nach welcher es gerade keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Seinsstufen gibt. Dies ist aber ein Widerspruch. Er haftet an den meisten Behauptungen des Diamat: so z. B.

ist es unmöglich, Klarheit darüber zu gewinnen, ob es zwischen dem Geist und der Materie einen wesentlichen Unterschied gibt, oder nicht — denn er wird in der Erkenntnistheorie behauptet, in der Psychologie geleugnet.

(c) Ebenso schlimm ist die Verquickung von Dialektik und Materialismus in der Wertlehre. Die Hegeische Dialektik ist eine Geistes-lehre, die mit einem gewissen Recht mit Werten operiert und von Pflichten usw. sprechen kann; dagegen behauptet der Materialismus (und ganz besonders der historische Materialismus), daß alles durch die Gesetze der Entwicklung der Materie starr determiniert ist — so daß z. B. die Revolution notwendig zu einem bestimmten Zeitpunkt eintreten muß. Die Kommunisten lehren jedoch gleichzeitig, es sei die heilige Pflicht eines jeden, heroisch für diese Revolution zu kämpfen.

Dies ist wieder ein krasser und unüberwindbarer Widerspruch.

(4) Der dialektische Materialismus verkennt fast alle Probleme des modernen philosophischen Denkens und bewegt sich ausschließlich auf einer Ebene von ungefähr 1850. Er ist damit eine um ein Jahrhundert veraltete Philosophie, die durch Machteingriffe eine tote Periode verewigen will.

Die heutigen Philosophen der ganzen nichtkommunistischen Welt teilen sich wesentlich in zwei große Lager: die sogenannte analytische und die sogenannte phänomenologische Schule. Die ersten erforschen vor allem die Probleme der Methoden und der Grundlagen der Wissenschaften; sie bedienen sich dabei einer hochentwickelten (mathematischen) Logik. Die zweite Gruppe interessiert sich vor allem für die Probleme der Ontologie und des Menschen; die sogenannten Existentialisten (aber nicht nur diese) gehören dazu. — Der Kommunismus weiß nun nichts von all dem. Im ganzen kommunistischen philosophischen Schrifttums gab es bis 1947 kaum eine einzige Schrift zur Begründung der Mathematik, der Physik, der Biologie usw.; die wenigen, welche seitdem erschienen sind, wurden als „Abweichungen"

gebrandmarkt. Auch weiß kein einziger kommunistischer Philosoph etwas von den modernen ontologischen Problemen der Seins-stufen, Seinsweisen, Seinskategorien usw. Was die sogenannte philosophische Anthropologie anbetrifft, die heute besonders in Europa im Zentrum des Interesses steht, leugnen die Kommunisten einfach, daß es solche Probleme gibt, wie z. B. jene des Leidens, des Todes, der menschlichen persönlichen Beziehungen usw. — denn der Einzelmensch interessiert sie ja gar nicht.

Dagegen verbreiten sie sich ausführlich über Fragen, die ungefähr im Jahre 1850 in Deutschland aktuell waren: so vor allem über die Frage, ob wir Wirkliches erkennen können, ob die Welt als Ganzes ewig ist, ob alles materiell sei oder nicht usw.

Es handelt sich also um eine extrem reaktionäre Philosophie.

Es soll jedoch bemerkt werden, daß es seit 1950 einigen tapferen Menschen in der kommunistischen Welt gelungen ist, einige der oben genannten Sinnlosigkeiten und Naivitäten zu überwinden. So wurde durch die kommunistischen Logiker der offenbare Unsinn über die „dialektische Logik" endlich abgelehnt. Auch scheint es, daß seit ein paar Jahren ein regeres Interesse für wirkliche Philosophie in Rußland und in den Satellitenstaaten herrscht — man liest etwas mehr und versucht dazu in anderer Weise Stellung zu nehmen, als durch Schimpfen und die Anführung von „Klassikern". Sollte diese Tendenz siegen, dann würde der dialektische Materialismus seinem Ende entgegengehen. Jedoch gilt er noch heute als die absolute und einzig wahre Lehre für alle Kommunisten.

E. Prinzipien der Wirtschaftstheorie

Die kommunistische Wirtschaftslehre besteht im wesentlichen aus einigen fundamentalen marxistischen Grundprinzipien, die von Lenin den spezifisch russischen Verhältnissen angepaßt und gleichzeitig in einer vollkommen einseitigen und simplifizierenden Weise gedeutet wurden. Der sogenannte Stalinismus ist ein legitimes Kind des Leninismus..

Im offiziellen Handbuch der „Politischen Ökonomie" der russischen Akademie der Wissenschaften (Moskau 1953) sind die wirtschaftstheoretischen Gedankengänge von Karl Marx aus den drei Bänden des „Kapital" ausführlich verarbeitet, aber bei der Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Entwicklung z. B. in der UdSSR und der USA werden die Tatsachen in gröbster Weise verfälscht-In der UdSSR ist angeblich eine dauernde Hebung der Reallöhne festzustellen, in den USA greift mit der Entwicklung der kapitalistischen Monopole eine immer stärkere Verelendung der Arbeitermassen um sich.

Es ist zweckmäßig, vor allem die Lehren von Karl Marx in aller Kürze wiederzugeben, um dann die kommunistischen Umdeutungen und Zusätze kurz zu behandeln. Von Marx werden nach einer kurzen Einleitung (§ 16), die Entwicklungslehre der Wirtschaft (§ 17), die Mehrwertlehre (§ 18), die Entwicklungsgesetze des Kapitalismus (§ 19) und die politischen Lehren (§ 20) besprochen. Daraufhin skizzieren wir die Neuerungen Lenins (§ 21).

§ 16. KARL MARX UND SEINE QUELLEN Karl Marx (1818— 1888) ist auf dem Gebiete der Wirtschaftslehre ein geistiger Schüler von David Ricardo (1772— 1823), welcher die Arbeitslehre von Adam Smith (1723— 1790) übernommen und ausgebaut hatte.

Adam Smith, „der erste zusammenfassende politische Ökonom der Manufakturperiode“ (Das Kapital'I. Anm. Seite 313), formulierte in seinem Hauptwerk „Enquiry into the Nature and Origin of the

Wealth of Nations" (1776) vor allem die Probleme der Arbeitsteilung und der Kooperation; er stellte fest, daß die Arbeit der wahre Maßstab des Tauschwertes aller Waren sei.

David Ricardo gab in seinen „Principles of Political Economy and Taxation" (1817) eine Theorie der Grundrente und übernahm die Wertlehre von Smith. Karl Marx schuf die Mehrwertlehre, die er durch die Gedanken des historischen Materialismus (besser „ökonomische Geschichtsauffassung") unterbaute. Die Grundgedanken von Marx leuchten schon in den „Frühschriften" auf, vor allem in der Studie „Nationalökonomie und Philosophie". Sie werden dann neben dem „Kommunistischen Manifest" (1848) in der „Kritik der politischen Ökonomie" (1859) formuliert, einer Vorstudie zum Hauptwerk „Das Kapital". Dieses ist von Marx nicht vollendet worden. Band I erschien 1867. Aus den nachgelassenen Manuskripten stellte der Freund und Mitarbeiter, Friedrich Engels, den 2. und 3. Band zusammen: Band 2 erschien 1885, Band 3 (in zwei Halbbänden) erst 1894.

§ 17. DIE MARXISTISCHE LEHRE VON DER ENTWICKLUNG DER WIRTSCHAFT Nach Marx kann man im wesentlichen vier Hauptperioden der wirtschaftlichen Entwicklung unterscheiden, für welche besondere wirtschaftliche Gesetze gelten. Im „Kapital", das gleichzeitig ein soziologisches und ein ökonomisches Werk ist, werden die theoretischen Abteilungen in ihrem historischen, resp, logischen Bildungsprozeß entwickelt. Am Anfang des ersten Bandes des Kapitals geht Marx von der „einfachen Ware aus", denn die . einfache Warenproduktion" ist die geschichtliche Voraussetzung der . kapitalistischen Warenproduktion"."

