Mit Genehmigung des Verlages entnehmen wir der amerikanischen Zeitschrift „FOREIGN AFFAIRS“ (April 1955) den folgenden Artikel von Arthur Dean:
Formosa — Symbol des Kampfes zwischen Freiheit und Kommunismus im Osten — ist ein Prüfstein dafür, bis zu welchem Grade die amerikanische Außenpolitik die Freiheitsideale mit einem geschmeidigen Realismus, den die harten Tatsachen der Weltpolitik nun einmal fordern, vereinen kann.
Unser Freund und Alliierter seit langer Zeit, Tschiang Kai-schek, behauptet gegenwärtig Formosa (Taiwan); die Kommunisten behaupten das Festland. Wir sind unglücklich darüber, daß eine große Nation mit den kulturellen Traditionen Chinas sich unter der Herrschaft eines totalitären Regimes befinden soll, das unseren Glauben an die Freiheit nicht teilt. Aber wenigstens im gegenwärtigen Zeitpunkt kann unser Wunsch, die Freiheit möge wieder ihren Einzug im Festlandchina halten, nicht an der unverrückbaren Tatsache rütteln — es sei denn, wir wollten einen allumfassenden Krieg riskieren — daß die Kommunisten das Festland besitzen und beherrschen.
Der Außenpolitik der Vereinigten Staaten scheinen drei bedeutsame Wege zur Behandlung der Formosafrage offen zu stehen. Der erste ist, in die furchterfüllte Forderung (die zum Beispiel von prominenten Mitgliedern der englischen Labour-Partei erhoben worden ist) einzuwilligen, Formosa den Rotchinesen zu überlassen. Der zweite ist, darauf zu beharren, daß die kommunistische Herrschaft formell ignoriert werden soll, ungeachtet dessen, wie die Alternativen aussehen mögen, oder welche Aussichten sie uns bieten. Der dritte Weg, eine zwischen beiden liegende Möglichkeit, ist, sich — wenn auch ungern — damit abzufinden, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Pekinger Regierung das Festlandchina beherrscht, und alle Bemühungen, den Fernen Osten zu stabilisieren notwendigerweise in Verhandlungen mit ihr münden müssen.
Die derzeitige amerikanische Politik gegenüber den beiden Bewerbern um den Titel einer „Republik China“ ist beeinflußt von vielen Faktoren, sie beruht auf einer langwährenden Freundschaft mit dem chinesischen Volke, dem japanischen Friedensvertrag, unserem Verteidigungsvertrag mit der nationalchinesischen Regierung auf Formosa, auf unserer Politik der Nichtanerkennung der rotchinesischen Regierung und unserer aktiven Opposition gegen jeden Versuch, den nationalchinesischen Vertreter bei den Vereinten Nationen (der Sitz im Sicherheitsrat einbegriffen) durch einen Delegierten Pekings zu ersetzen.
Die Geschichte unserer Nachkriegspolitik gegenüber Formosa hat mit der Kairoer Erklärung am 1. Dezember 1943 begonnen. Präsident Roosevelt, Ministerpräsident Churchill und Generalissimus Tschiang Kai-schek haben für die drei Alliierten nachfolgende Worte gesprochen: „Es ist Ihre Absicht (der Alliierten) . . ., daß all die Gebiete, die Japan den Chinesen gestohlen hat, wie die Mandschurei, Formosa und die Pescadoren, an die Republik China zurückgegeben werden sollen.“
In der Potsdamer Erklärung vom Juli 1945 haben Präsident Tschiang, Präsident Truman und Ministerpräsident Churchill verkündet:
„Der Wortlaut der Kairoer Erklärung soll ausgeführt und die japanische Souveränität auf Honshu, Hokkaido, Kyushu, Shikoku und auf die kleineren Inseln, die wir bestimmen, beschränkt werden.“
Als jedoch der Friedensvertrag mit Japan im Jahre 1951 unterzeichnet wurde (und weder die Sowjetunion noch Rotchina haben unterschrieben, wenn sich auch die Sowjetunion jetzt darum bemüht, unter seine Bestimmungen zu fallen), lautete die genaue Erklärung bezüglich Formosa in Artikel 2 (a):
„Japan verzichtet auf alle Rechte, Titel und Ansprüche auf Formosa und die Pescadoren.“
Eine ausdrückliche Abtretung der Insel, die sich im Besitz Japans befand, seit China sie im Jahre 1895 abgetreten hat, an irgendeine besondere Nation oder Regierung oder an die Vereinten Nationen als solche ist nicht erfolgt. Als im Jahre 1950 der Angriff auf Korea erfolgte, hat Präsident Truman der Siebenten Flotte befohlen, in der Straße zwischen dem Festland und Formosa zu patrouillieren. Diese Zone war „neutralisiert“ worden. Im Jahre 1953 haben die Vereinigten Staaten verkündet, sie würden Nationalchina „loslassen“ und Angriffe von Formosa auf das Festland gestatten. Die Flotte jedoch setzte Präsident Trumans Politik fort und hinderte Rotchina daran, das sich in nationalchinesischen Händen befindliche Gebiet anzugreifen. Jetzt aber scheint diese Politik durch die Einschränkungen des Verteidigungsvertrages und Präsident Eisenhowers Kongreßbotschaft vom 24. Januar 195 5 und die gemeinsame Entschließung vier Tage später eine gewisse Abschwächung erfahren zu haben.
Denn die kürzlichen Maßnahmen der Regierung lassen das Einverständnis mit der Behauptung erkennen, die Nationalchinesen seien nicht in der Lage, das Festland wieder zu erobern, wenigstens nicht in absehbarer Zukunft. ’ Die bemerkenswerte Einstimmigkeit mit der der Kongreß die von Präsident Eisenhower erbetene Entschließung angenommen hat, die seine Vollmacht zur Verteidigung Formosas und der Pes-cadoren bestätigt und die aufgeregte Reaktion im Kongreß über die anschließend gemachten Bemerkungen des nationalchinesischen Außenministers George Yeh sind wohl weitgehend ein Ausdruck der allgemeinen Überzeugung des amerikanischen Volkes und seiner Abgeordneten gewesen, daß die Vereinigten Staaten weder selbst zu einem aggressiven Vorgehen schreiten noch es zulassen würden.
