Die Tatsache, daß Rußland das erste Land gewesen ist, in dem es den Anhängern der marxistischen Lehre gelungen ist, eine soziale Umwälzung großen Stiles herbeizuführen, hat uns gelehrt, daß entgegen der seinerzeit von Marx vertretenen Auffassung ein rückständiges Agrarland offenbar für die revolutionären Zielsetzungen des Kommunismus günstigere Voraussetzungen bietet als ein hochentwickelter Industriestaat. Der weitere Verlauf der geschichtliehen Ereignisse scheint diese Schlußfolgerung zu bestätigen. China, das zweite große Land, in dem es gelungen ist, ein kommunistisches Regime von innen heraus zur Macht zu führen, war zur Zeit des Umschwunges ebenfalls ein Agrarland mit einer rüdeständigen Agrarverfassung. In einigen anderen Ländern, in denen der Kommunismus zur Macht gelangte, ist das neue Regime durch Einwirkung von außen eingesetzt worden, ein Vorgang, aus dem sich keine Rüdeschlüsse herleiten lassen, inwieweit die strukturellen Verhältnisse dieser Länder die Machtergreifung durch den Kommunismus begünstigt haben.
Die Agrarfrage im Revolutionsgeschehen
Für die Tatsache, daß ein Agrarland mit rüdeständiger Agrarverfassung für die Machtergreifung durch eine zu revolutionärem Handeln entschlossene kommunistische Partei günstige Voraussetzung bietet, lassen sich verschiedene Gründe anführen. Zunächst kann man feststellen, daß es im Moment der Machtergreifung nicht darauf ankommt, ob die Mehrheit der Bevölkerung des betreffenden Landes für den Kommunismus gewonnen ist oder durch ihre soziale Notlage leicht gewonnen werden kann, sondern es genügt, wenn die breiten Massen im entscheidenden Stadium der Konsolidierung des kommunistischen Regimes neutralisiert, d. h. von gegenrevolutionärem Handeln abgehalten werden können. In Agrarländern leben die breiten Massen von der Landwirtschaft. In Rußland gehörten bei Beginn der bolschewistischen Revolution über 80 Prozent der Bevölkerung zum Bauernstand, und in China lagen die Verhältnisse zur Zeit des revolutionären Umschwunges ähnlich. In beiden Ländern waren aber im Anfangsstadium des kommunistischen Regimes die Bauern, d. h. die breiten Massen der Bevölkerung, keineswegs Kommunisten, was im übrigen auch für die spätere Zeit, vielleicht sogar in verstärktem Maße gilt. Das ist verständlich, da ja die bäuerliche Lebensauffassung überall in der Welt durch einen ausgeprägten Besitz-instinkt und einen starken Individualismus gekennzeichnet ist. In beiden Ländern waren jedoch durch versäumte oder verspätete Agrarreformen die sozialen Spannungen auf dem Lande so groß, daß es für die Kommunisten ein leichtes war, durch die längst fällige Beseitigung noch vorhandener Feudalzustände sich Sympathien bei der Landbevölkerung zu verschaffen und diese dadurch zunächst zu neutralisieren.
Als dann in Rußland in einem späteren Stadium die ablehnende Haltung der Bauernschaft deutlich in Erscheinung trat, war das kommunistische Regime bereits hinreichend konsolidiert, um dieser, zeitweise allerdings bedrohlich werdenden, Gefahr begegnen zu können.
Als ein zweites Moment, das in rückständigen Agrarländern für kommunistische Zielsetzungen günstige Voraussetzungen schafft, ist die technische Rückständigkeit anzusehen, die für unentwickelte Kleinbauernländer kennzeichnend ist. Das marxistische Dogma, das den wirtschaftspolitischen Zielsetzungen in kommunistisch regierten Ländern zugrunde liegt, geht aus von der materialistischen Geschichtsauffassung und von der Vorstellung, daß die moderne Technik zwangsläufig zur Großbetriebsform hinführe, die nach Beseitigung des Privateigentums an den Produktionsmitteln die Einordnung aller Menschen in staatlich gelenkte Wirtschaftsund Sozialgebilde ermögliche. Je größer die technische Rückständigkeit, desto größere Wirkungen müßten nach kommunistischer Auffassung erzielbar sein, wenn man an die Stelle individualistischer Kleinbetriebe kollektivistische oder Staatliche Großbetriebe setzt und damit die technischen Mittel der Neuzeit in vollem Umfange zur Anwendung bringen kann.
