Vortrag, gehalten anläßlich der Universitätswoche vom 6. — 8. Januar in Berlin.
Unsere heutige Diskussion findet vor einem kritischen Publikum statt. Ich könnte mir schon vorstellen, daß unsere Studenten aufmerksam darauf achten, daß ihre Dozenten nicht in den Fehler verfallen, der so häufig bei der Kritik von tlbungs-, Seminar-und Examensarbeiten gerügt wird: nämlich daß der Verfasser „das Thema verkannt hat“ oder „von dem Thema abgewichen ist“. Linser Thema lautet: akademische Erziehung und politische Berufe und wir sollten es scharf von einem anderen Problem abgrenzen, das uns nicht minder nahe am Herzen liegt: dem Verhältnis von Universität und politischer Bildung. Um zu vermeiden, daß die Diskussion sich ins Uferlose verliert, schlage ich vor, die Erörterung der Frage auszuschalten, ob und inwieweit die Universität dazu beitragen kann, Kenntnis und Verständnis auf politischem Gebiet all denen zu übermitteln, die beabsichtigen, sich den traditionellen akademischen Berufen zu widmen. Unser heutiges Anliegen ist die akademische Bildung derer, die sich nicht nur in ihrer Eigenschaft als Staatsbürger, sondern hauptamtlich — beruflich — mit Politik zu beschäftigen beabsichtigen.
Ich möchte auch anregen, die Erörterung der Frage, w o dies zu geschehen hat, bei unserer Diskussion auf sich beruhen zu lassen. Es ist für den Unterrichtsbetrieb gewiß wichtig, ob eine etwaige Erziehung zu politischen Berufen an der LIniversität oder an einer akademischen Spezialhochschule, wie der Hochschule für Politik, oder sowohl an der LIniversität als auch an der Hochschule vorgenommen werden soll. Im Vergleich zu dem „ob“ und „wie“ einer akademischen Ausbildung zu politischen Berufen ist das „wo“ jedoch von untergeordneter Bedeutung.
Gesetzt, wir gelangen zu dem Ergebnis, daß eine akademische Erziehung für Angehörige politischer Berufe erstrebenswert sei, bleibt noch immer zu erörtern, ob der theoretischen Einsicht in diese Notwendigkeit die paktische Bereitschaft entspricht, dieser Notwendigkeit Rechnung zu tragen. Die Theoretiker unter uns sollten zu der Frage Stellung nehmen, ob diese Bereitschaft auf Seiten der akademischen Unterrichts-Stätten, die Praktiker unter uns, ob diese Bereitschaft auf Seiten der Angehörigen der politischen Berufe vorhanden ist. Lim unserem Thema gerecht zu werden, sollten wir uns jedoch nicht mit dem wechselseitigen Mißtrauen zwischen Berufspolitikern und Akademikern auseinander-setzen — auch dieses Problem existiert — sondern mit einer engeren Frage: Wir sollten erörtern, ob es angezeigt erscheint, den professionellen Politikern eine Ausbildungsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen, die neben — und zum mindesten teilweise an Stelle — derjenigen akademischen Erziehung tritt, die die deutschen Hochschulen traditionsgemäß als geeignete Vorbereitung zur politischen Betätigung angesehen haben: also vornehmlich dem historischen, juristischen und volkswirtschaftlichen Studium. Von der Soziologie möchte ich in diesem Zusammenhang nur mit einer gewissen Zurückhaltung sprechen. Es besteht in Deutschland kaum eine Tradition für die akademische Ausbildung von Soziologen. Soziologie und Politologie sind Leidensbrüder. Als Vertreter der Wissenschaft von der Politik schaue ich voller Bewunderung und Neid auf die Bemühungen der Vertreter der soziologischen Wissenschaft, für die Soziologie die Anerkennung der Geichberechtigung mit den traditionellen Wissenschaften zu erhalten. Die Energie, mit der diese Bemühungen unternommen werden, erweckt meine Bewunderung — der mangelnde Erfolg erzeugt keinen Neid.
