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Zur anti-imperialistischen Bewegung in China | APuZ 20/1955 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 20/1955 Die Vereinigten Staaten und China. Unsere Aussichten für die Zukunft Eine Zweiparteienpolitik für Asien Zur anti-imperialistischen Bewegung in China

Zur anti-imperialistischen Bewegung in China

Wolfgang Franke

Mit Genehmigung des Verlages KARL ALBER, Freiburg—München, veröffentlichen wir aus der Zeitschrift SAECULUM Bd. 5, Jahrgang 1954, Heft 4, den folgenden Artikel von Wolfgang Franke:

Seit dem Beginn der kommunistischen Herrschaft im Jahre 1949 zeigt das offizielle China eine außerordentlich fremdenfeindliche Haltung. Ausländer werden, oft ohne ersichtlichen Anlaß, schikaniert oder gar mißhandelt; die meisten werden ausgewiesen, häufig unter Konfiszierung ihres gesamten Besitzes. Die Verhältnisse in anderen kommunistisch beherrschten Ländern können diese Erscheinung nur zum Teil erklären. Es ist bemerkenswert, daß diese Diskriminierung in erster Linie die Angehörigen der abendländischen Nationen trifft und nur in geringerem Grade oder auch gar nicht die der asiatischen Völker. Dank der internationalen Konstellation sehen sich die Chinesen heute in der Lage, für die seit rund hundert Jahren vom Abendlande erlittenen Demütigungen Rache zu üben und die seit dieser Zeit aufgelaufene Rechnung mit den westlichen Mächten zu begleichen.

Grundlage der chinesisch-abendländischen Beziehungen während der letzten hundert Jahre waren die sogenannten „ungleichen Verträge" die dem Fremden politisch, wirtschaftlich, rechtlich, sozial und kulturell eine bevorrechtigte Stellung in China sicherten und umgekehrt den Chinesen im eigenen Lande oft genug einer diskriminierenden Behandlung durch die Fremden aussetzten. Die politisch-wirtschaftliche Entwicklung des abendländischen Einflusses in China ist viel behandelt worden und auch über das kulturelle Eindringen des Abendlandes, in erster Linie durch die christlichen Missionen, liegen manche Untersuchungen vor, die freilich meist vom Standpunkt der letzteren aus geschrieben sind. Diese Vorgänge müssen zum Verständnis des Zusammenhangs hier noch einmal kurz in ihren Grundzügen wiederholt werden. Weniger beachtet worden ist die psychologische Wirkung der Sonderstellung der Ausländer auf die Chinesen, die hier im dritten Abschnitt behandelt wird 3a). Dieser psychologische Faktor ist weniger klar greifbar als die Texte von Verträgen und die chinesischen Proteste dagegen. Er kann nur durch praktische Erfahrung im Lande, verbunden mit der Lektüre chinesischer Tageszeitungen, Zeitschriften, Essays usw. erfaßt werden, und auch nur von dem, der sich nicht in erster Linie unter den Fremden der Hafenstädte, sondern vor allem in rein chinesischer Umwelt bewegt hat. Im folgenden wird versucht, Materialien zum Verständnis der chinesischen Haltung zusammenzutragen und daraus einzelne Gesichtspunkte herauszuarbeiten. Der Verfasser ist dabei bestrebt, die Dinge weitgehend so darzustellen, wie der Chinese sie s i e h t. Er ist sich bewußt, daß bei diesem Versuch bestenfalls ein vorläufiges Ergebnis erreicht werden kann. Bevor hierzu Endgültiges zu sagen ist, sind noch viele ins einzelne gehende wie auch zusammenfassende Studien erforderlich.

1. Die ungleichen Verträge

Die Beziehungen zwischen den westlichen Mächten und China standen von Anfang an unter einem unglücklichen Vorzeichen. Unkenntnis der geistigen und kulturellen Voraussetzungen des anderen und infolgedessen gegenseitige Verständnislosigkeit waren charakteristische Merkmale dieser Beziehungen bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts, wie sie es noch weithin heute sind, und haben dabei ihre verhängnisvolle Rolle gespielt. Die westlichen Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts trafen in ihrem machtvollen Ausdehnungsdrang auf den chinesischen Universalstaat. China, das Reich der Mitte, sah sich als das Zentrum der Welt, als der Mittelpunkt aller Kultur und Zivilisation; ja es war schlechthin d i e Welt. Diese bereits in ältester Zeit aus naiver Naturbetrachtung entstandene Auffassung konnte sich auf Grund von Chinas geopolitischer Lage folgerichtig weiterentwikkein. Da die an China angrenzenden Gebirgsund Steppenvölker kulturell weit hinter dem Reich der Mitte zurückstanden, ist die Entwicklung dieses universalistischen Gedankens erklärlich. Die Berührung mit den großen zentral-und westasiatischen Kulturvölkern hat zwar die chinesische Kultur aufs stärkste beeinflußt, aber das universalistische Weltbild hat sie nicht zu ändern vermocht. Wiederholt sind im Laufe der Geschichte einzelne Teile oder sogar das gesamte Reich von den Mongolen und anderen Steppen-völkern überrannt und zeitweilig beherrscht worden, aber geistig wurden diese alle schließlich von China überwunden und völkisch zum goßen Teile absorbiert. So schien eine zwei-tausendjährige historische Entwicklung das universalistische Weltbild Chinas bestätigt zu haben. AIs dann im 19. Jahrhundert China mit den Staaten des Abendlandes in Berührung kam, meinte man anfangs, es handele sich — wie schon so oft in der Vergangenheit — wieder um eine neue species halbzivilisierter Barbaren von roher Naturkraft, die Reichtum und Wohlstand des Mittelreiches anlockten. Daß China von solchen Barbaren vorübergehend in militärische Bedrängnis gesetzt wurde, war nichts Neues. Das Ergebnis war aber stets gewesen, daß die gleichen Barbaren allmählich der kulturellen Überlegenheit des Chinesentums Rechnung tragen mußten und sich schließlich willig in den chinesischen Universalismus einfügten. Der chinesischen Staatsauffassung entsprechend war es unmöglich, daß ein fremder Staat gleichberechtigt mit China, ein fremder Souverän dem chinesischen Kaiser, dem Sohn des Himmels, ebenbürtig sein Staaten hingegen sahen sollte. Die europäischen in dem chinesischen Anspruch auf Weltherrschaft eine untragbare Anmaßung, einen politischen Größenwahn, gegen den nur die Macht der Waffen helfen könnte. Ausdehnungsbedürf-nis des Handels und nationale Ehre erforderten das gewaltsame Durchsetzen des Anspruches auf Gleichberechtigung innerhalb eines nach abendländischen Grundsätzen geprägten Völkerrechts. Die Chinesen hielten an ihrer traditionellen Auffassung fest, nach der man Fremden unter von China festgesetzen Bedingungen erlauben konnte, an bestimmten Plätzen in beschränktem Ausmaße Handel zu treiben. Die Anerkennung eines Rechtes der Fremden hierzu oder gar die Gleichberechtigung war mit chinesischem Denken unvereinbar Zu diesem grundlegenden weltanschaulichen Unterschied kamen weitgehende Differenzen der Rechtsauffassung die sich in Politik, Wirtschaft und Justiz auswirkten und eine harmonische Zusammenarbeit auf diesen Gebieten oft unmöglich machten. Für die aus diesen verschiedenen historischen Voraussetzungen sich ergebenden wechselseitigen Mißverständnisse kann weder der einen noch der anderen Seite eine grundsätzliche Schuld zugeschrieben werden, wenn auch auf beiden Seiten, zumal auf der abendländischen, einzelne Persönlichkeiten durch Selbstherrlichkeit, Anmaßung und Nicht-verstehen-Wollen, oft von der Gier nach Macht und wirtschaftlichem Profit getrieben, die bestehenden Gegensätze noch unnötig verschärften.

Der erste entscheidende bewaffnete chinesisch-westliche Konflikt war der sogenannte OpiumKrieg zwischen England und China, 1840— 1842, wobei die Überlegenheit der westlichen Bewaffnung und Kampfesweise klar zutage trat. Der den Krieg beschließende Friede von Nanking war dann auch der erste, grundlegende der „ungleichen Verträge" und leitete die in den nächsten Jahrzehnten folgenden, immer schmähliche-ren Demütigungen Chinas ein 5a). Dem englisehen Vertrag schlossen sich in den folgenden Jahren Verträge mit den LISA, Frankreich, Belgien, Schweden, Norwegen und Portugal, später auch mit Rußland und Preußen an. Von chinesischer Seite zeigte man sich sehr lau in der Erfüllung der unter Zwang gemachten Zugeständnisse und hoffte nach wie vor, sich eines Tages der Fremden entledigen zu können. Die zusehends offenkundiger zutage tretende militärische Schwäche Chinas gegenüber den westlichen Mächten reizte diese zu immer aggressiverem Vorgehen Weitere Zusammenstöße blieben nicht aus. England und Frankreich benutzten — vielleicht absichtlich provozierte — wenig bedeutende Zwischenfälle zu neuen militärischen Interventionen, um weitere Vorteile und Gewinne zu erlangen. Im Vertrag von Tientsin 18 5 8 mußte auf Grund einer militärischen Expedition Englands und Frankreichs China neue Zugeständnisse machen.

Zwei Jahre später drangen englisch-französische Truppen bis nach Peking vor. Die Plünderung und totale Zerstörung des großen kaiserlichen Palastes außerhalb Pekings (Yüan-mingyüan)

zählt zu ihren besonderen Ruhmestaten. Hatten bis in die sechziger Jahre hinein die Ziele der fremden Mächte vorwiegend in einer gewinnbringenden Ausdehnung ihres Handels bestanden, so strebten diese in der Folgezeit nach machtpolitischen Stützpunkten und unerschlossenen Gebieten zur wirtschaftlichen Ausbeutung; sie wollten ihr Kolonialreich erweitern.

Zu den westlichen Großmächten gesellte sich das politisch und wirtschaftlich schnell erstarkte Japan. In den siebziger Jahren besetzten die Rus-sen das Ili-Gebiet, 1880 die Japaner die Liukiu-Inseln; 188 5 erzwang Frankreich die Abtretung von Annam, 18 86 England die von Burma. Die Folge eines verlorenen Krieges Chinas gegen Japan 1894/95 war die Abtretung von Formosa und den Pescadores-Inseln an Japan sowie die UInabhängigkeitserklärung Koreas, der schrittweise schließlich die Annexion durch Japan folgte. 1897 besetzte Deutschland unter einem nichtigen Vorwand Tsingtao und die Kiaochou-Bucht, im folgenden Jahr Rußland Port Arthur und Dairen, Frankreich Kuangchouwan und England Weihaiwei. Die Erlangung weitgehender wirtschaftlicher Konzessionen für Bergbau, Eisenbahnbau . usw. in allen Teilen Chinas war vorangegangen, und einzelne Mächte hatten sich überdies vertragliche Versicherungen über „die Nichtabtretung an andere Mächte" hinsichtlich großer Gebiete Chinas geben lassen, was soviel besagte, daß dieses Gebiet ausschließliche Einflußsphäre der betreffenden Macht sein sollte und für eine eventuelle spätere Annexion als Kolonie ins Auge genommen war. So schien China zu Ende des 19. Jahrhunderts einer Aufteilung durch die fremden Mächte nach dem Vorbild Afrikas nahe zu sein, die lediglich Neid und Mißgunst der Mächte untereinander verhinderten. Der sogenannte Boxeraufstand im Jahre 1900 war der letzte Versuch des alten China, die fremden Eindringlinge gewaltsam zurückzuweisen. Er mußte mit neuen Demütigungen bezahlt werden. Infolge der ungeheuren Erschütterung des chinesischen Staatswesens durch die Einbuße an Autorität gegenüber den fremden Mächten sowie auch infolge der beginnenden wirtschaftlich-sozialen Umwälzungen und durch den Einfluß neuer, aus dem Westen importierter Ideen schwoll seit Beginn des 20. Jahrhunderts die revolutionäre Bewegung immer mächtiger an und begrub in der Revolution von 1911 den traditionellen konfuzianischen Staat unter sich. Der erste Weltkrieg setzte dem weiteren aktiven Vorgehen China sie der Mächte in ein Ende; mühten sich — zunächst noch mit Erfolg —, das Erworbene zu halten und China die faktische Gleichberechtigung zu versagen. Erst der zweite Weltkrieg und seine Folgen setzten der bevorrechtigten Stellung der abendländischen Mächte in China endgültig ein Ende.

