Niemals hatten bisher in der Geschichte die Völker Asiens und Afrikas versucht, vereint ihre gemeinsamen Interessen zum Ausdruck zu bringen. Asien war weder in der Zeit seines Glanzes, noch in der Epoche seiner Niederlage fähig gewesen, übernationale Interessen des gesamten Kontinentes wahrzunehmen. Den führenden asiatischen Völkern fehlte in der Zeit ihrer Blüte, trotz ihrer weltpolitischen Bedeutung, der Weitblick, die Voraussetzungen zu einem gemeinsamen Vorgehen Asiens zu schaffen. Im kolonialen Zeitalter, in dem mehrere Völker Asiens und Afrikas ihre Selbständigkeit verloren hatten, war es ihnen selbstverständlicherweise unmöglich gewesen, gemeinsame Aktionen zu unternehmen.
In unserem Jahrhundert hat sich im Leben der Völker Asiens und Afrikas vieles geändert. Die ungeheuere Dynamik unserer Zeit, die zum Teil durch den Fortschritt der Technik bedingt ist, hat auch die beiden Kontinente ergriffen. Wie einen „Sturm über Asien und Afrika“ bezeichnete der Staatspräsident Indonesiens, Soekarno, in seiner Eröffnungsansprache der Konferenz in Bandung die enormen Veränderungen der letzten Jahre, die die Nationen aus ihrem jahrhundertelangen Schlaf erwachen ließen. Die beiden Weltkriege mit ihren machtpolitischen Umwandlungen blieben nicht ohne Wirkung auf Asien und Afrika. Ebenso zeigte die Machtergreifung der Kommunisten in Rußland ihre Folgen in der ganzen Welt. Das Ende des 2. Weltkrieges hatte keineswegs das Ende des Weltkonfliktes bedeutet. West und Ost waren auf den Ruinen des 2. Weltkrieges zusammengestoßen, nicht wegen des Erbes der Besiegten, sondern wegen der Machtausdehnungsversuche der Sowjets. Nach dem 2. Weltkrieg hatten die Kommunisten erheblich an Macht gewonnen. Sie hatten ihre Sitze im Herzen Europas, in Ostdeutschland, sowie in Osteuropa in den Städten Bukarest, Budapest. Prag und Warschau, in Korea, China und Indochina aufgeschlagen. Der Westen hatte bisher dieses Vorgehen geduldet, weil die sowjetische Taktik seinen Vorstellungen lange Zeit fremd gewesen war. Der Kommunismus verbündete sich mit dem russischen Imperialismus und versuchte die Völker Asiens und Afrikas mit Hilfe ihres Nationalismus in dieses Bündnis mit einzubeziehen. Erst der Verlust Chinas und der früheren selbständigen Staaten Osteuropas zugunsten des Kommunismus, veranlaßte den Westen, seine Politik zu wechseln. Während der Kommunismus seine ideologische Offensive fortsetzte, konzentrierte sich der Westen darauf, dieser Einhalt zu gebieten.
Auch im Leben der Völker Asiens und Afrikas waren in den letzten zehn Jahren sowohl in politischer, wie in sozialer Hinsicht wesentliche Änderungen eingetreten. Das klassische Land der Diplomatie, England, hatte für Asien eine neue Zeit eingeleitet, indem es Indien, Pakistan, Ceylon und Burma Selbständigkeit gewährt hatte. Die Amerikaner folgten diesem Beispiel und verzichteten auf die Philippinen, die Holländer auf Indonesien. Dadurch verwarf der Westen selbst den seit Jahrhunderten bestehenden Kolonialismus. Er hatte rechtzeitig eingesehen, daß die Völker Asiens, deren Nationalbewußtsein ständig wuchs, in unserem Jahrhundert nicht mehr gewillt waren, noch weiterhin unter der Fremdherrschaft zu bleiben, und ein Festhalten an der bisherigen Politik des Kolonialismus eine weitere Basis für den Kommunismus bedeutet hätte.
Die Auswirkungen des Kolonialismus beherrschten jedoch noch wie ein Schreckgespenst die Denkart der Menschen. Diejenigen Völker, die den Kolonialismus des Westens selbst erlebt hatten, hatten die Folgen noch nicht überwunden. Ein gewisses Ressentiment, das sie dem Westen gegenüber zeigten, ist aus diesem Gefühl heraus zu verstehen. Obwohl die Völker vor jeder Art Kolonialismus zurückschreckten, blieb ihnen der russische und chinesische Kolonialismus, besonders unter der Prägung des Kommunismus fast unbekannt, wie kürzlich in einem Gespräch des NWDR zwischen einem Inder, Japaner, Indonesier, Syrier und Turkestaner, in so typischer Form für den Orient deutlich wurde, indem der Indonesier sagte, daß er nicht wüßte, daß es einen russisch-kommunistischen Imperialismus gäbe, denn er habe das Buch von Stalin über „Nationale und koloniale Fragen“ gelesen und danach sei alles in Ordnung. Tatsächlich sind die meisten Menschen in Asien und Afrika der gleichen Meinung. Das sind die Auswirkungen der sowjetischen Propaganda, durch die Moskau hofft, die Völker für sich gewinnen zu können.
Die Schatten der Auseinandersetzungen zwischen Ost und West fielen auch auf die Völker Asiens und Afrikas. Das Werben beider Seiten um die Gunst dieser Völker, konnte nicht ohne Wirkung auf die Psychologie der Menschen und Politiker bleiben. Den Völkern wurde ihre politische, strategische und wirtschaftliche Stellung in der Welt bewußt. Sie erkannten aber auch, daß sie in ein Zeitalter eingetreten sind, in dem durch die Erfindung der Atomenergie ihre Existenz gefährdet werden konnte, denn bereits mehrmals sind auf ihren Kontinenten die verschiedenen Weltanschauungen und Machtpositionen, wie im Krieg in Korea, Indochina, bei der Formosa-und Suezkanalfrage, bei den nationalen Bestrebungen in Nordafrika, dem Kriege in Palästina usw. aufeinander-geprallt. Aus dieser Situation heraus übernahmen die Ministerpräsidenten der COLOMBO-Staaten (Indien, Pakistan, Ceylon, Burma und Indonesien) die Initiative zu einem Treffen der Regierungschefs, oder Außenminister der Staaten Asiens und Afrikas. Sie wollten sich gegenseitig ohne Bevormundung kennen lernen und die Probleme ihrer Kontinente diskutieren, denn die Lösung der zahlreichen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Fragen erforderte ein gemeinsames Handeln der Völker Asiens und Afrikas, ohne dabei an eine militärische oder politische Blockbildung zu denken. LInter diesen Voraussetzungen beschlossen die Ministerpräsdeuten der COLOMBO-Staaten auf ihrer Konferenz in Bogor, die vom 28. 12. — 31. 12. 1954 stattfand, alle unabhängigen, asiatischen und afrikanischen Staaten zu einer Konferenz in Bandung (Indonesien) einzuladen. Die Ziele der Konferenz wurden wie folgt bekanntgegeben: 1. Förderung des guten Willens und der Zusammenarbeit zwischen den Nationen Asiens und Afrikas, Untersuchung . und vermehrte Pflege der gegenseitigen als auch allgemeinen Interessen und Schaffung und Förderung von freundschaftlichen und nachbarlichen Beziehungen. 2. Behandlung sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Probleme und Beziehungen in den vertretenen Ländern. 3. Behandlung der Probleme von besonderem Interesse für die Völker Asiens und Afrikas wie z. B. Fragen, die die nationale Souveränität betreffen sowie Rassenfragen und Kolonialismus. 4. Betrachtung der Stellung Asiens und Afrikas und ihrer Völker in der Welt von heute und ihr Beitrag, den sie für Weltfrieden und Zusammenarbeit liefern können.
So wurde am 18. 4. 195 5 die Konferenz in Bandung berufen, die im Blick-seid der West-Ost-Kontroverse stand.
Ideologische Manöver Moskaus
Die Sowjets hatten der Konferenz in Bandung ihre besondere Aufmerksamkeit gewidmet, denn die Entwicklung der Völker des Orientes entsprach der These Lenins, der gesagt hatte: „Es kommt die Zeit, in der die Völker Asiens ihre eigenen Geschicke selbst in die Hand, nehmen und als ein bedeutender Faktor in der Weltpolitik auftreten werden“. Diese These war die Grundlage der bereits jahrelang durchgeführten sowjetischen Propaganda „der Befreiung der Völker des Orientes" gewesen, mit der die Sowjets manche Frucht erzielt hatten. Jedoch war die „Befreiung“ Chinas, Nordkoreas und Nordindochinas in keiner Weise ein wirkungsvolles Mittel, die Begeisterung der übrigen Völker Asiens und Afrikas zu entfachen, nachdem sich herausgestellt hatte, daß die sowjetische Art der Befreiung nichts anderes als die Ausdehnung der kommunistischen Herrschaft und die Bindung an Moskau bedeutete. Aus diesem Grunde mußte Moskau vorläufig seine These der Befreiung zurückstellen. Durch die Hervorhebung der Sympathie der Sowjetregierung gegenüber den Völkern Asiens und Afrikas und durch die Verstärkung der antiwestlichen Tendenz, versuchten die Sowjets sich in einer neuen Art den Völkern anzupassen. Die gleiche Tendenz zeigten die sowjetischen Manöver zur geist en Eroberung der Bandung-Konferenz, die aus folgenden Unternehmungen ersichtlich sind.
Am 29. 3. 195 5 traf der Vorsitzende des sowjetischen Friedenskomitees, Tischonov, in Djakarta (Indonesien) ein, um angeblich dem indonesischen Professor Prijono den „internationalen Stalinpreis zur Befestigung des Friedens unter den Völkern“ auszuhändigen. An der Feierlichen Versammlung nahmen neben zahlreichen Persönlichkeiten des öffentlichen Leben Indonesiens, der Botschafter der Sowjetunion in Indonesien, Dschukow, und der Rotchinesische Botschafter, Chuan-Tschen, teil.
Tichonov sagte, an Prof. Prijono gerichtet: „Es ist besonders bedeutungsvoll für midt, daß ich in der Lage bin durch Sie dew hervorragenden, klugen, arbeitsliebenden indonesischen Volke in seiner alten Stadt Djakarta, die heute dem freien indonesischen Volk gehört, herzliche Grüße der sowjetischen Völker zu übermitteln. Djakarta ist die Hauptstadt dieses voranstrebenden Volkes, in dem die Idee der friedlidten Ko-Existenz und der nationalen Unabhängigkeit am meisten verbreitet wurde." (Pravda Vostoka 12. 4. 1955.)
Prof. Prijono antwortete u. a.: „Bitte übergeben Sie den Sowjetvölkern unseren Dank für ihre uns gewährleistete moralische Unterstützung“ (Kasachstanskaja Pravda, 12. 4. 55).