Der Präsident wie Außenminister Dulles haben den defensiven Charakter des gegenseitigen Verteidigungsvertrages betont, als sie den Senat drängten, seine Zustimmung zu geben. Eine Feuereinstellung mit Hilfe der Vereinten Natio-nen, die der Präsident und der Außenminister sehr unterstützt haben, ist kaum mit einer Invasionspolitik Tschiangs auf das Festland vereinbar. Dulles sagt dazu:
„... Der Verzicht auf Anwendung von Gewalt ist eines der Grundprinzipien der Vereinten Nationen, und die Vereinigten Staaten hatten gehofft — und ich darf sagen, hoffen immer noch — das die Vereinten Nationen imstande sein würden, das Ende der gegenwärtigen Feindeseligkeiten zu erwirken.“
Jeder Zweifel über unseren gegenwärtigen Standpunkt dürfte durch die Erklärung Admiral Radfords zerstreut worden sein:
„Bestimmt planen wir keine Invasion des Festlandes. Natürlich haben wir, wie Sie wissen, Bodentruppen im westlichen Pazifik. Sie sind nicht dorthin gebracht worden, um in irgendein Gebiet einzufallen, sondern zur Verteidigung gegen kommunistische Aggression.“
Es ist wohl offenkundig, daß die Vereinigten Staaten die erforderliche Mitwirkung für die nationalchinesische Wiedergewinnung des Fest-landes versagen werden, wenn nicht Rotchina einen Angriff auf Formosa unternimmt, und dann würde es nur ein defensive Maßnahme sein. Ohne Mitwirkung der Vereinigten Staaten ist eine Wiedererlangung nicht möglich.
Heilige Verpflichtung
. Zur Frage der ersten Alternative ist es falsch anzunehmen, wie einige tun, daß Frieden und Ruhe in die Welt einkehren würden, wenn Formosa den chinesischen Kommunisten ausgeliefert und Tschiang Kai-schek ins Exil geschickt würde. Abgesehen davon, daß ein solcher Schritt für Hunderttausende Nationalchinesen, die vom Festlande geflohen sind, das Todesurteil bedeuten würde, eröffnet er auch keine Aussicht auf eine Beschwichtigung der Kommunisten. Denn wenn unsere früheren Unterhandlungen mit Kommunisten uns etwas gelehrt haben, dann doch wohl, daß unentgeltliche Konzessionen sie nur zu neuen und höheren Forderungen veranlassen und ihre Ansprüche keineswegs verringern. Das ist eine grundsätzliche Tatsache.
Die von der nationalchinesischen Regierung ausgeübte Kontrolle über Formosa ist für die freie Welt als Tatsache und als Symbol von ungeheurer Bedeutung. Formosa ist ein strategischer Teil des weiten Inselbogens — Aleuten, Japan, Ryukus (Okinawa), Formosa, die Philippinen —, der den wichtigsten Abschnitt der amerikanischen Verteidigung im Pazifik darstellt. Ein Einbruch in diesen Abschnitt würde, wenn auch nicht ein tödlicher, so doch ein schwerer Schlag für unsere Verteidigungspläne im pazifischen Gebiet sein, ein schwererer Schlag noch als Dien Bien Phu für die Moral der asiatischen Völker, die jetzt für die Sache der Freiheit sind. Formosa, das nur 500 Meilen südlich Japans und 100 Meilen nördlich der Philippinen liegt, hat der japanischen Invasion auf den Philippinen im zweiten Weltkrieg als Absprungbrett gedient.
Außerdem würde, wie Außenminister Dulles in seiner kürzlich vor der Foreign Policy Association gehaltenen Rede ausgeführt hat, die Unfähigkeit, sich den für Formosa eingegangenen Verpflichtungen würdig zu erweisen, den Glauben der freien asiatischen Völker in die militärische und moralische Stärke der Vereinigten Staaten unterhöhlen, die Kräfte in Schach zu halten, die danach trachten, die Freiheit der freien Nationen zu zerstören. Wir sind die Verpflichtung eingegangen, Formosa und die Pescadoren auf Grund unseres gegenseitigen Verteidigungsvertrages mit der Republik China zu verteidigen. Unsere Ehre als Nation und der von uns erhobene Anspruch, Vorkämpfer der Freiheit zu sein, hängen von der Erfüllung dieser heiligen Verpflichtung ab. Selbst ohne sie würde der Westen die ethische Pflicht haben, zur Sicherung eines freien und sicheren Lebens der Männer und Frauen beizutragen, die vom Festlande nach Formosa geflohen sind, einschließlich der chinesischen Kriegsgefangenen aus dem Koreakrieg, die sich für Formosa entschieden hatten, anstatt nach Hause zurückzukehren.
Lind weiter stellt die nicht-kommunistische Republik China einen Sammelpunkt für die großen chinesischen Kolonien außerhalb der Grenzen Chinas dar, die zusammen etwa 13 Millionen Personen umfassen. Überseechinesen sind ein wesentlicher Teil des wirtschaftlichen und kommerziellen Lebens in den bedeutendsten südostasiatischen Gebieten, wie z. B. in Indonesien, auf den Philippinen, in Hongkong, Vietnam, Burma, Malaya, Thailand, Laos und in Kambodscha. Diese Chinesen sind nicht in der ansässigen Bevölkerung aufgegangen. Es wohnen z. B. 2 Millionen Chinesen in Indonesien, von denen nur 800 000 die indonesische Staatsangehörigkeit angenommen haben. Dieses Problem der Staatsangehörigkeit beschäftigt Ministerpräsident Nehru außerordentlich. Der Neigung dieser Menschen, auf China als Vorbild für ihre Haltung und ihr Verhalten zu schauen, leistet das kommunistische Schlagwort Vorschub: „Ein Chinese bleibt Chinese, wo er auch beheimatet ist“. Die Aufrechterhaltung einer freien chinesischen Regierung auf Formosa läßt ihnen wenigstens die Wahl, wem sie sich als Untertan verpflichten wollen. Wenn man Berichten Glauben schenkt, daß ungefähr 7 Millionen Chinesen von der Volksrepublik „liquidiert" worden sind, darf man mit Grund hoffen, daß die Untertanentreue der Überseechinesen zu dieser Regierung gering ist, wenn auch immer noch ein großer Prozentsatz an Studenten nach China zurückkehrt, um dort ausgebildet zu werden, denn die gefühlsmäßigen Bindungen an Familie und Heimat auf dem Fest-lande sind immer noch stark, und viele Überseechinesen wirken an der rotchinesischen Sache mit als eine Art „Versicherungspolitik gegen spätere Zufälle“. Es ist eine wichtige Verteidigungsmaßnahme gegen die kommunistische Unterwanderung in Südostasien, die nicht-kommunistischen Sympathien der dortigen chinesischen Bewohner zu erhalten.