Wenn das die Lehren sind, die man aus dem Ablauf der revolutionären Geschehnisse in Ruß-land und China ziehen kann, so ist es nicht verwunderlich, daß die Behandlung der Agrarfrage bei der im letzten Jahrzehnt erfolgten territorialen Ausweitung des kommunistischen Herrschaftsbereiches eine ganz hervorragende Rolle gespielt hat. Überall dort, wo der Kommunismus durch militärische Aktionen in neuen Gebieten Fuß gefaßt hat, war eine seiner ersten Maßnahmen auf den Umsturz der bestehenden ländlichen Sozialordnung gerichtet. Sowohl in den osteuropäischen Ländern als auch in Nord-korea und Nordvietnam hat man sofort nach der Einführung des kommunistischen Regimes eine radikale Bodenreform vorgenommen und den vorhandenen Großgrundbesitz entschädigungslos enteignet, wobei man im Grundsatz nach dem Muster der bolschewistischen Revolution vorging. Auch in der Sowjetzone Deutschlands ist man in dieser Weise vorgegangen, und selbst die in den ersten Nachkriegsjahren in Westdeutschland durchgeführten Maßnahmen der Bodenreform standen bekanntlich sehr stark unter dem Einfluß der im interalliierten Kontrollrat zusammengefaßten vier Besatzungsmächte, darunter auch der sowjetischen Besatzungsmacht. In allen Fällen wurde in den kommunistisch beherrschten Ländern die beabsichtigte Wirkung der Bodenreform, nämlich die Sympathien der Bauernbevölkerung im entscheidenden Stadium zu gewinnen, zunächst erreicht. Als man dann auch in diesen Ländern nach dem sowjetischen Beispiel den zweiten Schritt wagte und die Kol-lektivierung der Landwirtschaft in die Wege leitete, zeigte sich, daß die Agrarfrage durch eine radikale Bodenreform noch keineswegs gelöst ist, sondern sich nun erst in aller Schärfe als eines der Hauptprobleme herausstellt, mit dem sich die kommunistischen Länder auseinanderzusetzen haben.
Mängel der asiatischen Agrarzustände
Wenn man aus dieser Perspektive heraus die Agrarzustände in den nichtkommunistischen Ländern des asiatischen Kontinents betrachtet, so kommt man zu der Erkenntnis, daß diese Länder der Gefahr eines Vordringens des Kommunismus am stärksten ausgesetzt sind. Sowohl die noch bestehenden feudalen oder halb-feudalen Bestandteile einer mittelalterlichen Agrarverfassung, als auch die technische Rückständigkeit der kleinbäuerlichen Betriebe schaffen jene günstigen Voraussetzungen für eine revolutionäre Umwälzung nach kommunistischem Muster, wie sie eingangs geschildert wurden. Dazu kommt, daß maßgebliche Kreise der intelligenten Oberschicht in einigen dieser Länder überzeugte Sozialisten sind und daher mit gewissen Erscheinungsformen der Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung kommunistischer Länder sympathisieren, wenn sie auch den Kommunismus als solchen grundsätzlich ablehnen.
Das Vordringen des kommunistischen Herrschaftssystems in Asien kann man vielleicht als das bedeutsamste Ereignis des eben abgeschlossenen ersten Jahrzehnts der Nachkriegszeit bezeichnen.
Erst dadurch ist die entscheidende Frage akut geworden, ob dem Kommunismus in Asien ein Damm gesetzt werden kann. Gelingt es dem Kommunismus, nachdem er sich bereits Chinas, Nordkoreas und Nordvietnams bemächtigt hat, auch die Menschenmassen der übrigen Länder Asiens in seinen Bann zu ziehen, so steht der Rest der Menschheit einem erdrückenden zahlenmäßigen Übergewicht des anderen Lagers gegenüber. Für die weitere Entwicklung würden sich daraus düstere Perspektiven ergeben.
Bei den Menschenmassen Asiens handelt es sich zum überwiegenden Teil um eine agrarische Bevölkerung. Wie sich ihr künftiges Los gestaltet hat daher für die Geschicke der Menschheit eine sehr wesentliche Bedeutung gewonnen.
Es fragt sich demnach, was geschehen kann, um in diesen Ländern die Agrarfrage einer befriedigenden Lösung entgegenzuführen, ehe es zu spät ist.
Notwendigkeit der Bodenreform
Zweifellos weist die Agrarverfassung der asiatischen Länder in ihrem heutigen Zustand Schwächen und Mängel auf, die dem Kommunismus entscheidende Trümpfe in die Hand geben. Die Beseitigung teilweise noch bestehender traditioneller Feudalzustände durch eine sinnvolle Bodenreform ist daher ein dringendes Erfordernis. Im November 1954 hat in Bangkok eine von der landwirtschaftlichen Organisation der Vereinten Nationen veranstaltete internationale Agrarkonferenz stattgefunden, in der von den Delegierten der verschiedenen asiatischen Länder über den Stand der Bodenreform berichtet wurde und die notwendigen Maßnahmen beraten wurden, die in den einzelnen Ländern zu einer Reform der ländlichen Besitzverhältnisse führen können.
Indien ist auf diesem Wege schon ziemlich weit vorangeschritten, da in allen indischen Teilstaaten die Gesetzgebung über die Bodenreform ungefähr abgeschlossen ist. Das System der Zwischenpächter, eines der größten Übel der bisherigen Agrarverfassung, ist fast vollständig beseitigt worden. Die praktische Durchführung der eigentlichen Besitzreform steckt allerdings noch in den Anfängen, da in vielen Fällen auch die Entschädigungsfrage ein wesentliches Hindernis für eine rasche Verwirklichung der Reformpläne darstellt. In Pakistan ist dagegen noch kaum etwas geschehen, zumal der politische Einfluß der grundbesitzenden Schicht hemmend wirkt. Die maßgebenden Männer sind sich aber auch hier darüber im klaren, daß eine Bodenreform aus politischen und sozialen Gründen eine unbedingte Notwendigkeit ist, und die Tagung in Bangkok hat einen neuen Anstoß in dieser Richtung gegeben.