Es sind im wesentlichen vier Punkte in den „ungleichen Verträgen“, die Chinas Souveränität am stärksten einschränkten:

1. Die Exterritorialität der Fremden in China verbunden mit der Konsulargerichtsbarkeit. Auf Grund der westlichen Auffassung von der Territorialität des Rechts zögerten die Engländer nach dem Opium-Kriege zunächst, eine solche, nach westlichen Begriffen äußerst schwerwiegende Forderung an China zu stellen. Sie wurde aber von China ohne Bedenken gewährt. Dort überwog die Auffassung von der Personalität des Rechts, und man hatte bereits tausend Jahre früher in China Handel treibenden „Barbaren"

ohne weiteres zugestanden, ihre Rechtsfälle selbst nach ihrem eigenen Recht zu entscheiden Erst später, als sich auch in China die Anschauungen wandelten, wurde die Exterritorialität als schwerwiegender Eingriff in die eigene Souveränität empfunden.

2. Beschränkung der Zollhoheit. Die Ein-und Ausfuhrzölle waren seit 18 58 einheitlich auf einen bestimmten Prozentsatz für alle Waren festgelegt. Die Verwaltung des Scezolls lag seit 18 54 in fremden Händen. Ferner durften für einmal verzollte fremde Waren — im Gegensatz zu den einheimischen — keine weiteren Abgaben im Inland erhoben werden. Diese Bestimmung bedeutete eine weitgehende wirtschaftliche Knebelung Chinas und verhinderte den anfangs nur mit gewissen Schutzzöllen möglichen Aufbau einer einheimischen Industrie

3. Fremde Niederlassungen und Pachtgebiete. Die fremden Niederlassungen in zahlreichen Hafenstädten standen — wenn auch de iure chinesisches Gebiet — unter rein fremder Verwaltung und fremder Polizeigewalt Außerdem waren die Mächte berechtigt, dort wie zum Schutz ihrer Gesandtschaften in Peking Truppen zu stationieren. Die Pachtgebiete waren von China an die Fremden meist auf 99 Jahre abgetreten. 4. Die Freiheit der fremden Schiffahrt in den chinesischen Binnen-und Hoheit 58 einheitlich auf einen bestimmten Prozentsatz für alle Waren festgelegt. Die Verwaltung des Scezolls lag seit 18 54 in fremden Händen. Ferner durften für einmal verzollte fremde Waren — im Gegensatz zu den einheimischen — keine weiteren Abgaben im Inland erhoben werden. Diese Bestimmung bedeutete eine weitgehende wirtschaftliche Knebelung Chinas und verhinderte den anfangs nur mit gewissen Schutzzöllen möglichen Aufbau einer einheimischen Industrie 7).

3. Fremde Niederlassungen und Pachtgebiete. Die fremden Niederlassungen in zahlreichen Hafenstädten standen — wenn auch de iure chinesisches Gebiet — unter rein fremder Verwaltung und fremder Polizeigewalt 8). Außerdem waren die Mächte berechtigt, dort wie zum Schutz ihrer Gesandtschaften in Peking Truppen zu stationieren. Die Pachtgebiete waren von China an die Fremden meist auf 99 Jahre abgetreten. 4. Die Freiheit der fremden Schiffahrt in den chinesischen Binnen-und Hoheitsgewässern.

Hinzu kam die berüchtigte, in die meisten Verträge aufgenommene sogenannte Meistbegünstigungsklausel. Sie besagte, daß alle Rechte, die China jemals anderen Nationen gewähren würde, automatisch auch dem Vertragspartner zuteil werden sollten.

2 Die christlichen Missionen in China

Eine besondere Bedeutung kommt der soge-nannten „kulturellen Invasion“ des Abendlandes in China zu, deren Exponent in erster Linie die christlichen Missionare waren. Römisch-katholische Missionare waren bereits Ende des 13. Jahrhunderts nach China gekommen 9) und dann in größerer Anzahl wieder seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert 10). Es handelte sich hier jedoch stets um Einzelpersönlichkeiten, hinter denen keine reale politische Macht stand. Der Erfolg ihrer Tätigkeit hing lediglich von ihrer persönlichen Fähigkeit ab. Solange sie nicht mit der traditionellen chinesischen Staats-auffassung und Morallehre in Konflikt kamen, wurden sie von den religiös meist toleranten Herrschern im Lande geduldet. Wahrten sie jedoch nicht diese Grenzen, hatten sie sich die chinesische Gastfreundschaft bald verscherzt 11).

Der Vertrag von Nanking sah noch keinerlei Bestimmungen über Missionare und ihre Tätigkeit vor. Aber bereits 1844 und 1846 erwirkten die Franzosen eine kaiserliche Verordnung zur Duldung der christlichen Religion in ganz China 12);

allerdings war auch hier den Ausländern noch ausdrücklich das Betreten des Gebietes außerhalb der Vertragshäfen zu Missionszwecken verboten 13). Mit diesem ersten offiziellen Eingreifen begann Frankreich seine Rolle als die erste Schutzmacht der christlichen, insbesondere der römisch-katholischen Mission auch in China zu spielen 14). Oft hat es in der Folgezeit mit allen staatlichen Machtmitteln den Schutz der christlichen Religion und der Missionare bewirkt und ist dabei auch vor bewaffneten Interventionen nicht zurückgeschreckt. Andere Regierungen folgten zuweilen dem Beispiel Frankreichs. Ohne sich wohl dessen bewußt zu sein, haben die Mächte durch diese Verquickung von Staatsmacht und Religion dem Christentum in China einen schlechten Dienst erwiesen. Die unvermeidliche Folge war, daß die Chinesen das C h r i stentum nicht in erster Linie als eine religiöse Lehre werteten, sondern als ein den politischen Interessen der abendländischen Mächte dienendes Werkzeug. Entgegen den Bestimmungen der kaiserlichen Verordnungen von 1844 und 1846 drangen nicht wenige fremde Missionare ins Innere des Landes vor. 18 56 wurde dabei in dem durch den Taiping-Aufstand sehr unruhigen Gebiet der Provinz Kuangsi ein französischer Pater von der chinesischen Lokal-behörde ergriffen und getötet 15). Dieser Vorfall bildete einen der Anlässe zu der erwähnten militärischen Intervention Englands und Frankreichs, deren Ergebnis der Vertrag von Tientsin war 16). Der englische, französische, amerikanische und russische Vertrag enthielten sämtlich Bestimmungen, die die ungehinderte Ausübung und Verbreitung der christlichen Lehre in ganz China ausdrücklich erlaubten 17). Dabei erwies es sich als besonders folgenschwer, daß nicht nur die ausländischen Missionare, sondern auch die unbehinderte Ausübung der Religion durch einheimische Christen unter den Schutz der Verträge gestellt wurde, für deren Befolgung die fremden Mächte Sorge trugen. Dies war ein schwerer Eingriff in die chinesische Souveränität und führte dazu, daß für irgendein Vergehen in einen Prozeß verwickelte chinesische Christen sich häufig auf Verfolgung wegen ihrer christlichen Religion beriefen und sich an die betreffenden Missionare um Hilfe wandten. Diese zeigten sich meist nur allzu bereitwillig, Gesandtschaft oder Konsulat ihres Landes zum Eingreifen zugunsten des betreffenden Chinesen auf Grund der Verträge von 18 5 8 zu ersuchen.

Oft kam es soweit, daß Chinesen, die sich strafbar gemacht hatten, formal Christen wurden, um sich unter den Schutz der Fremden stellen zu können. Dieser Mißbrauch der christlichen Lehre verschaffte den Missionaren zwar vielfach eine außerordentlich einflußreiche Stel-lung in ihrer Residenz 18); er war aber auch Anlaß zu Haß und Verachtung für die christliche Lehre und ihre Vertreter, die sich in China immer mehr ausbreiteten, und führte zu vielen blutigen Ausschreitungen gegen sie

Bei der Pekinger Konvention von 1860 wurde nachträglich in den französischen Vertrag eine Klausel eingeschmuggelt, die den französischen katholischen Missionaren das Recht zuerkannte, „in allen Provinzen Land zu pachten und zu kaufen, um beliebig Gebäude darauf zu errichten“. Diese Klausel hatte zahlreiche Auseinandersetzungen zwischen der katholischen Mission und den ihre Interessen wahrnehmenden amtlichen französischen Vertretungen einerseits und den chinesischen Behörden andererseits zur Folge, wobei schließlich die Chinesen dem Druck der Macht weichen mußten So haftete für die Chinesen der Verbreitung des Christentums in China nicht allein der Makel der Verbindung mit der politischen Kolonialmacht der westlichen Großmächte, sondern auch noch der des Betruges an. Wenn durch die Klausel des französischen Vertrages die protestantischen Missionen nicht ausdrücklich betroffen waren, so konnten doch auch sie sich in zunehmendem Maße im Inland festsetzen. Offiziell zugestanden wurde den protestantischen Missionen das Recht zum Ankauf von Land außerhalb der Vertragshäfen erst im amerikanisch-chinesischen Handelsvertrag von 1903

Waren schon die durch die „ungleichen Verträge" erworbenen Vorrechte der ausländischen Missionare eine starke Belastung für das Ansehen der christlichen Lehre in China, so wurde diese noch wesentlich verstärkt durch das ungeschickte Verhalten eines großen Teiles der katholischen wie protestantischen Missionare, von einer geringen Zahl rühmlicher Ausnahmen abgesehen. Im Gegensatz zu den Jesuiten-Missionaren des 17. und 18. Jahrhunderts, die tiefes Verständnis auf aufrichtige Hochachtung zeigten für die der abendländischen in vielem überlegene chinesische Kultur sahen die Missionare des 19. Jahrhunderts in unchristlichem Dünkel nur zu gern herab auf die Chinesen als auf kulturlose Heiden oder stellten sie gar auf eine Stufe mit den Negern Afrikas. Die Schriften vieler Missionare aus dem 19. und auch noch aus dem 20. Jahrhundert sind charakterisiert durch eine verständnislose, tendenziöse und gehässige Verurteilung der Chinesen und ihrer Kultur Praktisch wirkte sich diese Haltung dahin aus, daß der zum Christentum bekehrte Chinese weitgehend mit überlieferten Sitten und Gebräuchen, d. h. mit seiner bisherigen Umwelt brechen mußte Er wurde dem eigenen Volk und der eigenen Kultur entfremdet. Es ist daher verständlich, daß die chinesischen Christen von ihrer Umwelt bereits als halbe Ausländer betrachtet wurden, zumal sie ja auch tatsächlich unter ausländischem Schutze standen Die christlichen Missionen bildeten mit ihrem Anhang gewissermaßen einen Staat im Staate. Daß sich daraus ständige Reibungen zwischen Missionen und den einheimischen Behörden sowie der Bevölkerung ergaben, war eine natürliche Folge. Einem in seiner Einstellung durchaus gemäßigten, führenden chinesischen Beamten wird ein bezeichnender Ausspruch nachgesagt, den er 1869 zum englischen Gesandten getan haben soll: „Nehmt euer Opium und eure Missionare fort, und ihr werdet uns willkommen sein.“ Opiumhandel und Missionen standen in gleicher Weise unter dem Schutz der Fremden und über dem einheimischen Gesetz. Nach dem sogenannten Blutbade von Tientsin im Jahr 1870, das bei Streitigkeiten um ein katholisches Waisenhaus achtzehn Franzosen — darunter zehn Nonnen und dem französischen Konsul — den Tod brachte richtete die chinesische Regierung eine Denkschrift an die Vertreter der fremden Mächte, in der sie Vorschläge zur Vorbeugung gegen ähnliche Vorfälle durch eine schärfere Kontrolle der Aktivität der Missionen machte. Die Anregungen fanden jedoch kein Verständnis bei den Regierungen der be-treffenden Mächte Schon früh wurden aber unter den Missionen selbst, zumal unter den protestantischen, Stimmen laut, die auf das Kompromittierende in der Verbindung der Mission mit den kolonialpolitischen Interessen der Mächte in China hinwiesen und sich für die Loslösung der Mission vom Schutze der mit Gewalt erzwungenen Verträge aussprachen. Diese Stimmen blieben jedoch vereinzelt und ohne Wirkung auf die Politik der Missionen