Das uns gestellte Diskussionsthema gestattet nur insoweit eine Erörterung der theoretischen und methodologischen Grundlagen der Wissenschaft von der Politik als diese Fragen in unmittelbarem Zusammenhang mit der akademischen Erziehung zu Berufen stehen, für die die Wissenschaft von der Politik als geeignete Ausbildungsmöglichkeit in Betracht gezogen werden kann. Linser Anliegen ist die empirische Verwertbarkeit, nicht die theoretische Rechtfertigung der Politologie. „Zur Methodik wird nur der getrieben, dem die Empirie lästig wird“, heißt es in Goethes Maximen und Reflexionen. Die sich aus unserem Thema ergebende Selbstbeschränkung bedeutet jedoch keineswegs, daß methodische Probleme als zweitrangig abgetan werden sollten. Ebensowenig wird übersehen, daß die Wissenschaft von der Politik neben der heute zu behandelnden Fragestellung empirischen Charakters auch eine bedeutsame theoretische Funktion im Rahmen des Gesamtsystems der Geistes-wissenschaften zu erfüllen hat. Politik ist die Kunst des Möglichen Der Widerstand, den manch einer von Ihnen instinktiv gegen den Gedanken einer akademischen Spezialausbildung für politische Berufe empfinden dürfte, kann auf zwei Ursachen zurückgeführt werden: die eine ist in dem Zweifel zu suchen, ob man Politik „lernen“ kann, der anderen liegt das Mißtrauen zugrunde, das gegen den professionellen Politiker generell besteht.
Politik, so lautet das viel zitierte Bismarckwort, ist die Kunst des Möglichen. Die Kennzeichnung der Politik als einer Kunst scheint anzudeuten, daß der wahre Staatsmann sehr viel weniger auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnisse als vielmehr im Einklang mit einer künstlerischen Intuition zu handeln hat. Wir müssen uns daher mit dem Einwand auseinandersetzen, daß eine akademische Erziehung für politische Berufe aus dem doppelten Grunde ungeeignet ist, daß die Ausbildungsmethoden einer Hochschule für die Alltagsarbeit des politischen Routiniers, um es einmal ohne alle Umschweife zu sagen, zu hoch, für die schöpferische Leistung eines Staatsmannes jedoch nicht hoch genug sei.
An diesem Einwand ist zum mindesten so viel richtig, daß keine akademische Erziehung, wie immer sie auch gestaltet sein mag, geeignet ist, Staatsmänner hervorzubringen. Zum Staatsmann ist man ebenso wie zum Künstler geboren. Keine Musikhochschule kann Komponisten ausbilden, vergleichbar mit dem Bemühen einer Handelshochschule oder der volkswirtschaftlichen Fakultät einer Universität, Bücherrevisoren heranzubilden. Dies schließt jedoch nicht aus, daß man an der Musikhochschule Kompositionslehre studieren kann. Ein erfolgreiches Studium der Kompositionslehre allein macht noch keinen Komponisten. Aber niemand kann Komponist werden, der nicht erfolgreich Kompositionslehre studiert hat.
In der Demokratie wird niemand zum leitenden Staatsmann ausgebildet. Der leitende Staatsmann wird in der Demokratie nicht ausgebildet sondern auserwählt. Gerade hierdurch unterscheidet sich die Demokratie von der traditionalen und von der charismatischen Herrschaftsordnung. Die traditionale Herrschaftsordnung hatte ihre Ritterakademien, die charismatische Herrschaftsordnung ihre Ordensburgen. Das demokratische Legitimitätsprinzip schließt den Gedanken, daß an Ritter-akademien die „edelsten der Nation“ zu Staatsmännern ausgebildet werden können ebenso aus wie die Vorstellung, daß die „rassisch wertvollsten Elemente des Volkes" auf Ordensburgen zu einer Elite abgerichtet werden. Ausgangspunkt unserer Diskussion sollte das „hic et nunc“ der rechtsstaatlichen antitotalitären Demokratie sein, wie sie sich im modernen Verfassungsstaat der westlichen Welt im Verlauf der letzten Jahrzehnte als ein in vielen Abschattierungen bestehender Normal-typ entwickelt hat. Indem wir in den Räumen dieser Freien Universität uns zu dem Gedanken des antitotalitären Staats bekennen, lassen wir keinen Zweifel daran aufkommen, daß wir dem Staatsapparat kein Monopol zur Regelung der geistigen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zugestehen. Da wir alle vorbehaltlos den bestehenden Staat bejahen, sind wir nicht bereit, die Austragung der nun einmal in jeder Gesellschaft unvermeidlichen Machtkämpfe in jene undurchsichtige Sphäre zu verbannen, in der sich Cliquenstreitigkeiten, Diadochenkämpfe und Hofintriguen abzuspielen pflegen. Wir bekennen uns zu der Existenz einer kraft Verfassungsrechts unverbrüchlich geschützten staatsfreien Sphäre und zu dem Axiom, daß die Bildung des Staats-willens abhängen muß von der öffentlichen, freien, echten Auseinandersetzung miteinander konkurrierender autonomer Gruppen, die um die Beeinflussung der politischen Haltung und der politischen Entscheidung des einzelnen Bürgers ringen. Seiner Natur nach ist der antitotalitäre Staat ein pluralistischer Staat. Er ist zugleich bescheidener und anspruchsvoller als sein Widerpart, der totalitäre Staat: bescheidener, weil er von der Annahme ausgeht, daß alle politischen Werte als diesseitige Werte nur eine relative Gültigkeit beanspruchen können, anspruchsvoller, weil er von jedem seiner Bürger die innere Disziplin beansprucht, frei zwischen einer Vielzahl von Entscheidungsmöglichkeiten zu wählen, deren Berechtigung solange unangefochten bleibt, als sich die Träger der um die Verwirklichung ihrer Ziele kämpfenden Gruppen ohne inneren und äußeren Vorbehalt an die demokratisch rechtsstaatliche Verfassungsordnung gebunden halten.
