Kritischer Bericht über eine sowjetzonale Propagandaschrift
Die theoretische Zeitschrift der SED („Einheit“) hat in ihrem April-Heft 1956 auf eine (Ost-) Berliner Veröffentlichung hingewiesen und dabei erklärt: „Es ist eine sehr wertvolle Arbeit, in der erstmalig mit lückenlosen und schlagkräftigen dokumentarischen Beweisen das Problem der Oder-Neiße-Friedensgrenze und ihrer Entstehung ... untersucht wird.“
Solche großen Worte müssen natürlich bei jedem Leser erhebliches Interesse hervorrufen. Man fragt: Was ist das für eine Veröffentlichung, der so uneingeschränktes Lob zuteil wird?
Es ist eine von dem „Institut für Zeitgeschichte" in (Ost-) Berlin in ihrer Reihe „Quellen und Studien“ veröffentlichte Arbeit „ODERNEISSE“, die ausdrücklich als „Dokumentation" bezeichnet wird. (Kongreß-Verlag, 19 5 5, 199 S., ill.)
Vorweg muß bemerkt werden: Solange man unter Dokumentation eine Sammlung genau — mit oder ohne Kommentar — dargebotener Quellenangaben versteht, wie z. B. die mustergültige Veröffentlichung „Quellen zur Entstehung der Oder-Neiße-Linie in den diplomatischen Verhandlungen während des zweiten Weltkrieges“ von G. Rhode und W. Wagner
Wie auch nur flüchtige Durchsicht zeigt, ist diese Veröffentlichung nur eine weitere Werbe-oder „Aufklärungsschrift“ für die deutsch-polnische Freundschaft, die überdies nach Form und Inhalt mindestens als reichlich oberflächlich bezeichnet werden muß
Daß ein solches Urteil über diese Veröffentlichung wohl nicht übertrieben ist, zeigt vielleicht die Tatsache, daß selbst die polnische Seite als Nutznießer dieser Propaganda die Veröffentlichung zwar begrüßt, mit der Kritik aber nicht zurückhält. U. a. schreibt der polnische Völkerrechtler B. Wiewira, der sich mit der Frage der Oder-Neiße-Linie eingehend befaßt hat (z. B. „Die Oder-Neiße-Grenze als Stabilisierungselement für Friede und Sicherheit in Europa“ in: „Przegl. Zachodni“ 195 5, Nr. 3, S. 1— 40) über dieses „Dokument deutsch-polnischer Freundschaft": „Die gesamte Veröffentlicl^ung ist belastet mit Schlagworten, die die Kraft der Argumente manchmal eher schwächen als stärken. Zur Verteidigung der Grenze an der Oder und Neiße verfügen wir über einen ausreichenden Bestand an sachlichen Argumenten, und es ist nicht gut, ihre Überzeugungskraft durch Sddagworte zu vermindern.. A (Przegl. Zachodni, 1956, Nr. 5/6, S. 133.)
Als verantwortliche Verfasser der Arbeit zeichnen zwei nicht näher bekannte Mitarbeiter des „Instituts für Zeitgeschichte", Rudi Goguel und Heinz Pohl. Aller Wahrscheinlichkeit nach fällt ihnen aber schwerlich das Hauptverdienst für diese Veröffentlichung zu. Nach dem „Vorwort des Instituts" können dieses vielmehr zwei andere Persönlichkeiten beanspruchen, die bereits durch zahlreiche Veröffentlichungen über deutsch-polnische Fragen zur Genüge bekannt geworden sind: Dr. F. H. Gentzen und K. Wloch.
Zur Kennzeichnung von Herrn Dozent Dr. F. H. Gentzen (Univ. Jena), der in der Zusammenarbeit der Historiker der SBZ und der Polnischen Volksrepublik die führende Rolle spielt — er ist Mitglied der zu Anfang des Jahres 19 56 entstandenen „Polnisch-deutschen Histor. Kommission“ — und seine Hauptaufgabe darin sieht, „Polens Rechte auf seine Westgebiete historisch zu begründen“, genügt ein Blick in seine Arbeiten, die u. a. die Titel tragen:
„Die westpolnischen Gebiete als historische Gebiete Polens“ (in der theoret. Zeitschrift der SED, „Einheit“, 1952, Heft 4/5, S. 367 bis 379) oder „Ewige Freundschaft an Oder und Neiße“ = Kurze Geschichte der westpolnischen Gebiete und der deutsch-polnischen Beziehungen bis zur Gegenwart“ („Neue Gesellschaft“, [Ost-]Berlin 1952, Heft 7, S. 488— 495).
K. Wloch war Geschäftsführer der „Deutsch-Polnischen Gesellschaft für Frieden und gute Nachbarschaft“, die im Frühjahr 1953 nach mehrjährigem Bestehen sang-und klanglos aufgelöst worden ist. Ihre Arbeit hatte anscheinend trotz des Einsatzes sehr erheblicher Mittel die erwünschten Erfolge nicht erzielt. Seither arbeitet Herr W. in der Abteilung für Literatur und Kunst bei der Sowjetzonen-Regierung.
Die Veröffentlichung soll (nach dem Vorwort von K. Wloch) „klarmachen, wie es zur Oder-Neiße-Grenze kam und weshalb sie für das deutsche und für das polnische Volk die unveränderliche Friedensgrenze sein muß“. Nach dem Vorwort des Instituts für Zeitgeschichte hat die Arbeit die Aufgabe, „die mit dieser Frage verknüpften politischen, völkerrechtlichen, historischen und ökonomischen Probleme in ihren Zusammenhängen zu behandeln“ (S. 7).
Diese Zusammenhänge sind nicht gerade klar; die Aufzählung der zu behandelnden Gesichtspunkte wirkt einigermaßen irreführend. Mindestens hat sie nicht dazu geführt, daß dadurch der Gang der Gedanken-führung bestimmt wurde. Die Gliederung der Veröffentlichung ist vielmehr folgende:
I. Das Problem S 9-11 II. Aus der Geschichte unseres Nachbarvolkes s. 12-59 III. Teheran — Jalta — Potsdam s. 60— 79 IV. Die Westmächte brechen mit Potsdam s 80— 94 V. Bonn setzt Hitlers „Ostpolitik“ fort s. 95-133 VI. Die Politik der DDR — eine Politik der Freundschaft s 134-164 VII. Schlußfolgerungen s. 165-168 Wenn man die beigegebenen — 18 — Bildseiten von dem Text in Abzug bringt, so zeigt sich, daß auf die beiden Kapitel: V. „Bonn setzt Hitlers . Ostpolitik'fort“ (worin in sattsam bekannter Weise die politische Entwicklung der Bundesrepublik dargestellt wird) und VI. „Die Politik der DDR. — eine Politik der Freundschaft“ nahezu die Hälfte des zur Verfügung stehenden Raumes entfällt. Ein weiteres Viertel der Darstellung nimmt die Übersicht der polnischen Geschichte ein.
Für das Hauptthema der Veröffentlichung — die Vorgeschichte der Oder-Neiße-Linie und die internationale Diskussion über diese Frage — verbleiben insgesamt 34 Seiten, d. h. weniger als ein Viertel des Raumes, der überhaupt zur Verfügung steht.
Auf so beschränktem Raume kann man natürlich keine „eingehende Forschungsarbeit“ vorlegen und will es auch trotz der kühnen Behauptungen anscheinend garnicht. Man zieht statt dessen vor, die alten Propagandabehauptungen zu wiederholen, untermischt mit billigen und auch von der polnischen Seite beanstandeten Schlagworten bzw. gehässigen Ausfällen gegen alle, die mit der amtlichen Politik der „DDR“ nicht einverstanden sind.
