ben. Wenn Europa steht, wird der Atlantikpakt zwar bleiben, doch wird sich seine Bedeutung wandeln. Amerika hat Europa auf Grund der strategischen Gegebenheiten, die sich aus der Kombination von H-Bombe und ferngelenkten Geschossen herleiten, nicht mehr unbedingt zum Schutze nötig. Es ist Sache Europas, potentiell mächtiger als Rußland und ebenso mächtig wie die Vereinigten Staaten, sich selbst zu schützen.
Die Bindungen an Amerika werden notwendigerweise eng bleiben, aber es wird kein Abhängigkeitsverhältnis mehr bestehen, sondern eine wechselseitige Abhängigkeit wie das Verhältnis Englands zu den Commonwealth-Staaten.
Die emotionellen Bindungen und wirtschaft-liehen Beziehungen werden sich nur in diesem Rahmen entwickeln. Die europäische Union wird sich zwar nicht in den nächsten fünfzig Jahren aber im kommenden Jahrhundert in eine größere, alle europäischen und atlantischen Staaten umfassende Union umwandeln. Das bleibt einer späteren Epoche vorbehalten. In der gegenwärtigen Etappe muß vor allem jede Aufweichung des Bündnisses vermieden werden.
Das Problem des Kommunismus ist seiner Natur nach geeignet, sich noch viel schneller zu entwickeln. In dem Maße, wie es die Gesamtheit der Nationen an rechtzeitiger Hilfe hat fehlen lassen, werden unterentwickelte Länder zwar neue kommunistische Krisen erregen, um ihren wirtschaftlichen Aufbau zu beschleunigen, doch hat andererseits die innere Auflösung des Stalinistischen Reiches begonnen, woran heute niemand mehr zweifeln kann. Eine politische und keine wirtschaftliche Auflösung. Nachdem Ruß-land die Industrialisierung erfolgreich durchgeführt hat, hält es die Polizei zur Beherrschung des Landes für weniger notwendig. Dieser bescheidene Versuch, etwas Freiheit zu gewähren, ist jedoch mit der Herrschaft über die Satelliten unvereinbar. Diese haben nicht die gleiche Veranlassung wie die Russen, im großen und ganzen mit ihrem politischen Regime zufrieden zu sein. Sie wollen weniger Abhängigkeit von Moskau und zugleich mehr Freiheit im Lande selbst haben. Wenn dieser Prozeß einmal begonnen hat, gibt es trotz dramatischer Rückschläge keine Umkehr mehr. Eine Befreiung der Satellitenländer und eine Beteiligung des Westens an ihrer Entwicklung befinden sich jetzt im unmittelbaren Bereich des Möglichen. Eine Entwicklung Rußlands zugunsten einer friedlichen Zusammenarbeit mit den stärksten Ländern des Westens ist denkbar. Eine Wiedervereinigung Deutschlands wird möglich. Auf die Dauer ist ein russisch-amerikanisches Zusammengehen gegen China unvermeidlich.
Daher hat die Frage nach der Politik gegenüber dem Eisernen Vorhang ihre Schärfe und gleichzeitig auch ihre Aktualität eingebüßt. Große Veränderungen zeichnen sich ab, die wir durch eine aktive, gegenwartsnahe und positive Politik ermutigen sollten. Aber jenachdem wie sich Frankreich des „Zeitgeistes“ und der die Welt bewegenden Kräfte wirklich bewußt geworden ist, wird es voll und ganz an den technischen Umwälzungen des Lebensstandards, die für das ausgehende 20. Jahrhundert charakteristisch sein werden, teilhaben und der Welt helfen, die Krisen, die der Anpassungsprozeß auslöst, zu überstehen und den Weg zu einer friedlichen Entwicklung zu finden. Wenn Frankreich trotzig darauf beharrt, der Vergangenheit zu leben, dann wird es allein dastehen, verbittert, enttäuscht, abseits der großen Entwicklungsströme, irgendwelchen internen Auseinandersetzungen minderer Bedeutung ausgeliefert, während es die Welt mit dem Mitleid betrachten würde, das sie für Gescheiterte übrig hat.
Man kann die bekannte Formel von Sir Isaac Newton zitieren, wenn man erklären will, warum die Sowjetunion zuversichtlich damit rechnet, daß sie ihre sich selbst gesteckten Ziele in Afghanistan letztlich erreichen wird: „Die Anziehungskraft zwischen zwei Körpern ist proportional zu ihren Massen und umgekehrt proportional zum Quadrät ihrer Entfernungen.“
Der große Koloß der sowjetischen Landmacht blockiert völlig die nördliche Grenze von Afghanistan, das daher eine gemeinsame Grenze mit der Sowjetunion von insgesamt rund 2300 Kilometer Länge hat. Die Vereinigten Staaten jedoch — der um die afghanische Freundschaft rivalisierende Magnet — liegt am anderen Ende der Welt. Es kann wenig Zweifel darüber bestehen, nach welcher Richtung der Kompaß, den Naturgesetzen folgend, in diesem Falle aus-schlägt.
Die Naturgesetze können jedoch durch menschliche Faktoren eingeschränkt werden, in diesem Falle durch die weise Voraussicht und die wohlausgewogene Selbstentscheidung der afghanischen Staatsmänner. Ob sich diese Faktoren in einem ausreichenden Maße, und vor allem auch rechtzeitig, auswirken können, — das wird in erster Linie von den Methoden abhängen, deren sich die Sowjets zur Verwirklichung ihrer Fernziele bedienen. Für uns besteht die Schwierigkeit daher nicht so sehr in der Analyse dieser sowjetischen Fernziele — die unserer Ansicht nach klar erkennbar sind — als vielmehr in der Abschätzung der Methoden, mit deren Hilfe Moskau diese Ziele zu erreichen sucht. Diese Methode wird nämlich nicht nur die Einstellung der afghanischen Staatsmänner zu der kommunistischen und der freien Welt in einer Zeit beeinflussen, in der Afghanistan noch in etwa eine Entscheidungsfreiheit verbleibt; diese Methode wird vor allem von ungeheurer Bedeutung für die Nachbarländer sein, die jetzt immer noch zögern, ob sie tatsächlich neutral, oder aber „neutral auf Seiten der Sowjets“ sein sollen.
Deutet das geradezu stürmische Interesse an Afghanistan, das die Sowjets durch Chruschtschows und Bulganins Besuch nach Kabul im vorigen Dezember und durch die Gewährung eines Kredites in Höhe von einer Million Dollar an den Tag gelegt haben, etwa auf den Versuch hin, dieses Land ganz offen, schnell und vielleicht auch mit Gewalt an sich zu reißen? Oder handelt es sich hier um die erste Etappe eines viel subtileren Planes: nämlich den, Afghanistan als ein Modell-Schaufenster auszubauen, in dem die Sowjetunion ihre-neuen Propaganda-Waren auslegen kann?
Die Versuchung muß groß sein, das erstere zu tun, da Afghanistan militärisch schwach und von den Zentren der westlichen Macht abgeschnitten ist. Die Sowjets könnten Afghanistan dann als eine Basis benutzen, um von dort aus Indien und Pakistan direkt zu bedrohen und diese Länder zu einer „wohlwollenden Neutralität“, ja vielleicht sogar Partnerschaft zu zwingen. Eine solche Politik wäre dann Teil eines großangelegten Versuches, den gesamten Nahen Osten und ganz. Südostasien zu durchdringen. Die „Schaufenster-Demonstration" würde jedoch mit der augenblicklich von den Sowjets verfolgten Gesamtstrategie mehr in Einklang stehen. Schon jetzt sprechen viele Leute in Asien von dem „Neuen Rußland“ und verwechseln damit Schein und Wirklichkeit. Afghanistan bietet den Nachfolgern Stalins eine wunderbare Gelegenheit, um zu demonstrieren, was das „Neue Rußland“ auf Grund seiner wachsenden industriellen Stärke in selbstloser Weise für seine unterentwickelten Nachbarn tun kann, ohne dabei — und das wird besonders herausgestellt — als Gegengabe für seine wirtschaftliche und finanzielle Hilfe mehr als Bewunderung und kameradschaftliche Freundschaft zu verlangen.