Halbfeudale Agrarzustände stellen geradezu eine Herausforderung für den Kommunismus dar, dort den Hebel anzusetzen, wo er mit Recht am ehesten einen Erfolg erwarten kann. Aber auch dann, wenn eine Bodenreform mit letzter Konsequenz durchgeführt würde, wäre damit dem Kommunismus ein wichtiger Trumpf aus der Hand geschlagen, die Agrarfrage als solche wäre jedoch damit auch noch nicht gelöst. Es ist zu berücksichtigen, daß in den asiatischen Ländern das Land der Großgrundbesitzer oft nicht in Großbetrieben bewirtschaftet wird, sondern an kleine Pächter vergeben ist. Diese könnten wohl durch eine Bodenreform zu Eigentümern gemacht werden, ohne daß damit jedoch Land für die landhungrigen Massen gewonnen würde. Maßnahmen der Bodenreform, so wichtig und notwendig sie sind, steljen allein noch keine befriedigende Lösung der Agrarfrage dar.
Sie würden zwar die sozialen Verhältnisse erheblich verbessern und außerdem in der politischen Frontstellung gegenüber dem Kommunismus die bedorhlichste Schwäche der Position beseitigen.
Für die materielle Lage der klein-bäuerlichen Massen kann eine Bodenreform aber doch nur eine begrenzte Wirkung haben, da sie die strukturellen Mängel der Landwirtschaft, die sich aus der Kleinheit und Kapital-armut der Betriebe, der Bodenzersplitterung und den geringen Ertägen ergeben, nicht beseitigt. Die strukturellen Mängel der asiatischen Landwirtschaft sind aber auch dadurch bedingt, daß es sich zum großen Teil um Gebiete handelt, die agrarisch übervölkert sind und in denen Landnot besteht. Daneben stehen zwar dünn besiedelte Gebiete mit großem Landvorrat, wie etwa im Vorderen Orient, aber es handelt sich dabei zum großen Teil um unkultivierte Flächen, so daß das Gesamtbild der agrarischen Übervölkerung im asiatischen Kontinent dadurch nur wenig verändert wird. Tatsächlich ist das Agrarproblem der asiatischen Länder zum großen Teil ein Bevölkerungsproblem.
Agrarreformpläne, wie sie auch immer beschaffen sein mögen, können die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß zu viele Menschen pro Flächeneinheit vorhanden sind.
Im Wachstumsprozeß der Weltbevölkerung fällt der Landwirtschaft die undankbare Aufgabe zu, als Reservoir für den periodisch sich bildenden Menschenüberschuß zu dienen. Wir haben ähnliche Vorgänge in früheren Zeitabschnitten auch bei uns in Deutschland beobachtet. Diese Vorgänge haben aber bei uns deswegen nicht zu einer ständigen Verschlechterung der Lebensbedingungen in der Landwirtschaft geführt, weil einmal durch Auswanderung und dann durch Industrialisierung und Verstädterung der auf dem Lande sich stauende Menschenüberschuß immer wieder abgesogen wurde. In den asiatischen Ländern fehlt heute das Ventil der Auswanderung fast völlig. Daher auch ihre Unzufriedenheit über Einwanderungsbeschränkungen anderer Länder, wie etwa Australiens oder Südafrikas. Die inneren Wanderungsprozesse kommen zwar durch eine langsam fortschreitende Industrialisierung allmählich in Gang, sind aber bei weitem nicht stark genug, um den ländlichen Bevölkerungsdruck fühlbar zu mildern.
Die biologischen Auswirkungen der Industrialisierung und Verstädterung, die wir bei den europäischen Völkern mit besonderer Deut--lichkeit beobachten können, treten allmählich auch in den asiatischen Ländern in Erscheinung. Das durchschnittliche Heiratsalter z. B. steigt langsam an, wozu in Indien auch die Abschaffung der Kinderehe beiträgt, während die Zahl der pro Familie geborenen Kinder langsam zurückgeht. Da aber die Sterblichkeit, insbesondere die Kindersterblichkeit, durch die Fortschritte der Hygiene bisher in einem schnelleren Tempo sich vermindert, bleibt immer noch im Endergebnis nicht nur eine Zunahme der Bevölkerung, sondern auch eine steigende Zuwachs-quote bestehen. Für die nächste Zukunft ist eher mit einer Zunahme als mit einer Milderung des agrarischen Bevölkerungsdruckes zu rechnen, was für den Kommunismus, eine Chance bedeutet. Soweit das Agrarproblem der asiatischen Länder ein Problem der Übervölkerung ist, kann es aber durch isolierte Agrarmaßnahmen nicht gelöst werden, sondern nur durch Weiterentwicklung der Gesamtwirtschaft und sinnvolle Bevölkerungspolitik. An dieser Tatsache ändert sich auch nichts, wenn die Agrarstruktur nach kommunistischem Muster verändert wird, wie es heute in China der Fall ist. Es ist verwunderlich, daß man im kommunistischen China den Versuch unternimmt, das Agrarproblem durch ein getreuliches Kopieren des sowjetrussischen Vorbildes zu lösen, obwohl auch hier die Voraussetzungen ganz anders gelagert sind als seinerzeit bei Beginn der Kollektivierung in der Sowjetunion. Es ist anzunehmen, daß dieser Weg in China nicht zum Ziele führen wird, und daß die Chinesen als geistig hochstehendes Volk eine eigene Lösung des Agrarproblems finden werden, die für ihr Land besser geeignet ist als das, was die Sowjets im russischen Raum entwickelt haben.