Dieses Auftreten der Sowjets sollte unter der Bevölkerung des gastgebenden Landes, das das Zentrum der Konferenz war, Sympathie für die Sowjetunion hervorrufen. Nachdem Moskau in Djakarta diese Sympathiekundgebung organisiert hatte, richtete sich seine Aufmerksamkeit auf Delhi, wo vom 6. -9. April 195 5 „Die Konferenz der Öffentlichkeit Asiens zur Verminderung der internationalen Spannungen“ stattfand.
An der Konferenz in Delhi nahmen über 200 Delegierte aus 18 Ländern Asiens teil. Wenn auch die Konferenz von sowjetischer Seite vorbereitet worden war, so kamen hierher doch auch Teilnehmer aus nichtkommunistischen Ländern Aisiens, um ihren Friedenswillen zu äußern. In ihrer Eröffnungsrede hob Madame Rameschwari Nehru, die fünf Prinzipien der Ko-Existenz hervor: „Bis zur Gegenwart hat sich unsere Politik und Wirtsdiaft nach dem Westen orientiert. Was wir wollen, ist, daß die Lage geändert wird und die freundsdiaftlidten Beziehungen mit unseren näheren Nachbarn befestigt werden. Zur Zeit kennen wir mehr europäische Sprachen, europäische Gesdüchte, Literatur, Kunst usw. Wir müssen nun mit allen Mitteln versudten unseren asiatisdien Nachbarn noch besser kennenzulernen.“ (Kommunist Tadsdtikistan 10. 4. 1955.)
Diese Äußerung wurde von den sowjetischen Vertretern am stärksten begrüßt. Tischonov, der Vorsitzende der sowjetischen Delegation, betonte in seiner Rede, daß das Genfer Abkommen über Indochina, dank der Teilnahme der asiatischen Staaten an der Konferenz, zustande gekommen sei. Er griff die LISA an, das Genfer Abkommen dauernd verletzt zu haben. Er forderte die Annahme und Verbreitung der fünf Prinzipien der KoExistenz (Pravda Vostoka, 9. 4. 5 5, S. 4).
Nachdem die Vertreter Pakistans und Syriens gesprochen hatten, trat der stellvertretende Vorsitzende der „religiösen Verwaltung“ Turkestans, Zijauddin Babachan, im islamischen Orient als redegewandter Kommunist und gut geschulter Propagandist der sowjetischen Islampolitik bekannt, in seiner nationalen Tracht, dem traditionellen Gelehrtengewand der Medresse mit Turban und Gebetskette, vor die Versammlung und erklärte: „Der Islam besaß vor 40 Jahren im zaristischen Rußland, zu dem die heutigen Sowjetrepubliken Mittelasiens gehörten, nidit die Freiheit, die er heute genießt. Im Sowjetstaat ist der Islam ein Glaubensbekenntnis, das wie alle anderen Konfessionen alle Redite genießt. Millionen Muslime, Özbeken, Tadsdüken, Kasadten, Kirgisen und Turkmenen beteiligen sich mit allen anderen Sowjetmensdten aktiv am Aufbau des neuen, glüddichen Leben für sich und für ihre Kinder. In Mittelasien sind riesige Fabriken und Werke entstanden. Audi die Landwirtsdiaft entwidzelt sich. In den Städten und Dörfern werden immer mehr neue Wohnhäuser, Schulen, Kultiirpaläste und Krankenhäuser gebaut. Alle, die die Sowjetunion besuchen, sehen unser glücklidtes Leben. Gäste aus Indien, Indonesien, Afghanistan, Pakistan, Syrien, aus den USA, England, Frankreich, Italien, Sdiweden, Kanada und vielen anderen Ländern waren in unseren Städten und Dörfern, in unseren Moscheen und sprachen mit muslimischen Geistlichen und Gläubigen. Jedes Jahr begeben sich Pilger aus dem Sowjet-lande nach Mekka und Medina. Idi will im Namen der Muslime der Sowjetunion allen Muslimen der Länder Asiens heiße Grüße entbieten. Idt möchte sie zu nodi stärkerer Beteiligung an der Friedensbewegung aufrufen. Der Heilige Koran mahnt zur Gerechtigkeit. Er verlangt, daß die Mensdien in Frieden und Wohlstand leben. Man soll an die Worte des Korans denken, daß die Wohlfahrt der Mensdien von ihnen selbst abhängt. (TASS, Radio Moskau, 27. 4 1955.)
Während diese Erklärung Babachans nur im Auslande bekanntgegeben wurde, schwieg man in Turkestan darüber. Der Schriftsteller Turkestans, Tursun-Zade, ging auf die kulturellen Beziehungen der Völker Asiens ein. Er sprach über die „großen Erfolge im sowjetischen Mittelasien auf kulturellem Gebiete“ und rief die Völker Asiens auf, auch in dieser Hinsicht mit der SLI zusammen zu gehen (Pravda Vostoka, 12. 4. 55). Das Mitglied der sowjetischen Delegation, der Vorsitzende der „Union Handelskammer“, Nesterov, betonte: „Im Gegensatz zu den imperialistischen Staaten, die bestrebt sind die Wirtsdiaft anderer Länder dem Interesse monopolistischer Gruppen zu unterwerfen, geht die Sowjetunion und das sozialistische Lager nadi den Prinzipien der friedlidten Ko-Existenz und der Unterstützung in der wirtschaftlidten Entwicklung der Länder Asiens vor. So konzentrierte sich Moskau auf der Delhi-Konferenz auf die Ko-Existenz, die kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen mit den Ländern Asiens und benutzte dabei den Islam als ein weiteres Mittel.
Die Konferenz war in allen Fragen in sowjetischem Sinne beeinflußt und mußte auch dementsprechende Beschlüsse, wie z. B. Beseitigung der ausländischen Stützpunkte in Asien, Atom-Kontrolle nach sowjetischer Art, Aufnahme Rot-Chinas in die UN, Freigabe Formosas an Rot-China, Bekämpfung der SEATO, Verbreitung des Ko-Existenzgedankens in allen Ländern Asiens usw. annehmen. Es wurde beschlossen ein übernationales „Komitee der asiatischen Solidarität“ zu gründen, das die Beschlüsse der Konferenz zu koordinieren habe. Es solle aus Vertretern Burmas, Ceylons, Indiens, Indonesiens, Japans, Pakistans, der SU und der arabischen Länder bestehen und ein ständiges Sekretariat bilden (TASS, Radio Moskau, 12. 4. 55). Zum Ausgang der Konferenz schrieb die “ Pravda“ vom 13. 4. 55: „Die Konferenz in Delhi hat mit großer Llberzeugnngskraft bewiesen, daß die Völker Asiens Frieden, Einheit, nationale Unabhängigkeit, gegenseitige Zusammenarbeit auf der Grundlage der Gleichberechtigung mit allen Ländern wünschen.
Sie hat auch erwiesen, wie wachsam die Völker alle Umtriebe der amerikanischen und englischen Imperialisten in Asien verfolgen. Die asiatischen Völker sind sielt dessen bewußt, daß die in letzter Zeit eingetretene Verschärfung der Spannungen in diesem Erdteil eine unmittelbare Folge der Umtriebe der imperialistischen Staaten und in erster Linie der USA ist . . .
In zahlreichen Reden auf der Konferenz verurteilten die Delegierten zornerfüllt die Aggressionspolitik der reaktionären Kreise der USA und Englands und verliehen der rückhaltlosen Bereitschaft Ausdruck, entschlossen und unbeugsam den Frieden in Asien und in der ganzen Welt zu verfechten ..."
Aus diesen Ausführungen ist ersichtlich, daß es die Absicht der Sowjetregierung war, durch die Delhi-Konferenz die Aufmerksamkeit der Völker Asiens gegen den Westen zu richten und das Wesen der Bandung-Konferenz auch in diesem Sinne zu beeinflussen. Nach der Delhi-Konferenz wandte sich Moskau dem Nahen Osten zu, um die Bandung-Konferenz von innen zu zersetzen und Mißstimmung im Nahen Osten hervorzurufen.
Am 16. 4. 195 5 gab das sowjetische Außenministerium eine Nahost-Erklärung ab, die von der TASS durch Presse und Rundfunk in der Sowjetunion und in allen Ländern Asiens, besonders aber im Nahen Osten sehr verbreitet wurde. Der Leitfaden der sowjetischen Nahost-Erklärung war folgender: a) Gewisse Westmächte haben neue Versuche unternommen, die Länder des Nahen und Mittleren Ostens als Anhängsel des agressiven Nordatlantikpaktes mit einzubeziehen.
b) Durch den Druck von Seiten Amerikas urd Englands wurde ein türkisch-pakistanisches und türkisch-irakisches Militärbündnis geschlossen. c) Die Türkei will wieder die Herrschaft über die arabischen Länder erlangen.
d) Ägypten, Syrien, Saudi-Arabien und der Iran wurden unter Druck gesetzt um eine Beteiligung am Militärblock zu erzwingen.
e) Militärische Gruppierungen im Nahen und Mittleren Osten und in Südostasien bedeuten eine koloniale Knechtung dieser Länder durch die Westmächte.
f) Die Völker des Nahen und Mittleren Ostens benötigen keinen Militär-block, sondern jene amerikanischen aggressiven Kreise, die ihre Herrschaft in diesem Raum errichten möchten. g) Den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens droht jetzt die Gefahr, ihre LInabhängigkeit zu verlieren und in einen Krieg für fremde Interessen verwickelt zu werden. h) Der Sowjetstaat hat die LInabhängigkeit Afghanistans und Saudi-Arabiens als erster anerkannt, dem türkischen Volk in seinem Kampf gegen die ausländische Intervention geholfen. Die Sowjetregierung unterstützt die berechtigten Forderungen der Nah-und Mittelostländer.
i) Die Bildung eines Militärblocks und ausländischer Stützpunkte in diesem Raum berührt unmittelbar die Interessen der Sowjetunion, die diesem Raum näher liegt als Amerika. j) Die Sowjetregierung, die die Sache des Friedens verficht, wird die Freiheit, LInabhängigkeit und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten des Nahen und Mittleren Ostens verteidigen (Pravda Vostoka, 19. 4. 5 5, S. 1).
