Friedens, die in gewisser Hinsicht wichtiger ist als die unnmittelbare Verhinderung des Krieges.
Schluß Geliebte Söhne und Töchter, wenn auch heute die Geburt Christi Schimmer der Freude in die Welt hineinträgt und in den Herzen tiefe Empfindungen wadiruft, liegt der Grund darin, daß in der bescheidenen Krippe des fleischgewordenen Sohnes Gottes die unermeßlichen Hoffnungen der Menschengeschlechter beschlossen sind: in Ihm, mit Ihm und durch Ihn das Heil, die Sicherheit, das zeitliche und ewige Los der Menschheit. Allen und jedem steht der Weg offen, hinzutreten zu dieser Krippe, um aus der Belehrung, dem Beispiel der Freigebigkeit des Gott-Menschen ihren Anteil an den für das gegenwärtige und ewige Leben notwendigen Gnaden und Gütern zu schöpfen. Wo diese aus eigener Gleichgültigkeit oder infolge Behinderung durch andere nicht geschähe, wäre es umsonst, sie anderswo zu suchen, denn überall lastet die Nacht des Irrtums und der Selbstsucht, der Leere und der Schuld, der Enttäuschung und der Unsicherheit. Die Fehlschläge, welche Völker, Weltanschauungen, Einzelmenschen erfahren mußten, die nichts von Christus, den Weg, die Wahrheit und das Leben, mehr wissen wollten, sollten sich alle ernsthaft zu Gemüte führen, die glauben, alles aus sich leisten zu können.
Die Menschheit von heute, gebildet, mächtig und lebensvoll, hat vielleicht ein größeres Anrecht auf irdisches Glück in Sicherheit und Frieden, aber sie wird es nicht in die Tat umsetzen können, solange sie in ihre Berechnungen, in ihre Pläne und ihre Verhandlungen nicht den höchsten und entscheidendsten Wert einfügen wird: Gott und seinen Christus. Der Gott-Mensch kehre zurück zu den Menschen, der König, der Anerkennung und Gehorsam findet, wie er geistig an jedem Weihnachtsfest zurückkehrt, um sich in die Krippe zu legen zum Opfer für alle. Das ist der Wunsch, den Wir heute der großen Menschheitsfamilie entbieten, in der Gewißheit, ihr den Weg ihres Heiles und ihres Glückes aufzuzeigen.
Das göttliche Kind würdige sich, unser flehentliches Bitten zu erhören, auf daß seine Gegenwart gleichsam ähnlich fühlbar werde, wie . in den Tagen seines Erdenweilens, so in der Welt von heute. Lebend inmitten der Menschen erleuchte es den Geist und festige den Willen derer, die die Völker regieren; den Völkern sichere es Gerechtigkeit und Frieden; es ermutige die eifervollen Apostel seiner ewigen Botschaft; es stütze die Guten, ziehe an sich die Verlassenen, stärke die, die Verfolgung leiden für seinen Namen und seine Kirche; es helfe den Armen Und Bedrängten, es lindere den Kranken, den Gefangenen, den Flüchtlingen ihre Pein; es schenke allen einen Funken seiner göttlichen Liebe, damit überall auf Erden sein Friedensreich triumphiere. Amen.
In der Zeitschrift „Deutsche Rundschau“, Dezember 1955, findet sich in der Form eines Leserbriefes ein Aufsatz von Frau Toni Stolper, der Gattin des ehemaligen demokratischen Reichstagsabgeordneten und Herausgeber des „Volkswirt", dessen Kenntnis wir gerne unseren Lesern im Folgenden vermitteln wollen. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlages.