Aber das Beispiel Chinas zeigt auch, daß es im entscheidenden Moment revolutionärer Umwälzungen nicht darauf ankommt, welche wirtschaftlichen Perspektiven sich für die großen Massen der Agrarbevölkerung dann ergeben, wenn man den Weg beschreitet, der durch die Sowjets vorgezeichnet ist. Solange die agra-rischen Zustände in den asiatischen Ländern so unbefriedigt sind, wie es gegenwärtig der Fall ist, muß man damit rechnen, daß sie für das Vordringen kommunistischer Ideen anfällig bleiben, auch wenn in den Kreisen der Intelligenz sich die Einsicht durchsetzt, daß das Agrarproblem nicht nach sowjetischem Muster gelöst werden kann.
Die agrarische Übervölkerung führt zwangsläufig zu einem sozialen Notstand breiter Massen der Agrarbevölkerung. Der Notstand könnte zwar durch ein kommunistisches Agrarsystem auch nicht behoben werden, aber er schafft einen geeigneten Nährboden für die Infiltration kommunistischer Ideen. Die in den asiatischen Ländern häufig vertretene Auffassung, daß dort, wo der religiöse Glaube in den breiten Massen in starkem Maße verankert ist, dem Kommunismus ein unüberwindlicher Damm gesetzt sei, dürfte kaum zu Recht bestehen, wenn man berücksichtigt, daß überall in der Welt Not und Elend die Menschen, unabhängig von ihrer Religion, für kommunistische Ideen zugänglich macht.
Rückständigkeit der agrarischen Produktionstechnik
Hinzu kommt, daß die technische Rückständigkeit der großen Masse kleiner Agrarproduzenten und die unzureichenden Erträge der Kleinbetriebe für die kommunistische Propaganda eine weitere große Chance darstellen, die gewöhnlich übersehen wird. Hat doch der Kommunismus inzwischen in seinem gepriesenen Musterland, nämlich in der Sowjetunion, ein neues Agrarsystem entwickelt, das er zur Beseitigung dieses Übelstandes anpreist. Er wendet sich dabei nicht an die breiten Massen der Agrarbevölkerung, sondern an deren intelligente Führungsschicht. Es ist unverkennbar, daß die propagandistische Ausstrahlung des sowjetischen Agrarsystems nicht ohne Wirkung bleibt. Die Propaganda kann auf die äußeren Merkmale dieses neuen Agrarsystems hinweisen, die durch eine moderne Maschinentechnik, zwangsweise eingeführte fortschrittliche Agrarmethoden, neue Zuchtsorten, Riesenprojekte der Neulandgewinnung und Bewässerung usw., gekennzeichnet sind. Die Kehrseite der Medaille, das niedrige Lebenshaltungsniveau der breiten Masse der sowjetischen Agrarbevölkerung und die naturgegebenen Mängel und Schwächen einer bürokratisierten Landwirtschaft, bleiben dem Außenstehenden verborgen, zumal jede authentische und zuverlässige Angabe hierüber sorgfältig vermieden wird.
Die in Moskau mit großen Mitteln aufgebaute landwirtschaftliche Dauerausstellung, die auch von maßgebenden Vertretern der asiatischen Länder besucht wird, bietet den Sowjets eine ausgezeichnete Gelegenheit, in der erwähnten Richtung progagandistisch zu wirken. Für diejenigen, die sich in den nichtkommunistischen asiatischen Ländern für die Hebung des agrarischen Produktionsniveaus verantwortlich fühlen, muß das Beispiel der Sowjetunion alarmierend wirken. Dieses Land, das in der vor-kommunistischen Zeit durch die gleiche Rückständigkeit der agrarischen Produktionstechnik gekennzeichnet war, die gegenwärtig für die asiatischen Länder typisch ist, weist heute die äußeren Merkmale einer hochmodernen, in mechanisierten Großbetrieben arbeitenden Agrarwirtschaft auf. Dieses Beispiel nachzuahmen, ohne dabei die dortigen totalitären Herrschaftsmethoden anzuwenden, die man gefühlsmäßig ablehnt, erscheint verlockend.