Wie die Dinge heute liegen, würde die afghanische Regierung zweifellos einer sowjetischen Aggression mit allen verfügbaren Mitteln Widerstand leisten und die Vereinten Nationen um Hilfe ersuchen. Ob diese dann einen Weg der Hilfe finden würden, sei dahin gestellt. Etwas ganz anderes ist jedoch die Frage, wie Afghanistan einen schleichenden Prozeß der Infiltration zum Stehen bringen kann, der zu keinem Zeitpunkt als offene Aggression zutage treten würde. Ministerpräsident Prinz Mohammed Daud — ein Vetter des Königs — ist ein resoluter Mann, der zur Zeit die ganze Apparatur der Regierung fest in seiner Hand hat. Das Ausmaß seiner Macht ist aber vielleicht zugleich auch seine Schwäche. Er geht nämlich in seinen Überlegungen voller Zuversicht davon aus, daß er die Machtfaktoren außerhalb seines Landes genau so vollständig seinen Zielen nutzbar machen kann, wie er das mit den Machtfaktoren seines eigenen Landes getan hat. Kürzlich erklärte er mir in Kabul, er mache keinerlei Unterschiede zwischen den einzelnen Nationen, die seinem Lande wirtschaftliche Hilfe gewähren würden, vorausgesetzt, daß man diese Hilfe nicht mit Bedingungen zu verquicken sucht. Auf die Frage, ob er bei seiner Wertung nicht Charakter, Vergangenheit und Ziele dieser verschiedenen Nationen mit in Rechnung stelle, antwortete Mohammed Daud: „Darum geht es gar nicht. Entscheidend ist nur die afghanische Entschlossenheit, sich nicht beherrschen zu lassen. Wir fürchten niemanden.“ Dies ist eine mutige Haltung. Deuten aber etwa die Erfahrungen eines Landes wie die der TschechoSlowakei darauf hin, daß eine solche Haltung berechtigt ist?
Die starke Tendenz zur Selbsttäuschung wird naturgemäß immer dann vorhanden sein, wenn die ausgesetzte Belohnung verschwenderisch groß ist, und die Risiken einer Annahme dieser Belohnung nicht heute, sondern erst morgen eingegangen zu werden brauchen. Die Staatsmänner Afghanistans geben nur ungern ihre Beunruhigung über das Ausmaß zu, in dem ihr rückständiges Land mit einem Jahresetat von nur rund 2 5 Millionen Dollar zum Schuldner eines mächtigen Nachbarn geworden ist. Der große russische Kredit vom vorigen Dezember *) war jedoch eine bemerkenswerte Angelegenheit, nicht nur in Anbetracht der Tatsache, daß die afghanische Kapazität zur Rückzahlung selbst unter den angebotenen, überaus günstigen Bedingungen als sehr gering eingeschätzt werden muß. (Der Kredit hat eine Laufzeit von dreißig Jahren und einen Zinssatz von zwei Prozent. Der Kredit ist in zweiundzwanzig Jahresraten rückzahlbar, die erst in acht Jahren beginnen.)
Hier handelt es sich vielmehr um eine der größten Anleihen, die die Sowjetunion bisher irgend einem Land gewährt hat.
Der Kredit stellte damals etwa ein Viertel aller sowjetischen Investitionen im Ausland dar — einschließlich der Investitionen in China. Die Sowjetunion hatte Afghanistan schon früher Darlehen und Kredite eingeräumt; dasselbe hatten in beschränkterem LImfange die Tschechoslowakei, Polen und Ungarn getan. Hier handelte es sich jedoch um relativ geringe Summen. Wenn man alle diese Kredite addiert, 50 ist Afghanistan jetzt dem Sowjetblock mit etwa 121 Millionen Dollar (ausschließlich der Kapitalzinsen) Die Rückzahlung soll in Waren erfolgen. Dazu kommen als mindestens ebenso große Belastung für das afghanische Budget auf viele Jahre hinaus die Aufbau-und Instandhaltungskosten im Lande selber (Transport, Arbeitskräfte, Eigenmaterialien usw.). Die Gesamtkosten der sowjetischen Hilfe werden sich somit für Afghanistan im Endeffekt auf etwa 240 Millionen Dollar belaufen. Man muß ferner die afghanische Verschuldung dem Westen gegenüber in Rechnung stellen. Kredite der Export-Import-Bank für ein riesiges Entwicklungsprogramm im Helmand-Tal belaufen sich auf 39, 5 Millionen Dollar; ein in Aussicht genommenes, kleineres Darlehen für die Luftfahrt von Seiten der Vereinigten Staaten würde, wenn das Geschäft abgeschlossen wird, die Gesamtverschuldung des Landes gegenüber dem Westen auf annähernd 50 Millionen Dollar bringen (hierin sind wiederum die Kapitalzinsen nicht inbegriffen). In Anbetracht der Notwendigkeit, die im eigenen Lande entstehenden Linkosten zu decken, muß dieser Betrag ebenfalls verdoppelt in Ansatz gebracht werden.
Die Gesamtverschuldung einschließlich der Kosten im eigenen Lande wird sich daher auf rund 340 Millionen Dollar belaufen. Diese Verschuldung müßte die afghanische Regierung durch Zahlungen in Waren oder in bar abdekken. Hinzu kämen die jeweiligen Kapitalzinsen. Für ein Land mit einem augenblicklichen Jahresetat von 2 5 Millionen Dollar muß diese Summe als geradezu vernichtend angesehen werden. Der Etat des Landes läßt auch kaum einen Spielraum für Umdispositionen zu; die Steuer-einkünfte liegen auf Grund des geringen Lebensstandards mehr oder weniger fest. Zoll-Einnahmen werden durch den verstärkten Handel mit Rußland nicht vermehrt werden, da alle Waren, die auf Grund des sowjetischen Kredites in das Land kommen, selbstverständlich zollfrei sind. Man hat mir gesagt, daß die afghanische Regierung auf der Habet-Seite ihrerseits auch Darlehen aufweist. Es wird jedoch mehr als einer solchen Manipulation bedürfen, um den Druck zu überleben, den der Hauptgläubiger des Landes jederzeit ausüben könnte. Moskau könnte jeder Kritik des Auslandes, daß es einen ungerechtfertigten Druck ausübe, einfach ausweichen, indem es die Übernahme der Instandsetzungskosten für die sich ausdehnenden Betriebe anbietet — Kosten, die für die afghanische Regierung eben einfach nicht mehr tragbar wären.
Schaufenster des Kommunismus
Es geht hier natürlich um mehr als die mögliche Einmischung eines Kreditgebers in die finanziellen Angelegenheiten eines schwachen Schuldners. Wenn die Vereinigten Staaten Ingenieure, technische Experten und Verwaltungs-Berater um die halbe Welt herum der afghanischen Regierung zu Hilfe schicken würden, so läge darin auch nicht die geringste Bedrohung für die afghanische Unabhängigkeit oder Sicherheit. Selbst wenn die Vereinigten Staaten das wollten, so könnten sie mit solchen oder irgendwelchen anderen Mitteln Afghanistan niemals „einkassieren“. Wenn jedoch Moskau eine Schar von sowjetischen Experten mit dem üblichen Prozentsatz an Propagandisten, Spionen und Saboteuren entsendet, dann wären die Folgen für Afghanistan möglicherweise katastrophal. Tatsächlich hat sich in den letzten Monaten die Zahl der sowjetischen Techniker von ungefähr 100 auf 600 erhöht; eine weitere Erhöhung steht zu erwarten gemäß dem Umfang, in dem die Pläne zur Vorausgabe des sowjetischen Kredites verwirklicht werden *) • Dieser Art von Bedrohung sah sich Jugoslawien im Jahre 1948 ausgesetzt. Tito’s Rebellion gegen Moskau kam buchstäblich im letzten Augenblick. Würde Afghanistan in der Lage sein, ebenso erfolgreich zu reagieren, wenn die sowjetische Infiltration erst einmal so weit fortgeschritten ist?