Mit dieser Feststellung ist aber bereits die Entscheidung vorweggenommen, wie wir den für unsere Diskussion ausschlaggebenden Begriff des politischen Berufs von anderen Berufen abgrenzen sollen. Es wäre unfruchtbar, alle diejenigen Berufe in den Bereich unserer Erörterungen einzubeziehen, die irgendwie mit dem Staat im Zusammenhang stehen, d. h. von dem „polis" Begriff auszugehen. Wir wollen die seit Jahrzehnten nicht abbrechende Diskussion über die Reform des juristischen Studiums ebenso auf sich beruhen lassen, wie wir generelle Erörterungen über die Ausbildung von Beamten unterlassen sollten. Der Begriff des politischen Berufs muß enger — politischer — gefaßt werden.
Hieraus ergibt sich aber, daß in dem demokratischen Verfassungsstaat der Gegenwart —»wenn einmal von der Außenpolitik abgesehen wird — Politik den Konkurrenzkampf autonomer gesellschaftlicher Gruppen um die Gestaltung des Staatswillens darstellt. Dieser Kampf um die Macht findet nicht nur alle vier Jahre aus Anlaß von parlamentarischen Wahlen statt; er manifestiert sich im Parlament in den Auseinandersetzungen zwischen Mehrheit und Opposition, außerhalb des Parlaments in dem Kampf, der sich ohne Unterlaß um die Beeinflussung der öffentlichen Meinung abspielt und sich nicht nur auf politische Fragen im engeren Sinne sondern auf das gesamte Wirtschafts-, Sozial-und Kulturleben erstreckt.
Im demokratischen Verfassungsstaat tritt das „politische“ an der Nahtstelle zwischen Staat und Gesellschaft in Erscheinung. Den autonomen Gruppen — den Parteien, den Gewerkschaften, den Interessen-verbänden, Kulturbünden, Frauen-und JugendVereinigungen und wie sie alle heißen mögen — liegt es ob, gesellschaftlich gebildetes Denken und Wollen in staatliches Handeln zu transponieren und gleichzeitig staatliches Handeln im gesellschaftlichen Bewußtsein lebendig zu machen und zu erhalten. Aufgabe des demokratischen Politikers ist es, gesellschaftliche in staatliche und staatliche in gesellschaftliche Energie zu transformieren. Politik im demokratischen Sinne ist nur möglich, wenn die selbsttätig gebildeten gesellschaftlichen Organisationen nicht nur de jure sondern auch de facto über ausreichende autonome Macht verfügen, um sich gegenüber der Staatsmacht behaupten zu können. Ihre Repräsentanten müssen gegenüber der staatlichen Bürokratie über einen eigenen Wirkungskreis verfügen, eine vom Staat anerkannte Unabhängigkeit besitzen und eine von der Gesellschaft respektierte Würde für sich in Anspruch nehmen können.
Der totalitäre Staat, der die Gesellschaft in den Staat -absorbiert, verfügt ebenso wie der antitotalitäre Staat, der den Staat in die Gesellschaft und die Gesellschaft in den Staat integriert, über eine Unzahl von Staatsfunktionären; der eine wie der andere mögen große Staatsmänner produzieren. Der Berufspolitiker ist eine spezifische Erscheinungsform des pluralistischen demokratischen Rechtsstaats.