„Der Austausch der Waren zu ihren Werten erfordert . . . eine viel niedrigere Stufe der wirtschaftlichen Entwicklung als der Austausch zu Produktionspreisen ... Es ist durchaus sachgemäß, die W e r t e (d. h.

die Arbeitswerte; d. V.) der Waren n i c h t n u r theoretisch, sondern historisch als das p r i u s der Produktionspreisezubetrachten. Es gilt für die Zustände, wo dem Arbeiter die Produktionsmittel gehören, . . . beim selbstarbeitenden grundbezenden Bauer und beim Handwerker." („Kapital", 3. Band, 1919, S. 156.)

Auf die Naturalwirtschaft, in welcher es nur gelegentlich zum Austausch von Gütern kommt, folgt die „Einfache Waren-produktion" der Bauern und der Handwerker der mittelalterlichen Stadtstaaten, in welcher Waren durch Vermittlung des Geldes auf dem Lokalmarkt gemäß dem Arbeitswertgesetz verkauft werden.

Marx zitiert zustimmend in der „Kritik der politischen Ökonomie"

(S. 35): „Boisguillebert löst . . .den Tauschwert dör Ware in Arbeitszeit auf, indem er den Warenwert durch die richtige Proportion bestimmt, wovon die Arbeitszeit der Individuen aut die besonderen Industriezweige verteilt wird, und die freie Konkurrenz als den gesellschaftlichen Prozeß darstellt, der diese richtige Proportion schaffte."

Auf die einfache Warenproduktion, diese Vorstufe des Kapitalismus, folgt die „Kapitalistische Warenproduktion" des Früh-und des Industriekapitalismus. Nicht nur die Waren, sondern auch die Arbeitskräfte werden auf dem Markt, dem Arbeitsmarkt, gekauft. Das Arbeitswertgesetz der einfachen Warenproduktion verwandelt sich in das Tauschgesetz des Mehrwertes. Auf der Stufe des Industriekapitalismus entstehen aus den Arbeitswertpreisen Produktionspreise (§ 18). Der Ausgleich der Arbeitswertpreise zu Produktionspreisen mit gleicher Profitrate für alle kapitalistischen Wirtschaftszweige wird durch den Kapitalmarkt vermittelt.

„Daß sie, die Waren, Produkt gesellschaftlicher Arbeitszeit, also Gesellschaftsprodukt sind, ist das Wesentliche an der Wertlehre, nicht aber, daß diese Arbeitszeit in allen Fällen die gleiche auf beiden Seiten des Tauschverhältnisses sei. Dies ist ein sekundäres Moment und bestimmt nur das Tauschverhältnis unter den Bedingungen der einfachen Warenproduktion.“ (Hilferding, „Das Finanzkapital", 1910, S. 6.)

Im 20. Jahrhundert entwickelte sich aus dem Industriekapitalismus der Finanzkapitalismus als eine Periode engster Verbindung des Industriekapitalismus mit dem Bankkapital und der Bildung von großen Wirtschaftsmonopolen. Die ökonomische Theorie dieser Stufe der kapitalistischen Entwicklung ist von R. Hilferding in dem Werke „Das Finanzkapital" (1910) gegeben worden. Hilferding entwickelt in diesem Werke auf der Grundlage der marxistischen Arbeitswertlehre eine ökonomische Theorie des Gründergewinns. Lenin stützte sich in seiner Theorie des Imperialismus im wesentlichen auf Hilferding, den er später erbittert als „Sozialfaschisten" bekämpfte.

§ 18. DIE WERT-UND MEHRWERTLEHRE Diese zentrale Lehre von Marx, die durch die Kommunisten ohne Änderung übernommen wurde, kann in folgenden Punkten zusammengefaßt werden:

1. In der einfachen Warenproduktion ist der Warenwert Arbeitswert. Der Warenwert setzt sich zusammen aus den Auslagen für Werkzeuge, Rohstoffe etc. einerseits und den durch den Handwerker oder Bauern durch seine Arbeit erzeugten Neuwert. Die einzige Quelle'des neuen Wertes ist die menschliche Arbeit. Diese wird grosso modo durch die Arbeitszeit gemessen. Der Warenwert ist demnach W=CN(C = Auslagen für Produktionsmittel etc. N = Neuwert, Entschädigung für die Arbeitsleistung des Handwerkers.

Der Neuwert ist das Einkommen des Handwerkers oder Bauern. Aus ihm sind Steuern, Zehnten etc. zu bezahlen, ist die Familie zu ernähren und zu bekleiden).

2. In der kapitalistischen Warenproduktion lautet das Schema G — W — G‘: Der kapitalistische Unternehmer schießt Geld vor, er kauft Arbeitskräfte, Rohstoffe und Produktionsmittel, erzeugt damit Waren (W) und erzielt beim Verkauf dieser Waren einen Mehrwert G—G. Die Arbeitskraft des Handwerkers ist zur Ware geworden, der Handwerker wird Lohnarbeiter. Der Preis der Ware Arbeitskraft ist der Arbeitslohn. Er ist bestimmt durch die zur ihrer „Produktion und Reproduktion gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit". Der Arbeitslohn ist kleiner als der Neuwert. Er ist nur ein Teil des Neu-wertes. „Die zur Produktion der Arbeitskraft notwendige Arbeit löst sich auf . . . in die zur Produktion dieser Lebensmittel notwendigen Arbeitszeit . . . Die natürlichen Bedürfnisse selbst, wie Nahrung, Kleidung, Heizung, Wohnung usw. sind verschieden je nach den klimatischen und anderen natürlichen Eigentümlichkeiten eines Landes. Andererseits ist der Umfang sogenannt notwendiger Bedürfnisse . . .

selbst ein historisches Produkt . . , die Wertbestimmung der Arbeitskraft enthält also ein historisches und moralisches Element."

(Kapital I„ S. 133/34.) 3. Der Neuwert zerfällt demnach in Arbeitslohn und Mehrwert, Das Wertschema der kapitalistischen Warenproduktion lautet:

W = C + V + M (C = konstantes Kapital, V = Variables Kapital = Summe der Arbeitslöhne, M = Mehrwert).

4. Unter „organischer Zusammensetzung" des Kapitals versteht Marx das Verhältnis des konstanten zum veränderlichen Kapital (C/V); unter „Mehrwertrate" das Verhältnis des Mehrwertes zum veränderlichen Kapital (M/V) und unter „Profitrate" das Verhältnis zwischen Mehrwert und dem Gesamtkapital (M/C + V).

5. Der Kapitalist eignet sich nach Marx den Mehrwert auf Grund des Privateigentums an Produktionsmitteln an. Der Mehrwert stammt aus der unbezahlten Arbeit des ausgebeuteten Arbeiters. Der Ausdruck Mehrwert (s u r p 1 u s v a 1 u e) findet sich schon in der Arbeitswerttheorie von Adam Smith. Aber erst Marx hat die Mehrwert-theorie erweitert, trotzdem er sich der Tatsache durchaus bewußt ist, daß auch in einer gemeinschaftlichen Wirtschaftsorganisation die Akkumulation, d. h. die für die Erweiterung der Produktion notwendigen Kapitalauslagen aus dem Mehrwert bezahlt werden muß.

6. Die Arbeitszeit, die notwendig ist, um den Mehrwert zu produzieren, heißt nach Marx „Mehrarbeit". Diese wird durch den Kapitalisten angeeignet. Die Auswirkungen der Mehrarbeit im sozialen Bereich beschreibt Marx mit folgenden Worten: ’ „Intensität und Produktivkraft der Arbeit gegeben, ist der zu materieller Produktion notwendige Teil des gesellschaftlichen Arbeitstages um so kürzer, der für freie geistige und gesellschaftliche Betätigung des Individuums eroberte Zeitteil also um so größer, je gleichmäßiger die Arbeit unter alle werkfähigen Glieder der Gesellschaft verteilt ist, je weniger eine Gesellschaftsschicht die Naturnotwendigkeit der Arbeit von sich selbst ab-und einer anderen zuwälzen kann. Die absolute Grenze der Verkürzung des Arbeitstages ist nach dieser Seite hin die Allgemeinheit der Arbeit. In der kapitalistischen Gesellschaft wird freie Zeit für eine Klasse produziert durch Verwandlung aller Lebenszeit der Massen in Arbeitszeit" („Das Kapital", Bd. I, S. 493).