Wenn den Sowjets derartige Vorteile winken, wird ihre Wahl mit Sicherheit auf die zweite Alternative für ihre Politik in Afghanistan fallen: Sie werden ein kommunistisches Schaufenster zur Erbauung der benachbarten asiatischen Völker errichten. Sie werden die verschiedensten, im ganzen Lande weitverzweigten Entwicklungsprojekte durch Agenten im Gewände von „Technikern“ unterwandern. In den Regierungsämtern werden diese Agenten als „Berater“ auftreten. Die Sowjets werden dann in der möglichst smartesten Weise bereit und in der Lage sein, dem Schuldner den Hahn abzudrehen, wenn dessen LInternehmungen seine Kapazität ganz offensichtlich zu übersteigen beginnen. Diese Form der Politik steht im Einklang mit der derzeitigen Betonung einer friedlichen Koexistenz; darüber hinaus bietet diese Politik den zusätzlichen Vorteil, daß sie von den Nationen des Westens nur sehr schwer kritisiert und wirksam bekämpft werden kann. Die Sowjets geben auch nichts von augenblicklicher militärischer Bedeutung auf. Die offene Besetzung von Afghanistan würde tatsächlich die operative Lage der Sowjets kaum spürbar verbessern. Schon jetzt können sowjetische Flugzeuge von eigenen Basen aus bis an den Indischen Ozean und an das Arabische Meer vordringen. Die Errichtung vorgeschobener Basen auf afghanischem Gebiet würde den Transport großer Öl-Vorräte nach Afghanistan und die Bereitstellung von Speicher-Anlagen in diesem Lande erforderlich machen. Sollten einige von diesen Anlagen südlich des riesigen Hindu Kuhs-Gebirges liegen, so würde das ganze Unternehmen gewaltige Ausmaße annehmen. Warum sollte man sich dem unterziehen, wenn bereits jetzt die sowjetische Luftmacht in der Lage ist, nach Belieben Indien, Pakistan und deren Nachbarn zu bedrohen?
In Indien erkennt man ganz klar die Realitäten der militärischen Lage. Das geht zwischen den Zeilen der Reden des Ministerpräsidenten Nehru hervor. Einschüchterung ist jedoch nicht die Karte, die die sowjetische Führung zur Zeit ausspielt. Diese Karte wird in Reserve gehalten, während man die noch nicht auf der einen oder anderen Seite festgelegten Länder davon zu überzeugen sucht, daß eine Zusammenarbeit mit Moskau in keiner Weise eine Beeinträchtigung der eigenen Unabhängigkeit mit sich bringen wird. Diese Parole wird an die Massen selber herangebracht. Wie Chruschtschow und Bulganin demonstriert haben, ist man hierin unerhört erfolgreich. Die Sowjets zielen ja nicht nur darauf ab, die einzelnen Regierungen davon abzuhalten, bei bestimmten Streitfragen ihr Gewicht auf der Seite der Freien Welt in die Waagschale zu werfen. Vielmehr soll die Friedenspropaganda in den verschiedenen beteiligten Ländern einen solchen Druck der Massen erzielen, daß die Regierungen dadurch für immer außer Stand gesetzt werden, zu einem unabhängigen Kurs des Handelns zurückzukehren.
Eröffnungszüge
Die sowjetische Führung spielt zur Zeit die Eröffnungszüge ihres Spieles in Afghanistan mit Geschick und in aller Stille. Die Sowjets haben dabei von den Fehlern oder auch von dem mangelnden Interesse der rivalisierenden Mächte, sowie von der Selbstzufriedenheit der herrschenden Kreise in Kabul profitiert. Wir haben jedoch bis jetzt eben nur die Eröffnungszüge erlebt. Noch können sich die mannigfaltigsten Hindernisse der Erreichung all dessen in den Weg stellen, was sich die sowjetischen Strategen bei diesem Spiel erhoffen. Das erste Hindernis liegt in dem traditionellen Mißtrauen begründet, das die Afghanen allem und jedem gegenüber an den Tag legen, der aus den wilden Steppen jenseits des Oxus kommt, d. h.der Invasions-Route der zerstörerischen Horden eines Jenghiz Khan, Tamerlane und der nachfolgenden Eroberer. Das zweite Hindernis rührt von dem Widerstand her, den die Muselmänner allen Einflüssen von außen ganz allgemein entgegenbringen. Das gilt insbesondere von Einflüssen aus dem Lande, in dem die Moscheen zerstört und die Bildungseinrichtungen der Mohammedanischen Lehre geschlossen wurden. Schließlich gibt es noch ein drittes Hindernis: den beträchtlichen, wenn auch nur ganz vage zum Ausdruck gebrachten „good will“ der Afghanen gegenüber den Vereinigten Staaten.
Die Furcht vor Rußland ist in Afghanistan weit verbreitet, findet jedoch in Anbetracht der amtlichen Politik einer Kooperation wenig Ausdrucksmöglichkeiten. In letzter Zeit hat diese Furcht auch dadurch nachgelassen, daß man in Kabul mit rusisscher Hilfe ins Auge stechende Annehmbarkeiten aufgebaut hat: so etwa einen Getreide-Elevator mit kombinierter Bäckerei, einen Benzin-Vorratstank, — der auf einem Hügel oberhalb der Stadt steht und mit glitzernden Neonlichtern verziert ist, — sowie natürlich die gepflasterten Straßen, mit denen viel Reklame gemacht wurde, und die jetzt unter den Hufen der sogenannten „TONGA" -Ponies etwas ungewohnt widerhallen. Als eine letzte Freundschaftsgeste gab Chruschtschow seiner Zeit ganz überraschend am Ende seines Besuches bekannt, daß die Sowjets der Stadt Kabul ein Krankenhaus mit 100 Betten schenkten. (Nebenbei bemerkt rief diese Geste unter den medizinischen Gesundheits-Behörden eine große Verwirrung hervor, da diese antikommunistisch eingestellt sind, gleichzeitig aber neue Krankenhäuser dringend benötigen.)
Trotz alledem hält sich das Mißtrauen gegenüber Rußland hartnäckig. Man kann natürlich kaum von nationalen Gefühlen in einem Lande sprechen, in dem eine Vielzahl von Stämmen ganz verschiedene Sprachen sprechen, nur drei Prozent von ihnen überhaupt lesen und schreiben können und viele von ihnen Nomaden sind, die dazu noch durch Gebirge und Wüsten voneinander getrennt sind. Dazu kommt schließlich, daß die herrschenden Stämme — die sogenannten Pushtuns — im Lande als ganzem eine Minderheit darstellen —, wenngleich sie auch die größte Einzelgruppe überhaupt sind. Es gibt in Afghanistan keine politischen Parteien und keine freie Presse. Das Parlament ist eigentlich mehr eine Art „Andeutung“. Unter diesen Verhältnissen vertritt außer dem König und seinen, die Regierung kontrollierenden Vettern, niemand einen nationalen Standpunkt.
Dennoch sagt man einigen Einzelpersönlichkeiten und Gruppen nach, daß sie mit der augenblicklichen Politik des Ausspielens der Sowjetunion gegen die Vereinigten Staaten und umgekehrt keineswegs zufrieden sind. Es handelt sich hier um einige der älteren Mitglieder der königlichen Familie, die Rußlands traditionellen territorialen Ambitionen und seine Mißachtung vertraglicher Abmachungen in der nicht allzu fernen Vergangenheit noch in guter Erinnerung haben. (So etwa hinsichtlich der Garantie für die Unabhängigkeit von Bokhara und Khiwa in dem sowjetisch-afghanischen Vertrag von 1921). Diese Kreise sind wahrscheinlich der Ansicht, daß die jetzige Regierung in ihrer zu engen Anlehnung an Rußland die Bahnen einer Außenpolitik verläßt, die sich unter großen afghanischen Staatsmännern wie Ab-dur Rahman und Nadir Schah so bewährt hatte. Diese Staatsmänner hatten niemals von einer Seite mehr angenommen, als sie gleichzeitig in Form eines Gegengewichtes von der anderen erhalten konnten. Ebenfalls beunruhigt über den jetzigen Kurs sind möglicherweise die Häuptlinge einiger Stämme außerhalb der Pushtun-Gruppe; dazu einige Armeeoffiziere, deren Sprecher vielleicht der frühere Verteidigungsminister ist; dieser wurde im letzten Jahr entlassen — so sagen manche — weil er sich dem König gegenüber direkter verpflichtet fühlte als gegenüber dem Ministerpräsidenten. Schließlich gibt es noch eine ziemlich kleine, aber nicht unwichtige Gruppe von Intellektuellen, die Westeuropa oder die Vereinigten Staaten besucht, oder auch nur dort studiert haben. Keiner dieser kritisch eingestellten Gruppen scheint heute einflußreich zu sein. Das könnte sich aber in einer veränderten Lage sofort ergeben.
