Der folgende Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung des Verlages der Zeitschrift „INTERNATIONAL AFFAIRS", April 1957, herausgegeben durch das Royal Institute of International Affairs, Oxford University Press, entnommen.
Ich habe keine prophetischen Gaben und als diese Vorlesung geplant wurde konnte ich nicht voraussehen, daß sie in der Atmosphäre stattfinden würde, die uns leider heute umgibt. Ich wählte den Titel nur in der Absicht, die politischen Aspekte der amerikanischen Außenpolitik zu untersuchen. Es läßt sich jetzt nicht vermeiden, zu gewissen Vorkommnissen, die sich inzwischen abgespielt haben, Stellung zu nehmen, doch will ich versuchen, objektiv zu bleiben.
Ich glaube, eine Feststellung ist gleich zu Anfang notwendig. Die meisten britischen Kritiker übertreiben die Bedeutung des Einflusses der Innenpolitik auf die amerikanische Außenpolitik. Erstens glaube ich, daß die Außenpolitik in einem Wahlkampf nur äußerst selten eine wichtige Rolle spielt; das Interesse an der Außenpolitik schwankt und nur selten geraten die Parteien oder die politischen Persönlichkeiten über Fragen der Außenpolitik aneinander. In der Tat ist es eine, bis zu einem gewissen Grad berechtigte Klage der Sprecher des amerikanischen rechten Flügels, daß das amerikanische Volk nie Gelegenheit habe, über Fragen der Außenpolitik zu entscheiden, weil sich die Kandidaten beider Parteien auf diesem Gebiet einig sind — oder, um es in der unverblümten Sprache des Mittelwestens, die ich oft selbst gehört habe, auszudrücken: „weil sie Verräter aufstellen.“ Viele Amerikaner stehen der Außenpolitik der Vereinigten Staaten in den letzten 30 Jahren feindlich gegenüber; vielleicht auch jeder Außenpolitik der Vereinigten Staaten. Diese Auffassung ist nicht unwichtig; trotzdem müssen wir hinnehmen, daß bei der Auseinandersetzung zwischen den Parteiführern, über die Außenpolitik selten Meinungsverschieden» heiten herrschen.
Tatsache ist, daß dem amerikanischen Wähler bei Präsidentschaftswahlen nicht nur keine Gelegenheit geboten wird, zwischen Persönlichkeiten mit verschiedenen Ansichten über die Außenpolitik zu entscheiden, sondern es wird ihm überhaupt keine Gelegenheit zur Diskussion außenpolitischer Probleme geboten. Während der Wahlkampagne hat Mr. Stevenson wohl von Zeit zu Zeit Fragen der Außenpolitik erörtert. insbesondere über die Einstellung von Atomexplosionsversuchen. Gegen Ende des Wahlkampfes setzte er sich auch mit gewissen Mängeln der Politik der Eisenhower -Regierung auseinander; aber er nannte die Außenpolitik nicht das Hauptproblem der Zukunft der Vereinigten Staaten.
Wir können zwei Gründe für diese Sachlage anführen. Der erste liegt darin, daß Stevenson eine große Anzahl lokaler Streitfragen erörterte, denen man keinen internationalen Charakter zugrunde legen konnte; der zweite Grund ist die Art der Kritik, die er an gewissen Aspekten der Eisenhower Regierung übte — oder geübt hätte; zum Beispiel an einer Verteidigungspolitik, wie sie Mr. Finletter und Senator Symington verlangten und die bei den Demokraten ebenso unpopulär gewesen wäre wie bei den Republikanern. Die Anhänger beider Parteien neigten zu einer günstigen Beurteilung der Weltlage.
Die demokratische Partei, die in ihrem Wahlprogramm erhöhte Leistungsfähigkeit des Pentagons, Bereitschaft für den möglichen Fall eines dritten Weltkrieges und eine ausgerüstete, bereitstehende Armee für einen kleineren Krieg in Korea gefordert hatte, befand sich jetzt in einer peinlichen Lage, denn sie war der Mei-nung, der Koreakrieg sei eine der Hauptursachen ihrer Wahlniederlage im Jahre 19 52 gewesen und keinesfalls sollte ihr das Omen einer kriegslustigen Partei anhaften. In allen Ländern der Welt leben eine große Anzahl Menschen die glauben, eine Sache, die man ignoriert, existiert auch nicht. Die Republikaner aber waren zurecht davon überzeugt, daß das Versprechen, den Koreakrieg zu beenden, mehr als alles andere zu ihrem Wahlsieg im Jahre 1952 beigetragen hatte. Dies ist der zweite Grund für die Vermeidung einer Diskussion über die Außenpolitik durch die Parteien.