7. Im Industriekapitalismus verwandeln sich durch die Konkurrenz der Kapitalien um die Produktionssphären die Arbeitswerte in Produktionspreise: Aus W = C + V + M wird P = C + V + R (P = Produktionspreis, R = Durchschnittsprofit).

Die Bildung der Durchschnittsprofitrate läßt das Kapital als ein soziales Verhältnis erscheinen. Mit der Ausbreitung der kapitalistischen Warenproduktion ändern sich die Austauschverhältnisse der Waren. Die Waren werden nicht mehr zu ihren Werten, sondern zu Produktionspreisen getauscht.

„Die Enteignung des-einen Teils der Gesellschaft und der Monopol-besitz der Produktionsmittel des anderen Teils modifiziert naturgemäß den Austausch . . . Da aber der Tauschakt eine Gleichheitsbeziehung ist, erscheint die Ungleichheit jetzt als Gleichheit nicht mehr des Wertes, sondern des Produktionspreises . . . in der kapitalistischen Gesellschaft ist das Entscheidende das Kapital; deshalb steht der einzelne Tauschakt nicht mehr unter der Bedingung: Gleiche Arbeit gegen gleiche Arbeit, sondern für gleiches Kapital gleich viel Profit . . . die Produkte werden nicht zu ihren Werten, sondern zu den Produktionspreisen verkauft.“ (Hilferding, „Finanzkapital", S. 6/7.)

§ 19. ENTWICKLUNGSGESETZE DES KAPITALISMUS Im Anschluß an Marx werden von den Kommunisten, teilweise durch einzelne Zitate, teilweise durch eine Art Verdichtung einiger Bemerkungen vier „Gesetze" der kapitalistischen Entwicklung formuliert: 1. Das Gesetz der Konzentration und Zentralisation des Kapitals, 2. Das Gesetz der fallenden Profitrate, 3. Das Akkumulationsgesetz des Kapitals und 4. in Verbindung mit der Krisentheorie das Gesetz der absoluten Verelendung des Proletariates im Kapitalismus.

a. Konzentration und Zentralisation des Kapitals Im Konkurrenzkampf, sagt Marx (Das Kapital I. S. 590) konkurrieren die „größeren Kapitale die kleineren" nieder, so daß das gesellschaftliche Kapital sich in immer weniger Händen sammelt. Dieser Prozeß der Zentralisation vollzieht sich durch das Spiel der immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktion selbst:

„Je ein Kapitalist schlägt viele tot, Hand in Hand mit dieser Zentralisation oder der Expropriation vieler Kapitalisten durch wenige entwickelt sich die kooperative Form des Arbeitsprozesses aut stets wachsender Stufenleiter, die bewußte technische Anwendung der Wissenschaft, die planmäßige Ausbeutung der Erde, die Verwandlung der Arbeitsmittel in nur gemeinsam verwendbare Arbeitsmittel." („D a s Kapital“, I., S. 728.)

Die Konzentration des Kapitals vollzieht sich im Akkulumationsprozeß durch Verbesserung der Produktionsmethoden, Übergang vom Klein-und Mittelbetrieb zum Großbetrieb. Nach dem Lehrbuch der „Politischen Ökonomie“, das in Moskau erschienen ist, werden Konzentration und Zentralisation in Übereinstimmung mit dem „Kapital" wie folgt definiert:

„Konzentration des Kapitals ist Anwachsen des Kapitalumfanges durch Akkumulation von Mehrwert, der innerhalb des Betriebes geschaffen wurde. Der Kapitalist, der einen Teil des Mehrwertes im Betrieb investiert, wird zum Besitzer immer größeren Kapitals. Zentralisation des Kapitals ist Anwachsen des Kapitalumfanges durch Vereinigung mehrerer kleinerer Kapitale zu einem größeren Kapital . . . Durch Aufkauf der Betriebe der ruinierten Konkurrenten zu einem Spottpreis vergrößert der Großfabrikant den Umfang des befindlichen Kapitals." (S. 161.) in seinen Händen b. Die fallende Profitrate Aus der Definition der Profitrate folgt, daß bei steigender organischer Zusammensetzung des Kapitals und gleichbleibender Mehrwert-rate die Profitrate fallen muß:

„Dieselbe Rate des Mehrwertes, bei unverändertem Ausbeutungsgrad der Arbeit, würde sich so in einer fallenden Profitrate ausdrücken, weil mit seinem materiellen Umfang auch der Wertumfang des konstanten und damit des Gesamtkapitals wächst." (Das Kapital, III., S 191.)

Die Tendenz der fallenden Profitrate führt zu Widersprüchen, die sich im Ausbruch der Krisen äußern:

„Der Widerspruch, ganz allgemein ausgedrückt, besteht darin, daß die kapitalistische Produktionsweise eine Tendenz einschließt nach absoluter Entwicklung der Produktivkräfte . . . während sie andererseits die Erhaltung des existierenden Kapitalwerts und seine Verwertung im höchsten Maß zum-Ziel hat . . . Die Methoden, wodurch sie dies erreicht, schließen ein: Abnahme der Profitrate, Entwertung des vorhandenen Kapitals und Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit auf Kosten der schon produzierten Produktivkräfte.“ (Das Kapital, III 1, S. 231.)

c. Der Akkumulationsprozeß des Kapitals „Anwendung von Mehrwert als Kapital oder Rückverwandlung von Mehrwert in Kapital heißt Akkumulation des Kapitals." (Das Kapital, I., S. 542.)

Durch den Akkumulationsprozeß werden immer größere Arbeiter-massen in die kapitalistische Produktionsweise einbezogen:

„Wie die Reproduktion fortwährend das Kapitalverhältnis selbst produziert, Kapitalisten auf der einen Seite, Lohnarbeiter auf der anderen, so reproduziert die Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter oder die Akkumulation das Kapitalverhältnis auf erweiterter Stufenleiter, mehr Kapitalisten oder größere Kapitalisten auf diesem Pol, mehr Lohnarbeiter auf jenem . . . Akkumulation des Kapitals ist also Vermehrung des Proletariats." (D a s K a p i t a 1, L, S. 578.)

Die Akkumulation ist im Früh-und Industriekapitalismus an die Existenz einer industriellen Reservearmee gebunden:

„Im großen'und ganzen sind die allgemeinen Bewegungen des Arbeiterlohnes ausschließlich reguliert durch die Expansion und Kontraktion der industriellen Reservearmee, welche dem Periodenwechsel des industriellen Zyklus entspricht.“ (Das Kapital, I., S. 602.)

Als allgemeines Gesetz der kapitalistischen Akkumulitation bezeichnet Marx die Tendenz zum Pauperismus:

„Je größer der gesellscliaftliche Reichtum, das lunktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariates und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee. . . . Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums (falsche, unbewiesene Behauptung; d. V.). Je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die konsolidierte Überbevölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die LazarusSchicht der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer der offizielle Papperismus. Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation.“ (Das Kapital, I., S. 609.)

Dieser letzte Satz übte eine verhängnisvolle geschichtliche Wirksamkeit aus, trotzdem Marx im nachfolgenden Satz deutlich genug seine allgemeine Bedeutung wie folgt beschränkte:

„Es (d. h. das allg. Gesetz der kapit. Akkum; d. V.) wird gleich allen anderen Gesetzen in seiner Veiwirklichung durch mannigfache Umstände modifiziert, deren Analyse nicht hierher gehört." (S. 609.)