Die Rolle des Islams
Da Afghanistan so gut wie ganz mohammedanisch ist, ist die Haltung der klerikalen Kreise in dem Konflikt zwischen dem kommunistischen und den westlichen Einflüssen möglicherweise besonders wichtig. Der Islam ist von Marokko bis hin nach Zentralasien in einem revolutionären Fermentierungsprozeß begriffen. Es heißt, daß viele einflußreiche Ulemans der traditionellen mohammedanischen Lehre sowohl auf dem theologischen, wie auf dem sozialen Gebiet weit vorausgeeilt sind. Eine nicht unbeachtliche Anzahl von ihnen soll einen allmählichen Prozeß der Säkularisation und der Modernisierung des heiligen Gesetzes, des sog. SHARIAH, befürworten. Diese Ulemans nehmen für ihre Haltung das Argument in Anspruch, daß der Koran einen weiten Spielraum für eine evolutionäre Entwicklung ausdrücklich zuläßt. Diese „liberale“ Tendenz — die zwar Reformen anstrebt, aber dennoch nationalistisch ist — tritt am deutlichsten zutage in Ägypten, wo sich die berühmte LIniversität von All-a-zhar über 1000 Jahre dadurch gehalten hat, daß sie sich ständig den wechselnden Verhältnissen anpaßte. Diese Tendenz herrscht auch in Persien und im Irak vor — und Afghanistan ist eben auch nicht frei davon. Unterstützung findet diese Bewegung sehr stark bei der jüngeren Generation, besonders bei der wachsenden Zahl von jungen Frauen, die die Polygamie hassen und vom Schleier befreit sein möchten.
Prima facie hat es den Anschein, als ob diese religiöse und soziale Reform eher dem Westen zugute kommt. Das braucht aber nicht notwendigerweise der Fall zu sein. Amerikanische Staatsmänner sind immer gern von der Annahme ausgegangen, daß der Islam konservativ ist und daher der Ausbreitung des Kommunismus wirksame Grenzen setzt. Ihre Erklärungen dieser Art haben dazu geführt, daß man unsere Politik mit der „Reaktion“ idendifiziert, und sich somit mindestens ein Teil der fortschrittlichen Führer des Islams instinktiv Rußland zuwendet — und zwar nicht etwa aus irgendeiner Vorliebe für den Kommunismus. Vielmehr ist der Grund darin zu suchen, daß die Sowjets mit ihrer augenblicklichen Strategie ähnliche Tendenzen bei den Mohammedanern in der UdSSR unterstützen und sie darin ermuntern wollen, den fortschrittlichen mohammedanischen Führern im Ausland das Angebot einer Zusammenarbeit zu machen. Wir Amerikaner scheinen uns der Gefahr auszusetzen, daß für uns eines Tages als Verbündete nur noch die altmodischsten und dogmatischsten Mullahs von rein lokaler Bedeutung übrig bleiben.
Man mag hier mit Recht die Frage stellen, warum die mohammedanischen Führer im Nahen und Mittleren Osten nicht durch die Berichte über die schlechte Behandlung umgestimmt werden, die ihren Glaubensgenossen in der Sowjetunion widerfahren ist. Das scheint seinen Grund darin zu haben, daß man solchen Berichten nur zum Teil Glauben schenkt; vor allem aber darin, daß die Schließung der Moscheen und der mohammedanischen Institute schon weiter zurückliegt, und heute an Stelle der alten antireligiösen Schlagworte die Religionsfreiheit postuliert wird. Das Nachrichtenblatt der sowjetischen Botschaft in Kabul veröffentlichte vor kurzem eine Erklärung, wonach in Tashkent heute 30 große Moscheen geöffnet sind und ungehindert benutzt werden dürfen. Dasselbe gilt auch für Moscheen in benachbarten Städten. Die Zahl der mohammedanischen Institute ist — so läßt sich aus dieser Erklärung schließen, in demselben Maße verringert worden, wie das bei den orthodoxen Kirchen in Moskau der Fall war, wo an Stelle der rd. 500 oder mehr Kirchen, die vor der Revolution existierten, heute nur noch ungefähr 50 vorhanden sind. Dennoch haben es die sowjetischen Behörden erreicht, daß ihre Behauptung, die mo-hammedanische Religionsausübung sei in der Sowjetunion heute hinreichend sichergestellt, von den Mohammedanern im Ausland gläubig hingenommen wird. Die Sowjets bedienen sich dabei u. a.des Tricks, daß sie sehr sorgfältig auswählen, welche Moscheen und Institute geschlossen, und welche geöffnet bleiben dürfen.
Sie profitieren zweifellos davon, daß sie diejenigen Moscheen weiter bestehen lassen, die von den sogenannten „Liberalen" betreut werden, d. h. von den Reformern, die den evolutionären Aspekt des Islam betonen und sich für eine Säkularisierung einsetzen. Moskau stellt also sicher, daß sich die kommende mohammedanische Führung im sowjetischen Zentralasien soweit wie nur irgend möglich in Übereinstimmung mit den sozialen Konzeptionen des Regimes befindet; dadurch, daß sie schließlich den Kontakt zwischen den fortschrittlichen Elementen des Islams im eigenen Lande mit denen im Ausland begünstigen, schaffen die Sowjets eine neue, mohammedanische, übernationale Gemeinschaft *).
Angesichts dieser Lage kommt der Betrachter etwas in Verlegenheit, wenn er die Auswirkungen abschätzen soll, die sich für Moskau bei der Durchführung seiner Absichten in Afghanistan aus dem mohammedanischen Charakter dieses Landes ergeben werden. Zur Zeit stellt der mohammedanische Faktor zweifellos ein Hindernis dar. Wir sollten jedoch nicht von der Annahme ausgehen, daß dies in Afghanistan oder in irgend einem anderen mohammedanischen Land automatisch und ein für alle mal der Fall sein wird.
Die Pushtun-Frage
Wenn Amerika in Afghanistan nach wie vor tatsächlich mit einem allgemein verbreiteten Gefühl des guten Willens rechnen kann, so ist dies eigentlich in Anbetracht der Tatsache erstaunlich, daß sich Afghanistan in einer erbitterten territorialen Auseinandersetzung mit Pakistan befindet, Pakistan aber seinerseits von den Vereinigten Staaten Militärhilfe empfängt. In einer Diskussion mit Afghanen über diese Lage erklärt man am besten immer, daß die wenigsten Amerikaner jemals überhaupt etwas von der Pushtunfrage — den Hauptdiskussionspunkt zwischen Afghanistan und Pakistan — gehört haben, und daß selbst diesen wenigen niemals der Gedanke an einen entscheidenden Zusammenhang gekommen ist zwischen dieser Streitfrage und den Plänen zum Ausbau der militärischen Stärke Pakistans mit Blickrichtung gegen die Sowjetunion. In ganz ähnlicher Weise fällt es auch den Indern schwer zu verstehen, daß wir nicht die Kaschmirfrage vor Augen hatten, als wir uns zu einer Hilfe für Pakistan entschlossen. Tatsächlich neigt man in beiden Ländern zu der Schlußfolgerung, daß die Vereinigten Staaten an dem Streit sowohl um das Pushtun-Gebiet wie um Kaschmir schuld sind. Dabei meint man natürlich, daß wir, ohne es zu wollen, die Position von Pakistan in Bezug auf die Behandlung beider Fragen gestärkt haben. Natürlich existierten diese beiden Streitfragen schon lange bevor unsere Militärhilfe für Pakistan entschiedende Ausmaße annahm. Es muß aber zugegeben werden, daß die Afghanen und Inder in soweit berechtigte Beschwerde führen können, als es Washington unterlies, die Nebenwirkungen abzuschätzen, die sich durch den Ausbau der pakistanischen Stärke gegenüber der Sowjetunion ergeben konnten. Es ist schließlich für niemanden sehr tröstlich, wenn er hört, daß man ihn einfach vergessen hatte. Anscheinend mangelte es im State Department nicht an ernsten Fehlkalkulationen. Am ausschlaggebendsten war wohl die Tatsache, daß der Pentagon in seinem Drängen auf scheinbare militärische Vorteile die politischen Faktoren beharrlich außer acht ließ. Eine solche Erklärung der Zusammenhänge wird jedoch Außenminister Dulles bei seinem Besuch in Neu Delhi wenig nützen. Dasselbe gilt auch für die Mitglieder unserer Botschaft in Kabul, wenn diese etwa zu erklären versuchen, daß wir in dem Pushtu Disput völlig neutral sind.