Ich glaube nicht, daß Mr. Dulles'Entschluß, sich nicht am Wahlkampf zu beteiligen, eine positive Auswirkung auf die amerikanische Innenpolitik gehabt hat. Er nützte diese Immunität nicht dazu, eine aktive Politik zu treiben die anders geartet gewesen wäre als die, die er ohnehin verfolgen wollte. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß sich der offizielle Beauftragte für die amerikanische Außenpolitik vom Wahlkampf fern hielt, indem er ostentativ ablehnte, „an ausschließlich politischen Gesprächen teilzunehmen“. Infolgedessen hatte die amerikanische Öffentlichkeit keine Veranlassung, sich mit außenpolitischen Fragen auseinanderzusetzen.
Die nationalen Gruppen
Wollen wir nun zu den Plattformen vorstoßen, auf denen, in gewissem Sinne, Außenpolitik tatsächlich erörtert wird. England neigt dazu, den Einfluß gewisser nationaler Gruppen auf die Außenpolitik der Vereinigten Staaten zu übertreiben. Es wird leicht übersehen, daß die Gruppen sich gegenseitig aufheben, daß sich nur äußerst selten Wahlprogramme aufstellen lassen, bei denen man sicher mit einen Zuwachs an Wählerstimmen rechnen kann und gleichzeitig ebenso bestimmt weiß, daß man keine verlieren wird. Politiker sind sich dessen bewußt und können daher in einer örtlich begrenzten Wahl um lokale nationale Gruppen werben. Über die lokale Ebene hinaus aber finden sie es gefährlich. Jeder leidlich gut informierte Politiker wird darauf achten, daß bei der Aufstellung der
Listen für Regierungsämter, die einzelnen wichtigeren Wählergruppen durch ihre Kandidaten vertreten sind. Das bedeutet jedoch nicht, wie manchmal leichthin angenommen wird, die unbedingte Unterstützung der Politik des Herkunftslandes solcher Gruppen. Eine große Zahl Einwanderergruppen in den Vereinigten Staaten haben recht unliebsame Erinnerungen an das Land, das sie verließen. So waren während des ersten Weltkrieges viele Deutschamerikaner Deutschland sehr feindlich gesinnt, weil sie — oft fälschlicherweise — der Meinung waren, ihre Großeltern hätten Deutschland als politische Flüchtlinge verlassen müssen. Das trifft ebenso für andere nationale Gruppen zu.
Das Bild, das diese, von ihrem Gewissen zur Flucht Getriebenen, sich von sich selbst als Flüchtlingen machen, ist in vielen Fällen falsch; aber als politischer Machtfaktor trägt es zur allgemeinen amerikanischen Abneigung und zum Mißtrauen gegen Europa bei. Wenn wir also die einzelnen Gruppen aufzählen, wollen wir damit keineswegs sagen, daß sie Anhänger ihres ehemaligen Heimatlandes sind. In vielen Fällen betrachten sie sich als Menschen, die mit Recht den sündigen Staub Europas von ihren Füßen abschüttelten und eine bessere Welt betraten, in der die Verbrechen der alten Welt nicht begangen werden. Nichts könnte zum Beispiel törichter und oberflächlicher sein als anzunehmen, Menschen rein britischer Herkunft seien zwangsläufig anglophil. Viele Leute glauben sich berechtigt und berufen, in ihrem Her-zen altüberkommene antibritische Gefühle zu pflegen; sonst, so meinen sie, üben sie Verrat an ihren revolutionären Ahnen.