Am 19. 4. 195 5 veröffentlichte die „Pravda“ den Leitartikel „Der Weg zur Festigung des Friedens im Nahen und Mittleren Osten“, in dem erneut betont wurde, daß die nationale LInabhängigkeit der Staaten dieses Raumes in Gefahr geraten sei, und zwar durch die kapitalistischen Mächte, die bestrebt seien, ihre koloniale Herrschaft wieder aufzurichten. Mit dieser Nahost-Erklärung kam die Sowjetregierung dem Ersuchen einiger syrischer Kreise, besonders des Vorsitzenden des außenenpolitischen Ausschusses des Parlamentes, Baghdasch, der gleichzeitig Führer der KP Syriens und des Libanons ist, entgegen, um die ablehnende Haltung Ägyptens, Syriens und Saudi-Arabiens gegenüber dem türkisch-irakischen Pakt und den Oppositionsgeist der Bevölkerung gegen die Westmächte zu verstärken und um weiterhin kurz vor der Bandung-Konferenz die Sowjetunion als Förderer der „nationalen LInabhängigkeit“ vorzustellen. Am 23. 4. 195 5 empfing Molotow den Gesandten Syriens in Moskau, Farid Chani, der sich nach Meldungen der „Pravda Vostoka“ vom 26. 4. 195 5 bei der Regierung der Sowjetunion für die Nah-und Mittelost-Erklärung im Namen der Regierung Syriens bedankt habe. Molotow habe versichert, daß seine Regierung unerschütterlich an der Erklärung festhalten werde. Diese sowjetische Aktion vor Beginn der Bandung-Konferenz verfolgte das Ziel, dem kommunistischen Lager auf der Konferenz den Rücken zu stärken.
Am 17. 4. 195 5 richteten die Sowjets an die Bandung-Konferenz einen direkten Appell, der vom stellvertretenden sowjetischen Außenminister, Kusnezow, unterzeichnet worden war. In dieser Erklärung betont die Sowjetregierung u. a.:
„Die Einberufung einer so repräsentativen Konferenz der Länder Asiens und Afrikas spiegelt zweifellos die gewaltigen Wandlungen wider, die sich in der letzten Zeit in diesen Räumen des Erdballes vollzogen haben und zeugt von den Bestrebungen der Völker Asiens und Afrikas ihr Geschick in die eigenen Hände zu nehmen . ..
Die Völker der Sowjetunion bringen dem Kampf der Länder Asiens und Afrikas gegen jede Form von Kolonialherrschaft, für ihre politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit volles Verständnis entgegen.
Die Bemühungen der Staaten Asiens und Afrikas, zu erreidten, daß die Beziehungen zwischen allen Ländern auf den Prinzipien der Gleichberechtigung, auf der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates, auf Nichtangriff und Absage an Anschläge auf die territoriale Integrität anderer Staaten sowie auf restlose Achtung der Souveränität und der nationalen Unabhängigkeit beruhen, finden bei der Sowjetunion unwandelbar Sympathie und Unterstützung.
Wir wünschen der Bandunger Konferenz aufrichtig fruchtbringende Tätigkeit und sind überzeugt, daß diese Konferenz ihren Beitrag zur Stärkung des nationalen Selbstbewußtseins der Völker Asiens und Afrikas leisten und ein neuer Schritt zur Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen den Völkern im Interesse internationaler Entspannung und Erhaltung des Weltfriedens sein wird.“
(TASS vom 16. 4. 5 5, Radio Moskau in deutscher Sprache; veröffentlicht in allen Zeitungen der Sowjetunion vom 17. und 18. 4. 5 5, sowie in zahlreichen Zeitungen des Orientes.)
Mit dieser Erklärung versuchte die Sowjetregierung sich absolut auf die Seite der Konferenz zu stellen.
Ferner befahl Moskau den Verwaltungsdirektoren, den sogenannten „Staatspräsidenten“ der turkestanischen Sowjetrepubliken in Taschkent, Alma-ata, Frunse, Aschchabad und Stalinabad anläßlich der Bandung-Konferenz die Bedeutung Turkestans für Asien zu propagieren. Dabei erinnerte die Sowjetpresse an die Worte Lenins, der im Jahre 1918 gesagt hatte: „Die Herstellung der richtigen Beziehungen mit den Völkern (?!) Turkestans hat jetzt für die russischen, sowjetischen, föderativen, sozialistischen Republiken, ohne zu übertreiben kann man sagen, gigantische, weltumfassende, historische Bedeutung. Die Beziehungen der sowjetischen Arbeiter-Bauern-Republiken zu diesen schwachen, bisher unterdrüduen Völkern hat für ganz Asien, für alle Kolonien der Welt und für Hunderte Millionen Menschen praktische Bedeutung.“ (Turkmenskaja Iskra, Aschchabad, 14. 4. 1955.)
Diese „Bedeutung“ mußte nun auch für die Bandung-Konferenz eingesetzt werden. So sandten die „Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Rates“ der Sowjetrepubliken Turkestans an das Präsidium der asiatisch-afrikanischen Konferenz in Bandung am 17. 4. 5 5 und 18. 4. 5 5 folgende Telegramme, die wir wegen ihrer Eigenart hier wiedergeben: „Das Präsidium des Obersten Rates der Kasachisdien Sozialistischen Sowjetrepublik begrüßt alle Teilnehmer der asiatisdr-afrikanischen Konferenz, die sich in Bandung versammelt haben. Das kasadtisdte Volk ist fest davon überzeugt, daß alle Völker Asiens und Afrikas trotz der Intrige der Imperialisten eine enge, gegenseitige Solidarität herstellen und volle nationale Unabhängigkeit erreidien. Wir bringen die Überzeugung zum Ausdrud^, daß die Besdilüsse der Konferenz einen großen Beitrag für die Angelegenheiten des Welt-friedens leisten werden.
Das Präsidium des Obersten Rates der Kasadüschen, Sozialistischen Sowjetrepublik. Alma-ata, 17. 4. 1955.“ (Kasachstanskaja Pravda, 19. 4. 1955.) „Das tadsdtikische Volk begrüßt aufs wärmste die Vertreter der Länder Asiens und Afrikas, die sich zu ihrer historischen Konferenz in Bandung versammelt haben.
Das freie und glücklidie tadsdrikische Volk bringt sein heißestes Gefühl für den Kampf der asiatischen und afrikanischen Völker zur -Erreidtung ihrer politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Unabhängigkeit und für das Blühen und eine friedliche Entwicklung der Länder Asiens und Afrikas zum Ausdruck.
Von ganzem Herzen Erfolg wünschen wir der Konferenz in ihrer wohlwollenden Angelegenheit zur Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen den Völkern mit dem Ziel zur Befestigung des Friedens und der internationalen Entspannung.'N. Dodchudaev, Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Rates der Tadschikischen Sozialistischen Sowjetischen Republik, Stalinabad, IS. 4. 1955.“ (Kommunist Tadschikistana, 20. 4. 1955.) . „Im Namen des turkmenischen Volkes begrüße ich die Vertreter der Länder Asiens und Afrikas, die an der Bandung-Konferenz teilnehmen. Das friedliebende turkmenisdie Volk, das in der Vergangenheit das schwere koloniale Jodt ertragen mußte, bringt die Hoffnung zum Ausdruck, daß die Konferenz in Bandung in den Angelegenheiten der nationalen Entwiddung der Länder Asiens und Afrikas eine große Rolle spielen wird. Erlauben Sie mir zur Konferenz den besten Erfolg zur Befestigung der Solidarität zwischen den Völkern zu wünschen.
Saryev Akmamed, Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Rates der Turkmenisdten Sozialistischen Sowjetrepublik, Aschdiabad, 17. 4. 1955.“ (Turkmenskaja Iskra, 19. 4. 1955.) „Das Präsidium des Obersten Rates der Özbekischen Sozialistisdien Sowjetrepublik begrüßt im Namen des özbekischen Volkes die Vertreter der Staaten Asiens und Afrikas, die sich auf der Konferenz in Bandung versammelt haben.
Wir sind überzeugt, daß die Beschlüsse der Konferenz zur Weiterentwicklung der freundsdiaftlichen Solidarität zwisdten den Ländern Asiens und Afrikas, zur Befestigung der Freiheit und nationalen Unabhängigkeit der Völker, zur Verminderung der internationalen Spannungen und zur Befestigung des Friedens auf der ganzen Welt dienen werden.
Wir wünschen der Konferenz fruchtbringende Tätigkeit und Erfolg in der Entscheidung der vorgesehenen Fragen. Scharaf Raschidov, Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Rates der Özbekischen Sozialistischen Sowjetrepublik, Taschkent, 17. 4. 195 5.“ (Pravda Vostoka, 19. 4. 1955.) „Im Namen des Volkes der Kirgisischen SSR begrüße ich aufs wärmste die Teilnehmer der Konferenz der Länder Asiens und Afrikas. Vor 37 Jahren befand sich das kirgisische Volk in den Ketten des kolonialen Joches, rechtlos und verlassen in Armut und aussterbend. Jetzt lebt das kirgisische Volk in der glücklichen und gleichbere. chtigten Familie der Sowjetvölker und entwickelt mit Erfolg seine Wirtschaft und nationale Kultur. Das kirgisische Volk hofft, daß die Konferenz zur friedlichen unabhängigen Entwicklung der Länder Asiens und Afrikas, zur Erweiterung der wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit zwischen ihnen im Interesse des Friedens der Völker wirken wird. Aufriditigste Wünsche zur fruchtbringenden Tätigkeit und Erfolg zur Entscheidung der von der Konferenz gestellten Fragen. T. Kulatov, Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Rates der Kirgisischen Sozialistischen Sowjetrepublik, Frunse, 18. 4. 1955.“ (Sowjetskaja Kirgisija, 20. 4. 1955.)
Hinsichtlich der Bandung-Konferenz hörte man die gleiche monotone Propaganda von Peking über Moskau bis Warschau, Prag, Ost-Berlin, Budapest, Sofia und Bukarest, die von der gleichen antiamerikanischen Tendenz beherrscht war und die Konferenz als eine antiwestliche und antikoloniale Zusammenkunft zweier Kontinente hervorhob. So nahmen Radio Peking und Moskau am 17. 4. 195 5 und Warschau, Prag, OstBerlin am 18. 4. 195 5anläßlich der Konferenz gegen den Westen Stellung, wobei sie sich mit schmeichelnden Worten an die Völker Asiens und Afrikas wandten und die Mitglieder der SEATO-Staaten oder des türkisch-irakisch-englischen Bündnisses als gegen den Dollar ausgetauschte Länder und Amerika als neue Kolonialmacht hinstellten. Der Konferenz wünschten sie zur Verwirklichung des Ko-Existenzgedankens Erfolg.
Bandung im Blick der Westmächte
Als die COLOMBO-Staaten am 29. 12. 1954 den Beschluß, in Bandung eine asiatisch-afrikanische Konferenz einzuberufen und dazu eine Anzahl unabhängigerStaaten einzuladen bekanntgegeben hatten, schenkte man diesem Beschluß im Westen wenig Beachtung. Erst auf der Sitzung der SEATO-Staaten im Februar 1955 wurde beschlossen, daß die asiatischen SEATO-Mitglieder der Konferenz die Grüße der SEATO übermitteln sollten.