Dieses „absolute, a 1 1 g e m e i n e G e se t z " bildet die Hauptstütze der sogenannten Verelendungstheorie von Marx, die zwar empirisch längst durch den Reallohnanstieg der Industriearbeiter der modernen Industrienationen widerlegt worden ist, aber im ökonomischen Lehrgebäude der großrussischen Kommunisten eine zentrale Stelle einnimmt.

d. Krisentheorie Entsprechend seiner sozialkritischen Haltung entwickelt Karl Marx im „Kapital" im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen zum Teil sich allerdings widersprechende Ansätze zu einer wirtschaftlichen Krisen-theorie. Es handelt sich nach Marx vor allem um einen ökonomischen Widerspruch zwischen „den beschränkten Dimensionen der Konsumtion" und einer Produktion, die ständig über ihre immanente Schranke hinaustreibt, („Kapital" III S 239), also um eine Art Unterkonsumtionstheorie. Die Lehre von den zyklisch sich wiederholenden Krisen ist erst im 20. Jahrhundert von der theoretischen Nationalökonomie systematisch behandelt und ausgearbeitet worden, wobei mehrfach Gedankengänge von Marx z. B. über die in der Krise sich äußernde Überproduktion und die Anarchie der kapitalistischen Produktion in teilweise angeänderter Form übernommen und weiterentwickelt wurden, so z. B. von Bouniatian (1908), Schumpeter (1912), Aftalion (1912), Emil Lederer, Spiethoff, Lutz und neuerdings vor allem J. M. Keynes („Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes" 1936).

Bei den Kommunisten findet sich eine starr ausgebaute Lehre, welche die Leistungen der nationalökonomischen Krisen-und Konjunkturtheorie, wie z. B. das Akzelerationsprinzip oder die ökonometrischen Lehren Leontieffs unberücksichtigt läßt und starr am dogmatischen Glauben festhält, die kapitalistische Wirtschaft sei zwangsläufig durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch im Stile der großen Weltwirtschaftskrise der Jahre 1929/1933 bedroht.

„Die Wirtschaftskrisen sind Krisen der Überproduktion. Die Grundlage der Krisen ist der Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privatkapitalistischen Form der Aneignung der Arbeitserzeugnisse" (Lehrbuch, S. 252).

Die kapitalistischen Überproduktionskrisen wiederholen-sich in bestimmten Zeitabständen und zwar alle 8 bis 12 Jahre (Lehrbuch, S. 244). Dies trifft für das 19. und die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts bis zum zweiten Weltkrieg zu. Die mittlere Dauer der sogenannten mittellangen Wellen der Wirtschaftskonjunktur betrug 40 Monate. Die Politik der Vollbeschäftigung hat aber diese historische „Gesetzmäßigkeit" unwirksam gemacht.

Die Krise bedeutet den oberen Wendepunkt der mittellangen . Welle der Konjunktur, sie leitet vom Aufschwung zur Depression über:

„Die Zeitspanne vom Beginn einer Krise bis zum Beginn der nächsten heißt Zyklus. Der Zyklus besteht aus vier Phasen: Krise, Depression, Belebung und Aufschwung" (Lehrbuch, S. 245).

§ 20. WIRTSCHAFTSTHEORETISCHE BEGRÜNDUNG DER REVOLUTIONSLEHRE BEI MARX Die oben zusammengefaßten wirtschaftlichen Lehren dienen Marx zur Begründung verschiedener politischer Theorien, die eingehender unten (Kap. II) behandelt sind; hier wird nur auf ihre wirtschaftstheoretische Grundlage hingewiesen.

Marx wendet in seinen Arbeiten durchgehend das Prinzip des ökonomischen Materialismus an, nach welchem alle politischen Erscheinungen zum überbau gehören, also durch die ökonomischen Produktionsverhältnisse bestimmt sind (s. o. § 12). Die Wirtschaft bestimmt die Politik kausal, nicht umgekehrt. Dieses Grundprinzip vzurde von Lenin und den Kommunisten auf den Kopf gestellt. Nach Lenin ist die politische Macht imstande, audi ökonomische Gesetze umzustoßen. Seit der Niederwerfung des Kronstädter Aufstandes im Jahre 1921 hielten die Komuunisten eisern an der Einparteiendiktatur fest und richteten ihre ökonomischen Maßnahmen voll und ganz auf die Aufrechterhaltung dieser totalitären Herrschaft aus. Marx dagegen lehrte, daß Klassenbildung und Klassenkampf, die Verelendung der Massen und die proletarische Revolution sich zwangsläufig aus wirtschaftlichen Entwicklungsgesetzen des Kapitalismus ergebe.

a. Klassentheorie Die Klassenlehre von Marx ist schon im „Kommunistischen Manifest" (1847) enthalten:

„Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen ... Unsere Epoche, die Epoche der Bourgeoisie vereinfacht die Klassengegensätze. Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehende Klassen: Bourgeoisie und Proletariat.'

Nach der Lehre vom Mehrwert, nach welcher die Besitzer des Kapitals von der Ausbeutung der Arbeiter leben (s. o. § 12) und dem Gesetze der Akkumulation (§ 19 c), nach welchem immer mehr Menschen als Proletarier in die kapitalistische Produktionsweise einbezogen werden und die Zahl der Kapitalisten wegen des Zentralisationsprozesses (§ 19 a) sich stets vermindert, folgt die oben skizzierte Vereinfachung der Klassengegensätze sozusagen zwangsläufig und mit historischer Naturnotwendigkeit. Dazu gesellt sich die immer mehr sich steigernde Verelendung der Massen.

b. Verelendungstheorie Daß die Massen der Proletarier immer ärmer werden müssen, ergibt sich ebensowohl aus dem Gesetz der Akkumulation des Kapitals (§ 19 c), als auch aus der Lehre von den Krisen (§ 19 d).

c. Lehre von der proletarischen Revolution Die fortschreitende Zentralisation und Akkumulation des Kapitals, zusammen mit der ebenso fortschreitenden Konzeption der Produktion führt nach Marx notwendig zum revolutionären Umbruch, der den Kapitalismus durch den Sozialismus ersetzt. Die klassische Stelle bei Marx lautet:

„Mit der beständig abnehmenden Zahl der Kapitalmagnaten, welche alle Vorteile dieses Umwandlungsprozesses usurpieren und monopolisieren, wächst die Masse des Elends, des Drucks, der Knechtschaft, der Entartung, der Ausbeutung, aber auch die Empörung der stets anschwellenden und durch den Mechanismus des kapitalistischen Produktionsprozesses selbst geschulten, vereinten und organisierten Arbeiterklasse. Das Kapitalmonopol wird zur Fessel der Produktionsweise, die mit ihm und unter ihm aufgeblüht ist. Die Zentralisation der Produktionsmittel und die Vergesellschaft der Arbeit erreichen einen Punkt, wo sie unverträglich werden mit ihrer kapitalistischen Hülle.

Sie wird gesprengt. Die Expropriateurs werden expropriert . . . Es ist Negation der Negation. Diese stellt nicht das Privateigentum wieder her, wohl aber das individuelle Eigentum auf Grundlage der Errungenschaften der kapitalistischen Ära: Der Kooperation und des Gemein-besitzes der Erde und der durch die Arbeit selbst produzierten Produktionsmittel“ (Das Kapital, I, S. 728 f.).

Die revolutionäre „Negation der Negation" kann leicht durchgeführt werden, weil es nur wenige Kapitalmagnaten geben wird und das Elend der Massen unerträglich geworden ist. Die Revolution wird durch die erdrückende Mehrheit durchgeführt:

„Alle bisherigen Bewegungen waren Bewegungen von Minoritäten oder im Interesse von Minoritäten. Die proletarische Bewegung ist die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl.“ (Kommunistisches Manifest.)