Ich will nicht behaupten, daß nationale Gruppen nicht auch auf höherer Ebene eine wichtige Rolle spielen. Es kann in der Tat geschehen, daß die Wesensart eines Staates der Union durch diese Gruppen geändert wird, weil sie ein freundschaftliches Verhältnis zu ihrem Mutterland bewahrt haben. Im Jahre 1940 war zum Beispiel die oberste Führung der demokratischen Partei sehr überrascht, als eine Gallup-Umfrage erbrachte, daß ihre Partei bedeutende Fortschritte im Staate Maine aufzuweisen hatte. Sie kamen trotzdem zu dem Schluß, daß sie niemals in Maine die Wahlen gewinnen könnten, daß die Zahlen falsch sein müßten — und so unternahmen sie nichts. Später, als die Wahlen stattfanden, verloren sie nur ganz knapp. Sie entdeckten, daß ein großer Teil der Bevölkerung von Maine erst kürzlich aus Kanada eingewandert war und in dieser besonderen Wahl des Jahres 1940, als die Demokraten am Ruder waren, wählten diese Kanadier die demokratische Kandidatenliste, um damit ihrer Sympathie mit der Politik der beiden Länder Ausdruck zu verleihen. Aus den gleichen Gründen gewannen die Demokraten im Jahre 1956 die Wahlen in Maine. Es war allerdings nicht die Präsidentschaftswahl; prüfte man die Verteilung der Stimmen, so war dieses Resultat fast ausschließlich den französisch-kanadischen Wählern zuzuschreiben. In ähnlicher Weise verfahren in anderen Gebieten deutsche Wählergruppen, die noch heute das Eingreifen Amerikas im Ersten Weltkrieg verurteilen, wie zum Beispiel in North Dakota und in einigen Teilen von Minnesota. Sie sind hartnäckig und stimmen immer noch gegen die Kandidaten, die sie als „britisch“ empfinden, ganz einfach weil sie den Ersten Weltkrieg nicht vergessen können. Oft wissen die Leute hier in England nicht, daß der große Einfluß des Senators MacCarthy im Staate Wisconsin tatsächlich auf diesen alten deutschen Volksgruppen fußte, die die größten Feinde der „Kriegshetzer“ waren und seither eigentlich Feinde Jedes gewählten Präsidenten geblieben sind. Der Politiker wird alles dran setzen, diese nationalen Gruppen nicht zu reizen; aber oft halten sie sich das Gleichgewicht. Mr. Max Beloff hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß eine der größten, wenn auch unerkannten nationalen Gruppen, die britische ist. Wenn daraus auch nicht folgt, daß Menschen echter oder vermeintlicher britischer Herkunft unbedingt pro-britisch eingestellt sind, so ist andererseits kaum anzunehmen, daß sie bewußt derselben Linie folgen werden wie die Deutschen und andere Gruppen, es sei denn, das Gesetz führt sie auf gleichem Weg. Man empfindet eine aufrichtige Zuneigung für England, die ihren LIrsprung nicht im Völkischen, sondern im Kulturellen hat. Diese Sympathie ist ein äußerst wichtiger politischer Faktor, den kein Politiker ungestraft übersehen kann. Ich will nicht behaupten, daß der amerikanische Politiker die nationalen Gruppen bei Gemeindewahlen, oder sogar bei Wahlen zum Kongreß übersieht — ganz und gar nicht. Aber die Befriedigung, die seine Aufmerksamkeit bei ihnen auslöst, wirkt sich nur ganz lokal begrenzt aus; sie beeinflußt in keiner Weise die Außenpolitik der Vereinigten Staaten. Der Politiker wird dafür sorgen, daß Herr X gewählt wird, weil er Pole ist; ein anderer wird aufgestellt, weil er Italiener, noch ein anderer, weil er Neger ist. Aber das bedeutet durchaus nicht, daß Mitglieder des Kongresses oder gar Senatoren der Vereinigten Staaten diese politische Linie weiter verfolgen, wenn sie einmal in Washington gelandet sind. Für einen klugen Politiker wäre es zu gewagt, sich darauf zu beschränken, einer nationalen Gruppe den Vorzug zu geben und damit für eine Außenpolitik einzutreten, die beim Volk nicht allgemein beliebt ist. Ein unüberlegter Politiker kann es einmal wagen, aber dann wird er das nächste Mal nicht wieder gewählt.