Kurz vor Beginn der Konferenz wurden auch im Westen Stimmen zur Konferenz laut. Die Westmächte, besonders Amerika, England und Frankreich standen anfangs dieser Konferenz skeptisch gegenüber. Die Teilnahme Rot-Chinas an der Konferenz hatte in Amerika vorzeitig Besorgnis hervorgerufen. Der Korrespondent der Zeitung „Die Welt in Amerika hatte am 6. 4. 195 5 in seiner Zeitung alle Meinungen in Amerika zusammenfassend als „sorgenvoller Blick nach Bandung bezeichnet. Die amerikanische Öffentlichkeit vertrat hinsichtlich dieser Konferenz verschiedene Meinungen. Während, wie die Zeitungen meldeten, die Konferenz von einigen Seiten begrüßt wurde, befürchteten andere, daß in Asien eine selbständige Blockbildung zustande kommen könnte, wieder andere begrüßten den Antikolonialismus und einige behaupteten, daß durch den Abzug der kolonialen Verwaltung ein Vakuum entstehe, in das der Kommunismus eindringen könne.
Die Engländer vertraten nach der Meldung des BBC vom 18. 4. 1955 die Meinung, daß dann, wenn die Chinesen versuchen würden, die Konferenz als Plattform ihrer Propaganda zu benutzen, ernste Auswirkungen nicht zu vermeiden seien. Man hoffte jedoch, daß die Türkei, Irak, Pakistan, vielleicht auch Japan dem Vorgehen der Chinesen Einhalt gebieten könnten. „Die Feindlidtkeit gegen den Westen wird der gemteinsamne Nenner sein, mif dem sidi Asiaten und Afrikanei finden werden, tret-der Tatsadte, daß die Welt hi den let. ten hdir. -elinfen einen gerade.'n drmimtisJten Versieht des Westens auf seine koloniale Macht erlebt hat. tret; der Tatsache, da/l die ehnise euroiuüsche Macht, die noth ein asiatisches Reich beherrscht, die Sowjetunion ist," bemerkte BBC erneut am 18. 4 1955. Hiermit wurde im Zusammen hang mit der Bandung Konferenz erstmalig auf die sowjetische Kolonialherschaft hingewiesen, eine atsache, die der Westen als Gegen gewicht der sowjetischen Propaganda hätte viel stärker ausnutzen sol len Es war allen Beobachtern klar gewesen, daß der Antikolonialismus ein Meilenstein der Konferenz sein müsse. Und doch schwieg man im Westen über das Vorhandensein des russischen und chinesischen Kolonialismus'. während die Sowjetunion und ihre Satelliten ständig gegen den westlichen Imperialismus agitierten. Der Westen versäumte auf diese Weise die antikommunistischen Staaten, die an der Konferenz teil nahmen, moralisch gegen den östlichen Kolonialismus zu unter stützen.
Frankreich befürchtete eventuelle Auswirkungen der Bandung Konfe renz auf Indochina und Nordafrika. Nach französischen Pressemeldungen herrschten auch hier geteilte Meinungen Einige Kreise befürworteten eine schnelle Beendigung des Nordafrika Konfliktes, andere setzten sich für eine Verstärkung dei französischen Position in Nordafrika ein, bevor doit ein . -weites Indochina zustande komme und wieder andere forderten ein Eingehen auf die Probleme der Völker Asiens und Afrikas, um ihre Sympathie zu gewinnen In Italien wat man der Meinung, daß die Konferen nur dann mit einem politischen Ergebnis für den Weltfrieden enden könne, wenn Nehru . wischen kommunistischen und antikommunistischen landein vermitteln würde.
Zu der richtigsten Erkenntnis kam der Sender Freies Beilin, der am iS 4. 1955 bemerkte, daß der Westen um dann, wenn er die asiatischen und afrikanischen Nationen als gleichberechtigt anet kenne, ohne füt die gewährleistete Hilfe einen politischen Preis zu fordern, die Freundschaft dieser Völker zurückgewinnen könne Die Bundesrepublik Deutschland konnte naturgemäß zu dieser Konferenz keine politische Stellung neh men. Jedoch hatte man erwartet, daß Deutschland, das unter den Völkern Asiens und Afrikas viele Freunde hat und keine Kolonialmacht Ist. diese Vorgänge in Asien mit größerer Teilnahme verfolgt und die Bedeutung der Konferenz starker in den Vordergrund gerückt hätte Die Schlagzeilen der westlichen Presse: „Konferenz gegen den weißen Mann", oder .. ohne weißen Mann", „asiatische Brüder" und „Konferenz der Schwarzen Gelben" usw. waren Fehlbegriffe, die die Mentalität der Völker Asiens und Afrikas verletzen konnten Die Konferenz wai nicht gegen den „weißen Mann" gerichtet und die Träget des „gegen den weißen Mann" Gedankens hatten das Wesen det Konferenz nicht bc griffen.
Das Vorgehen des Kommunismus auf der Konferenz
Bekanntlich befanden sich unter den 29 Teilnehmerstaaten der Kon ferenz nur zwei kommunistische Regierungen, China und Nord Vietnam. Dei Sowjetblock hoffte, daß Tschou En lal auf der Konferenz dem Kom munismus zum Triumpfe verhelfen würde. Besonders in den Fragen des Kolonialismus und des Selbstbestimmungsrechtes erwartete man günstige Aussichten für den Kommunismus. Tschou In lal kam mit einem gro ßen Mitarbeiterstab nach Bandung und winde jubelnd empfangen, was bei Beobachtern der Konferenz den I indruck erweckte, daß ei die geistige Führung an sich reißen würde. Im Verlaul der Konferenz stellte sich jedoch heraus, daß Tschou In lal nicht in der läge war.der Konferen den kommunistischen Stempel aufzudrücken.
Am ’ Konferenztag, am 19. -1. 1955 ergriff Tschou In Lai das Wort. 11 konzentrierte sich nicht etwa auf die Verbreitung der kommunistischeu Ideologie und versuchte auch nicht die Konferenz Im seine Zwecke aus unutzen, sondern ei beschränkte . ich darauf, das Zusammengehörig keitsgefühl der Volker Asiens und Afrikas zu betonen. So sagte er unter ande rem: „Die Völker Asiens sollen nicht vergessen, dajl die erste Atombombe in Asien explodierte und das erste Opfer der Wasserstoffbombeiic'
ersmhc mich ein Asim war."
Und:
„Was wir dem as/atisdien und afrikanischen Rontliieni whnschcn, Ist IT irden und Lliiabhäiigigkelt.'1 I schloß seine Rede, indem ei auf die Worte des Indonesischen Prä sidenten, Sockarno. Bezug nahm .. Wir Asiaten und Afrikanc müssen ii r einigen" Anscheinend glaubte er, daß die Konferenzteilnehme stllschweigend den Kommunismus als Tatsache anerkennen würden. Als dei Ministerpräsident Pakistans. Muhammed Ali, und det Vertrete der I hilippinen, Romulo, die Völkel Asiens und Afrikas vor der kommuni stischen Gefahr warnten und andere Delegierte, besonders der irakische, I’ chemali, die religiöse Unircihcit unter dem Kommunismus betonten, trat I schon In l. ii am gleichen I age noch einmal auf und versuchte seine rundsät c ui Zusammenarbeit dai zulegen Ii argumentierte l Trotz dei Unterschiede der Ideologien und dei sozialen Systeme ist eine Zusammenarbelt der asiatisch afrikanischen Völke möglich;
wenn auch die Kommunisten Atheisten sind, so garantieren sic doch religiöse Freiheit ;
I der Kampl gegen den Kolonialismus vereint die Völker;
I. die fünf Prinzipien der Ko Existenz dienen als Grundlage der Zusam menarbeit.
Hierzu versuchte ei im ein, einen seinen Standpunkt zu rechtfertigen und sagte zu dei religiösen 1 rage: Wir Kovmnnisten sind Atheisten, aber wir respektieren (rot dem die religiöse Rrrlhelf, China Ist ein Land, in dem die religiöse I irihelt herrscht. I gibt in China nicht um 7 Millionen Kommmdsten. sott dem muh mehrere 10 Millionen Muslime um! Buddltisten und Mil honen Protestanten und Katholiken Iller In der ctinesischten Dele gatlon Ist muh ein Islamisches Oberhaupt anwesend." (Aus dem stenografischen Rerlchf der Rede Tsctou In I als com 19, t 1955 ) Tschou In I al gab bekannt, daß er auf der Konferenz die Aufnahme seines Lindes in die UN und die Formosa Frage nicht berühren weide, doch grill er I schlang Kai schek . in und betonte, der I ntschluß des cline sischen Volkes zur Befreiung Formosas stehe fest Die kommunistischen Versuche, nm den westlichen Kolonialismus zu bekämpfen, stießen . ml den Widerstand der mein kommunistischen I an dei Der Ministerpräsident Pakistans, Muhammed Ali. liessen Rede sein begrüßt wurde, wies aiil den maskierten kommunistischen Kolonialimus hin Er sagte u. a.:
„ 1iisses edles tun, was hi unserer Kraft Ist. um zu sichern, da/' cs diesen Völkern, die noch unter der Gewalt fremder Herrschiaft seufzer, bald möglich sein wird, die I rilchtr der l iciheft In vollem Maße zu peidellen. Gleichzeitig müssen wir sein vorsichtig sein, daß wir nicht Irrepcinhrf werden, indem wir unsere Tiren eilte) neuen und hcimtilcklschcrcii l orm des Imperialismus, der In der Gestalt der I rclheit verkleidet Ist. ö//ncn
Der gleichen Ansicht war der Ministerpräsident Ceylons, Kotelawala, dei meinte, man müsse fragen, ob die Ostblockstaaten überhaupt etwas anderes seien als Kolonien det Sowjetunion Det Woll der kommunisti scheu Wühlarbeit in dei Schafkleidung det friedlichen Gespräche sei nichts anderes als eine neue Alt des Kolonialismus . Die meisten I an det Asiens hätten die I rfahrung gemacht, daß sich die örtlichen kommu nistischen Parteien als Agenten dei Sowjetunion und Chinas betrachten. Die Vertretei Iraks und Irans griffen ebenfally heftig den Kommunismus an Der stellvertretende Ministerpräsident dei Türkei, Zorlu, der schart gegen die Aggressionspolitik der Sowjetunion vorging, setzte sich fül die Vei teidigung sbündnisse ein „Die Rechte einer rechttnäßigen Verteidigung, sowie das Recht der Völker, sich um eine Selbstverteidigung zu bemühen, sind natürlich, allgemein anerkannt und audt in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt.