Selbst wenn aber Gesprächspartner in Indien und Afghanistan davon überzeugt werden können, daß wir bei unserer Hilfe für Pakistan ausschließlich eine mögliche Aggression von Seiten der Sowjetunion im Auge hatten, wird man in diesen beiden Ländern doch niemals zugeben, daß unsere Handlungsweise eine kluge war. So fragte mich Außenminister Prinz Nadiv ganz offen in Kabul, ob ich wirklich der Ansicht sei, daß wir die pakistanische Armee durch unsere Militärhilfe in die Lage versetzen würden, einem russischen Angriff Stand zuhalten? Wenn das aber nicht der Fall wäre, welchen Nutzen hätten wir dann von dem Versuch, die Nachteile eines gestörten militärischen Gleichgewichtes in diesem Raum wieder gut zu machen? In Neu Delhi brachte Ministerpräsident Nehru ganz ähnliche Besorgnisse über das erhöhte Risiko eines Konfliktes zwischen Pakistan und Indien und Pakistan und Afghanistan zum Ausdruck. Man kann natürlich als Amerikaner seine Gesprächspartner fragen, wie ich dies getan habe, ob die von Pakistan drohende Gefahr, selbst wenn sie wirklich eine echte ist, in ihrem Ausmaß der vom Norden drohenden Gefahr gleichkommt. Man stößt jedoch bei solchen Argumenten auf keinerlei Zustimmung. Kaschmir und das Pushtun-Gebiet sind zu nahe und berühren in ihrer Problematik zu unmittelbar. Auf die kritische Bemerkung, daß der Bagdad-Pakt politisch für den Westen eine Belastung, militärisch aber ein höchst zweifelhaftes Plus darstelle, konnte ich meinen Gesprächspartnern keine sehr überzeugende Antwort erteilen.
Wie steht es nun eigentlich mit dieser Pushtun-Frage, durch die die Gemüter in Afghanistan so erregt werden, daß zum Beispiel eine Massenansammlung im März 195 5 die Pakistanische Botschaft in Kabul angriff, und Pakistan seinerseits als Vergeltung über Afghanistan eine Blockade verhängte, indem es die traditionellen Handelsrouten dieses Landes mit der Außenwelt fünf Monate lang blockierte und somit eine Lage herbeiführte, die beide Länder sehr nah an den Rand eines Krieges brachte?
Im folgenden mögen einige wenige — mehr können es im Rahmen dieser Untersuchung nicht sein — relevante Tatsachen angeführt werden: Es gibt zu beiden Seiten der afghanisch-pakistanischen Grenze die Pushtun (oder Pathan) Stämme, und zwar vier Millionen nördlich, und 5 Millionen südlich dieser Grenze. Die im Süden bewohnen einen Streifen, der zur Zeit der britischen Oberherrschaft zu einen Teil die Nordwest-Grenz-Provinz hieß, und zum anderen als das sogenannte „Stammesgebiet" bezeichnet wurde, das niemals ganz unterworfen, geschweige denn administrativ organisiert worden war. Die afghanische Regierung widersetzt sich nun Pakistans erklärter Absicht, die Stämme südlich der Grenze in den heutigen, vereinigten pakistanischen Staat zu integrieren. Vielmehr verlangt Afghanistan für diese Stämme den Status der Unabhängigkeit, oder aber der Autonomie. Um die Dinge sozusagen abzurunden, zählt Afghanistan Baluchistan bis hin zur Meeresküste dazu, obwohl dieses Gebiet gar nicht von Pushtuns bewohnt wird. Zur Rechtfertigung ihrer Einmischung in ganz offensichtlich interne Angelegenheiten Pakistans bedient sich Afghanistan des Argumentes, daß mehrere Millionen der Stammesangehörigen Nomaden sind, die im Frühling und Herbst zwischen Gebirge und Steppe hin und her wandern, ohne dabei auf irgendwelche politischen Grenzen Rücksicht zu nehmen. Tatsächlich sind die Gebirgspässe, wenn die Stämme „unterwegs“ sind, vollgestopft mit Kamelen und Mauleseln, die zum Transport der Kinder und des Haus-rates verwendet werden; die Höhenzüge sind dann übersät mit den charakteristischen schwarzen Zelten. Keiner dieser Menschen hat natürlich so etwas wie einen Paß. Schließlich muß noch die afghanische Behauptung erwähnt werden, daß die Afghanische Regierung des Jahres 1883 — damals wurde die derzeitige Grenze festgelegt — ihre Zustimmung nur unter starkem britischen Druck erteilte, und daher die ganze Abmachung auch mit dem Abzug der Briten als erloschen anzusehen sei.
Pakistan beantwortet solche Argumente immer mit der Feststellung, daß es als eine der Nachfolgerstaaten des früheren Britisch-Indien auch die Rechte dieses Staates übernommen hat.
Pakistan macht geltend, daß es die Verwaltung seiner Territorien in jeder Weise nach eigenem Gutdünken aufzubauc . beabsichtige, und jeder afghanische Versuch, „freie Regierungen“ unter den Stämmen südlich der Grenze zu organisieren, einen feindseligen Akt darstelle. Schließlich weist Pakistan darauf hin, daß die „Du-rand-Linie“ (so genannt nach dem früheren britischen Unterhändler des Jahres 1803) alles andere als einen vorläufigen Charakter hatte und später ja auch von Afghanistan wiederholt anerkannt worden ist: so etwa im Jahre 1921 durch den anglo-afghanischen Vertrag. Auch im Jahre 1930 wurde die Gültigkeit des Vertrages von 1893 durch Nadir Shah, den Vater des jetzigen Königs, in einem Austausch von Briefen mit der Regierung von Indien erneut bestätigt. Der ganze Disput hat noch viele andere Aspekte sowohl historischer wie rechtlicher Natur, auf die aber hier nicht näher eingegangen zu werden braucht *).
Was die historischen betrifft, so mag noch darauf verwiesen werden, daß ein Teil des heute zu Pakistan zählenden Stammesgebietes früher eindeutig unter der Oberherrschaft von Kabul stand, und daß Afghanistan sogar schon vor dem Abzug der Briten einen besonderen Status für diese Gebiete gefordert hatte — allerdings ohne Erfolg. Vom rechtlichen Standpunkt schließlich mag noch angeführt werden, daß die meisten Experten auf dem Gebiet des Internationalen Rechtes Pakistans Anspruch auf die Rechtsnachfolge Großbritanniens zweifellos stützen würden. Im Augenblick übt tatsächlich weder die eine noch die andere Regierung eine vollkommene Kontrolle über die Stämme auf ihrer Seite der Grenze aus.
Forderung nach einer gemeinsamen Basis
Unter diesen Umständen besteht für eine fremde Regierung wie die unsrige keinerlei Grund, sich die Argumentation einer der beiden Seiten völlig zu eigen zu machen. In unserem Interesse liegt es lediglich festzustellen, ob nicht doch eine gemeinsame Basis der Interessen gefunden werden kann, damit die beiden Länder trotz ihrer augenblicklich leidenschaftlichen Antipathie zusammenkommen können. Auf dieser Linie hat sich tatsächlich die amerikanische Politik ganz allgemein bewegt. Man wird hier allerdings hinzufügen müssen, daß wir diese Politik bis zu dem kürzlich erfolgten Wechsel in unserer diplomatischen Vertretung in Kabul nicht mit sehr viel Phantasie und Nachdruck verfolgt haben. Präsident Mirza von Pakistan soll bald dem König Zahir einen Besuch abstatten. Vielleicht können beide Männer dann eine gemeinsame Grundlage zur Überwindung ihrer bisherigen Rivalität finden. Allerdings haben ihre Vertreter erst kürzlich sowohl in der Öffentlichkeit wie auch privat Erklärungen abgegeben, die nur als äußerst inkonziliant bezeichnet werden können. Ein Freund beider Parteien müßte in seinen Bemühungen wahrscheinlich alleine davon ausgehen, daß er seine Hilfe bei der Überwindung einiger praktischer Auswirkungen des gegenwätigen „Patt“ anbietet. Pakistans Blockade des afghanischen Handels hat aufgehört. Dennoch wird der Güter-verkehr zwischen Afghanistan und Karatschi (dem nächsten Hafen) weiter — und zweifellos absichtlich — gebremst. Die Afghaner haben daher jetzt angefangen, ihren Außenhandel so weit wie möglich durch Sowjetrußland zu leiten.