Der Sieg des Präsidenten
Wollen wir uns an Hand dieser allgemeinen Betrachtungen nun fragen, was die besonderen Merkmale des letzten Wahlkampfes waren und welche Vermutungen in bezug auf die, von der Innenpolitik beeinflußte, amerikanische Außenpolitik aufgestellt werden können? Erstens bin ich davon überzeugt, daß im Jahre 1956 wie im Jahre 19 52 die Stärke Eisenhowers in der ihm allgemein zuerkannten Fähigkeit lag, den Vereinigten Staaten den Frieden zu erhalten. Man-chen wird es vielleicht verwundern, aber ich halte es für richtig zu behaupten, daß, angefangen von den Genfer Konferenzen, die auf höchster Ebene geführt worden waren, bis fast hin zum September 19 56, jedenfalls aber bis Poznan (Posen), die amerikanische öffentliche Meinung sich in erschreckendem Ausmaß einer optimistischen Auffassung der Außenpolitik Sowjetrußlands näherte. Ich war im vorigen Herbst in Amerika, als die russische Bauerndelegation durch die Staaten des Middle West reiste. Als man dort zu entdecken meinte, daß der Russe doch ein Mensch sei, daß er eine Kuh von einem Ochsen unterscheiden konnte, daß er sogar eine gewisse Kenntnis über landwirtschaftliche Maschinen besaß, schlug bei vielen die panische Angst vor der russischen Politik in den Glauben um, sie seien doch genau so wie wir. Ich kenne Leute, die damals überzeugt waren, die russische Politik habe sich grundlegend geändert und es sei die Zeit gekommen, eine Reihe von Abkommen durch die führenden Männer der beiden bestimmenden Großmächte, nämlich der UdSSR und der Vereinigten Staaten zu treffen. General Eisenhower könne das erreichen, war er doch Marschall Schukow’s Kriegskamerad. Diese Überzeugung ist eine der Quellen der Stärke General Eisenhowers und des erstaunlichen und paradoxen Sieges, den er errang.
Warum sage ich paradox? Erstens natürlich, weil es das erste Mal in hundert Jahren ist, daß ein Präsident ohne Unterstützung des Kongresses gewählt worden ist. Wir haben in der Geschichte keine echte Parallele aufzuweisen. Im Jahre 1848 wurde General Zachary Taylor durch einen Zufall gewählt, während die jetzige Wahl den größten politischen Erdrutsch in der amerikanischen Geschichte darstellt. Das ist die eine Seite des Paradoxon.
Die zweite ist die Verteilung der Sitze im Senat und im Kongreß. Soweit ich beurteilen kann, ist es nicht richtig zu behaupten, Mr.
Eisenhower hätte einen gewissen Typ Republikaner, der ihm besonders gut gesonnen war, hereingebracht. Man kann wohl einige Fälle aufzählen, in denen Mr. Eisenhower dies getan hat, wie zum Beispiel Mr. Sherman Cooper im Staat Kentucky, der nur unter dem starken Druck Mr. Eisenhowers dazu bewogen wurde, die Botschaft in Indien zu verlassen und sich als Kandidat aufstellen zu lassen. Der republikanische Senator Chapman Revercomb wurde nur auf Grund der Skandale innerhalb der demokratischen Partei von West Virginia gewählt.
Er ist ein so verbissener Isolationist und in manch anderer Beziehung so ungeeignet als Senator der Vereinigten Staaten, daß es Gouverneur Dewey im Jahr 1948 ablehnte, für ihn die Wahlkampagne zu führen und ihn auch in seinem eigenen Wahlkreis nicht unterstützte. In ähnlicher Weise wurden auch andere Senatoren, wie zum Beispiel Mr. Dirksen vom Staate Illinois, gewählt, dessen Bekehrung zur Außenpolitik Eisenhowers erst jüngsten Datums ist.
Der politische Erdrutsch war aber nicht stark genug, um einem Mann wie Senator Duff in Pennsylvania zum Sieg zu verhelfen, der doch in Fragen der Außenpolitik dem Präsidenten stets treu gefolgt war.
In dem bemerkenswerten Buch von Mr. Donovan
Wo liegen die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen ihnen? Wo die Möglichkeiten einer unwiderstehlichen Kraft oder eines unüberwindlichen Hindernisses? Wir müssen uns vor allem daran erinnern, daß der Präsident vieles tun kann ohne den Kongreß zu befragen. Dem Kongreß steht kein Mittel zur Verfügung, die Führung der Außenpolitik der Vereinigten Staaten zu übernehmen. Ein mittelmäßig begabter Präsident in schwacher politischer Stellung, der nichts tut, kann nicht gezwungen werden, irgend etwas zu tun. Er kann wohl daran gehindert werden, gewisse Dinge, die ihm am Herzen liegen, auszuführen, besonders wenn sie Geldausgaben mit sich bringen; aber zunächst steht die Tatsache fest, daß die Planung und die Durchführung der amerikanischen Außenpolitik hauptsächlich von den Wünschen des Präsidenten bestimmt werden.