Das Problem der genossenschaftlichen Landbewirtschaftung
Es ist daher nicht verwunderlich, daß in mandien asiatischen Ländern auch der Gedanke Raum gewonnen hat, ob man nicht mit ähnlichen Methoden zum Ziel gelangen könne, wie sie in der Sowjetunion zur Anwendung gekommen sind und neuerdings auch im kommunistischen China Eingang finden. Man glaubt, daß eine Gemeinschaftsnutzung des Landes, wie sie in der Sowjetunion auf der Grundlage des Kolchossystems eingeführt wurde, auch auf einer echten genossenschaftlichen Basis, d. h. durch freiwilligen Zusammenschluß kleinbäuerlicher Betriebe herbeigeführt werden könnte und den Übergang zu fortschrittlichen Produktionsmethoden ermöglichen würde. Man glaubt, daß dabei auch der Grundsatz des Privateigentums am Grund und Boden aufrechterhalten werden könne, wenn man dafür sorgt, daß der individuelle bäuerliche Landbesitz auch nach dem Zusammenschluß zu landwirtschaftlichen Großbetrieben wenigstens als Besitztitel erhalten bleibt und bei der Verteilung des im Gemeinschaftsbetrieb erzielten Reinertrages berücksichtigt wird.
Es ist bezeichnend, daß z. B. in Indien seit einigen Jahren systematische Versuche mit genossenschaftlicher Landbewirtschaftung im Gange sind. Nach einer Erhebung der FAO waren dort im Jahre 1951 etwa 300 landwirtschaftliche Genossenschaftsbetriebe vorhanden, die rund 35 000 ha bewirtschafteten. Darunter befanden sich 220 Gemeinschaftsbetriebe, bei denen nur das Land vergesellschaftet ist und der Eigentumsanspruch des einzelnen Migliedes bei der Ertragsverteilung berücksichtigt wird, während die restlichen 80 reine Kollektivbetriebe darstellen, bei denen außer dem Land auch die anderen Produktionsmittel vergesellschaftet sind und die Ertragsverteilung lediglich nach der geleisteten Arbeit erfolgt. Die indische Regierung hat es bisher vermieden, offizielle Angaben über die Ergebnisse dieser genossenschaftlichen Experimente zu machen, indem sie darauf hinweist, daß noch nicht genügend Erfahrungen vorliegen, um etwas Abschließendes sagen zu können.
Es ist bezeichnend, daß es sich bei den indischen Genossenschaftsbetrieben in der Mehrzahl der Fälle um Neusiedlungen handelt, in denen eine Gruppe von Menschen von vornherein in der genossenschaftlichen Organisationsform zur Bewirtschaftung bestimmter Ländereien angesetzt wurde. Es sind also z. B. Flüchtlingsbauern aus Pakistan, denen zur genossenschaftlichen Bewirtschaftung Ländereien zugewiesen wurden, die früher den nach Pakistan emigrierten Mohammedanern gehörten. Solche genossenschaftlichen Experimente sind jedoch nicht als ein Beitrag zu dem eigentlichen Problem anzusehen, ob es in den alten Dörfern möglich ist, durch genossenschaftlichen Zusammenschluß der Bauern zu modernen Produktionsformen überzugehen. Für eine Beantwortung dieser Frage lassen sich in Indien kaum praktische Beispiele anführen.
Dasselbe gilt von Pakistan. Auch dort ist seit einigen Jahren von genossenschaftlicher Landbewirtschaftung die Rede. Aber auch hier hat man sich damit begnügen müssen, in Neu-siedlungen ein System einzuführen, das man als genossenschaftliche Landbewirtschaftung bezeichnet. So sind z. B. Flüchtlingsbauern aus Indien auf Staatsländereien in der Weise genossenschaftlich angesiedelt worden, daß man das Land an die Genossenschaft verpachtete, die es dann an die Siedler zur individuellen Bewirtschaftung weiterverpachtete. Es gibt in Pakistan gegenwärtig etwa 200 sog. landwirtschaftliche Genossenschaftsbetriebe, bei denen man aber bei näherem Zusehen feststellen mut, daß sie diesen Namen eigentlich zu Unrecht führen, insofern nämlich, als sich die Landbewirtschaftung in kleinen Einzelbetrieben in der üblichen Form vollzieht, wobei sich auch die Produktionstechnik kaum von derjenigen anderer Kleinbetriebe unterscheidet.
Offenbar sind die Sympathien, die der Gedanke der genossenschaftlichen Landbewirtschaftung in gewissen Intelligenzkreisen jener Länder findet, durch eine Reihe von Trugschlüssen bedingt. Es ist z. B. ein Irrtum, anzunehmen, daß durch den Übergang zur genossenschaftlichen Landbewirtschaftung der ländliche Bevölkerungsdruck sich vermindern würde. Er wird sich im Gegenteil vielleicht noch stärker fühlbar machen, weil der Arbeitskräftebedarf pro Flächeneinheit in einem großen Genossenschaftsbetrieb geringer sein würde als in einer Vielzahl von Kleinbetrieben. Ein anderer Trugschluß besteht darin, anzunehmen, daß man nur durch die Gemeinschaftsnutzung des Landes die Arbeitskräfte freisetzen könnte, die es errnölichen, die Industrialisierung in stärkerem Maße vorwärtszutreiben. Insofern liegen die Verhältnisse in den übervölkerten asiatischen Ländern Joch wesentlich anders als seinerzeit in der Sowjetunion. Der Menschenüberschuß auf dem Lande ist so groß, daß auf lange Jahre hinaus jeder denkbare Arbeitskräftebedarf der gewerblichen Wirtschaft aus diesem Reservoir gedeckt werden könnte, ohme daß die Notwendigkeit besteht, künstlich durch eine Veränderung der Agrarstruktur Arbeitskräfte freizusetzen.