Gefahren einer , Achtungspolitik"
Die zweite Alternative ist, fest darauf zu bestehen, daß Rotchina von der internationalen Gemeinschaft als ein Geächteter angesehen wird, zu keinem Zeitpunkt Verkehr oder Handel mit ihm ausgenommen werden darf, ihm jede Teilnahme an internationalen Organisationen verwehrt wird und ihm keinerlei Konzessionen gemacht werden sollen.
Panmunjon, Genf, der darauf folgende französische Rückzug aus Nordindochina, der Fall der elf amerikanischen Flieger, die immer stärker anschwellende Forderung nach Ost-West-
Handel und die Tatsache, daß Indien und Indonesien darauf beharren, die Form der chinesischen Regierung sei Chinas eigenes inneres Problem — diese und viele andere Dinge lassen erkennen, daß die Vereinigten Staaten und die übrige Welt weder das rein physische Gewicht Rotchinas noch seine psychologische Durchschlagskraft praktisch ignorieren können. Nichtsdestoweniger ist in Amerika eine starke Gruppe der Ansicht, die Pekinger Regierung müsse als „ein Geächteter“ behandelt werden und sie behauptet beharrlich, jedes Übereinkommen mit ihr käme einer „Beschwichtigung gleich.
Mit diesem Standpunkt verbindet sich häufig die Ansicht, Generalissimus Tschiang könnte mit Aussicht auf Erfolg eine Invasion aufs Festland unternehmen, wenn wir ihm nur die Ausrüstung geben würden. Aber eine Invasion könnte gar keine Aussicht auf Erfolg haben, ohne umfangreiche und dauernde militärische Unterstützung durch die Amerikaner. Dies aber würd notwendigerweise unsere Teilnahme an einem Krieg mit Rotchina bedeuten und möglicherweise mit seinem sowjetrussischen Verbündeten. Persönlichkeiten, die dafür sind, Tschiang „loszulassen“ (der jetzt 67 Jahre alt ist), scheinen sich nie vergegenwärtigt zu haben, was geschehen würde, wenn er keinen Erfolg hätte und um Hilfe bäte, oder in welchem Ausmaß die Politik, für die sie sich einsetzen, die Entscheidung über unsere Außenpolitik in seine Hände legen würde. Merkwürdigerweise würden viele, die in Sachen der Außenpolitik kein Vertrauen -zu unserem Präsidenten und für das Bricker-Amendment gestimmt haben, einer ausländischen führenden Persönlichkeit bestimmenden Einfluß über unsere Außenpolitik einräumen. Natürlich erhöht die Drohung, Tschiang „loszulassen“, die schon bestehende ernste Kriegsgefahr. Die Siebente Flotte und die amerikanischen Luftstreitkräfte patrouillieren in der Formosa-Straße; und die vor der Küste liegenden Inseln Quemoy und Matsu sind wahrscheinlich eingeschlossen in die „Positionen und Gebiete . . ., die sich jetzt in Besitz von Freunden befinden“, und die der Präsident mit der Unterstützung des Kongresses zu sichern und zu verteidigen die Vollmacht hat. In Anbetracht dieser Tatsache und der kategorisch und täglich neu abgegebenen Erklärungen der Kommunisten über ihre Absicht, die vor der Küste liegenden Inseln und auch Formosa einzunehmen, gibt es mehr als genügend Gelegenheiten für ein unbeabsichtigtes Versehen, für eine heiße Verteidigung oder eine heiße Verfolgung, für den großen Krieg.
Wie würde so ein Krieg aussehen? Die genaue Antwort können natürlich nur die militärischen Sachverständigen geben. Aber es handelt sich um ein Anliegen von viel zu großer Tragweite für die Bürger hier, um sich jeglicher Betrachtungen zu enthalten oder es zu unterlassen, die Sachverständigen gründlich auszufragen. Es ist durchaus möglich, daß die Sowjetunion China unterstützen und es damit zu einem totalen Krieg kommen würde. Der neue sowjetische Ministerpräsident, Marschall Bulganin, hat unter Bezugnahme auf das chinesisch-sowjetische gegenseitige Verteidigungsbündnis erklärt: „China weiß, daß es von uns nicht nur Sympathie, sondern auch Hilfe erwarten kann. Diese Hilfe wird gewährt werden, wenn sie gebraucht wird“.
Die größere Wahrscheinlichkeit ist, daß Moskau es vorziehen würde, wenn Rotchina mit Hilfe russischen Materials die Energien der Vereinigten Staaten (und der am Kriege beteiligten Alliierten, wenn überhaupt) fesselt und vernichtet. Würde Rotchina dann nicht imstande sein, uns mit Unterstützung der russischen Waffen zu zwingen, unter dem Zwang der Kriegswirtschaft zu leben, unsere Hilfsquellen aufzubrauchen, unsere Truppen aus Europa, Afrika und unseren Arktischen Außenposten abzuziehen und Blut, Begeisterung und moralische Führung in den weiten Reisfeldern und ungeheuren Bergen Chinas zu vergeuden?
Die Kommunisten würden auf eigenem Grund und Boden kämpfen. Wir aber müßten eine Nachschublinie von 14 OOO Meilen zu Luft und zu Wasser unterhalten, die teilweise den Angriffen von Unterseeboten, von denen die Russen genügend haben, um eine Anzahl ihrem Verbündeten zu leihen, ausgesetzt und sehr kostspielig zu unterhalten ist. Truppen, Nachschub und Material, die die brüchige Front zwischen Ost und West in Europa schützen sollen, würden für fernöstlichen Bedarf angefordert werden. Wenn Rotchina nicht kurz und schnell zu Boden geschlagen werden kann, dann könnte es sehr wohl eine Neuauflage von Napoleons Abenteuer im Jahre 1812 oder des vergeblichen Vordringens der Wehrmacht in Rußland im zweiten Weltkrieg geben. Frankreich und Deutschland könnten sich dann sehr wohl nach Moskau hin orientieren.
Einige sind der Überzeugung, eine Landung von Tschiangs 500 000 Mann-Armee würde das Signal für einen Aufstand auf dem Festlande geben. Aber angesichts der grausamen kommunistischen Kontrollen besteht wenig Grund für die Hoffnung, der Aufstand würde ein solches Ausmaß erreichen, daß er den Krieg wesentlich beeinflussen könnte. Der Mangel an Einigkeit zwischen den nationalchinesischen Armeen während des Bürgerkrieges vor 1950 und die Meinungsverschiedenheiten über die militärischen Maßnahmen gegenüber Korea lassen vermuten, daß die mit Nationalchina sympathisierenden Bewohner des Festlandes sich im Falle von Invasionskämpfen nicht erfolgreich organisieren könnten.