Die Russen haben sich natürlich sehr beeilt, diese Umleitung so leicht durchführbar und so wirtschaftlich wie nur irgendmöglich zu gestalten. Sie hoffen dabei natürlich, daß sich dieser Zustand verewigen läßt.
So kann man z. B. jetzt von Kabul nach Berlin mit der sowjetischen Aeroflot für ungefähr 170 Dollar fliegen, während man in der Touristenklasse einer der westlichen Fluggesellschaften von Karatschi nach Frankfurt genau doppelt so viel zahlen muß. Die Sowjets haben auch die Reisezeiten der von Europa bis zur afghanischen Grenze durchgehenden Züge herabgesetzt und sind jetzt dabei, neue Umschlagplätze in Häfen am Oxysfluß zu konstruieren. Von da ist allerdings die Reise auf der Straße über den Hindukush-Paß nach Kabul und zu anderen Verkehrszentren im Süden des Landes lang und unwahrscheinlich beschwerlich, so daß ein großer Verschleiß an Maschinen und ähnlichen schweren Gütern eintritt. Der Seeweg über Karatschi ist jedoch unter den gegenwärtigen Verhältnissen noch schlimmer. Erst treten unberechenbare Verzögerungen beim Ausladen und bei den Zollabfertigungen in Karatschi ein; dann kommt die Eisenbahnfahrt bis Peshawar — wo man auf neue Verzögerungen stößt — und schließlich der Straßentransport über den Khyber-Paß. Während die Ladung am Quai oder auf Abstellgleise wartet, verrosten Maschinen und verkommen Güter, so daß der Wert einer Schiffsladung im Endeffekt oft um die Hälfte vermindert wird. Unter diesen Umständen würden die Vereinigten Staaten allen Beteiligten den nützlichsten Dienst erweisen, wenn es ihnen gelänge, einen modus vivendi auszuarbeiten, der beiden Parteien eine „Koexistenz“ mit wenigen Reibungsflächen ermöglichen würde, ohne daß ihre eigentliche Streitfrage bereits geregelt worden ist.
Zu einem solchen modus vivendi könnten beitragen: die Schaffung eines Freihafens für den afghanischen Handel in Karatschi, ein größerer Eisenbahnwagen-Park auf der Bahnlinie Karatschi—Peshawar, eine Weiterführung der augenblicklichen Khyber-Paß-Bahnlinie direkt bis in afghanisches Gebiet hinein und schließlich eine Aufbesserung der Straßenverhältnisse für LKWs von diesem neuen Punkt aus durch das ganze afghanische Gebiet hindurch.
Die Vereinigten Staaten können bei solchen Unternehmungen finanziell helfen. Man würde dabei weder von der einen noch von der anderen Seite verlangen, daß die in den „StammesKonflikt“ eingenommene Haltung aufgegeben wird. Vielmehr wüide man diesen Konflikt als zur Zeit nur durch einen Krieg lösbar stillschweigend übergehen; ein Krieg würde ja vermutlich keine der beiden Seiten auf sich nehmen wollen. Die Vereinigten Staaten sind durchaus in der Lage, zur Herbeiführung eines solchen modus vivendi entscheidend beizutragen. Einmal beliefern die Vereinigten Staaten Pakistan mit Militärhilfe. Zweifellos würde Pakistan eine Verzögerung bei der Lieferung dieser Hilfe nicht sehr gerne sehen. Zum anderen ist Prinz Daud wiederholt darauf aus gewesen zu demonstrieren, daß er zwischen Rußland und dem Westen eine Mittelstellung einnimmt und diese Stellung auch weiterhin zu halten gedenkt. Er weiß, daß es sich hierbei um eine Vorbedingung handelt, ohne deren Erfüllung mit einer endgültigen amerikanischen Zustimmung zu bestimmten Unterstützungsprogrammen die kürzlich in Washington zur Diskussion standen, nicht zu rechnen ist.
Was können die Vereinigten Staaten nun praktisch vorschlagen? Zum ersten: daß wir Afghanistan bei dem Ausbau eines Inland-Flugnetzes helfen. Dabei könnten einige der Flugplätze benutzt werden, die jetzt mit Hilfe der sowjetischen Anleihe konstruiert werden sollen. Wir könnten auch Viermotorige Flugzeuge zur Verfügung stellen, damit ein afghanischer internationaler Flugdienst eingerichtet werden kann, der den besten afghanischen Flugplatz Kandahar etwa mit Beirut und Jiddah im Westen, und mit Bombay im Süden verbinden würde. Ferner müßte eine neue topographische Übersicht des riesigen Helmand-Tal Neulandbeschaffungs-und Neusiedlungsprojektes durchgeführt werden. Die laufenden Kosten dieses Projektes verschlingen heute rd. ein Drittel der Jahreseinnahmen der afghanischen Regierung. Das Projekt wurde seinerzeit durch Anleihen der Export-Importbank finanziert und wird nunmehr unter sehr beträchtlichen Schwierigkeiten durch eine private amerikanische Konstruktionsfirma Morrison-Knudsen weiter vor-angetrieben. Anscheinend übersah die afghanische Regierung das gewaltige Ausmaß der Aufgabe nicht ganz, als sie seinerzeit die Anleihe ansorderte und der Firma Morrison-Knudsen den Auftrag erteilte. Aus einer zu großen Unerfahrenheit heraus übersah die afghanische Regierung ferner, daß mit dem Fortschreiten dieser Arbeit zwangsläufig ein Prozeß der sozialen Anpassung in diesem Raum eintreten mußte; auch die Export-Importbank scheint das Unternehmen unter zu engen Gesichtspunkten betrachtet zu haben. Die Regierung der Vereinigten Staaten ist nicht direkt in die Angelegenheit verwickelt. Jedoch steht amerikanisches Prestige, nicht nur in Afghanistan, sondern in ganz Asien hier auf dem Spiel. Der Zeitpunkt für eine erneute Überprüfung des gesamten Projektes mit allen seinen Aspekten ist jetzt gekommen. Das gilt nicht nur für die praktischen Probleme, die sich aus der Schaffung von neuem Agrarland, neuer Anlagen der Energie-versorgung, neuen Staudämme usw. ergeben, sondern auch für die sozialen Auswirkungen, die auf lange Sicht gesehen für das Leben des ganzen Landes nicht ausbleiben werden. Die Vereinigten Staaten sollten ihre Hilfe bei der Erstellung einer fachmännischen und allumfassenden topographischen Übersicht anbieten und gleichzeitig einen Teil der dafür notwendigen Finanzierungsmittel bereitstellen. Die afghanische Regierung ihrerseits täte gut daran davon auszugehen, daß eine solche Hilfe von Amerika wahrscheinlich eher angeboten würde, wenn der augenblickliche Konflikt mit Pakistan entschärft wird.
Jeder Versuch, die beiden Länder — Pakistan und Afghanistan — auch nur in einem begrenzten LImfang an einen Tisch zu bringen, wird selbstverständlich auf einen erbitterten Widerstand von Seiten der Sowjets stoßen. Bulganin ließ die sowjetische Katze aus dem Sack, als er in Kabul erklärte: „Wir glauben, daß Afghanistans Forderungen, der Bevölkerung der Pushtun-Stämme Gelegenheit zur freien Bekundung ihres Willens zu geben, wirklich gerechtfertigt ist“. Die Sowjets werden versuchen, die Afghanen zu einer Versteifung ihrer Haltung zu bewegen, indem sie ihrerseits Wettbewerbs-Angebote der Wirtschaftshilfe machen. Vielleicht werden sie auch versteckte Drohungen aussprechen. Die amerikanische Antwort auf die erste der beiden möglichen Methoden sollte meines Erachtens in der Erklärung bestehen, daß wir eine Unterstützung der rückständigen Länder von keiner Seite, das heißt also auch nicht von der Sowjetunion, ablehnen, vorausgesetzt allerdings, daß durch die Annahme einer solchen Hilfe die politische Handlungsfreiheit des betreffenden Landes nicht beeinträchtigt wird, und die Hilfsmaßnahmen nicht mit einer Zinsschuld belastet werden, die das betreffende Land, wenn es die Dinge realistisch betrachtet, niemals zurückzahlen könnte.
