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Das Problem des Föderalismus in der deutschen Geschichte | APuZ 28/1955 | bpb.de

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APuZ 28/1955 Das Problem des Föderalismus in der deutschen Geschichte

Das Problem des Föderalismus in der deutschen Geschichte

Ernst Deuerlein

Es ist weder möglich noch veranlaßt, dein vorliegenden geschichtlich-politischen Essay ein nach Vollständigkeit strebendes Literaturverzeichnis beizugeben. Wissenschaftlich befriedigende Veröffentlichungen fehlen sowohl für das Thema in seiner Gesamtheit als auch für wesentliche Binzelfragen. Die Zahl der Broschüren und Flugschriften ist umfänglich, die der Beiträge und Aufsätze in Zeitungen und Zeitschriften nicht über-schau-und registrierbar. Die vorliegende Studio nimmt nicht in Anspruch, sorgfältige Untersuchungen einzelner, von ihr nur allgemein angesprochener Fragenbereiche überflüssig gemacht zu haben. Sie will vielmehr in Kenntnis und Bejahung der schicksalhaften Bedeutung des Föderalismus für die Entwicklung des deutschen Volkes dazu anregen. Der Verfasser

Ilans Erick Feine hat 1936 in seiner verfassungsgeschichtlichen Darstellung „Das Werden des deutschen Staates seit dem Ausgang des Heiligen Römischen Reiches 1800 — 1933" erklärt: „Die Geschichte des föderativen Gedankens im Reich seit dein späten Mittelalter ist noch nicht geschrieben" • Diese Feststellung gilt unvermindert auch heute noch, obwohl der Föderalismus nach 1945 eine konjunkturelle Belebung erfahren hat.

Die Diskussion über den Föderalismus ist über einzelne Ansätze und Bemühungen nicht hinausgekommen. So ist auch heute noch der Begriff Föderalismus nicht nur in seinen Grenzen, sondern auch in seinen Inhalten verschwommen und umstritten. So oft und so leidenschaftlich dieser Begriff in der Politik verwandt wird, — es gibt keine gesicherte und allgemein anerkannte Definition. Auch fehlt ihm die geschichtliche Abstützung, die seine Diskreditierung zum politischen Schlagwort verhindert. Wenn es eine Betrachtung unternimmt, dem Problem des Föderalismus in der deutschen Geschichte nachzugehen, ist sie gehalten, sich dem Versuch einer Begriffsbestimmung nicht zu versagen.

Das lateinische Wort „foedus" — Genetiv „foederis" — ist in diesem Zusammenhang mit „Bündnis" zu übersetzen. In diesem Sinne ist cs von den romanischen und auch von der englischen Sprache übernommen worden (Französisch: fdration /föddratif; auch: föderal; fdraliser = zu einem Bundesstaate umschaffen /Englisch: federation /federal, federative /Spanisch: confederacion). Im „Duden" wird Föderalismus mit der Erklärung verständlich gemacht: „Streben nach Selbständigkeit der Teile innerhalb der Staatsgrenzen" Walter Theimer definiert Föderalismus in seinem „Lexikon der Politik": „Das System des Bundesstaates, das Streben nach der Schaffung oder Erhaltung eines solchen, die Verteidigung der Autonomie der Einzelstaaten bzw. Kantone. Das Gegenteil ist der Zentralismus" Die Erklärungen der Nachschlagwerke weichen stark voneinander ab. Es ist deshalb zu prüfen, ob der Begriff Föderalismus scharfe Unterscheidungskonturen erst bei Vergleichen mit verwandten und gegensätzlichen verfassungsrechtlichen Begriffen erhält. Eine Gegenüberstellung zwischen dem Begriff Föderalismus und den Begriffen „Partikularismus" und „Separatismus" macht zudem deutlich, was Föderalismus nich t ist. Unter Partikularismus — lateinisch: pars, partis: Teil — ist eine Auffassung oder Haltung zu verstehen, die z. B. im Staatswesen den Schwerpunkt auf die Teilgewalt legt. „Separatismus" — lateinisch: separate: trennen, absondern — ist der nächste Schritt. Er neigt zur Trennung, — zur Loslösung eines, mehrerer oder aller Teile vom Ganzen. Wie verhalten sich Partikularismus und Separatismus zum Föderalismus? Stehen diese drei Begriffe in einem sachlichen Zusammenhang? Es ist nicht zu bestreiten, daß in der landläufigen Vorstellung die drei Begriffe in einer wertmäßigen Abstufung gesehen werden, wobei an einen Abstieg vom Föderalismus über den Partikularismus zum Separatismus zu denken ist. Diese Auffassung ist durch die mangelhafte Bestimmung aller drei Begriffe veranlaßt. Sic wird durch die geschichtlich nicht bezweifelbare Tatsache unterstrichen, daß geschichtliche Ereignisse und Haltungen wechselweise — je nach dem Standpunkt des Betrachters — mit einem der drei Begriffe belegt werden. Nicht zu widerlegen ist, daß Vorgänge, bei denen die Beteiligung von zwei oder aller drei Begriffe angenommen, ja sogar nachgewiesen werden kann, in der deutschen Geschichte anzutreffen sind. Dazu kommen die Schwierigkeiten aus dem Umstand, geschichtliche Haltungen mit z. T. wesentlich später formulierten Begriffen zu belegen.

Die Nachbarschaft des Föderalismus zu Partikularismus und Separatismus hat ihn der Gefahr, mißverstanden zu werden, ausgesetzt. Der Föderalismus unterscheidet sich von Partikularismus und Separatismus durch die Bejahung des „Ganzen". Weder „teilt" er das Ganze, wie der Partikularismus, noch „trennt" er vom Ganzen, wie der Separatismus, — er faßt zusammen, „bündet". Es erhebt sich die weitere Frage, ob gegensätzliche Begriffe zur Bestimmung des Standortes des Föderalismus beitragen können. Gibt es solche Begriffe? Auch hier ist Vorsicht angezeigt. Die Begriffe „Zentralismus" und „Unitarismus" bieten sich an. Aber auch sie sind nicht unbestritten festgelegt. Sie teilen dieses Schicksal mit dem größeren Teil aller politischen Begriffe. Wenn Zentralismus als Zusammenfassung der Teile zu einem Ganzen verstanden wird, nähert er sich dem Föderalismus. Ist unter Zentralismus die Ordnung des Ganzen von der Zentrale aus zu verstehen, gerät der Zentralismus in Gegensatz zum Föderalismus. Die Unterscheidung liegt in der „Blickrichung": Der Zentralismus sieht „von oben nach unten", der Föderalismus „von unten nach oben". Auch das Verhältnis zwischen Föderalismus und Unitarismus braucht nicht gegensätzlicher Natur sein. Im Begriff des Föderalismus liegt keine Verneinung der Einheit, wohl aber der Einheitlichkeit im Sinne einer Uniformität. Die Beziehungen zwischen Föderalismus einerseits und Zentralismus und Unitarismus andererseits lassen sich nicht allgemein bestimmen. Der Bestimmung ihres Verhält-nisses muß in jedem Falle eine Standortfeststellung der angewandten Begriffe vorausgehen.

Sattiuel Reidtsfreikerr von Pufendorf (1632— 1694) hat den Begriff „foedus" in der verfassungsrechtlichen Literatur Deutschlands heimisch gemacht. Zahlreich ist dieser Begriff in der stark polemischen Literatur zum Ende des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation (1806) anzutreffen. Seine gleichzeitige Aktualisierung in der Schweiz und in den Vereinigten Staaten von Amerika hat seine Ausbreitung gefördert. Der Wiener Kongreß hat in seinen Diskussionen den Worten „Bund" und „Staatenbund“ den Vorzug gegeben. Nur vereinzelt wie z. B. bei dem hannoveranischen Historiker Heeren (1760— 1842) ist der Begriff Föderalismus in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in wissenschaftlichen Veröffentlichungen anzutreffen, obwohl sein Anliegen dem deutschen Idealismus, der deutschen Romantik und der deutschen Erneuerung durchaus vertraut gewesen ist. Durch die Verhandlungen der Ersten Deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche (1848/49) sind die Begriffe Föderalismus und Zentralismus stärker in den Vordergrund gerückt worden. Aber nur langsam haben sie sich endgültig durchgesetzt. Georg Waitz (1813— 1886), ein Schüler Leopold von Rankes (1795— 1886), hat seinen 1862 erschienenen „Grundzügen der Politik" umfangreiche Auslassungen über das „Wesen des Bundesstaates“

angefügt. In diesem — bedauerlicherweise — kaum gekannten und gewürdigten Aufsatz wird dem Begriff Föderalismus jedoch nicht Erwähnung getan Erst im Zusammenhang mit der Bismarckschen Lösung der „Deutschen Frage“ hat er sich endgültig in der Öffentlichkeit behauptet, so daß König Ludwig II. von Bayern (1864— 1886) verstanden worden ist, als er nach der Unterzeichnung der „Versailler Verträge"

vom 23. November 1870 in einem Erlaß an das bayerische Ge-

samtministerium sein Bedauern darüber zum Ausdruck brachte, daß das „föderative Prinzip" nicht in dem von ihm gewünschten Maße berücksichtigt wurde Der Begriff Föderalismus ist um 1870/71 zu einem festen Bestandteil des politischen und verfassungsrechtlichen Sprachschatzes geworden. Er ist trotzdem schillernd geblieben.

Als 1931 Papst Pius XL (1922— 1939) in der Enzyklika „Quadragesimo anno“ das „Subsidiaritätsprinzip“ — lateinisch: sub-sidere: sich niedersetzen, niederlassen /subsidium, subsidii: Hilfe, Beistand, Rückhalt, Zufluchtsstätte — formulierte, glaubten Föderalisten, in ihm den bisher fehlenden geistigen Unterbau für den verfassungsrechtlichen Begriff Föderalismus bekommen zu haben. Pius XL bezeichnete das Subsidiaritätsprinzip als „den obersten sozialphilosophischen Grundsatz“. Das Subsidiaritätsprinzip hat bisher keinen allgemeinen Normcharakter erhalten. Es ist in diesem Zusammenhang jedoch auf Bemühungen des Bundesverfassungsgerichtes zu verweisen, unter Annahme eines allgemeinen Normcharakters des Subsidiaritätsprinzips daraus Rechtspflichten abzuleiten. Dem allenthalben zu beobachtenden Versuch, das Subsidiaritätsprinzip „subsidiär“ für den politisch-staatsrecht-liehen Föderalismus zu reklamieren, ist der katholische Soziologe Oswald von Nell-Breuning entgegengetreten, indem er erklärt hat, daß eine Übertragung des Subsidiaritätsprinzips in die verfassungsrechtliche Sphäre zur Begründung des staatsrechtlichen Föderalismus nicht angängig sei. Nell-Breuning trennt — bewußt und betont — zwischen sozialphilosophischem und staatsrechtlichem Föderalismus Der sozialphilosophische Föderalismus ist auf einen stufenförmigen Aufbau begründet. Papst Pius XL hat das Subsidiaritätsprinzip mit folgenden Feststellungen erläutert: „Wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen. Zugleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung" Papst Pius XL hat diese Feststellung als den obersten sozialphilosophischen Grundsatz bezeichnet, an dem weder zu rütteln noch zu deuteln sei. Dieser Grundsatz bedeutet die Beschränkung jedweder übergeordneten Gewalt und Zuständigkeit auf den Bereich, den zu bewältigen die LInteroder Nachgeordneten nicht in der Lage sind. Die Vertreter des Naturrechts verweisen in der Diskussion um diesen Grundsatz auf die Tatsache, daß hier ein Umstand sichtbar herausgestellt wird: „Daß die Gemeinschaft eine aus Gliedgemeinschaften mit relativer Selbständigkeit oder Autonomie bestehende Einheit ist und daß diese alle ihre eigenen Zwecke, ihr eigenes Gemeinwohl und daher ihre eigenen Aufgaben besitze“ Diesem Prinzip nach ist die Gesellschaft von unten nach oben aufzubauen, wobei das Maß der Leistungen nach dem Vermögen der jeweiligen Gesellung festzulegen ist.

Weder Erkenntnis noch Forderung des Subsidaritätsprinzips sind neu. Neu ist nur seine Formulierung. Neu ist auch sein verpflichtender Charakter für die katholische Soziallehre. Nell-Breuning bestreitet die Übertragung des Subsidaritätsprinzips auf die rechtlich-verfassungsmäßige Ebene. Er erklärt, daß auch in einem Einheitsstaat das Subsidiaritätsprinzip zur Anwendung gebracht werden könne. Damit ist eine um 1924 geführte Diskussion wieder ausgenommen In den meisten Auslassungen ist bereits damals — wie jetzt wieder vonNell-Breuning — ein scharfer Trennungsstrich zwischen der Subsidiarität in sozialen Gesellungen und in staatsrechtlichen Organismen gezogen worden. Die Reklamierung des Subsidiaritätsprinzips in der Formulierung der Enzyklika „Quadragesimo anno“ für den staatsrechtlichen Föderalismus ist deshalb immer eine persönliche Ermessensfrage. Bemühungen um Klärungen des Begriffes Föderalismus können an diesem Umstand nicht vorbeigehen. Der Reklamierung des Subsidiaritätsprinzipes für den staatsrechtlichen Föderalismus steht entgegen, daß das Subsidiaritätsprinzip mit dem staatsrechtlichen Föderalismus nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden kann. Auch nichtkatholische Theologen — wie z. B. Reinhold Niebuhr in seiner Veröffentlichung „Die Kinder des Lichts und die Kinder der Finsternis" — haben sich für einen subsidiaritären Ordnungsbau ausgesprochen, auch wenn sie sich nicht des gleichen Begriffes bedienen. Ihre Überlegungen gehen von der Sicherung der Freiheit des Individuums aus, deren Ausmaß von dem Umfang der den unteren Gesellungen eingeräumten Rechte abhängt. Erfahrungen, Beobachtungen und Besinnungen auf die Situation des Individuums wirken dabei zusammen und mit.

Unbestreitbar ist die Tatsache, daß sowohl beim Subsidiaritätsprinzip als auch beim Föderalismus Begriffsbestimmungen für bereits länger vorhandene Auffassungen und Tatbestände vorliegen. So erhebt sich z. B. die Frage, ob die „autarkeia“ — das „Genügen" — der griechischen Polis in Verbindung zu bringen ist mit Föderalismus und Subsidiaritätsprinzip. Jakob Burd^hardt (1818— 1897) hat in seiner „Griechischen Kulturgeschichte“ darauf hingewiesen, daß für unsere Rechnungsart das Wort „autarkeia“ sehr dunkel, für den Griechen aber völlig verständlich gewesen sei. Eine Feldmark, welche die nötigsten Lebensmittel schaffte, ein Handelsverkehr und eine Gewerblichkeit, welche für die übrigen Bedürfnisse in mäßiger Weise sorgte, endlich eine Hoplitenschar, mindestens so stark als die der nächsten, meist feindlichen Polis, dies seien die Bedingungen des „Genügens" gewesen. Eine Polis, sobald sie z u volkreich sei, könne schon kaum mehr gesetzlich leben Georg Waitz verweist in seinem bereits erwähnten Aufsatz auf den „Achäischen Bund“, in dem nach seiner Auffassung die Verhältnisse des Bundesstaates am umfassendsten zur Ausbildung gebracht worden seien Gerade dieses Beispiel legt die Frage nahe, ob allein „Bündnise", auch wenn sie die Bezeichnung „Bund“ führen, für den Föderalismus beansprucht werden dürfen. Koalitionen, Allianzen und Unionen können auch auf Grundlagen abgeschlossen werden, die dem Föderalismus weder verwandt noch zugehörig sind. Solche Zusammenschlüsse bedürfen, da sie meist an ein bestimmtes Bedürfnis oder eine bestimmte Aufgabe gebunden sind, keiner föderativen Struktur. Inwie-weit antike Staatsordnungen einer Entwicklungslinie des Föderalismus zuzuordnen sind, hängt von ihrer inneren Struktur ab. Das gleiche Kriterium gilt für die Existenz föderativer Elemente im Mittelalter, wobei die Versuchung groß ist, partikularistische Bemühungen durch wohlwollende Betrachtung und Beurteilung für den Föderalismus zu reklamieren.

I. Der Föderalismus im Mittelalter

Gliedstaaten des Deutschen Reichs (Nach der Verfassung vom 16. April 1871 /In Klammer: Stimmenzahl im Bundesrat)

Königreich Preußen (17)

Königreich Bayern (6)

Königreich Sachsen (4)

Königreich Württemberg (4)

(3)

Großherzogtum Baden Großherzogtum Hessen (3)

Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin (2)

Großherzogtum Sachsen-Weimar (1)

Großherzogtum Mecklenburg-Strclitz (1)

Großherzogtum Oldenburg (1)

Herzogtum Braunschweig (1)

Herzogtum Sachsen-Meiningen (1)

Es ist ohne Zweifel verlockend, die Struktur des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation des frühen und hohen Mittelalters unter föderativer Fragestellung zu betrachten und zu beurteilen. Dabei ist jedoch zu bedenken, daß bis über das Hochmittelalter hinaus das Prinzip vom Ganzen herrscht, dessen Einheit von oben bestimmt wird und dessen Teile nur durch die gemeinsame Spitze — nicht durch wechselseitigen Bezug — miteinander verbunden sind. Der Staat ist eine „societas perfecta“, ein Ganzes, das über die Teile herrscht und sie durch Unterstellung unter einen gemeinsamen Herrn miteinander verbindet.

So wenig wie das Zeitgefühl des Mittelalters dem der nachkoper-nikanischen Epochen entspricht, so wenig stimmen die politischen Auffassungen zwischen Mittelalter und Neuzeit überein. Nicht die äußeren Umstände sind dabei entscheidend. Stellung und Blickrichtung geben den Ausschlag. Das Individuum sieht nicht von sich aus seine Stellung, sondern von einem außerhalb seines Ichs liegenden Standpunkt aus. Dazu kommt, daß — wie Hermann -Heimpel erklärt — „Deutschland als das Land der Stämme, des weiten Raumes und des siedlungsmäßigen Landausbaues, Deutschland als das Land des hohen Adels und der lokal gebundenen Treuegefühle noch gar keinen Staat hatte, als es zum Reich aufgerufen war. Deutschland hatte ein Reich, lange bevor es einen Staat hatte. Man kann das kurz ausdrücken mit dem Satze: Der deutsche König regiert nicht, sondern er herrscht. Er stieß stets auf Widerstand, gar nicht immer wohlgemerkt auf böswillige Rebellion, sondern auf entgegenstehende Gefühle und Bindungen. Dabei war es nicht so, als hätte man das Königtum entbehrlich gefunden. Aber man fand es in der Ordnung, daß es das Leben des Hochadels in Macht und Recht nicht etwa im Sinne einer zentralen Staatsgewalt unterdrückte, sondern vielmehr das zur Geltung brachte, was man vom König erwartete: er sollte in persönlicher Anwesenheit das Recht schützen, man möchte sagen, dem Zusammenleben des Adels die Spielregeln wahren“ Diese vorgegebene Bereitschaft des deutschen Volkes zu aufsteigenden Ordnungen und Gesellungen ist unbestreitbar. In ihr ist seine „innere Neigung“ zum Föderalismus begründet. Sie ist durch zwei entscheidende Tatsachen gestützt und gefördert worden: 1. Dem deutschen Raum fehlt ein natürlicher Mittelpunkt. Franz Sd'inabel stellt dazu in seiner „Deutschen Geschichte des 19. Jahrhunderts“

fest: „Für Deutschland wurde die Tatsache entscheidend, daß keiner seiner Landschaften durch Lage und Natur ein Über-gewicht gegeben war, welches die politische Einheit des Ganzen, seine Beherrschung von einem Punkte aus sicherstellte“

2. Das deutsche Volk ist nicht als politische Einheit, sondern in Stämmen auf die Bühne der Weltgeschichte getreten. Dieser Tatbestand bestimmt den österreichischen Historiker Heinrich Ritter von Srbik (1878— 1951) zu der Erklärung: „Die deutschen Stämme sind älter als das deutsche Volk, älter als das fränkische und das römisch-deutsche Reich. Als sie in Mitteleuropa dauernde Sitze nahmen, fehlte ihnen das volkliche Einheitsbewußtsein, das Christentum wurde ihr erstes Einheitsband. Sie bewiesen staats-bildende Kraft in den Stammesherzogtümern. An sie knüpfte unter den letzten Karolingern zu einem Teil das neue Herzogtum an. Die Einfügung der Alemannen und Thüringer, der Sachsen und Bayern in das fränkische Reich Karls des Großen, die Ausdehnung des Lehensrechtes auf die Herzogtümer durch Heinrich I. und die Fesselung ihrer partikularistischen Widerstandskraft durch Otto L, das waren Vorbedingungen deutscher Gesamtgeschichte, deutscher Kaiserpolitik, deutscher und universaler Reichsidee. Die Reichsidee verband die deutschen Stämme im Investiturstreit zur Verteidigung und einte sie zur Nation, das Stammesbewußtsein aber ist eine unverlierbar fortwirkende Kraft im deutschen Leben geblieben. Mochte auch die deutsche staatliche Entwicklung die vier alten Stämme der Franken, Sachsen, Schwaben und Bayern zerschneiden, und mochte die Herrschaftsbildung der Dynastien und Territorien die deutschen Stämme unter eine Mehrzahl von Einzelstaaten verteilen; mochte auch schließlich nur in Bayern der Einzelstamm die feste Grundlage des Territorialstaates bleiben und mochten Staats-und Stammesgrenzen nirgends in Deutschland zusammenfallen — das Problem der harmonischen Vereinigung von stammesmäßiger Vielheit und reichischer Einheit war und ist eines der tiefsten Schicksalsprobleme nationalen deutschen Werdens. Föderalismus oder Partikularismus bewahrten starke stammesmäßige, im Gesamtstamm oder in Stammesteilen ruhende Wurzeln des Widerstandes gegen den unitarischen Gedanken“

Die darüber geführten Auseinandersetzungen reichen bis in die Anfänge des karolingischen Imperiums. Die Siege Karls des Großen über die Sachsen (782) und über die Baiern (Absetzung Herzog Tassilos III. von Baiern 788) haben zentralistischen Tendenzen zum Übergewicht verhelfen. Die geniale Staatsschöpfung Karls des Großen trägt alle Vorzeichen, die notwendig sind, um sie als dezentralisierte Einheit zu verstehen. Daß dieser zeitbedingte Grenzen gezogen. worden sind, bedarf keiner Erläuterung. Für die Analyse der geschichtlichen Erscheinungsform des Föderalismus ist es jedoch von Bedeutung, daß der -dem Stammesbewußtsein innewohnende Hang zum „Separieren“ nicht in der Lage gewesen ist, sich durchzusetzen. So schmerzlich die Unterwerfung der Sachsen gewesen ist, — ihr Blut ist zum Unterpfand ihrer Treue zu Kaiser und Reich geworden. Die Unterwerfung der Bayern dagegen hat eine immer wieder aufgebrochene und schwärende Wunde zurückgelassen, die auch im Gefühl schmerzlicher Verbitterung über eine als ungerecht empfundene Zurücksetzung durchgeschlagen hat. Die mittelalterliche Geschichte der Deutschen beginnt mit der zwingenden Erkenntnis zur Notwendigkeit zusammengefaßter Einmütigkeit. Die großen Karolinger haben nicht gezögert, dieser Einsicht mit dem Schwert nachzuhelfen. Ihre für Europa beispielgebende Staatsschöpfung ist ohne ihren Mut zur Einheit nicht möglich gewesen.