Es wird gewöhnlich als eine feststehende These angesehen, daß die Sowjets seinerzeit ihr großes Industrialisierungsprogramm nur durchführen konnten, weil sie gleichzeitig durch die Kollektivierung der Landwirtschaft die dafür notwendigen Arbeitskräfte freigesetzt haben.
Es ist jedoch nicht einzusehen, warum nicht auch eine bäuerlich strukturierte Landwirtschaft befähigt sein sollte, Arbeitskräfte an die Industrie abzugeben, wenn sich dort günstige Erwerbsmöglichkeiten bieten. Ein allmähliches Absaugen des Menschenüberschusses aus einer bäuerlichen Landwirtschaft zum gewerblich-industriellen Bereich hinüber hat sich in früheren Zeitabschnitten in Deutschland und anderen Ländern beobachten lassen. Auch im zaristi-schen Rußland haben seinerzeit die übervölkerten Agrargebiete der westlichen Gouvernements in großem Umfange Menschen abgegeben, als sich günstige Erwerbsmöglichkeiten in den östlichen Kolonisationsgebieten boten, und die Ansiedlung in jenen Gebieten staatlicherseits entsprechend gefördert wurde. Werden aus einer bäuerlichen Landwirtschaft Menschen-kräfte abgesogen, so kann das u. U. zu günstigen strukturellen Veränderungen führen, indem die nicht lebensfähigen Betriebe aufgegeben werden, der Übergang zu größeren Betriebseinheiten gefördert Wird und die Betriebe veranlaßt werden, durch verstärkten Maschineneinsatz usw. zu rationelleren Produktionsmethoden überzugehen. Auch in den asiatischen Ländern könnte eine fortschreitende Industrialisierung solche Wirkungen hervorrufen, ohne daß sie der Industrialisierung zuliebe ihre bäuerliche Struktur aufzugeben brauchten.
Ein weit verbreiteter Irrtum besteht auch darin, daß man glaubt, fortschrittliche Produktionsmethoden in der Landwirtschaft seien gleichbedeutend mit dem Einsatz moderner Landmaschinen und dem Vorhandensein großer Flächen, die einen solchen Einsatz ermöglichen.
Es liegt aber auf der Hand, daß z. B. in einem Lande wie Indien mit seinem großen MenschenÜberschuß der Einsatz von Maschinen für den Fortschritt der Landwirtschaft keine entscheidende Bedeutung hat. Worauf es ankommt, ist eine Intensivierung und Vervielfältigung der landwirtschaftlichen Produktion, um die auf dem Lande vorhandenen Menschen möglichst produktiv zum Einsatz zu bringen und von der vorhandenen Fläche möglichst viel herauszuholen. Mechanische Hilsfmittel können dabei sehr nützlich sein, aber es kommt ihnen keine entscheidende Bedeutung zu, wie etwa in den Vereinigten Staaten.
Genossenschaftliche Förderung selbständiger Kleinbauern
Eine ausreichende Wasserversorgung, die Einführung von verbessertem Saatgut, die Anwendung von künstlichen Düngemitteln, die Verbesserung der Fruchtfolge, eine wirksame Schädlingsbekämpfung usw. sind diejenigen Maßnahmen, die unter den dortigen Verhältnissen in erster Linie einen Fortschritt der Landwirtschaft herbeiführen können. Will man auf diesem Wege rasch vorwärtskommen, so wird allerdings die Anwendung des genossenschaftlichen Organisationsprinzips eine ganz hervorragende Rolle zu spielen haben. Man sollte aber dabei an die genossenschaftliche Förderung selbständiger kleinbäuerlicher Betriebe denken und nicht an Produktionsgenossenschaften nah sowjetischem Muster. Auch dann nämlich, wenn in sog. Produktionsgenossenschaften das Privateigentum am Grund und Boden als Besitztitel aufrechterhalten wird — wie das formell ja auch in der Sowjetzone Deutschlands der Fall ist — führt der Gemeinshaftsbetrieb zwangsläufig zu einem Nahlassen des persönlihen Interesses und zu einem Erlahmen der Privatinitiative mit allen sih daraus ergebenden nahteiligen wirtshaftlihen Konsequenzen. Was man bei der Gemeinshaftsnutzung des Landes vielleicht auf der einen Seite dadurh gewinnt, daß man sih alle tehnishen Möglihkeiten der Großbetriebsform zunutze mähen kann, verliert man auf der anderen Seite durh die negativen Wirkungen im menshlihen Bereih.