Sehr bezeichnend für die Zielsetzung der Veröffentlichung sind die zahlreichen Bildseiten. Neben Bildern der Ruinen von „Gdansk“ (= Danzig) und „Wrozlaw" (= Breslau) sowie Aufbauarbeiten in diesen u. a. ostdeutschen Städten, untermischt aber auch mit Aufnahmen aus Orten, die vor 1939 zu Polen gehörten, sind es vor allem zahlreiche Karten über „Polens Westgrenze“ zu verschiedenen Zeiten seiner Ge-, schichte.
Gerade diese Karten zeigen deutlich die Tendenz, den Anteil Rußlands an den Teilungen Polens, nicht minder auch die Rolle der Sowjetunion im zweiten Weltkriege zu unterdrücken.
Eine Karte Vorkriegspolens (S. 43) bringt die Curzon-Linie mit dem Vermerk „als polnische Ostgrenze im Friedensvertrage von Versailles festgelegt“; die Gebiete östlich dieser Linie sind stark schraffiert. Die Karte trägt die Bezeichnung: „Die Republik Polen nach dem Friedensvertrage von Versailles 1919 und die Eroberungen im Osten bis 1922.“
Eine Karte „Polen während der faschistischen Okkupation 1939 bis 1945“ (S. 50) enthält die Karten der Reichsgaue und des Generalgouvernement, erwähnt aber mit keinem Wort, daß von 1939— 1941 ganz Ostpolen bis zum Bug, zeitweilig sogar bis zur Weichsel, von der Sowjetunion besetzt war. Hierfür erscheint auf der Karte lediglich eine nichtssagende „Demarkationslinie“.
Eine Panne traf die Herausgeber bei der Fotokopie eines Presseberichts über die Rede, die der Genosse Thälmann im Juli 1932 in Hindenburg gehalten hat (S. 45).
Der Leser erfährt dort nämlich, daß Genosse Thälmann u. a. von einem „polnischen Handstreich gegen Danzig" geredet und die „Gleichberechtigung beider Sprachen“ in Oberschlesien gefordert hat, während er weiß, daß unter der Herrschaft den polnischen Genossen im heutigen Oberschlesien die deutsche Sprache verboten und rücksichtslos beseitigt wird.
Jedenfalls erscheinen die Bildbeigaben wenig geeignet, den heutigen Besitzstand Polen in den ostdeutschen Gebieten zu rechtfertigem Es sind Bilder, die ganz allgemein für das heutige „Volkspolen“ werben sollen. Ob sie dem angesprochenen Leser als „Dokumentation“ der Oder-Neiße-Grenze hinreichend erscheinen, muß selbst für die Bevölkerung der „Deutschen Demokratischen Republik“ bezweifelt werden.
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Der Abschnitt I „Das Problem“ (S. 9— 11) beginnt mit der irreführenden Behauptung, daß in Potsdam lediglich Stalin die Zerschlagung Deutschlands verhindert habe. Es folgt die ebenso unzutreffende Erklärung, daß das Potsdamer Abkommen von den Westmächten „gebrochen“ worden sei und nach der von ihnen vorgenommenen Spaltung Deutschlands die Bundesrepublik zur „Aufmarschbasis für den geplanten dritten Weltkrieg“ ausgestaltet würde. Im Rahmen der „psychologischen Kriegführung“ würde den Deutschen der Gedanke der „Rückeroberung der abgetretenen Ostgebiete“ eingehämmert: bedauerlicherweise fielen vor allem die „Umsiedler" (= die Flüchtlinge und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten) dieser Revanchepropaganda zum Opfer. „Eine ganze Literaturgattung schoß aus dem Boden, deren einzige Aufgabe es ist, in den Umsiedlern Haß gegen das polnische Volkstum zu erzeugen“ (S. 10).
Diese Vereinfachung bzw. Verschiebung des Problems auf eine so völlig andere Ebene ist an anderer Stelle bereits zur Genüge widerlegt worden, so daß hier von einer Wiederholung Abstand genommen werden kann.
Im Gegensatz zur Entwicklung in der Bundesrepublik stünde die Haltung der deutschen Arbeiterbewegung, welche durch die Regierung der „DDR“ gegenüber Polen die „Hypothek des historischen Unrechts“ beseitigen wolle (S. 11).
„Hypothek des historischen Unrechts"
Der Klarstellung des Begriffs „Hypothek des historischen Unrechts" soll der Abschnitt II: „Aus der Geschichte unseres Nachbarvolkes“ (S. 12— 59) dienen. Für diesen Abschnitt ist nach einer Fußnote der bereits gekennzeichnete Dozent Dr. F. H. Gentzen verantwortlich; besonders verwiesen wird dafür auch auf die „freundliche Zusammenarbeit von polnischen und deutschen Gelehrten“.
Um mit den Worten dieser Veröffentlichung zu reden, wird in diesem Abschnitt der „Sprache der Uralstürmer, die (in der Bundesrepublik) die Jugend im wiedereingeführten Ostkunde-Unterricht vergiften wollen“ (S. 12) das Ergebnis „neuer Geschichtsforschung auf wissenschaftlicher (!) Grundlage" entgegengestellt. Das geschieht nun auf folgende Weise:
Vier ganze Seiten behandeln Polens Geschichte vom frühesten Mittelalter bis zu den Teilungen Polens zu Ende des 18. Jahrhunderts. So gering dieser Raum auch erscheint, so erweist er sich doch als ausreichend, um eine Fülle von Schiefheiten oder gar Unrichtigkeiten vorzubringen.
Danach hat u. a. das polnische Volk bereits im 8. Jahrhundert begonnen, sich seinen Staat zu bauen. „Dieser Staat, einer der mächtigsten in Europa, umfaßte um das Jahr 1000 etwa die Gebiete, die heute zur Volksrepublik Polen gehören. Seine westliche Grenze lief entlang der Oder und Görlitzer Neiße und ging teilweise darüber hinaus“ (S. 13).
Beweise für solche Behauptungen werden garnicht versucht; auch die „befreundete“ polnische Geschichtswissenschaft hätte sie schwerlich erbringen können. Statt dessen werden die altbekannten Thesen vom slawischen Charakter der „Lausitzer Kultur“ wiederholt. Funde aus den ostdeutschen Gebieten (aus dem 6. bis 4. Jahrhundert v. Chr. sowie aus späterer Zeit) sollen „beweisen, daß die Träger dieser alten Kultur präslawische Menschen — also die Vorfahren des polnischen Volkes gewesen sind“ (S. 13). Diese Bemerkung kann doch nur den Zweck verfolgen, dem Leser einen urpolnischen Charakter dieser Gebiete zu suggerieren. Anschließend heißt es aber: „Natürlichst) denken wir gar nicht daran, den berechtigten Anspruch einzelner Völker auf die Unantastbarkeit ihres Territoriums damit zu begründen, daß es vor Jahrhunderten von ihren Vorfahren bewohnt wurde.“
Demgegenüber kann man also nur die Frage wiederholen: welchem Zweck dient diese Erwähnung?
Weitere Ausführungen wenden sich gegen die Rolle deutscher Menschen für die polnische Kultur-und Wirtschaftsentwicklung insbeson-dere gegen ihre Rolle bei der Entstehung der Städte Polens, gegen „die alberne und anmaßende Behauptung, erst die Deutschen hätten das Handwerk nach Polen gebracht“ (S. 14).