Nach Marx würde demnach der Staatsstreich, den Lenin im Jahre 1917 in Rußland durchgeführt hat, historisch widersinnig sein. Dagegen besitzt das Zitat von Marx aus dem Kapital gegenwärtig brennendste Aktualität, wenn der Ausdruck „Kapitalmonopol" durch „kommunistisches Parteimonopol" und der Ausdruck „kapitalistische Hülle" durch „bolschewistische Hülle" ersetzt wird. In Rußland und den Satellitenstaaten muß in der Tat weder das kapitalistische Privateigentum, noch das bolschewistische Staatseigentum, das sondern individuelle Eigentum wieder hergestellt werden „auf Grundlage Errungenschaften der kapitalistischen Ära: Der und der Kooperation des Gemeinbesitzes der Erde und der durch die Arbeit produ -selbst zierten Produktionsmittel".

§ 21. DIE UMBILDUNG DES MARXISMUS DURCH LENIN Der Leninismus ist nicht nur in der Philosophie, in der politischen Theorie, sondern auch in der Wirtschaftslehre eine vollkommen einseitige und simplifizierende Modifikation marxistischer Grundgedanken; diese Modifikationen gehen mitunter soweit, daß sie den ursprünglichen Sinn der marxistischen Lehren geradezu verdrehen.

Die wichtigsten unter diesen Modifikationen sind:

a) die Theorie des Primats der Politik;

b) die Gleichsetzung der einfachen Warenproduktion, d. h.der agrarisch-handwerklichen Produktionsweise mit der kapitalistischen Warenproduktion, dem Kapitalismus;

c) die Auffassung, daß durch Verstaatlichung alle Grundprobleme der Wirtschaft gelöst sein werden;

d) die Verabsolutierung und Dogmatisierung der marxistischen „Gesetze" der kapitalistischen Entwicklung;

e) die Theorie des Imperialismus.

a. Das Primat der Politik Im Gegensatz zur Marx lehrt Lenin, daß die soziale Revolution auch in einem rückständigen Lande, wo die wirtschaftlichen Bedingungen des Umschwunges (Zentralisation, Akkumulation usw.) gar nicht vorhanden sind, durchgeführt werden kann. Die wirtschaftliche Umgestaltung wird dann durch politische Maßnahmen erzwungen.

„Lenin entdeckte und bewies wissenschaftlich, daß sich die in gesellschaftlich-ökonomischer Hinsicht zurückgebliebenen Länder unter bestimmten historischen Bedingungen auf nichtkapitalistischem Wege zu entwickeln vermögen. Diese Länder können, wenn sie das Joch des Imperialismus abgeworfen haben, mit Hilfe der fortgeschrittenen Länder, in denen die proletarische Revolution bereits gesiegt hat ... zum Aufbau des Sozialismus übergehen, ohne das Studium des Kapitalismus durchlaufen zu haben“ (Lehrbuch, S. 365).

b. Gleichsetzung der einfachen Warenproduktion mit Kapitalismus Für Lenin ist jede Marktwirtschaft Kapitalismus:

„Der Sozialismus besteht bekanntlich in der Beseitigung der Waren-wirtschaft. ... Da der Tauschhandel bestehen bleibt, so ist es lächerlich, von Sozialismus zu reden" (Lenin, Die Agrarfrage in Ruß-land am Ende des 19. Jahrhunderts, AW 1, S. 70— 71).

Da aber schon die einfache Warenproduktion Marktwirtschaft ist, folgt daraus, daß diese nach Lenin als eine Art von Kapitalismus bezeichnet werden muß. Tatsächlich hat Lenin diese Auffassung konsequent vertreten, indem er ebensowohl das Handwerk, wie auch das Bauerntum als kapitalistisch betrachtete.

„Die Landwirtschaft, die für den Markt produziert, wächst in Ruß-land unaufhörlich ... und verwandelt sich unvermeidlich in eine kapitalistische ..." (e b d. S. 69).

Die Auwirkungen dieser Lehre sind eingehend im Kapitel über die kommunistische Agrarpolitik (XI) behandelt. Es ist unschwer einzusehen, daß auch eine sozialistische Marktwirtschaft möglich ist. Auch das russische staatswirtschaftliche System kommt ohne Warenmärkte nicht aus.

c. Sozialisierung des Mehrwertes als Lösung aller Wirtschaftsprobleme Lenin vertritt eine zweifellos unmarxistische Auffassung, wenn er aus der Mehrwerttheorie schließt, es genüge den Mehrwert zu sozialisieren, d. h. die Ausbeutung durch Enteignung der kapitalistischen Unternehmer und Großbauern („Kulaken", die praktisch europäischen Klein-und Mittelbauern entsprechen) zu beseitigen, um den allgemeinen gesellschaftlichen Reichtum und die nationale Wohlfahrt ins Ungemessene zu steigern. Der Versuch einer Aufhebung der Marktwirtschaft wurde mit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Jahres 1921 bezahlt und wurde durch die NEP-Politik und die Politik der Fünfjahrespläne ersetzt, nachdem eine neue Rubelwährung eingeführt worden war.

Die kritiklose Übernahme der Arbeitswertlehre verleitete die russischen Behörden zur Meinung, es genüge, um Reichtum zu schaffen, möglichst viele Arbeitskräfte einzusetzen. Hinter dem Glauben an die erhebt sich der der Arbeits-und Arbeitswertlehre Schatten Konzentrationslager. Die Arbeitswertlehre ergibt für die Organisa -

tion einer Planwirtschaft keine praktisch verwertbaren Regeln, während dagegen die Grenznutzenlehre, als allgemeinere Theorie der wirtschaftlichen Preis-und Wertbildung in einer sozialistischen Marktwirtschaft das gegebene Mittel wäre, die Abstimmung der Produktion auf die Bedürfnisse der Konsumenten mit Hilfe ökonometrischer Methoden zu gewährleisten.

d. Dogmatisierung der kapitalistischen Entwicklungsgesetze Die bei Marx meist nur vage formulierten „Gesetze" der Entwicklung des Kapitalismus wurden durch Lenin dogmatisch fixiert und verabsolutiert ohne jede Rücksicht auf Tatsachen oder auf die Meinungen von Marx selbst. Im einzelnen:

i) Das sogenannte Konzentrationsgesetz des Kapitals wurde in dem Sinne gedeutet, daß ein größerer Betrieb immer wirtschaftlich produktiver sei als ein kleinerer, entgegen der Tatsache, daß es für jede Art der Produktion bei gegebener Technik eine optimale Betriebsgröße gibt. Diese Lehre hat sich unheilvoll auf die Bildung von Riesenbetrieben, die Vernichtung des Handwerks und des Bauerntums in der Sowjetunion ausgewirkt.

ii) Die mit dem Akkumulationsgesetz zusammenhängende Lehre des „Kommunistischen Manifestes", nach welcher es im Endstadium des Kapitalismus nur noch zwei Klassen geben soll, wurde starr übernommen — ohne Rücksicht darauf, daß sie aus dem „Kapital" selbst nicht zu begründen ist und den evidenten Tatsachen (auch jenen des russischen, ja sogar sowjetrussischen Lebens) widerspricht.

iii) Auch die Verelendungstheorie wurde starr übernommen, ohne Rücksicht auf die Tatsache, daß sowohl der technische und wirtschaftliche Fortschritt, als auch die gewerkschaftliche Arbeiterbewegung in den meisten hochentwickelten Ländern zu einer wesentlichen Besserung der wirtschaftlichen Lage der Arbeiter, vor allem zu einer bedeutenden Steigerung der Reallöhne geführt hat. Lenin glaubte die „Erklärung" dieser Tatsachen in der Ausbeutung der Kolonialvölker durch die Industrienationen im Zeitalter des Imperialismus gefunden zu haben.

e. Theorie des Imperialismus Diese Theorie wurde neben Lenin vor allem von N. I. Bucharin (der im März 1938 durch Stalin hingerichtet worden ist) entwickelt.