Wird nun der Präsident als Parteichef handeln? Wenn er es tut, wird er sich vielen unnötigen Schwierigkeiten aussetzen. Das war bis zu einem gewissen Grad während der ersten Amtsperiode Präsident Eisenhowers der Fall, weil Eisenhower in der Tat als Parteichef handelte, aber als unfähiger. Er entfremdete sich die Demokraten ohne die Republikaner für sich zu gewinnen. In den ersten beiden Jahren seiner Amtszeit billigte er die verheerende Personalpolitik, die von Mr. Scott Mc Leod unter der Aufsicht Mr. Dulles’ im Auswärtigen Amt getrieben wurde. Er ließ sich verschiedentlich zu Handlungen zwingen, indem er törichtes Gerede zuließ, sich aber gleichzeitig nicht fortlaufend mit den demokratischen Führern beriet, wie Mr.
Truman es mit den rupublikanischen getan hatte. Damit entfremdete er sich und verärgerte er die Führer des Kongresses und des Senats.
Die zweite Konsequenz und eine, die sehr wichtig werden kann, wenn zum Beispiel Mr.
Nixon Präsident wird, ist der unter den demokratischen Führern weitverbreitete Glaube, daß die Republikaner gegen sie gerichtete Anklagen des Verrats geschickt ausgenützt haben. Diese Auffassung hat einen heftigen Groll ausgelöst, der noch weiter besteht. Viele bedeutende Senatoren sind noch heute überzeugt, daß sie selbst, ihre Partei, Mr. Roosevelt, Mr. Truman durch die Art des republikanischen Feldzuges, der sich gegen die kommunistische Infiltration gerichtet hatte, verleumdet worden sind. Folglich wird Mr. Eisenhower in seiner zweiten Amtsperiode in irgendeiner Form mit diesen demokratischen Führern Frieden schließen und sie überzeugen müssen, daß sie das Wesen des Angriffs gegen sie mißverstanden hätten. Er hat bereits in der zweiten Hälfte seiner ersten Amtszeit solche Versuche unternommen. Da die jüngsten Ergebnisse bewiesen haben, daß die demokratische Partei für sich allein viel stärker ist als die republikanische Partei, wird diese Aufgabe leichter sein, als wenn die Demokraten, nachdem sie bereits die Präsidentschaftswahlen verloren haben, auch im Kongreß eine Niederlage erlitten hätten. Die demokratischen Führer, die diesen Feldzug überlebt haben, dürfen hier ruhig großzügig sein.
Der nächste schwierige Punkt in der Zusammenarbeit zwischen dem Präsidenten und dem demokratischen Kongreß ist natürlich die Tatsache, daß die Demokraten zweifellos eine Untersuchung der Eisenhower-Verwaltung einleiten werden. Das bedeutet, daß beträchtliche Zeit des Parlaments, besonders des Senats, auf die Untersuchung der Tätigkeit verschiedener Bundesbeamter und des Auswärtigen Amtes verwendet werden wird. Auch Propagandaorganisationen, Hilfe für andere Länder usw. werden unter die Lupe genommen werden. Wir wollen das nicht allzu ernst nehmen. Wir dürfen uns darunter nicht eine parlamentarische Zensur der Verwaltung vorstellen. Es ist eine Parteizensur (ich will damit nicht sagen, daß sie nicht genug Stoff zur Kritik finden werden; das werden sie bestimmt); aber vergessen Sie nicht, daß das amerikanische Volk eben solches vom Parlament erwartet, und sie erwarten es in erhöhtem Maß, wenn der Kongreß der Gegenpartei angehört. Alles das erschüttert aber nicht im mindesten ihren Glauben, daß der einzige wichtige amerikanische Beamte, mit dem sie sich zu befassen haben, der Präsident selbst ist. Wenn auch die Dulles-Aktien fallen, was gewiß geschehen kann, wenn sogar die Pentagon-Aktien fallen, wenn erkannt wird, daß gewisse Seiten der amerikanischen Verteidigungspolitik zu sehr unter dem Einfluß von Mr. Humphrey, dem Finanzminister, stehen, so ist das alles doch nicht einer parlamentarischen Regierung, die eine schlechte Geschäftsführung zugeben muß, gleichzustellen.