Ein weiteres ernstlihes Hindernis auf dem Wege zu einer Steigerung der Flähenerträge ist das niedrige Bildungsniveau der ländlihen Bevölkerung. Wenn die Japaner in der Intensivierung und Rationalisierung der landwirtshaftlihen Produktion den meisten anderen asiatishen Ländern weit voraus geeilt sind, dann verdanken sie diesen Fortshritt niht zum wenigsten dem Umstand, daß sie bereits Ende des vorigen Jahrhunderts die allgemeine Schulpflicht eingeführt haben. In den südasiatishen Ländern sind auh heute noh etwa 90 Prozent der Bauern Analphabeten. Erst jetzt sind auh hier die entsheidenden Shritte für die Einführung einer allgemeinen Shulausbildung getan worden. Bis zur Beseitigung des Analphabetentums wird es aber noh mindestens eine Generation dauern. Es ist infolgedessen auh sehr shwierig, mit den üblihen Methoden der Aufklärung und Beratung an den asiatishen Bauern heranzukommen. Andererseits zeigt sih, daß bei systematisher Führung und energisher Hilfestellung von Seiten des Staates auh der analphabetishe Kleinbauer durhaus für fortshrittlihe landwirtschaftliche Produktionsmethoden gewonnen werden kann.
Allerdings kann dieser Erfolg nur dann er-reiht werden, wenn bei den betreffenden Bauern auh wirklih der Wille zum Fortshritt und die Bereitshaft vorhanden ist, durh erhöhte Arbeitsleistungen sih ihr materielles Los zu verbessern. Das ist durhaus niht überall der Fall. Als Europäer sind wir leiht geneigt, den Erwerbssinn, der für uns typish ist, und der sich als Motor unseres Wirtshaftslebens bewährt hat, auh bei anderen Menschen als selbstverständlih vorauszusetzen. Es gibt aber Lebensauffassungen, denen das Streben nah materiellen Gütern und eine Verbesserung der Lebenshaltung völlig fremd ist. Es ist sicher, daß solche Auffassungen ein hohes sittliches Niveau kennzeihnen können, aber zweifellos stellen sie für die Förderung des wirtshaftlihen Fortshritts ein ernstlihes Hindernis dar.
Da es sih in den asiatishen Ländern in der großen Masse um kleinbäuerlihe Betriebe handelt, sheint es naheliegend, daß man sih für eine Hebung des Produktionsniveaus in erster Linie genossenshaftliher Mittel bedienen muß.
Wenn die diesbezüglichen Überlegungen man-her maßgebender Männer bisher durh das sowjetische Beispiel in eine falshe Rihtung gelenkt wurden, dann sollte es möglih sein, dem einen neuen konstruktiven Genossenshaftsplan entgegenzustellen, der auf den ehten und bewährten genossenshaftlihen Grundsätzen des Westens beruht. D. h. es müßte aufgezeigt werden, weihe Möglihkeiten bestehen, durh genossenshaftlihe Mittel die Produktionstehnik und die Erträge der kleinbäuerlihen Betriebe zu verbessern, ohne daß sie ihre Selbständigkeit aufgeben, ohne daß das Privateigentum am Grund und Boden beeinträhtigt wird, und ohne daß die Privatinitiative des kleinen Landwirts zum Erliegen kommt. Man sollte dabei von dem Grundsatz ausgehen, daß nur diejenigen Betriebsfunktionen, die in den engen Grenzen des kleinen Einzelbetriebes niht vollzogen werden können oder über die intellektuellen Fähigkeiten des Kleinbauern hinausgehen, der Genossenshaft zu übertragen sind, während alle übrigen Funktion, also auh die eigentlihe Feldarbeit und die Viehhaltung, in der Hand des selbständigen Einzelbetriebes zu verbleiben haben.
Wenn man die Vorteile der Großbetriebs-form auh dem Kleinlandwirt zugänglich mähen will, dann brauht man niht unbedingt nur an die Großflähenbewirtshaftung zu denken. Es gibt eine ganze Reihe von Funktionen des Großbetriebes, wie die betriebswirtschaft-liehe Planung, die Finanzierung, die Nutzung von Großinventar, der Bezug und Absatz im großen, die man in ähnlicher Weise und mit ähnlichem Erfolg bei einem genossenschaftlichen Zusammenschluß auch für den kleinen Bauern anwenden kann, ohne daß dieser seine Selbständigkeit aufgibt. Selbst im Feldbau können einige Vorteile der Großflächenbewirtschaftung auch dem Kleinbetrieb zugute kommen, wenn eine zweckmäßige Flurordnung eingeführt wird und auf genossenschaftlicher Basis einzelne An-baumaßnahmen aufeinander abgestimmt wer-den. Nur durch den genossenschaftlichen Zusammenschluß selbständiger Kleinbetriebe zu größeren organisatorischen Einheiten lassen sich die Voraussetzungen schaffen zu einem systematischen Vorgehen bei der Förderung der landwirtschaftlichen Produktion und für ein rasches Herantragen der agrartechnischen Errungenschaften an den kleinen Einzelbetrieb. Ein Reformplan dieser Art ist von der pakistanischen Regierung angenommen worden und in diesem Jahre in einigen Beispieldörfern der Provinz Punjab zum Anlaufen gekommen.