Lenins Hauptwerk „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus" (1915) stützt sich auf die Werke von J. A. Hobson („Der Imperialismus" 1902) und Rudolf Hilferding („Das Finanzkapital'

1910, das bedeutendste wirtschaftstheoretische Werk der marxistischen Schule nach dem „Kapital" von Marx). Bucharins Studie („Der Imperialismus und die Akkumulation des Kapitals" 2. Auflage 1926)

setzte sich in der Hauptsache mit den Theorien von Rosa Luxemburg auseinander.

Die leninistische Lehre-vom Imperialismus ist eine simplifizierende Umdeutung einiger Gedanken von Marx, verbunden mit der Lehre von der Arbeiteraristo kratie der Industriestaaten, um den Mißerfolg weltrevolutionärer Ideen innerhalb der internationalen Arbeiterbewegung Westeuropas und Nordamerikas historisch-materialistisch „erklären" zu können. Nach Lenin ist der Imperialismus oder monopolistische Kapitalismus das „höchste und letzte Stadium der kapitalistischen Produktionsweise". Er hat sich am Anfang des 20. Jahrhunderts endgültig herausgebildet („Lehrbuch der pol. Ok."

S. 273).

„. . . die freie Konkurrenz (erzeugt) die Konzentration der Produktion . . ., diese Konzentration aber (führt) auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung zum Monopol ... *. (Lenin, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, AW 5, S. 15).

Der Finanzkapitalismus, nach R. Hilferding entstanden aus der Verschmelzung des Industriekapitals mit dem Bankkapital, bildet die ökonomische Grundlage des Imperialismus.

„Die Folge ist einerseits eine immer größere Verschmelzung oder, nach dem treffenden Ausdruck von N. 1. Bucharin, ein Verwachsen des Bankkapitals mit dem Industriekapital, und andererseits ein Empor-wachsen der Banken zu Institutionen wahrhaft . universalen Charakters" (ebd. S. 35).

„Die monopolistischen Verbände der Kapitalisten — die Kartelle, Syndikate und Trusts — teilen unter sich zunächst den Inlandsmarkt, indem sie die Produktion des betreffenden Landes mehr oder weniger vollständig an sich reißen. ... Und in dem Maße, wie der Kapital-export wuchs ... kam es ... immer mehr .,. zur Bildung von internationalen Kartellen" (ebd. S. 56).

Die Welt wird unter die Großmächte aufgeteilt. Der kapitalistische Imperialismus ist ein besonderes Stadium des Kapitalismus, und zwar das letzte Stadium.

„Ökonomisch ist das Grundlegende in diesem Prozeß die Ablösung der freien kapitalistischen Konkurrenz durch die kapitalistischen Monopole . . . eine Definition des Imperialismus (enthält) . . . die folgenden fünf seiner wichtigsten Merkmale ... 1. Konzentration der Produktion und des Kapitals, ... daß sie Monopole schafft ...; 2. Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital und Entstehung einer Finanzoligarchie ...; 3.der Kapitalexport ... gewinnt besondere Bedeutung; 4. es bilden sich internationale monopolistische Kapitalistenverbände, die die Welt unter sich teilen und 5. die territoriale Aufteilung der Erde unter die kapitalistischen Großmächte ist beendet"

(ebd. SS. 74— 75).

Im Stadium des Imperialismus wird eine Oberschicht des Proletariates, die Arbeiteraristokratie, bestochen, die Arbeiterschaft gespalten.

„Der Imperialismus, der die Aufteilung der Welt, ...der monopolistisch hohe Profite für eine Handvoll der reichsten Länder bedeutet, schafft die wirtschaftliche Möglichkeit zur Bestechung der Ober-schichten des Proletariats, nährt, formt und festigt dadurd^ den Opportunismus“ (ebd. S. 89).

Lenin bekämpft leidenschaftlich die Sozialchauvinisten und Sozialimperialisten, d. h. „Sozialisten des Wortes und Imperialisten der Tat" (ebd. S. 94). Mit aller Deutlichkeit vertritt Lenin in seiner Studie über den Imperialismus bereits das internationale politische Bündnis der kommunistischen Avantgarde des internationalen Proletariats mit den unterdrückten Kolonialvölkern.

F. Kritische Bemerkungen

§ 22. BEWERTUNG DER KOMMUNISTISCHEN WIRTSCHAFTSTHEORIE (1) Als erstes muß man feststellen, daß die kommunistische Forschung auf dem Gebiete der Wirtschaftstheorie sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht sehr arm ist. Das ist um so überraschender, als der Kommunismus sich zur ökonomischen Geschichtsbetrachtung bekennt (historischer Materialismus), und man erwartet deshalb an sich, daß die Wirtschaftstheorie in ihm eine zentrale Stellung einnehmen würde.

(2) An Stelle einer ausgearbeiteten Wirtschaftstheorie bietet der Kommunismus nur folgendes:

erstens den (mehr oder weniger umgedeuteten) Marxismus;

zweitens einige Ansätze zu einer normativen Theorie, die sagt, was in der Wirtschaft sein soll;

drittens eine ziemlich umfangreiche Betriebswissenschaft. Das letztgenannte Element — das aus mathematisch-technischer Forschung, technischer Produktionslehre, Finanzwissenschaft (einschließlieh der Buchhaltung, chosrascet), besteht — braucht hier nicht erörtert zu werden, weil es ja keine Wirtschaftstheorie, sondern allein Betriebswissenschaft ist.

(3) Was den Marxismus anbetrifft — abgesehen davon, daß er (wie oben gezeigt wurde) in manchem verflacht, einseitig ausgelegt und dogmatisiert wurde —, so ist festzustellen, daß er für die tatsächliche Führung der Wirtschaft in den kommunistischen Ländern überhaupt keine Bedeutung hat. Er wird nur in der Propaganda, als propagandistische Dogmatik gebraucht.

(4) Daneben bestehen jedoch bei den Kommunisten gewisse Ansätze für die Theorie (s. auch X B). Diese sind (nach Stalin) in folgender Weise formuliert:

Das „ökonomische Grundgesetz des Sozialismus" ist „Sicherung der maximalen Befriedigung der gesamten Gesellschaft durch ununterbrochenes Wachstum und stetige Vervollkommnung der sozialistischen Produktion auf der Basis der höchstentwickelten Technik" (Politische Ökonomie, Lehrbuch, Berlin 1954, S. 462).

Das ist aber überhaupt keine empirische Wirtschaftstheorie, weil diese feststellt, was ist, während hier nur gesagt wird, was sein s q 1 1.

(5) Die für die Propaganda gebrauchten marxistischen oder vermeintlich marxistischen Lehren sind vom wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet unhaltbar. Zu den wichtigsten ist das Folgende zu sagen:

a) Zentral für den Marxismus ist die Mehrwertlehre. Diese gründet sich ihrerseits auf die Arbeitswertlehre; denn nur wenn der Wert der Ware aus der zu ihrer Produktion aufgewendeten Arbeit stammt — also wenn der Wert durch diese Arbeit bestimmt ist — ist die Mehrwertlehre überhaupt sinnvoll. Nun ist aber die Arbeitswerttheorie durch die Gesamtheit der wissenschaftlichen Wirtschaftstheoretiker seit langem als ungültig verworfen worden. Sie wurde durch die Grenzwerttheorie ersetzt.

Der Wert einer Ware hängt nach der letztgenannten Theorie nicht davon ab, wieviel Arbeit der Produzent zu ihrer Verfertigung aufgewendet hat, sondern von dem Nutzen der betreffenden Ware für den Käufer. Einmal kann eine Ware, für die sehr viel Arbeit aufgewendet worden ist, einen sehr geringen Wert haben, weil kein Interesse seitens der Käufer für sie besteht. Auf der anderen Seite aber kommt es vor, daß etwas, was mit einem äußerst geringfügigen Arbeitsaufwand produziert worden ist, einen sehr hohen Wert besitzt, weil eine sehr starke Nachfrage danach besteht.