Mit dem immer aktiver werdenden Vorgehen der Mächte in den neunziger Jahren ging ein verstärktes Vordringen der Missionen Hand in Hand. Die überwiegend aus Deutschen bestehende katholische Mission in der Provinz Shantung hatte sich von der traditionellen französischen Protektion der katholischen Mission gelöst und unterstellte sich 1890 dem Schutz des Deutschen Reiches, das die Ausbreitung der Mission energisch förderte. Die Ermordung zweier deutscher Missionare in Shantung im Jahre 1897 gab der deutschen Regierung den äußerst willkommenen, lag gesuchten Anlaß zur Besetzung des Kiaochou-Gebietes Das militärische Eingreifen der Mächte bei dem zum großen Teil durch die Tätigkeit der Missionare hervorgerufenen Boxeraufstand im Jahre 1900 demonstierte den Chinesen erneut die Identität christlicher Mission und politischer Macht Nicht nur dieAusländer, sondern auch die chinesischen Christen suchten sich vielfach, auf die so sichtbar demonstrierte fremde Macht gestützt, für das ihnen während der Boxerunruhen zugefügte Unrecht nun an ihren nicht-christlichen Landsleuten schadlos zu halten Nur sehr langsam bahnte sich in den letzten Jahren vor der Revolution von 1911 ein Wandel in der Missionspraxis an. Die zum großen Teile durch die Missionen bewirkte zunehmende westliche Bildung und der im Gefolge davon aufkommende Nationalismus westlicher Prägung breitete sich mehr und mehr auch unter den chinesischen Christen aus und veranlaßte die fremden Missionare, zumindest formal sich größere Zurückhaltung aufzuerlegen. Mit dem Stillstand und späteren Rückgang der politischen Aktivität der Mächte in China seit dem ersten Weltkrieg schwand allmählich auch diz unmittelbare Verbindung von Politik und Mission Es entstanden vom Ausland unabhängige, rein chinesisch-protestantische Kirchen, und bei den vom Ausland abhängigen wurden die Chinesen — oft freilich nur formal — immer mehr an der Leitung maßgeblich beteiligt. Rom erklärte 1946 die katholische Kirche Chinas als selbständiges Glied in der katholischen Hierarchie, ein chinesischer Kardinal und mehrere chinesische Erzbischöfe wurden ernannt chinesische Bischöfe hatte es schon seit 1926 gegeben. In beiden Kirchen hatte sich spätestens in den vierziger Jahren unseres Jahrhunderts im wesentlichen der Gedanke durchgesetzt, daß die einheimischen chinesischen Kirchen auf eigenen Füßen stehen und dementsprechend eineigenes chinesisches Gesicht haben müßten mit dem Ziele, daß sich die ausländischen Missionare schließlich ganz aus China zurückziehen könnten. Diese Erkenntnis ist sehr spät gekommen, vielleicht zu spät.

Er wäre durchaus denkbar, daß das Christentum in China ein wesentlich anderes Schicksal gehabt hätte, wenn die Trennung von der Politik fünfzig Jahre früher erfolgt wäre Li Hung-chang, eine der hervorragendsten und weitblickendsten Persönlichkeiten des ausgehenden 19. Jahrhunderts schrieb 1886: „So möchte ich die Gefühle der intelligentereti Beamten und der Literaten der Neuzeit dahin zusammenfassen . . ., daß es der Ausländer als solcher ist, der gehaßt wird, nicht wegen seiner Religion, sondern weil man ihn im übrigen fürchtet. Man fürchtet ihn jetzt gar nicht, weil er der Diener Jesu Christi ist, oder ein Bekenner der Lehre dieses großen Mannes, sondern weil er möglicherweise ein Feind der politischen und industriellen Unabhängigkeit des Landes ist.“ Diese Worte gelten heute noch: auch die Änderung der Missionspraxis während der letzten zwei oder drei Jahrzehnte hat sie nicht zu entkräftigen vermocht. Ein neuerer chinesischer Autor schrieb 1936, als er während der Fahrt von Tsingtao zu einer abgelegenen kleinen Insel auf dem Schiff einen ärmlichen, alten Bewohner der Insel trifft, der seit dreißig Jahren Christ ist: „Das versetzt wich in Erstaunen. Es erstaunt wich, daß die Finger der Prediger des Iwperialiswus tatsächlich so scharf und fest in unsere Eingeweide hineingegriffen und Herz und Leber fest gefaßt haben. Ich schaue dabei zurück auf jene sehr deutlich über das Land hervorragenden, hoch in der Mitte von Tsingtao stehenden beiden spitzen Türwe. Jene roten Spitzen der Türwe, wir wessen Blut sind sie gefärbt?" Diese Reaktion kann durchaus als typisch gelten für die heute in China die Herrschaft ausübende Generation.

3. Die psychologische Wirkung der Sonderstellung des Abendländers in China auf die Chinesen

Von gar nicht zu überschätzender Bedeutung für die heutige Haltung der Chinesen zum Abendländer ist die psychologische Wirkung der bevorrechtigten Stellung der meisten Fremden gegenüber den Einheimischen nach Art des Verhältnisses vom Kolonialherrn zum Eingeborenen. Trotzdem China niemals als Kolonie unter der direkten Herrschaft eines westlichen Staates stand, war es doch nach Sun Yat-sen’s nicht ganz ungerechtfertigter Ausdrucksweise eine „Hypokolonie", eine Kolonie aller, in der sämtliche abendländische Nationen miteinander sich als Kolonialmacht fühlten und durch die „ungleichen Verträge“ eine bevorrechtigte Sonderstellung für ihre Staatsangehörigen gesichert hatten Aber auch nachdem Ende der zwanziger Jahre die Kuomintang-Regierung in der Anerkennung der Gleichberechtigung Chinas erhebliche Fortschritte erreicht hatte selbst noch nachdem 1943 die letzten Reste der „ungleichen Verträge“ gefallen waren und die christlichen Missionen ihre Praxis weitgehend geändert hatten, blieben in der Haltung der Ausländer in China — als einzelne oder als Gruppe — Elemente des Kolonialismus der Vergangenheit bestehen. Noch bis in die zwanziger Jahre hinein durften in manchen fremden Niederlassungen Chinesen bestimmte Gaststätten nicht betreten und nicht in der ersten Klasse der Straßenbahn fahren; ein Park in Shanghai war für „Hunde und Chinesen“ verboten. In den internationalen Klubs vieler Städte war bis zum zweiten Weltkrieg Chinesen grundsätzlich der Zutritt nicht gestattet Als im Frühjahr 1949 nach der Besetzung Nordchinas durch die Kommunisten der Schiffsverkehr zwischen Tientsin und Hongkong durch eine englische Reederei wiederaufgenommen wurde, hielt man sich nach wie vor an die bis dahin in der ausländischen Küstenschiffahrt übliche Bestimmung, daß an Chinesen keine Passage 1. Klasse verkauft wurde. Erst auf einen energischen Einspruch der neuen, kommunistischen Regierung hin ließ man diese diskriminierende Bestimmung fallen. In Peking konnte, bis zur japanischen Besetzung der Stadt im Jahre 1937, de iure nur das Personal der fremden diplomatischen Vertretungen, in der Praxis jeder Ausländer ohne Bahnsteig-karte den Bahnsteig betreten; der Ausländer brauchte an seinem Fahrrad kein Nummernschild, während sonst alle Fahrräder mit solchen Schildern versehen sein mußten. Bei den häufigen polizeilichen Absperrungen und Untersuchungen auf Straßen und Bahnhöfen außerhalb der fremden Niederlassungen pflegten Ausländer, auch die keine Exterritorialität mehr besaßen, bis zum letzten Kriege stets unbehelligt hindurchzugehen, und sie nahmen diese bevorzugte Behandlung nicht etwa als eine besondere Höflichkeit gegenüber dem ausländischen Gaste hin, sondern als ein selbstverständliches Vorrecht. Der Fremde fühlte sich als der Kolonial-herr wie in den asiatischen und afrikanischen Kolonien der Großmächte. Ein ungeheurer Unterschied in der Behandlung der fremden und einheimischen Arbeitskräfte war eine natürliche Folge dieser Grundeinstellung. Ein kleiner Angestellter ohne besondere Qualifikationen in einer untergeordneten Stellung eines ausländischen Betriebes konnte — gemessen an den Verhältnissen in seinem Mutterlande wie auch an denen eines Chinesen in gleicher Position — ein luxuriöses Leben führen Je niedriger der Bildungsstand des Fremden, desto höher waren seine Anmaßung und sein Hochmut gegenüber dem Einheimischen. Es galt hier nicht Qualifikation oder Tüchtigkeit, sondern der Ausländer zählte grundsätzlich, ohne Rücksicht auf seine persönliche Befähigung und Leistung, zu einer höheren Gattung als der Chinese. Dieser Standpunkt mit der daraus resultierenden UIngleichheit in der Bezahlung der Arbeitskraft bei ausländischen Betrieben war — mit gewissen Einschränkungen — auch nach 1945 geblieben. Chinesen haben meist ein sehr feines Gefühl für reale Macht-und Besitzverhältnisse, und der einfache Mann ohne Schulbildung nahm diese LInterschiede oft als vom Schicksal gegeben hin, ohne sich deswegen in Neid und Mißgunst zu verzehren, wie es im Westen so häufig der Fall ist. Lind tatsächlich arbeiten viele Chinesen in ausländischen Betrieben trotz aller grundsätzlichen Diskriminierung noch unter günstigeren Bedingungen als in manchen chinesischen. Anders war jedoch die Reaktion in der gebildeten Schicht, deren traditionelle kulturstolze Verachtung der mit brutaler Gewalt in China eingebrochenen Abendländer durch die nationalistischen Ideen einer stark westlich beeinflußten Bildung abgelöst wurde. Und hier mußte die vom Westen immer wieder proklamierte Idee von der grundsätzlichen Gleichberechtigung aller Menschen und aller Völker die tatsächlich von den Abendländern mit äußerster Zähigkeit verteidigte Lingleichheit zu ihren Gunsten in desto grellerem Lichte erscheinen lassen und eine dem Westen wenig freundliche Gesinnung hervorrufen. Diese anti-westliche Gesinnung förderten aber noch andere Elemente.