Aber auch ihre Nachfolger haben sich zu der Einheit des Reiches bekannt. Karl Bosl hat im einzelnen belegt, daß „die sächsischen Könige von 919— 1002 das fränkische Erbe der Staatseinheit gegenüber den alten Stammeskräften, die aus dem Zerfall des karolingischen Groß-reiches neu emporgestiegen waren, gewahrt und einen erträglichen Gleichgewichtszustand der polaren Mächte in ihrem zentralen Königs-staat hergestellt haben“. Er betont dabei: „Dem Herzogtum wurde die Möglichkeit eigener Außenpolitik genommen und die kgl. Oberhoheit gerade auf diesem wichtigen Gebiet gesichert. Die großen Salzburger Annalen berichten zwar, daß die Bayern ihren Herzog Arnulf 920 selbst zum König wählten, aber zum König „in regno Teutonicorum“ — trotz des Wahlzwists also ein deutliches Zeugnis für das gemeinsame Volks-und Staatsbewußtsein der deutschen Stämme“

Der Pendelschlag zwischen zentraler Reichs-und partikularer Stammesgewalt fällt zusammen mit Glanz und Schatten deutscher Reichs-geschichte, — ein Umstand, der sich als Hypothek auf den geschichtlichen Weg des Föderalismus gelegt hat. Dieser „Dualismus“ hat Staatsformen und Staatsmänner, Umwälzungen und Verwandlungen durch Jahrhunderte überstanden. Er ist im „Staatsbegriff“ des Mittelalters auffindbar. Er ist selbst im Zeitalter des Absolutismus transparent geblieben. Im Deutschen Bund ist der Konflikt zwischen Zentralismus und Föderalismus zur Schicksalsfrage geworden, deren Lösung nur durch militärische Auseinandersetzungen möglich gewesen ist. Die Existenz ‘ zentrifugaler und zentripetaler Kräfte hat diesen Dualismus in Deutschland veranlaßt und am Leben erhalten. Sie haben entscheidenden Einfluß auf den staatsrechtlichen und politischen Charakter der Epochen der deutschen Geschichte genommen, allgemein sichtbar geworden in der tiefen Sehnsucht nach Einheit in Zeiten staatlicher Zerrissenheit und nach Freiheit in Zeiten freiheitsfeinlicher Einheitlichkeit. Weil die Zeiten politischer Uneinheitlichkeit im Verlauf deutscher Geschichte überwiegen, ist die Sehnsucht nach Einheit zu einem ständigen Anliegen des deutschen Volkes geworden. In seiner Betrachtung ist das Hochmittelalter zum verwirklichten Ideal geworden, das Einheit und Freiheit in der erwünschten und möglichen Vollkommenheit einander zugeordnet hat.

Die „politische Religiosität“ (Friedrich Heer) des frühen und auch noch des hohen Mittelalters ist durch den „kältenden Hauch nüchterner Staatsraison" (Albert Brackmann) zum Einfrieren gebracht worden. Das „Reich aristokratisch hochkirchlicher Prägung“ (Hermann Heimpel) ist einem Säkularisierungsprozeß unterworfen worden, durch den auch die persönlichen Bindungen zwischen Herrscher und LIntertan entfallen sind Je unpersönlicher sich diese Beziehungen entwickelt haben, um so dringender ist das Bedürfnis nach Schutz des einzelnen und der kleinen Ordnungen geworden. Der Kampf um Privilegien ist vor allem von den Städten als ein Kampf um die Erhöhung und Vermehrung der Sicherheit ihrer Bürger verstanden worden, bedingt durch die Ohnmacht von Kaiser und Reich. Die Schwächung der kaiserlichen Gewalt hat immer die Stärkung partikularer Gewalten, in denen Neigungen zum Separieren ständig bereit sind, zur Folge gehabt. Diese haben sich in der Staatsbildung des hohen und späten Mittelalters der zentralen, in die Hände des Kaisers gelegten Gewalt überlegen erwiesen. Die Bildung territorialer Staatsorganismen — in ihrer Form mehr von dynastischen Zufälligkeiten als von geschichtlichen Gegebenheiten bestimmt — hat eingesetzt. Ihr Grundwasser hat auch föderalistische Spuren und Elemente mitgeführt, mitunter freilich mit separatistischen Elementen unlösbar verbunden. So ist sehr früh bereits der Umstand eingetreten, „daß das wirkliche staatliche Leben sich nicht mehr im Reich, dessen . Verstaatlichung'mißlungen war, sondern in den Territorien abgespielt hat. Wenn aber die staatlichen Funktionen des Reiches auch immer mehr zusammenschmolzen, konnten es die Fürsten doch niemals ganz überwinden und ersetzen. Daher blieb der Dualismus zwischen Kaiser und Reich (Ständen) bis 1806 weiterbestehen. Reichspolitik war nur möglich in Form der Hausmachtpolitik. Eine wirkliche Zentralgewalt mit staatlichem Verwaltungsapparat gab es kaum mehr“. Nicht nur des bemerkenswerten Namens wegen ist die von Kaiser Friedrid'i 11. (1212— 1250) den geistlichen Fürsten 1220 verliehene „Confoederatio cuw Principibus ecclessiasticis“ zu erwähnen. Karl Bosl hat darauf hingewiesen, daß es sich dabei nicht um ein Privileg, sondern in Wirklichkeit, wie der Ausdruck „confoederatio" besage, um ein Abkommen zwsichen zwei gleichberechtigten Partnern gehandelt habe Träger der Staatlichkeit sind durch Jahrhunderte die deutschen Territorialstaaten auch wenn gewesen, sieben der mythische Glanz des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation niemals untergegangen ist.

In seiner Biographie über den württembergischen Grafen „Eberhard im Barte" (1445— 1496) stellt Fritz Ernst fest: „Der Patriotismus des späteren Mittelalters klammert sich in Deutschland an die Territorialfürsten“ Obwohl sie die Ausfüllung des Reiches mit Staatsbewußtsein mehr verhindert als gefördert haben, haben sie sich der allgemeinen deutschen Verpflichtung nicht entzogen. „In den deutschen Territorien wurde die Idee der Staatlichkeit gefettet und entwickelt, so daß schließlich aus einem Territorialstaat seit dem 18. Jh. die Idee der national-staatlichen Einheit geboren wurde“ Die Struktur des Mittelalters weist zwar in einzelnen Vorgängen und Haltungen föderalistische Verwandtschaft auf, — sie ist aber entscheidend von politischen Kräften bestimmt, denen Föderalismus nicht zur politischen Wirklichkeit geworden ist. Die Gegensätze zwischen zentraler Gewalt und partikularen Gewalten sind nicht durch Ablehnung oder Verteidigung föderativer Grundsätze erklärbar, obwohl auch in ihnen die durch Stammesbewußtsein, geographische Lage und geschichtliche Entwicklung vorgegebenen Umstände in Erscheinung getreten sind.

Es ist nicht verwunderlich, daß der größte Denker des Mittelalters, Thomas von Aquin (1225— 1274), in Übereinstimmung mit Aristoteles (384— 522 v. Ch.) annimmt, daß der Staat „der Natur nach früher" ist als einzelner und Familie. Thomas will „durchaus nicht die Selbständigkeit und das Recht der Familie der Staatsgewalt einfach zum Opfer bringen, die Familie behält ihre natürlichen Rechte, zu deren Schutz ja gerade der Staat entstanden ist. Nur dann, wenn zwischen dem Interesse des Staates und dem der Familie eine Kollision entsteht, macht sich, vorausgesetzt, daß es sich um irdische Güter, um solche gleicher Ordnung handelt, der Vorrang des staatlichen Zweckes geltend und hat die Familie die entsprechenden Opfer zu bringen. Lediglich das ist gemeint, wenn der Satz aufgestellt wird, wonach der Staat „früher“ ist als die Familie: der Zweck des Staates, dessen Glied die Familie ist, erscheint als der an sich höhere“ Die für die Beurteilung der Existenz und der Stellung des Föderalismus im Mittelalter tieflotende Bedeutung dieser Aussage ist in vollem LImfang erkennbar, wenn ihr die Feststellung Constantin Frantz’ gegenübergestellt wird, daß die Familie der Anfang und das Vorbild aller wirklich menschlichen Gesellschaft sei Das Mittelalter kennt föderative Elemente, die aber immer in Verbindung mit anderen Komponenten auftreten, nicht aber föderalistische Systeme und bewußt empfundene und bewußt vertretene föderalistische Gesinnungen. Die Sehnsucht nach einer umfassenden und zugleich schützenden Einheit in Geist, Glaube und Politik hat gerade in den dunklen Jahrhunderten der Ohnmacht von Kaiser und Reich die Brücke in die Zukunft geschlagen.

IL Der Föderalismus im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation 1648 -1806

Niccolo Machiavelli (1469— 1527) hat über die Organisation des von ihm skizzierten Staatswesens die Feststellung getroffen: „Wenn der souveräne Fürst höchste Gewalt nach innen und Unabhängigkeit nach außen beansprucht, kann es nur e i ne staatliche Organisation geben, die in der Person des Königs konzentriert ist. Nach außen duldet dieser keinerlei Einordnung in ein größeres Gemeinwesen, sondern er kennt lediglich Vereinbarungen mit anderen Staaten, die gleich ihm zentralistischen Charakter haben. Nach innen kann es keine staatliche Organisation, die nicht als eigene zu ihm gehört und keine staatliche Funktion, die nicht von ihm oder in seinem Auftrag vollzogen wird, geben“ Im absolutistischen — und im totalitären — Staate ist für den Föderalismus die Luft zu dünn. Zwischen Föderalismus und Absolutismus ist keine Koexistenz möglich. Sie schließen sich gegenseitig aus. Machiavelli ist mit seiner Auffassung nicht allein gewesen. Der Spanier Frauz Suarez (1548— 1617), der bedeutendste Staatslehrer der Spätscholastik, hat seinerseits die Verbreitung dieser Auffassung entscheidend gefördert. Er nennt den Staat das „Corpus politicum mysticum". Ursprung der Staatsgewalt ist für ihn allgemein Gott; denn diese ist, bevor die Menschen sich zum Staat einigen, nicht in den einzelnen noch in ihrer Summe. Im Augenblick des durch das Naturrecht bedingten Zusammenschlusses der Individuen zu einem Sozialkörper wird die Autorität mit diesem geboren. Die Autorität wird dann einem einzelnen übertragen, der also nicht aus eigener Macht herrscht, sondern die Autorität lediglich als Verwalter des Gemeinwohles inne hat. Der Staat ist, wenn man die mittelalterliche Vorstellung wieder aufnimmt, nicht mehr „societas perfecta", sondern „perfectio societatis", nämlich diejenige Gesellung, deren Aufgabe es ist, alle anderen Gesellungen auf ihrem Territorium nach dem Prinzip der Gerechtigkeit im Dienste des Allgemeinwohles zum Zwecke der Zusammenarbeit in einer Zentrale zusammenzufassen.

Karl V. (1500 — 1558) hat in seiner Politik den Versuch unternommen, das in den Jahrhunderten hinziehender Reichsreform in bezug auf die Reichsstruktur Unerreichbare nachzuholen. „Was seit dem Sturze der Staufer nicht mehr möglich gewesen, schien Karl V. zu erreichen: er plante die Wiederherstellung des mittelalterlichen Kaisertums, des stau-fischen Imperialismus. So ist Karl V. die letzte Kaisergestalt großen Stiles geworden. Aber sein Imperium war doch gar sehr verschieden von dem des deutschen Mittelalters. Er strebte nach der Zentralisation des modernen Staates, arbeitete mit Beamtentum und Söldnerheer; das deutsche Volk aber sollte nicht Träger und Mittelpunkt des Imperiums sein, sondern lediglich der Verstärkung und Abrundung einer modernen, europäischen Weltmonarchie dienen. Ein solcher Kaisergedanke war dem stau-fischen so fremd und fern, wie die Persönlichkeit dieses argwöhnischen und unritterlichen Herrschers, der nichts besaß von dem Heldentum unserer mittelalterlichen Kaiser. Groß in seinem Fleiß und seinem unerschütterlichen Pflichtgefühl, schweigsam und unheimlich ruhig verfolgte er seine Pläne, um dann spät und ungeahnt den Schlag gegen die partikularen Gewalten zu führen. Die protestantischen Fürsten hatten sich im Bunde von Schmalkalden zusammengeschlossen, weil sie mit ihrem Glauben zugleich die fürstliche „Libertät" verteidigten; der Kaiser aber trat gegen sie auf, weil sie Protestanten und Partikularisten waren. Denn die Dinge waren nun einmal so geworden, daß die Zukunft des Protestantismus an das Fürstentum gekettet war: Karl wollte in den Fürsten die Lutheraner treffen, sie aber auch als Fürsten vernichten“

Der Begriff „Libertät“ — auch „Deutsche Libertät“ — ist als e i n e r der Vorläufer des Begriffes Föderalismus anzusehen. Wie für den Begriff Föderalismus fehlt für den Begriff Libertät eine allgemein anerkannte Definition. Diesbezügliche Bemühungen werden nicht zuletzt dadurch erschwert, daß sowohl im Begriff Libertät als auch im Begriff Föderalismus Bestrebungen Unterschlupf gesucht und gefunden haben, die den Inhalten der Begriffe Deutsche Libertät und Föderalismus wesensfremd sind. Es ist jedoch nicht zu bestreiten, daß die „Deutsche Libertät“ mitunter starke partikularistische, ja sogar separatistische Beimischung hat.

Es ist auch nicht zu bestreiten, daß diese Beimischung auch im Föderalismus anzutreffen ist. Ohne Zweifel hat sich bei den Westfälischen Friedensschlüssen die Waagschale einer zur Separation neigenden Reichs-unfreundlichkeit tief gesenkt. Überlegungen über notwendige Änderungen der Reichsstruktur sind jedoch nicht ausgeblieben. Nicht alle Betrachter haben sich der resignierenden Erklärung Pufendorfs angeschlossen, seiner 1667 der in unter dem Pseudonym „Serverinus de Monzambano"

veröffentlichten Schrift „De statu imperii Germanici“ erklärt hat, daß das Reich in keine Staatstheorie passe, sondern „irreguläre aliquod corpus et monstro simile“ (— irgendein ungewöhnlicher „Körper“ und ähnlich einem „Monstrum“ —) sei. Gleichzeitig hat er die Überzeugung ausgesprochen, daß allein eine föderative Ordnung des Reiches dieses retten könne — „ad foederatorum aliquod systema ultro vergit“ (— „ohne ein föderatives System geht es zu Ende“ —).

Gottfried 'Wilhelm Leibmz (1646 — 1716) hat sich mit leidenschaftlicher Ergriffenheit für eine Auffüllung des weithin ausgehöhlten Reichs-körpersausgesprochen. Er hat die „mittelalterliche Reichsidee durch Verbindung ihrer geschichtlichen christlichen Grundlage mit säkularisiertem, aufgeklärtem Denken erneuert und noch einmal im Reich die große weltlich-geistliche Einheit gesehen; eine Einheit, der ein deutscher nationaler Kern die Kraft gegen Türken und Franzosen verleiht, der eine abendländische Ordnungsaufgabe auferlegt ist und deren Endzweck nicht Obergewalt, sondern auctoritas, Walten der Gerechtigkeit und Schlichtung des Un-friedens in Europa ist. Leibniz hat das Reich als die Mitte Europas gesehen, hat ihm staatlichen Charakter mit Eigenpersönlichkeit und Willens-fähigkeit zugeschrieben, hat aber zugleich das Moment der deutschen Staatlichkeit seiner Zeit in das Reichswesen eingewoben und das Reich aufbauen wollen auf hündischer Struktur, auf einer beständigen Allianz der Territorien. Über dieser föderativen Ordnung waltet die hegemoniale Führung durch den Kaiser, der auch Schirmherr und weltlicher Arm der Kirche und das Haupt aller christlichen Staaten und Völker ist. Leibniz hat die Wende von der ehrwürdigen geschichtlichen Über-lieferung der Reichsidee zur Synthese mit der Lehre vom Reich der Deutschen vollzogen und eine Reichsreform im Geist der Harmonie der Führung und der Teile und der Einheit kaiserlicher Leitung, der Reichswehrkraft und der Reichsfinanzen vor dem sehenden Auge gehabt“

Der föderative Gedanke als Ausdruck ausgewogener Ordnung ist nicht nur für Leibniz Erwartung und Hoffnung gewesen. Eine andere Form föderativer Zusammenschlüsse ist durch Sonderbündnisse der Reichsstände verwirklicht worden. Ihr Ziel ist es gewesen, „dem Reiche die Leistungsfähigkeit zu geben, an der die eigentlichen Reichsorgane sich vergeblich abmühten“ Den Versuchungen des Partikularismus haben diese Bemühungen nicht immer erfolgreich Widerstand geleistet. Die Umkehrung ihrer Zielsetzung ist immer häufiger geworden. In anderen Bereichen haben sich Rudimente des Föderalismus behauptet, vornehmlich im innerstaatlichen Leben vor allem der Reichskreise, die mehrere Territorien umfaßt haben wie z. B.der Fränkische oder Schwäbische Kreis. Der in Geschichtsschreibung und im Geschichtsunterricht so sehr herausgestellte Gegensatz zwischen Preußen und Österreich, der in dem politisch-militärischen Ringen zwischen Maria Theresia (1740 — 1780) und Friedrich II.

von Preußen (1740 — 1786) seinen dramatischen, die Entwicklung und Entfaltung der deutschen Frage in der europäischen Politik bestimmenden Höhepunkt erreicht hat, überdeckt im 18. Jahrhundert das politische Leben des übrigen Deutschland. So wird die Tätigkeit der Reichskreise auch in ernsthaften geschichtlichen Darstellungen verschwiegen. In den Reichskreisen ist jedoch echtes politisches und verfassungsrechtliches Leben vorhanden gewesen, auch wenn Differenzierung des Rechtsmaßes und Überlagerung durch lehensrechtliche Tradition sehr bedeutend gewesen sind. Wenn es gelingt, die Funktion der Reichskreise für das geschichtliche Bewußtsein in Deutschland neu zu entdecken, dürfte ein nicht unwesentlicher Beitrag zur Geschichte des Föderalismus in Deutschland geliefert werden können.