Ein führender Ökonom — der dabei stark mit Marx sympathisiert — formuliert z. B. diesen allgemeinen Standpunkt der Wissenschaft mit folgenden Worten:

„Jeder weiß, daß diese (Arbeits-) Werttheorie ganz unbefriedigend ist ... sie ist (erstens) gar nicht anwendbar außer im Falle einer vollkommenen Konkurrenz ... Zweitens auch im Falle einer vollkommenen Konkurrenz ist sie nicht ohne Schwierigkeiten anwendbar, mit Ausnahme des Falles, in dem die Arbeit der einzige Produktionsfaktor ist . . . Auf jeden Fall ist sie tot und begraben" (J. A. Schumpeter, Capitalism, Socialism and Democracy, New York 1942, SS. 23— 25).

Noch fundamentaler ist hier der Begriff des Wertes selbst. Nun hat aber Marx nie klar gesagt, was er unter „Wert" versteht. Manchmal stellt er es so dar, als sei er eine innere Eigenschaft der Ware. In anderen Fällen setzt er ihn dem Preis gleich. Dann sagt er wieder, der Wert sei durch den Preis „dargestellt".

Ein führender britischer Sozialist schreibt darüber in Verzweiflung:

„Warum spricht Marx so oft im ersten Band des Kapitals so, als ob die Ware eine Tendenz hätte, zu ihrem Wert verkauft zu werden, während doch eine solche Auffassung mit seiner eigenen Position einfach unverträglich ist, und während er selbst in den späteren Teilen seines Werkes klar macht, daß dem nicht so sei?" (C. D. H. Cole, What Marx really meant, 1934, S. 228). b) Die ganze Marx'sche Kritik des Kapitalismus gründet sich auf dem Begriff der Warenproduktion, d. h. einer Produktion, die für den Markt betrieben wird. Die Warenproduktion macht den Menschen zum Sklaven der „blinden Kräfte" des Marktes. Sie besteht nach Marx nur, wenn die Produktionsmittel privaten Besitzern angehören, die sie wesentlich für den Gewinn benutzen. Diese Theorie wurde aber von einer unerwarteten Seite der Kritik unterzogen. Stalin behauptet in seinen „Ökonomischen Fragen des Sozialismus" (1952), daß die Warenproduktion in einem sozialistischen Staat nicht allein besteht, sondern auch für eine unbestimmte Zeit weiter bestehen wird. Ist dem aber so, dann muß die Behauptung von Marx, daß die Warenproduktion ein Charakteristikum des kapitalistischen Systems sei, falsch sein. Denn in einem sozialistischen Staat gehören die Produktionsmittel ja nicht mehr Privateigentümern.

c) Andere wesentliche Bestandteile der marxistischen oder vermeintlich marxistischen Theorie wurden durch die faktische Entwicklung des Kapitalismus als falsch erwiesen. Die Verelendungstheorie wurde durch die stetige Erhöhung des Realeinkommens der Arbeiter in allen kapitalistischen Ländern, insbesondere in den USA, widerlegt. Die Theorie, nach welcher alle Klassen zugunsten der Klasse des Proletariats verschwinden würden, wurde durch das bedeutende Wachstum der mittleren Klassen in denselben Ländern widerlegt. Die Lehre von dem notwendigen Zusammenbruch der kapitalistischen Gesellschaften wurde erfolgreich durch Eugen Varga, einen führenden kommunistischen Wirtschaftstheoretiker, kritisiert.

(6) Das Ergebnis ist das folgende: Die kommunistische „Wirtschaftstheorie" — oder besser die vorhandenen Ansätze zu einer solchen Theorie — sind nicht mehr als scheinbar wissenschaftliche Begründungen für kommunistische Maßnahmen wirtschaftspolitischer Natur. Gleichzeitig bieten sie pseudowissenschaftliche Waffen für die kommunistische Propaganda.

Eine echte Kritik der Marktwirtschaft braucht solche „Theorien“ nicht. Sie schöpft ihre Kraft aus einer moralischen Einsicht in die Menschenwürde, und gründet auf die Forderung, daß die menschliche Arbeit nicht als Ware betrachtet werden soll.

G. Eschatologie

Die kommunistische Philosophie und Ökonomie kulminieren in einer utopischen Sicht der zukünftigen Gesellschaft — in einer Eschatologie. In dieser Zukunftsgesellschaft werden alle bösen Erscheinungen menschlichen Daseins beseitigt und ein Paradies auf Erden errichtet. Und zwar wird dieser Zustand notwendig zustande kommen, weil er die letzte Etappe der notwendigen Entwicklung der Gesellschaft bildet.

Um den Sinn dieser eschatologischen Lehre einigermaßen verstehen zu können, muß man sich vergegenwärtigen, daß nach dem Kommunismus alle Übel (gemäß dem historischen Materialismus) aus der ökonomischen Basis, genauer aus dem Privateigentum und der damit verbundenen Warenproduktion folgen.

Solange diese Basis, d. h. augenblicklich der „Kapitalismus", besteht, ist alles im sozialen Leben schlecht: der Mensch ist von der Natur abhängig, lebt im Elend, wird durch andere Menschen ausgebeutet, vom Staat im Namen der Ausbeuterklassen unterdrückt, er hat keine realen Rechte, wird durch Kriege geplagt und besitzt keinen echten Zugang zur Kultur, die übrigens eine falsche Kultur ist usw. Die Kommunisten pflegen alles wirkliche oder vermeintliche Übel, welches in jeder Gesellschaft vorhanden ist, intensiv für ihre Propaganda auszunutzen.

Ihnen stellen sie den glücklichen Zustand gegenüber, welcher sich aus der „Sozialisierung“, wie es scheint, ganz automatisch, ergeben soll.

Die kommunistische Eschatologie enthält im wesentlichen zwei Grundgedanken:

(1) durch Sozialisierung werden die Freiheitsbeschränkungen seitens der Natur und Wirtschaft abgeschafft; (2) dieselbe wird jene Freiheitsbeschränkungen aufheben, die seitens der Menschen, also der Klassen und des Staates, ihm jetzt auferlegt sind. — Beide Ideen wurden im wesentlichen von Engels formuliert.

§ 23. DER SPRUNG IN DAS REICH DER FREIHEIT Während der Mensch unter der liberalen Verfassung von ökonomischen Gesetzen abhängig ist, wird er im utopischen Zukunftsstand durch die Kollektivierung Herr der Produktion und damit der eigenen . Vergesellschaftung": er wird planmäßig handeln, also frei sein, und aus „dem Reich der Notwendigkeit" in das „Reich der Freiheit" eintreten. Dieses wird auch das Reich des Reichtums an allen Gütern sein.

„Mit der Besitzergreifung der Produktionsmittel durch die Gesellschaft ist die Warenproduktion beseitigt und damit die Herrschaft des Produkts über die Produzenten. Die Anarchie innerhalb der gesellschaftlichen Produktion wird ersetzt durch planmäßige bewußte Organisation. Der Kampf ums Einzeldasein hört auf. Damit erst scheidet der Mensch, in gewissem Sinn, endgültig aus dem Tierreich, tritt aus tierischen Daseinsbedingungen in wirklich menschliche. Der Umkreis der die Menschen umgebenden Lebensbedingungen, der die Menschen bis jetzt beherrschte, tritt jetzt unter die Herrschaft und Kontrolle der Menschen, die nun zum ersten Male bewußte, wirkliche Herren der Natur, weil und indem sie Herren ihrer eigenen Vergesellschaftung werden. Die Gesetze ihres eigenen gesellschaftlichen Tuns, die ihnen bisher als fremde, sie beherrschende Naturgesetze gegenüberslanden, werden dann von den Menschen mit voller Sachkenntnis angewandt und damit beherrscht. Die eigene Vergesellschaftung des Menschen, die ihnen bisher von Natur und Geschichte oktroyiert gegenüberstand, wird jetzt ihre eigene freie Tat. Die objektiven, fremden Mächte, die bisher die Geschichte beherrschten, treten unter die Kontrolle der Menschen selbst. Erst von da an werden die Menschen ihre Geschichte mit vollem Bewußtsein selbst machen, erst von da an werden die von ihnen in Bewegung gesetzten gesellschaftlichen Ursachen vorwiegend und in stets steigendem Maße auch die von ihnen gewollten Wirkungen haben. Es ist der Sprung der Menschheit aus dem Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit" (A—D, S. 330 f. [MEGA SA S. 294 f. ]).