Seit Beginn des gewaltsamen Eindringens des Westens in China um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts haben die Fremden, insbesondere die Missionare, durch die Verbreitung abendländischer Ideen und Lebensformen bewußt oder unbewußt traditionelle Religion und Sitte sowie die lang überlieferte soziale Struktur Chinas zu zersetzen begonnen. Wenn dies auch ein unvermeidlicher Vorgang war, so ist doch leicht zu ermessen, welche bitteren Empfindungen diese Zersetzung bei den kultur-und traditionsbewußten chinesischen Schichten gegen ihre Urheber hervorrufen mußte. Diese Empfindungen sind bis zum heutigen Tage geblieben, trotzdem diese gleichen Schichten inzwischen längst selbst die LInhaltbarkeit der traditionellen sozialen Ordnung erkannt haben und sie zu überwinden trachten. Wie der einzelne kaum Dankbarkeit empfinden wird gegen den, der ihm seinen Glauben und seine Ideale zerstört hat, sondern eher Zorn und Haß, so auch ein ganzes Volk. Nur selten haben in den letzten hundert Jahren sich Abendländer ganz in die traditionellen chinesischen Lebensformen eingefügt meist haben sie — nicht zum wenigsten die Missionare — nicht nur selbst ihre eigene, abendländische Lebensweise beibehalten und auf die chinesische hochmütig herabgesehen, sondern ihre Gewohnheiten und Maßstäbe auch möglichst um sich zu verbreiten gesucht Besonders stark haben in dieser Richtung die amerikanischen protestantischen Missionare gewirkt. Ihr Missionseifer galt in der Regel nicht nur der Verbreitung christlicher Religion, sondern auch amerikanischer Lebensweise und war getragen von der aufrichtigen Überzeugung, daß Amerika schlechthin Fortschritt und Aufwärtsentwicklung der Menschheit in absoluter, allgemein gültiger Form* repräsentiere und dazu berufen sei, andere, zurückgebliebene Völker auf dem Wege amerikanischer Demokratie und amerikanischen Fortschrittsgeistes einer besseren Zukunft zuzufüh-ren Durch persönliches Vorbild sowie durch Wort, Schrift und Film suchten amerikanische Missionare — meist ohne die geringste tiefere Kenntnis und Einsicht in die gegebenen Voraussetzungen — ein fremdes und für chinesische Verhältnisse mehr destruktiv als konstruktiv wirkendes Lebensideal zu verbreiten. Diese neben den Amerikanern in geringerem Umfange auch durch andere Nationen, meist gleichfalls durch Missionare betriebene Kulturpropaganda konzentrierte sich vor allem auf das chinesische Erziehungswesen. Da nur ein kleiner Teil der chinesischen Gesamtbevölkerung überhaupt die Schule besucht und ein noch viel kleinerer eine Mittel-oder Hochschule, kommt diesem aus naheliegenden Gründen die führende Stellung in Staat und Gesellschaft zu. Das hat sich auch unter dem kommunistischen Regime nicht geändert. So ist die Bedeutung des Erziehungswesens, zumal des höheren, und der ausländischen Einflüsse darin während der letzten drei bis vier Jahrzehnte für Haltung und Handlungen der maßgebenden Schicht Chinas in jüngster Zeit gar nicht zu überschätzen. Es ist daher gerechtfertigt, wenn hier auf die Stellung der Ausländer im chinesischen Erziehungswesen etwas ausführlicher eingegangen wird 46a).

Seit dem Beginn unseres Jahrhunderts verlegten zunächst die protestantischen, später auch die katholischen Missionen ihre Aktivität immer mehr auf die Errichtung und Unterhaltung von Schulen (Kindergärten, Grund-, Mittel-und Hochschulen) sowie von Krankenhäusern. Das anfangs gelegentlich angewandte Prinzip, das christliche Bekenntnis als Voraussetzung für die Zulassung zu der betreffenden Schule zu verlangen, wurde bald aufgegeben, und die Missionsschulen wurden zu einem hervorragenden Faktor in der Vermittlung westlichen Gedankengutes und westlicher Lebensformen, zum Schwerpunkt der sogenannten „kulturellen Invasion“, wie es in der chinesisch-kommunistischen Terminologie heißt Dabei wurde bis in die zwanziger Jahre hinein in den Missionsschulen meist nach dem System und in der Sprache des Landes unterrichtet, aus dem die betreffenden Missionare kamen. Die besonderen chinesischen Wissensgebiete — chinesische Sprache, Literatur, Geschichte, Geographie usw. — fanden oft nur spärliche Berücksichtigung Die Leitung der Schulen lag meist ausschließlich in ausländischen Händen, Chinesen wirkten oft nur in untergeordneter und schlecht bezahlter Stellung-mit. In dem Maße, wie die Schülerzahlen der Missionsschulen zunahmen, mußten diese Verhältnisse mehr und mehr nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb der Missionsschu-len von den Chinesen als untragbar empfunden werden, zumal sie ja gerade in den ausländischen Schulen die Begriffe von nationalen Selbstbestimmungsrecht und von Demokratie lernten.

Sobald die Kuomintang-Regierung zu Ende der zwanziger Jahre zur Macht gekommen war, hat sie allem Widerstreben der fremden Missionare und allen Protesten fremder Regierungen zum Trotz mit Nachdruck auf der Forderung der chinesischen Erziehungshoheit bestanden: Die Missionsschulen mußten sich der chinesischen Unterrichtsverwaltung unterstellen, sich nach den von dieser festgesetzten Lehrplänen richten, auf obligatorischen christlichen Religionsunterricht für alle Schüler verzichten, einen Chinesen als verantwortlichen Schulleiter bestellen usw. Freilich blieben auch dann noch weitgehende fremde Einflüsse im chinesischen Erziehungswesen bestehen. Der chinesische Schulleiter war oft nur eine Marionette; denn über das Geld hatten die Ausländer zu verfügen. Die ausländischen Unterrichtsanstalten waren zum großen Teil finanziell besser gestellt und ausgerüstet als die rein chinesischen, oft auch besser organisiert und eine . bessere Ausbildung vermittelnd. In den dreißiger Jahren haben manche Missionsuniversitäten nicht nur in Medizin, Naturwissenschaften und westlichen Sprachen, sondern gerade auch auf dem Gebiet der chinesischen Studien eine führende Stellung erworben. Trotzdem ist es fraglich, insbesondere auf Grund der Ereignisse nach 1948, ob ihre Wirkung nicht letzten Endes mehr negativ als positiv zu werten ist. Dadurch, daß in China Mittel-und Hochschulen zum größten Teil mit Internat verbunden sind, wirken sie in besonderem Maße charakterbildend, und manchem chinesischen Akademiker merkt man leicht an, von welcher Hochschule er kommt. Den Missionsschulen ist es dabei nur selten gelungen, einen freien, großzügigen und überzeugungsstarken Menschentyp hervorzubringen. Die in den Missionsschulen herrschende Atmosphäre der Überlegenheit des Ausländers nicht nur als des geldgebenden und damit in allen schulpolitischen Fragen letzten Endes entscheidenden Faktors, sondern auch in seiner Lebensweise lastete — selten bewußt und meist unbewußt — als ein schwerer Druck auf dem in der Entwicklung begriffenen Chinesen, der so sich selbst als eine im Grunde zweitklassige Persönlichkeit empfinden mußte.

An manchen Missionsuniversitäten erhielt auch noch nach dem zweiten Weltkrieg der als Hochschullehrer wirkende Missionar mehr als das zwanzigfache Gehalt seines chinesischen Kollegen, der vieleicht selbst im Auslande eine weit bessere Vorbildung und Qualifikation erhalten hatte als der betreffende Ausländer. Sogar eine ausländische Sekretärin im LIniversitätsbetriebe erhielt zuweilen etwa das zehnfache Gehalt eines chinesischen Professors. In manchen Universitäten wohnten die Ausländer in schönen, großen Häusern mit zahlreichem Dienstpersonal, die chinesischen Dozenten großenteils in kleinen, manchmal armseligen Hütten im gleichen Compound. Es soll nicht geleugnet werden, daß manche der ausländischen Missionare viel Geld für wohltätige Zwecke ausgaben und mancher ein gastfreies Haus nicht nur für die Christen seiner Mission hatte. Aber das konnte den grundsätzlichen Unterschied in der Stellung von Missionaren und Einheimischen nicht verwischen; und er rief entweder — wenn auch oft unausgesprochen — Neid und Mißgunst hervor oder ein starkes Inferioritätsgefühl, das vielfach in Unselbständigkeit und sklavischer Abhängigkeit vom Ausländer seinen Ausdruck fand. So wird erzählt, daß ein kleiner Junge aus den ärmsten Verhältnissen, der einst half, beim ausländischen Missionar die Fußböden aufzuwischen, von diesem christlich getauft und auf Kosten der Mission in die Missionsschule geschickt wurde. Da er nicht unbegabt war und regelmäßig zur Kirche ging, wurde ihm gleichfalls durch die Mission der Mittel-und Hochschulbesuch ermöglicht, und er erhielt sogar ein Stipendium zum weiteren Studium in Amerika. Nach seiner Rückkehr wurde er Dozent. Professor und schließlich Präsident der betreffenden Missionsuniversität. Die Geschichte mag in dieser Form erfunden sein, ist aber typisch für die Verhältnisse an den Missionsschulen. Bei solcher Bevormundung konnte sich nur schwer eine unabhängige Persönlichkeit entwickeln. Häufig äußerte sich das Inferioritätsgefühl auch in starkem Ressentiment. Bezeichnend ist, daß nach der Übernahme der Missionsschulen durch die Kommunisten, verbunden mit einer Diskriminierung der Ausländer, nicht selten gerade diejenigen Chinesen sich den Ausländern gegenüber am loyalsten erwiesen haben, die nicht christlich waren, ihre persönliche Unabhängigkeit gewahrt hatten und vordem oft in scharfem Gegensatz zu den Ausländern gestanden hatten.

Aber auch nach außen hin war die psychologische Wirkung der Missionsschulen diesen auf die Dauer weniger günstig. Ohne daß von einer Diskriminierung oder allgemeinen Verachtung der Missionsschulen und ihrer Schüler und Studenten die Rede sein könnte, sahen zumal die Schüler und Studenten der führenden, rein chinesischen Mittel-und Hochschulen gern etwas herab auf die Missionsschulen und ihre dortigen Kameraden, die nicht selten dazu neigten, in ihrem äußeren Auftreten ausländische Gewohnheiten zu zeigen. Lehrer und Dozenten zogen es oft vor, wenn sie die Möglichkeit hatten, an rein chinesischen Institutionen tätig zu sein. Der Mangel an diesen sowie die oft günstigeren Bedingungen ermöglichten es den Missionsschulen nichtsdestoweniger, gute Lehrkräfte heranzuziehen. Die Kreise außerhalb der Missionsschulen hatten keine Möglichkeit, die positiven Seiten der dort wirkenden Ausländer kennenzulernen, und so sahen sie in diesen oft nichts anderes als die Repräsentanten einer unerwünschten „kulturellen Invasion“. Daß ferner die christlichen Missionare in ihrem Heimatlande zur Werbung von Mitteln für ihre Arbeit in China in Wort, Schrift und Bild vor allem Elend, Armut und Unbildung dieses Landes schilderten, wogegen sie Abhilfe schaffen wollten, und so eine sehr einseitige Vorstellung von China verbreiteten, hat viele Chinesen, die davon erfuhren, sehr erbittert. Gewiß waren alle diese traurigen Dinge im Libermaß vorhanden, aber sie stellten eben nur einen Aspekt dar, und die Chinesen waren hierfür besonders empfindlich.

Viele Missionare und sonstige Ausländer haben in ihrem Wirkungskreis in China Hervor-ragendes geleistet, nicht wenige durch ihr persönliches Verhalten vorbildlich gewirkt und sich manche Sympathie in ihrem engeren chinesischen Kreise erworben. Das allgemeine Ressentiment gegen die Ausländer als die bevorrechtigten Kolonialherren konnte dadurch nicht bereitigt werden. Ja, Tüchtigkeit und Leistungen von Ausländern, die die vieler Chinesen übertrafen, waren durchaus nicht immer dazu angetan, reine Sympathie hervorzurufen, sondern hatten — zumal bei den gebildeten Schichten — oft gerade die entgegengesetzte psychologische Wirkung. In die objektive Bewunderung und Anerkennung der Leistungen mischten sich nicht selten subjektiver Neid und Mißgunst. Dabei haben die Missionare, vom Bewußtsein des höheren Standes ihrer Kultur, Religion und Moral erfüllt, nicht immer die nötige Zurückhaltung gegenüber einheimischen Gewohnheiten und Empfindungen gewahrt und so durch ihr freundlich-mitleidvolles Herabsehen auf die „Heiden" bei den national-und kulturbewußten Chinesen oft mehr Unwillen hervorgerufen als die Geschäftsleute der Hafenstädte, die zum größten Teil ihr eigenes Leben unter sich führten und nur wenig Verbindung mit solchen chinesischen Kreisen hatten 48a).