In den von zahlreichen Territorien gebildeten Reichskreisen, in denen gegensätzliche und widerstrebende Kräfte zusammengeführt und zu gemeinsamem Handeln bewegt worden sind, ist die Form eines labilen, weil graduierten Föderalismus zur Anwendung gekommen, die trotz zeit-bedingter Umständlichkeit reiche Erkenntnisse und Erfahrungen vermittelt hat. Es ist nicht zufällig, daß zum Ende des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation das Wort „föderativ“ häufiger anzutreffen ist. Die lineare Verwaltungsordnung Frankreichs durch die Französische Revolution (1789) hat zumindest bei einzelnen Deutschen den Blick geschärft für die gerne übersehenen echten Inhalte der deutschen Mittel-und Kleinstaaten. Sie hat gleichzeitig die Erkenntnis, daß Einheit nicht Einheitlichkeit im Sinne von Uniformität bedeutet, geweckt. Dieser Vorgang ist nicht nur auf dem Gebiete der allgemeinen Staatsorganisation anzutreffen. Er gilt auch für Verwaltungseinrichtungen. So ist z. B. eine Denkschrift des Grafen Saurau, Regierungspräsident von Niederösterreich, vom 16. Juli 1797 bekannt, in der sich dieser österreichische Verwaltungsfachmann nach Abschluß des Präliminarfriedens von Leoben (1797) mit der Desorganisation und fortschreitenden Anarchie der Staatsverwaltung und der Gefahr der inneren Auflösung, der politischen Aus-zehrung der Habsburger Monarchie, eingehend beschäftigt. Der Monarch, so stellte Graf Saurau fest, müsse sich beeilen, dem Übel zuvorzukommen, solange noch Hilfe möglich sei. Als die dringendste Aufgabe erscheine ihm eine Reform der obersten Leitung. Der Staatsrat sei seinem ursprünglichen Zweck, den die Kaiserin Maria Theresia, als sie ihn ins Leben rief, vor Augen hatte, vollständig entrückt. Statt daß in demselben die Fäden der ganzen Regierung zusammenliefen und nur die wichtigsten Gegenstände verhandelt würden, beschäftige er sich mit den geringfügigsten Dingen, wie über die Frage, wer auf dem Mauthaus in X Hausmeister werde und ob der N eine Tagschreiberstelle erhalten solle. Lind darüber hätten vier Minister und drei Staatsräte beraten müssen. Saurau dachte sich die Lösung dieses Problems der obersten Leitung so:

Die einzelnen Ressortminister sollen sich-in einer Konferenz unter dem'persönlichen Vorsitz des Kaisers versammeln, um dort mündlich über alle Gegenstände von höherer Bedeutung zu beraten. In besonderen Fällen, wo eine Meinungsdifferenz bestehe, wären auch die Chefs der Hofstellen mit den Referenten zu berufen. Auf diese Weise lerne der Kaiser jeden Gegenstand von allen Gesichtspunkten aus betrachten und könne sodann um so beruhigter seine Resolution fassen. Der Staatsrat wäre ganz aufzulösen. Saurau erinnerte den Monarchen an den bösen, vom Fürsten Caunitz gemachten, aber zutreffenden Vergleich der Behördenorganisation mit einer umgekehrten Pyramide, die auf der Spitze stehe, weil die unteren Stellen nur eine sehr geringe Wirksamkeit hätten und alle Entscheidungen aufwärts gezogen würden

Dieses Beispiel zeigt, daß die Notwendigkeit föderativer Staatsordnung am Ende des 18. Jahrhunderts nicht unbekannt war, auch wenn man sich des Begriffes selbst nicht oder noch nicht allgemein bediente. Vor allem in der nach 1870 erschienenen historischen und verfassungsrechtlichen Literatur ist immer wieder die Behauptung anzutreffen, der Untergang des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation sei ein beschämendes Beispiel des Versagens des Föderalismus. Die Richtigkeit dieser Behauptung ist aus mehrfachen Gründen zu bezweifeln. Audi wenn die Geschichte des föderativen Gedankens noch nicht geschrieben ist, ist die These vertretbar, daß im Gestein des alten Reiches zwar föderalistische Adern vorhanden sind und ohne Zweifel auch bloßgelegt werden können, daß dieser politische Organismus jedoch nicht ausschließlich aus föderativen Kompenenten zusammengesetzt gewesen ist. Das vorhandene föderative Element war hinsichtlich seiner Funktionsfähigkeit s o überlagert und beschränkt, daß es nicht zu einer sinnvollen Entfaltung gekommen ist. Politische Entwicklungen haben an dem 800 Jahre alten Bau des Heiligen Römischen Reiches wie Herbststürme gerüttelt. Die Gewinnsucht der Landesherren hat in der Säkularisation die Axt an seine Grundlagen gesetzt. So unbestreitbar die Existenz föderativer Kräfte ist, so bestreitbar ist die These, das Heilige Römische Reich deutscher Nation sei an einer Überdosis Föderalismus entschlafen. Nicht die Föderalisten, — die aufgeklärten Staatsabsolutisten haben sein Lebenslicht ausgeblasen. Sie haben die Devise der Französischen Revolution von „nation une et indivisible" unter Verkennung der Anlage, Struktur und Geschichte des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, auf Deutschland übertragen.

Die preußischen Könige haben durch ihren mit Umsicht und Zucht gestalteten Staat Hoffnungen geweckt, die bereits vor der Großen Revolution in Frankreich sich nach der Wirklichkeit eines deutschen Staates gesehnt haben. Die „Fritzische Gesinnung“ Goethescher Jugend ist mehr gewesen als hochlohende Begeisterung für den Preußenkönig. In ihr ist der Wunsch nach einer deutschen Staatlichkeit unbewußt aufgebrochen, dessen Erfüllung das Vermögen des brüchig gewordenen Gerüstes des Reiches überstiegen hat. Diese Erwartung ist wiederholt bezeugt worden. „Übereinstimmend mit altdeutscher Auffassung wollte Kant (1724 bis 1804), daß der deutsche Staat das Recht verwirklichen solle, und ebenso träumte Fichte von einem Reich des Rechts, das die Deutschen aufrichten würden, wie die Welt es noch nicht gesehen habe; denn die Alten hätten ihr Staatswesen auf dem Unrecht der Sklaverei aufgebaut.

Nicht nur die Dichter und Denker, von denen man meinen könnte, es habe ihnen das Verständnis für die politischen Erfordernisse des Staates gefehlt, auch die Historiker der Zeit wollten in Deutschland einen Friedensstaat sehen. Die Göttinger Schule pries die Kleinstaaterei Deutschlands, weil sie dem Frieden diene, und verstieg sich zu dem merkwürdigen Ausspruch: „Wehe der Freiheit des Weltteils, wenn die Hunderttausend deutscher Bajonette jemals einem Herrscher gehorchten." Dabei war nicht an ein schwaches Deutschland gedacht; Deutschland sollte stark, aber stark zur Verteidigung, nicht zur Eroberung sein; man hielt das für die Bedingung zum Glück Europas. Gerade das ist charakteristisch, daß die deutschen Denker nicht nur das Wohl ihres Landes, sondern zugleich das Wohl der benachbarten Länder, daß sie das Wohl Europas bedachten. Der Völkerbund, dessen Linien damals Kant mit so behutsamer Hand zog, bestand schon im Geiste vieler Denker. Die Föderation der europäischen Völker, sagte Adam Müller, wird gewiß kommen und sie wird deutsche Farben tragen; denn alles Große in den europäischen Institutionen ist deutsch. Kein geringer Platz inmitten der europäischen Völker war Deutschland zugedacht, ein herrschender vielmehr, aber ein geistig herrschender durch die universale Idee, die im Mittelalter auf der Einigkeit von Papst und Kaiser beruht hatte. Der Gedanke war in dieser Form, die Leibniz noch festgehalten hatte, untergegangen, er nahm nun den Charakter eines Rechts-und Friedens-reiches an, das die Deutschen als Volk der Mitte zu verwalten hätten“

In ähnlichen Überlegungen hat sich auch die Vorstellung Schillers bewegt. 1801 — im Jahre des Friedens von unville, durch den die Agonie des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation eingeleitet worden ist — hat er sein Gedicht „Deutsche Größe“ geschrieben. Es ist Totenklage und Trostgespräch. In ihm sagt Schiller, daß Deutschlands Majestät nicht auf dem Haupte seiner Fürsten ruhe. Sie sei geistiger Art und von den Deutschen über der politischen gegründet. Freiheit des Einzelnen und Pflicht zum Ganzen verbindet Schiller in seinen Forderungen an Staat und Gesellschaft. Der Staat ist niemals Zweck, er ist nur wichtig als eine Bedingung, unter welcher der Zweck der Menschheit erreicht werden kann, und dieser Zweck der Menschheit ist kein anderer, als die Ausbildung aller Kräfte des Menschen, Fortschreitung. Hindert eine Staatsverfassung, daß alle Kräfte, die im Menschen liegen, sich entwickeln, hindert sie die Fortschreitung des Geistes, so ist sie verwerflich und schädlich, sie mag übrigens noch so durchdacht und in ihrer Art noch so vollkommen sein.

Trotz dieser Forderung, die ein wesentlicher Bestandteil föderalistischer Gesinnung ist, ist Schiller kein Herold des Föderalismus. Zu ihm ist Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom und zum Stein (1757— 18 31) geworden, der über die Ordnung des Römischen Reiches, dessen altehrwürdige Krone Kaiser Franz II. am 6. August 1806 niedergelegt hatte, festgestellt hat: „Die alte Verfassung Deutschlands versicherte jedem seiner Einwohner Sicherheit der Person und des Eigentums... Die Willkür der Fürsten war durchaus in der Abgabenerhebung, in ihrem Verfahren gegen die Person ihrer Untertanen beschränkt“

Das Römische Reich deutscher Nation ist kein föderatives Staats-gebilde gewesen. Es war in jeder Hinsicht vielschichtig und vielschimmernd. Die Existenz föderativer Ansätze und Elemente ist jedoch nicht zu bestreiten. Ihr Durchbruch zu einer föderativen Reform des Reiches ist an dem zusammengefaßten Widerstand geistiger und politischer Kräfte, die dem Föderalismus zumindest wenig geneigt gewesen sind, gescheitert. In der Gestaltwerdung Preußens ist Deutschland ein Beispiel bisher nicht gekannter Staatlichkeit gegeben. Dieses Beispiel hat einen unverkennbaren Sog ausgeübt. Der deutsche Nationalgedanke hat auch dadurch starke Impulse erhalten. Sie haben sich gleichzeitig in die Richtung staatsrechtlicher Einheit bewegt. In der Verbindung des Nationalis mus mit dem Unitarismus ist dem Föderalismus ein starker Gegen Spieler erstanden.

III. Der Föderalismus im Deutschen Bund 1815 -1866

Ein Jahr nach der Niederlegung der Krone des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation durch Kaiser Franz II. hat Freiherr vom und zum Stein seine Denkschrift „Über die zweckmäßige Bildung der obersten und der Provinzial-Finanz-und Polizeibehörden in der preußischen Monarchie" geschrieben. Ihr Ziel ist die „Belebung des Gemeingeistes und Bürgersinns, die Benutzung der schlafenden oder falsch geleiteten Kräfte und der zerstreut liegenden Kenntnisse, der Einklang zwischen dem Geist der Nation, ihren Absichten und Bedürfnissen und denen der Staatsbehörden, die Wiederbelebung der Gefühle für Vaterland, Selbständigkeit und Nationalehre“ gewesen. Stein hat in ihr festgestellt:

„Auch meine Diensterfahrung überzeugt mich innig und lebhaft von der Vortrefflichkeit zweckmäßig gebildeter Stände, und ich sehe sie als ein kräftiges Mittel an, die Regierung durch die Kenntnisse und das Ansehen aller gebildeten Klassen zu verstärken, sie alle durch Über-zeugung, Teilnahme und Mitwirkung bei den Nationalangelegenheiten an den Staat zu knüpfen, den Kräften der Nation eine freie Tätigkeit und eine Richtung auf das Gemeinnützige zu geben, sie vom müßigen sinnlichen Genuß, oder von leeren Hirngespinsten der Metaphysik, oder von Verfolgung bloß eigennütziger Zwecke abzulenken und ein gut gebildetes Organ der öffentlichen Meinung zu erhalten, die man jetzt aus Äußerungen einzelner Männer oder einzelner Gesellschaften vergeblich zu rraten bemüht ist“ Selbstverwaltung braucht nicht sub-

stanzierter Föderalismus zu sein. Sie kann auch durch „Aufgaben-

Delegation“ entstehen.

Stein, einem alten Reichsrittergeschlecht entstammend, hat vom Fluch des territorialen Fürstentums gesprochen. Seine Blicke richteten sich auf Preußen, nicht nur weil er sich dem Staate seiner Wahl zu Diensten verpflichtet fühlte, obwohl ihn soeben das Entlassungsdekret — 3. Januar 1807 — des Königs losgesprochen hatte, sondern auch weil ihm Preußen ein Werkzeug schien zur künftigen nationalen Einigung aller Deutschen.

In Preußen gedachte er das Vorbild des wahren deutschen Staates zu schaffen, und seine stille Hoffnung war, daß auch Österreich nicht zurückbleiben werde. Dann mochte aus der Erneuerung beider Staaten das wettergereinigte Haus des deutschen Volkes erstehen. Die Monarchie der Hohenzollern wie die Monarchie der Habsburger war ihm wert um der deutschen Zukunft willen. Sein politisches Grundgefühl war und blieb:

„Ich kenne nur ein Vaterland, das heißt Deutschland“

Stein kommt immer wieder der föderalistischen Entwicklungslinie nahe. Er stellt dem Urwort der Französischen Revolution „Recht“ sein Urwort „Verantwortung“ gegenüber. „Das ist der tiefste Sinn des Stein-sehen Staatsaufbaues in kleinen und wachsenden Selbstverwaltungskörpern, das der Sinn des kleinen Radius, nach dessen Maßgabe er dessen Aufbau beginnt. Im engen Kreise, in der schlichten und greifbaren Wirklichkeit, wie die Stadt-und Dorfgemeinde, wie auch Kreis und Provinz sie darstellen, wird ganz anders als in der großen Staats-politik das Selbst des Staatsbürgers zur Entscheidung und Verantwortung aufgerufen .. Wir dachten an die treffende Kennzeichnung der Geistesart Steins durch Arndt, „daß er nie von oben nach unten hinab, sondern immer von unten nach oben hinaufstieg“.

Für Freunde der konstitutionellen Monarchie wie Arndt und Stein kann dieses „von unten nach oben“ natürlich nicht bedeuten, daß alle Staatsgewalt vom Volke ausgehen solle. Aber es bedeutet, daß der Aufbau des Staates bei der kleinsten und nächsten seelischen Kraft, beim engsten Radius, beim Gewissen des Einzelnen beginnen solle. Es bedeutet, daß der kleinste und kleine Kreis, daß die Summe der kleinsten und kleinen Kreise im Volke allein eine feste, tragfähige Grundlage des Baues bilden können. Jenes „von unten nach oben“ bedeutet, wie Arndt alsbald selbst es erläutert: „von dem Kleinen zum Großen, von dem Engen zum Weiten, vom Einzelnen zum Ganzen“.

Die weitere Frage, ob Fürst oder Parlament letzter Träger der Staatsgewalt sein soll, braucht Stein nicht zu erörtern, wir dürfen sie aber als eine Frage zweiten Ranges bezeichnen gegenüber der staatspolitisch dringendsten Forderung, daß auf irgendwelchem Wege eine Form der Staatsverwaltung und -Verfassung gefunden werde, die. das Selbst des verantwortungsbewußten Menschen erweckt und lebendig erhält, die mehr und mehr das selbständige Gewissen als Sonne auch über den Sittentag eines ganzen Staatsvolkes zu stellen verspricht. Hier, in der Selbstverantwortung des lebendigen Einzelmenschen und Einzelgewissens, liegt der Kern der Staatserneuerung durch Stein" Die Betonung des Aufstieges „Von unten nach oben“ ist mehr als föderalistische Seelenfreundschaft. In Stein demonstriert sich eine föderalistische Form, die die föderative Durchorganisation der deutschen Staaten als Voraussetzung für die Belebung freiheitlicher Gesinnung erachtet. Er hat damit keineswegs offene Türen eingerannt. In den Staaten des Rhein-bundes ist das von der Französischen Revolution entwickelte Verwaltungsschema Frankreichs sorgfältig — bis zur Berücksichtigung peripherer Äußerlichkeiten — nachgeahmt worden. Hier ist teilweise der Versuch zur Herstellung einer „nation une et indivisible" gemacht worden, obwohl dafür die Voraussetzungen gefehlt haben.

Die vorausstürmenden Sprecher des Jahres 1813 haben aus ihrer leidenschaftlichen Ergriffenheit für die Idee der Freiheit sich immer wieder gegen jede Zentralisierung ausgesprochen. Zwar sind Gegner des Zentralismus noch keine Parteigänger des Föderalismus. Aber sie können dessen geneigte Freunde und schließlich dessen überzeugte Verbündete werden. Audi Johann Gottlieb Fickte (1762— 1814), fast nur noch als Verfasser der „Reden an die deutsche Nation“ bekannt, gehört zu den Ablehnern des Zentralismus.

Fichte ist letztlich die staatliche Form gleichgültig, es kommt ihm auf den Geist an, nicht auf die politische Organisation der Deutschen. Soviel aber weiß er und sagt er ausdrücklich einmal: daß ein deutscher Einheitsstaat unerwünscht wäre, er würde die individuelle Freiheit und Eigentümlichkeit erdrücken — wohingegen der Zustand vor 1806, das alte Reich ihm ganz erträglich erscheint. Und zweitens, der deutsche Staat oder die Deutschen Staaten der Zukunft müssen Erziehungsstaaten sein. Fichtes Aufruf an die deutsche Jugend in den Reden heißt nicht „Zu den Waffen!", nicht „Auf die Straße!", sondern „In die Schule!!

Auch Willielnt von Humboldt (1767— 1835) hat sich in diesem Sinne ausgesprochen, überzeugt von der Forderung: „Was im Menschen gedeihen soll, muß aus seinem Innern entspringen, nicht ihm von außen gegeben werden.“ Otto Voller hat dazu festgestellt: „Steht man einmal auf diesem Standpunkt, dann ist es nur folgerichtig, die Wirksamkeit des Staates, sogar das im Ergebnis wohltätige „Geben von außen“ durch den Staat abzulehnen bzw. zurückzudrängen auf das Allerunumgänglichste.

Je schwächer der Staat, je weniger er tut und sich einmischt, je weniger man von ihm spürt, desto besser; denn desto besser, desto freier können sich die Kräfte der Persönlichkeit ungehemmt, beglückend entfalten ohne äußeren Zwang, nur aus dem eigenen Inneren ersprießend. Humboldt weiß sehr wohl aus seiner preußischen Heimat, daß ein energisch eingreifender Staat mit Disziplin und Gehorsam zu Macht und Größe gelangen kann, er weiß, daß nicht nur der Herrscher, sondern auch der Untertan aus seiner Zugehörigkeit zu einem solchen machtvollen Ganzen Freude und Stolz schöpfen kann. Allein sein Wunsch ist das nicht.

Es kommt ihm nicht auf Resultate an, sondern nur auf die bewegende Kraft aus dem eigenen Inneren. „Ohne sie,“ sagt er, „wird der Mensch Maschine. Man bewundert, was er tut, man verachtet, was er ist"

Diese Hinweise machen deutlich, wie sehr das erste Anliegen des Föderalismus — die Freiheit und nur die in Freiheit mögliche Entfaltung der Einzelpersönlichkeit — dem deutschen Idealismus, der deutschen Romantik und dem deutschen Aufbruch des Jahres 1813 vertraut ist.

Eine Synthese zwischen der Einheit der deutschen Nation und der Freiheit des Individuums ist das Ziel gewesen. Nur auf diesem Weg ist die Möglichkeit zur Überwindung des absolutistischen Staatswesens gesehen worden. Freiheit und Einheit sind viele Pole einer für das Leben des Einzelnen und des Volkes unerläßlichen Spannung gewesen. Soweit sich diese Überlegungen zu staatsorganisatorischen Leitbildern vorwa-gen, haben sie eine durchschlagende föderalistische Folie.