§ 24 . AUFHEBUNG DER KLASSEN UND DES STAATES Von den nicht-menschlichen Mächten befreit wird der Mensch gleichzeitig (und wie es scheint automatisch) auch von der Unterdrückung durch andere Menschen und vom Kampf gegen sie befreit.

Es wird keine Klassen, keinen Staat, keine Kämpfe mehr geben. Dies muß gemäß den Prinzipien des historischen Materialismus sich aus der Sozialisierung der Produktion ergeben. Auch hier ist der wesentliche Text von Engels: „Proletarische Revolution, Auflösung der Widersprüche:

Das Proletariat ergreift die öffentliche Gewalt und verwandelt . . . die . . . Produktionsmittel in öffentliches Eigentum . . . Die Entwicklung der Produktion macht die fernere Existenz verschiedener Gesellschaftsklassen zu einem Anachronismus. In dem Maß, wie die Anarchie der gesellschaftlichen Produktion schwindet, schläft auch die politische Autorität des Staates ein. Die Menschen, endlich Herren ihrer eigenen Art der Vergesellschaftung, werden damit zugleich Herren der Natur, Herren ihrer selbst — frei “ (Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft III, MEAS II, S. 143 f.)

Diese Stelle wird durch Lenin so erklärt:

/„Als Endziel setzen wir uns die Abschaffung des Staates, d. h. jeder organisierten und systematischen Gewalt, jeder Gewaltanwendung gegen Menschen überhaupt. Wir erwarten nicht den Anbruch einer Gesellschaftsordnung, in der das Prinzip der Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit nicht eingehalten werden würde. Aber in unserem Streben zum Sozialismus sind wir überzeugt, daß er in den Kommunismus hinüberwachsen wird, und im Zusammenhänge damit jede Notwendigkeit der Gewaltanwendung gegen Menschen überhaupt, die Unterordnung eines Menschen unter den anderen, eines Teiles der Bevölkerung unter den anderen verschwinden wird, denn die Menschen werden sich gewöhnen, die elementaren Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens ohne Gewalt und ohne Unterordnung einzuhalten.“ (Staat und Revolution, IV, KAW, S. 220 /SW 21, S. 537 f.)

Quellen: die Hauptquellen sind in §§ 3 und 16 aufgezählt. Dazu kommen noch die folgenden in Betracht: Mao Tse-Tung (AS), KFS und die Zeitschrift Voprosy Filosofii (VF), 1947 ff. Für die kommunistische Wirtschaftstheorie kommt vor allem die Zeitschrift Voprosy Ekonomiki (1947 ff.) und das Handbuch: P o 1 i t i -sehe Ökonomie. Lehrbuch. (1954, dt. 1955) in Frage.

Literatur: die beste Gesamtdarstellung der kommunistischen Philosophie ist die von G. A. Wetter: Der d ialekt ische Mat er ia1 i s m u s, Freiburg i. Br. 1952, 3. A. 1956; dazu: J. M. Bochenski: Der s o w j e t r u s s i s c h e Dialektische Materialismus (D i a m a t), Bern 1950, 2. A. 1957, und H. B. Acton: The i 11 u s i o n oftheepoch, London 1955 (ohne Kenntnis der russischen Quellen, aber sehr eindringend). Für die letzte Periode (1950— 1955) die beste Zusammenfassung in: G. L. Kline: Recent Soviet Philosoph y, The Annals of The American Academy of Political and Social Science, Philadelphia, Bd. 303, SS. 126-138.

Das grundlegende soziologische Werk zur kommunistischen Ideologie ist: J. Monnerot: Sociologie du communisme, Paris, 1949, dt. 1952. Zur Ethik: J. M. Bochenski: Die kommunistische Ideologie und die Würde, Freiheit und Gleichheit des Menschen im Sinne des Grundgesetzes f. d. Bundesrepublik Deutschland v. 2 3. 5, 1 9 4 9, Bonn 1956. Der Leser soll ausdrücklich vor den vielen (vor allem französischen) Schriften gewarnt werden, welche unter dem Namen „Kommunismus" entweder Gedanken von K. Marx (sogar vom jungen Marx), oder aber eigene Spekulationen über das vermeintliche „Wesen" des Kommunismus darstellen, und zwar ohne jene Rücksicht auf die allein ausschlaggebende russische zeitgenössische Literatur.

Zur Wirtschaftstheorie fehlt noch ein genügendes Grundwerk. Einige Schriften werden unten angeführt.

Bibliographie in den zitierten Werken von Wetter und Bochenski.

Abkürzungen:

AS = Mao Tse-tung, Ausgewählte Schriften, Berlin 1956. AW = Lenin W. I., Ausgewählte Werke in 12 Bänden Wien-Berlin (später Moskau) 1932 ff.

BSE = Boisaja Sovetskaja Enciklopedija, Moskva, 1. A.

1926 ff., 2. A. 1950 ff.

DHM = Stalin J., über dialektischen und historischen Materialismus, in: Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewik!), Kurzer Lehrgang, Berlin 1947 (wenn ohne nähere Angabe), Moskau 1939 („Mosk."). FdL = Stalin J., Fragen des Leninismus, Berlin 1951.

GKP = Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki), kurzer Lehrgang, Berlin 1947. KFS = Kratkij filosofskij slovar, pod redakeijej M. Rozentala i. P. Judina, (Moskau) Politizdat pri CK VKP (b), 2. A. 1940, 4. A. 1954.

KM/FE = Lenin W. I., Karl Marx — Friedrich Engels, Berlin 1952.

KAW = Lenin W. I., Au sgewählte Werke in zwei Bänden, Moskau 1946/1947.

LF = Engels F., Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, Berlin 1952.

ME AS = Marx K. und Engels F., Ausgewählte Schriften in zwei Bänden, Berlin 1953.

MEGA = Karl Marx/Friedrich Engels. Historisch-kritische Gesamtausgabe, hrsg. im Auftrage des Marx-Engels-Institutes Moskau von D. Rjazanov und V. Adoratskij, Frankfurt a. M. (später: Berlin, Moskau) 1927 ff.

MEM = Lenin W. L, Marx Engels Marxismus, Moskau 1947.

MEMP = Lenin W. L, Materialismus und Empiriokritizismus, Berlin 1949.

Nachlaß = Lenin W. I., Aus dem philosophischen Nachlaß, Exzerpte und Randglossen, Berlin 1949.

SW = Lenin W. I., Sämtliche Werke, vom Lenin-Institut in Moskau autorisierte Ausgabe, Wien-Berlin (später: Zürich, Moskau) 1927 ff.

VF = Voprosy Filosofii, (Moskva) 1947 ff.

WW = S t al i n, J. W„ Wer k e, Berlin 1950 ff.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Propagandist, I, 1945, S. 43— 47.

  2. News from Behind the Iron Curtain, New York Juni 1952.

  3. Nach der Aussage ungarischer Studenten im Dezember 1956.

  4. Trud. Moskaus, 5. V. 1953.

  5. Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus, MEM S. 55 (LAW I, S. 63 f).

  6. Engels LF S. 29 f.; Lenin ME SW 13 S. 86; Stalin DHM S. 153; auch ein offizielles Programm für Hochschulen VF 1948, 2 S. 319 b.

  7. Hege!, Phänomenologie des Geistes, Vorrede, II, S. 21.

  8. So durch Lenin in Karl Marx Stalin in DHM S. 178 f. j G. E. Glezermann: Bazis i nadstrojka v sowjetkem o b § es t v. Izd. Ak. Nauk SSSR Moskwa 1954, S. 13 usw.

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