4. Die chinesische Reaktion gegen die Abendländer

In den vorangehenden Abschnitten wurde versucht darzulegen, wodurch Erbitterung und Feindschaft weiter chinesischer Kreise gegen das Abendland und seine Vertreter in China hervorgerufen worden sind. Diese seit etwa hundert Jahren durch das oft verständnislose kurzsichtige Verhalten der Mächte oder auch nur einzelner Persönlichkeiten stets von neuem angefachte Erbitterung hat sich wiederholt in einer Reihe gewaltsamer Ausbrüche Luft gemacht. Dazu zählen neben zahlreichen kleineren Zwischenfällen, bei denen Fremde — insbesondere Missionare — und Einheimische den Tod fanden, z. B. das sogenannte Blutbad von Tientsin sowie vor allem der Boxeraufstand im Jahre 1900. Vorkämpfer eines aktiven Widerstandes gegen die Fremden waren bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts in erster Linie die konservativen Kreise der konfuzianischen Literaten. Die seit der Jahrhundertwende rasch anschwellende revolutionäre Bewegung sah in der regierenden Mandschu-Dynastie und im traditionellen politischen System die Hauptschuldigen an Chinas Unglück; im Kampf gegen diese suchte sie vom Westen zu lernen und sogar von ihm Unterstützung zu erlangen. Freilich empfanden auch die Revolutionäre unter Führung von Sun Yatsen aufs stärkste die Demütigungen und das Unrecht, die China von den fremden Mächten erleiden mußte. Sie meinten jedoch, eine solche Behandlung habe das herrschende Mandschu-Regime durch seine halsstarrige und reaktionäre Politik geradezu herausgefordert, und in dem Maße, wie sich das chinesische Staatswesen und seine Regierung den Erfordernissen der Zeit anpaßten, würden die Fremden allmählich freiwillig auf die „ungleichen Verträge" und ihre daraus resultierenden Vorrechte verzichten. Auch nach dem Sturz der Dynastie und der Errichtung der Republik im Jahre 1911 gründete Sun Yatsen seine Pläne zum Aufbau des Reiches auf eine großzügige politische und wirtschaftliche Unterstützung durch den Westen, um China in einen modernen Staat umzuwandeln. Das Verhalten der Mächte im weiteren Verlauf der Entwicklung, insbesondere 1915 bei den berüchtigten 21 Forderungen Japans, 1919 in Versailles und 1921/22 in Washington mußte aber Sun und seinen Anhängern deutlich machen, daß sie von falschen Voraussetzungen ausgingen und die Mächte weder für den selbständigen politischen und wirtschaftlichen Aufbau Chinas noch für die freiwillige Aufgabe irgendwelcher aus den „ungleichen Verträgen" herrührenden Vorrechte auch nur das geringste Verständnis offenbarten Wie anders zeigte sich dagegen die Haltung Sowjetrußlands, das nicht nur theoretisch für die Befreiung der asiatischen Völker von Kolonialherrschaft und Imperialismus des Westens eintrat, sondern auch damals praktisch auf alle Vorrechte verzichtete, die das zaristische Regime in China besessen hatte, wie z. B. auf die Exterritorialität und die russischen Niederlassungen in einer Reihe von Hafenstädten. Die russisch-orthodoxe Mission hatte niemals eine wesentliche Rolle gespielt So blickte in den zwanziger Jahren das revolutionäre China auf Sowjetrußland als den Freund und Vorkämpfer für Freiheit und Gleichberechtigung der unterdrückten Nationen, ohne sich jedoch deswegen dem Kommunismus zu verschreiben. Im Anschluß an den sogenannten „Zwischenfall vom 30. Mai (1925)" in Shanghai, wobei einige chinesische Studenten durch Schüsse englischer Polizei getötet wurden 50a), kam es in den Jahren 1925— 1927 zu einer ausgedehnten, insbesondere gegen England gerichteten anti-imperialistischen Bewegung; ihre wirksamste Waffe war der Boykott. Von dem 1925 und 1926 über Südchina verbreiteten Boykott wurden nicht nur englische Waren und Schiffe betroffen, sondern ein erheblicher Teil chinesischer Arbeiter und Angestellter englischer Unternehmen in der britischen Niederlassung Kantons und in der benachbarten Kolonie Hongkong, ja selbst bei Engländern tätiges Haus-personal verließen ihren Arbeitsplatz. Über ein Jahr dauerte der Boykott mit unverminderter Schärfe an und traf den englischen Chinahandel aufs schwerste. An vielen Plätzen kam es zu blutigen Zwischenfällen, die die Spannung verschärften. Bald nach der Übersiedlung der Nationalregierung nach Wuhan im Jahre 1926 drang die chinesische Volksmenge in die dortige britische Niederlassung ein und forderte ihre Rückgabe an China. Dank der Einsicht der Regierung in London — sie entsprach durchaus nicht den Wünschen der englischen Kaufleute in China — kam es zu keinem bedeutenden Zwischenfall. Kurze Zeit darauf wurde die britische Konzession in Kiukiang (am Yangtse) in ähnlicher Weise von den Chinesen zurückgenommen

Vorsorglicherweise waren alle Engländer, zumeist Missionare und Kaufleute, aus dem Inland evakuiert worden, und selbst die britischen Niederlassungen in den Hafenstädten wurden zum großen Teil von englischen Frauen und Kindern verlassen. Daß sich die chinesische Erbitterung in dieser Zeit in erster Linie gegen England richtete, hatte einmal seinen Grund darin, daß England die führende und tonangebende fremde Macht war und die meisten wirtschaftlichen und politischen Interessen in China hatte. Hinzu kam aber wahrscheinlich auch eine geschickte Beeinflussung durch die damals bei der chinesischen Nationalregierung tätigen sowjetrussischen Berater. Denn die russische Politik richtete sich zu jener Zeit vor allem gegen England und wollte England von den übrigen Mächten isolieren.

In engem Zusammenhang mit der a n t i -i m p e r i a 1 i s t i s c h e n Bewegung stand die a n t i -c h r i s 11 i c h e Bewegung. Sie begann bereits 1922 und erreichte 1925— 1927 ihren Höhepunkt. Beim Vormarsch der revolutionären Armee von Kanton über Wuhan und dann Yangtse-abwärts im Jahre 1926/27 kam es wiederholt zu Plünderungen von Missionseigentum und zu Ausschreitungen gegen ausländische Missionare. In vereinzelten Fällen wurden sogar Missionare getötet. Freilich ist die anti-christliche Bewegung hier kaum von der anti-imperialistischen zu trennen, und sie richtete sich daher wie jene in erster Linie gegen die angelsächsischen Missionen, was soviel bedeutet wie gegen die protestantischen Missionen, die meist in Händen von Engländern und Amerikanern waren. Im Zuge der Evakuierung Süd-chinas von Engländern verließen mehr als zweitausend Missionare, meist Engländer wie auch Amerikaner, das Land War vordem der Widerstand gegen das Christentum vorwiegend von traditionellen und konservativen Kräften ausgegangen, so übernahmen in den zwanziger Jahren die fortschrittlichen, revolutionären Elemente, vor allem Schüler und Studenten, die Führung im Kampf gegen die fremden Missionen.

In den vergangenen Abschnitten war versucht worden zu zeigen, daß die anti-christliche Einstellung weiter chinesischer Kreise bereits seit dem 19. Jahrhundert im Grunde nicht auf religiösen Erwägungen basierte und sich nicht gegen das Christentum als Religion richtete, sondern gegen die Träger des Christentums, eben die fremden Missionare und deren „kulturelle Invasion“ Chinas. Obwohl manche Chinesen aus rein religiöser Überzeugung Christen und deswegen nicht weniger „anti-imperialistisch“ als die Nicht-Christen waren, und wenn auch — wie z. B. Li Hung-d-tang — manche durchaus zwischen der christlichen Religion als solcher und ihren Trägern zu unterscheiden wußten, so verwischte sich doch für die meisten dieser Unterschied, und ein Kampf gegen die Missionare war gleichbedeutend mit einem Kampf gegen das Christentum. Nur in geringerem Maße spielen neben diesen nationalen, anti-kolonialen und anti-imperialistischen Motiven andere Faktoren mit. Zu diesen gehören vor allem die neuen Ideen der 4. -Mai-Bewegung (1919) von „Demokratie und Wissenschaft“.

Ihre Anhänger wollten zum größten Teil das Christentum im besonderen und die Religion im allgemeinen als unzeitgemäß, unfortschrittlich, unwissenschaftlich, sozusagen als Aberglauben abtun. Mit dem naiven Fortschrittsglauben, dem die meisten Vertreter der 4. -Mai-Bewegung huldigten, war Religion schlechthin unvereinbar 52a). Unbewußt mag hier auch die ausschließlich auf das Diesseits gerichtete, allen Jenseits-Vorstellungen abholde Gedankenwelt des konfuzianischen Literatentums mitgewirkt haben. Auch der Kommunismus spielte schon damals bei der antichristlichen Bewegung eine gewisse Rolle. Es ist kein Zufall, daß die Führer der chinesischen Kommunisten auch an der anti-christlichen Bewegung tätigen Anteil nahmen, und manches aus den Proklamationen anti-christlicher Organisationen war der kommunistischen Ideologie entnommen. Diese weltanschaulichen Faktoren verschwanden aber allmählich, und die antichristliche Bewegung ging schließlich ganz in der anti-imperialistischen auf. Das fand seinen Ausdruck auch darin, daß nicht nur die am Anfang abseits stehenden Schüler und Studenten von Missionsschulen, sondern auch die christlichen Studenten selbst an der Bewegung teilnahmen. Eine ihrer wesentlichen Forderungen war die sogenannte Erziehungshoheit, die ja schließlich auch erreicht wurde

Die Nationalregierung der Kuomintang hat nach der Übernahme der Regierung ganz Chinas und ihrer internationalen Anerkennung im Jahre 1927 mit Entschiedenheit ihren in der Revolutionszeit begonnenen Kampf gegen die „ungleichen Verträge“ und die fremden Vorrechte fortgeführt. Bereits 1928 konnte sie mit einer Reihe von Mächten neue Verträge auf grundsätzlich gleichberechtigter Basis abschließen. Mehrere Länder, wie Belgien, Italien, Dänemark, Portugal und Spanien, verzichteten darin ab 1. 1. 1930 auf die Exterritorialität ihrer Staatsangehörigen in China Deutschland hatte bereits in dem von China nicht unterzeichneten Versailler Friedensvertrage auf alle wesentlichen Vorrechte in China verzichten müssen und bestätigte dann diesen Verzicht im deutsch-chinesischen Friedensvertrag von 1921 Die Großmächte behielten sich freilich noch eine Anzahl grundlegender Vorrechte vor. Doch gelang es, in dem Jahrzehnt von 1927 bis 1937, der Nationalregierung, auf Verhandlungswege die fremden Niederlassungen in einer Reihe von Hafenstädten und das britische Pachtgebiet Weihaiwei zurückzuerlangen, gewisse Zugeständnisse hinsichtlich des Zolltarifs zu erreichen und den Verzicht auf andere Vorrechte in Aussicht gestellt zu bekommen, bis schließlich der zweite Weltkrieg die Mächte veranlaßte, auch auf ihre letzten Vorrechte zu verzichten und China als einen der „Vier Großen“ neben den USA, England und Rußland völliger internationaler Gleichberechtigung teilhaftig werden zu lassen

So gehören nach dem Kriege die „ungleichen Verträge“ der Vergangenheit an; China hatte die volle Souveränität und den größten Teil der seit den neunziger Jahren verpachteten oder verlorenen Gebiete zurückerhalten. Der unbefangene Beobachter hätte meinen können, daß daraufhin dem Anti-Imperialismus der Kommunisten nur noch offene Türen einzurennen blieben. Hätte der Krieg nicht chaotische Zustände in China geschaffen, sondern dem Lande und seinen Bewohnern eine ruhige Entwicklung und allmähliche Auswertung der neuen Situation ermöglicht, dann hätten sich vielleicht mit der Zeit ein Ausgleich und eine Normalisierung des Verhältnisses zwischen Abendländern und Einheimischen ergeben können, wie sie sich z. B. jetzt in Indien zu entwickeln scheinen. So waren aber einmal die Erbitterung über die Demütigungen der Vergangenheit und im übrigen das Ressentiment über die nicht in kurzer Frist von ein paar Jahren umstürzbare, seit Generationen aufgebaute und gewohnte Sonderstellung der Fremden noch stark genug, um sich den durch die kommunistische Propaganda hervorgerufenen Emotionen willig hinzugeben. In den während des Krieges von den Japanern besetzten Gebieten haben diese den Kommunisten durch ihre anti-westlich-imperialistische Propaganda wirksam vorgearbeitet. Die Japaner sahen sich als die Befreier Chinas, ja ganz Ost-und Südost-Asiens vom westlichen Imperialismus und versuchten die chinesischen Empfindungen gegen den Westen aufzustacheln. Praktisch führten sie den Chinesen vor, wie man den einzelnen Abend-länder in China diskriminieren und schikanieren konnte Freilich merkte damals jeder Chinese leicht, daß an Stelle des westlichen Imperialismus der für den einzelnen noch viel fühlbarere brutale japanische Imperialismus getreten war. Aber die japanische Propaganda bewirkte doch, daß für die Bewohner der besetzten Gebiete wenige Jahre später die anti-imperialistischen Parolen der Kommunisten nichts Neues mehr waren. Diesmal fielen sie auf fruchtbaren Boden; denn der Pferdefuß war nicht so offensichtlich wie bei der japanischen „Neuordnung in Ostasien“.