Dies hängt nicht zuletzt mit der Tatsache zusammen, daß das demokratische Legitimitätsprinzip jede metaphysische Rechtfertigung der staatlichen Herrschaft ausschließt. Der pluralistisch-demokratische Verfassungsstaat ist seinem Wesen nach ein agnostischer Staat. Seine Repräsentanten beanspruchen nicht die Rolle von Priestern einer Staatsreligion. Sie geben nicht vor, die absolute Vernunft zu verkörpern; sie behaupten nicht, daß sie dazu auserkoren seien, die Gesetze der dialektischen Entwicklung zu vollstrecken; sie brüsten sich nicht damit, die Vorsehung zu repräsentieren. Zweifel und Kritik an der Richtigkeit ihrer politischen Entscheidungen sehen sie nicht als Frevel sondern als einen wesensmäßigen und notwendigen Bestandteil des bestehenden Regierungssystems an.
Fairer Wettbewerb Politische Machtkämpfe sind im demokratischen-pluralistischen Verfassungsstaat nicht mit dem Odium einer Verschwörung belastet. In ihnen manifestiert sich vielmehr die Legitimitätsgrundlage demokratischer Rcgierungsgewalt. Eine parlamentarisch-demokratische Regierung leitet den LIrsprung ihrer Macht aus einem erfolgreichen Wahlkampf, die Fortdauer ihrer Macht aus einer ständig sich erneuernden Auseinandersetzung mit der parlamentarischen Opposition ab. Der Bestand des parlamentarisch-demokratischen Rechtsstaats hängt davon ab, daß die um die Staatsmacht ringenden autonomen Gruppen die ungeschriebenen Regeln eines fairen Wettbewerbs respektieren. Versandet die politische Auseinandersetzung in politischem Gezänk, dann gewinnen die Wähler das Gefühl, daß Politik nichts anderes als der Kampf um die Futter-krippe sei und verlieren das Vertrauen in die Demokratie; entartet die politische Auseinandersetzung zur wechselseitigen Diskriminierung als Staats-oder Reichsfeind, wird der anderen Seite die nationale Zuverlässigkeit oder die Verfassungstreue abgesprochen, dann droht der politische Kampf zum Bürgerkrieg zu entarten. Es ist immerhin bezeichnend, daß wir weder ein deutsches Wort für das haben, was man im englischen die „fairness" einer politischen Auseinandersetzung nennt, noch uns eines deutschen Ausdrucks bedienen, wenn wir von jenen vielfachen im politischen Machtkampf in Erscheinung tretenden sogenannten „pressure groups" reden. Die deutsche Bildung und Erziehung — und nicht zuletzt das deutsche Universitätswesen — hat sich so stark an dem Sozialideal des Beamten orientiert, daß der Politiker im öffentlichen Bewußtsein in einem schiefen Licht erscheint. Der vielzitierte Satz, daß Politik den Charakter verderbe, ist das Credo des bürokratiegläubigen Untertanenverstandes.
Die Geringschätzung, mit der das Wort „Politiker“ nur allzu häufig in Deutschland verwandt wird, das Mißtrauen, das nur allzuviele gegen den Berufspolitiker empfinden, mag nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, daß der Zusammenhang zwischen demokratischer Selbstregierung und politischem Machtkampf nicht erkannt ist. Wer den Machtkampf der Politiker verachtet, betet das Machtmonopol der Staats-oder Parteibürokratien an. Wer sich über Politik als Kampf um die Macht erhaben dünkt, beweist lediglich, daß er für die Demokratie nicht reif ist. Manch einer, der über den demokratischen Berufspolitiker die Nase rümpft, ahnt gar nicht, daß seine Vorurteile von denen ausgenützt werden, die die Herrschaft des Funktionärs errichten wollen oder sich nach der Führung der Gauleiter zurücksehnen. Es sollte einmal wissenschaftlich untersucht werden, welchen Anteil die im trauten Verein betriebene kommunistisch-faschistische Hetze gegen das angebliche Bonzen-regime der Weimarer Republik und ihrer autonomen Organisationen an dem Zusammenbruch der ersten deutschen Republik gehabt hat. Dies bedeutet natürlich nicht, daß Mißstände, die sich aus dem Phänomen einer beruflich betriebenen Politik ergeben, verteidigt oder entschuldigt werden sollten; sie sind wie alle Erscheinungsformen der Demokratie der freien Kritik unterworfen. Es bedeutet lediglich eine Absage an den gerade in akademischen Kreisen so weit verbreiteten Hochmut gegenüber dem Berufspolitiker — eine Absage, die auf Grund der Erfahrungen aus der Zeit vor 193 3 auf die . Einsicht gegründet ist, daß Hochmut vor dem Fall kommt. Im demokratischen Massenstaat ist der Berufspolitiker, gleichgültig, ob wir ihn als Individuum lieben oder nicht, mehr als eine Realität, mit der wir zu rechnen haben: er ist für das Funktionieren der pluralistischen rechtsstaatlichen Massendemokratie ebenso unentbehrlich wie er in jedem anderen Herrschaftssystem unvorstellbar ist.