Dies sind die Gründe und Bedingungen, die zur Geburt einer defensiven Allianz friedliebender Länder, genannt die NATO, führten. Dieselben Gründe, das gleiche Ziel, die Aggression aufzuhalten und den Frieden zu verteidigen, führten zu dem Balkanpakt, dem türkisch-pakistanischen Freundsdiaftspakt, dem türkisch-irakischen Pakt, der SEATO und anderen ähnlichen Übereinstimmungen.“ (Aus dem stenografischen Bericht der Rede Zorlus vom 19. 4. 1955.)
Der Kommunismus wurde zunehmend unsicher und sah sich nicht in der Lage, sich als „einziges Mittel“ für den Fortschritt Asiens und Afrikas, eine These, die von den Sowjets lange Zeit vertreten worden war, zu behaupten. In dem Beschluß der Konferenz wurde die Bekämpfung jeglicher Art von Kolonialismus, damit war auch der Kommunismus gemeint, angenommen. Auch Tschou-En-Lai gelang es nicht, sich dem Beschluß zu widersetzen. Ebenso konnten die Kommunisten, die von ihnen geforderten fünf Prinzipien der Ko-Existenzgedanken zur Zusammenarbeit der Länder Asiens und Afrikas, nicht durchsetzen. Statt dessen wurde ein Zehn-Punkte-Prinzip als Grundlage der Zusammenarbeit, das aus dem Schlußkommunique ersichtlich ist, aufgestellt. Außerdem wurde im Konferenzbeschluß die Aufnahme einer Reihe asiatisch-afrikanischer Länder als qualifizierte Staaten in die Vereinten Nationen gefordert, wobei Rot-China nicht erwähnt wurde. Trotz allem behielten die Vertreter Rot-Chinas ihren Standpunkt zur Zusammenarbeit der Länder Asiens und Afrikas bei und verzichteten auf einen überbetonten Propagandafeldzug des Kommunismus. Tschou-En-Lai trat sachlich auf, vielleicht eine Taktik, um die Vertreter der nichtkommunistischen Länder nicht abzustoßen, vielleicht ein Generalplan um zuerst seinen Platz in den Reihen der Völker Asiens und Afrikas zu sichern, um dann in Aktion zu treten.
Der Kommunismus hatte auf der Konferenz durch Tschou-En-Lai folgenden Erfolg: 1. Tschou-F-Lai nahm mit einer Anzahl Delegationsführer, deren Länder Rot-China noch nicht anerkannt hatten, Kontakt auf.
2. Er verhandelte mit der japanischen Delegation über die Aufnahme diplomatischer und wirtschaftlicher Beziehungen.
3. Er lud einige Ministerpräsidenten asiatisch-afrikanischer Länder, darunter Pakistans und Ägyptens nach China ein.
4. Er regelte die Rechte der chinesischen Minderheit in Indonesien.
5. Er erklärte sich bereit, mit den LISA über Formosa zu verhandeln.
6. Schließlich versuchte er wirtschaftliche Beziehungen zu den anderen Ländern Asiens und Afrikas aufzunehmen oder die vorhandenen Wirtschaftsbeziehungen zu erweitern.
Abgesehen von diesen Erfolgen, erlitt der Kommunismus auf der Konferenz eine ideologische Niederlage. Moskau und Peking mußten zur Überzeugung kommen, daß die antikommunistischen Bestrebungen stärker waren, als man erwartet hatte.
Die Fragen des Kolonialismus und des nationalen Selbstbestimmungsrechtes
Noch am 31. 3. 195 5 hatte Nehru im Parlament in Delhi zur Bandung-Konferenz gesagt: „Diese Konferenz ist eine einmalige Gelegenheit, um zu entscheiden, wann wir in der Lage sein werden, unser Schid? sal selbst zu bestimmen . . . Ich hoffe, daß in Bandung die Unabhängigkeit von den Großmächten zum Ausdrucl^ kommen wird. Die Völker Asiens und Afrikas wollen nur zwei Dinge: Frieden und Fortschrittmöglichkeit.“ (Die Welt, 1. 4. 1955.) Am 15. 4. 195 5 erklärte der Ministerpräsident Indonesiens, Sastromidjoya: „Die Konferenz in Bandung wird der Verstärkung der Unabhängigkeitsbewegung dienen. Bis zur Gegenwart waren die Länder Asiens und Afrikas abhängig. Nun möchten wir selbst wirken. Wir müssen unsere Länder so weit entwickeln, daß unsere Unabhängigkeit real wird.“ (Turkmenskaja Iskra vom 18. 3. 1955.)
Die Forderungen des Selbsthandelns und Seibstentscheidens waren die Grundgedanken der meisten Delegierten der Konferenz. Die koloniale Herrschaft, sei es die russische, chinesische oder die westliche, die mehrere Völker Asiens und Afrikas jahrhundertelang erlebt hatten, hatte zu einer radikalen Ablehnung des Kolonialismus geführt, das Selbstbewußtsein der Menschen wachgerufen und sie vor dieser jammervollen Daseins-form zurückschrecken lassen. Man konnte nicht erwarten, daß die Länder, die ihre Unabhängigkeit erreicht hatten, dem Weltgeschehen teilnahmslos gegenüberstehen würden. Sie erhoben sich zum Fürsprecher der Freiheit und traten als radikale Gegner des Kolonialismus auf. Sie erkannten, daß, wenn der Kolonialismus auch in seiner alten Form langsam verschwinde, er doch in neuer Gestalt wieder auftauche. So betonte der Präsident der indonesischen Republik, Soekarno, in seiner Eröffnungsrede auf der Konferenz: „Die asiatisdten und afrikanischen Länder sollen sich nicht durch die oft gehörte Phrase einfangen lassen, der Kolonialismus sei tot. Idr sage Ihnen, er ist nodt nicht tot. Riesige Gebiete Asiens und Afrikas sind nodt nicht frei. Der Kolonialismus ist sdtlau und ersdteint unter vielen Tarnungen. Er muß von der Erde ausradiert werden ...“ (Radio Hsin-Hua, englisdt, 18. 4. 1955.)
Der Vertreter Liberiens, Dukuly, erklärte:
„Die Konferenz der Länder Asiens und Afrikas ist der Beginn einer neuen Ära in der die Völker dieser zwei großen Kontinente erwacht sind und ihnen ihre große Verantwortung für die ganze Menschheit bewußt wird. Sie muß als die Geburt der dynamisdten Konzeptionen angesehen werden, die auf die Wiedergeburt und Anstrengung zu positivem, wirkungsvollem Interesse, zur Erreidtung des allgemeinen Friedens, zu dauerhafter Freundschaft, ewiger Gleichberechtigung und unbegrenzter Geredttigkeit für alle Mitglieder mensdtlicher Familien ohne Untersdtied der Rassen, des Glaubensbekenntnisses, der ökonomischen Lage und der Ansdtauungen geridttet sind.“ (Indonesien Ob-server, 20. 4. 1955; Kasadistanska/'a Pravda, 21. 4. 1955.)
Der Vorsitzende der Konferenz, der Ministerpräsident Indonesiens, Sastromidjoja, sagte am 18. 4. 195 5 zur Frage des Kolonialismus und der Rassen: „Unter den Hauptursachen für die heutigen Spannungen in der Welt ist der Kolonialismus, unter dem Asien und Afrika seit Ewigkeiten leidet. Dieses Thema ist unseres besonderen Interesses gewiß. Es stimmt vielleicht, daß der größere Teil der Menschheit es als Tatsache ansieht, daß der Kolonialismus der Vergangenheit angehört. Aber es ist ein Faktum, daß er noch lebt. Wenn wir die Karte Asiens und Afrikas betraditen, so finden wir eine ganze Reihe von Gebieten und sogar ganze Länder, die immer noch unter den Ketten der Kolonialherrschaft schmachten. Und in unserer aller Fleisch stecken noch zahlreidie Dornen kleinerer oder größerer Kolonialbestimmungen. Die früheren Kolonialmächte bemühen sich, ihre Kontrolle über ehemalige Kolonien oder Halb-Kolonien auf diese oder jene Weise aufrechtzuerhalten. Was sogar noch verdammenswerter ist, ist die Tatsache, daß der Grundsatz der Selbstbestimmung für koloniale Zwecke mißbraucht wird. Unsere Brüder in kolonialen Ländern, die heute noch gegen die Kolonialherrschaft kämpfen, wie wir es in der Vergangenheit auch getan haben, mögen uns ihre Probleme vortragen, damit wir sie in ihrer Abwesenheit in ihrem eigenen Interesse diskutieren können. Ich versichere diesen unseren Brüdern, — und ich bin sicher, ich spreche in Ihrer aller Namen — daß unsere Gedanken bei ihnen sind, in ihrem Kampf gegen die Ketten. Wir, die unabhängigen Völ-ker Asiens und Afrikas müssen in friedlicher Form alles uns nur Mögliche tun, um ihnen in ihrem Kampf um die Freiheit zu helfen. Kürzlich haben Kolonialmächte Erklärungen herausgegeben, in denen sie ihre Absicht zur Beendigung des Kolonialismus ausdrückten. Ich bedauere sagen zu müssen, daß die gute Absicht allein nicht ausreicht, um den Kolonialismus aus der Welt versdtwinden zu lassen. Weit wichtiger für uns sind Taten und politische Maßnahmen, die uns von der Ernsthaftigkeit dieser .. guten Absichten überzeugen könnten.
Neben dem Kolonialismus finden wir die Rassenfrage als weitere Quelle der Spannungen. Diese ist tatsächlich oft, wenn nicht sogar immer, ein Ausdrud i von Kolonialismus, basierend auf dem Gefühl der Überlegenheit der dominierenden Schicht. Diskriminierung auf der Basis des Unterschiedes der Hautfarbe aber steht im klaren Gegensatz den Gleichheit zu fundamentalen Mensdtenreduen, der aller Menschen, wie die Charta der UN es richtig ausdrückt. In der heutigen Welt sind wir von dieser Gleichheit und dem Respekt vor den Mensdtenredtten nodi sehr weit entfernt. Wie oft sdton sind schüchterne Völkern zur Zusammenarbeit mit farbigen durch rastloser Maßnahmen Diskriminierung im Keime erstid^t worden. Ist nicht die Apartheid-Politik eine Form der absoluten Intoleranz, wie sie weit eher in eine dunkle Vergangenheit als in unsere moderne Welt paßt?“ (Mitteilungsblatt der Republik Indonesiens in Bonn, Mai, 1955, Nr. 111/8, S. 5-6.)