Während der ersten Amtsperiode Eisenhowers fiel besonders auf, bis zu welchem Grade Menschen, die vieles, was getan oder unterlassen wurde, scharf verurteilten, den Präsidenten selbst mit aller Kritik verschonten. In Privatgesprächen wurden freilich oft genug anstößige und verletzende Bemerkungen über sein Benehmen beim Golfspiel oder sonstwo gemacht. Aber das Bild des Präsidenten, wie es in der Öffentlichkeit lebt, kontrastiert mit derartigen privaten Äußerungen. Soweit ich es übersehen konnte, gab der durchschnittliche Wähler, auch der demokratische, niemals dem Präsidenten die Schuld für Mißerfolge; hingegen gaben sie ihm die Ehre für alle Erfolge und lenkten die Schuld für Fehler auf andere ab. Vergessen wir nicht, daß dies nicht ganz unverdient ist. Mr. Eisenhower ist ein scharfsinniger Politiker. Er ist es seit 30 Jahren. Auf diesem Wege wurde er nicht nur Präsident sondern auch General. Er begann seine aktive militärische Laufbahn als Lobbyist für General MacArthur, und ich glaube, der Vergleich der politischen Gewandtheit dieser beiden Männer ist zulässig, wenn wir bedenken, daß Major Eisenhower jetzt Präsident der Vereinigten Staaten ist und General MacArthur Geschäftsführer in der Firma Remington-Rand. Mr. Eisenhower ist seit 30 Jahren mit dem Parlament vertraut; viele seiner militärischen Talente sind eigentlich politische Talente. Wenn er auch im eigentlichen Sinn kein Berufspolitiker ist, wie es Mr. Truman war oder Mr. Dewey es heute ist, so ist er doch ein geschickter Politiker, und im ganzen gesehen, ein weiser Mann.
„Handel nicht Hilfe"
Der Öffentlichkeit erscheint vieles was er getan hat, als Wiedergutmachung des Schadens, den andere angerichtet haben. Es wird zum Beispiel seinem Einfluß zugeschrieben, daß Amerika die Franzosen im Krieg gegen Indochina nicht unterstützte. Ebenso wird er auch in weniger wichtigen Angelegenheiten, wie es zum Beispiel die Ernennung des Verteidigungsministers Charlie Wilson war, nicht getadelt; er wird dafür gelobt, daß er gewisse eigentümliche Dinge, die auf Mr. Wilsons Schuldkonto stehen, wieder in Ordnung bringt. Dieser befahl zum Beispiel vorigen September in einem Anfall von Unmut, daß alle Offiziere in Washington augenblicklich Zivilkleider zu tragen hätten. Das verursachte begreiflicherweise den Sturm von 20 000 Offizieren auf die Zivilschneider von Washington. Jemand lenkte Eisenhowers Aufmerksamkeit auf diese Vorkommnisse. Er war ja selbst Offizier gewesen und kannte aus eigener Erfahrung ihre Finanzlage; überdies wußte er auch, daß amerikanische Offiziere und amerikanische Polizei in Zivil keine gute Figur machen. So widerrief er den Befehl. Dieser Schritt fand, wie er es verdiente, große Anerkennung und er zeigte mit dieser Aktion weit mehr politisches Feingefühl als Mr. Wilson. Das sind zwei Beispiele. Bei einer Auseinandersetzung im Kongreß aber wird er mehr brauchen als seine geschickten Talente, die er als Lobbyist, für die Armee, als Oberbefehlshaber und als Präsident in den letzten vier Jahren gezeigt hat. Wird er mit der demokratischen Partei und mit seiner eigenen in doktrinäre Schwierigkeiten geraten, wird er sich allgemeinen politischen Schwierigkeiten gegenüber finden, der seine Geschicklichkeit nicht gewachsen ist?
Erstens wird er — leider — auf einem ganz gewissen Gebiet keine Schwierigkeiten mit der demokratischen Partei haben. Im Jahre 1956 stellte die demokratische Partei in Chicago ein weit schlechteres Programm, besonders in der Frage des internationalen Handels auf, als die Republikaner. Viele Leute klagen mit vollem Recht, daß die Eisenhower-Verwaltung, die die Parole „Handel, nicht Hilfe“ an die große Glocke hängt, doch zu wenig unternommen hat, um den Handel zu beleben. Im eines Wahl/Fall der Demokraten wäre eine Politik der hohen Zolltarife, für die ihre Partei eingetreten war, eingeführt worden. Diese Tarife waren weit höher als zu irgend einer Zeit seit Mr.