Und so gelangen wir zu dem Ergebnis, daß in der echten Demokratie im Gegensatz zu allen nichtdemokratischen Herrschaftsformen eine Spezialausbildung zum Staatsmann undurchführbar und eine Spezialausbildung zum Politiker unentbehrlich ist.
Im autoritären und totalitären Staat wird der Prozeß der Gestaltung politischer Entscheidungen ideologisch verbrämt. Autoritäre und totalitäre Staaten behandeln die Kunst des Regierens als ein arcanuum imperii. In ihnen wird die öffentliche Meinung entweder ignoriert oder mit Hilfe der Propaganda dirigiert. Eine funktionierende Demokratie erfordert, daß der Prozeß der Gestaltung politischer Entscheidungen öffentlich kontrolliert wird. Kontrolle der Regierung durch die öffentliche Meinung setzt eine systematische Analyse der einzelnen Phasen des Prozesses der politischen Entscheidungsbildung voraus. Die methodisch und wissenschaftlich betriebene Erforschung dieses Prozesses, die Schulung zum Verständnis der Bestimmungsgründe und Auswirkungen politischer Entscheidungen, d. h. aber die Wissenschaft von der Politik ist in einer funktionierenden Demokratie ebenso unentbehrlich wie sie außerhalb eines demokratischen Herrschaftssystems erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht wird. Die Wissenschaft von der Politik ist die demokratische Wissenschaft par excellence. Die Demokratie ist nicht nur die komplizierteste, sie ist auch die gefährdetste aller Regierungsmethoden. Ihr Funktionieren setzt mehr voraus als die Korrektheit einer juristisch ausgebildeten Fachbürokratie und die Sachkunde volks-und betriebswirtschaftlich ausgebildeter Experten. Beides ist unentbehrlich. Aber es muß ergänzt werden durch die Einsicht in das Funktionieren der Bewegungsgesetze des demokratischen Willensbildungsprozesses, damit nicht die Demokratie an einer Todes-ursache zugrunde geht, die sie mehr als jede andere Regierungsmethode bedroht: dem Selbstmord.
Des Deutschen Schicksal...
Weil der Politiker an der Nahtstelle zwischen Staat und Gesellschaft steht, liegt es ihm ob, die gesellschaftlichen Kräfte gegenüber dem Staat und die staatlichen Kräfte gegenüber der Gesellschaft zu repräsentieren. Beide Funktionen vereinigen sich in den Gestalten des Parlamentariers und des parlamentarischen Ministers. Es wäre jedoch irrig, nur dort von politischen Berufen zu sprechen, wo die Amalgamation zwischen Staat und Gesellschaft sich in Politikern personifiziert, die eine Doppelfunktion ausüben. Politische Berufe üben auch die Repräsentanten gesellschaftlicher Organisationen und Institutionen aus, die, ohne Funktionäre des Staates zu sein, auf das staatliche Handeln Einfluß zu nehmen suchen. Das gleiche gilt für Funktionäre des Staates, deren spezifische Aufgabe darin besteht, unmittelbaren Kontakt mit solchen gesellschaftlichen Organisationen und Institutionen zu pflegen, denen es obliegt, das politische Denken und Wollen autonom zu gestalten. Der Journalist, der Verbandsfunktionär und der Parteisekretär üben ebenso einen politischen Beruf aus wie der politische Beamte. Im Obrigkeitsstaat waren diese beiden Gruppen durch eine unübersteigbare Mauer von einander getrennt. „Des Deutschen Schicksal ist es, vor einem Schalter zu stehen; des Deutschen Sehnsucht ist es, hinter einem Schalter zu sitzen“, hat Kurt Tucholsky einmal gesagt. Im demokratischen pluralistischen parlamentarischen Verfassungsstaat ist diese Mauer abgetragen.