Aus den oben erwähnten Erklärungen ist ersichtlich, daß bei den Völkern Asiens und Afrikas die Gefühle gegen den Kolonialismus und die Rassenunterschiede vorherrschten, die ihre Vertreter hemmungslos zum Ausdruck brachten. Die Kolonialmächte der Welt wurden aufgefordert, auf die Herrschaft in ihren Kolonialländern zu verzichten. Es wurden die Fragen der nationalen Freiheit Marokkos, Tunesiens und Algeriens und die Forderung Indonesiens, West-Iran Indonesien anzuschließen, eingehend behandelt und die Unterstützung der nationalen Bestrebungen dieser Völker gefordert. Ebenfalls wurde das nationale Problem des Landes Turkestan, das sich unter russischer und chinesischer Herrschaft befindet, trotz des Widerstandes der kommunistischen Staaten günstig ausgenommen. Das Memorandum des National-Turkestanischen Einheitskomitees vom 1. 4. 195 5, das an die Delegierten der teilnehmenden Staaten der Konferenz gesandt worden war, und das auf den in Turkestan Behandlung Turkestans als herrschenden die Kolonialland, die Zustand, nationale Freiheitsbewegung und auf die Rechte Turkestans hinwies und um Zulassung eines Vertreters des National-Turkestanischen Einheitskomitees bat, diente als Beweismaterial für die kommunistische Kolonial-methode. Durch Zeitungen und Rundfunk Indonesiens, Pakistans, der arabischen Länder, der Türkei und Irans wurde dieses Memorandum unter Bevölkerung Asiens der verbreitet. Gegenüber diesen Tatsachen konnte das Delegationsmitglied Rot-Chinas, der Turkestaner Sajfuddin Asis, der Präsident der kommunistischen Landesregierung Ostturkestans, der die kommunistischen Ansichten über die nationalen Fragen verbreiten, rechtfertigen und Turkestan als Musterbeispiel hinstellen sollte, sich nicht mehr durchsetzen. Es war den Konferenzteilnehmern gelungen, in der Frage des Kolonialismus und des nationalen Selbstbestimmungsrechtes einen einheitlichen Beschluß zu fassen, in dem die Befreiung der unter dem östlichen und westlichen Kolonialismus lebenden Völker als eines der wichtigsten Ziele betont wurde.
Die Konzeption zur Aufrechterhaltung des Weltfriedens
Die Aufrechterhaltung des Weltfriedens war ein Problem, zu dem fast jeder Sprecher seine Meinung äußerte. Alle Delegierten erklärten, daß die asiatischen und afrikanischen Völker keinen Krieg wünschten. Über die Möglichkeiten der Erhaltung des Friedens in Asien und Afrika waren sie geteilter Meinung. Nach Ansicht Tschou-En-Lais und Nehrus war die Abschaffung der Blockbildungen in Asien eine Garantie für den Frieden. Die Vertreter Pakistans, der Türkei, Iraks, Thailands, der Philippinen und Ceylons vertraten dagegen den Standpunkt, daß die Verteidigungsgemeinschaften keine Gefahr für den Frieden bedeuteten. Nach Ansicht der Konferenzteilnehmer waren die Korea-, Formosa-, Indochina-, West-Iran-, Tunesien-und Marokkofragen Herde für einen Krieg. Indien, Ägypten und Rot-China an der Spitze lehnten die Verteidigungsgemeinschaften ab und neigten zum Neutralismus, ein Ziel, das auch vom Sowjet-block angestrebt wurde. Die fünf Punkte der Ko-Existenz, die zwischen Tschou-En-Lai und Nehru in einem gemeinsamen Kommunique 1954 veröffentlicht worden waren, sollten als Grundlage für den Frieden dienen. Diese fünf Punkte waren: 1. Gegenseitige Achtung der territorialen Integrität und Souveränität; 2. Nichtangriff, -
3. Nichteinmischung eines Landes in die inneren Angelegenheiten eines anderen;
4. Gleichberechtigung und gegenseitiger Vorteil, 5. Friedliches Nebeneinanderleben (Pravda Vostoka, 9. 4. 195 5, S. 4). Über diese Prinzipien der Ko-Existenz herrschten geteilte Meinungen.
Die kommunistischen Staaten beabsichtigten damit ihr bisher erreichtes Ziel zu befestigen und die von ihnen besetzten Länder endgültig von den anderen Staaten anerkennen zu lassen. Die übrigen Vertreter der Friedens-gedanken der Konferenz hatten von der Ko-Existenz eine ganz andere Meinung. Sie befürchteten, daß der Kommunismus durch diese Ko-Exi. Stenzgedanken die Länder Asiens und Afrikas neutralisieren könne und danach versuchen würde, seinen Einfluß auf die nichtkommunistischen Länder auszuüben. Lim diesem kommunistischen Hintergedanken entgegenzutreten, wurde die Übereinstimmung von Tschou-En-Lai und Nehru in der Auffassung der Ko-Existenz, als einzigem Mittel zur Aufrechterhaltung des Friedens, nicht angenommen. Muhammed Ali legte folgenden eigenen, aus sieben Punkten bestehenden Friedensplan vor: 1. Achtung der Souveränität und territorialen Integrität aller Staaten; 2. Anerkennung der Gleichberechtigung aller unabhängigen Länder;
3. Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes;
4. Unverletzbarkeit der Landesgrenzen;
5. Recht auf Selbstverteidigung als einzelner Staat oder im Rahmen von Verteidigungsbündnissen;
6. Recht auf Selbstbestimmung der Völker und Ächtung jeder Form der kolonialen Ausbeutung;
7. Beilegung von internationalen Streitfragen durch friedliche Mittel (Informationsblatt der Pakistanischen Botschaft in Bad Godesberg, Nr. 21, 1. 5. 1955. S. 2).
Mohammed Ali vertrat ferner die Meinung, daß der Frieden weitgehend von der inneren Entwicklung der Völker abhängig sei. Hierzu führte er aus: „Die politisdie Krise unserer Zeit erzeugt in unserem Herzen ein Gefühl der Beklemmung. Aber wir müssen uns daran erinnern, daß der Frieden nidit nur eine rein politisdte Erscheinung ist. Er wird weitgehend von wirtschaftlichen, sozialen und moralisdten Faktoren bestimmt. In dem Maße, wie sich die politisdten Sdiwierigkeiten vermehren, sollten wir größere Aufmerksamkeit den wirtsdtaffliehen, sozialen und moralischen Werten widmen. Die wirklichen Feinde des Friedens und des Fortschrittes sind Armut, Krankheit, Unwissenheit und Voreingenommenheit. Sie verderben und zerfressen die Gesellschaft und erzeugen Unrast und Haß. Wirtsdtaftlidter Aufschwung wird die Teufel der Armut und Krankheit sdtlagen und die Erziehung wird Unwissenheit und Voreingenommenheit zerstreuen. In diesen Tagen politischer Unsicherheit müssen wir unsere Anstrengungen mit vermehrter Intensität auf eine wirtschaftliche, soziale und intellektuelle Verbesserung unserer Völker richten. Wir müssen durch Diskussionen zwischen den Denkern und Philosophen, Übersetzungen klassischer und zeitgenössischer Literatur und freien Austausch von Lehrern und Studenten die internationale Verständi-gung fördern. Diese kulturelle Zusammenarbeit zwischen den Ländern, die auf dieser Konferenz vertreten sind, ist zum Teil notwendig, so daß sie durdt das gleiche gemeinsame Ideal fähig sein werden, eine erhebliche Mitwirkung am Frieden, der Sicherheit und dem Fortsdtritt aller Nationen auszuüben.“ (Pakistan New Digest, 1. 5. 1955, Nr. 11, S. 7.)
Verlauf und Ergebnisse der Konferenz
An der Konferenz nahmen 340 Delegierte aus 29 Ländern teil, von denen einige gemeinsame Interessen, andere eigene Zielsetzungen und wieder andere einen vermittelnden Standpunkt vertraten. Bereits vor Beginn der Konferenz waren die Grundgedanken einiger größerer Länder bekannt geworden. Rot-China hatte beabsichtigt, die Gedanken des Kommunismus zu verbreiten und die Konferenz als Mittel gegen Amerika zu benutzen. Indien verfolgte das Ziel, in diesem Treffen der Völker Asiens und Afrikas, seine neutrale Haltung zwischen den Ost-West-Auseinandersetzungen durchzusetzen. Indonesien war Gastgeber und Verfechter des Anti-Kolonialismus. Japan kam mit wirtschaftspolitischen Zielen zur Konferenz, nachdem es vor der Konferenz seine Diplomaten aus 22 Ländern zu einer Beratung zwecks Vorbereitungen zur Bandung-Konferenz berufen hatte. Pakistan trat als Verteidiger der Rechte der unfreien Länder und gegen den Kommunismus auf. Unter den Teilnehmerstaaten waren Vertreter von 2 Volksrepubliken, 10 demokratisch-parlamentarischen Republiken, 4 Ländern des Commonwealth und 13 monarchischen Staaten. Folgende fünf Fragen wurden erörtert: 1. Wirtschaftliche Zusammenarbeit, 2. Kulturelle Zusammenarbeit, 3. Menschenrechte und Rechte auf Selbstbestimmung der Völker, 4. Forderung des Weltfriedens, 5. künftige Zusammenarbeit der asiatisch-afrikanischen Länder.
Zur Bearbeitung der einzelnen Fragen wurden politische, kulturelle, wirtschaftliche und menschenrechtliche Ausschüsse gebildet. Während zu dem politischen Ausschuß die Chefdelegierten gehörten, wurden die übrigen Ausschüsse von den Vertretern eines jeden Landes zusammengestellt.
Nach ihrer eigenen Ansicht teilten sich die Konferenzteilnehmer in drei Gruppen, eine kommunistische unter der Leitung Tschou-En-Lais, eine neutrale unter Nehru und eine antikommunistische unter der Führung Muhammed Alis. Die Konferenz verlief mehr sachlich als propagandistisch. Dies zeigte sich besonders bei der Behandlung der kulturellen und wirtschaftlichen Probleme der Länder. Bei den Fragen der Menschenrechte und des Rechtes der Selbstbestimmung der Völker, sowie bei den Vorschlägen zur Erhaltung des Weltfriedens traten die ideologischen Gegensätze in Erscheinung, die teils einen propagandistischen Charakter hatten. Sie wurden jedoch schnell überwunden, nachdem in geheimen Besprechungen sich die Chefdelegierten zu den Grundsätzen des Friedens bekannt hatten.
Auf der Konferenz, die ihre Tätigkeit nach 6 Tagen abschloß, hatten die Islamvölker eine besondere Aktivität gezeigt, die insbesondere in den Fragen der abhängigen Länder, des Vorhandenseins eines roten Kolonialismus und schließlich in ihrem Friedensprogramm deutlich war. Die islamischen Länder übten starke Solidarität, besonders in politischen Fragen. Diesen Eindruck hinterließen sie, nicht weil sie etwa im Gegensatz zu anderen Glaubensarten oder unter einer kulturpolitischen Tendenz auftraten, sondern allein wegen ihrer Entschlossenheit bei den von ihnen verfolgten Grundsätzen.