Sollten die Sowjets jedoch mit Drohungen operieren, dann müßten wir erklären, daß wir uns als Mitgliedstaat der LIN nur dann gegen den Angreifer auf die Seite des bedrohten Landes stellen werden, wenn dieses Land, — wie das die jetzige afghanische Regierung angeblich vorhat — tatsächlich selber Widerstand leistet. Bei seinem Besuch in Neu Delhi unmittelbar nach der SEATO-Konferenz von Karatschi gab Außenminister Dulles vor der Presse eine Erklärung ab, die in ganz Indien bekannt wurde und weitgehend den ungünstigen Eindruck wieder wettmachte, der durch die Hinweise auf die Kaschmir-und Pushtun-Fragen im Schlußkommunique hervorgerufen worden war. Der Außenminister versicherte der indischen Regierung und dem indischen Volk, daß wir zwar die militärische Verteidigungsbereitschaft Pakistans gegen eine mögliche sowjetische Aggression zu verbessern wünschen, dies aber keineswegs einer Unterstützung Pakistans „unter allen Umständen“ (right or wrong) gleich komme. Sollte
Pakistan jemals seine neu erworbene „Stärke“ dazu benutzen, um Indien zu bedrohen oder anzugreifen, so „würden die Vereinigten Staaten gemäß der LIN Charta Indien unterstützen“. Im März protestierte Afghanistan formell bei den SEATO Mächten gegen eine Einmischung in den Streit mit Pakistan. Dieser Protest wurde bei allen Mitgliedstaaten der UN hinterlegt. Die afghanische Regierung ersuchte jedoch die LIN in keiner Weise um irgendwelche Maßnahmen und gab zu verstehen, daß sie den Pushtun Streitfall nicht bis zu einer Krise vorwärts zu treiben wünscht. Sollte Afghanistan wirklich eines Tages einen pakistanischen Angriff zu befürchten haben, so würde es vielleicht die Vereinigten Staaten um eine ähnliche Versicherung bitten, wie sie von Außenminister Dulles gegenüber Indien abgegeben wurde.
Die Auslandshilfe
Ein Besucher der unterentwickelten Länder des Nahen Ostens und Asiens kehrt zwangsläufig mit der traurigen Überzeugung nach Hause zurück, daß alle guten Absichten unseres Auslandshilfeprogrammes und alle großen Geldbeträge, die von uns für dieses Programm ausgegeben worden sind, in keiner Weise für uns die erhofften Resultate gezeitigt haben. Bestenfalls sind die Beziehungen zwischen dem großen „Wohltäter“ und dem „Empfänger“ schwieriger und undankbarer Natur. Wenn man hilft, wird man vielleicht verurteilt, — wenn man nicht hilft, dann ganz bestimmt. Ein Beispiel dafür ergab sich kürzlich in Ceylon nach dem Sturz einer pro-westlichen Regierung. Washington beeilte sich bekannt zu geben, daß die LISA trotz dieses Regierungswechsels die in einer Flöhe von 5 Millionen Dollar vorgesehene Wirtschaftshilfe leisten würden. Daraufhin druckte eine führende indische Zeitung eine Karikatur ab, die den neuen Ministerpräsidenten von Ceylon zeigt, wie er eine Girlande von Außenminister Dulles empfängt, während eine Schlinge durch die Blumen nur halb verdeckt wird. Man kann sich gut vorstellen, welche bissigen Kommentare abgegeben worden wären, wenn die LISA den gegenteiligen Kurs eingeschlagen, d. h. ihr Angebot einer bescheidenen Wirtschaftshilfe zurückgezogen hätten mit dem Argument, daß jetzt eine weniger freundliche Regierung an die Macht gekommen sei. Man hätte einen solchen Schritt als einen eindeutigen Beweis dafür angesehen, daß wir nur gewillt sind, Regimen zu helfen, die sich uns unterordnen, und von denen wir irgendeine'unpatriotische Gegenleistung für uns erhoffen.
Wir sollten daher unser Auslandshilfeprogramm ganz allgemein verständlich machen und überall nach den gleichen Prinzipien verfahren.
Wie oft ist diese Forderung schon von Publizisten in den letzten Jahren erhoben worden.
Llnsere Politik in Afghanistan — die ja das besondere Thema dieser Abhandlung ist — sollte dann mit den neuen Richtlinien dieser Auslandshilfe in Einklang gebracht werden.
Eine erste Regel sollte die sein, daß das Ausmaß der Wirtschaftshilfe nicht die Kapazität des Empfängers überschreiten darf, diese Hilfe auch nutzbringend zu verkraften. Der „Sättigungs-Punkt“ in dem jeweiligen Land sollte nicht nur auf der Basis allein der von uns in Aussicht gestellten Hilfe errechnet werden, sondern auf der Basis der gesamten Auslandshilfe, die das betreffende Land bereits erhalten hat, oder die ihm versprochen wurde. In unserer Festlegung der als „sicher“ anzusehenden finanziellen Höchstgrenze sollten wir nicht nur die finanzielle Belastung in Rechnung stellen, sondern auch das Entwicklungsstadium des jeweiligen Landes auf den Gebieten der Wirtschaft, und der Erziehung sowie der sozialen Verhältnisse. So sollten wir z. B. vorher genau überlegen, ob eine genügende Anzahl von ausländischen Experten verfügbar sein wird, und zwar nicht nur für die verwaltungstechnische Abwicklung des Programmes, sondern auch für die Ausbildung des einheimischen Nachwuchses. Auch sollten wir überprüfen, ob diese Experten in ihrer Aufgabe nicht durch örtliche Erziehungs-und Sozialfaktoren zum Scheitern verurteilt sein würden. Wir sollten ferner auf keinen Fall mit der Sowjetunion oder irgendeinem anderen Staat in einen offenen Wettbewerb um das Vorrecht der Gewährung von Wirtschaftshilfe eintreten. Wir sollten diese Hilfe vielmehr für ganz bestimmte Zwecke anbieten, die sich im Rahmen unserer eigenen Kapazität-wie der des Empfängerstaates halten muß.
Im Rahmen dieser einschränkenden Richtlinien sollten wir dann die Auslandshilfe zu den großzügigsten Bedingungen anbieten. Wenn wir diese Bedingungen einmal genannt und dem betreffenden Staat angeboten haben, dann sollten wir sie nicht später modifizieren, um etwa ein Angebot von anderer Seite zu überbieten. Wir sollten hinzufügen, daß die Annahme einer Wirtschaftshilfe von einem anderen Staat nicht an und für sich unsere Gefühle der Freundschaft oder unsere Hilfsbereitschaft herabmindern wird, ja nicht einmal die Bereitschaft, zusätzliche Wirtschaftshilfe zu gewähren, immer vorausgesetzt, daß dadurch der „Sättigungst-Punkt" des betreffenden Landes nicht überschritten wird. Wenn letzteres aber der Fall ist, oder aber wenn die Bedingungen, unter anderenten Grundsätzen nun in besonderem auf Afgha-Staat wir nistan auswirken? Es hat den Anschein, als ob leisten, innerhalb unserer eigenen Regierung einige Anwendung darüber bestehen, gewährleisten wichtig es für uns ist, daß Afghanistan durch nicht in den sowjetischen Block abgleitet. Einige propagandistisehen sind der Ansicht, daß abgelegene und einer zusätzlichen Länder nicht mehr als eine Art Denn „Grundbesitzwert" darstellen, und daß wir uns Vorteile daher nur wenig anstrengen und überhaupt und kein Geld ausgeben sollten, um solchen Ländern betreffenden bei der Wahrung ihrer Unabhängigkeit zu Vorteile Diese Militärs fügen solchen Argumenten dann schnell hinzu, daß ihre Haltung nicht unserer etwa einer Abneigung gegen die Unabhängigkeit solcher Länder, oder aber einem Wunsch unterentwickelten diese Unabhängigkeit unsererseits die Entdeckung Vielmehr seien sie der Ansicht, Wirklichkeit wir uns nicht aus sentimentalen Erwägungen oder altmodischen, strategischen Konzeptionen heraus von unseren Vorbereitungen für Propaganda Durchführung wirklich lebenswichtiger Aufgaben in strategisch kritischen Gebieten ablenken lassen dürfen. Diese Fachleute gehen „durchleuchtet“ der Annahme aus, daß ein neuer Weltkrieg Ägypter nicht in Afghanistan — oder auch nur in der ihre, für Nähe — ausgefochten werden würde, und daß getauschte geographische Barrieren wie die Hindukush oder zu Preisen im Zeitalter der Luft-und normalen Atomherrschaft nicht einmal mehr von weiterer, sekundärer Bedeutung sind. Da auch unsere einer Kapazität zum Geben begrenzt ist. — argumentiert man weiter — müssen wir alles, was wir daß überhaupt haben, für die Abschreckung eines Ruf der potentiellen Angreifers in den Hauptkriegsschauplätzen ausgeben und uns darauf vorbereiten, einen solchen Angreifer, wenn nötig, in der eben dort zu vernichten. denen die Wirtschaftshilfe von einem angenommen wurde, derart sind, unsererseits keine Wirtschaftshilfe mehr bzw. eine wirtschaftliche und nutzbringende dieser Wirtschaftshilfe nicht können, dann sollten wir uns keine scheinbaren politischen, oder strategischen Vorteile zu Hilfeleistung bewegen lassen. dann würden sich diese angeblichen sehr schnell als illusorisch herausstellen, zwar sowohl Vorteile, die sich uns in Land bieten könnten, wie auch in der Weltpolitik ganz allgemein.