Der Beruf des Politikers, gesellschaftliches Denken und Wollen und staatliches Handeln miteinander zu koordinieren, kann erfolgreich nur dann durchgeführt werden, wenn er zum mindesten in den entscheidenden Positionen systematisch und kontinuierlich betrieben wird.
Bezahlte Berufspolitiker So unerläßlich für eine funktionierende Demokratie die hingebungsvolle freiwillige Mitarbeit der zahllosen ehrenamtlichen Partei-und Verbandsfunktionäre und Delegierten zu kommunalen und beruflichen Selbstverwaltungskörpern ist, so notwendig bedarf die moderne Massen-demokratie eines Stamms von Berufspolitikern, die nicht nur nebenberuflich sondern hauptamtlich der Politik dienen, die in der Terminologie Max Webers nicht nur für die Politik sondern auch von der Politik leben. Sein Leben ohne Bezahlung der Politik widmen, setzt, wie Weber in seiner klassischen Schrift „Politik als Beruf“ dargetan hat, ein Renten-einkommen oder zum mindesten eine Beschäftigung voraus, in der man jederzeit abkömmlich ist. Der Politiker aus Liebhaberei ist kennzeichnend für eine aristokratische und im eingeschränkten Sinne für eine renten-kapitalistische Gesellschaftsordnung. Nach zwei Geldentwertungen und nachdem nicht nur der industrielle sondern auch der landwirtschaftliche Unternehmer durch seine berufliche Tätigkeit voll in Anspruch genommen ist, kämen für unbezahlte hauptamtliche politische Tätigkeit lediglich der von Dienstpflichten freigestellte Beamte und der Rentner in Frage. Die Beamten als Repräsentanten des Staates mit der Aufgabe zu betrauen, gesellschaftliche Kräfte gegenüber dem Staat zu repräsentieren, ist paradox. Hier liegt eine echte Inkompatibilität vor. Sich auf Rentner verlassen, hieße anerkennen, daß Untauglichkeit für einen regulären Beruf Eignung für hauptamtliche politische Tätigkeit nicht ausschließt. Tatsächlich erfordert jedoch die organisatorische, propagandistische, oratorische und schriftstellerische Tätigkeit eines hauptberuflichen Politikers körperliche, nervenmäßige und vor allem geistige Kräfte in einem Ausmaß, von der sich ein Außenstehender schwerlich eine rechte Vorstellung macht. Die Hemmungen, die manch einer von ihnen gegen die Existenz fest bezahlter im Anstellungsverhältnis stehender Berufspolitiker haben mag, beruhen weitgehend auf Vorurteilen, die sich in den aristokratischen und bürokratischen Epochen der deutschen Geschichte entwickelt haben. Heute stellen sie den Ausdruck eines falschen gesellschaftlichen Bewußtseins dar. Sie sind im echten Sinne des Wortes „reaktionär“. Wer den festangestellten Berufspolitiker aus idealistischen Gründen glaubt ablehnen zu müssen, sollte sich darüber im klaren sein, daß nicht nur der Politiker als Angestellter sondern auch der Politiker als selbständiger Unternehmer — der boss — „von der Politik leben“. Ich glaube, daß Deutschland sehr viel von USA lernen kann. Den „boss“ empfehle ich nicht zur Nachahmung. Der hauptamtlich tätige, im Anstellungsverhältnis stehende Berufspolitiker verrichtet eine gesellschaftlich wertvolle Arbeit, für die er mit dem gleichen guten Gewissen eine angemessene Bezahlung verlangen kann wie jeder andere Arbeitnehmer; er verrichtet eine unendlich verantwortungsvolle Arbeit, für die er die bestmögliche Ausbildung erhalten sollte, die vorstellbar ist. Ob die akademische Erziehung für die Ausbildung zu politischen Berufen geeignet ist, ist keine Prinzipien-sondern eine Zweckmäßigkeitsfrage.