Die Bedeutung der Deutschen ist wiederholt von polnischen Historikern bestätigt worden. Die Widerlegung dieser Ausführung erübrigt sich also; um so mehr als es darin z. B. bei Erwähnung von Ausgrabungen in Oppeln aus dem 10. Jahrhundert heißt: „Aufgefundene Briefe (!) lassen Handelsverbindungen erkennen, die bis nach Kiew und Prag . .. reichten“ (S. 14).
Nachdem zur Kennzeichnung der deutschen Siedlung in Pommern und Schlesien als dokumentarische Zeugen noch Marx und Engels sowie ihr neuzeitlicher Gefolgsmann P. Wandel („Wie es zur Oder-Neiße-Linie kam“, Berlin 195 5) zitiert worden sind, springt nach Erwähnung „deutsch-polnischer Gemeinsamkeit“ in den Klassenkämpfen des Mittelalters die Darstellung ziemlich unvermittelt zum Ende des 18. Jahrhunderts. Der Unterabschnitt „Dreifache Fremdherrschaft“ ist ganz darauf abgestellt, Rußlands Rolle völlig zurücktreten zu lassen. Lediglich an einer Stelle (S. 25), bei Erwähnung des polnischen Aufstandes von 1863 und somit schlecht vermeidbar, ist die Rede von „zaristischer Willkürherrschaft“. Im Mittelpunkt der Anklage steht Preußen-Deutschland. Wie — erfahren wir sofort im ersten Satze dieses Abschnitts: „Friedridn II. von Preußen . .. hat sich den traurigen Ruhm erworben, die Vernidttung des polnischen Staates vorbereitet zu haben. Nadidem er am Ende des Siebenjährigen Krieges Schlesien an sich gerissen hatte, überfiel er mitten imFrieden des Jahres 1770 Polen und besetzte kurzerhand Pommerellen und einen Teil Großpolens“ (S. 17). Kronzeuge für diese Behauptungen ist F. H. Gentzen, der —neben Karl Marx — sehr ausgiebig zitiert wird.
Die Darstellung berührt weiter, für den knappen Raum verhältnismäßig breit, die deutsche Polenschwärmerei der dreißiger Jahre sowie Äußerungen von Karl Marx über Polen aus den Jahren 1848 und 1866. Es folgen lange Ausführungen über Bismarcks Polenpolitik; besonders dick aufgetragen sind Angaben über die preußische Ansiedlungspolitik und den Wreschener Schulstreik. Nicht vergessen wird die „Klassensolidarität der deutschen und polnischen Arbeiter".
Die Ausführungen über das Schicksal Polens im ersten Weltkriege erscheinen dagegen geradezu dürftig. Bezeichnend ist, daß die Proklamation des Königreichs Polen durch die Mittelmächte am 5. November 1916 (den Verfassern nach der beigefügten „Zeittafel“ durchaus bekannt) im Text mit keinem Wort erwähnt wird, statt dessen aber (natürlich) die Rolle der russischen Oktober-Revolution von 1917, die Deklaration der „Volkskommissare“ u. ä. hervorgehoben werden.
Der Unterabschnitt „Republik auf falschen Wegen“ (S. 3 3— 44) hat ähnlichen Zuschnitt. So kurz die Ausführungen über den Frieden von Brest-Litowsk, über Wilsons 14 Punkte oder den Versailler Vertrag sind, so genügen sie doch, um eine Reihe von Unrichtigkeiten vorzuführen. Es heißt z. B. wahrheitswidrig: „Danzig erhielt den Status einer Freien Stadt mit autonomen Redeten im polnisdien Staatsverband“ (S. 36) und mindestens recht vereinfachend, daß „auf der Pariser Friedenskonferenz auch die Ostgrenzen Polens festgelegt worden sind“
(S. 36).
Eine solche Darstellung der Entstehung der Curzon-Linie erfolgt sicherlich nicht von ungefähr. Dagegen vergleiche man die ausführliche Darstellung von G. Rhode „Die Entstehung der Curzon-Linie“ Osteuropa 195 5, Heft 2, S. 81— 92).
Die weiteren Ausführungen sollen zeigen, wie die Republik Polen nach 1920, durch den „Korridor“ und die deutsche Minderheit bedroht, von den kapitalistischen Westmächten „in ökonomischer und politischer Abhängigkeit“ gehalten wurde. Zu diesem Zwecke folgen ausführlichere Angaben (S. 37— 40) über ausländische Kapitalbeteiligungen u. a. in Polen vor 1939.
Hierzu kann man lediglich fragen, was dergleichen Ausführungen noch mit der Frage der Oder-Neiße-Grenze zu tun haben oder wie sie diese Grenzziehung „dokumentieren“, d. h. doch wohl rechtfertigen sollen.
Der polnisch-sowjetische Krieg von 1920 wird kurz mit den Worten abgetan: „Die Schädlingstätigkeit Trotzkis und seiner Anhänger im Generalstabe vereitelten den Sieg der Roten Truppen, denen auf diese Weise ein durch gar nichts begründeter Rückzug aufgezwungen wurde“ (S. 41). Erwähnt wird dann aber „jener Vertrag, der den Untergang des polnischen Staates besiegeln sollte“ (S. 41), das deutsch-polnische Abkommen vom Januar 1934. Hier findet man sogar den Raum, um die deutsch-polnische Erklärung vom 26. Januar 1934 in vollem Wortlaut wiederzugeben.
Es bleibt nur zu fragen, warum wohl später der deutsch-sowjetische Vertrag vom 23. August 1939, der in Wahrheit für Polens Schicksal entscheidend wurde, überhaupt keine Erwähnung findet. Raum-gründe waren es sicherlich nicht, die eine Erwähnung dieser für die Bundesgenossen des SED peinlichen Angelegenheit verboten haben.
Platz findet man nämlich, um Thälmanns Kampf gegen den Locarno-Pakt 192 5 sehr ausführlich darzustellen, auch für den Überfall auf den Gleiwitzer Sender vor Kriegsausbruch 1939 (hier bringt man sogar lange Zeugenaussagen aus den Nürnberger Prozessen).
In aller Ausführlichkeit schildert der Unterabschnitt „Unter der Knute der faschistischen Okkupanten“ (S. 44— 59) die Verhältnisse in Polen während des Krieges und unter der deutschen Besatzung, wofür NSDAP-Denkschriften und Veröffentlichungen des Posener West-Instituns („Documenta Occupationis") als Materialquellen dienen. Hinweise auf Auschwitz (mit Bildern) schließen mit einer Übersicht der polnischen Menschenverluste im Kriege.
Jede Erwähnung sowjetischer Besatzungsmaßnahmen 1939— 1941 ist natürlich unterblieben, was nur dem Stillschweigen über die Moskauer August-Verträge u. a. entspricht.
Man fragt sich wiederholt, wie weit diese sehr allgemeinen und sehr einseitigen Ausführungen zur polnischen Geschichte noch mit der Frage der Oder-Neiße-Grenze in Verbindung stehen. Auch die polnische Kritik hat diesen Mangel empfunden und sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.
Es erscheint nicht abwegig, darauf hinzuweisen, daß Professor K. Popiolek, der Leiter des polnischen „Instituts für schlesische Geschichte“ in Breslau, bei pflichtschuldiger Anerkennung für die Veröffentlichung, doch den Wunsch äußert, „man hätte die Beispiele und Beweise des Polentums dieser Gebiete — des bis zuletzt lebendigen Polentums in scheinbar schon germanisierten Gebieten — vermehrt“. Reiseberichte, Statistiken u. ä. hätten angeführt werden sollen, um den polnischen Charakter der Gebiete östlich der Oder und Neiße überzeugend darzustellen.