Was sieht die Generation der heute etwa Dreißigjährigen, die die zweite Hälfte unseres Jahrhunderts zu besorgen haben wird, wenn sie auf die Hitlerzeit zurückblickt? Machtfülle, Kriegsrausch und -elend, Zusammenbruch sind ihr bekannt, jeder hat sie in seiner Weise erlebt, sich seinen eigenen Vers darauf gemacht, den fremden irgendwie zur Kenntnis genommen. Aber dahinter, so scheint es mir, klafft eine gähnende Leere. Wer ließ Hitler herankommen, groß und übermächtig werden? Was war denn Weimar? Ein einziges Versagen — in der Wirtschaft, der Verwaltung, schließlich der nationalen Politik. Die Sohnesgeneration neigt ja stets dazu, die Väter mit der Verantwortung zu belasten für alles Verquere im privaten und öffentlichen Leben, mit dem sie zu ringen hat. Selten jedoch hat sich eine Generation so verachtungsvoll, so absprechend — und interessenlos von den Taten und Leiden der Väter abgewendet, wie es bisher in Deutschland die Menschen nach 1945 gegenüber den Menschen von 1918 bis 1933 getan haben. Es ist wahr, die Leute von damals haben die heutigen bisher arg im Stich gelassen mit dem Ausfüllen dieser Bewußtseinslücke in der deutschen Geschichte. Manche der Gründe liegen zutage — die unmittelbare Lebensnot nach dem Zusammenbruch hat erst einmal die Überreste der älteren Generation vor dringlichere Aufgaben gestellt als geschichtliche Klärung. Was immer vor 1933 verfehlt worden war, wer nach 1945 noch lebte, mußte den Jungen irgend eine Zukunft retten — und die Welt staunt, mit welchem Mut die Verachteten das angepackt haben. Aber gerade wer heute von den Jungen den Nationalsozialismus verabscheut — nicht nur wegen Krieg und Niederlage, sondern wegen Übermut, Zwang, Unsauberkeit, Feigheit, Kriecherei und schließlich V^rnichtungswut gegen das eigene Volk — der weiß den Leuten von Weimar gegenüber kaum eine andere Haltung einzunehmen als Geringschätzung oder im besten Fall Mitleid für Schwächlichkeit. Diese Verachtung gilt nicht nur den Führern, sie gilt dem ganzen deutschen Volke, das sich, wie es Harry Pross in einem wertvollen Artikel in der Mainummer der Zeitschrift „Deutsche Rundschau“ ausdrückte, „in seiner Mehrheit dem braunen Pöbelhaufen hingegeben hatte“. Und dann „hat die Pöbelherrschaft zwölf Jahre gedauert, weil in der deutschen Bevölkerung eine vornationalsozialistische Bereitschaft lebte, Würde und Recht des Einzelnen dem . Ganzen'zu unterstellen .. Diese Sätze und das historische Urteil, dem sie entstammen, scheinen wahr und unangreifbar genug, um eine ganze bunte, komplizierte, dramatische, spannungsreiche, tragische und — vor allem — unendlich lehrreiche Wirklichkeit auszulöschen, sie aus dem Bewußtsein der Deutschen in ein gefährliches Unterbewußtsein zu verdrängen. Gefahr ist im Verzug, denn die Generation, die das Vakuum mit der geschichtlichen Realität zu füllen vermöchte, verbraucht sich eben und verschwindet dann vom Schauplatz.
Was fehlt in diesem glatten Bild von einer Volksmehrheit, die sich einem Pöbelhaufen hingegeben hat? Es fehlt sowohl die tiefere Kenntnis dieser Volksmehrheit wie dieses Pöbelhaufens. Von der Volksmehrheit können wir überhaupt nur vor 1933 etwas aussagen, denn nachher gab es keine Wahlen mehr, die den Namen des Wählens verdienen; und vor 193 3 bekam der Pöbelhaufen, dem die Macht gehörte, nie eine Volks-mehrheit. Wer gedenkt heute noch des Ruhmestages der damaligen deutschen Generation im November 1932, als die schon in die Enge getriebenen Wählermassen sich mit solcher Unzweideutigkeit von den Nazis abwandten, ihnen zwei Millionen Stimmen entzogen, so daß diese Partei nackt in ihrer Nichtigkeit, geistig und finanziell bankrott dastand und sich nie mehr einer Volkswahl zu stellen wagen konnte („zufällig“ fiel der Zeitpunkt dieses politischen Wendepunktes mit dem Tiefpunkt der internationalen Wirtschaftskrise zusammen, deren Schrecken den deutschen Wähler wohl zeitweise verwirren konnten).
Aber Hitler kam ja zur Macht, und man wehrte ihm nicht. Er kam sogar „legal“ zur Macht. Nun sind wir an dem Punkt angelangt, der in der heutigen Diskussion in schier unbegreiflicher Weise in Vergessenheit geraten scheint — Hitler und seine Bande kamen als Minderheit zur Macht, nicht als Mehrheit. Sie kamen so als Minderheit zur Macht wie vor ihnen ihre Lehrmeister, die Bolschewiki in Rußland und die Fascisti in Italien. Um gegen die Mehrheit unter einer freiheitlich-demokratischen Verfassung zur Macht zu kommen, mußten sie die Verfassung zunichte machen und deshalb die Technik der modernen Despotie studieren, erproben und zur Meisterschaft entwickeln. Elemente dieser Technik seien hier nur ins Gedächtnis zurückgerufen — jeder Punkt würde eine eingehende Untersuchung fordern und lohnen: 1. Geschulte und bewaffnete Privatarmeen im aktiven Bürgerkrieg; 2. Terror, oder, da dieses Fremdwort seinen Sinngehalt verloren zu haben scheint und abgegriffen ist, sagen wir es auf Deutsch — Vogelfreiheit der Person, Verherrlichung und Ausübung jeglicher Gewalt (wer erinnert sich noch an den Schauer, der sich von dem Hitler-Telegramm an die Mörder von Potempa über das Volk ausbreitete?); 3. geheime Zellenbildung eidlich Verschworener gegen die Rechtsordnung, so daß unversehens alle Zweige des staatlichen Apparates, der Armee, der Verkehrsbetriebe, der Presse ausgehöhlt dastanden; 4. Kollusion mit anderen revolutionären Minderheiten heterogenster Art — im deutschen Fall mit den Todfeinden der Nazis, den Kommunisten, zur gemeinsamen Sabotierung der Rechts-und Sozialordnung (Berliner Verkehrsstreik vom November 1932). Diese Aufzählung dient bloß der Charakterisierung, ohne Anspruch auf Systematik oder Vollständigkeit.