Hoover’s Amtsperiode. Vielleicht ist das nicht wichtig, im allgemeinen nimmt man an, daß die Wähler keine ernste Verpflichtung auf sich nehmen, wenn sie ein. Wahlprogramm unterstützen; es ist immerhin erwähnenswert, daß zu diesem Zeitpunkt das offizielle Ansehen der republikanischen Partei in theoretischen Fragen des internationalen Handels, das der demokratischen Partei leicht übertraf. Allerdings nur theoretisch, nicht in der Praxis. Es wird zum Beispiel angenommen, daß es der Druck der Senatoren der Südstaaten auf Mr. Dulles war, der ihn dazu bewog, plötzlich sein Angebot auf Hilfe beim Bau des Assuan-Dammes zurückzuziehen, denn sie befürchteten damit die Erhöhung der Produktionsmöglichkeiten für Baumwolle in Ägypten. Aber man kann sich heute nicht mehr darauf verlassen, daß die demokratische Partei automatisch für erhöhten internationalen Handel und niedrigere Zölle eintritt, wie es seit dem Beginn des New Deal der Fall gewesen war. Man könnte nun meinen, weil die demokratische Partei nicht an der Regierung sei, wäre das alles unwichtig. Aber Zolltarife gehören in den Zuständigkeitsbereich des Parlaments.
Zweitens wird sich die demokratische Partei durch Versprechungen Mr. Stevensons, was Atomexplosionsversuche und dergleichen betrifft, kaum gebunden fühlen. Sie kann aber der Meinung sein, daß es im Hinblick auf das Jahr 1960 oder 195 8 zu ihrem Vorteil sei, gegenteilige Ansichten zur Verwaltung zu vertreten. Es wäre unaufrichtig, wollte man verschweigen, daß die Tatsache, daß Mr. Eisenhower seine zweite Amtsperiode nicht überleben könnte, der Grund vieler politischer Spekulationen i den Vereinigten Staaten ist. Es kann sein, daß die demokratische Partei darauf aus ist, Leistungen aufzustellen, die nicht gegen General Eisenhower gebraucht werden sollen, der unverwundbar ist, wohl aber gegen Mr.
Nixon. Diese unfreundliche und lieblose Haltung ist nun einmal in der Politik üblich und allen Ländern eigen.
Andererseits ist die demokratische Partei durch ihre Vergangenheit an eine Politik der Intervention gebunden, das für uns in England von großer Bedeutung ist. Sie würden erstaunt sein, wie viele Amerikaner sowohl im ersten wie im zweiten Weltkrieg gegen eine Einmischung waren; sie geben den Rhodes Scholars, den britischen Reisenden, der Presse, der Überredungskunst der LInion der englisah-sprechenden Völker und schließlich auch Chatham House die Schuld. Diese Ansicht ist unter der Oberfläche viel weiter verbreitet als wir gerne zugeben wollen. Meiner Überzeugung nach ist der Isolationismus überall in den Vereinigten Staaten verbreitet, wenn auch im Middle West mehr als in anderen Staaten.
Die Demokraten können diesen Trumpf nicht ausspielen, denn sie waren in den Jahren 1917, 1941 und 1950 an der Regierung. Sie müssen die Ansicht vertreten und verteidigen, die Vereinigten Staaten seien eine große Weltmacht. Wenn Mr. Eisenhower sich entschließt, entsprechend zu handeln, das heißt Großes zu wagen und Verantwortung zu übernehmen, kann er, glaube ich, auf die demokratische Majorität in beiden Häusern des Kongresses zählen.
Wird ihm das mit seiner eigenen Partei gelingen? Hier spielen das Alter und einzelne Gebiete eine Rolle. In den Oststaaten sind sich, meiner Meinung nach, die republikanische und die demokratische Partei in der Frage der Außenpolitik so gut wie einig. Einer der wenigen noch lebenden Veteranen der alten Schule im Abgeordnetenhaus ist zum Beispiel der s 4jährige Mr. Taber von New York, vielleicht der einzige, noch nicht bekehrte, Isolationist in der Gruppe der führenden republikanischen Männer der Oststaaten. Natürlich ist das Alter nicht ausschlaggebend. Senator Green von Rhode Island, das älteste Mitglied des Senats der Vereinigten Staaten, ist ein überzeugter Internationalist und für seine 89 Jahre erstaunlich lebhaft. Aber, grob gesagt, spielt das Alter doch eine Rolle und, wie ich bereits erwähnte, kommen die älteren republikanischen Führer in der Hauptsache aus dem Middle West und aus Gebieten in denen der Parteikurs den Isolationismus vorschreibt; aus eben diesem Grund werden diese Führer auch gewählt.