Wenn das unterblieben ist und auch ein anderer Wunsch des polnischen Professors unerfüllt blieb, nämlich „zahlreiche Beispiele für die Zusammenarbeit der deutschen und polnischen Volksmassen“ zu geben, so scheint uns der Grund solcher Unterlassung vielleicht der zu sein, daß es den Verfassern dieser Darstellung nicht gerade sehr wirkungsvoll erschien, der Bevölkerung der SBZ, die sich der Vorkriegsverhältnisse noch genau erinnert, auch noch diese dürftigen Ergebnisse neuester polnischer Forschungen, vielleicht gar in der Bearbeitung von Dr. F. H. Gentzen, darzubieten.
Teheran — Jalta — Potsdam
Von dem folgenden Abschnitt III: „Teheran — Jalta — Potsdam“ (S. 60— 79) hätte man erwarten können, daß er, entsprechend dem Vorhaben der Verfasser, das Hauptstück der Veröffentlichung hätte sein müssen, eventuell ein Gegenstück zu der umfangreichen Veröffentlichung von G. Rhode und W. Wagner („Quellen zur Entstehung der Oder-Neiße-Linie“), die ein so überzeugendes Bild von der diplomatischen Vorgeschichte geliefert hat. Wie schon betont wurde, ist das nicht der Fall. Gerade hier zeigt sich mit aller Deutlichkeit, wie unberechtigt der Untertitel dieser Veröffentlichung „Dokumentation“ ist. Dokumente werden in ihr, wie auch die polnische Kritik (Popiolek) erwähnte, bis auf wenige Ausnahmen nicht geboten. Vor allem entfällt ein sehr erheblicher Teil der Ausführungen dieses Abschnittes auf die verfehlten Versuche, die Rolle der Sowjetunion während des zweiten Weltkrieges, insbesondere die vor Ausbruch und noch während des Krieges mit Hitler getroffenen Vereinbarungen über Polen zu beschönigen oder wenigstens zu bagatellisieren.
Das geschieht zunächst dadurch, daß auch hier die Moskauer Vereinbarungen vom August 1939 überhaupt nicht erwähnt werden, ebenso-wenig die weiteren Vereinbarungen über die Abgrenzung der Interessen-sphären. Die nicht zu leugnende Tatsache des sowjetischen Einmarsches in Polen im September 19 39, wird dem Leser unter der harmlos klingenden Formel geboten:
„Als die deutsdievi Arween iw Norden bis zur sowjetischen Grenze vorgesto/len waren, sah sich die Sowjetregierung zu Gegenwaßnahmen gezwungen und so besetzten Einheiten der Roten Armee das westbelorussische und westukrainische Gebiet Polens bis etwa zur Curzon-Linie.
Dadurch nahm die Sowjetunion das im Zwangsfrieden von Riga (18. März 1921) abgetretene russische Gebiet, in dem elf Millionen Belorussen, Ukrainer und Juden wohnten, wieder in Besitz. Außerdem stoppte sie den deutschen Vormarsch und bewahrte so die dortige Bevölkerung vor dem Schicksal der Polen im späteren Generalgouvernement“ (S. 60).
Hervorgehoben wird die „völlige Haltlosigkeit der Behauptungen ..
Stalin habe mit Hitler eine . vierte Teilung Polens'vorbereitet“ (S. 60).
Die Erklärung von Lord Halifax vom 26. Oktober 1939 (ungenau wiedergegeben, vgl. Rhode-Wagner, S. 10) soll die „glatte Verdrehung der Tatsachen“ beweisen und vor allem schon hier die These entkräftigen, „Polen müsse an seiner Westgrenze für die , verlorenen Gebiete'im Osten entschädigt werden.
Hiergegen wird mit Entschiedenheit — so klar wie an wenigen Stellen dieser Veröffentlichung erklärt:
„Die Sowjetunion hat den Friedensvertrag von Riga stets als Diktat betrachtet und daher diese englisd'ie Behauptung als falsch zurückgewiesen. Sie sah in der Übergabe der deutschen Ostgebiete an Polen keine Kompensation, sondern die materielle Wiedergutmachung und eine Garantie für die künftige Sicherheit des polnisd'ien Staates sowie die Befriedigung historischer Ansprüdte“ (S. 62).
Man beachte die Reihenfolge dieser Begründung, bei der die „historischen Ansprüche“ bzw. Rechte Polens erst an letzter Stelle stehen.
Es erscheint nicht abwegig, darauf hinzuweisen, daß sich diese Reihenfolge durchaus mit derjenigen deckt, die neuerdings auch in der Argumentation der polnischen Emigration Anwendung findet.
Der ehemalige Wojewode Oberschlesiens, Dr. M. Grazynski (jetzt in London) erklärte z. B.:
„Wir lehnen den Grundsatz territorialer Kompensation ab und führen den Begriff der Entsdtädigung für den unrechtmäßigen Über-fall und das verübte Unrecht ein.
Wir stellen die Frage der Sicherheit vor der Aggression heraus, selbstverständlidt im Sinne der Grenzverbesserung und der Erhöhung des Wirtschaftspotentials Polens.
Wir unterstreidien die Sd-iwächung der deutsdren Möglichkeiten zum Wiederaufbau des vollen wirtsdiaftlichen und militärischen Potentials, das den Weltfrieden bedroht.
Wir weisen auf die Ansiedlung einer polnisdien Millionenbevölkerung hin und auf die Unmöglichkeit, diese einer erneuten Wanderung auszusetzen.
Darüber hinaus lassen sidr die polnisdren Argumente durch historische Beweise ergänzen ..." (Przegl. Zachodni, London, März 195 5.)
Weitere Ausführungen (S. 62— 63) betreffen den Fall Katyn, für den die sowjetische Darstellung geboten wird, wobei wahrheitswidrig bemerkt wird: „In der gleichen Weise wurde der Fall Katyn auch später während der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse eindeutig geklärt.“ (S. 63.)
Bei den Mitteilungen über Teheran wird den Vorschlägen Churchills an die polnische Exilregierung (Rhode-Wagner, S. 78) die Erklärung der Sowjetunion vom 10. Januar 1944 (ebenda, S. 75) entgegengestellt, um zu zeigen, daß „die Grundlagen der polnischen Grenze in Teheran geschaffen wurden“. Der Versuch Churchills, die britische Kompensationsthese offiziell vorzutragen, sei sofort von der Sowjetunion abgelehnt worden. „Es war also falsch, wenn Churchill von den »verlorenen Ostgebieten'Polens sprach und damit die Gebiete meinte, die Polen dem jungen Sowjetstaat geraubt hatte“ (S. 67).
Niemand anders als der spätere Staatspräsident Bierut hat am 24. August 1945 in einer Pressekonferenz auf diesen Zusammenhang hingewiesen. (Rhode-Wagner, S. 281.)
Die beste Methode zur Behandlung dieser unbequemen These scheint den Verfassern zu sein, sie möglichst zu umgehen bzw. zu verschweigen. Eine Prüfung der dargebotenen „Dokumente“ zeigt wiederholt, daß aus ihnen Erwägungen des Kompensationscharakters der Oder-Neiße-Linie sämtlich gestrichen worden sind.