Bezeichnend für die gespannte Atmosphäre nach dem Kriege war die ungeheure Erregung in ganz China, als zu Weihnachten 1946 in Peking eine chinesische Studentin angeblich von einem amerikanischen Soldaten vergewaltigt worden sein sollte. Ungeachtet, daß die Amerikaner China von den Japanern befreit hatten, die amerikanischen Truppen auf ausdrücklichen Wunsch der chinesischen Regierung bis zum Abschluß der Repatriierung aller Japaner in China weilten und überdies tatsächliche Vergewaltigungen von Frauen durch chinesische Soldateska im eigenen Lande nichts Seltenes waren verschaffte sich eine starke anti-amerikanische Stimmung durch Studenten-Demonstrationen, Flugblätter usw. im ganzen Lande Luft. Selbst viele sonst ruhige und besonnene Chinesen wurden davon ergriffen Gewiß haben sich die damals gerade in Studentenkreisen geheim sehr aktiven Kommunisten eines solchen Zwischenfalles gern bemächtigt, aber die allgemeine Erregung war zunächst spontan. Die zumindest sehr kritische Einstellung weiter chinesischer Kreise gegenüber dem Abendlande, zumal den LISA, vor dem Sieg der Kommunisten zeigte sich aber nicht nur in diesem einen Vorfall. Schon vor 1948 liebten es die Behörden der Nationalregierung zuweilen, die Ausländer die chinesische Autorität fühlen zu lassen und zu zeigen, daß man jetzt Herr im eigenen Lande war. So mußten z. B. in Shanghai alle Ausländer, jedesmal wenn sie zum Wochenende oder sonst Shanghai verlassen wollten, ein besonderes Permit der chinesischen Polizei haben. Trotz aller militärischen und wirtschaftlichen Hilfe ging die Sympathie für die LISA auch in der Kuomintang und in dieser nahestehenden Kreisen mehr und mehr zurück. Schon während des Krieges hatten die unvergleichlich bessere Ausrüstung und Versorgung der als Bundesgenossen mit den Chinesen gegen die Japaner kämpfenden amerikanischen Truppen sowie die hohen Ansprüche der amerikanischen Soldaten und ihre geringe Fähigkeit, Entbehrungen zu ertragen — worin der chinesische Soldat unübertroffen ist _ nicht immer dazu gedient, die Amerikaner beim chinesischen Militär besonders beliebt zu machen. Die in den meisten Fällen wohl berechtigte, aber von den Amerikanern nicht immer sehr geschickt geäußerte Kritik an Korrup-tion, Inkompetenz und mangelnder Tüchtigkeit der chinesischen militärischen Führung hatte dort viel böses Blut gemacht So war in der Nationalen Armee während der der japanischen Kapitulation folgenden kritischen Jahre des Kampfes gegen die Kommunisten die Stimmung den USA nicht unbedingt günstig 61a). Sehr zum Rückgang der Sympathie gegenüber den LISA trug das Bekanntwerden der Yalta-Konferenz bei. Hier war ohne Zuziehung Chinas den Russen die Wiedergewinnung der im russisch-japanischen Kriege 1904/05 an Japan verlorenen Rechte in der Mandschurei an Dairen/Port Arthur und an der südmandschurischen Eisenbahn zugesichert worden, um die Sowjetunion zum Eintritt in den Krieg gegen Japan zu bewegen 61b). Die daraufhin erfolge Besetzung der Mandschurei durch Rußland ermöglichte es den chinesischen Kommunisten, beim Rückzug der Russen nach Kriegsende weite Gebiete der Mandschurei ungehindert zu besetzen und sehr wertvolles japanisches Kriegsmaterial zu erhalten, das die Russen ihnen in die Hände spielten.

1946 wurde General Marshall als Sonder-Botschafter nach China gesandt, um im Kampfe zwischen Nationalregierung und Kommunisten zu vermitteln. Zunächst wurden zwar durch die Bemühungen Marshalls und seines Stabes an vielen Fronten die Feindseligkeiten einstweilen eingestellt; schließlich scheiterte aber die Mission an den politischen Realitäten. Der vorübergehende Waffenstillstand wirkte sich militärisch vorwiegend für die Kommunisten günstig aus.

Dies sowie Marshalls Erklärung bei seiner Rückkehr in die Staaten Anfang 1947, worin er beide Seiten für den Fortgang des Bürgerkrieges verantwortlich machte 61c), rief in militärischen wie politischen Kreisen der Nationalregierung starke Kritik gegen die Amerikaner hervor. So war bei der Machtübernahme durch die Kommunisten die allgemeine Einstellung zu den USA durchaus nicht rein positiv, sondern weitgehend kritisch, wenn nicht gar negativ

Diese großenteils emotionell bedingte Stimmung gegen die USA und das Abendland im allgemeinen hat es nach Übernahme der Regie-rung durch die Kommunisten diesen leicht gemacht, mit ihrer Propaganda geschickt auf die vorhandene anti-westliche Einstellung in ihrem Sinne einzuwirken und ihre einschneidenden, diskriminierenden Maßnahmen gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Seit 1949 werden in zunehmendem Maße Ausländer des Landes verwiesen oder verhaftet und für tatsächliche oder angebliche Verstöße gegen die chinesischen Gesetze, zuweilen in Schauprozessen, meist aber unter Ausschluß der Öffentlichkeit verurteilt Gerichtsverhandlungen und Prozesse spielen sich dabei so ab, wie es nicht nur in kommunistischen Ländern üblich ist, sondern wie es seit vielen Jahrhunderten zumal in unruhigen Zeiten nicht selten auch in China geschah. Nach traditioneller chinesischer Rechtsgewohnheit kann niemand ohne Geständnis verurteilt werden Mißhandlungen aller Art wurden daher oft zur Erpressung von Geständnissen angewandt. Bei einem politischen Umsturz entledigte sich die siegreiche, herrschende Partei ihrer Gegner oft dadurch, daß sie sie zwang, von den neuen Machthabern aufgesetzte „Geständnisse" des Hochverrats zu unterschreiben, worauf sie nach dem Gesetz zum Tode verurteilt werden konnten Die westlichen Mächte haben durch das Bestehen auf der Konsulargerichtsbarbeit ihre Staatsangehörigen vor dieser Art von Prozessen zu schützen gesucht und gleichzeitig die chinesische Regierung angespornt, das chinesische Rechtswesen dem des Abendlandes anzugleichen, indem sie nach Vollendung dieser Angleichung den Verzicht auf die Exterritorialität und die Konsulargerichtsbarkeit in Aussicht stellten. Die Kommunisten haben durch die Außerkraftsetzung sämtlicher von der vorangehenden Nationalregierung erlassenen Gesetze ihren Willen bekundet, das in den letzten Jahrzehnten rezipierte Recht wieder abzustoßen Sie bestehen bewußt darauf, daß die Ausländer sich den traditionellen chinesischen Formen der Rechtsprechung zu unterwerfen haben. Daß diese Formen in man-eher Hinsicht denen der kommunistischen Länder entsprechen, macht ihre Anwendung erst recht selbstverständlich. Darüber hinaus sind die neuen Machthaber in China offensichtlich bestrebt, alle die Rechte der Ausländer zu beseitigen, die im 19. Jahrhundert von den Mächten mit Gewalt der widerstrebenden chinesischen Regierung gegenüber durchgesetzt wurden, so z. B. das Recht, im Lande zu reisen. Heute darf kein Ausländer den Platz, wo er lebt, ohne besondere polizeiliche Genehmigung verlassen. Nur in seltenen Ausnahmefällen bei sehr stichhaltigen Gründen wird die Genehmigung zu einer Reise in eine andere Stadt auf dem kürzesten, direkten Wege erteilt. Erholungsreisen oder Reisen im Land sind völlig unmöglich. Während früher bei Personal-und Zollkontrollen Ausländer meist überhaupt nicht angehalten oder mit Vorrang abgefertigt wurden, werden heute in der Regel zuerst alle Einheimischen und nicht-europäischen Ausländer abegefertigt; die Angehörigen westlicher Nationen müssen bis zuletzt warten.

Besonders schwer müssen die Missionare für die Fehler ihrer Vorgänger büßen. Oft ist es nicht genug damit, daß man das bewegliche und unbewegliche Eigentum der Missionare einzieht und die fremden Missionare — oft nach kürzerer oder längerer Inhaftierung — des Landes verweist. Darüber hinaus sucht man nicht selten durch öffentliche Diskriminierung gröbster Art den einzelnen Missionar vor der großen Menge der Bevölkerung aller persönlichen Würde zu entkleiden und verächtlich zu machen Dabei ist man gegen die katholischen Missionen oft schärfer als gegen die protestantischen: Nicht nur, weil die katholische Kirche in ihrer geschlossenen Organisation eine ganz andere Macht darstellt als die vielen, zersplitterten protestantischen Kirchen, sondern auch weil erstere in vielen Provinzen über ausgedehnten, vielfach an chinesische Christen verpachteten Grundbesitz verfügt und daher zusätzlich zu allem anderen die betreffenden Missionare auch noch als Grundbesitzer gelten. Die ihr Land nicht selbst bebauenden, sondern verpachtenden Grundbesitzer-sind der am meisten gehaßte Feind des chinesischen Kommunismus, gegen den bei der Durchführung der Landreform keine Nachsicht geübt wird Unter bewußter Bezugnahme auf die Ereignisse des 19. Jahrhunderts wird zumal gegen die zahlreichen katholischen Waisenhäuser sehr brutal vorgegangen Man wirft ihnen Mißhandlung der Waisenkinder vor, wobei sogar die alten Geschichten, daß die Fremden den Kindern die Augen ausstächen 70a), um daraus Medizin zu machen, wieder zu hören ge-wesen sein sollen. Überall ist man bestrebt, den Abendländer die chinesische Autorität fühlen zu lassen, zu zeigen, daß er allenfalls geduldet ist, aber keinerlei Rechte besitzt, sondern im Gegenteil ein Subjekt minderen Rechtes ist gegenüber dem Einheimischen sowie gegenüber den Angehörigen anderer asiatischer Nationen. Es darf nun freilich nicht angenommen werden, daß jeder Chinese begeistert und aktiv an Ausschreitungen gegen den einzelnen Fremden teilnimmt, ja oft wird er die Exzesse verurteilen und nur unter Zwang sich daran beteiligen. Aber von einem gewissen, wenn auch noch so geringen oder oft vielleicht sogar unbewußten Gefühl der Genugtuung über die Zurückweisung der Abendländer in ihre Schranken werden wohl nur sehr wenige Chinesen ganz frei sein.