Nebenbei bemerkt: wenn wir an Weigerung festhalten, in direkte einzutreten, dann könnten die Gebiete vielleicht bald machen, daß die Sowjetunion in gar nicht so darauf aus ist, Hauptanteil der Lasten einer Wirtschaftshilfe zu übernehmen, wie dies die sowjetische immer behauptet. Darüber hinaus vielleicht durch eine solche Haltung die sowjetischen Motive erneut werden. So waren z. B. die sehr verstimmt darüber, daß sie die tschechischen Waffenlieferungen Baumwolle auf dem Markt in Brüssel wieder auftauchen sahen, die unter Weltmarktpreisen lagen. Ein sozusagen nebenbei anfallender, Vorteil sowjetischen Beteiligung an Auslandshilfeprogrammen wäre für uns darin zu erblicken, der heute in Asien weit verbreitete Sowjetunion, ein weiser und beratender zu sein, unter Umständen schwer werden könnte. So beschrieb z. B. eine „New York Times“ am 9. Mai erschienene Meldung aus Rangoon, wie sich eine unvorstellbar große Menge von Zementsäcken aus der Sowjetunion bei den Quais in Rangoon stapelte, und dadurch nicht nur das Ausladen von dringend benötigten Konsumgütern lahmgelegt wurde, sondern dazu noch die Gefahr bestand, daß sich der Zement in der bevorstehenden Monsunperiode in eine feste Masse verwandeln würde.
Die Russen haben den Zement anscheinend auf die Reise geschickt, ohne dabei die unerfahrene Einkaufsdelegation aus Burma darauf aufmerksam gemacht zu haben, daß auch Trägerstahl und anderes Baumaterial zur Verwertung des Zements benötigt würde. Seit der unseligen Erfahrung mit diesem Tauschgeschäft — bei dem Rußland die burmesischen Reisüberschüsse erhielt — sind die unerfahrenen Burmesen etwas weniger davon überzeugt, daß sie bei dem Ausbau ihrer Wirtschaft weiterhin der Zusammenarbeit mit Rußland bedürfen. Wir Amerikaner können nicht umhin, uns ein wenig schadenfroh an solchen Geschichten zu weiden, die noch weit über das oft nur zu wahre Gerede von unseren eigenen Fehlleistungen bei der Gewährung von Wirtschaftshilfe in ungewohnten Verhältnissen weit weg von zu Hause, hinausgehen.
Wie würde sich die Durchführung einer Politik der Auslandshilfe nach den hier entwickelDem setzen wiederum andere Kritiker entgegen, daß wir unsere militärischen Probleme nicht losgelöst von den politischen betrachten können: daß die Stabilität und Unabhängigkeit solcher Länder wie Indien und Pakistan in dem Gesamtrahmen der Weltlage Faktoren von gar nicht abschätzbarer Bedeutung darstellen: sollten nämlich diese beiden Länder zu der Auffassung gelangen, daß die Vereinigten Staaten Afghanistan ohne den Versuch einer Hilfe-leistung den Rücken kehren, dann — so argumentiert man in diesen Kreisen — wird Indien immer mehr versuchen, mit dem „Strom der Zukunft“ zu schwimmen (oder mit dem, was es dafür hält), während Pakistan einen verspäteten Versuch zur eigenen Rettung unternehmen wird, in dem es aus dem Bagdadpakt ausscheidet und sich mit der scheinbar unbesiegbaren Macht der Sowjetunion so gut wie nur irgend möglich arrangiert.
Die zweite der hier angeführten Meinungsgruppen wird wahrscheinlich in Washington heute stärker unterstützt als zu irgendeiner anderen Zeit in der jüngsten Vergangenheit. Die Argumente dieser Gruppe umreißen offensichtlich die für uns einzig richtige Einstellung, und zwar sowohl vom realistischen wie vom moralischen Standpunkt aus. Das gilt aber eben nur unter den oben erwähnten Bedingungen und nur bis zu dem oben erwähnten skizzierten Punkt.
Um es noch einmal in Bezug auf Afghanistan zu wiederholen: Voraussetzung ist. daß die Afghanen, die sich aufrichtig vor jeweder Fremdherrschaft schützen wollen, in ihren Maßnahmen zur Vermeidung von Gefahren genau so klug und vorausschauend sind, wie sie im Augenblick einer Krise mutig sein müßten, solchen Gefahren zu begegnen. Was den Punkt anbelangt, über den hinaus wir nicht gehen könnten,, so ist es eben der oben bereits erwähnte „Sättigungspunkt“, der erreicht wäre, wenn die russische Hilfe so massiv und so absorbierend geworden ist, daß es Afghanistan durch Moskau tatsächlich unmöglich gemacht würde, sich aus der Schlinge wieder herauszuziehen. Dieser Punkt ist bereits gefährlich nahe. Wie lange werden uns die Sowjets noch gestatten, eine Wirtschaftshilfe zu leisten, die den Wert ihrer eigenen herabmindert, oder auch einen Handel zu treiben, der mit dem ihren in Konkurrenz steht? Diesem Dilemma wird sich Prinz Daud bald gegenüber sehen.
Wenn jetzt Afghanistan alles, was es überhaupt nur an Zahlungen leisten kann, für die Zinsen der sowjetischen Anleihe in Waren ausgeben muß — und zwar in Karakulhäuten, für die der wichtigste Markt heute New York ist, so wie in Baumwolle und Wolle — was wird dann noch übrig bleiben, um mit uns oder irgendeinem anderen Land außerhalb des Sowjetblocks Handel zu treiben? Wird Afghanistan nicht genau so unentrinnbar an die kommunistische Welt gebunden sein, wie das etwa die Donaustaaten auf Grund des deutschen Handelsmonopoles gegenüber der Nazi-Welt waren?
Die Omen sind somit nicht sehr vielversprechend. Die Afghanen sind jedoch ein zähes Volk. Es ist daher möglich, daß sogar das raffinierte Programm, auf das sich die Sowjetunion zur wirtschaftlichen und finanziellen „Entwaffnung" des Landes scheinbar festgelegt hat, nicht zu einem Erfolg führen wird. Es steht nicht in unserer Macht, ein solches Resultat unter allen Umständen sicherzustellen. Wir können jedoch die afghanischen Staatsmänner davon zu überzeugen suchen, daß sie nicht allein stehen; wir können weiter in bescheidenem Rahmen Hilfe gewähren und der afghanischen Regierung somit Zeit lassen, den richtigen Standort zu wählen. Vielleicht können wir dieser Regierung auch politisch einen Dienst erweisen. Und wir können schließlich vor weiteren Schritten warnen, die nahezu automatisch darin enden würden, daß Afghanistan in die Hände eines ausländischen Staates fällt. Das ließe sich nicht mehr verhindern, selbst wenn Afghanistan im letzten Augenblick versuchen würde, dieser auf das Land zukommenden Gefahr zu entgehen.
Anmerkung:
Paul-Henri Spaak, Außenminister Belgiens, Generalsekretär der NATO.
Hamilton Fish Armstrong, Editor der amerikanischen Zeitschrift „Foreign Affairs".