Ein Stellungskrieg, in dem sich die Westmächte damit begnügen würden, das Festland durch See-und Luftstreitkräfte nur zu beunruhigen, würde eine offene Einladung an die Herren des chinesischen Festlandes darstellen, das ihnen zur Verfügung stehende Menschenpotential zu benutzen, um in die militärisch schwachen aber wirtschaftlich reichen Länder Südostasiens einzudringen, Indien lahmzulegen, den koreanischen Waffenstillstand zu brechen, Japan anzugreifen und es mit Vernichtung zu bedrohen, wenn es die Benutzung unserer Stützpunkte für Angriffe gestattet.
Ein besonderes Problem ist es, ob wir mit atomaren oder thermonuklearen Waffen kämpfen sollten. Die militärische Wirksamkeit von Atomwaffen auf China läßt sich schwer genau einschätzen. Industrieanlagen in der Mandschurei, Eisenbahnanlagen und Truppen-oder Schiffsansammlungen würden geeignete Ziele bilden. Aber China ist 3 750 000 Quadrat-meilen groß. Es ist nicht zentralisiert, wie die westlichen Nationen, und hat kein Nervenzentrum, wie die Japaner erfahren mußten, auf das man einen vernichtenden Schlag führen könnte. Außerdem könnten die Rotchinesen von Sowjetrußland, selbst wenn sich dieses nicht am Kriege beteiligt, atomare Waffen erhalten, durch unsere Verteidigungslinien schlüpfen und schreckliche Vergeltungsangriffe auf die Vereinigten Staaten durchführen. Seit die Atomenergiekommission mitgeteilt hat, daß die Bikini-Explosion im Jahre 1954 ein Gebiet von 7 000 Quadratmeilen mit tödlichem Atom-staub bedeckt hat, sollten wir genug gesunden Menschenverstand haben, nicht zu versuchen, einen Krieg mit Rotchina „auf billigste Art“ zu gewinnen. Unsere eigenen christlichen Ideale wie die Ansicht unserer Freunde, die in vieler Beziehung unsere stärkste und stetigste Waffe im Kalten Krieg sind, rebellieren bei dem Gedanken an einen überstürzten Atomkrieg und an das unterschiedslose Abschlachten der Menschen. Wir können nicht unsere Atomstärke einsetzen, wie wir jetzt wissen, ohne Gefahr zu laufen, die Zivilisation zu zerstören.
Politische Folgen
So viel über die vermutlichen militärischen Folgen einer Politik, die Rotchina als einen „Geächteten“ betrachtet. Wenden wir uns den politischen Folgen zu, so stoßen wir auf zwei Argumente, die zugunsten einer „Ächtungs“ -Politik geäußert werden. Das erste Argument ist, eine grundsätzliche Weigerung, die kommunistische Kontrolle über das Festland anzuerkennen, würde uns propagandistische lind ethische Vorteile einbringen. Das zweite Argument lautet, daß der Westen von vornherein die Wahrscheinlichkeit umgehen könne, sich zwei hemmenden Vetos im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gegenüberzusehen, wenn er die Nationalchinesische Regierung als die wahre Regierung der Republik Chinas weiter bestehen ließe.
Propagandistische und ethische Vorteile würden in den Augen großer Teile der Weltmeinung verlorengehen, wenn wir einen rotchinesischen Raub Formosas ruhig hinnehmen würden. Aber die Weigerung, die Existenz der Pekinger Regierung anzuerkennen, ist eine andere Sache. Eine Anzahl unserer wichtigen Verbündeten und wichtige neutrale Länder erkennen sie formell an. Sie glauben — und es ist ein Standpunkt, der seit langem von Lehrbuch-verfassern vertreten wird — daß im internationalen Recht die formelle Anerkennung einer Regierung nur die Anerkennung der Tatsache ihrer tatsächlichen Kontrolle über die Regierungsgeschäfte, ihrer Absicht souverän zu handeln und ihrer Fähigkeit, völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, bedeutet. Eine moralische Billigung ist damit nicht verbunden.
Die Vereinigten Staaten sollten natürlich nicht — und werden nicht — zulassen, daß die freien und freundlichgesinnten Chinesen auf Formosa angegriffen und die Insel durch die Kommunisten erobert wird.
Aber unsere unversönliche Haltung gegenüber dem Pekinger Regime auf politischem Gebiet könnte uns unsere Bewegungsfreiheit kosten, die wir dringend benötigen. Sie würde die uns zur Verfügung stehenden Alternativen auf eine zusammenschmelzen lassen, und gerade diese eine würde wahrscheinlich sowohl zu einer ernsthaften Verschlechterung der Beziehungen zu unseren Alliierten wie unserer eigenen politischen strategischen Planung führen.
Japan zum Beispiel braucht dringend Handel, wenn es wirtschaftlich weiterbestehen und seine gegenwärtige nicht-kommunistische politische Einstellung beibehalten soll. Es glaubt, daß seine Hoffnungen auf den Märkten des asiatischen Kontinents liegen und das unverdrossene Werben der Sowjetunion geht auch nicht spurlos vorüber. Japans Hoffnungen auf die Öffnung jener Märkte — und die eventuelle Wiedergewinnung der sowjetischbesetzten Inseln Habomai und Shikotan — sind unvereinbar mit einer amerikanischen Politik, die dogmatisch die Existenz der Pekinger Regierung leugnet und auf der Aufrechterhaltung der Blockade besteht.
Diejenigen unserer Verbündeten, die die Pekinger Regierung anerkannt haben, befinden sich in der anormalen Lage, mit den Nationalchinesen in den Vereinten Nationen zu verhandeln und sich der Stimme enthalten zu müssen, wenn Fragen über die Beglaubigungsschreiben der chinesischen Delegierten auftauchen. Abgesehen davon wächst in den Vereinten Nationen das Gefühl, daß es ein Forum für alle Nationen ist, nicht nur für die „rechten"
Länder, und daß wir, die wir uns der Vereinten Nationen im Koreafall bedient haben, nun ihren Einfluß schmälern. Wenn diese Stimmung anhält, dürfte die politische Auffassung der Vereinigten Staaten sich nicht mehr als genügend stark erweisen, um eine Abstimmung zugunsten eines Sitzes der Volksregierung als Delegierte der Republik China zu verhindern.
Selbst angenommen, wir könnten und würden ein Veto einlegen (und auch da gibt es einige, der behaupten, die Frage, welcher der beiden chinesischen Staaten den Sitz einzunehmen hat, ist eine Verfahrens-und keine Grundsatzfrage), so würde dies eine schwere politische Niederlage bedeuten, die die Einheit des Westens ins Wanken bringen und unsere Fähigkeit, die Verbündeten in entscheidenderen Fragen zu mobilisieren, beeinträchtigen würde.