Der Unterabschnitt „Der Freiheitskampf beginnt“ (S. 67— 71) bietet einen langen Auszug aus dem „Lubliner Manifest“ vom 22. Juli 1944 (S. 68— 69), erwähnt kurz — wiederum die Sowjetunion entschuldigend — den Warschauer Aufstand, dessen Zusammenbruch darauf zurückgeführt wird, daß der Führer des Aufstandes, „Bör-Komorowski ... eine Zusammenarbeit mit der Roten Armee ablehnte“ (S. 70) und schließt mit einem weiteren Auszug aus der Stellungnahme des „Nationalen Befreiungskomitees“ über seine Verhandlungen mit Mikolajczyk (S. 71).
Ein weiterer Unterabschnitt „S i r A 1 e x a n d e r C a d o g a n“ (S. 71 bis 76) bringt nun wirklich einige Dokumente, aber fast sämtlich nur auszugsweise. Sehr oft sind — und zwar meist ohne jede Kennzeichnung! — sehr wichtige Partien ausgelassen.
Zu dem (ohne Kürzung gebotenen) Cadogan-Brief vom 2. November 1944 fehlen die wichtigen Erläuterungen, die Mr. Bevin am 4. Juni 1947 dem Unterhause gegeben hat (Rhode-Wagner, S. 117 f.). In dem Brief Roosevelts an Mikolajczyk vom 17. November 1944 fehlt bezeichnenderweise Roosevelts Hinweis darauf, daß die USA keine Grenzgarantie geben würden (Rhode-Wagner, S. 118). Churchills Erklärung vom 15. Dezember 1944 ist um seine Ausführungen über die polnische Ostgrenze gekürzt. Weiter ist hier die Rede von „Garantie und Hilfe“ (S. 74), während Churchill lediglich „Hilfsversprechen“ in Aussicht stellte (Rhode-Wagner, S. 127).
Von der ausführlichen Erklärung Churchills am 27. Februar 1944 (Rhode-Wagner S. 199— 204) bringen die Verfasser nur den Schluß (S. 201 u. 202). Es fehlt jeder Hinweis auf Churchills Mahnung nicht „Polen zu drängen, einen größeren Gebietsanteil zu übernehmen als es ... besiedeln, entwickeln und ... behaupten kann“. Die große Unterhaus-Debatte, die sich damals an diese Erklärung Churchills anschloß, mit ihren ernsten Warnungen vor dem Polen zugedachten Danaergeschenk (Rhode-Wagner S. 204— 213) ist überhaupt ausgelassen.
Auch Roosevelts Erklärung vom 1. März 1945, welche die Vorläufigkeit und den Kompromißcharakter der Oder-Neiße-Linie betonte (Rhode-Wagner S. 213 u. 214), erscheint hier nur mit dem kurzen Schlußsatz.
Endlich bringt ein letzter Unterabschnitt „Die Beschlüsse von Potsdam" (S. 76— 79) den Wortlaut der Artikel IX b und XIII der Potsdamer Vereinbarungen (S. 76— 78). Über den Verlauf der Potsdamer Verhandlungen wird nichts mitgeteilt (Rhode-Wagner S. 231 bis 266); statt dessen wird der Plan des Kontrollrats vom 20. November 194 5 über die Verteilung der Vertriebenen auf die vier Besatzungszonen abgedruckt (S. 78). Dieses dürftige Material soll ausreichen, um folgende Schlußfolgerungen zu begründen: • „Es führt eine gerade Linie von Teheran über Jalta nach Potsdam. K. eine nachträgliche Spitzfindigkeit kann an der Tatsache vorbeikommen, daß die Besddüsse der Alliierten über die deutsch-polnische Grenze einmütig gefaßt worden sind ..." (S. r 9.) Polnische Kritik Gegenüber diesem mehr als unzulänglichen Versuch, die Ergebnisse der Potsdamer Konferenz als endgültige und einwandfreie Rechtsgrundlage — insbesondere für die weiteren Vereinbarungen zwischen der Sowjetzonen-Regierung und Polen — hinzustellen, lohnt es sich darauf hinzuweisen, daß von der begünstigten Seite, von polnischen Kritikern, diese „völkerrechtlichen“ Ausführungen -als unzulänglich bezeichnet worden sind. Sowohl der Historiker Prof. Popiolek als auch der Völkerrechtler Wiewiöra haben unmißverständlich erhebliche Vorbehalte zum Ausdruck gebracht.
Zunächst wird die Art der Wiedergabe bemängelt. Es erspart uns eigene Kritik, wenn wir hier die Forderung von Prof. Popiolek wiederholen: die Quellen für die zitierten Äußerungen gründlicher hätten ausgewählt werden sollen. Offizielle Dokumente hätte man vor allem auf Grund der verschiedenen vorhandenen amtlidten Sammlungen anführen sollen, aber nidit aus der Presse .. . u (Przegl. Zachodni, a. a. O.)
Der Völkerrechtler B. Wiewiöra faßt (bei pflichtschuldiger Anerkennung für die Veröffentlichung) seine Kritik wie folgt zusammen: „Die Veröffentlichung ... richtet sich'an die gesamte deutsche Bevölkerung, was für Art und Auswahl der Argumente entscheidend ist... Der populäre Charakter der Veröffentlichung hat es unmöglich gemadit, eine subtile, ins einzelne gehende Rechtsanalyse durchzuführen. Es wäre aber nicht richtig ... über verschiedene, Zweifel webende Ausführunrungen zur Tagesordnung überzugehen, die bei Untersuchung der völkerrechtlichen Begründung der Oder-Neiße-Grenze sogar bei der populären Fassung dieser Veröffentlichung auffallen.
Als Grundlage dieser Grenzziehung ersdteint die These von dem Recht Polens auf Entschädigung ... Das Recht auf Entschädigung Polens leitet dieses Buch aus der Tatsache des Überfalls Deutschlands auf Polen ab ... Sie wird begründet mit der Verantwortung des deut-selten Volkes, das sidt in seiner überwiegenden Mehrheit Hitlers Untaten nicht entgegengestellt'hat. Dafür muß es die Folgen des von Hitler begonnenen Krieges auf sich nehmen.
Diese These ist ein interessanter Versuch einer rechtlidten Begründung; er fordert aber Analyse und Vertiefung. Allzuleidtt können sich die Verfasser den Vorwurf zuziehen, daß diese These unter dem Einfluß der Theorie von der kriminellen Verantwortlidtkeit des Staates formuliert worden ist. Diese Theorie ist aber von der Völkerrechtslehre zurückgewiesen worden. Die Frage der Verantwortung Deutsdilands für den Angriff madtt eingehendere Untersuchung erforderlidt; ebenso fordert auch die These von der Übernahme der Gebiete östlidr der Oder und Lausitzer Neiße durch Pol^n als Entschädigung nähere Ausführung und ernsthaftere Begründung. Es scheint, daß die Begründung dieser These im Lichte des heutigen Völkerrechts erhebliche Schwierigkeiten bereiten würde.
Die zweite juristische These, die hier vorgeführt wird, ist folgende:
Polens Recht auf Entschädigung und Sicherheit wurde von allen verbündeten Großmächten in den Vereinbarungen von Teheran, Jalta und Potsdam anerkannt. Die Grenze an Oder und Lausitzer Neiße wurde nicht nur von der Sowjetunion, sondern auch von den Westmächten gebilligt. Die Potsdamer Vereinbarung ist also vom völkerrechtlichen Gesidttspunkt die einzige bindende Grundlage für die Festlegung der Grenze zwischen Polen und Deutschland.