Der Wiener Kongreß (1814/15) hat auf föderalistischen Beistand verzichtet. Es wäre irrig zu glauben, die Monarchen und Staatsmänner des Wiener Kongresses seien Föderalisten gewesen. Der Wiener Kongreß ist ein Verhandlungsund auch ein Handelsplatz der gekrönten Häupter Europas und ihrer Minister gewesen. Er kann nicht unter einer föderalistischen Fragestellung gesehen und beurteilt werden. Karl Griewank hat in seiner Untersuchung »Der Wiener Kongreß und die europäische Restauration 1814/1815“ auf den einzelstaatlichen Egoismus verwiesen und festgestellt: „In Deutschland wie in Italien schien die Wirksamkeit des nationalen Gedankens fast ganz auf das Kulturelle und Gefühlsmäßige beschränkt werden zu sollen. Hatte bis 1806 noch der Rest der alten Reichseinrichtungen als „Deutsches Reich“ verstanden werden können, so stellte das Nebeneinander gestärkter und schärfer voneinander abgegrenzter Einzelstaaten und ihre lockere Vereinigung im „Deutschen Bunde“ nach 1815 nur eine sehr schwache politische Entsprechung für das in den Befreiungskriegen neuerwachte deutsche Einheitsbewußtsein dar . . . Die deutschen Fürsten, an der Wiederaufnahme einer französischen Bündnispolitik gegen das deutsche Vaterland jetzt doch durch das einmal erwachte nationale Bewußtsein verhindert, konnten die in breiten Schichten auch der bürgerlichen und bäuerlichen Bevölkerung verwurzelte dynastische Anhänglichkeit benutzen, um den partikularen Staatsgedanken und die monarchisch-feudalen Vorzugsstellungen neu zu festigen. Das Einheitserlebnis von 1813 konnte weithin auf eine politisch passive Bejahung der erhalten gebliebenen Vielheit deutscher Staaten und des „Deutschen Bundes“ abgelenkt werden. In diesem Sinne haben auch Goethe, Humboldt und Stein, die markantesten Bewahrer deutschen Geistes und Tatwillens aus der vorangegangenen Periode, gleich vielen ihrer Gesinnungsgenossen das 1815 Entstandene schließlich als ein Haus betrachtet, in dem wenigstens noch deutsche Wissenschaft und Kultur als geistiger Inhalt der „Nation“ geborgen werden konnte.

Griewanks Feststellung, daß in Deutschland und auch in Italien mit seinen durchweg landfremden Dynastien das nationale Einheits-und Unabhängigkeitsstreben noch lange vorzugsweise den „föderalistischen" Weg über die wieder hergestellten Einzelstaaten gegangen sei ist aufschlußreich. Sie verweist auf die Beziehungen zwischen Einzelstaaten und Deutschem Bund, die seit dem Wiener Kongreß mit zunehmendem Maße als das vordergründige und hauptsächliche Anliegen des Föderalismus verstanden worden sind, so daß sie als Föderalismus schlechthin erschienen. Franz Schnabel hat sich in der Beurteilung des Ergebnisses des Wiener Kongresses zu der Bemerkung veranlaßt gesehen: „Das 19. Jahrhundert bewahrte auf solche Weise die deutsche Kleinstaaterei: die Begründung eines deutschen Reiches sollte nicht ohne Rücksicht auf den Föderalismus möglich sein! Es waren manche territoriale Zwerggebilde darunter, manche Enklaven und viele merkwürdige, nur historisch verständliche Grenzlinien: die Vorkämpfer des Einheitsstaates sind nachher nicht müde geworden, zu spotten über die seltsamen Gebilde in Thüringen oder in jener Ecke zwischen Rhein und Main, wo Nassau, Frankfurt und die hessischen Fürstentümer zusammentrafen. Der Verlauf der deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert hat manche dieser Gebilde beseitigt und so die Karte Deutschlands abermals „bereinigt". Aber gerade die süddeutschen Mittelstaaten waren, obwohl künstliche Schöpfungen Napoleons, nicht sinnwidrig aufgebaut. Baden einte das rechte Oberrheinufer mit den Pässen des Schwarzwaldes und des Kraichgaues bis zum Neckar und Main, hier war uraltes Völkerwanderungs- und Verkehrsgebiet. Württemberg gruppierte sich um die Zentrale Stuttgart. Bayern fügte an den mit erstaunlicher Zähigkeit durch ein Jahrtausend der deutschen Geschichte erhaltenen altbayerischen Block die fränkischen und schwäbischen Gebiete zu einer einzigartigen Verbindung aller süddeutschen Stammeselemente; es wuchs auf diese Weise tief nach Deutschland hinein, also daß das „bayerische Problem" nun im 19. Jahrhundert noch gewichtiger wurde, als es in früheren Zeiten schon immer gewesen war. Bismarck, der mit dieser Tatsache rechnen und sich an ihr orientieren mußte, hat noch im Jahre 1865 gesagt: „Bayern ist vielleicht das einzige deutsche Land, dem es durch materielle Bedeutung, durch die bestimmt ausgeprägte Stammeseigentümlichkeit und durch die Begabung seiner Herrscher gelungen ist, ein wirkliches und in sich selbst befriedigtes Nationalgefühl auszubilden."

So ist das 19. Jahrhundert noch einmal für Deutschland ein Zeitalter blühender Vielgestaltigkeit geworden, obwohl die geistigen Strömungen des Jahrhunderts dem vielstaatlichen Leben gewiß nicht günstig waren, da der Nationalismus und später die kapitalistische Wirtschaft und die Imperialistische Politik zur Zentralisation hindrängten und deutsche Art zu nivellieren begannen. Aber die aus der deutschen Vergangenheit überlieferten moralischen Kräfte waren noch immer stark genug, um jeden Bruch mit der nationalen Überlieferung unmöglich zu machen.

Wir werden davon zu berichten haben, wie der Unitarismus im deutschen Leben entstanden ist: er blieb lange ein Produkt der Studierstube, eine Angelegeheit der Intellektuellen und dann der großstädtischen Massen. Wenn Frankreich durch seine natürlichen Grenzen zwischen Ozean, Pyrenäen, den Alpen-und Maashöhen von Anfang an eine unvergleichliche Geschlossenheit besaß, die nur von Norden her durch den Einbruch der Oise einen Zugang ließ, und wenn in Frankreich alle Provinzen nach dem natürlichen Mittelpunkte, der Isle de France, konvergierten, so fehlten diese Vorbedingungen des nationalen Zentralismus dem deutschen Leben völlig. Lind wenn der romanische Geist mit eherner Folgerichtigkeit die souveräne Vernunft zum Siege geführt hatte, so war aus innerdeutschen Kräften ein ganz anderer Geist emporgestiegen und hatte durch Leibniz dem deutschen Denken, durch den Freiherrn vom Stein dem deutschen Staate die Wege gewiesen: nur aus der engeren Gemeinschaft des genossenschaftlichen Lebens, der geschichtlichen Landschaft, des deutschen Territorialstaates erwuchs das nationale Empfinden. Nun wurde es die Sorge der deutschen Einheitsbewegung, wie man den historisch gewordenen, überlieferten Föderalismus mit den Bedürfnissen des modernen Lebens vereinigen könne, um beiden Bedingungen zugleich gerecht zu werden. Die Ordnung, die 1815 geschaffen worden war, mußte weitergebildet, der Deutsche Bund organisch entwickelt werden, anderenfalls geriet die Bewegung in revolutionäre Bahnen“

Als allenthalben bereits der Leichen-und Brandgeruch der nahenden Revolution zu spüren gewesen ist, hat Goethe in einem Gespräch mit Eckermann gesagt: „Mir ist nicht bange, daß Deutschland nicht eins werde . .. Vor allem aber sei es eins in Liebe untereinander!... Wenn man aber denkt, die Einheit Deutschlands bestehe darin, daß das sehr große Reich eine einzige Residenz habe und diese eine große Residenz wie zum Wohl der Entwicklung einzelner großer Talente, so auch zum Wohl der großen Masse des Volkes gereiche, so ist man im Irrtum. Wodurch ist Deutschland groß, als durch eine bewunderungswürdige Volks-kultur, die alle Teile des Reiches gleichmäßig durchdrungen hat? Gesetzt, wir hätten in Deutschland seit Jahrhunderten nur die beiden Residenz-städte Wien und Berlin oder gar nur eine, da möchte ich doch sehen, wie es um die deutsche Kultur stünde!“

Trotz dieses nicht bestreitbaren Ergebnisses des Wiener Kongresses ist es an der Zeit, den in der Retorte der politischen Salons Wiens entstandenen Deutschen Bund gerechter zu beurteilen. Die Verurteilung des Deutschen Bundes geht auf die Enttäuschung der Zeitgenossen und auf die ersten geschichtlichen Darstellungen zurück, unter denen die Arbeiten Sybels und Treitschkes einen richtungbestimmenden Einfluß ausgeübt haben. Sybel und Treitschke haben ein allgemeines Scherbengericht über diesen ohne Zweifel mit Fehlern behafteten Versuch einer staatlichen Ordnung Mitteleuropas veranstaltet. Friedridt C. Sell wies in seiner „Tragödie des Deutschen Liberalismus" darauf hin, daß der Deutsche Bund dem deutschen Volke etwas gab, was es noch niemals in seiner Geschichte besessen habe: Eine Friedenszeit von einem halben Jahrhundert. Verglichen mit dem, was vorher gewesen und später gekommen sei, sei die Periode zwischen 1815 und 1866 die glücklichste Zeit in der deutschen Geschichte gewesen! Das Unglück sei, daß es niemand je zugestanden habe Sell verweist auf Wilhelm von Humboldt, der im Dezember 1813 bereits erklärt hatte: „Die Nationen haben wie die Individuen ihre durch keine Politik abzuändernde Richtung. Die Richtung Deutschlands ist, ein Staatenverein zu sein, und daher ist es weder wie Frankreich und Spanien in eine Masse zusammengeschmolzen noch hat es wie Italien aus verbundenen einzelnen Staaten bestanden“

Wenn der Deutsche Bund die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt hat, so ist die Schuld daran nicht dem Föderalismus zuzuschreiben, der nur fragmentarisch im Deutschen Bund vorhanden gewesen ist. Die Verschärfung des Konfliktes zwischen den Fürsten als Trägern des Deutschen Bundes und dem Volk als Träger der Einheitsund Freiheitsbewegung hat jedoch das föderative Prinzip vielen verdächtig gemacht. Für die Entfaltung einer föderativen Staatsordnung in Deutschland hat der zwischen 1815 und 1848 angewachsene Konflikt zwischen Fürsten und Volk tragische Bedeutung erhalten. Die Gleichsetzung der vorhandenen Unzulänglichkeit des Deutschen Bundes mit einer angenommenen grundsätzlichen Unzulänglichkeit des Föderalismus hat dazu geführt, daß diesem das Kainsmal minderen Nationalbewußtseins aufgebrannt worden ist. Gelingt es, den Deutschen Bund als einen zwar unzulänglichen, aber nicht unoriginellen Versuch zur Lösung der mitteleuropäischen Frage überzeugend auszuweisen, besteht Aussicht, diese Hypothek wenigstens teilweise vom Föderalismus in Deutschland zu nehmen.

Staaten des Deutschen Bundes (Nach der Bundes-Akte vom 8. Juni 1815) Kaiserreich Österreich Herzogtum Sachsen-Meiningen Königreich Preußen Kurfürstentum Kurhessen (Hessen-Königreich Bayern Kassel)

Königreich Sachsen Königreich Württemberg Fürstentum Anhalt-Bernburg Königreich Hannover Fürstentum Anhalt-Cöthen Großherzogtum Baden Fürstentum Anhalt-Dessau Großherzogtum Hessen Fürstentum Hohenzollern-Hechingen Großherzogtum Holstein-Oldenburg Hohenzollern-Sigmaringen Großherzogtum Luxemburg Fürstentum Liechtenstein Großherzogtum Mecklenburg-Fürstentum Lippe Schwerin Fürstentum Reuß ältere Linie Großherzogtum Mecklenburg-Fürstentum Reuß jüngere Linie Strelitz Fürstentum Schaumburg-Lippe Großherzogtum Sachsen-Weimar Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt Herzogtum Braunschweig Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen Holstein

Herzogtum Nassau Fürstentum Waldeck Herzogtum Sachsen-Coburg Die freie Stadt Bremen Herzogtum Sachsen-Gotha Die freie Stadt Frankfurt Herzogtum Sachsen-Hildburghausen freie Stadt Hamburg Die freie Stadt Lübeck Bevor die verschiedenen geschichtlichen Flüsse in dem Strombett des Föderalismus ineinanderfließen, ist es erforderlich, wenigstens drei von ihnen unterscheidend festzustellen:

1. „Der Reichs-Föderalismus“ des Römischen Reiches deutscher Nation: Unter ihm sind partikulare Bemühungen, Bewegungen und Elemente zu verstehen, die im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation nachweisbar sind. 2. „Der personale Föderalismus“, ausgesprochen durch Vertreter des deutschen Idealismus und der deutschen Romantik, die nur in der Sicherung der individuellen Freiheit die Überwindung des absolutistischen Staatsmechanismus sehen. An ihrer Spitze ist der Reichsfreiherr vom und zum Stein zu sehen. 3. „Der etatistische Föderalismus“, sichtbar geworden in den Verhandlungen des Wiener Kongresses, wo die Einzelstaaten sich jeder, durch Verminderung ihrer Souveränität auszubauenden Zentralgewalt widersetzt haben. Ihre Beziehungen zur bestehenden oder geforderten Bundesgewalt sind unter der Fragestellung einer eingeengten und verkürzten Form des Begriffes Föderalismus, die die Vorstellung und Beurteilung des 19. Jahrhunderts über „Föderalismus“ entscheidend beeinflußt hat, gesehen worden. Vor allem die süddeutschen Staaten haben sich, um ihr Verhältnis zu Deutschland als einem verfassungsrechtlich-politischen Ganzen anzusprechen und zu umschreiben, in zunehmendem Umfang des Begriffes „Föderalismus“ bedient.

In diesen im fortsdireitenden 19. Jahrhundert immer breiter werdenden Strom des Föderalismus haben sich viele bekannte und-unbekannte Rinnsale ergossen, ohne deren Kenntnis die Vielschichtigkeit des Föderalismus nicht zu verstehen ist.

A. H. L. Heeren hat im Jahre 1817 erklärt, daß die Wahrung des lockeren föderativen Charakters Deutschlands im höchsten deutschen und europäischen Interesse läge und dieses Land damit zum Bollwerk des europäischen Friedens bestimme, während ein zentralistisches Deutschland dank seiner Lage und seiner Mittel nicht lange der Versuchung widerstehen würde, nach der Hegemonie über Europa zu streben

Wenig bekannt ist das System Karl Georg Winkelbledts (1810— 1865), von diesem selbst als „Föderalismus“ bezeichnet. Winkelblech, als Enkel und Sohn reformierter Pfarrer in Ensheim geboren, lernte als Lehrer an der Gewerbeschule in Kassel auf einer Ferienreise in Norwegen Armut und Elend der Fabrikarbeiter kennen. „Er kam zum Schlüsse, daß das überall unter den Fabrikarbeitern herrschende Elend nichts Notwendiges, sondern eine Folge verkehrter wirtschaftlicher Einrichtungen sei. Ein anderer hätte sich vielleicht aus dem vielen Gelesenen irgendein System zusammengestellt: Winkelblech bildete sich eine Überzeugung, die ein ganz eigenes Gewächs war, hervorgegangen aus seinen Kenntnissen, seinen Erfahrungen, seiner Weltanschauung, seiner Art zu denken und zu fühlen. Er war Sohn und Enkel von Pfarrern, war von einem Pfarrer, einem vorzüglichen Manne, namens Touton, erzogen, dessen Sohn der Freund seines Herzens, ihm unentbehrlich zum Leben war; es ist nicht zu verwundern, daß sein Denken eine religiöse Grundlage hatte. Dogmen kamen dabei nicht in Betracht, Religion war ihm, wie er selbst sagte, eine „unmittelbar aufgenommene Überzeugung“, die Lehre Christi galt ihm als göttliche Offenbarung, und eine auf sie begründete Sittlichkeit diente ihm als Maßstab für alle Gebiete des menschlichen Lebens. Eine Wirtschaftslehre auf Naturgesetzen aufzubauen, wie Marx es tat, hätte er abgelehnt, denn das Sittengesetz war ihm das höchste, den Menschen betrachtete er wie die Bibel als Herrn der Natur, die er aber nur im Sinne der Gerechtigkeit beherrschen darf. Den Liberalismus, der durch die Lehre von der Gewerbefreiheit und Erwerbsfreiheit den Kapitalismus erzeugte und das Volk in Millionäre und Bettler zerlegte, sah er als etwas Sündhaftes, Verabscheuungswürdiges an, mehr Verständnis und Sympathie hatte er für den Saint-Simonismus und verschiedene sozialistische Systeme der Franzosen, aber doch bekämpfte er den Kommunismus ebenso wie den Kapitalismus; er dachte beide zu verdrängen durch eine großzügige neue Zunftverfassung, die er Föderalismus nannte“

Winkelblechs verschwommene Sozialbegeisterung ist in Überlegungen und Tagungen steckengeblieben, um so mehr, als er wenig von der Politik gehalten hat. Seine zurückhaltende Art ist den vielfältigen Schwierigkeiten nicht gewachsen gewesen. Seine Absicht, Handwerks-meister und Handwerksgesellen zusammenzuführen und zusammenzu-fassen, ist am Widerstand beider gescheitert. Die Vereinigung der Handwerksgesellen mit den Fabrikarbeitern hat den Ausschlag gegeben, daß in der Diskussion über die Arbeiterfrage der kommunistische Gedanke über den föderalistischen den Sieg davongetragen hat. Winkelblechs Wirken ist eine Episode gewesen — ohne nachhaltenden Einfluß und ohne ehrenden Nachruhm. Sie ist jedoch für die geschichtliche Erschließung des Föderalismus bedeutsam, zumal ihm in der Vorhalle des sozial-philosophischen Föderalismus ein beachtenswerter Platz zukommt.

Die erste deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter Pauls-kirche, am 18. Mai 1848, unter Glockengeläut, Kanonenschlag, Fahnen-und Tücherschwenken eröffnet, ist eine Sternenstunde des deutschen Föderalismus gewesen. De: Streit ist über eine groß-oder kleindeutsche Lösung entbrannt. Weil die großdeutsche Lösung der deutschen Einheit nur föderalistisch sein konnte, ist abermals eine Kampfstellung zwischen Föderalismus und Nationalismus entstanden.

Die Probleme einer föderativen Ordnung Deutschlands werden immer wieder in den Verhandlungen der Paulskirche angesprochen, auch wenn ihre Redner die Begriffe „Bundesstaat /hündisch“ den Begriffen „Föderalismus /föderativ“ vorziehen. Die Diskussion erreicht in der „Oberhauptsfrage“ ihren Höhepunkt, wenn dabei auch das föderalistische Anliegen zur Seite geschoben worden ist, da die erste Frage dem Verbleiben oder Ausscheiden Österreichs gegolten hat. Der Antrag des fränkischen Abgeordneten HerntanH Freiherr von Rotenhan vom 19. Januar 1849, der als Ausweg ein „Reichsdirektorium" vorschlägt, spricht von einem „deutschen Bundesstaat", dessen Regierungsgewalt in die Hände der Regierungen gelegt sein soll, die diesen Staat bilden Eigenwillig, aber nicht eigenbrödlerisch ist der Vorschlag des bayerischen Abgeordneten Johann Nepomuk Sepp (1816— 1909) gewesen, so daß Srbik ihm nachrühmt, in seiner Rede vom 12. Januar 1849 „bajuwarischen Stammesstolz und bayerische Staatsgesinnung mit wahrhaft weltpolitischem Blick verbunden zu haben. Ein einiges Deutschland mit beiden Großmächten, — dann wird es keine Rheinbundpolitik der Mittleren und Kleineren mehr geben; oder ein drittes Deutschland in einer Tripelallianz mit beiden Großmächten! Uralter deutscher Sondergeist verbindet sich mit einer gewaltigen mitteleuropäischen Konzeption“

Es ist bei der Auseinandersetzung über Verbleib oder Ausscheiden Österreichs in einem gesamtdeutschen Staatsverband aber um mehr gegangen. Es ging um eine weltoffene Verantwortung und eine nationalbegrenzte Beschränkung, was Friedrich Theodor Vischer mit der Feststellung charakterisiert hat: „Die einen wollen ein wohnliches, klar umgrenztes Wohnzimmer aus Deutschland machen; sie verzichten auf das Weite und Freie, weil sie keine Freunde verschwimmender Grenzen, unklarer Fernen sind . . . Die anderen öffnen Tür und Fenster, sie blicken in das Weite, ihr Auge folgt sehnsüchtig der Donau zum Schwarzen Meer und den Bahnen des Handels zum Adriatischen"

Das Ergebnis der Paulskirche ist bekannt. Am 28. März 1849 haben 290 Abgeordnete den König von Preußen zum Deutschen Kaiser gewählt. 248 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. 29 sind nicht anwesend gewesen. Gegen die von der ersten deutschen Nationalversammlung beschlossenen Reichsverfassung hat der bayerische Ministerpräsident Ludwig Freiherr von der Pfordten (1811— 1880) in einer grundsätzlichen Erklärung am 28. April . 1849 Stellung genommen. In ihr heißt es u. a.: „Dieser Charakter der Verfassung ist auch in dem an die Spitze gestellten Erbkaisertum klar ausgesprochen und hierdurch die Zentralisierung der ganzen Regierungsgewalt um so schärfer begründet, als selbst der in der ersten Lesung angenommene Reichsrat in der zweiten Lesung aufgegeben wurde. Eine solche Zentralisierung eines großen Volkes ist auch nach dem Zeugnisse der älteren und neuesten Geschichte das Grab seiner gleichmäßigen Entwicklung und Bildung, seiner inneren Ruhe und selbst seiner Freiheit. Sie unterwirft das ganze Volk dem Zentralpunkte fast willenlos und gibt es den Stürmen preis, welche die Leidenschaft und Herrschsucht der in der Hauptstadt sich bekämpfenden Parteien unaufhörlich hervorgerufen. Ganz besonders zuwider ist endlich eine solche Zentralisation dem innersten Wesen des deutschen Volkes, dessen geistige Bedeutung vorzüglich aus seinem reich entfalteten Stammesleben hervorgegangen ist. Das aber ist das Gefährlichste, wenn einem Volke eine Verfassung gegeben wird, die seinem Wesen widerstreitet; denn entweder wird alsdann diese Verfassung selbst nicht ins Leben treten oder sie wird das Leben und die geistige Kraft des Volkes vernichten.