Die erfolgreiche Ausübung eines politischen Berufs setzt nicht nur organisatorische Begabung, rednerische Fähigkeit und ein spezifisches politisches Temperament voraus, -sie erfordert vor allem die intellektuelle Fähigkeit, in einer gegebenen historischen Situation und im Rahmen einer gegebenen Verfassungsordnung aus dem Widerstreit der miteinander konkurrierenden Meinungs-und Interessengruppen zu politischen Entscheidungen zu gelangen, die nicht nur sachlich zweckmäßig, sondern auch massenpsychologisch tragbar sein müssen.
Der Beitrag des Berufspolitikers zur bestmöglichen Lösung politischer Probleme kann nicht in erster Linie darin liegen, daß er in der Beurteilung der historischen Kräfte mit dem Fachhistoriker zu konkurrieren vermag; von ihm wird auch nicht erwartet, daß er den Verfassungsrechtler an juristischem Fachwissen überbieten oder den Volkswirt über die ökonomischen Auswirkungen eines zur Diskussion stehenden wirtschaftspolitischen Problems zu unterrichten vermag. Der Berufspolitiker braucht auch nicht notwendigerweise ein Experte auf dem Gebiet der Technik der Verwaltung zu sein, der dem Berufsbeamten an administrativer Erfahrung die Waage zu halten vermag. Wollte sich der Politiker bemühen, auf allen bei Fällung einer politischen Entscheidung zu berücksichtigenden Fachgebieten ein Experte zu sein, so endete er unvermeidlicherweise in der Rolle eines Dilettanten. Der dem Berufspolitiker so häufig gemachte Vorwurf des Dilettantismus beruht jedoch auf einer Verkennung der Funktionen, die zu erfüllen dem Politiker in der pluralistischen rechtsstaatlichen Demokratie obliegt. Nur wenn der Politiker den Ehrgeiz aufgibt, ein Polihistor zu sein, kann er sich auf seinem ureigensten Gebiet zum Spezialisten entwickeln. Das Spezialgebiet des Politikers ist die Beobachtung, Lenkung, Kontrolle und Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Seine Spezialfunktion besteht darin, die verschiedenen Komponenten, die bei Fällung einer politischen Entscheidung in Erwägung gezogen werden müssen, zusammen sehen zu können und ihre massenpsychologische Wirkung abzuschätzen und zu beeinflussen. Auf diesem seinem Spezialgebiet muß der Berufspolitiker Fachmann sein, für diese Aufgabe muß er geschult werden, hier darf er nicht versagen, wenn nicht Staat und Gesellschaft Schaden nehmen sollen. Als Mittler zwischen Staat und Gesellschaft ist der Politiker dafür verantwortlich, daß die Regierten begreifen, was die Regierenden beschließen und daß die Regierenden erfassen, was die Regierten ersehnen. Wenn die Kommunikationsröhren zwischen Regierenden und Regierten sich langsam verstopfen, wenn eine Kluft sich auftut zwischen Volk und Staat, wenn Mißtrauen herrscht zwischen den autonomen politischen Gruppen und ihren beruflichen Repräsentanten, wenn die heimlich und öffentlich betriebene Hetze gegen Parteibürokratie und Verbandsbonzentum eine Massenresonanz findet, dann wittern Kommunisten und Faschisten Morgenluft, dann können sie hoffen, die innerlich ausgehöhlten autonomen Organisationen gleichzuschalten, dann sehen sie eine Chance, die pluralistische Demokratie durch die totalitäre Diktatur zu ersetzen.
Unterwanderung Die Strategen des totalitären Umsturzes sind sich sehr wohl bewußt, daß die Zeiten des Barrikadenkampfes unwiderbringlich vorüber sind. Sie versuchen nicht mit den Mitteln einer offenen Revolte sondern mit Hilfe der unmerklich betriebenen Unterwanderung der gesellschaftlichen und politischen autonomen Organisationen das demokratische Gefüge von innen zu sprengen. Der Berufspolitiker ist primär dafür verantwortlich, daß diese Versuche in ihren ersten Ansätzen erkannt und selbsttätig vereitelt werden. Denn, wollten die autonomen Organisationen sich insoweit auf staatliche Hilfe verlassen, dann gäben sie ihren autonomen Charakter auf; wollten sie die Dinge treiben lassen, so liefen sie Gefahr, zu willenlosen Werkzeugen anti-demokratischer Kräfte zu werden. Es gehört schon ein erstaunliches Maß politischen Unverstandes dazu, zu übersehen, daß der totalitäre Feind den neuralgischen Punkt der pluralistischen Demokratie innerhalb der autonomen Organisationen glaubt gefunden zu haben. Der präventive Kampf gegen den Totalitarismus, der ständig innerhalb der autonomen Organisationen geführt wird, erfordert eine gewiß andere aber nicht minder ernsthafte Schulung, er erfordert zum mindesten ebenso große geistige Fähigkeiten und charakterliche Stärke wie der repressive Kampf, der den staatlichen Polizei-und Justizorganen obliegt. Die anti-totalitäre Demokratie benötigt den hoch qualifizierten Experten der Politik nicht minder dringlich wie den hochqualifizierten staatlichen Fachbeamten.