Neben dem sdton erwähnten Recht Polens auf Entschädigung ist auch Polens Recht auf Sicherheit in der Arbeit nicht weiter begründet. Ein übrigens interessantes Dokument, die im , Völkisdten Beobachter'vom 25. September 1939 veröffentlichte Karte (S. 61), wonach die heutigen polnischen Westgebiete die Ausfallsbasis für Hitlers Angriff waren, ersdteint als B e g r ü n d u n g dieser These nicht ausreichend.
Hier hätte eine breiter angelegte juristisdt-politisdte Begründung gegeben werden sollen, verbunden mit einer Erörterung der Rolle der Großmächte, die für die antifaschistisdre Koalition handelten. Die be deutsamste Lücke in der völkerreditlichen Argumentation dieser Veröffentlichung ist aber doch gerade das Fehlen einer Begründung der Rolle der Großmädtte ..., die für das neue System der internationalen Beziehungen zur Sicherung von Frieden und Sicherheit nadt dem Kriege besonders verantwortlich waren. Ohne Sdtließung dieser Lücke sucht der Leser vergeblich Antwort auf die Frage, auf welcher Grundlage die Großmädite den Verlauf der deutsch-polnisdren Grenze — in einer Vereinbarung, an der weder Deutschland noch Polen beteiligt waren — festgelegt haben.
Endlich ist auf eine gewisse Ungenauigkeit aufmerksam zu madten, die in diese Veröffentlichung hineingekommen ist. Es ist nämlich die Rede davon, daß die Großmächte das Redtt Polens auf Entsdtädigung und Sicherheit in den Vereinbarungen von Teheran, ]alta und Potsdam anerkannt hätten. Wie aus den bisher veröffentlidrten Quellen bekannt ist, war die Frage der Grenzen Polens Diskussionsgegenstand bei der Konferenz von Teheran. Sie kam aber in den grundlegenden Dokumenten dieser Konferenz, der sogenannten Deklaration von Teheran, nicht zum Ausdruck. In rechtlicher Hinsicht besteht ein qualitativer Untersdüed zwisdren den Ergebnissen der Konferenz von Teheran über die Grenzen Polens und den Besdilüssen, die bei den Konferenzen von Jalta und Potsdam erfolgten und in den rechtlich bindenden Texten der Verträge von Jalta und Potsdam zum Ausdrudz kamen.
Hier ist eine allgemeine Bemerkung am Platze: die Gleich Setzung politischer und juristischer Elemente ohne Betonung ihrer Verschiedenartigkeit führt häußg zu sehr beadttlidren juristischen Vereinfachungen, was schließlich auch der beredttigten Sache keinen Nutzen bringt ..."
(Przegl. Zach. 1956, Nr. 5/6, S. 131/132.)
Schließlich wird aber mit besonderer Befriedigung festgestellt, daß „bei der Erörterung der Zustimmung der Großmächte zur Oder-Neiße-Grenze zwei interessante, bisher nicht genutzte Dokumente erwähnt worden sind, nämlich die Erklärung des amerikanisdien . State Department'vom 11. Dezember 1945 über die deutschen Reparationen sowie der Plan des Alliierten Kontrollrats vom 8. März 1946 über die Festlegung des Industrieniveaus in Deutsdtland. Diese Dokumente sind ein weiterer Beweis dafür, daß die gegenwärtige polnisdt-deutsche Grenze von den Großmädtten per facta concludentia als endgültig anerkannt worden ist .. . u
Diese Bestimmungen sind inzwischen längst durch die Entwicklung überholt, und zwar genau in dem Sinne wie Molotow im Februar 195 5 vor dem Obersten Sowjet erklärte: „... es geht nicht um diese oder jene Paragraphen dieser Abkommen (Jalta und Potsdam). So mandte von ihnen werden von niemand mehr benötigt, weil sie durch die Ereignisse längst überholt worden sind ...“.
Ein neuer Abschnitt IV „Die Westmächte brechen mit Potsdam“ (S. 80-94) bringt nach knappen Mitteilungen über die innerpolitische Entwicklung Polens bis zur Flucht Mikolajczyks ins Ausland (1947) einige wenige Erklärungen westlicher Staatsmänner zur Oder/Neiße-Grenze, beginnend mit Churchills mahnenden Worten vom 6. August 1945 über die Revisionsbedürftigkeit der Potsdamer Vereinbarungen. Sehr bezeichnend ist die Einseitigkeit der Auswahl und Wiedergabe solcher Stimmen: während die Erklärungen Churchills u. a. nur in sehr knappen, oft Wesentliches unterschlagenden Auszügen dargeboten werden, wird z. B. die Erklärung Molotows vom 16. September 1946 über den endgültigen Chaiakter der Potsdamer Grenzvereinbarungen in aller Ausführlichkeit (S. 84-86) abgedruckt.
Die aus Anlaß der rechtswidrigen Vereinbarungen zwischen der Sowjetzonen-Regierung und Polen („Warschauer Deklaration“ vom 6. Juni 19 50) erfolgten Erklärungen der Westmächte über den vorläufigen Charakter der Potsdamer Regelung und ihre Hinweise darauf, daß die deutsch-polnische Grenze erst durch einen ordnungsmäßigen Friedensvertrag festgelegt werden kann, werden zwar kurz (nicht im Wortlaut) erwähnt, aber mit der Bemerkung abgetan: „Was das Grenzabkowttieti an^eht, so wurde es nicht , von der Sowjetunion diktiert', wie die New York Times die Welt glauben machen möchte, sondern es entsprach den ureigensten Interessen des ganzen Volkes. In dem durdt die Schuld der Westmächte nodt nicht zustande-gekommenen Friedensvertrag hätte auch diese Frage im Sinne des Potsdamer Abkommens ihren endgültigen Beschluß gefunden. Aus diesen Gründen beendete die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, auf dem Abkommen von Potsdam fußend, diesen Zustand, der ein freundsdiaftliches Verhältnis und eine gutnachbarliche Zusammenarbeit mit Volkspolen verhindern sollte. Sie schuf durch die Unterzeichnung der Deklaration von Warschau am 6. ]uni 1950 klare Verhältnisse“
(S. 88 u. 89).
Bezeichnend für die Art dieser „Dokumentation“ ist der unmittelbar darauf folgende Hinweis, daß „die Bundesregierung . .. das deutsche Saargebiet verschacherte.“ (S. 89).
Wenn der polnische Völkerrechtler B. Wicwiöra diese mehr als dürftige Zusammenstellung von nur bruchstückweise wiedergegebenen Erklärungen als gut bezeichnet und feststellt: „Es ist nur sdtade, daß die ... interessanten Materialien nidu vom Standpunkt des Völkerrechts beurteilt wurden“, so scheint es eher, daß die Verfasser von der Gefährlichkeit solchen Tuns überzeugt waren und wohlweislich davon Abstand genommen haben.
Nach ausführlicheren Zeitungsmeldungen über anglo-amerikanische „Geheimabkommen" mit der polnischen Emigration (S. 89 und 90) folgen Ausführungen über „die wahren Hintergründe der westlichen Haltung" Ein Zitat aus der Veröffentlichung von P. H. Seraphin „Industriekombinat Oberschlesien“ (S. 92 u. 93) soll beweisen: „Hier wird von einem Verfediter der Monopolinteressen mit aller Offenheit dargelegt, warum die Imperialisten die Revision der Oder-Neiße-Grenze fordern. Nicht um die Belange der Umsiedler geht es ihnen, die die Folgen der verbredierisdien Politik zu tragen hatten, sondern um die Eroberung des . großobersdhesischen Raums“' (S. 9 3).