Die bayerische Regierung verkennt zwar keineswegs, daß die deutsche Nation einer kräftigen Einigung bedarf und fähig ist, als sie bisher genoß. Allein — es darf auch nicht unbeachtet bleiben, daß die politische Macht nach außen weder die einzige noch die edelste Aufgabe eines Volkes ist, daß der Grund derselben nicht bloß durch die Verfassung, sondern auch durch das Gebiet und den Geist des Volkes bedingt wird und zu dem inneren Glücke des Volkes nicht selten in umgekehrtem Verhältnis steht. Nachdem selbst die dermalige Gesamtverfassung Deutschlands ungeachtet ihrer Mangelhaftigkeit sich seit einem Jahr stark genug gezeigt hat, um die äußeren und inneren Feinde siegreich zu bekämpfen, kann man sich überzeugen, daß Deutschland nicht völlig zentralisiert zu werden braucht, um eine starke Gesamtregierung zu erhalten"

Das rühmlose Ende der ersten deutschen Nationalversammlung ist nicht das Ende der Bemühungen zur Lösung der „Deutschen Frage", die Constantin Frantz das „dunkelste, verwickeltste und umfassendste Problem der ganzen neueren Geschichte" genannt hat gewesen. Nur die Ebenen ihrer Behandlung haben gewechselt. Der bayerische Versuch, durch die Sammlung der deutschen Mittel-und Kleinstaaten die „Triasidee" — ein „drittes“ Deutschland neben Österreich und Preußen — zu verwirklichen, ist gescheitert. Die größere Aktivität ist auf Seite der „Kleindeutschen“ gewesen, deren Anliegen in wachsendem Maße zum Bestandteil der preußischen Politik geworden. Der Vertrag zu Olmütz (29. November 1850) hat zwar Preußen zur Aufgabe seiner LInionspolitik gezwungen. Aber die Richtung der Entwicklung ist nicht mehr zu ändern gewesen. Von ihr ist auch das Schicksal des Föderalismus beeinflußt und bestimmt worden.

Während Regenten, Staatsmänner und Diplomaten zunächst abgewartet haben, sind Parlamentarier und Publizisten in der Behandlung der deutschen Frage nicht müde geworden. In der bayerischen Kammer der Abgeordneten hat Ludwig Krafft Fürst von Öttingen-Wallerstein (1791— 1870), der Wortführer der liberalen Opposition, am 19. Dezember ‘ 1853 erklärt: „Noch einmal spreche ich es laut aus: Ist nach allen Erlebnissen der jüngsten Jahre eine Einigung und allmähliche Einheit Deutschlands doch noch möglich, so ist sie nur möglich auf dem Wege des Verschmelzens der materiellen Interessen, jener Interessen, welchen stets die Ideen folgen und aus deren großartiger Pflege zuletzt immer Gemeinsinn und Gemeingeist in die Völker übergehen“

Die Frage der Form der deutschen Einheit ist auf den zweiten Platz verwiesen worden. Das Ansehen des föderativen Gedankens ist dadurch nicht größer geworden. Dazu ist der Umstand bedeutsam geworden, daß der größere Teil derer, die dem Föderalismus zugeneigt waren, auch nach 1849 großdeutsch gesinnt gewesen sind. Der geistige und politische Abstand zwischen ihnen und den Vertretern einer starken politischen Zentralgewalt in Deutschland hat sich dadurch zunehmend vergrößert. In seiner, am Vorabend des Geburtsfestes König Wilhelms I. von Preußen -21. März 1861 — auf dem Schlosse zu Königsberg gehaltenen Rede hat der Historiker Wilhelm Giesebrecht (1814— 1889) erklärt: „. . . Das alte Absonderungssystem der Einzelstaaten ist un-haltbar; sie müssen in Gesetzgebung und Administration sich nähern und ausgleichen. Das Verlangen nach einer festeren Zentralgewalt, als sie im Bundestag gegeben ist, lebt in der Nation so allgemein, daß es sich nicht mehr unterdrücken läßt. . . . Die Bundesverfassung — des Deutschen Bundes — besitzt, wie sich gezeigt hat, Zähigkeit genug, um auch eine gewaltige innere Bewegung zu überdauern. Aber ein heftiger Ansturm der feindlichen Nationalitäten, ‘der die Deutschen alle ihre Kräfte fest zusammen zu halten zwänge, dürfte doch den deutschen Staatenbund leicht in einen Bundesstaat mit einer starken Zentral-gewalt verwandeln. Es wäre töricht, an der Zukunft unseres Volkes zu verzweifeln, weil sich nicht sogleich alle Wünsche erfüllen. Durch alle Wechsel seiner Geschicke geht ein großer Fortschritt von der Ahnung natürlicher Gemeinschaft bis zum Bewußtsein geistiger Einheit, von staatlicher Zersplitterung zu festerer Einigung, von Kulturtrieben zu der höchsten Entfaltung nationaler Bildung, von dem Instinkt einer welt-historischen Bestimmung zur Erkenntnis derselben“ 1862 hat der Historiker Georg Waitz in die Diskussion eingegriffen. In seiner Veröffentlichung „Grundzüge der Politik nebst einigen Ausführungen“ gibt er auch Definitionen der Begriffe „Einheitsstaat, Gesamtstaat, Bundesstaat, Staatenbund“. Er sagt über den Bundesstaat: „Der Bundesstaat ist diejenige staatliche Bildung, wo ein Teil der staatlichen Aufgaben, des staatlichen Lebens gemeinsam ist, ein anderer den einzelnen Teilen als selbständigen Staaten zusteht. Es findet eine zwiefache Organisation des Volkes zum Staate statt, teils in Gesamtheit, teils nach selbständigen Teilen. Die letzte führt zu der Bildung von Einzelstaaten, die erste zu dem was man auch Gesamtstaat nennen könnte, wofür aber der Sprachgebrauch bisher diesen oder einen anderen Ausdrude nicht verwendet: man spricht statt dessen von Bundesgewalt. Beides zusammen macht den Bundesstaat aus. Die Teilung der staatlichen Aufgaben kann verschieden sein. Als wesentlich erscheint, daß der Bundesstaat nach außen, anderen Staaten gegenüber, als eine Einheit auftritt: Krieg und Frieden, überhaupt auswärtige Angelegenheiten. Die Bestimmung und Handhabung der Ordnung im Innern verbleibt im allgemeinen den Einzelstaaten: Gemeinsamkeit des Rechts ist nicht sowohl eine Forderung des Bundesstaates als der gemeinsamen Nationalität. Dagegen wird die Gleichheit gewisser politischer Rechte dadurch erforderlich, daß ein wesentlicher Teil des Staatslebens gemeinsam ist. Gleiche Staatsform für die Einzelstaaten hat Vorzüge, erscheint aber nicht als unbedingt notwendig. In Beziehung auf Gemeinsamkeit in der Sorge für andere Interessen kann große Verschiedenheit obwalten. Beide, die Bundesgewalt und die Gewalt der Einzelstaaten, müssen in ihrer Sphäre selbständig (souverän) sein: Diese darf ihre Gewalt nicht von jener empfangen, jene nicht auf Übertragung dieser beruhen. Die Selbständigkeit hat sich zu zeigen einmal in Beziehung auf die Mittel. Auch die Bundesgewalt muß diese für sich haben, nicht von den Einzelstaaten empfangen: Finanzen und Kriegs-macht. Weiter darin, daß die Bundesgewalt für die Angelegenheiten, die ihr überwiesen sind, nicht mit den Einzelstaaten, sondern unmittelbar mit dem Volk verkehrt. Damit in Zusammenhang steht ein allgemeines Staatsbürgerrecht, das passend das Staatsbürgerrecht der Einzelstaaten in sich tragen kann.

Die Selbständigkeit muß auch in der Organisation des Staates der Gesamtheit hervortreten: Regierung und Vertretung dürfen nicht von denen der Einzelstaaten bestellt, abgeordnet werden: nur eine Abteilung der letzteren wird angemessen als Vertretung gerade der Staaten erscheinen (Staatenhaus). Auch die Bildung eines Bundesgerichts wird wenigstens nicht von den Einzelstaaten als solchen allein erfolgen dürfen.

Der Bundesstaat entspricht vorzugsweise einem Volk, das in seiner ganzen Gliederung und Geschichte nicht die Bedingungen eines Einheitsstaates in sich trägt. Derselbe ist bisher nur auf Grundlage republikanischer Staatsform entwickelt. Doch widerspricht er an sich nicht dem Wesen des Königtums, da das Recht des Einzelstaats, und also auch des Königs im Einzelstaat ein selbständiges bleibt, nur dem Umfang nach beschränkt. Ein Bundesstaat bei Königtum in den Einzelstaaten würde an sich ein erbliches Oberhaupt auch für die Gesamtheit fordern. Eine Vereinigung dieser Stellung mit dem Königtum in einem Einzel-staat, zeitweise oder dauernd, kann nicht als ganz unzulässig erscheinen. Es führt aber leicht in andere Verhältnisse hinüber. Übergänge und Zwischenstufen sind auf diesem Gebiet verschiedene möglich: die Geschichte kann immer noch neue Formen erzeugen“

Waitz beschließt seine Exkursion über „Das Wesen des Bundesstaats“ mit der Feststellung: „Halten wir deshalb den Gedanken fest, daß es unserer Nation gelingen müsse, die Verfassungsform zu finden, welche ihrem eigensten Geiste wie ihrer Geschichte entspricht, und brauchen wir dafür fortwährend mit einigem Vertrauen den Ausdruck, daß es in der Form des monarchischen Bundesstaates geschehen werde, so erkennen wir zugleich, daß es sich dabei wesentlich um eine Vermittlung und Vereinigung derjenigen Prinzipien handelt, welche das politische Leben Deutschlands von Anbeginn her beherrschen, des Königtums und der Volksfreiheit, der Einheit der Nation und der Mannigfaltigkeit ihrer Glieder“

In den Ausführungen Waitz ist die historisch-politische Propädeutik der Reichsstruktur zu sehen, die Otto von Bismard^, seit dem 23. September 1862 preußischer Ministerpräsident, angestrebt und schließlich verwirklicht hat. Stärker und unmittelbarer als Constantin Frantz hat Waitz auf die Ausbildung der verfassungsrechtlichen Form des Deutschen Reiches Einfluß genommen. Seine Errichtung hat den Untergang des Deutschen Bundes vorausgesetzt. Die militärische Entscheidung ist in der Schlacht bei Königgrätz (3. Juli 1866) gefallen Im Frieden von Prag (23. August 1866) hat Österreich der Auflösung des Deutschen Bundes zugestimmt.

Franz Grillparzer (1792— 1872) hat ihm resigniert einen inhalts-schweren Nachruf geschrieben: „Der cleutsdte Bund war nidit sdiledtt von Haus Gab eudt Schutz in jeder Fälirlichkeit Nur setzt er etwas Altmodisches voraus: die Treue und die Ehrlidikeit“

Grillparzer ist mit seiner Klage nicht allein. Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteier (1811— 1877), Bischof von Mainz, hat in seiner Veröffentlichung „Deutschland nach dem Kriege von 1866" erklärt: „Das alte heilige Band, das die deutschen Völker vereinigt hat, besteht nicht mehr. In den zwölfhundert Jahren unserer deutschen Geschichte hat es nur eine Periode gegeben, wo gleichfalls dieses Band zerrissen war, wo auch Glieder des deutschen Volkes einander als Ausland gegenüberstanden; es war die Zeit des Rheinbundes unter Protektion von Napoleon I.“

Für die in ihren Umrissen bereits erkennbare staatliche Ordnung des außerösterreichischen Deutschlands hat Ketteier gefordert: „Wir fordern aber nicht nur den Begriff der Freiheit nach germanischem Rechte, sondern auch Formen und Einrichtungen für das gesamte bürgerlich-staatliche Leben, die diesem Begriff entsprechen. Wir fordern Organisation statt Maschine; Selbstregierung in vollkommenster Ausdehnung, soweit dadurch nicht andere wohlerworbene Rechte gekränkt werden, statt Zentralisation; wir fordern Teilnahme des Volkes am öffentlichen Leben, soweit dadurch die Einheit der Regierung und das monarchische Prinzip, — das uns kein Absolutismus ist — nicht verletzt wird; wir fordern diese Selbstregierung und diese TeiP-’-me am öffentlichen Leben, realisiert in germanischen Formen, in den naturnotwendigen Verbänden, in denen das ganze politisch-soziale Leben sich bewegt, nicht in dem bloßen Geldverbande, den der Census und die Vermögenstaxation begründet; wir fordern mit einem Worte Natur statt Kunst, Gotteswerk statt Menschenwerk"

IV. Der Föderalismus im Deutschen Reiche 1871 -1918

Vor dem Norddeutschen Reichstag hatte Otto von Bismarck am \ 4. März 1867 die Feststellung getroffen: „Es liegt ohne Zweifel etwas in unserem Nationalcharakter, was der Vereinigung Deutschlands widerstrebt. Wir hätten die Einheit sonst nicht verloren oder hätten sie bald wieder gewonnen. Wenn wir in die Zeit der deutschen Größe, die erste Kaiserzeit, zurückblicken, so finden wir, daß kein anderes Land in Europa in dem Maße die Wahrscheinlichkeit für sich hatte, eine mächtige nationale Einheit sich zu erhalten, wie gerade Deutschland. Blicken Sie im Mittelalter von dem russischen Reiche der Rurikschen Fürsten bis zu den westgotischen und arabischen Gebieten in Spanien, so werden Sie finden, daß Deutschland von allen die größte Aussicht hatte, ein einiges Reich zu bleiben. Was ist der Grund, der uns die Einheit verlieren ließ und uns bis jetzt verhindert hat, sie wiederzugewinnen? Wenn ich es mit einem kurzen Wort sagen soll, so ist es, wie mir scheint, ein gewisser Überschuß an dem Gefühle männlicher Selbständigkeit, welcher in Deutschland den einzelnen, die Gemeinde, den Stamm veranlaßt, sich mehr auf die eigenen Kräfte zu verlassen als auf die der Gesamtheit"

In diesen Auslassungen ist ein wesentlicher Bestandteil der Bismarck-sehen Beurteilung der unveränderlichen Gegebenheiten der deutschen Politik zu sehen. Sie führen zu der Frage, ob Bismarck ein Föderalist gewesen ist. Ihre Beantwortung ist notwendig, weil in der verfassungsrechtlichen Diskussion der Weimarer Republik das Schlagwort „Bismarck-Föderalismus" auf dem im Umlauf befindlichen politischen Kleingeld geprägt gewesen ist.

Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 war das Ergebnis der Verhandlungen des Norddeutschen Bundes mit den süddeutschen Staaten im Herbst 1870. Diese setzten mit den soge-nannten „Münchner Konferenzen“ im September 1870 ein und fanden in Versailles Ende November ihren Abschluß. Das ursprüngliche Ziel des leitenden bayerischen Staatsministers Otto Graf von Bray-Steinburg (1807— 1899) war ein „weiterer Bund“ der süddeutschen Staaten mit dem Norddeutschen Bund. Bray-Steinburgs Absicht war es z. B., daß der preußische und der bayerische König den neu zu schaffenden „Deutschen Bund“ gemeinsam nach außen vertreten.

Die Präambel der „Verfassung des Deutschen Reichs“ vom 16. April 1871 lautet: „Seine Majestät der König von Preußen im Namen des Norddeutschen Bundes, Seine Majestät der König von Bayern, Seine Majestät der König von Württemberg, Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein für die südlich vom Main gelegenen Teile des Großherzogtums Hessen schließen einen ewigen Bund zum Scltutze des Bundesgebietes und innerhalb desselben gültigen Rechtes, zur Pflege Wohlfahrt des Deutschen sowie der " Volkes. Dieser Bund wird den Namen Deutsches Reich führen und wird nadistehende Verfassung haben."

Bismarck lehnte solches Verlangen mit Entschiedenheit ab. Es gelang ihm, in dramatischen Verhandlungen die nach Versailles gereiste bayerische Regierungsdelegation zur allmählichen Aufgabe ihrer weit-gesteckten Ziele zu bringen. Dabei wurde Bayern für die Forderung der Mitbeteiligung an der Gestaltung der Außenpolitik ein „diplomatischer Bundesratsausschuß“ angeboten, der den merkwürdigsten Verfassungseinrichtungen der neueren deutschen Geschichte zuzuzählen ist. In diesem Ausschuß hatte Bayern den Vorsitz. Bismarck war jedoch nicht gewillt, dem Ausschuß Entfaltungsmöglichkeit einzuräumen, indem er jedem Versuch, Rechte und Aufgaben des Bundesratsausschusses für die auswärtigen Angelegenheiten festzulegen, sich widersetzte. Graf Lerchen-feld, von 1880— 1918, bayerischer Gesandter in Berlin, erklärte 1908 in einem Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten Podewils (1850 bis 1922), der Stiefvater dieser Verfassungseinrichtung habe sie gleich nach der Geburt umgebracht. In anderen Bereichen waren die bayerischen Unterhändler erfolgreich. So behielt der bayerische König den Oberbefehl über die bayerische Armee. Erst im Kriege traten die militärischen Kontingente der deutschen Bundesstaaten unter die Befehlsgewalt des deutschen Kaisers, der ihr oberster Kriegsherr war. Auch Bahn und Post verblieben in bayerischer Zuständigkeit. So entstand die Skala der „Reservate“ — lateinisch: reservare: aufbewahren, aufsparen, zurückhalten — die ein wesentliches Kriterium des Bismarckschen Föderalismus sind.

Aufgebracht über die Bismarcksche Mäßigung hat der Historiker Heinrich von Treitschke (1834— 1896) von den „Wunden“ gesprochen, die die plumpe Faust der bayerischen Staatsmänner der norddeutschen Verfassung geschlagen habe Über den Wert vornehmlich der bayerischen Reservate hat Max Spindler, Ordinarius für bayerische Landes-geschichte an der Universität München, die urteilende Feststellung getroffen: „Die Sonderrechte, die Bayern verblieben, mochte man hoch oder gering werten; nachdem der grundsätzliche Standpunkt preisgegeben war, glichen sie, wie der nationalliberale Abgeordnete Lasker im Reichstag einmal bemerkte, Schollen am Ufer, die der Strom mit sich fortschwemmen werde"

Der Umstand, daß der Grundsatz der Gleichheit der Gliedstaaten zugunsten unterschiedlicher Privilegien aufgegeben war, macht es schwer, ja sogar unmöglich, die Bismarcksche Reichsstruktur uneingeschränkt als Beispiel eines föderalistischen Staatswesens anzusprechen. Eine andere Tatsache kommt hinzu. Die vorgegebenen Tendenzen der Bismarckschen Reichsverfassung weisen auf eine Vereinheitlichung hin. Bismarck hat das Nahziel zufriedener Gliedstaaten im Deutschen Reiche und das Fernziel eines Einheitsstaates verfolgt, in dem das Maß der Zentralisierung und auch der Dezentralisierung von der politischen Möglichkeit abhängt.