Notwendigkeit geistig-ideologischer Gegenwirkung
Die geistige Auseinandersetzung mit der kommunistischen Welt ist in ein neues Stadium gerückt. Die Erkenntnis setzt sich durch, daß im Zeitalter der Atomwaffen der Gedanke an die Unvermeidlichkeit einer kriegerisdien Auseinandersetzung überholt ist, und daß auch der Kalte Krieg nicht zu einem Dauerzustand werden darf. Die beiden sich gegenüberstehenden Welten, Ost und West, kommen in eine engere Berührung. Damit ergeben sich aber auch neue große Aufgaben für alle diejenigen, die in der geistigen und ideologischen Auseinandersetzung zwischen den beiden Welten beteiligt sind.
Es ist anzunehmen, daß wir durch die sich anbahnende engere Berührung der beiden Welten in ein neues Stadium der Entwicklung eintreten. Der Westen hat aber nur dann eine Chance, sich dabei auf dem ideologischen Gebiet zu behaupten und bei einer neuen Form der Koexistenz nicht den Kürzeren zu ziehen, wenn von vornherein dafür gesorgt wird, daß die ideologischen Ausstrahlungen nicht nur in einer Richtung, nämlich von Ost nach West, wirksam sind, sondern in beiden Richtungen, und außerdem erreicht wird, daß für die beiden Keexistenzpartner gleiche Bedingungen gelten.
Es scheint notwendig, bei der geistigen Auseinandersetzung mit der kommunistischen Welt in gewisser Weise umzudenken und sich nicht allein von den Begriffskategorien des Kalten Krieges leiten zu lassen. Es genügt heute auch nicht mehr, durch wissenschaftliche Arbeit das Herrschaftssystem des Ostens und die Besonderheiten seiner Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung zu studieren und dabei auch seine Fehler und Schwächen aufzuzeigen. Eine solche defensive Haltung führt weder bei uns noch in den nichtkommunistischen asiatischen Ländern, die heute an einer entscheidenden Stelle der ideologischen Auseinandersetzung stehen, zum Ziele. Es genügt nicht, wenn wir den Parolen des Ostens nichts anderes entgegenzusetzen haben als den Willen, die überkommenen Formen der bestehenden Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung zu erhalten. Es ist notwendig, daß die nichtkommunistische Welt die geistigen und sittlichen Kräfte aufbringt, um in konstruktiver Arbeit die Formen unseres Soziallebens weiterzuentwickeln und hierfür ein solides ideologisches Fundament zu schaffen.
Unter den nichtkommunistischen Ländern Asiens nimmt Indien heute — sowohl seiner Bevölkerungszahl als auch seiner geistigen und politischen Bedeutung nach — eine SchlüsselStellung ein. Seine führenden Männer sind von einem starken Fortschrittswillen beseelt. Der Kontakt mit den Nadibarn jenseits der Berge, dem Sowjetreich und dem kommunistischen China, liefert ihnen Stoff genug zum Nachdenken über soziale Probleme.
Es genügt aber nicht, wenn sie zu der Erkenntnis kommen, daß der dort beschrittene Weg nicht zum Ziele führt, sondern es kommt darauf an, daß sie aus ihrer eigenen Gedankenwelt heraus, und unterstützt durch einen geistigen Beitrag des Westens, — die konstruktiven Ideen entwickeln, die zu einer allmählichen Lösung ihrer brennenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme führen können. In den vorstehenden Ausführungen sollte an dem Beispiel der Agrarfrage, dargelegt werden, wie etwa eine solche konstruktive Lösung auf einem wichtigen Teilgebiet aussehen könnte. Die Genossenschaftsidee des Westens, die auf einem ganz anderen ideologischen Fundament basiert als der Agrarkollektivismus des Ostens, und die im übrigen in manchen traditionellen Gemeinschaftsformen des indischen Kleinbauerntums gewisse Parallelen findet, könnte z. B. geeignet sein, zumindest zur Lösung von Teilproblemen einen wesentlichen Beitrag zu leisten.
Bisher liegt die Hilfe, die vom Westen den unentwickelten Ländern Asiens für ihren Aufbau gewährt wird, im wesentlichen auf technischem, organisatorischem und militärischem Gebiet. Die Frage, ob diese Länder dereinst dem Kommunismus anheimfallen oder nicht, wird aller Voraussicht nach nicht mit militärischen Mitteln, sondern auf dem geistig-ideologischen Felde entschieden werden. Die Mittel, die heute in der westlichen Welt für die Stärkung der ideologischen Rüstung aufgewendet werden, stehen aber in keinem Verhältnis zu dem, was für die militärische Rüstung getan wird. Hier liegen zweifellos noch große ungelöste, und zum Teil sogar noch unerkannte Aufgaben für die westliche Welt und ihre geistigen und ideologischen Führungskräfte. Deutschland, das durch seine Zweiteilung beide Welten auf eigenem Boden repräsentiert, hat besondere Veranlassung, sich mit diesen Problemen auseinander-zusetzen und die geistigen und moralischen Kräfte zu mobilisieren, die dazu beitragen können, daß die westliche Welt in der ideologischen Auseinandersetzung das Feld behauptet.