Ich möchte es noch einmal ganz klar ausdrücken. Ich bin nicht der Ansicht, daß die Vereinigten Staaten die Zulassung Rotchinas zu den Vereinten Nationen begünstigen sollten, Wenn wir nicht die amerikanische Außenpolitik dadurch wesentlich fördern und Formosa der nationalchinesischen Herrschaft erhalten. Die Anerkennung des Festlandregimes und die Zulassung zu den Vereinten Nationen ohne ein unbestreitbares quid pro quo würden leicht den Glauben stärken, daß eine geladene Pistole und eine mit Krieg drohende Weigerung, Konzessionen zu machen, der beste Weg sind, um in der internationalen Politik belohnt zu werden.
Aber die Menschen müssen ihr tägliches Brot verdienen und der Wunsch nach Bestrafung einer Aggression verflüchtigt sich, wenn sie auf Kosten lebenswichtiger Handelsmöglichkeiten geschieht. Wie die Dinge jetzt laufen, stehen wir vor dem unvermeidlichen Verlust von Freunden in den Vereinten Nationen. Wenn es dazu kommt, könnte es vielleicht für Verhandlungen über eine Feuereinstellung zu spät sein. Unsere strategische Position könnte sich allmählich verschlechtern, wir laufen Gefahr, unsere Position und unser Prestige zu verlieren, ohne entsprechende Konzessionen zu erhalten.
Da ein Veto schon ausreicht, würde das Hinzukommen einer zweiten kommunistischen Vetostimme im Sicherheitsrat (vorausgesetzt, die Sowjetunion und Rotchina arbeiten Hand in Hand) praktisch keinen wesentlichen Einfluß auf die gegenwärtige Wirksamkeit der kommunistischen Diplomatie in den Vereinten Nationen haben. Der Sicherheitsrat war unfähig, in Angelegenheiten, wie der elf amerikanischen Flieger auch ohne die Anwesenheit eines Vertreters der Volksregierung wirksam zu handeln. Dies könnte zu Verhandlungen außerhalb der Vereinten Nationen führen und somit ihren Einfluß vermindern. Die glatte Weigerung Rot-chinas, an Feuereinstellungsgesprächen über Formosa teilzunehmen, veranlaßte den Sicherheitsrat, still und ruhig alle Schritte in dieser Richtung zu begraben. Und in den Gebieten außerhalb des Fernen Ostens werden die kommunistischen Interessen durch das Veto der Sowjetunion geschützt. Man könnte selbst darüber streiten, ob nicht der Einfluß Rotchinas auf die Ansichten und Ängste der Neutralisten schwächer werden wird, wenn es in den Vereinten Nationen sitzt. Die Stimme Pekings klingt im Forum der 42. Straße vielleicht weniger kräftig, wo sie widerlegt werden kann, als wenn sie unangefochten über den ganzen Pazifik schallt. .
Wenn Rotchina zu den Vereinten Nationen zugelassen wird, dann muß natürlich gleichzeitig eine allgemeine Reorganisation der Zulassungspolitik vorgenommen werden, so daß Japan, Spanien, Italien, die Bundesrepublik u. a., seit langem ausgeschlossene Anwärter, Mitglieder werden können — vielleicht sogar eine Reorganisation der Funktionen des Sicherheitsrates und der Generalversammlung.
Ich gehöre nicht zu denen, die glauben, Rot-china müsse einen Sitz in den Vereinten Nationen erhalten, ohne einen grundsätzlichen Beitrag für einen dauerhaften Frieden leisten zu müssen, einfach weil wir „Tatsachen" anerkennen müßten, und nur weil Rotchina die Forderung erhebt, müßten wir es beschwichtigen. Aber ich bin auch nicht der Ansicht jener, die behaupten, es sei unmöglich, zu vernünftigen politischen Beziehungen mit Rotchina zu kommen. Das ist nicht der richtige Weg, eine wirkungsvolle Politik zu planen. Wenn wir nicht bereit sind, einen umfassenden Krieg zu beginnen oder zu-zusehen, wie sich unsere Position langsam verschlechtert, dann sollte sich unsere Außenpolitik nach meiner Ansicht einfach einer harten Tatsache anpassen, die sich in naher Zukunft kaum ändern dürfte, und deren Folgen bei sorgfältiger Planung vermutlich weniger umwälzend sind als die Kassandras voraussagen.
Ich fordere gar keine besondere Politik, sondern möchte nur betonen, daß Wendigkeit und Fähigkeit, sich den Gegebenheiten anzupassen, immer erforderlich sind, wenn man mit Kommunisten zu tun hat. Unsere eigene Unnachgiebigkeit könnte unser Denken lähmen und den Kommunisten eine Waffe in die Hand geben. Was ich die „Ächtungs" -Politik nenne, schränkt die Manövrierfähigkeit ein, die wir brennend benötigen, wenn wir es mit einem solchen Widersacher zu tun haben. Wendigkeit ist nicht gleichbedeutend mit einer Reihe serviler Konzessionsangebote. Ich bin der Ansicht, wir sollten frei sein, aushandeln und Abkommen abschließen zu können, in denen Wert und Gegenwert sich entsprechen. Ein dogmatischer Standpunkt geht immer auf Kosten der günstigen Gelegenheiten. Und in internationalen Verhandlungen sind Gelegenheiten wertvoll.
Die dritte Alternative: „Zwei chinesische Staaten"
Die Engländer haben eine dritte Alternative ins Spiel gebracht — die „zwei chinesischen Staaten". Der Hintergedanke hierbei scheint mir zu sein, daß die Billigung des gegenwärtigen de-facto-Status der beiden territorialen Gebiete Formosa und Festland China die Gefahr eines neuen Krieges ohne Sieg (vielleicht sogar eines dritten Weltkrieges) durch den Versuch verringern würde, die beiden chinesischen Staaten zu überzeugen, ihre jeweiligen Absichten auf das Gebiet des anderen zu vergessen. Der englische Gedanke ist, beide chinesische Staaten zu Mitgliedern der Vereinten Nationen zu machen und die Lage im Fernen Osten in Übereinstimmung mit der gegenwärtigen Spaltung zu stabilisieren. Dies mag teilweise das Streben Rotchinas erklären, noch vor der Feuereinstellung die größtmögliche Verbesserung seiner Position herauszuholen.