Gegen die Vorläufigkeit der Potsdamer Regelung werden unter der Überschrift „Hauptbelastungszeuge: der Kontrollrat“ (S. 93-94) noch Auszüge aus dem Potsdamer Abkommen Abschnitt IXb sowie aus Erklärungen, des State Department vom 11. Dezember 1945 über die deutsche Friedenswirtschaft abgedruckt, wozu bemerkt wird:
„Das Potsdamer Abkommen ist bis auf den heutigen Tag die einzige völkerrechtlich verbindliche Grundlage für die deutsdr-polnischen Be ziehungen — und tatsächlich audt die einzig mögliche Grundlage, den nationalen Interessen beider Völker zu dienen und den Frieden der Welt zu erhalten“ (S. 94).
Der nun folgende Abschnitt V „Bonn setzte Hitlers Ostpolitik fort“ (S. 9 5-13 3), der umfangmäßig bei weitem den Hauptteil der Veröffentlichung darstellt, hat eindeutig mit „Dokumentation“ im üblichen Sinne dieses Wortes nichts mehr zu tun. Übrigens ist die Überschrift des Abschnittes nicht nur hetzerisch, sondern auch irreführend. Es werden darin die verschiedensten Fragen berührt, u. a. auch die Entwicklung der „westpolnischen“ Gebiete nach 1945, d. h.der ostdeutschen Gebiete unter polnischer Verwaltung.
Zunächst wiederholt ein Unterabschnitt „Die Nazis tauchen wieder auf" (S. 96-101) die oft gehörten, durch häufige Wiederholung nicht an Wahrheitsgehalt gewinnenden Angaben über führende Persönlichkeiten in Politik, Verwaltung und Wirtschaft der Bundesrepublik. Es erübrigt sich, darauf näher einzugehen.
Besonders ausführlich werden unter der Überschrift „Ökonomische Hintergründe" (S. 102-109) aus Pressenotizen, oft ohne Nennung der Quelle, Angaben über Kapitalinteressen westdeutscher und ausländischer Gruppen an Industrie und Landwirtschaft Ostdeutschlands geboten.
Zwischendurch berührt man auch politische Fragen (Vorschlag des „Kondominiums“) oder bietet ältere Angaben über die hohe Arbeitslosigkeit unter den „Umsiedlern“ (= Flüchtlingen) als „Beweis für die wirtschaftliche Hintansetzung und ... zugleich Teil der außenpolitischen Konzeption der Adenauer-Regierung“. Die wiederholten Erklärungen der Bundesregierung, daß die Frage der deutschen Ostgrenzen nur auf friedliche Weise gelöst werden dürften, werden kurzerhand als „heuchlerisch" abgetan (S. 105).
Der Unterabschnitt „Die These vom . historischen Unrecht“ (S. 109111) bringt einige willkürlich aus dem Zusammenhang gerissene Zitate als Beispiel der „Kriegshetze“, um zu erklären: „Die Begründungen sind so unterschiedlich wie ihre Verfechter — ohne sich indessen in ihrem Wert zu unterscheiden, denn nicht ein einziges Argument hält einer wissenschaftlichen Untersuchung stand“ (S. 110). Man hat klüglich jeden Versuch einer solchen Auseinandersetzung unterlassen.
Mit Bedauern stellte der polnische Völkerrechtler B. Wiewiöra in seiner Kritik (Przegl. Zachodni) fest: .. . wegen der Rolle, welche Polens historische Rechte auf seine Westgebiete in der Begründung der reditlidren Entscheidungen über die Festlegung der polnisch-deutschen Grenze spielen, hat es doch den Anschein, als seien diese historischen Rechte nicht breit genug dargestellt worden..
Pressestimmen
Wesentlich umfangreicher ist dagegen der nächste Unterabschnitt „Lebensraum und Osthilfeskandal“ (S. 111-118), der Gelegenheit bietet, Pressestimmen über die Not der ostdeutschen Landwirtschaft in den dreißiger Jahren vorzuführen. Besonders schlagkräftig erschien den Verfassern die Feststellung, daß „Ostpreußen trotz aller , Raumnot“ ein dünnbesiedeltes Land blieb, in dem zu keiner Zeit mehr als höchstens 50 Menschen auf einem Quadratkilometer lebten“ (S. 116). Das Beispiel Ostpreußens (dessen Bevölkerungsdichte vor dem Kriege mit 66 Einwohnern je qkm erheblich höher lag) soll nämlich zeigen, daß „der Lebensstandard eines Volkes nicht in erster Linie von der Größe der Agrarfläche eines Landes und erst recht nicht von der Besiedlungsdichte abhängt, sondern vielmehr bestimmt wird von der Höhe der wissenschaftlichen und technischen Leistungsfähigkeit, von der Höhe und Qualität der Industrieproduktion und nicht zuletzt von der Gesellschaftsordnung“ (im Original gesperrt, S. 116).
Den Verfassern scheint es entgangen zu sein, daß dieses Argument zweischneidig ist. Oder vielleicht gerade deswegen benutzen sie es rasch als Anknüpfungspunkt, um mit ausführlichen Pressezeugnissen die Not der schlesischen Arbeiter im Krisenjahr 1931 vorzuführen. Statt der erwarteten Dokumente zur Oder-Neiße-Linie bieten sie folgende Phrasen: „Wenn also heute die verjagten deutschen Junker nach Lebensraum schreien, wenn sie uns weismachen wollen, die gegenwärtige Not im Westen unserer Heimat sei die Folge davon, daß das deutsche Volk in einem , Pferdi‘ leben müsse, dann stellen wir ihnen unser Wissen um die Vergangenheit entgegen und unseren Willen, die erforderlichen Konsecjuenzen daraus zu ziehen. Das fleißige deutsche Volk hat es satt, sich erneut für einen Zug nach dem Osten mißbrauchen zu lassen, um danach das faule und unfähige Junkerpack mit den Früchten seines Schweißes zu mästen“ (S. 118).
Ganz entsprechend werden in dem nächsten Abschnitt „Die These von der , Ostmission““ (S. 118-120) Auszüge aus solchen Veröffentlichungen wie „Wiking-Ruf“ oder „Nation Europa“ vorgebracht und als „Dokumente" auswertet.
Die kräftigsten Argumente soll aber der Unterabschnitt „Die polnischen Westgebiete heute" (S. 120-127) liefern. Darin werden nun besonders wenige Tatsachen angeführt, es seien denn Angaben wie die folgende: „Es gab bereits im Jahre 1948 nur noch unbedeutende Flächen, die nicht bebaue werden konnten" (S. 120). Wie wenig die Verfasser es mit der Wahrheit ernst nehmen, zeigt ihre Mitteilung: „Die Faschisten hatten Millionen Polen zwangsweise aus Westpolen ausgesiedelt" (S. 120) oder die Tatsache, daß hier von ihnen „das Lenin Kombinat in der neuen sozialistischen Stadt Nowa Huta" erwähnt, d h aus der Umgebung von Krakau in die ostdeutschen Gebiete verlegt wird.
Mangels präziser Angaben für den Wirtschaftsaufbau in den ostdeutschen Gebieten folgen lange Auszüge aus der Propagandazeitschrift „Von Peking bis Tirana" über das polnische Kulturleben in den ostdeutschen Gebieten, wobei man sich die Mühe spart, den polnischen Bezeichnungen der erwähnten Städte zum besseren Verständnis der Leser die alten deutschen Namen wenigstens in Klammern beizufügen.
Weitere „Dokumente" sind dann nicht minder ausführliche Berichte über „Die Zweite Jugend der Stadt Gdansk" (S. 122 124). worin man u, a. von einem bisher unbekannten „Hauptrathause" am „Dugie Targ” erfährt. Nach derselben Quelle folgt ein seitenlanges Zitat „Ein neues Wroclaw wächst aus den Trümmern".