Es ist kein Geheimnis mehr, daß die Großmächte versucht hatten, die Konferenz in ihrem eigenen Sinne zu beeinflußen. So die Sowjetunion, um ihr Prestige in Asien nicht zu verlieren, Amerika, um sich von Asien nicht zu isolieren, England, um sein Commonwealth nicht zu schwächen und Frankreich, um in seiner Nordafrikapolitik die asiatisch-afrikanischen Völker auszuschalten. Trotz aller dieser Versuche muß bemerkt werden, daß die Konferenz ohne starken Einfluß der Nichtbeteiligten stattfand. Die Forderungen der Konferenz waren nicht einseitig gebundene Willensäußerungen. Sie versuchte die Ost-West-Auseinandersetzungen nicht zum Gegenstand der Verhandlungen zu machen. Die Entschlüsse entstanden allein aus dem Lebensinteresse Asiens und Afrikas. Um den Standpunkt der Konferenz genauestens kennenzulernen, mit welchem Ergebnis und welchen Forderungen die Vertreter der Völker, die über die Hälfte der Menschheit ausmachen, ihre Konferenz beendeten, möchten wir den vollständigen Text des Schlußkommuniques wiedergeben, das teilweise in „The New York Times“ vom 25. 4. 1955 und in der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 25. und 26. 4. 1955 veröffentlicht wurde und folgenden Wortlaut hat:
A. WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT 1. Die Konferenz anerkannte die dringende Notwendigkeit der Forderung der wirtschaftlichen Entwicklung in den Gebieten Asiens und Afrikas und den allgemeinen Wunsch der Konferenzteilnehmer nach wirtschaftlicher Zusammenarbeit auf der Basis des gegenseitigen Interesses und der Respektierung der nationalen Souveränität. Die Vorschläge für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit schließen nicht aus den Wunsch nach oder das Bedürfnis für eine Zusammenarbeit mit Ländern außerhalb ihres Gebietes einschließlich der Investierung ausländischen Kapitals. Es wurde ferner anerkannt, daß die Hilfen, die einige Teilnehmer durch internationale oder bilaterale Abmachungen erhalten haben, einen sehr wertvollen Beitrag für die Durchführung ihrer Entwicklungspläne darstellen können. 2. Die Konferenzteilnehmer kamen überein, einander technischen Beistand zu leisten durch Sachverständige, Ausbilder, „pilot projects", Lieferung von Vorführungsmaterial, Austausch von Erfahrungen, Errichtung von nationalen und, wenn möglich, regionalen Schulungs-und Forschungseinrichtungen zur Vermittlung technischer Kenntnisse und Fähigkeit in Zusammenarbeit mit bestehenden internationalen Körperschaften. 3. Die Konferenzteilnehmer empfahlen: die baldige Errichtung eines Sonderfonds der LIN für wirtschaftliche Entwicklung, die Zurverfügungstellung eines größeren Teiles ihrer Mittel seitens der internationalen Bank für Entwicklung und Wiederaufbau an die asiatisch-afrikanischen Länder, die baldige Schaffung internationaler finanzieller Zusammenarbeit, worin die Gleichheit der Investierungen und die Ermutigung gemeinschaftlicher Unternehmungen der afro-asiatischen Länder, soweit dies deren gemeinsames Interesse fördert, inbegriffen sein muß.
4. Die Konferenz anerkannte die unbedingte Notwendigkeit zur Stabilität des Handels mit Konsumgütern in diesem Gebiet. Das Prinzip der Ausdehnung des multilateralen Handels-und Zahlungsabkommens wurde angenommen.
5. Die Konferenz empfahl, daß die teilnehmenden Länder kollektive Schritte unternehmen für die Stabilisierung der internationalen Preise und des Bedarfs für die wichtigen Verbrauchsgüter und daß — insoweit das auszuführen und zu wünschen ist — sie diesen Bedarf in den betreffenden ständigen Beratungskommissionen der UN und anderer internationaler Organisationen zur Besprechung bringen.
6. Die Konferenz empfahl weiter, daß die teilnehmenden Länder für ihren Exporthandel womöglich ihre Rohstoffe bearbeiten, bevor sie sie exportieren. Sie sollten die Abhaltung interregionaler Handelsmärkte fördern und den Austausch»von Handelsdelegationen und Gruppen von Handelsleuten ermutigen.
7. Die Konferenz wandte ihre besondere Aufmerksamkeit der Schifffahrt zu und gab ihrer Besorgnis darüber Ausdruck, daß die Schiffahrtgesellschaften von Zeit zu Zeit ihre Frachtraten überprüfen, oft zum Nachteil der Konferenzteilnehmer. Sie empfahl eine Prüfung dieses Problems und eine gemeinsame Aktion, um auf die Schiffahrtgesellschaften einzuwirken, eine vernünftigere Haltung einzunehmen. Es wurde vorgeschlagen, die Frachten der Eisenbahnen und des Transithandels zu überprüfen.
8. Die Konferenz kam überein, die Errichtung nationaler und regionaler Banken und Versicherungsgesellschaften anzuregen.
9. Die Konferenz war der Ansicht, daß der Austausch von Informationen in Ölfragen hinsichtlich der Überweisung von Gewinnen und der Steuern eventuell zur Formulierung einer gemeinsamen Politik führen könnte.
10. Die Konferenz unterstrich die besondere Bedeutung der Entwicklung der Atomenergie zu friedlichen Zwecken für die afro-asiatischen Länder. Die Konferenz begrüßte die Initiative der hauptbeteiligten Mächte hinsichtlich deren Angebot, die Informationen über die Verwendung der Atomenergie zu friedlichen Zwecken zugänglich zu machen; sie verlangte dringend die beschleunigte Errichtung der internationalen Atomenergiebehörde, die für die angemessene Vertretung der afroasiatischen Länder sorgen soll; sie empfahl den afro-asiatischen Regierungen, von den Möglichkeiten zur Schulung und anderen Gelegenheiten zur friedlichen Verwendung der Atomenergie Gebrauch zu machen, wie sie von den Ländern geboten werden, die diese Pläne befürworten.
11. Die Konferenz stimmte der Ernennung von Verbindungsoffizieren zwischen den Teilnehmern zu, die von den betreffenden Regierungen für den Austausch von Informationen und Ideen über Angelegenheiten von beiderseitigem Interesse ernannt werden sollen. Sie empfahl starken Gebrauch von bestehenden internationalen Organisationen zu machen; Konferenzteilnehmer, die nicht Mitglieder solcher Organisationen, aber geeignet sind, sollten sich die Mitgliedschaft sichern.
12. Die Konferenz empfahl, daß die Teilnehmer vor ihrem Auftreten in internationalen Organen einander konsultieren, um ihre gegenseitigen wirtschaftlichen Interessen soweit wie möglich voranzutreiben. Es ist jedoch nicht beabsichtigt, ee inen regionalen Block zu bilden.
B. KULTURELLE ZUSAMMENARBEIT 1. Die Konferenz ist davon überzeugt, daß eines der wirksamsten Mittel zur Förderung des Verständnisses zwischen den Völkern die Entwicklung der kulturellen Zusammenarbeit ist.
Asien und Afrika sind die Wiege großer Religionen und Zivilsationen gewesen, die andere Kulturen und Zivilisationen bereichert haben, wobei sie auch ihrerseits bereichert wurden. Die Kulturen Asiens und Afrikas beruhen also auf geistigen und universalen Grundlagen. Unglücklicherweise wurden die kulturellen Beziehungen innerhalb der afroasiatischen Länder während der vergangenen Jahrhunderte unterbrochen. Die Völker Asiens und Afrikas sind jetzt von dem dringenden und ernsten Wunsch beseelt, ihre alten kulturellen Kontakte zu erneuern und sie im Rahmen der modernen Welt zu entwickeln. Alle teilnehmenden Regierungen bekräftigten erneut ihre Absicht, für eine rege kulturelle Zusammenarbeit tätig sein zu wollen. 2. Die Konferenz nahm Notiz von der Tatsache, daß die Existenz des Kolonialismus in vielen Teilen Asiens und Afrikas, in welcher Form auch immer, nicht nur die kulturelle Zusammenarbeit verhindert, sondern auch die nationalen Kulturen der Völker unterdrückt. Einige Kolonialmächte verweigern den von ihnen abhängigen Völkern grundlegende Rechte auf dem Gebiet von Erziehung und Kultur, was die Entwicklung ihrer Persönlichkeit hemmt und auch den kulturellen Austausch mit anderen afro-asiatischen Völkern verhindert. Dies trifft besonders auf Tunis, Marokko und Algier zu, wo das Grundrecht eines Volkes, seine eigene Sprache zu erlernen, unterdrückt worden ist. Eine ähnliche Diskriminierung wird gegen asiatische und farbige Völker in einigen Gebieten des afrikanischen Kontinentes angewandt. Die Konferenz ist der Ansicht, daß diese Politik der Verweigerung der fundamentalen Menschenrechte gleichkommt, den kulturellen Fortschritt in diesem Gebiet hindert und auch die kulturelle Zusammenarbeit auf einer großen, internationalen Ebene hemmt. Die Konferenz verurteilte diese Verweigerung fundamentaler Rechte in Erziehung und Kultur in einigen Gebieten Asiens und Afrikas durch diese und andere Formen kultureller Unterdrückung. Insbesondere verurteilte die Konferenz den Rassismus als Mittel kultureller LInterdrückung. 3. Es waren keine Gründe der Exklusivität oder Rivalität mit anderen Gruppen von Völkern und Zivilisationen, die die Konferenz veranlaßte, die Entwicklung der kulturellen Zusammenarbeit zwischen den afroasiatischen Ländern ins Auge zu fassen. Treu den jahrhundertealten Traditionen der Toleranz und LIniversalität glaubt die Konferenz, daß die kulturelle Zusammenarbeit der afro-asiatischen Länder in engem Kontakt mit. einer weltweiten Zusammenarbeit entwickelt werden sollte. Seite an Seite mit ihrer eigenen kulturellen Zusammenarbeit wünschen die afro-asiatischen Länder den kulturellen Kontakt mit anderen. Dies würde ihre eigene Kultur bereichern und gleichzeitig dazu verhelfen, den Weltfrieden und das Verständnis zu fördern. 4. Bisher haben noch viele afro-asiatische Länder nicht die Möglichkeit gehabt, ihre erzieherischen, wissenschaftlichen und technischen Einrichtungen zu entwickeln. Die Konferenz empfahl, daß die Länder, die in dieser Beziehung glücklich daran sind, solchen Ländern Erleichterungen bei der Zulassung von Studenten und Ausbildern zu diesen Einrichtungen gewähren. Diese Erleichterungen sollten den Asiaten und Afrikanern in Afrika gewährt werden, denen die Möglichkeiten für eine höhere Bildung zur Zeit verweigert werden. 5. Die Konferenz war der Ansicht, daß die Förderung der kulturellen Zusammenarbeit zwischen den afroasiatischen Ländern gerichtet sein sollte auf: (1.) Die Erwerbung gegenseitiger Kenntnis ihrer Länder, (2.) Gegenseitiger Kulturaustausch, (3.) Austausch von Informationen. 6. Die Konferenz ist der Meinung, daß im augenblicklichen Stadium die besten Resultate in der kulturellen Zusammenarbeit durch zweiseitige Abkommen erzielt werden könnten, um diese ihre Empfehlungen auszuführen und dadurch, daß jedes Land so handelt wie es ihm möglich und durchführbar ist.