Angenommen, ein umfassender wirkungsvoller Friedensplan könnte verhandelt werden, dann ist die Ausarbeitung einer Regelung rechtlich nicht undenkbar, die unsere nationalchinesischen Freunde nicht um ihre Übersee-besitzungen und um ihre Rechte bringen würde, die chinesischen Bürger im Auslande zu schützen.
Es wird behauptet, daß die Vereinigten Staaten Gefahr laufen, das „Gesicht" zu verlieren, wenn sie ihre Position auf Formosa neu orientieren und die Möglichkeit von Verhandlungen mit Peking als Gegenleistung für ein quid pro quo eröffnen würden. Das trifft nicht für die Ansicht vieler Europäer noch die einer großen Menge von Asiaten zu. Wie dem auch sei, sollen wir etwa in einen Krieg mit allen seinen Folgen gehen, weil wir die Ereignisse unerfreulich finden und nicht wendig genug sind, um mit ihnen fertig zu werden? Wir könnten tatsächlich böse Niederlagen vermeiden, wenn wir uns jetzt schon über die zukünftigen Schwierigkeiten klar werden und uns ihnen anpassen, solange wir sie uns noch zunutze machen — oder wenigstens die uns entstehenden Nachteile verringern können. Ein allmählicher Abfall der Bundesgenossen oder eine Abstimmung zugunsten der Aufnahme der kommunistischen chinesischen Regierung in die Vereinten Nationen über unsere entschiedene Opposition hinweg, würde unseren Führungsanspruch in der freien Welt und unserer künftigen diplomatischen Stärke schweren Schaden zufügen.
Gewiß hängt jede Regelung zur Konstituierung zweier chinesischer Staaten davon ab, ob eine wirksame, den Frieden sichernde Regelung über die Feuereinstellung erreicht werden kann. Wir könnten z. B. das Anerbieten machen, Tschiang zu überreden, seine unmittelbaren kriegerischen Absichten auf das Festland als Gegenleistung für das Versprechen Pekings zu zähmen, die Unantastbarkeit von Formosa, Laos und Kambodscha und Süd-Vietnam zu respektieren und Versuche, an anderen Stellen Coups zu landen, aufzugeben. Dadurch dürften die Vereinigten Staaten die Einheit der freien Welt viel eher konsolidieren als zerstören und viel eher Achtung gewinnen als verlieren. Natürlich würde es als „Beschwichtigungspolitik“
und als ein „München“ gebrandmarkt werden.
Aber handelt es sich eigentlich um parallele Situationen? Der weitgespannte Rahmen unserer westlichen Verteidigungspflichten läßt es unzweckmäßig erscheinen, unseren Verteidigungsring in Europa und im Mittleren Osten zu schwächen, um die Masse unserer Streitkräfte in -der Nähe einer kleineren, der Küste vorgelagerten Insel zu versammeln, um das „Recht“ schützen zu können und um einen Invasionsversuch auf das Festland-China zu unternehmen.
Das Angebot auf Verhandlungen könnte zurückgewiesen werden. Tatsächlich ist der Versuch, über die Feuereinstellung zu einer Einigung zu gelangen, schon einmal zurückgewiesen worden. Die Kommunisten haben sich beharrlich geweigert, an den Zusammenkünften des Sicherheitsrates teilzunehmen, solange die Nationalchinesen dort ihren Sitz haben. Sicher haben Mao Tse-tung und Tschu En-lai geglaubt, sie könnten auf diese Weise irgendwie eine vorteilhafte Regelung erzwingen. Die Kommunisten haben Grundzu der Annahme, daß sie alle ihre Wünsche durchsetzen werden, wenn sie nur fest bleiben und eine harte Sprache führen.
Ein ausgeschlagenes Angebot an sich würde weder die territorialen Besitzverhältnisse noch die militärischen Positionen verändern. Unsere Fähigkeit, Formosa erfolgreich zu beschützen, ist nach Admiral Radford kaum in Frage gestellt: „... Ich bin immer wieder erstaunt darüber, mit welcher Leichtgläubigkeit so viele Menschen an das Märchen von der rotchinesischen Stärke glauben. Es ist wirklich ein erstaunliches Paradoxon, daß eine offensive Haltung aufrechterhalten und Initiative entwickelt werden können, ohne von wirklicher Substanz gestützt zu werden“.
Die hauptsächlichsten Wirkungen würden psychologischer Art sein.
Die größte Einbuße für den Westen würde der Schlag gegen die Moral der Truppen Tschiang Kai-scheks, der Nationalchinesen und der Südkoreaner sein. Die Hoffnung des Generalismus, seine unterdrückten Landsleute zu befreien, würde endgültig zunichte werden, denn wenn er und seine Leute sich nicht damit abfinden können, die natürlichen Reichtümer Formosas zu entwickeln, könnte der Weg für einen erfolgreichen rotchinesischen Angriff bereitet werden.
Als Begleitumstand würde jegliches Streben, das die relativ wenigen ursprünglichen Bewohner . Formosas nach eigener Unabhängigkeit gehabt haben könnten, verlorengehen. Denn in ihren Augen würde diese Lösung (einer rotchinesischen Eroberung) nicht drückender sein, als wenn Tschiang das Festland besäße und von dort aus regierte. Ein unabhängiges Formosa ohne eine rotchinesische oder nationalchinesische Regierung auf der Insel ist gegenwärtig nicht mög-
lich, ganz gleichgültig ob es . theoretisch in ferner Zukunft wünschenswert wäre. Vermutlich wäre die Herrschaft des kommunistischen Polizeistaates die einzig reale Alternative zur Herrschaft der Nationalchinesen. Praktisch würde sich hierdurch an der Lage der eingeborenen Formosaner nichts ändern; und es geht ihnen sicherlich weit besser unter einer unabhängigen nationalchinesischen Regierung als unter einer kommunistischen Herrschaft.
Aus der militärischen Undurchführbarkeit einer nationalchinesischen Invasion auf das Festland in nächster Zukunft und der Abgeneigtheit der Vereinigten Staaten, sie zu unterstützen, folgt, daß ein Verhandlungsangebot nicht unerwartet kommen kann, wenn es auch einen schweren Schlag gegen jenes nationalchinesische Ziel bedeuten würde.
Die psychologische Wirkung auf den größten Teil unserer anderen Verbündeten und auf Indien, Burma und Indonesien würde gerade gegenteilig sein. Wir hätten ein Angebot zur friedlichen Regelung unserer Meinungsverschiedenheiten machen sollen. Rotchinas Weigerung hätte die Frage der Verantwortlichkeit geklärt. Den Neutralisten hätte damit ein anschauliches Beispiel mehr von der vollständigen Unvernunft der Kommunisten auf dem Gebiete der inter-nationalen Politik vor Augen geführt werden können.