In einer kritischen Auseinandersetzung mit Jaffe, der die kleindeutsche • Lösung der deutschen Frage durch Bismarck als eine Fehlleistung — „nicht nur der Dauer, sondern auch dem inneren Sinne nach, so gehört sie doch sicherlich zu jenen großartigen Irrtümern der Geschichte, um die sich nicht rechten läßt“ — bezeichnete, hat Wilhelm Sdiüßler eine eindringliche Gegenfrage, verbunden mit einer grundsätzlichen Aussage über Bismarcks politisches Ziel, gestellt: „Aber war sie ein Irrtum? Ist doch der letzte Inhalt des Bismarckschen Werkes nicht die monarchisch-bundesstaatliche Verfassung seines Reiches, sondern die Tatsache der staatlichen Einheit des deutschen Volkes. Und diese Erbschaft ist nicht nur nicht vergangen, sondern so tief verankert, daß heute die großen Massen ihre stärksten Träger sind“

Im Jahre 1931 ist eine Aktenpublikation aus Reichs-und preußischen Archiven erschienen, deren Verfasser, Hans Goldsdimidt, den Nachweis erbringt, daß Bismarck verfassungsrechtliche Entwicklungsbahnen geschaffen hat, deren Endpunkte ein einheitliches Staatswesen sein sollte, — auch wenn er selbst sich immer wieder gegen den Zentralismus ausgesprochen hat: „Ich bin kein Freund der Zentralisation, ... ich sehe den Segen der Dezentralisation in dem Hervorbringen zahlreicher Kulturzentren und halte die Egalisierung für so wenig nützlich, wie mich etwa das Verschwinden der verschiedenen Landestrachten erfreut“

Politische Vernunft ließen Bismarck dabei das notwendige Maß halten. Er schrieb an den preußischen Gesandten in München: „Berliner Maßstab auf Bayern angelegt ist immer falsch“. Er erklärte dem bayerischen Gesandten in Berlin, Graf Lerchenfeld, seinen Verzicht auf eine Bayern unbequeme Gesetzesvorlage, weil er Wert auf die Mitarbeit eines zufriedenen Bayerns im Bundesrat legte. Bismarck blieb jedoch unnachgiebig, wo er einen Einbruch der gliedstaatlichen Autorität in die Reichsgewalt befürchtete. Das Beispiel des bereits erwähnten Bundesratsausschusses für die auswärtigen Angelegenheiten ist der unbestreitbare Beweis für diese Haltung Bismarcks. Die Grenze des „Bismarckschen Föderalismus“ lag vor der Autorität Reichsgewalt und vor dem preußischen Einfluß auf die Reichspolitik. Bismarck unterstützte alle Bemühungen, die das Zusammenwachsen des von ihm gegründeten Reiches forderten.

Die Träger und Verteidiger des föderativen Gedankens waren nach 1871 nicht die Regierungen der deutschen Bundesstaaten. Sie wurden von liberalen und nationalliberalen Beamten geführt und getragen, die ihrer politischen Befähigung und ihrem politischen Gewicht nach weder willens noch in der Lage waren, Front gegen Bismarck zu machen. Träger und Verteidiger des föderativen Gedankens waren politische Parteien, vornehmlich Zentrum, Welfen und bayerische Patrioten. Die föderativen Elemente in der Reichsgesetzgebung stammten von Parlamentariern. Die „Franckensteinsche Klausel“ war der bekannteste föderalistische Erfolg des Deutschen Reichstages. Durch diese, nach dem bayerischen Zentrumsabgeordneten Georg Arbogast Freiherr von und zu Franckenstein (1825— 1890) benannten Regelung, die im Sommer 1879 vom Reichstag angenommen wurde, wurde das Gewicht der Gliedstaaten des Deutschen Reiches auf dem Gebiete der Finanzpolitik wesentlich verstärkt. Die neu erschlossenen Einnahmen aus Zöllen, Verbrauchs-und anderen Steuern fielen nicht dem Reich, sondern den Einzelstaaten zu, die in Form von Matrikularbeiträgen Teile an das Reich abtraten. Die Höhe dieser Abtretungen — zunächst 130 Millionen Mark — wurde im Haushaltgesetz festgelegt. Bismarck gab durch die Unterstützung dieses Zentrumsvorschlages seine Mithilfe zur Sicherung des föderativen Elementes in der Reichsverfassung.

Es ist jedoch nicht zu bestreiten, daß Bismarcks entgegenkommende Geneigtheit gegenüber dem föderalistisch gesinnten Zentrum von politischen Gründen bestimmt worden ist. Zwei Bundesratsbevollmächtigte haben es unternommen, auf Grund ihrer persönlichen Erfahrung das Verhältnis Bismarcks zum Föderalismus und zu föderativen Elementen in der Reichsverfassung vom 16. April 1871 zu umschreiben. Der Vertreter Bayerns, Hugo Graf Lerchenfeld-Koefering (1843— 1925), gesteht Bismarck „föderalistische Überzeugung“ zu. Er macht jedoch gleichzeitig die Einschränkung: „Hätte ein Kgl. Bayerischer Gesandter den Ehrgeiz gezeigt, sich in die große Politik zu mischen, so wäre Fürst Bismarck sofort dazwischen gefahren“ Der mecklenburgische Bundesratsbevollmächtigte Karl Oldenburg hat festgestellt: „Die schöpferische Kraft des Bundesrats, zu welcher man ihn hätte erheben können, hat der Reichskanzler — Bismarck — im Keime erstickt und jede weitere Entwicklung desselben verhindert Für die Beurteilung des Verhältnisses Bismarcks zum Föderalismus ist von vorrangiger Bedeutung, daß er die Entwicklung des Deutschen Reiches nicht verhindert, sondern — auch hier freilich Taktiker, der auf politische Notwendigkeiten Rücksicht nimmt — begünstigt hat. Die tiefe und substantierte Einsicht in die staatsrechtlichen Gegebenheiten Deutschlands und die Erkenntnis zeitlicher Inopportunität zur Bildung unitaristischer Einrichtungen und Formen verhinderten, daß Bismarck ein Eiferer des Unitarismus wurde, — machten sie ihn aber zum überzeugten Vertreter des Föderalismus?“ Hans Rothfels beantwortet diese Frage trotz graduierter Einschränkung zustimmend: „Wie Bismarck kein Nationalist war, so war er auch kein Zentralist“

Angesichts der allenthalben feststellbaren Unsicherheit in der Beurteilung des Verhältnisses Bismarcks zum Föderalismus ist die Interpretierung des Schlagwortes „Bismarck-Föderalismus“ nicht leicht. Im allgemeinen Sinne bezeichnet es die Reichsstruktur nach der Verfassung vom 16. April 1871. Im verfassungsrechtlichen Sinne umschreibt es deren privilegierenden Föderalismus, dessen Merkmale unterschiedlich zugebilligte Reservate sind. Soweit von bayerischer Seite in der Zeitspanne der Weimarer Republik die Formulierung „Bismarck-Föderalismus“ benützt worden ist, ist darunter die Bayern 1870 eingeräumte (Sonder-) Stellung verstanden worden. „Bismarck-Föderalismus“ ist mehr ein unsystematisches System zugestandener Reservate, als eine Form föderativer Gliederung.

In der Auseinandersetzung mit der Bismarckschen Lösung der deutschen Frage haben Parlamentarier und Publizisten den föderativen Gedanken sowohl verbreitet als auch vertieft. Nur auf zwei von ihnen soll verwiesen werden: Constantin Frantz und Josef Edmund Jörg. Constantin 1891) Frantz (1817 ist Pfarrerssohn aus Börnicke bei Halberstadt gewesen. Er’hat Mathematik und Philosophie studiert und große Reisen unternommen. Er ist 18 3 5— 18 56 als Kanzler am preußischen Generalkonsulat in Barcelona angestellt gewesen. Danach hat er in Berlin, seit 1873 in Dresden als politischer Schriftsteller gelebt. Daß das umfangreiche literarische Werk Constantin Frantz’ auch heute noch unbekannt ist, ist durch den Umstand zu erklären, daß die politische Entwicklung Mitteleuropas und speziell des Bismarckschen Reiches andere Wege gingen, als Constantin Frantz gewiesen hatte. Einzig Ottontar Schuchardt, der „Erbe seines literarischen Nachlasses und seiner politischen Über-zeugung“, hielt das Andenken an Constantin Frantz als „Deutschlands wahren Realpolitiker“ über die Jahrhundertwende aufrecht, indem er seine Gedanken weiter propagierte. Erst während und nach dem ersten Weltkrieg, als das Bismarcksche Reich in seiner großen Krise stand, wurde der Name Constantin Frantz'öfters genannt. Nach 1945 setzte eine ähnliche Wiederbelebung des Gedankengutes Constantin Frantz'

ein, obwohl auch sie an der Oberfläche blieb. So ist der Irrtum verständlich, in Constantin Frantz den „großen Gegenspieler Bismarcks zu sehen. Der Literat und Publizist Constantin Frantz ist kein Gegenspieler, sondern ein Kritiker Bismarcks gewesen. Der Staatsrechtslehrer Triepel hat spottend erklärt, daß man den „starren Doktrinär, den grämlichen Pessimisten, den düsteren Propheten, der apokalyptische Reiter aus Preußen gegen das bundesstaatliche Deutschland heranreiten sah“, kaum ernst genommen habe. Später wurde Frantz als „der eigentliche Prophet des mitteleuropäischen Gedankens“ gefeiert. Der Grund-nenner seiner Publizistik ist tiefes Mißtrauen gegen Zentralismus und Nationalismus, gegen Preußen und gegen die Macht schlechthin. Seine Forderung auf föderative Gestaltung Deutschlands und Europas ist eine kühne Überlegung, zu der die europäischen Völker erst nach schweren Heimsuchungen gekommen sind. Das Endziel der föderativen Gesellung von Staat und Gesellschaft ist für Constantin Frantz die Vollendung der Harmonie, nach der der menschliche Geist ewig strebe

Josef Edmund Jörg (1819— 1901) stammt aus Bayerisch-Schwaben. Er ist im bayerischen Archivdienst gestanden und hat seit 18 5 2 die Redaktion der unter Mitwirkung Josef von Görres'(1776— 1848) gegründeten „Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland“ geleitet. Er ist maßgebend an der Gründung der bayerischen „Patriotenpartei“, der der Gründung des Zentrums in Preußen entsprechenden politischen Bewegung, beteiligt gewesen. Jörg hat in der bayerischen Kammer der Abgeordneten am 21. Januar 1871 das „Non possumus" — „Wir können nicht“ — einer starken Mehrheit seiner Partei zu den „Versailler Verträgen", die den Eintritt Bayerns in den Norddeutschen Bund vorsahen und regelten, gesprochen. Er ist ein unermüdlicher Wächter der föderalistischen Elemente in der Reichsverfassung und ein besorgter Mahner zu föderativer Ordnung auch in wirtschaftlichen Gesellungen gewesen. Sein Föderalismus ist bayerischer Herkunft. Auch lebt in ihm der Schmerz über die Zerstörung des Deutschen Bundes weiter. Geneigter hat er am Ende seines Lebens Bismarck und sein Werk beurteilt.

Eine starke Unterstützung hat der föderative Gedanke zwischen 1870 und 1918 durch die Erneuerung der Genossenschaftsgeschichte und des Genossenschaftswesens erhalten. Bereits Viktor Aime Huber (1800 bis 1869) hat auf den Wert genossenschaftlicher Zusammenschlüsse für die Lösung der sozialen Frage hingewiesen, wie bereits der Titel seiner bekannten Flugschrift „Die Selbsthilfe der arbeitenden Klassen durch Wirtschaftsvereine und innere Ansiedlung“ (Berlin 1848) ausweist. Das wissenschaftliche Verdienst der Freilegung des genossenschaftlichen Gedankens in der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung des deutschen Volkes kommt dem Rechtsgelehrten Otto Friedrich von Gierke (1841— 1921) zu, der einen bisher noch nicht gewürdigten entscheidenden Beitrag für die Geschichte des föderativen Gedankens in Deutschland geleistet hat. In seinem, fast 10 000 Druckseiten umfassendem Lebenswerk „Rechtsgeschichte der deutschen Genossenschaft“ hat er eine Entwicklungslinie aufgezeigt, die den Föderalismus nicht nur als staatsrechtliches, sondern auch als staatsphilosophisches Prinzip in neuem Lichte erscheinen läßt. Auch durch die Erkenntnisse Gierkes wird der Nachweis erbracht, daß föderative Strukturelemente in der deutschen Geschichte in außergewöhnlicher Anzahl vorhanden sind.

Obwohl das Zeitalter Bismarcks bereits intensiv durchforscht worden ist, fehlen vornehmlich auf dem Gebiet der Verwaltungsentwicklung notwendige Erkenntnisse, um ein abschließendes LIrteil über die Stellung des Föderalismus im kaiserlichen Deutschland abzugeben. Nicht zu bestreiten ist jedoch die Feststellung Triepels, daß der Föderalismus in Deutschland auf den zweiten Platz verwiesen gewesen sei. Er hat über die Reichsverfassung vom 16. April 1871 erklärt: „So neigte sich in der Tat schon zu Beginn unseres Verfassungslebens die . Waagschale tief zu Gunsten des Unitarismus. Es war ein treffender Ausdruck für diese Tatsache, wenn der hessische Bundeskommissar Hofman im konstituierenden Reichstag von einem „Rest föderativer Elemente“ sprach, der noch im Verfassungsentwurfe enthalten sei

Erich Kaufmann hat auf den entscheidenden Unterschied aufmerksam gemacht: „So föderalistisch unser Reich auch in Bezug auf seine Organisation gestaltet ist, so unitarisch ist es in Bezug auf seine Ausstattung mit Kompetenzen, hierin die Ausstattung der Schweiz und vor allem die der Vereinigten Staaten von Amerika weit hinter sich lassend" Kaufmann nennt den „Bündischen Unitarismus“ der Reichsverfassung vom 16. April 1871 einen „apostrophierten Föderalismus“. Trotz der lebhaften und intensiven Beschäftigung mit der Problematik des Föderalismus hat die Entwicklung des Deutschen Reiches auf Vereinheitlichung, auf „Verreichlichung" gedrängt. Georg Jellinek hat sie mit der Feststellung verteidigt: „Da der Bundesstaat souverän ist, so gibt es für die Ausdehnung seiner Zuständigkeit gegenüber den Gliedstaaten keine Grenze: sie kann bis zur Vernichtung ihres staatlichen Charakters gehen und der Bundesstaat sich demgemäß in einen Einheitsstaat verwandeln. . . . Müßte ein zum Einheitsstaate neigendes Volk für alle Zeiten rechtlich die föderalistische Gestaltung seiner staatlichen Verhältnisse weiterdauern lassen? Man kann doch die Geschichte nicht durch eine Art von bundesstaatlichem Legitimismus meistem wollen“

Hatsdtek hat 1906 offen ausgesprochen: „Wir befinden uns gegenwärtig in einer Entwicklungstendenz, die uns aus dem alten Föderalismus der Reichsverfassung allmählich in unitarische Bahnen hinüberlenkt“ Meinecke hat sich diesen Auffassungen angeschlossen: „Aber das Reichsbedürfnis ist zugleich das Macht-und Existenzbedürfnis der Nation, und je stärker dieses drängt, um so rascher und entschlossener wird man nach dem Wege suchen müssen, um dem Reiche und den Einzelstaaten, der Machtpolitik und der Kulturpolitik zugleich die genügenden Mittel zuzuführen. Die jüngsten großen Reichsfinanzgesetzte, die das Jahr 1913 geschaffen hat, weisen darauf hin, daß dieser Weg nicht in föderalistischer, sondern in unitarischer Richtung laufen wird“

Die militärischen und kriegswirtschaftlichen Erfordernisse haben zwischen 1914— 1918 diese Entwicklung beschleunigt. Sie haben Verfechter und Gegner einer Vereinheitlichung des Deutschen Reiches auf den Plan gerufen. Die Spannung zwischen dem Reich und Preußen hat die Problematik des Föderalismus im kaiserlichen Deutschland nur verworrener und unlösbarer gemacht.

V. Der Föderalismus in Österreich und in der Schweiz

Die Geschichte der Schweizer Eidgenossenschaft hat sich bereits im Spätmittelalter von der gesamtdeutschen Entwicklung gelöst, auch wenn die kulturell geistigen Beziehungen vornehmlich zwischen den „deutschen" Gebieten der Schweiz und Deutschland als Landschaft und Kulturraum bis in unsere Tage glücklicherweise nicht abgerissen sind. Deshalb ist die Betrachtung der in der Schweiz entwickelten föderativen Gesinnung und föderativen Struktur berechtigt, ja sogar erforderlich. Von gleicher Bedeutung für die Erkenntnis des geschichtlichen Grundrißes des Föderalismus ist die Frage nach föderativen Elementen in der Geschichte Österreichs seit dem Ende des Deutschen Bundes (1866).

Die Schweiz kann für sich in Anspruch nehmen, europäischer Vorort des Föderalismus zu sein. In der Schweizer Staatsstruktur finden sich unverändert ursprüngliche Elemente mittelalterlichen Genossenschaftswesens. Sie haben eine, nur in der Schweiz mögliche und der Schweiz eigentümliche Ausprägung und Festlegung erfahren, die so sehr von Geschichte, Struktur und Mentalität der Schweizer Eidgenossenschaft bestimmt ist, daß sie zu der sich selbst widersprechenden These von „nationaler“ Bestimmung und Ausprägung des Föderalismus verleitet. Der Föderalismus der Eidgenossen ist unnachahmbar. Auch wenn die Entwicklung die Rechte der Kantone beschnitten hat, sind diese Träger des politischen Lebens und der politischen Verantwortung.

Der Luzerner Rechtshistoriker und Staatsmann, Philipp Anton von Segesser, hat die schweizerische Auffassung über den Föderalismus so interpretiert: Die Liebe des Schweizers zu seinem Vaterland beruhe keineswegs nur auf dem äußeren Wohlgefallen an der Schönheit der schweizerischen Alpenlandschaft, mitnichten nur auf diesem mehr physischen Behagen, sondern auch und sehr viel mehr auf einem tieferen Gefühl, welches ihm sage, daß dieses Land das seine sei: daß es die Gräber seiner Väter in sich schließt, daß er das kleine Gemeinwesen, darin er ausgewachsen und dessen Geschichte ihm gegenwärtig sei, mit seinen Blicken, mit seinen Armen gleichsam umfassen könne. Er wisse nämlich von der Familie, von der Gemeinde, von dem Kanton steige es organisch zum allgemeinen Begriff der Eidgenossenschaft auf und all jenes einzelne, das uns am Herzen liegt, habe in dieser Bundschaft die Sicherheit und Gewähr seines Seins. Segesser legt Wert auf die historisch-, organische Struktur der Eidgenossenschaft, die er im Gegensatz zu der auf den von totalitärer Unterwanderung nicht freien Prinzipien der französischen Revolution beruhenden Formaldemokratie sieht

Der Schweizer Föderalismus ist nicht ein Werk geschichtlicher Zufälligkeit. Seine Wirklichkeit ist der unüberwindbare Drang jedes einzelnen Eidgenossen nach persönlicher Freiheit. Auf der Suche nach einer, die persönliche Freiheit schützenden Staatsstruktur haben die Eidgenossen eine ihnen gemäße Form des Föderalismus entwickelt. Hans Kohn hat auf diesen Umstand hingewiesen: „Föderalismus betont die Anpassung verschiedener politischer Gebilde aneinander auf der Grundlage der Gleichberechtigung statt eines politischen Verhältnisses, das auf Über-und Unterordnung gegründet ist. Föderalismus ist eine Rechts-methode, keine Gewaltmethode. Föderalismus hat sich unter den angelsächsischen Völkern erhalten und durchgesetzt. In Europa wurde die föderative Lösung um die Mitte des 19. Jahrhunderts überall diskutiert unter Deutschen und Italienern, Russen und Ukrainern, in Österreich und in Ungarn. Es gereichte all diesen Völkern zum Unglück, daß die föderative Lösung zu Gunsten einer Lösung der nationalen Herrschaft und der Macht verworfen wurde. Es gab nur eine Ausnahme: die Schweiz. Dort wie unter den Englisch sprechenden Völkern war der Erfolg bedingt durch eine eigenartige Mischung nüchterner Achtung für Gesetz und Tradition und einer kühnen pragmatischen Bereitschaft, neuen LImständen Rechnung zu tragen"

So hat der Föderalismus der Schweiz eine Ausgestaltung erfahren, 'dessen Abbau zu einer Gefährdung und Veränderung dessen führen muß, was als eidgenössische Gesinnung und eidgenössischer Geist der Welt bekannt und vertraut ist. Mit hohem Ernst und tiefer Verpflichtung wird in der Schweiz die Diskussion um den Föderalismus geführt. Das Schweizer Volk bekennt sich in seiner Gesamtheit zu der von Max Huber ausgesprochenen Auffassung, daß „Föderalismus als politisch-rechtliches Strukturprinzip, als Synthese von Kraft zur inneren Ordnung und zur Selbstbehauptung und von individueller und genossenschaftlicher Freiheit im Staate und in Staatenverbindungen einer der Hauptgedanken der freien Welt sei“ Schweizer Forschungen — zuletzt: Lasserve, David, Etapes du federalisme, l’exprience suisse. Editions Rencoutre. Lausanne 1954 — haben das geschichtliche Urgestein freigelegt, auf dem die »Conföderatio Helvetia“ entstanden ist und heute noch steht.