Wozu wäre denn all das veranstaltet worden, wozu wären sofort nach der Machtergreifung die Konzentrationslager errichtet und vollgestopft worden, hätte sich „die deutsche Bevölkerung" ohnehin „dem braunen Pöbelhaufen hingegeben“? Man wird sich entscheiden müssen, wie man die Verantwortung verteilt, nachdem sorgfältig die Realität des Terrors, die Realität der Zellenbildung, die Realität der Konspiration gegen privates, öffentliches und göttliches Recht untersucht und abgeschätzt worden ist, nicht vorher. Legt man die ganze Verantwortung auf die perverse Neigung der Mehrheit des deutschen Volkes, und dann noch einmal auf die Verwirrung durch Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit, und daneben auch noch ein klein wenig auf „den Bürgerkrieg“, so kommen bei der Rechnung um etliche 100 °/o zu viel heraus.
Wer aber verteidigt diese Millionen Deutscher, die sich trotz allem mit ihrem noch geheimen Stimmzettel zu wehren versuchten und gegen die sich dann schnell die Hasser der „Massen“, also die Hasser des deutschen Volkes verschworen?
Was wissen wir Miterlebenden über den Terror vor und nach der Machtergreifung von 1933 — Machtergreifung, welch weises Wort im Volksmund, weiser als die von verblendeten Juristen noch heute geglaubte Fiktion des „legalen“ Zur-Macht-Kommens? Lins klingt noch in den Ohren das Marschieren der machttrunkenen, verrohten Jünglings-horden, die in den Staatsbürgern nicht unberechtigten Schrecken erregten. Jeden Morgen lasen wir von den Scharfschützen um die Straßenecken, auf den Sportplätzen, und ihren Opfern. Wir hörten da und dort von den Gastwirten, Detailhändlern, Kleinbetrieben, die unter Boykottdrohung in das umfassende Besteuerungssystem der Nazipartei gezwungen wurden — es kam da erheblich mehr zusammen als von der „Schwerindustrie“, wiewohl hier die Kampfparole der Kommunisten von der Nachwelt glatt geschluckt wird. Wir erlebten den 30. Juli 1932 (als sich Punkt 3 und 4 unserer Liste kombinierten), als Severing in Preußen auf einmal klar erkennen mußte, daß Polizei und Armee von Nazi-und Kommunisten-Zellen so durchsetzt waren, das seine Regierung unverteidigbar dastand. Das war ja alles vor der Machtergreifung. Aber sogleich danach kam Görings „Schießerlaß" — „erst schießen, dann überlegen weshalb", war die leicht verständliche Weisung dieser „legalen" Regierung. Der Schießerlaß, die Verschleppungen und Zutode-Prügelungen in den Kellern des Europahauses am Potsdamer Platz, die bewaffneten Patrouillen vor Privat-häusern hier und dort, und bald das Verschwinden dieses oder jenes Bekannten, das Beginnen der großen Hitleremigration, der inneren und äußeren — alles vergessen oder verdrängt. Wer nimmt sich die Mühe, mit den besten Mitteln moderner Forschung abzuschätzen, ein wie großer Teil der deutschen Bevölkerung, abgesehen von den Juden, im Laufe der Nazijahre vor dem Kriege durch die Konzentrationslager durchgeschleust wurde? Es müssen wahrscheinlich nicht einmal 10 °/o sein, damit jeder erwachsene Bürger sich stündlich seiner Hilflosigkeit, der Ausgesetztheit seiner Schutzbefohlenen Familie bei jeder selbständigen Regung außerhalb des eisernen Rahmens des Regimes bewußt blieb-— Minister, General, Industrieller, Gewerkschaftler, Volksvertreter, Radiohörer, Kosument, Vater oder Mutter eines Schulkindes . . . Deutscher.