Wenn das Angebot angenommen wird, dürfen wir berechtigte Hoffnung auf einen dauerhaften modus vivendi haben. Was wir für ihn geopfert haben werden, dürfte nur wenig mehr sein als das, was wir auf jeden Fall durch den allmählichen Zerfall der alliierten Einheit, das Drängen nach Handel und Ansteigen unserer weltweiten Verpflichtungen verloren haben würden. Wir hätten an Führungsanspruch gewonnen, den freien Nationen zur Einheit verhelfen und hätten Truppen, Prestige und Ausrüstung zur Vervollständigung unserer Verteidigungslinien an anderer Stelle einsetzen können.
Es besteht natürlich immer die Möglichkeit, daß die Rotchinesen ihre Versprechen nicht halten, sobald sie den Vorteil eines Übereinkommens* 1 erlangt haben. Das ist ein Risiko, das fast jeder Politik innewohnt. Es könnte verringert werden, wenn man sich die besondere Zusage weitestgehender Unterstützung durch alliierte und neutrale Staaten im Falle eines kommunistischen Verrats sichert. Sanktionen, wie z. B. ein vorher abgesprochenes alliiertes Embargo und ähnliche Maßnahmen sollten ganz klar als eine vereinbarte Konsequenz jeglichen Vertragsbruches herausgestellt werden. Die Regelung sollte bestimmt von den Vereinten Nationen garantiert und asiatische Nationen, wie z. B. Indien, sollten an allen Überwachungs-Kommissionen beteiligt werden. Auf diese Weise könnte sichergestellt werden, daß jeder Vertragsbruch durch die Kommunisten wirksame Sanktionen nach sich ziehen und einen solchen Prestigeverlust mit sich bringen würde, daß ihre Bemühungen um eine politische führende Rolle schwer geschädigt würden. Jedoch ist es unmöglich, eine bündige Antwort im voraus zu geben. Das ist die Art und der Kern des Problems, mit dem wir im Zusammenhang mit derzeitigen Verhandlungen ringen müssen.
Der juristische Status Formosas
Der juristische Status Formosas und der Pes-cadoren ist durch den zwischen den Vereinigten Staaten und der Republik China abgeschlossenen gegenseitigen Verteidigungsvertrag nicht so verändert worden, daß hierdurch eine auf zwei chinesische Staaten zielende Politik ausgeschlossen würde, wenn es in unserem Interesse liegen sollte, dieser Theorie nachzugehen. Wie Churchill am 1. Februar d. J. im Unterhaus betont hat, haben die Kairoer Erklärung und der japanische Friedensvertrag nicht im formalrechtlichen Sinne bestimmt, daß Formosa ein Teil Chinas wird.
Der gegenseitige Verteidigungsvertrag verpflichtet die Vereinigten Staaten nicht zu diesem Standpunkt. Nur im Hinblick auf die Artikel II und V (die gemeinsamen Widerstand gegen einen bewaffneten Angriff vorsehen) wird von dem Gebiet der Republik China in Artikel VI gesagt, daß es Formosa und die Pescadoren einschließe. Lind es ist in jedem Fall vorschnell zu behaupten, die Vereinigten Staaten könnten durch einen einseitigen Akt allein den juristischen Status der Insel bestimmen.
Das internationale Recht kennt zwei grundsätzliche Möglichkeiten, um einen Rechtsanspruch auf ein bestimmtes Gebiet zu erwerben. Die eine ist die formelle Abtretung eines Souveräns an einen anderen; die andere ist die Besetzung einer terra nullius (Niemandsland). Als Japan auf alle Rechte, Ansprüche und Anforderungen auf Formosa verzichtet hat, hat es dadurch Formosa nicht an China übergeben. Ob eine solche formelle Abtretung jetzt noch von allen Signatarmächten des Friedensvertrages (der nicht die Republik China oder die demokratische Volksrepublik China einschließt) gemacht werden könnte auf Grund der Theorie, das Recht der Abtretung sei auf diese Signatarmächte übergegangen, ist eine offene Frage, Aber abgesehen von einer Annexion scheint es vom gesetzlichen Standpunkt aus, daß die Vereinigten Staaten eine Abtretung Formosas selbst vollziehen können.
Internationales Gewohnheitsrecht gestattet einem Lande den Erwerb eines gesetzlichen Besitzanspruches auf ein Gebiet, das terra nullius (Niemandsland) ist, durch eine Demonstration seiner „Absicht oder seines Willens als Souverän zu handeln und durch die tatsächliche Autoritätsausübung oder -entfaltung". Zweifellos hat die nationalchinesische Regierung diesen Anforderungen Genüge getan. Lind wenn auch die Insel Formosa vor dem Japanvertrag 1951 kein Niemandsland war, so wurde sie es vermutlich auf Grund des japanischen Verzichtes auf jeden Anspruch.
Selbst wenn man annimmt, daß Formosa ein Rechtsteil der Republik China ist, wäre es ein ausgezeichneter Weg, um das politische Ergebnis zweier getrennter chinesischer Staaten zu erreichen, das kommunistische China als einen Staat anzuerkennen, der sich von der Republik China losgerissen hat, und gleichzeitig anzuerkennen, daß die Republik China den Rechts-anspruch auf Formosa und die Pescadoren durch Okkupation erworben hat oder nötigenfalls eine formelle Abtretung jener Gebiete an die Republik China zu vollziehen.
Die Republik China würde, da sie Bewohner, ein festumrissenes Gebiet und eine souveräne Regierung besitzt, weiterhin die vom internationalen Recht geforderten Bedingungen für einen Staat erfüllen und eine Rechtsbasis besitzen, um einen Rechtsanspruch auf Vermögenswerte, wie Bankkonten und Gebäude, erheben und den Schutz und die persönliche Rechtsprechung über chinesische Bürger, wenn sie sich im Auslande befinden, ausüben zu können. Chinas Vertragsrechte einschließlich dem Sitz im Sicherheitsrat würden der Republik China sicher sein, oder es würden in der Charta entsprechende und zufriedenstellende Abänderungen vorgenommen werden müssen. Oder wenn die terra nullius (Niemandsland) -Theorie nicht angenommen würde, dann würde die nationalchinesische Regierung wenigstens einen Rechts-status haben, der dem einer traditionellen „Regierung im Exil" ähnelt, aber stärker ist, weil sie sich im Besitz eines Teils ihres nationalen Gebietes befindet.