Auch in Österreich ist der dem Föderalismus zugeordnete Fragenkreis immer wieder diskutiert worden. Die Funktion eines österreichischen Staates in dem Vielvölkerraum an der Donau hat auf eine föderative oder dem Föderalismus gleichkommende Struktur hingewiesen. Jedoch haben sich auch die Habsburger nur schwer vom einheitlichen Staatsdenken lösen können, das Metternich (1773— 1859) und vor allem Felix Fürst zu Schwarzenberg (1800— 1852) vertreten haben. Durch den Mangel an Einsicht in die Funktionsfähigkeit des Föderalismus ist in Österreich der Zusammenstoß nationaler Gegensätze nicht verhindert worden. Die den einzelnen Nationalitäten eingeräumten Privilegien, bisweilen als Spuren föderativer Gesinnung und Gesellung gewertet, sind nicht in der Lage gewesen, diese Entwicklung aufzufangen. * Der unter Beust 1867 erfolgte Ausgleich mit Ungarn hat den Dualismus zweier Reichsteile zur Folge gehabt, der in der Bezeichnung „Österreich-

Ungarn" sichtbar geworden ist. Vogelsang hat über ihn die Feststellung getroffen: „Der Dualismus ist mitnichten eine gemäßigte Nuance des Föderalismus, zentralistisch im Innern zweier großer Einheiten, entbehrt er alle territorialen und sozialen Kreise ihrer natürlichen und historischen Selbstbestimmung. Partikularistisch nach außen, nämlich gegeneinander sich verhaltend, will jeder der beiden gegen Natur und Geschichte zusammengeschmolzenen Einheiten fast alle staatlichen Aufgaben im für sich sein erfüllen, welche vernunftgemäß dem großen gemeinsamen Reichsganzen zukommt. So nach beiden Seiten sich verirrend, hat der Dualismus alle Fehler des Zentralismus und Partiku-larismus in sich vereint. Er ist zugleich die unhistorischste und unnatürlichste wie deshalb kostspieligste Gestaltung, der eine Monarchie jemals verfallen konnte"

Versuche am Vorabend der sich allenthalben ankündigenden Katastrophe Österreich-Ungarns durch eine föderative Struktur Rettung zu bringen, sind gescheitert. Der unter den Schüssen von Sarajewo (28. Juni 1914) gefallene Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand (1863 bis 191’ 4) hat in einem, für den Fall seiner Thronbesteigung vorbereiteten Manifest das Versprechen ausgenommen, jedem Volksstamme seine nationale Entwicklung im Rahmen der gemeinsamen Interessen zu gewährleisten. Die Mitarbeiter Franz Ferdinands haben bestätigt, daß an eine Organisation der einzelnen Völker in föderativen Autonomien in einem österreichischen und ungarischen Oberstaat gedacht gewesen sei. Erst als die Sterbeglocke der Donaumonarchie zu vernehmen gewesen ist, haben die verantwortlichen Staatsmänner sich diesen Plänen zugewandt.

Bevor dieses Ereignis eintrat, hat Ignaz Seipel (1876— 1932), 1922 bis 1924 und 1926— 1929 österreichischer Bundeskanzler, in Reden und Schriften — vor allem: Nationalitätsprinzip und Staatsgedanke.

1915 /Nation und Staat. 1916 — zu einer föderativen Staatsgesinnung aufge-rufen. In der Erweckung einer föderativen Gesinnung hat Seipel das stärkste Abwehrmittel gegen das sich ausbreitende nationalistische Fieber gesehen. Seipel hat darüber hinaus immer wieder auf die Einheit Europas hingewiesen, dessen Verständigung er allein als Grundlage für die Behauptung der europäischen Völker in der Zukunft gesehen hat. Sein besonderes Anliegen ist es gewesen, im deutschen Volke Einsicht und Begeisterung für den Aufbruch nach Europa zu wecken. Obwohl Größe und Einwohnerzahl zum Zusammenrücken drängten, hat die erste (1918— 1938) und zweite (seit 1945) österreichische Republik auf einem föderativen Grundriß ihren Staatsaufbau errichtet.

Wenn auch das österreichische Volk in seiner Gesamtheit, repräsentiert durch den „österreichischen Nationalrat", als bestimmender Faktor des politischen Lebens auftritt, bleiben die Länder der „Republik Österreich“ Träger der Administration, des staatlichen und des kulturellen Lebens, auch wenn ihre Beteiligung an der österreichischen Politik beschränkt ist. In Österreich, ist das Licht des Glaubens an die gemeinsame Zukunft Europas durch den gemeinsamen Verzicht auf national-staatliche Separierung entzündet worden. Der Ruf Richard N. Couden-hove-Kalergis nach „Paneuropa", der im Früjahr 1923 an die europäischen Völker ergangen ist, ist auch ein Ruf zu föderativer Ordnung gewesen.

In der Präambel der „Verfassung des Deutschen Reichs“

vom 11. August 1919 heißt es:

„Das Deutsche Volk, einig in seinen Stämmen und von dem Willen beseelt, sein Reidr in Freiheit und Gerechtigkeit zu erneuern und zu festigen, dem inneren und dem äußeren Frieden zu dienen und den gesellscltaftlichen Fortschritt zu fördern, hat sich diese Verfassung gegeben."

VI. Der Föderalismus in der Weimarer Republik 1918 -1933

Über die Ausgangssituation zu den Verhandlungen einer neuen Reichsverfassung nach der Revolution des Jahres 1918 hat der Staatsrechtslehrer WiUihalt Apelt die Feststellung getroffen: „Die neuen revolutionären Landesregierungen . . . wähnten, auch unter den durch die Umwälzung völlig veränderten Voraussetzungen das bundesstaatliche System in der alten Weise fortsetzen zu können. Sie bewiesen damit geringen politischen Weitblick. Denn dieses System beruhte auf Teilstaaten, deren Territorium weder durch eigene Stammeskultur noch durch wirtschaftliche oder verkehrsmäßige . Zusammenhänge, sondern ausschließlich durch dynastische Hauspolitik bedingt waren. Nach dem Wegfall der Dynastien fehlte einer Souveränität dieser Körperschaften ebenso die historische Rechtfertigung wie die staatsrechtlich-ethische Begründung. Es gab keine selbständigen Teilvölker mehr, die gegenüber dem deutschen Gesamtvolke auf besondere staatliche Rechte pochen konnten“

Während Willibalt Apelt bedauernd erklärt, daß die Gelegenheit zur Schaffung eines einheitlichen Reichsaufbaues versäumt worden sei, sagt Karl Schwend, von 1919— 193 3 Chefredakteur der Bayerischen Volks-partei-Correspondenz, unter Darlegung des bayerischen Standpunktes: „In Weimar hatte sich von den Forderungen, die nach dem Umsturz in Bayern für die Neugestaltung des Reiches erhoben worden waren, nichts Länder des Deutschen Reichs (Stand: 1922. In Klammer: Stimmenzahl im Reichsrat)

Preußen (26)

Bayern (10)

Sachsen (7)

Württemberg.

(4) -

Baden 0)

Thüringen (2)

Hessen (2)

Hamburg (2)

Mecklenburg-Schwerin (1)

Oldenburg (1).

Braunschweig (1)

Anhalt (1)

Bremen (1)

Lippe (1)

Lübeck (1)

Mecklenburg-Strelitz (1)

Waldeck (1)

Schaumburg-Lippe (1) erfüllt. Statt über den Bismarckschen Zweckföderalismus zu einer Vertiefung des bündischen Gedankens zu kommen, wurde das Steuer in die entgegengesetzte Richtung geworfen. Das Ergebnis war zwar auch jetzt noch nicht der Einheitsstaat, aber die Türe hierzu war weiter geöffnet als ehedem. . . . Am 31. Juli 1919 stimmten alle Abgeordneten der Bayerischen Volkspartei für die Annahme der Verfassung mit einer einzigen Ausnahme, nämlich Dr. Heims (1865— 1938). Warnend und ahnend zugleich hatte er der Nationalversammlung die Worte entgegengehalten: „Sie schaffen einen Zentralstaat mit Allgewalt. Diese Zentral-gewalt birgt in sich die Gefahr zu einem Schritt nach rückwärts. Aus dem zentralen Staat wird wiederum die Gefahr des Imperialismus, wenn auch in anderer Form, entstehen!“ " An anderer Stelle erklärt Schwend, daß mit der Weimarer Verfassung die letzte Etappe auf dem Weg zum zentralisierten Einheitsstaat erreicht worden sei.

Eridi Eydi, der liberale Geschichtsschreiber und Kritiker auch der Weimarer Republik, hat über das Ergebnis der Nationalversammlung in Weimar gesagt: „Auch die Republik ist ein Bundesstaat, wie es das Kaiserreich gewesen war, aber die unitarische Tendenz ist doch verstärkt, so viele Abstriche sie sich auch seit dem ersten Preuß’schen Entwurf gefallen lassen mußten. Schon daß die Gliedstaaten des Reiches in der neuen Verfassung nicht mehr Staaten heißen, sondern mit dem neutralen Namen „Länder“ sich begnügen müssen, ist bezeichnend, wenn auch die Mehrzahl der deutschen Staatsrechtslehrer fortfuhren, ihnen staatlichen Charakter beizumessen. Das Reich behielt grundsätzlich die von Preuß geforderte Befugnis, die Grenzen der Länder zu ändern (Art. 18), aber sie war durch so viele Klauseln und Bedingungen eingeengt, daß sie so gut wie völlig außer Kraft gesetzt war. Tatsächlich ist, abgesehen von der Zusammenschmelzung der thüringischen Kleinstaaten zu einem Land, im wesentlichen alles beim alten geblieben. Namentlich hat das Land Preußen die Ausdehnung behalten, die vordem das Königreich Preußen gehabt hat. Das Problem Reich-Preußen blieb in seiner ganzen Schwierigkeit unverändert bestehen, nachdem der einzige zu seiner Lösung geeignete Zeitpunkt verpaßt war"

Der Umwandlung der Reichsstruktur sind föderalistische und paraföderalistische Elemente des Bismarckschen Reichsbaues zum Opfer gefallen. Vor allem wurden die abgestuften Reservate beseitigt. Freilich nicht ausnahmslos. So ist z. B. im Wehrgesetz vom 23. März 1921 Bayern das Zugeständnis gemacht worden, daß der Landeskommandant in Bayern zugleich Befehlshaber der in Bayern stationierten Reichswehrverbände ist. Bei Vergleichen zwischen den Reichsverfassungen vom 16. April 1871 und vom 11. August 1919 ist die verkürzte Charakterisierung angewandt worden: Deutschland sei zwischen 1871— 1918 ein Bundesstaat föderalistischer Art und zwischen 1919— 1933 ein Bundesstaat unitaristischer Art gewesen. Damit kommt zum Ausdruck, welche Tendenzen in der bundesstaatlichen Gliederung Deutschlands vorherrschend gewesen sind.

Nach 1919 haben sich Freunde und Feinde des Föderalismus enttäuscht gesehen. Die ersteren fühlten sich dem Unitarismus ausgeliefert, die letzteren bedauerten, daß die Gelegenheit zur Schaffung eines einheitlichen Reiches nicht wahrgenommen worden ist. Aus dieser Enttäuschung ist eine schmerzliche Unzufriedenheit entstanden, die sich durch alle Jahre des Bestehens der Weimarer Republik in Verfassungsstreitigkeiten niedergeschlagen hat. Sie hat aber auch zu grundsätzlichen Auseinandersetzungen über Problem, Stellung und Funktionsfähigkeiten des Föderalismus geführt. Dabei ist eine Frontbildung zwischen „Staatsföderalismus“ und „Stammesföderalismus“ zustande gekommen. Es bestand Einmütigkeit über die Richtigkeit der Feststellung: „Es hat dem späteren deutschen Föderalismus bis in unsere Tage hinein geschadet, daß ihm die Eierschalen dieser dynastischen Vergangenheit anhafteten. Er ist allzu sehr durch die landesfürstliche Libertät vorbelastet und findet nicht mehr vollends zurück zu den natürlichen Quellen eines stammlich gegliederten Volkstums“

Der Staatsrechtslehrer Konrad Beyerle (188 5— 1933), Abgeordneter der Bayerischen Volkspartei im Deutschen Reichstag 1919— 1924, erklärte dazu: „Der Föderalismus von heute kann nicht mehr ein Föderalismus der Herrscher und Regierungen sein, dem die Untertanen mehr oder weniger freudig beipflichteten . . . Der deutsche Föderalismus unserer Tage knüpft als Stammesföderalismus an deutsche Längstvergangenheit an. . . . Der Föderalismus der neuen Verfassung stützt sich . . . auf die Stämme und die ihnen durch die Geschichte gleichwertig gewordene Staatsbevölkerung der Länder, wo diese letztere stämmisch und völkisch einen gemischten Charakter trägt. Der Föderalismus ist damit innerlich von der Frage der Staatsform frei geworden“ Die Vertreter des kompromißlosen Stammesföderalismus haben es jedoch abgelehnt, stammesmäßig gemischte Länder als natur-hafte Kader eines gleichgewichtigen Föderalismus anzuerkennen. Dabei ist von einem Vorrang des „höheren ethischen und dabei freiheitlich volksrechtlichen Föderalismus der Stämme“ vor den „föderalistisch betonten Ansprüchen der vorhandenen Länder“ gesprochen worden. Mit dieser Auffassung sind die Vertreter der Länder nicht einverstanden gewesen. Sie haben an deren Bewahrung festgehalten, wobei auch sie föderalistische Erwägungen und Gründe angeführt haben.

Nachdem Deutschland sich von schweren politischen und wirtschaftlichen Heimsuchungen und Erschütterungen erholt hatte, setzten lang-andauernde Bemühungen um eine Reichs-und Verfassungsreform ein, die starke politische Kräfte der noch immer labilen und gefährdeten Republik band. Bei diesen Verhandlungen wurde leidenschaftlich um die bestmöglichste Form des Föderalismus in Deutschland gerungen, wobei weder über Inhalt noch über Erscheinungsbild des Begriffes Föderalismus eine einmütige Meinung zustande kam. Eine umfangreiche Literatur befaßte sich mit föderalistischen Problemen. Willibalt Apelt schrieb: „Vom Bundesstaat zum Regionalstaat" (Berlin 1927). Otto Braun, 1920 bis 19 32 — mit kurzen Unterbrechungen preußischer Ministerpräsident, stellte die Frage: „Deutscher Einheitsstaat oder Föderativsystem?“ (2. Ausl. Berlin 1927). Karl Sowwer, Ministerialrat im Bayerischen Staatsministerium des Äußeren, befaßte sich mit „Der billigere Einheitsstaat“ (München 1929). Zahlreiche Dissertationen lieferten wertvolle politische, sozialpolitische, geschichtliche und staatsrechtliche Erkenntnisse zum Problem des Föderalismus. Aber die Diskussion kam zu keinem Ergebnis. Die demokratische Ordnung Deutschlands lag in der Agonie. Nicht nur kritische Zeitgenossen stellten mit Bedauern fest, daß auch der Streit über die Stellung des Föderalismus einen Teil ihrer Lebenskraft verzehrte. AIs am 20. Juli 1932 Reichskanzler Franz von Papen die „Verordnung des Reichspräsidenten zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiete des Landes Preußen“ veröffentlichte, brach die Todesstunde der deutschen Länder an. Es war auch der Anfang des Todeskampfes der deutschen Demokratie. Als am 9. März 193 3 das amtierende bayerische Gesamtministerium gegen die nationalsozialistische Revolution der Straße die ihr verfassungsmäßig zugesprochene Hilfeleistung des bayerischen Landes-kommandanten in Anspruch nehmen wollte, versagte sich dieser ihr. Föderalistische Verfassungselemente zeigten dabei ihre jahrelang verschleierte Fragwürdigkeit.

Wie die Gegner des Föderalismus diesem eine nicht geringe Schuld an dem Untergang der Weimarer Republik zuschreiben, so vertreten die Freunde und die Parteigänger des Föderalismus die Auffassung, daß der Mangel an föderativen Elementen zur politischen Auszehrung der Weimarer Republik geführt habe.

VII. Der Föderalismus in der Gegenwart

Zwar haben einzelne Vertreter des 1933 zur Macht gekommenen Nationalsozialismus aus Länderinteresse sich für eine föderative Reichs-struktur ausgesprochen und eingesetzt Hitler hat. aus taktischen Erwägungen vor dem Reichsrat am 2. Februar 19 3 3 über die Länder erklärt: „Alles zu tun, was geschehen kann, um diesem historischen Baustein der deutschen Nationen . . . auch die Lebensfähigkeit zu erhalten". Bereits auf dem Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg vom 30. 8. bis 3. 9. 1933 hat er die „Liquidation“ der Länder ange-_ kündigt. Am 30. Januar 1934 ist das „Gesetz über den Neuaufbau des Reiches“ verkündet worden. In einer Rundfunkrede vom 31. Januar 1934 hat Hitler als „die historische Aufgabe unserer Zeit ... die Schaffung des kraftvollen nationalen Einheitsstaates an Stelle des bisherigen Bundesstaates“ bezeichnet Über das staatliche Ergebnis dieser Entwicklung ist festgestellt worden: „Am Jahrestage der Machtergreifung beschließen Reichstag und Reichsrat einstimmig das umwälzendste Gesetz deutscher Geschichte. Die Hoheitsrechte der Länder gehen auf das Reich über. Länderparlamente gibt es nicht mehr. Die Reichsstatthalter unterstehen der Dienstaufsicht des Reichsministers. Die Reichsregierung wird ermächtigt, von sich aus den weiteren Ausbau des Deutschen Reiches vorzunehmen. Erlasse in früheren Ländern erfolgen nunmehr im Namen des Reichs. In nur 6. Artikeln wird ein Abschnitt deutscher Geschichte — die Eigenstaatlichkeit einzelner Teile des Reiches — endgültig Vergangenheit. Am 30. Januar 1934 ist der deutsche Staat geboren“ Der Föderalismus ist aus Deutschland verjagt worden.

Leidenschaftlich ergriffene Föderalisten wie z. B.der Kölner Sozialwissenschaftler Benedikt Schrnittmann (1872— 1939) haben für ihre Überzeugung den bitteren Tod der Gewalt und des Hasses erlitten. Daß ihre Verfolger und Peiniger die dämonische Abgründigkeit der von ihnen mit Terror verwirklichten Uniformität schließlich erkannt haben, ist eine apokalyptische, aber wahre Feststellung. Am 3. Mai 1942 hat Hitler vor seiner abendlichen Tafelrunde erklärt: Die größte Gefahr für die kulturelle Entwicklung unserer Kunststädte sehe er darin, daß die Berliner Ministerialbürokratie noch mehr Einfluß auf sie erhalte, wie es heute schon der Fall sei. Die Berliner Zentralgewalt verwechsle nämlich die Aufgaben der Zentralgewalt, die lediglich die Richtung angeben und dort, wo Schäden auftreten, eingreifen solle, mit einem das Leben draußen völlig abtötenden Unitarismus. ... Je dezentralisierter das Reich verwaltet werde, desto leichter ließen sich für die Zentralinstanzen tüchtige Leute finden, die tatsächlich wissen, wo sie der Verwaltung draußen Richtlinien zu geben haben und wo sie eingreifen müssen

Die Fragwürdigkeit solcher Auslassungen ist erkennbar. Dagegen ist keine Veranlassung gegeben, däs Bekenntnis Gördelers (1884— 1945) des ruhelosen Parteigängers der Freiheit unter dem todesdunklen Himmel der Unfreiheit, zum Föderalismus zu bezweifeln. Er hat — wie nicht wenige des lautlosen Widerstandes — in einer föderativen Gliederung Deutschlands eine Barriere der Vernunft und des Rechtes gesehen.

Die Präambel zum „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland"

vom 23. Mai 1949 hat folgenden Wortlaut:

„lut Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Men-

sdten, von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichbereditigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat das deutsche Volk in den Ländern Baden, Bayern, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern, um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben, kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgestz der Bundesrepublik Deutschland besdtlossen. Es hat audi für jene Deutsdte gehandelt, denen mitzuwirken versagt war. Das gesamte Deutsdte Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimung die Einheit und Freiheit Deutsddands zu vollenden."

Diese Auffassung hat nach 1945 zahlreiche Politiker und Publizisten bestimmt, den Gedanken des Föderalismus in Deutschland mit Entschiedenheit zu vertreten. Zahlreiche Veröffentlichungen haben sich mit ihm beschäftigt. Trotzdem ist es nicht möglich gewesen, alle Bedenken und Einwände gegen den Föderalismus zu zerstreuen.