Nicht so leicht, wie die Emotionen gegen die Abendländer im allgemeinen zu wecken waren, war und ist es für die kommunistischen Machthaber Chinas, die Sowjetrussen nicht nur von diesen Emotionen auszunehmen, sondern sie als die großen Freunde und Retter Chinas vom westlichen Imperialismus hinzustellen Der einzelne Russe galt im chinesischen Volk, soweit es mit solchen zu tun gehabt hatte, vielfach als besonders launisch und unberechenbar und war deswegen wenig beliebt. Die sowjetrussischen Berater zur Zeit der Zusammenarbeit zwischen Kuomintang und Kommunisten 192 5 bis 1927 blieben den chinesischen Verhältnissen fremd und verstanden es nicht, sich besondere Sympathien zu erwerben Ungewöhnliche Erbitterung haben aber die von der sowjetischen Soldateska bei ihrem Einmarsch in die Mandschurei im Jahre 1945 unter der dortigen Bevölkerung begangene Exzesse — Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen — hervorgerufen. Demi die Russen machten hier keinen Unter-schied zwischen dem Bevölkerungsteil der feindlichen Japaner und dem der alliierten Chinesen. Heute darf selbstverständlich offiziell nichts von diesen Vorfällen gesagt oder geschrieben werden; aber es hat doch anfangs in den kommunistischen Schulungskursen eines erheblichen Aufwandes an spitzfindiger Dialektik bedurft, um die Bedeutung dieser Vorfälle hinwegzuargumentieren. Wenn auch heute darüber geschwiegen wird, so ist doch nicht anzunehmen, daß diese Dinge vergessen sind. Das alte chinesische Sprichwort: „Dem Gentleman sind für die Rache auch zehn Jahre nicht zu spät“, gilt auch heute noch

Seit 1949 kommen sowjetrussische militärische und technische Berater in großen Mengen nach China. Die chinesische Regierung muß ihnen Gehälter zahlen, welche die der Chinesen oder sonstiger Ausländer in gleicher Stellung um ein Vielfaches übersteigen. Darüber hinaus genießen sie eine Vorzugsbehandlung in Verpflegung und Unterbringung. Freilich sind sie größtenteils gemeinsam in abgeschlossenen Anwesen untergebrächt, fahren gemeinsam zu ihrer Arbeitsstätte, gehen nur in geschlossenen Gruppen mit ihren besonders abgeordneten chinesischen Dolmetschern aus und haben keinen unmittelbaren Kontakt mit der chinesischen Bevölkerung. Eine gewisse Berührung mit chinesischen Arbeitskollegen und mit chinesischem Personal ist aber nicht gänzlich zu verhindern. Dabei soll das Verhältnis zwischen Sowjetrussen und Chinesen durchaus nicht immer sehr harmonisch sein. Dahin deutet z. B., daß im November und Dezember 1952, offensichtlich auf besondere höhere Weisung, in einer Serie von Berichten über die Aufbauarbeit in China die Verdienste der russischen Berater in den höchsten Tönen gepriesen wurden Es wurde sogar in Zeitungen außerhalb Chinas berichtet, daß bei einer Einheit der Luftwaffe Dispute zwischen Chinesen und Sowjetrussen über die unterschiedliche Behandlung in Verpflegung, Wohnung usw. in eine Schießerei ausgeartet seien, bei der eine Anzahl von Russen den Tod gefunden hätten. Ohne Rücksicht darauf, ob sich dieser Vorfall tatsächlich in dieser Form zugetragen hat, weist er doch in eine Richtung, wo sich sehr ernste Schwierigkeiten für die chinesisch-russische Zusammenarbeit ergeben können. Freilich ist die sowjetische Regierung bemüht, in der Öffentlichkeit alles zu vermeiden, was das chinesische Selbstgefühl kränken könnte. Die Chinesen sind aber zu sehr Realisten, um trotz aller kommunistischen Schulung auch bei voller Loyalität zum Kommunismus eine der kommunistischen Theorie im Grunde klar widersprechende ungleiche Behandlung nicht zutiefst zu empfinden. Der Nationalismus ist einer der Hauptfaktoren, die in China den Kommunismus an die Macht gebracht haben. Noch gehen Nationalismus und Kommunismus zusammen. Werden sie es auch in Zukunft immer tun können?

Fussnoten

Fußnoten

  1. Der Ausdruck „ungleiche Verträge'“ (chines. pu p’ingteng t’iao-yüeh) für die einseitigen, von den fremden Mächten seit 1842 bis zum 20. Jahrhundert China aufgezwungenen Verträge stammt erst aus der Regierungszeit der Kuomintang vom Ende der zwanziger Jahre. Vgl. Töyö rekishi daijiten VII (Tokyo 1937— 39) S. 425/26.

  2. Die ausführlichste und dabei um Unparteilichkeit bemühte Gesamtdarstellung der chinesisch-abendländischen Beziehungen von 1834— 1911 ist das große Werk von H. B. Morse, The International RElations of the Chinese Empire, 3 Bde. (Shanghai 1910— 1918). Es hat bei dem folgenden Überblick als Grundlage gedient. — Gleichfalls sehr ausführlich, insbesondere für die Beziehungen zwischen Frankreich und China, aber weniger unparteiisch vom ausgesprochen französischen Standpunkt aus geschrieben ist das Werk von H. Cordier, Histoire des relations de la Chine avec les puissances occidentales 1860— 1902, 3 Bde. (Paris 1901— 1902).) Die spätere Zeit behandelt, mit besonderer Berücksichtigung der -Verknüp fung der Ostasien-Politik mit der in Europa. O. tto Franke in seinem Buch: Die Großmächte in Ostasien von 1894 bis 1914 (Hamburg 1923). Darüber hinaus liegen zahlreiche Einzelstudien über bestimmte Epochen und besondere Fragen vor.

  3. Die eingehendste umfassende Darstellung dieser Art ist das Werk von K. S. Latourette, A History of Christian Missions in China (New York 1929). Der Verfasser ist um ein kritisches und unparteiisches Urteil bemüht, kann sich jedoch nicht immer völlig vom Standpunkt der amerikanischen, protestantischen Mission freimachen. Sein Werk enthält eine sehr wertvolle, ausführliche Bibliographie.

  4. Vgl. hierzu Otto Franke, Der chinesische Staatsgedanke und seine Bedeutung für die abendländisch-chinesischen Beziehungen, in: Ostasiatische Neubildungen 1911) (Hamburg S. 1— 19. Charakteristisch für den chinesischen Standpunkt ist folgender Vorfall: Im Jahre 1839 zu Beginn des Opium-Konfliktes war in einem Schreiben der Engländer an den chinesischen Generalgouverneur in Kanton von „the maintenance of the peace between the two countries (i. e. China and England)" die Rede. In der Antwort des Generalgouverneurs vom 25. 3. 1839 finden sich die folgenden Sätze: • ... In regard to the style of the address, there is much that cannot be understood. Thus, for instance, the words , the two countries’, I know not the meaning of. While our Celestial Court has in humble Submission to it ten thousand i. e. all) regions, and the heaven-like goodness of the great Emperor overshadows all, the nation aforesaid and the Americans have, by their trade at Canton during many years, enjoyed, of all those in subjection, the largest measure of favors. And I presume, it must be England and America, that are conjointly named , the two countries*. But the meaning of the language is greatly wanting perspicuity.“ Vgl. Correspondence relating to China, in: Blue Books 36 (1840) S. 369 (Übersetzung von J. Rob. Morrison).

  5. Die Frage wäre einer eingehenden Untersuchung wert, die bisher noch nicht angestellt ist. Ein Hinweis findet sich z. B. bei Staunton, Penal Code of China (London 1810) S. 515 ff.

  6. Vgl. O. Franke, Zur Geschichte der Exterritorialität in China, in: Sitzungsber. Preuß. Ak. d. Wiss, 53-55. Phil. -hist. Kl. (Berlin 1935) insbesondere S. Ferner Chiang T‘ing-fu, Chung-kuo yü chin-tai shihchieh ti ta pien-chü (ed. Tsinghua University 1934) S. 37.

  7. Zur Frage der Zollautomonie vgl. S. F. Wright, China’s Struggle for Tarifs Autonomy. 1843- 1938 (Shanghai 193 8). - Zur Entstehung und Organisation des Seezolls vgl. H. Cordier, Les dounes imperiales maritimes chinoises, in: Toung Pao Ser. 2, 3 (1902) S. 222- 240.

  8. Vgl. z. B. Wilhelm Wagner, Aufenthalt und Niederlassung Fremder in China (Berlin 1918).

  9. Vgl. Latourette, op. cit. Anm. 3, S. 279— 281, 305— 313, 421— 423. In manchen Gebieten, zumal bei den Aborigines Südwest-Chinas hat sich diese besondere Stellung des Missionars als eine Art Richter bis in die jüngste Zeit erhalten. Vgl. H. S t ü b e 1 und I.de B e a u c 1 a i r. Ein Dorf der Ta-hua Miao in Yünnan, in: Mitteilungen det Gesellschaft für Natur und Völkerkunde Ostasiens 37 (Hamburg 1954) S. 32, 33, 39, 41, 48 und 49.

  10. L a t o u r e 11 e , op. cit. Anm. 3, S. 346— 356. 466 bis 476.

  11. Die Klausel findet sich lediglich im chinesischen, nicht aber im französischen Text der Convention. Vgl. Treaties, Conventions, op. cit. Anm. 16, S 888; Morse, op. cit. Anm. 2, S. 615 f. Die Frage ist eingehend behandelt, allerdings stark tendenziös vom französisch-katholischen Standpunkt der damaligen Zeit aus, bei Gaillard, Nankin port ouvert, in: Varietes Sinologiques 18 (Shanghai 1901) 162— 172.

  12. Artikel 14. Vgl. Treaties, Conventions, op. cit. Anm. 16, S. 755.

  13. Vgl. z. B. Merkel, G. W. v. Leibniz und die China-Mission (Leipzig 1920) S. 1 ff.; O. F r a n k e , Leibniz und China, in: Zeitschr. d. Deutsch. Morgenl. Ges. N. F. 7 (Leipzig 1928) S. 15 5— 178, oder: Aus Kultur und Geschichte Chinas (Peking 1945) S. 313— 330.

  14. Vgl. O F r a n k e, Ostasiatische Neubildungen (Hamburg 1911) S. 64.

  15. Vgl. Latourette, op. cit. Anm. 3, S. 421.

  16. Vgl. O. F r a n k e , op. cit. Anm. 23, S. 65, Anm. 1. Eine auch heute im Volksmunde nicht unbekannte Bezeichnung der Abendländer ist mao-tzu, die Haarigen. Chinesische Christen oder andere Chinesen, die engere Beziehungen zu Abendländern hatten, wurden erh-mao-tzu, „Die zweiten Haarigen“ genannt. Der Ausdruck wurde besonders während des Boxeraufstandes viel gebraucht, wird aber auch im kommunistischen China gelegentlich wieder gehört.

  17. Morse, op. cit. Anm. 2, Bd. 2, S. 220 f.

  18. Ebd.

  19. O. Franke, op. cit. Anm. 23, S. 65 f. Text der Denkschriften sowie der Antworten der fremden Vertreter bei Cordier, op. cit. Anm. 2, 1, S. 417— 445.

  20. Latourette, op. cit. Anm. 3, S. 472; O. Franke, op cit. Anm. 23, S. 65; The Anti-Foreign Riots in China in 1891, in: North Ghina Herald (Shanghai 1892) S. 226.

  21. Vgl. F e n g D j e n D j a n g , The Diplomatie Rela-tions between China and Germany since 1898 (Shanghai 1936) S. 39 ff.; Norem, Kiaochow Leased Territory (Berkeley 1936) S. 6 f.

  22. Latourette, op. cit. Anm. 3, S. 519— 526.

  23. O. F r a n k e , op. cit. Anm. 23, S. 168— 170.

  24. O. Franke, Die Missionar-Frage in China, ebd., S. 171-175.

  25. China wurde eingeteilt in 20 Erzbistümer mit 79 Bistümern und 30 Apostolischen Präfekturen. Vgl. Zeitschrift f. Missionswissenschaft (Münster 1947/48) S. 3 5 ff. Insgesamt zählte China 1950 etwa dreieinviertel Millionen Katholiken (vgl. Agenzia Internationale Fides, Le missione cattoliche [Roma 1950]) und etwa eine halbe Million Protestanten (vgl. World Christian Handbook [London 1952]), zusammen also noch kaum 1 °/o der Gesamtbevölkerung Chinas.