C. MENSCHENRECHTE UND SELBSTBESTIMMUNG 1. Die Konferenz erklärte ihre volle Unterstützung der fundamentalen Prinzipien der Menschenrechte, wie sie in der Charta der Vereinten Nationen festgesetzt wurden und nahm Kenntnis von der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte als gemeinschaftliche Richtschnur für alle Völker und Länder, die die Voraussetzung für den völligen Genuß aller fundamentalen Menschenrechte ist. 2. Die Konferenz beklagte die Politik und Praktik der Rassenabsonderung und Diskriminierung, die die Grundlage der Regierung und der menschlichen Beziehungen in weiten Gebieten Asiens und anderen Teilen der Welt bildet. Eine solche Handlungsweise ist nicht nur eine grobe Verletzung der fundamentalen Werte der Zivilisation, sondern auch der Menschenwürde. Die Konferenz drückte ihre warme Sympathie und ihre Unterstützung für die mutige Haltung der Opfer der rassischen Diskriminierung aus, besonders der Völker afrikanischer, indischer und pakistanischer Herkunft in Südafrika, zollte allen, die deren Sache unterstützen, ihren Beifall. Sie bekräftigte erneut die Entschlossenheit der afro-asiatischen Völker, jede Spur von Rassismus auszurotten, die sich in ihren eigenen Ländern finden sollte, und gelobte, ihren vollen moralischen Einfluß auszuüben, daß ihre Völker nicht Opfer desselben Übels bei dem Kampf für die Ausrottung werden. D. PROBLEME DER ABHÄNGIGEN VÖLKER 1. Die Konferenz beriet über die Probleme der abhängigen Völker und des Kolonialismus und den sich aus der Unterwerfung der Völker unter ein fremdes Joch, aus Beherrschung und Ausbeutung ergebenden Übelständen. Die Konferenz war sich darüber einig: a) In der Erklärung, daß der Kolonialismus in allen seinen Manifestierungen ein Übel ist, das so schnell wie möglich beseitigt werden muß. b) In der Feststellung, daß die Unterwerfung von Völkern unter ein fremdes Joch und Beherrschung die Verweigerung der fundamentalen Menschenrechte darstellt, im Gegensatz zu der Charta der LIN steht und ein Hindernis für die Förderung des Welt-friedens und der Zusammenarbeit darstellt. c) In der Erklärung ihrer Unterstützung der Sache der Freiheit und Unabhängigkeit für alle solche Völker und * d) In dem Aufruf an die Nationen, die dies angeht, den betroffenen Völkern Freiheit und Unabhängigkeit zu gewähren. 2. Im-Hinblick auf die ungeklärte Lage in Nordafrika und die andauernde Verweigerung des Rechts der Selbstbestimmung für die Völker Nordafrikas erklärte die Konferenz ihre Unterstützung der Rechte der Völker Algiers, Marokkos und Tunis auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit und forderte die französische Regierung dringend dazu auf, diese Frage ohne Verzug zu einer friedlichen Lösung zu bringen.
E. ANDERE PROBLEME 1. Hinsichtlich der bestehenden Spannung im Mittleren Osten, verursacht durch die Lage in Palästina, und wegen der hierdurch bestehenden Gefahr für den Weltfrieden erklärte die Konferenz ihre Unterstützung für die Rechte der arabischen Völker Palästinas und verlangte die Durchführung der Resolution der UN über Palästina und die friedliche Lösung der Palästinafrage. 2. Die Konferenz, im Rahmen ihrer Einstellung über die Beseitigung des Kolonialismus, unterstützte die Haltung Indonesiens in der West-Iranfrage, beruhend auf dem diesbezüglichen Abkommen zwischen Indonesien und den Niederlanden. Die Konferenz forderte die niederländische Regierung dringend auf, die Verhandlungen sobald wie möglich wieder aufzunehmen, ihre Verpflichtung aus den vorerwähnten Abkommen zu erfüllen und drückte die ernste Hoffnung aus, daß die Vereinten Nationen die beteiligten Parteien bei der Findung einer friedlichen Lösung ihres Streites unterstützen werden. 3. Die Konferenz unterstützte die Haltung Yemens in der Aden-Frage und in der Frage der südlichen Teile Yemens, bekannt als Protektorat, und forderte die beteiligten Parteien auf, zu einer friedlichen Lösung zu kommen.
F. FÖRDERUNG VON WELTFRIEDEN UND ZUSAMMENARBEIT 1. Die Konferenz nahm Notiz von der Tatsache, daß verschiedene Staaten noch nicht zu den Vereinten Nationen zugelassen sind und war der Ansicht, daß für eine wirksame Zusammenarbeit für den Weltfrieden die Mitgliedschaft in den UN eine universale sein muß; sie forderte den Sicherheitsrat auf, die Zulassung aller derjenigen Staaten zu unterstützen, die nach den Bestimmungen der Charta hierzu qualifiziert sind. Nach Ansicht der Konferenz sind derartige qualifizierte Staaten Kambodscha, Ceylon, Japan, Jordanien, Laos, Libyen, Nepal, Süd-und Nordvietnam nach ihrer Vereinigung. Die Konferenz war der Ansicht, daß die Vertretung der Länder der asiatisch-afrikanischen Gebiete im Sicherheitsrat im Verhältnis zum Prinzip einer gleichmäßigen geographischen Verteilung unangemessen ist. Sie ist der Meinung, daß, was die Verteilung der nicht-ständigen Sitze anbelangt, die afro-asiatischen Länder, die nach den in London 1946 getroffenen Abmachungen von der Wahl ausgeschlossen sind, in die Lage versetzt werden sollten, im Sicherheitsrat mitzuwirken, sodaß sie einen wirksameren Beitrag für die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der Sicherheit leisten könnten. 2. Die Konferenz, nachdem sie die gefahrvolle Lage durch die bestehende internationale Spannung und das Risiko, das die gesamte Menschheit durch den Ausbruch eines globalen Krieges läuft, in der die zerstörende Macht aller Waffenarten einschließlich der Atomwaffen angewandt wird, erwogen hat, lenkt die Aufmerksamkeit aller Völker auf die schrecklichen Folgen, die ein solcher Krieg haben würde. Die Konferenz war der Meinung, daß eine wirksame internationale Kontrolle errichtet und aufrechterhalten werden muß, um die Herstellung von Atomwaffen zu verbieten, und daß schnelle und entschlossene Bemühungen zu diesem Zweck erfolgen müssen. Bis zum totalen Verbot der Atomwaffen richtet die Konferenz einen Appell an alle beteiligten Länder, ein Abkommen über die Einstellung von Experimenten mit solchen Waffen zu schließen. 3. Die Konferenz zeigte sich höchst besorgt um die Fragen des Welt-friedens und der Zusammenarbeit. Sie betrachtete mit tiefer Sorge die augenblickliche internationale Spannung mit ihrer Gefahr des Atom-krieges. Das Friedensproblem hängt zusammen mit dem Problem der internationalen Sicherheit. Hierfür sollten alle Staaten in den LIN zusammenarbeiten, um zur Beseitigung der Kernwaffen zu gelangen.
So kann der internationale Friede gefördert werden und die Atomenergie zu nur friedlichen Zwecken Verwendung finden. Dies würde dazu verhelfen, die Bedürfnisse, besonders von Asien und Afrika zu befriedigen, denn was sie dringend benötigen, ist Fortschritt und ein besserer Lebensstandard in größerer Freiheit. Freiheit und Frieden sind voneinander abhängig.
Frei von Mißtrauen und Furcht und mit Vertrauen und gegenseitigem guten Willen sollten die Völker Toleranz üben und miteinander in Frieden als gute Nachbarn leben und friedliche Zusammenarbeit auf der Basis der folgenden Prinzipien entwickeln: 1. Ehrfurcht vor den grundlegenden Menschenrechten und den Zielen und Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen.
2. Respektierung der Souveränität und der territorialen Integrität aller Nationen.
3. Anerkennung der Gleichheit aller Rassen und Nationen, großer wie kleiner.
4. Enthaltung von Intervention oder Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes.
5. Respektierung des Rechtes jeder Nation, sich allein oder kollektiv zu verteidigen im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen.
6. a) Enthaltung von der Anwendung kollektiver Verteidigungsabkommen, die den Interessen einer der großen Mächte dienen, b) Verzicht jedes Landes, auf ein anderes einen Druck auszuüben.
7. Verzicht auf Handlungen oder Drohungen mit Aggression oder Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit eines Landes.
8. Lösung aller internationaler Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln, wie Versöhnung, Schiedsspruch, gerichtliche Lösung oder andere friedliche Mittel im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen.
9. Förderung des gegenseitigen Interesses und der Zusammenarbeit. 10. Respektierung der Gerechtigkeit und der internationalen Verpflichtungen.
Mit dem Ergebnis der Konferenz waren alle Beteiligten zufrieden. Auch die Öffentlichkeit des Westens gab ihrer Zufriedenheit Ausdruck. So schrieb „Economist", London, vom 30. 4. 195 5: „Bei nüchterner Beurteilung — sei es mit asiatischen Augen oder mit den Augen aller asienfreundlichen Beobachter der freien Welt — bot die Konferenz gleichwohl ein ermutigendes Schauspiel, und gerade diejenigen, die zuvor die schwersten Bedenken hegten, müssen jetzt der in Bandung demonstrierten Vernunft und Lebenskraft den wärmsten Beifall zollen“ (zitiert nach der Zeitschrift „Ost-Probleme“ 1955, Nr. 20, S. 784).
Ebenso nahm die „New York Times“ vom 25. 4. 195 5 zum Ausgang der Konferenz positiv Stellung und begrüßte das freie Denken und die ehrlichen und offenen Absichten, die auf der Konferenz herrschten. Moskau blieb seinen ersten Grundsätzen treu, indem es versuchte, die Konferenz der sowjetischen Propaganda nutzbar zu machen.
Asien und Afrika aber, denen durch die nationale Freiheit ihre Verantwortung in der Völker-Familie der Welt bewußt geworden war, bewiesen durch die Konferenz in Bandung, daß sie nicht gewillt sind, sich von der Weltpolitik zu isolieren, und daß sie bei ihrem Vorgehen an den Grundsätzen der LIN festhalten. Sie leiteten damit eine neue Aera der Weltpolitik ein.