Bereits in der Wahl des Begriffes „Bundesrepublik Deutschland" für das westliche Deutschland kam ein Bekenntnis zum Föderalismus zum Ausdruck. „Die Gestalter des neuen Deutschlands kehrten bewußt zum föderalistischen Prinzip zurück, was dem Willen der Besatzungsmächte, aber auch dem Wunsch des größten Teils der deutschen Bevölkerung entsprach. Das Grundgesetz stellt sicher, daß der föderative Aufbau der Bundesrepublik auch nicht durch ein verfassungsänderndes Gesetz aufgehoben werden kann. Die Anhänger des Einheitsstaates wenden ein, daß die Bundesrepublik mit ihrer föderativen Verfassung eine Sonderstellung innerhalb der westeuropäischen Staatenwelt einnehme, wenn man von der Schweiz und Österreich absehe. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß auch die Vereinigten Staaten von Nordamerika und mehrere lateinamerikanische Republiken Bundesstaaten sind, und daß sich die föderative staatliche Struktur dort durchaus bewährt hat. Im sowjetisch besetzten Te. il Deutschlands wurde allerdings das föderalistische Prinzip aufgegeben, indem die bis Mitte 1952 dort bestehenden fünf Länder der Bundesrepublik Deutschland (Stand: 195 5. In Klammer: Stimmenzahl im Bundesrat)

Baden-Württemberg (5)

Bayern (5)

Bremen (3)

Hamburg (3)

Hessen (4)

Niedersachsen (5)

Nordrhein-Westfalen (5)

Rheinland-Pfalz (4)

Schleswig-Holstein (4)

BERLIN (4 beratende Stimmen) BERLIN ist kein territorialer Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland. Es nimmt einen staatsrechtlichen Sonderstatus ein.

Länder aufgelöst und an ihrer Stelle 14 Verwaltungsbezirke’ geschaffen wurden, die der Zentralregierung unmittelbar unterstehen. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland trägt dem föderalistischen Aufbau auch institutionell Rechnung, indem es neben dem Bundestag (dem Parlament), dem Bundespräsidenten als dem Staatsoberhaupt und der vom Bundeskanzler geleiteten Bundesregierung den Bundesrat als Vertretung der Länder geschaffen hat"

Aber die Vorstellungen entschiedener Föderalisten scheinen im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nicht erfüllt worden zu sein. Der Bayerische Landtag hat in seiner 110. Sitzung am 20. Mai 1949 das Grundgesetz mit 101 Stimmen gegen 64 Stimmen bei 9 Enthaltungen abgelehnt. Er hat jedoch gleichzeitig mit Mehrheit die Verbundenheit Bayerns mit Deutschland und dessen Schicksal feierlich bekundet. Dieses Zeugnis hat Dr. Hans Ehard, 1946— 1954 Ministerpräsident des Frei-staates Bayern, mit der Feststellung kommentiert: „Bekanntlich liegt Bayern in Deutschland und alles was Deutschland angeht, geht auch Bayern an! Es wäre traurig, wenn es anders wäre. Darum gibt es im Grunde in allen wesentlichen Dingen keine isolierten bayerischen Fragen“

Obwohl die allgemeine Aufmerksamkeit für den nach 1945 in schmerzlicher Erkenntnis gepriesenen Föderalismus merklich nachgelassen hat, ist die föderative Ordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht verändert worden. Den einen ist sie ein Zuviel, den anderen ist sie ein Zuwenig an Föderalismus. In dieser Beziehung teilt die Bundesrepublik Deutschland das Schicksal des Deutschen Reiches 1870— 1918. Dieser Umstand beweist, daß eine allgemein anerkannte Beurteilung über Maß, Inhalt und Gewicht des Föderalismus nicht möglich ist. Das Urteil über föderative Ordnungen hängt entscheidend vom Verhältnis des Beurteilers zum Föderalismus ab. Mißverständnisse über Fragen des angewandten Föderalismus rühren von den unterschiedlichen Auffassungen über den Begriff Föderalismus her.

Eine weittragende Entscheidung über das Problem des Föderalismus in Deutschland ist bei der staatsrechtlichen Ordnung eines wiedervereinten Deutschland zu erwarten. Auch die geschichtliche Entwicklungslinie des Föderalismus wird dabei von seinen Vertretern und Gegnern beschworen werden.

Viele und ihrem Ursprung nach auch verschiedene Rinnsale, Bäche und Flüsse vereinigen sich zu dem Strom des Föderalismus durch die Geschichte des deutschen Volkes, der breiter und tiefer ist als allgemein angenommen wird. Audi bei der Betrachtung und Beurteilung des Föderalismus als geschichtliches Problem sind zwei hauptsächliche Ausgangspunkte festzustellen:

DER STAATSORGANISATORISCHE FÖDERALISMUS, der in dem Stammesbewußtsein in der Frühe der deutschen Geschichte vorgegeben und vorgebildet ist. Er ist die Grundlage des starken geschichtlichen Wandlungen unterworfenen „staatsrechtlichen“, „verfassungsrechtlichen", oder auch „politischen" Föderalismus.

DER SOZIALSTRUKTURELLE FÖDERALISMUS, dessen Anfänge zusammenfallen mit den Anfängen des genossenschaftlichen und auch „zunftmäßigen" Gedankens. Er hat durch seine Bindung vornehmlich an das Handwerk in der wirtschaftlichen Entwicklung des 19. Jahrhunderts die Anerkennung seiner allgemeinen Bedeutung verloren, sie jedoch bei zunehmender Erkenntnis unentbehrlicher Gliederungsformen der wirtschaftlichen und sozialen Struktur wieder gewonnen. Seine Gegebenheiten sind das geschichtliche Fundament des „Subsidiaritätsprinzip".

So wie diese Hauptentwicklungslinien gemeinsame Ausgangspunkte, die auch in Struktur und Charakter des deutschen Volkes begründet sind, haben, — so berühren sie sich immer wieder, wechselseitig sich anregend und antreibend. Dabei entstehen geschichtliche Erscheinungsformen, die erst nach Analyse ihres Grundrisses in ihrer föderalistischen Substanz erkennbar sind. Nachdem ein verbindliches Wertmaß darüber, was Föderalismus ist, nicht vorhanden ist, ist dabei die Grenzziehung individueller Entscheidung überlassen. Erkennbar ist jedoch, daß die Frage nach Form und geschichtlicher Existenz des Föderalismus in Deutschland einen Teil der umfassenden Frage nach der besten Form der staatlichen Ordnung des deutschen Volkes ausmacht. Sie begleitet die deutsche Entwicklung zumindest seit den Westfälischen Friedens-schlüssen (1648), deren Ergebnis eine nicht endende Erörterung darüber nicht nur verursacht, sondern sogar herausgefordert haben. Der von Frankreich nach Deutschland überspringende Funke der Nationalstaats-Idee hat Vorstellungen entfacht, die ihrer Gegensätzlichkeit wegen mit der politischen Wirklichkeit zusammengestoßen sind. Das „Staatsbild" der Französischen Revolution zeigt unitaristische, zentralistische und totalitäre Züge. In ihm fehlen bereits erkenntnismäßig die Voraussetzungen für ein Gliederungsprinzip des Staatswesens, das durch die deutsche Geschichte belastet gewesen ist und noch ist von territorialen Zufälligkeiten, erklärbar durch den entcheidenden Einfluß der Herrscher-häuser. Dynastischer Territorialismus ist jedoch nicht staatsrechtlicher Föderalismus. Gleichgewichtigkeit ist eine seiner unerläßlichen Voraussetzungen, auch wenn diese nicht in zahlenmäßigen Gegebenheiten zu bestehen hat. Aber der dynastische Territorialismus kann unter anderen auch föderalistische Elemente enthalten. Dieser Tatbestand erlaubt die Behauptung, daß die deutsche Geschichte einen „reinen“, „unvermischten", — einen „integralen“ — lateinisch: integer: unberührt, unangetastet, rein, unbefleckt, unverletzt, unversehrt — Föderalismus, wie ihn z. B. Constantin Frantz, vertritt und fordert, nicht kennt. Der Föderalismus ist untrennbar verbunden mit der geistigen Vorstellung und der politischen Möglichkeit geschichtlicher Gezeiten. Aus ihnen sind seine Ferm zu erklären und seine Aussage zu verstehen. Der Begriff „Bismarck-Föderalismus“ beweist diesen Umstand.

In gleicher Weise ist bei der Diskussion grundsätzlicher und formaler Fragen des Föderalismus wohl zu berücksichtigen, daß Föderalismus keine staatsrechtliche oder politische Ideologie, sondern in erster Linie ein Funktionsprinzip ist, dessen Wesen von Ordnung, Gerechtigkeit und Mäßigung bestimmt wird. Den Wert föderativer Struktur erkennt man ebenso wie den Wert einer Verfassung daran, „wie sie wirkt, ob sie dazu hilft, die gedeihliche Entwicklung der Nation zu fördern, ihren wertvollsten Kräften, den Stärksten und Besten, den Fähigsten und Ehrlichsten, zu maßgebendem Einfluß zu verhelfen, die freche Selbstsucht zu fesseln, die gewissenlose Eitelkeit auszuschließen und die breite Mittelmäßigkeit fortzureißen“

Dem Föderalismus ist eine ausgleichende und auswägende Funktion eigen. Er stellt Individuum und Gemeinschaft, Freiheit und Bindung, Vielfalt und Einheit nicht gegen-, sondern zueinander, ohne die aus den Spannungsverhältnissen sich ergebende Kraft zu eliminieren. Der Föderalismus ordnet, ohne zu verordnen, — er uniert, ohne zu uniformieren. Er hat die Entwicklung des deutschen Volkes weder verhindert noch erschwert. Seine aus politischer Klugheit oder grundsätzlicher Erwägung gebotene Berücksichtigung hat in einzelnen Epochen deutscher Geschichte Mäßigung und Bescheidung in der Verfolgung weitgesteckter Ziele geboten, — ein Umstand, in dem die Nachgeborenen nicht selten weit-schauende und verantwortungsbewußte Weisheit erkennen zu müssen geglaubt haben. „Föderalismus ist nicht in sich gekehrte Eigensucht und Eigenbrötelei. Föderalismus will nicht die bewußte Niederhaltung der Zentralgewalt, sondern erstrebt ein besonnenes Ausmaß der Verteilung der Staatsaufgaben auf Gesamtstaat und Gliedstaaten, welche innere Notwendigkeit mit größtmöglicher Freiheit verbindet“ Die Entfaltung der Kräfte des einzelnen und des Volkes in Freiheit ist die Aufgabe des Föderalismus auch gegenüber der deutschen Entwicklung in Gegenwart und Zukunft.

Anmerkung: Ernst Deuerlein, Dr. phil., geb. 9. September 1918 in Rückersdorf bei Nürnberg. Studium der Geschichte, Rechts-und Verfassungsgeschichte und Philosophie in Wien, Erlangen und München. Schwerstkriegsbeschädigt nach Verwundung im Kampfraum Stalingrad. Oberregierungsrat. Letzte Veröffentlichungen: (Zusammen mit Wilhelmine Böhm) Die Welt im Spiegel der Geschichte. Geschichtsatlas. Kleine Ausgabe. 8. Ausl. München 1954 /Der Bundesratsausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten 1870 bis 1918. Regensburg 1955 /Zur Friedensaktion Papst Benedikts XV. (1917). In: Stimmen der Zeit. Bd. 155. S. 241— 256 /Verlauf und Ergebnis des „Zentrumsstreites" (1906— 1909). In: Stimmen der Zeit. Bd. 156. S. 103— 126.

Fussnoten

Fußnoten

  1. feine. HansErich. Das Werden des deutschen Stantes seit dein Ausgang des Heiligen Römischen Reiches 1800— 193? Stuttgart 1936. S. 38.

  2. Basler, Otto, Der Große Duden. 11. Ausl Leipzig 1934. S. 168.

  3. Theimer, Walter, Lexikon der Politik. Hamburg 1950. S. 201.

  4. Waitz, Georg, Grundzüge der Politik nebst einzelnen Ausführungen. Kiel 1862. Vgl. vor allem S. 153— 218: Das Wesen des Bundesstaats.

  5. Doeberl, M„ Bayern und die Bismarckische Reichsgründung. München 1925.

  6. Nell-B r euning. Oswald von. S. J., und Dr. Hermann Sacher, Zur christ-liehen Staatslehre. Freiburg i. Br. 1948. Sp. 101 ff.

  7. Nell-Breuning. Oswald von, S. J., und Dr. Hermann Sacher. Zur Sozialen Frage. Freiburg i. Br. 1948. Sp. 27 ff.

  8. Messner. Johannes, Das Naturrecht. 2. Ausl. Innsbruck 1950. S. 148 ff.

  9. Schulte, Anton, Nationale Arbeit. Berlin o. J. passim /Stimmen der Zeit.

  10. N i e b u h r , R e i n h o 1 d . Die Kinder des Lichts und die Kinder der Finsternis.

  11. Zitiert nach: Burckhardt, Jacob, Zum Sehen geboren... München 1942. -

  12. Waitz a. a. O. S. 174 f.

  13. Heimpel, Hermann, Deutsches Mittelalter. Leipzig 1941. S. 182.

  14. Schnabel, Franz, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. 4 Bde. Freiburg i. Br. 1929 ff. Bd. 1, 2. Ausl. S. 80.

  15. Srbik, Heinrich Ritter von, Deutsche Einheit. 4 Bde. München 1935 ff. Bd. 1. S. 29 f.

  16. Bosl, Karl, Staat, Gesellschaft im deutschen Mittelalter. In: Gebhardt, Bruno, Handbuch der deutschen Geschichte. 8. Ausl. Stuttgart 1954. Bd. 1. S. 615.

  17. Zitiert nach: Bosl, a. a. O. S. 634.

  18. Bosl, a. a. O. S. 667.

  19. Ernst, Fri t z, Eberhard im Bart. Stuttgart 1933. S. 236.

  20. Bosl, a. a. O. S. 659.

  21. Schilling. Otto, Die Staats-und Soziallehre des Heiligen Thomas von Aquin. 2. Ausl. München 1930. S. 328 f.

  22. H ä n e, Max, Die Staatsideen des Konstantin Frantz. Gladbach-Rheydt 1929.

  23. Machiavelli, Gedanken über Politik und Staatsführung. 2. Ausl. Stuttgart 1944. S. 91.

  24. Schnabel, Franz, Deutschland in den weltgeschichtlichen Wandlungen des letzten Jahrhunderts. Berlin 1925. S. 7 f.

  25. Srbik, Heinrich Ritter von. Aus Österreichs Vergangenheit. Salzburg 1949. S. 36 f.

  26. Hartung, Fritz, Deutsche Verfassungsgeschichte. 5. Ausl. Stuttgart 1950. S. 160.

  27. Bibl, Viktor, Kaiser Franz. Leipzig 1938. S. 114 ff.

  28. Huch, Ricarda, Untergang des Römischen Reiches Deutscher Nation. Zürich 1949. S. 286.

  29. Koch, Georg, Der Freiherr vom Stein. Kassel 1931. S. 69. Vergleiche auch Grimme, B., Der Föderalismus des Reichsfreiherrn vom Stein. Phil. Diss. Marburg 1952.

  30. Meier, £., Die Reform der Verwaltungsorganisation unter Stein und Hardenberg. 1881. S. 140 ff.

  31. Schnabel, Franz, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. 4 Bde. Freiburg i. Br, 1929 ff. Bd. 1. 2. Ausl. S. 341.

  32. Koch. a. a. O. S. 63.

  33. Voßler, Otto, Der Nationalgedanke von bis Ranke. Rousseau München 1937.

  34. V o ß 1 e r , a. a. O. S. 108 f.

  35. Griewank, Karl, Der Wiener Kongreß und die europäische Restauration 1914/15. Leipzig 1954. S. 370 f.

  36. Schnabel, Franz, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. 4 Bde. Freiburg i. Br. 1929 ff. Bd. 2. S. 88 f.

  37. Zitiert nach: Franz Josef Hylander. Universalismus und Föderalismus.

  38. Sybel, Heinrich von, Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. 7 Bde. München und Leipzig 1890— 1895.

  39. Treitschke, Heinrich von, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. 5 Bde. 1879— 94 u. ö.

  40. Sell, Friedrich C„ Die Tragödie des deutschen Liberalismus. Stuttgart 1953.

  41. Zitiert Sell, a. a. O. S. 78.

  42. Zitiert nach: Röpke, Wilhelm, Die deutsche Frage. 3. Ausl. Erlenbach-Zürich 1948. S. 205 f.

  43. Huch, Ricarda, 1848. Die Revolution des 19. Jahrhunderts in Deutschland.

  44. Gedruckt bei: Deuerlein, Ernst, Bayern in der Paulskirche. Altötting 19'48.

  45. Gedruckt bei: Deuerlein, Ernst, a. a. O. S. 146-161.

  46. Srbik, Heinrich Ritter von, Deutsche Einheit. 4 Bde. München 193 5 ff.

  47. Zitiert nach: Sell a. a. O. S. 176

  48. Gedruckt bei: Deuerlein a. a. O. S. 260— 264.

  49. Zitiert nach: Röpke a. a. O. S. 3.

  50. Schilling. Max. Quellenbuch zur Geschichte der Neuzeit. 4. Ausl. Berlin 1912. S. 482 f.

  51. Schilling a. a. O. S. 483 f.

  52. Waitz a. a. O. S. 43 ff.

  53. Waitz, a. a. O. S. 218.

  54. Grillparzers Werke. Berlin v. J. Bd. 2. S. 344.

  55. Ketteier, Wilhelm Emanuel Freiherr von Deutschland nach dem Kriege von 1866 3. Ausl. Mainz 1867. S. 55.

  56. Kettelet a. a. O. S. 106 f,

  57. Bismarck, Otto von, Die gesammelten Werke. Bd. 1— 14. Berlin 1924— 1933.

  58. Doeberl a. a. O. S. 91 ff.

  59. Treitschke, Heinrich von, Zehn Jahre Deutscher Kämpfe 1865— 1874.

  60. Spindler, Max, Der neue bayerische Staat des neunzehnten Jahrhunderts.

  61. Schüßler, Wilhelm, Bismarck, Die Nation und Europa. In: Europa in evangelischer Sicht. Stuttgart 195 3. S. 96 f.

  62. Zitiert nach: Ingrim, Robert, Bismarck selbst. Stuttgart 1950. S. 175.

  63. Lerchenfeld-Koefering, Hugo Graf von, Erinnerungen und Denkwürdigkeiten. 2. Ausl. Berlin 1935. S. 236 f.

  64. Oldenburg, Karl, Aus Bismarcks Bundesrat. Berlin 1929. S. 36.

  65. D e u e r 1 e i n , E r n s t, Der Bundesratsausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten 1870— 1918. Regensburg 1955. S. 215.

  66. Rothfels, Hans, Bismarck und der Staat. Darmstadt 1953. S. XXXIX.

  67. Vgl.

  68. T r i e p e 1, Heinrich, Unitarismus und Föderalismus im Deutschen Reiche.

  69. Kaufmann, Erich, Bismarcks Erbe in der Reichsverfassung. Berlin 1917.

  70. Jellinek, Georg, Das Recht des modernen Staates. Bd. I. 2. Ausl. Berlin 1905. S. 763.

  71. Hatschek, Julius, Bismarcks Werk in der Reichsverfassung. Tübingen 1906.

  72. Meinecke, Friedrich, Weltbürgertum und Nationalstaat. 7. Ausl. München 1928. S. 535.

  73. Ferber, Walter, Der Föderalismus. Augsburg 1946. S. 57 ff. Vergl. dazu:

  74. Neue Zürcher Zeitung. Nr. 2949 vom 26. Nov. 1954.

  75. Neue Zürcher Zeitung. Nr. 2984 vom 29. November 1954. Vergl. dazu: Mayer, Eugen, Der Föderalismus in fünf Erdteilen. München 1948.

  76. Zitiert nach: Ferber a. a. O. S. 103.

  77. Apelt Willibalt, Geschichte der Weimarer Verfassung. München 1947.

  78. Schwend, Karl, Bayern zwischen Monarchie und Diktatur. München 1954.

  79. Eyck, Erich, Geschichte der Weimarer Republik. Erlenbach-Zürich 1954.

  80. Barbarino, Otto, Staatsform und politische Willensbildung. München 1949.

  81. Zitiert nach: Zimmermann, WernerGabriel, Bayern und das Reich 1918— 1923. München 1953. S. 170.

  82. Der bayerische Staatsminister Dr. Hans Frank (1900— 1946) betonte in der Sitzung des bayerischen Ministerrates vorn 24. Oktober 1933, daß der Ministerpräsident in Berlin genaue Auskünfte über die bestehenden Pläne zur Reichsreform verlangen müsse. Bayern habe eine eigene Staatsidee. Es sei der älteste Staat Europas. Protokoll des bayerischen Ministerrates vom 24. Okt. 1933. Registratur der B. Staatskanzlei/München.

  83. Zitiert nach: Baum, Walter, Die „Reichsreform" im Dritten Reich. In:

  84. Vgl.

  85. Picker. Henry, Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier. Bonn 1951.

  86. Deutschland heute. Bonn 1953. S. 75 f.

  87. Ehard, Hans, Die deutsche Situation. München o. J. S. 1.

  88. Haller, Johannes, Bundesstaat oder Einheitsstaat. Tübingen 1928. S. 6.

  89. Beyerle, Konrad, Föderalismus. In: Staatslexikon. 5. Ausl. Bd. 2. Freiburg i. Br. 1927. Sp. 68.

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