  26. Das wird eingehend ausgeführt z. B. in der pro-grammatischen Abhandlung von Pater F. Legrand. Apostolat intellectuel in Chine, in: Collectanea Commissionis Synodalis in Sinis (Peking 1944) S. 269— 303; (ebd 1945) S. 22— 62. Ein Beispiel für die neue Haltung zur chinesischen Kultur ist die Bestrebung aus dem traditionellen chinesischen Kunststil mit christlichen Motiven eine chinesisch-christliche Kunst zu schaffen. Vgl. z. B. ebd. (1937) 1 und 6, und laufend in der gleichen Zeitschrift.

  27. Sehr zutreffend äußerte bereits 1906 O. Franke: „Die Missionar-Frage ist an den amtlichen Stellen in Europa mit einer Gleichgültigkeit behandelt worden, die zu ihrer Wichtigkeit in einem starken Mißverhältnis steht, und die nur erklärlich ist durch die mangelhafte Kenntnis der Grundlagen und des Charakters des chinesischen Staatswesens. Es ist der größte, hartnäckigste und folgenschwerste Fehler gewesen, den die abendländische Diplomatie China gegenüber begangen hat, und zwar ein Fehler, dessen sich die Großmächte trotz aller pathetischen Erklärungen vom Gegenteil allesamt schuldig gemacht haben, daß man die Missionare als Werkzeuge für politische Bestrebungen und als Träger politischen Einflusses gebraucht hat. Ein solches System mag in anderen Erdteilen von Nutzen gewesen sein, in China hat es sich als verderblich erwiesen: es ist zu einer Quelle des Mißtrauens, des Hasses und unzähliger Greueltaten geworden, der Ausbreitung der christlichen Lehre aber hat es eine Wunde geschlagen, von der sie nicht wieder genesen wird." (Ostas. Neubildg., S. 174 f.) Die in den letzten Worten enthaltene Voraussage scheint in den Ereignissen der letzten Jahre ihre Bestätigung gefunden zu haben.

  28. Zitiert nach: Memoiren des Vizekönigs Li Hung Tschang. Ins Deutsche übertragen von Gräfin M. v o m Hagen (Berlin 1915) S. 56. — Die Übersetzung scheint in Einzelheiten fehlerhaft zu sein. Der chinesische Original-text ist mir leider nicht zugänglich.

  29. HsiaoChün, Shui-ling shan tao, in: Ming chia chin tso chi (1936) S. 219 f.

  30. Vgl. Pascal M. D’Elia, Le Triple Dmisme de Suen Wen (Shanghai 1930) S. 42 f.

  31. S. unten, Anm. 54, S. 35 3.

  32. Der Text des amerikanisch-chinesischen Vertrages von 1943 findet sich in dem 1949 vom Department of State herausgegebenen Buche: United States Relations with China, S. 514— 519. Artikel 1 enthält den Verzicht auf die Exterritorialität amerikanischer Staatsbürger in China. Ein ähnlicher Vertrag wurde im gleichen Jahre zwischen England und China abgeschlossen.

  33. Die hier und im folgenden angeführten Beispiele beruhen — soweit keine besonderen Quellen angeführt sind — auf eigenen Beobachtungen und Erfahrungen des Verfassers während seines Aufenthaltes in China von 1937 bis 1950.

  34. Um die gleiche Kaufkraft zu erzielen, benötigt ein in chinesischen Verhältnissen nicht erfahrener Ausländer freilich eine höhere Summe als ein Chinese. Der grundsätzliche Unterschied in der Bezahlung ging aber weit hinaus über den auch in anderen Ländern üblichen Ausgleich dieser Diskrepanz in der Kaufkraft wie auch gewisser zusätzlicher Bedürfnisse des an die einheimischen klimatischen und sonstigen Lebensverhältnisse nicht gewöhnten Ausländers.

  35. Eine solche Ausnahme ist z. B.sehr eindrucksvoll geschildert in dem Buche von Nora Wain, The House of Exile. Deutsche Übersetzung: Süße Frucht, bittre Frucht — China (Hamburg 1949).

  36. In den letzten Jahrzehnten haben die katholischen Missionare, sofern sie als einzelne in der Provinz lebten, sich in der Lebensweise zum Teil stark ihrer chinesischen Umwelt angepaßt und dadurch einen engen Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung erhalten. Die mit ihrer Familie lebenden protestantischen Missionare hafteten stärker an ihrer europäischen oder amerikanischen Lebensweise und fanden dadurch oft nur schwer näheren Kontakt mit ihrer chinesischen Umwelt.

  37. Vgl. Fritz Fischer, Geschichtsbewußtsein in den LISA. Vortrag in der Joachim-Jungius-Gesellschaft (Hamburg 2. 12. 1953); der Vortrag wird im Druck erscheinen.

  38. Vgl. Latourette, op. cit. Anm. 3, S. 441 ff., 622 ff.

  39. Vgl. Wen-han Kiang, op. cit. Anm. 46a, S. 87 ff.; T. and S. Yamamoto, The Anti-Christian Movement in China, 1922— 27, in: Far Eastern Quarterly 12, 2 (1953) S. 140.

  40. Vgl. W. Franke, Die Stufen der Revolution in China, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 2 (1954) S. 164 ff.

  41. Vgl. Latourette, op. cit. Anm. 3, S. 486 f., 566, 741 f.

  42. 1928) S. 181— 189, 226-236.

  43. Vgl. Yamamoto, op. cit. Anm. 48, S. 133— 147.

  44. Vgl. Yamamoto, op. cit. Anm. 43; W. Franke, op. cit. Anm. 49, S. 171.

  45. Die betreffenden Verträge sind 1929 von der chinesischen Regierung in westlicher und chinesischer Sprache herausgegeben unter dem Titel: Sino-Foreign Treaties 1928.

  46. Artikel 128— 134.

  47. Vgl. Feng Djen Djang, op. cit. Anm. 30, S. 202— 205.

  48. Vgl. Anm. 41

  49. Das betraf vor allem die Engländer, Amerikaner und sonstigen Alliierten vor dem 8. Dezember 1941, ehe sie von den Japanern interniert wurden.

  50. Eine Ausnahme bildeten hier allerdings die chinesischen kommunistischen Truppen, die außerordentlich gut diszipliniert waren und bei denen jede Ausschreitung dieser Art aufs schwerste, oft mit dem Tode geahndet wurde.

  51. Nach den chinesischen Zeitungsberichten über den folgenden Prozeß vor dem amerikanischen Militärgericht mit chinesischen Beisitzern schien eine Vergewaltigung äußerst unwahrscheinlich. Trotzdem sah sich das Gericht in Anbetracht der aufgeregten Stimmung in studentischen und akademischen Kreisen ganz Chinas genötigt, den Angeklagten zu lebenslänglichem Zuchthaus zu verurteilen und ihn zur Abbüßung der Strafe sofort nach Amerika abtransportieren zu lassen. Nach etwa einem Jahre wurde dort das Urteil aufgehoben und der betreffende Soldat rehabilitiert. Die Nachricht davon ging kurz durch die chinesischen Zeitungen, ohne daß ihr größere Bedeutung geschenkt wurde. In diesem Falle hatten die Amerikaner wohlüberlegt im entscheidenden Moment das Gesicht der Chinesen zu respektieren gewußt.

  52. So z. B. die starke Verstimmung von Chiang Kaishek und seiner Umgebung während der militärischen Mission des Generals Stillwell. Die Vorgänge sind anschaulich dargestellt in dem Buche der amerikanischen Journalisten T h. White und A. Jacoby. Thunder out of China, deutsch: Donner aus China (Stuttgart-Hamburg 1949). Vgl. auch Joseph W. S t i 11 w e 11, The Stillwell Papers (London 1949).

  53. Die Gründe für den schweren Rückschlag der amerikanischen Politik in China sind nüchtern und ohne Ressentiment eingehend dargestellt in dem Kapitel über China („The great Ameritan Defeat") bei K. S. Latourette, The American Record in the Far East 1945— 1951 (New York 1952) S. 88— 138. Der Verfasser berücksichtigt in erster Linie politische Elemente, zu denen die im Laufe dieser Arbeit dargelegten psychologischen hinzukommen. Das gesamte offizielle Material bis 1949 ist in dem in Anm. 61b genannten Werk zusammengestellt.

  54. In großer Aufmachung erschien in den chinesischen Zeitungen z. B. das Verfahren gegen den Italiener Riva, den Japaner Yamaguchi und andere in Peking lebende Ausländer wegen angeblicher Spionage und angeblicher Vorbereitung eines Attentates auf die kommunistischen Führer. Riva und Yamaguchi wurden erschossen, die anderen Beteiligten zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt. Vgl. Jen-min jih-pao (vom 18. 8. 1951). Über einen ähnlichen Fall in Tientsin vgl. Hsin hua yüeh-pao 18 (April 1951) S. 1242— 1244. Die meisten, möglicherweise sogar alle in diesen Prozessen Verurteilten wurden vor Ablauf der erkannten Strafe im Laufe des Jahres 1954 freigelassen und des Landes verwiesen.

  55. Vgl. G. A. Kennedy, Die Rolle des Geständnisses im chinesischen Gesetz (Berlin 1939) S. 12.

  56. Als z. B. i. J. 1457 durch den mit einem Thronwechsel verbundenen Umsturz ein verdienter, führender Staats-man mit einer Reihe seiner Mitarbeiter von seinen siegreichen Gegnern unter nichtigen Vorwänden des Hoch-verrats angeklagt worden war, legte man ihnen ein „Geständnis” zur Unterschrift vor. Einer der Mitangeklagten versuchte die Grundlosigkeit der Beschuldigung nachzuweisen und sich zu rechtfertigen, der Hauptangeklagte aber bemerkte nur: „Es ist ja die Absicht von . . . und Genossen, uns zu töten: was hat es da Sinn, sich zu verteidigen!“ Bei den heutigen Prozessen dürfte es kaum anders zugehen. Vgl. W Franke, Ein Dokument zum Prozeß gegen Yü Ch‘ien i. J. 1457, in: Studia Serica 6 (Chengtu 1947) S. 195.

  57. Vgl. K. Bünger. Die Rezeption des europäischen Rechts in China, in: Deutsche Landesreferate'zum III. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung (London 1950) S. 166 ff.

  58. Reichhaltiges Material über das Vorgehen der chinesischen Kommunisten gegen die katholischen Missionen findet sich in der bis 1949 in Shanghai und seitdem in Hongkong erscheinenden Zeitschrift „China Missionary (seit Oktober 195 3 unter dem Titel „Mission Bulletin“).

  59. Vgl. W. Franke, op. cit. Anm. 49, S. 173 ff.

  60. Zum Bispiel das oben erwähnte Blutbad von Tientsin i. J. 1870.

  61. Vgl. z. B. Hsin hua yüeh-pao 19 (Mai 1951) S. 58 f. und Jen-min jih-pao (vom 9. 3. und 29. 7. 1951).

  62. Vgl. z. B. B. B o d d e, op. cit. Anm. 61a, S. 156/78)

  63. Vgl. E. Snow, Red Star over China (New York 1938) S. 147 f.; R. P a y n e , Mao Tse-tung, Ruler of Red China (New York 1950) S. 87, 97; B. Schwartz, Chinese Comunism and the Rise of Mao (Cambridge, Mass. 1952) S. 81.

  64. Chün-tzu fü ch 'ou, shih nien pu wan.

  65. Vgl. Jen-min jih-pao (vom 3.. 4., 5., 6., 9., 11., 13., November und 1., 3., 5„ 6., 7„ 13., 18. Dezember 1952). Wenn in der staatlich gelenkten, offiziellen kommunistischen Presse Chinas, abgesehen von tagespolitischen Dingen, in einem kurzen Zeitraum sich Artikel über eine bestimmte Frage häufen, so liegt dafür stets ein besonderer

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