Nicht simple Feigheit lähmte damals die Mehrheit des deutschen Volkes und der verfassungstreuen Führer. Es war die neue, unerforschte Technik der totalitären Lüge und Verschwörung, gegen die noch keine Abwehr erfunden war — und wohl heute noch nicht erfunden ist außer durch Gegengewalt von außen. Heldenmut? Den gab es wohl, aber wem zum Nutzen? Es gab ja keine Öffentlichkeit mehr. Wer kennt auch nur die Namen derer, die im Europakeller tot blieben, die im KZ am Wegrand umkamen? Die wenigen großen Zeugen, die man kennt — Geschwister Scholl, Ernst Wiechert, Albrecht Haushofer, Martin Niemöller — werden um ihren Sinn gebracht, da man sie als winzige Minderheit innerhalb einer unbeträchtlichen Minderheit des deutschen Volkes bestaunt, statt sie als die heldenhaften Exponenten eines kunstvoll hilflos gemachten Volkes zu sehen, als die sie handelten und litten. Hitlers Technik der Entmannung des Heldentums durch Verheimlichung und Lüge hat sich bis heute bewährt.
Es hat in Deutschland seit der nie verdauten Niederlage von 1918 die Krankheit des Nationalsozialismus gegeben, zuerst virulent, hernach in den kurzen, kräftigen Aufbaujahren der Weimarer Republik nur schleichend, um zuletzt mit der amerikanischen Wirtschaftskrise mit voller Kraft auszubrechen. Wir hatten es mit Verbrechern zu tun, mit Verblendeten, mit’ Feigen, und dann mit dem Gelichter der Zaunreiter und der Erfolgsanbeter. Nichts davon darf man vergessen. Was aber gleichfalls der Vergessenheit entrissen werden muß, das ist die Gesamtheit und die Einzelheit der dunklen Künste, die angewendet werden mußten, um das deutsche Volk so zu pervertieren, daß es nun vor der Welt und seinem eigenen Gewissen belastet dasteht mit dem Mord an sechs Millionen jüdischer Mitbürgern und dem vergeblichen Kriegstod von Abermillionen. Die Last ist groß genug, auch wenn man Verantwortung und Schicksal dem Reich der Fiktion entreißt und der großen Realität gemäß zuteilt. Solches Werk der Gerechtigkeit dient nicht nur der Verteidigung einer entschwindenden Generation. Es wird die Lehren enthalten, die man in Zukunft nicht entbehren kann, wenn man die Mehrheit des'deutschen Volkes schützen will. Zitiert Konrad Heiden, Geschichte des Nationalsozialismus, Rowohlt Verlag, 1932, S. 269, unter der Überschrift „Hohn auf die Wähler“:
Hitler am 1. September 1928 auf der Münchener Generalversammlung der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei: „Wir werden die historische Minorität sammeln, die vielleicht in Deutschland 600 000 bis 800 000 Menschen ausmacht. Wenn wir diese in der Mitgliedschaft vereinigt haben werden, dann haben wir das Schwergewicht des Staates geschaffen. Wenn aber die große Masse mit Hurrageschrei bei uns einschwenken würde, dann stünde es übel um uns. Deshalb unterscheiden wir zwischen Mitgliedern und Anhängern. Diese sind das ganze deutsche Volk, diese 600 000 oder 800 000. Das ist die Zahl, die etwas taugt; alles andere geht nur mit, wenn wir in Marsch-kolonnen antreten. Das sind die bloßen Einser nicht Personen, sondern Nummern, die den Wahlzettel abgeben.“
Politik und Zeitgeschichte
AUS DEM INHALT UNSERER NÄCHSTEN BEILAGEN:
Walter A. Berendsohn: „Thomas Mann und das Dritte Reich'* „Probleme der Emigration aus dem Dritten Reich"
J. M. Bochenski: „Die kommunistische Ideologie und die Würde, Freiheit und Gleichheit des Menschen im Sinne des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949"
Roland Klaus: „Nicht gestern, Freund, morgen!"
Edgar Kupfer: „Strafkompagnie Dachau"
Ernest J. Salter: „Politik, Taktik und Abwehr des Kommunismus in Deutschland"
Joseph H. Spiegelmann: „Die Wandlung zur Initiative"
Hans Wenke: „Die Erziehung im Kreuzfeuer der öffentlichen Meinung"
Richard Wolff: „Der Reichstagsbrand 1933, ein Forschungsbericht" • • • „Urkunden zur Judenpolitik des Dritten Reiches"