Internationalismus Nationalismus gegen
Die größeren Gesichtspunkte für eine Außenpolitik gegenüber Formosa dürfen nicht unbe-
achtet bleiben. Die Gefahr ist, daß der Sinn für die wahren Proportionen verlorengeht, wenn soviel diplomatische und militärische Energie auf dieses besondere Problem Formosa verwendet wird. Amerikanische Außenpolitik in anderen wichtigen Gebieten kann leicht nur zum Anhängsel der Probleme dieses kleinen pazifischen Eilandes werden, wenn wir unseren ganzen politischen Einfluß darauf verwenden müssen, unsere widerspenstigen Verbündeten im Kielwasser unserer Politik zu halten und unsere ganze militärische Kraft damit befaßt ist, sich immer in Bereitschaft zu befinden, einen ständig drohenden bewaffneten Angriff dort aufzufangen. Die Russen wissen das. Durch geschickte Unterstützung peripherer, von den Chinesen und den Satelliten ausgefochtener Konflikte kann die Sowjetunion amerikanische Truppen und amerikanisches Material festhalten, die Moral der freien Nationen erschüttern und ihre Einigkeit aufspalten. Ein zusätzlicher Nutzen für die Russen ist es, daß solche Krisen die Energien der chinesischen Kommunisten aufzehren und ihre Aufmerksamkeit von ihren sehr realen territorialen und wirtschaftlichen Interessenkonflikten mit der Sowjetunion ablenken. Es ist ein billiges, nützliches, wenn auch gefährliches Spiel für die Russen. Dieses System arbeitet gut in ihrem Sinne, solange niemand versehentlich einen großen Krieg beginnt.
Die Chinesen sind, und dessen ist sich der Kreml sicher bewußt, zu groß, um sich leicht in die Kategorie „Satelliten“ einreihen zu lassen. Mao Tse-tung und Tschu En-lai sind fähige Männer und wahrscheinlich nicht unnötig beflissen, wenn ein offener Interessenstreit zwischen der Volksrepublik China und der Sowjetunion ausbricht. Bezeichnenderweise führten Nikolai Bulganin und Nikita Chruschtschew einen großen Teil der Verhandlungen für das chinesisch-sowjetische Abkommen im Oktober 1954. Der Sturz von Ministerpräsident Malenkow, der vielleicht wenigstens teilweise mit dem Fehlschlag seiner Politik Zusammenhängen kann, die Verteidigungsanstrengungen des Westens zu verlangsamen, hat diese beiden Männer als die nominellen und anerkannten Führer Rußlands übriggelassen. Die sino-sowje-
tische Partnerschaft ist sicherlich ein zentraler Bestandteil der kommunistischen Stärke.
Es ist nur zum Vorteil unserer Außenpolitik, wenn sie dünne Stellen in den Beziehungen der beiden Länder findet und die Reibungen durch Maßnahmen entsprechend denen, die die Kommunisten anwenden, wenn sie die Meinungsverschiedenheiten des Westens mit abwechselnd lockenden und grollenden Tönen begleiten, verstärkt. China und Rußland haben verschiedenartige Interessen, wenn es auch im Interesse der Russen liegt, die Probleme immer gegenwärtig und am kochen zu halten, geradeso wie es das unsrige ist, sie zu glätten und zu regeln. Die Risiken eines globalen Atomkrieges Formosas wegen sind für die Sowjetunion nicht verlockend. Rußlands historisches nationales Interesse hat schweren Schaden erlitten, als es genötigt war, Port Arthur und Dairen herauszugeben, um im vergangenen Herbst das chinesische Bündnis am Leben zu erhalten. Und die wirtschaftlichen und militärischen Lieferungen an die Chinesen sind zweifellos ein denkbarer Anlaß zu Reibungen — die Rotchinesen verärgert über die UnZulänglichkeit der Lieferungen, die Russen über die langsamen Auswirkungen ihrer eigenen Industrialisierung und die dadurch entstehenden übermäßigen Anforderungen an ihre eigene Wirtschaft. Moskau kann kaum über den Entschluß Pekings, im April nach Bandung (Indonesien) zur afro-asiatischen Konferenz zu gehen, glücklich gewesen sein, wo die „nicht-weißen" Nationen wohl China und nicht Rußland für den Apostel der kommunistischen Führung im Osten halten werden.
Außenminister Dulles hat sich schon darum bemüht, die in der Sowjethierarchie vorhandenen Spaltungen noch zu vertiefen, indem er durchblicken ließ, daß die Vereinigten Staaten bereit wären, mit denen in der Sowjetunion Verbindung aufzunehmen, „die sich in erster Linie mit der Wohlfahrt, der Sicherheit und der Größe der Sowjetunion und ihrem Volke" beschäftigen. Nationalismus gegen Internationalismus, das ist ein gutes Thema, auf dem man in Rußland spielen kann. Wir laufen aneinander vorbei, wenn wir bei unserer grundsätzlichen Weigerung bleiben, Alternativen zur „Ächtungs" -Politik der gegenwärtig in Rot-china Herrschenden auch nur in Erwägung zu ziehen. Sie schließt eine realistische Ausnutzung der vermutlichen Meinungsverschiedenheiten mit der Sowjetunion und jegliche Hoffnungen, stabile Verhältnisse in der Formosa-Straße herzustellen, aus. Unsere Initiative sollte sich im Sinne der von Außenminister Dulles vorgeschlagenen Richtung bewegen:
„Es ist natürlich kaum zu erwarten, daß die chinesischen Kommunisten auf ihre ehrgeizigen Ziele verzichten werden. Könnten sie vielleicht jedoch auf ihre Bemühungen verzichten, ihre Ziele mit Gewalt erreichen zu wollen?“
Wenn wir jeder Möglichkeit einer solchen Initiative von vornherein entsagen, werfen wir vielleicht die Munition fort, die wir am dringendsten brauchen, um die dynamische, hochgradig erhitzte Offensive, mit der wir uns herumschlagen, zu bekämpfen. Unsere Politik sollte keineswegs darin bestehen, „unbegrenzt einseitige Konzessionen an die Kommunisten aufeinanderzutürmen". Wir sollten harte Realisten sein. Sind wir es, dann können wir gleichwertige Konzessionen für jede Konzession, die wir gewähren, durchsetzen — sonst sollten wir einfach keine Konzessionen machen.
Diese Art der Betrachtungsweise dürfte Hoffnungen auf Erreichung eines stabilen Modus vivendi im Fernen Osten bieten. Sie soll zeigen, daß wir nicht unbedingt die allmähliche Verschlechterung der Fernost-Situation zu unserem Schaden hinnehmen müssen, oder daß die einzige Alternative der Krieg ist.