Die beste Kennzeichnung dieser Darlegungen liefert die Ansicht eines den Verfassern gewiß unverdächtigen Zeugen, des polnischen Professors P o p I o I e k : , . Man muß aber feststeilen, daß über dieses Gebiet entschieden zu wenig Angaben geboten werden, daß es vor allein In meist zu allgemeiner, zu wenig konkreter Form geschieht ,,. Wenn wir die Forderung nach stärkerer, vor allem konkreterer Aulzeichnung unserer großen Leistungen In den Westgebieten erheben, müssen wir gleichzeitig auf ge wisse Bestrebungen zur Ver^hönermig der heutigen Wirklichkeit, zum Übersehen bestehender Schwierigkeiten und Mängel hinweisen. Es scheint uns. daß die große Leistung des Wiederaufbaus .. . so unzweifelhaft Ist, daß man sie nicht durch V c r s c h w e I g e n bestehender M ä n g e /o d e r b e g a n g e n e r F e h I e r zu vermindern braucht.
(Przegl. Zachodni, a. a. O.)
Den Abschluß dieses Kapitels bilden einige Pressestimmen, die unter der Ülberschrift „Stimmen der Vernunft" (S. 127-1 33) zeigen sollen, wie sich vor allem im Auslande die Stimmen für eine rechtliche Anerkennung des polnischen Besitzstandes mehren. Besonders hei vor gehoben wird eine Äußerung aus „Daily Mail", daß Groß Britannien auf jeden lall vermeiden solle, „territoriale Regelungen in Bezug auf Ostdeutschland rückgängig zu machen, da sie die gerechte Strafe für Hitlers verbrecherischen (Iberfall auf Polen" seien ($. I 32), Nach Ansicht der polnischen Kritiker ist von den Möglichkeiten der Drohung noch zti wenig Gebrauch gemacht worden. Prof. Popio-Ick schreibt hierzu „Wenn man sich darüber klar Ist, daß ... viele Einwohner Westdeutschlands der Hevlslonsproimganda erliegen und von einer Grenz änderung träumen, würde es sich jedoch lohnen, solche Äußerungen (d. h. über die damit verbundene Kriegsgefahr!) vielleicht etwas zahlreicher anzuführen. Bei gleichzeitiger, nur noch stärkerer Harle g ung der ständig wachsenden Krast des Friedenslagcrs sollte das alle dle/enlgen ansprechen, die anderen Argumenten unzugänglich sind. Fine Vermehrung solcher Argumente könnte evtl, dadurch erfolgen, daß man vielleicht die allzu zahlreichen Deklarationen Polens oder der DDR unterlassen würde, die für viele Leser weniger überzeugend sein werden . . ."
„Politik der Freundschaft"
Die „allzu zahlreichen" Deklarationen über die deutsch polnische Freundschaft bilden den Inhalt des nächsten Abschnitts VI „Die Politik der Deutsche n D emokratisc h e n R epublik eine Politik der F r e u n d s c h a f t" (S. 134 164), der von folgender Feststellung ausgeht:
„Aus der geschichtlichen Realität und der moralischen Verpflichtung heraus mußte die Initiative von deutscher Seite kommen. Fs genügte nicht, sich mit der Oder-Neiße-Grenze abzufinden, es mußte an jene Solidarität angeknüp/t werden, die (Im 19. Jahrhundert) die revolutionäre Ellie Deutschlands und Polens verband ..." (S. I 35).
Wenn nicht alles täuscht, schimmert hier noch die Abneigung durch, die lange Zeit sogar weite Kreise der SED, von der Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone ganz zu schweigen, davon zurückhielt, sich mit der Oder Neiße-Grenze abzufinden.
Vielleicht kommt sie noch zum Ausdruck in der Erklärung, die Grote wohl in einer Pressekonferenz in Budapest abgab: „Die Westgrenze wurde In Potsdam festgelegt, Wir sind nicht so wahnsinnig, ihre Abänderung zu verlangen. Abänderung ... bedeutet Krieg und wir wollen keinen Krieg. Wir wollen lieber gute Beziehungen zu Polen." (Westdeutsche Rundschau vom 15. Juni 1948.)
Diese Worte lesen wir hier nicht, ebensowenig eine weitere Erklärung, die Grotewohl im Jahre 1954 gegenüber einem englischen Journalisten abgab: „Es ist besser, eine schlechte G re n ze und Frieden zu haben als eine gute Grenze und Krieg." („Daily Mail" vom 7. September 1954.)
Merkwürdigerweise — und gerade von der polnischen Kritik (Wiewira) bemängelt — fehlt der Wortlaut des Görlitzer Abkommens, wäh rend aus den Wirtschafts-und Kulturabkommen zwischen der SBZ-Regierung und Polen lange Auszüge abgedruckt werden. Diese sollen zeigen:
„Die Deutsche Demokratische Republik Hl den Weg gegangen, den das Potsdamer Abkommen dem ganzen deutschen Volke weist Es liegt nun an unseren westdeutschen Brüdern und Schwestern, dafür zu •orgen, daß ganz Deutschland die Achtung, und das Vertrauen seiner Nachbarn erringt." (S. 164).
Ein letzter Abschnitt VII „Schlußfolgerungen" (S. 165168) faßt als Ergebnis dieser unvollkommenen Zusammenstellung und mehr als brüchigen Argumentation man kann wohl sagen, wider besseres Wissen zusammen: „Die Oder/Neiße Grenze wurde nicht nur von der Sowjet Union, sondern mich von den Westmächten gebilligt. Das Potsdamer Abkommen ist daher die einzige völkerrechtlich verbindliche Grundlage für die Festlegung der Grenze zwischen Deutsch land und Polen" (S. 166). Alle Einwände dagegen seien wert und zwecklos. Die DDR habe „die einzig mögliche Konsequenz aus der Ver gangenheit" gezogen; sie habe „bewiesen, daß ... die Ansiedlung der Umsiedler auf enteignetem Junkerland besser ist als ihre Vertröstung auf die angeblichen Früchte eines Revanchekrieges ..." (S. 167).
Es dürfte sich erübrigen, auf die beigefügte „Zeittafel" (S 169 184), die auch von der polnischen Kritik erheblich bemängelt worden Ist, näher einzugehen. (Iber die Veröffentlichung als Ganzes ist das Wesentliche bei Erörte rung ihrer einzelnen Abschnitte gesagt worden. Die hier gebotenen Auszüge dürften jedenfalls gezeigt haben:
Trotz des anspruchsvollen Titels erhebt sich die Veröffentlichung mit ihren willkürlich ausgewählten und höchst bruchstückweise dargebotenen „Dokumenten" nicht über das Niveau einer billigen Propagandaarbeit, die was besonders unterstrichen werden muß nicht einmal den Bei fall der begünstigten, der polnischen Seite erfahren hat.
Anmerkung llemy A. Klnuliujei, Direktot der Studiengruppe Ilir „ Atomwaffen und Außenpolitik"
des einflußreichen Council on Foreign Relations, In Lurope ist er als Leiter des internationalen Seminars der llarvard Universität und Herausgeber der Zeitschrift „Confluence" bekannt Gegenwärtig Ist el auch Studiendirektor In der Rockefeller -Stiftung, Hitdoll Ncmiimm, Diplom -Volkswirt, Mitar beitet des lohann Gottfried Herder Instituts, Marburg/Lahn