Zum Pazifik hin orientiert
Zum anderen gibt es in diesen Gebieten natürlich viele jüngere Männer die begriffen haben, daß die republikanische Partei sich ändern muß, wenn sie überleben will, daß sie mit solchen Vorurteilen und einer solchen negativ gerichteten . Politik gar nicht leben kann. Es wird aber noch etliche Jahre dauern, bis diese Gruppe stark genug ist, die schwere Last der alten Garde abzuschütteln. Wir übersehen auch gern, daß die pazifische Küste nicht isolationistisch, sondern zum Pazifik hin orientiert ist. Senator Knowland ist kein Isolationist; er ist ein Mann, der XChina oder Asien an die erste Stelle rückt. Er ist vielleicht nicht der klügste Exponent der Politik im pazifischen Raum; aber er glaubt nicht, daß das amerikanische Interesse an der pazifischen Küste der Vereinigten Staaten und auch noch nicht in Honolulu halt machen sollte; er ist überzeugt, daß es China umfassen sollte.
Natürlich (dies soll aber nicht lieblos klingen!) verdankt Senator Knowland seine politische Stellung dem Umstand, daß seine Familie eine sehr wichtige Zeitung in San Francisco besitzt. Ich war außerordentlich beeindruckt, als am Tag nach der Aufstellung Eisenhowers zum Präsidentschaftskandidaten, die erste Abendausgabe dieser wichtigen Zeitung nur eine große Schlagzeile brachte: „Polizeirazzia bei Burlesk“. Dieses Nachtlokal hatte während der ganzen Dauer des Convents eine Nacktkult-Vorführung gezeigt und die Behörden waren nie eingeschritten. Im Augenblick als Genera] Eisenhower nominiert war, griff die Polizei zu. Mich überraschte und erstaunte, daß die Aufstellung des Präsidenten erst unter dieser Nachricht gebracht wurde. Die Republikaner an der pazifischen Küste, besonders in Kalifornien, vertreten nicht eigentlich einen isolationistischen Standpunkt, sondern sie befürworten die Umorientierung amerikanischer (sprich Geldmittel) Interessen zum Pazifik hin. Noch vor kurzem jedenfalls war ihr Hauptaugenmerk darauf gerichtet, Rot-China aus den Vereinten Nationen fernzuhalten, und sie hielten an der Hoffnung fest, daß Chiang-Kai-shek oder Madame Chiang-Kai-shek durch ein Wunder wieder als Sieger nach China zurückkehren würden.
Andererseits besitzt die demokratische Partei in diesem Augenblick nicht nur tüchtige Männer im Alter von, sagen wir 38 Jahren (Senator John Kennedy) bis zu 57 oder 5 8 Jahren (Mr.
Stevenson); sie können auch politisch arbeiten.
In dieser gleichen Altersgruppe gibt es auch begabte Republikaner wie Mr. Larson und die beiden Mr. Lodges, aber sie sind nicht gewählt, aus örtlich bedingten persönlichen Gründen.
Senator Kennedy ist ein viel härterer Kämpfer als Ex-Senator Lodge es war — aber die Tatsache bleibt, daß in dieser Altersgruppe die demokratische Partei durch Gouverneure und Senatoren vertreten ist. Es gibt sehr einflußreiche Gouverneure wie Mr. Williams in Michigan (der eben zum 5. Mal gewählt wurde) und einflußreiche Senatoren wie Paul Douglas, der wohl der einzige Mensch auf Erden ist, der folgende unvereinbare Eigenschaften in sich vereinigt: er ist Quäker, schwer verletzter Oberst der Marinetruppen, Professor der Volkswirtschaft und Senator der Vereinigten Staaten. Er ist einer der begabtesten Senatoren und hat keinen ernsthaften republikanischen Gegen-partner. Eine ganze Anzahl junger Demokraten sind überzeugte Internationalisten; aber sie sind überzeugt, daß die Politik Eisenhowers bis jetzt im allgemeinen jeder Verantwortung aus dem Weg gegangen ist — oder so meinen sie es zu verstehen — und die sehnlichst wünschen, daß die Eisenhower-Verwaltung die Initiative er-