Es war die Tragödie des deutschen Obrigkeitsstaates, daß seine Fach-beamten trotz — ja vielleicht gerade wegen — all ihres juristischen, ökonomischen und administrativen Fachwissens nicht zu erkennen vermochten, daß die Summe fachtechnischen Einzelwissens noch keinen Politiker ausmacht. In Max Webers „Politik als Beruf“ zittert noch die Erregung und Verzweiflung über den bodenlos leichtfertigen Dilettantismus jener erstklassigen Fachbeamten ä la Michaelis nach, die sich zur Übernahme höchster politischer Verantwortung bereit fanden, ohne auch nur die primitivsten Kenntnisse und Erfahrungen politischer Art zu besitzen. Mehr noch: was diesen Einser-Assessoren völlig abging, war die Einsicht in die Eigengesetzlichkeit der Politik, deren Beherrschung Eigenschaften voraussetzt, die von denen abweichen, die gerade im juristischen Studium — mit Recht — gepflegt werden.
Juristenmonopol Goethe hat in der Natürlichen Tochter dem Gerichtsrat Worte in den Mund gelegt, die das Spannungsverhältnis zwischen juristisch-administrativer Tätigkeit und politischer Betätigung widerspiegeln:
Im abgeschlossenen Kreise lenken wir Gesetzlich streng das in der Mittelhöhe Des Lebens wiederkehrend Schwebende Was droben sich in angemessenen Räumen Gewaltig seltsam hin und her bewegt Belebt und tötet ohne Rat und Urteil Das wird nach anderm Maß, nach anderer Zahl Vielleicht berechnet, bleibt uns rätselhaft.
Die Tugend des Juristen — sein ureigenster Beruf — ist es, einen gegebenen Tatbestand im Einklang mit gesetzlichen Normen oder Präzedenzfällen zu entscheiden. Der Beruf des Politikers bringt es nur allzu häufig mit sich, daß Entscheidungen gefällt werden müssen, für die es ihrer Natur nach weder feste Normen noch einschlägige Präzedenzfälle gibt. Damit taucht aber die Frage auf, ob die juristische Schulung geeignet ist, eine Ausbildung für die Ausübung spezifisch politischer Berufe zu gewähren. England — dem Mutterland der Rule of Law — ist der Gedanke fremd, daß der juristischen Ausbildung der Vorzug vor anderen Ausbildungsmethoden für politische Beamte gegeben werden solle. Die merkantilistische Periode lehnte die Vorstellung ab, daß die künftigen Beamten des Staates in der Schule der Jurisprudenz erzogen weiden sollten; der absolutistische Staat bediente sich vielmehr der Kameralistik als Ausbildungsmethode für seine höheren Beamten. Das Juristenmonopol hat sich in Deutschland erst im 19. Jahrhundert entwickelt. Es ist als ein Nebenprodukt jenes Kompromisses zwischen den bürokratischen Traditionen des Obrigkeitsstaates und den rechtsstaatlichen Bestrebungen des Liberalismus entstanden, auf den das moderne deutsche Beamtenwesen zurückgeht. Das Juristenmonopol ist eines der kennzeichnenden Merkmale des liberalen Rechtsstaats bürokratisch-monarchischen Gepräges. Das Juristenmonopol geht von der Vorstellung aus, daß in einem Rechtsstaat Verwaltung in erster Linie Gesetzesanwendung sei. Das soziale und ökonomische Substrat des Gesetzesstaates, der die Exekutive als Rechtsanwendung ausschließlich oder zum mindesten vornehmlich Juristen anvertraute, ist der laisser faire Liberalismus. In Deutschland hat es einen solchen Liberalismus niemals in reiner Form gegeben; zum mindesten seit 1878 hat Deutschland eine aktive Wirtschafts-und kurz darauf auch eine aktive Sozialpolitik getrieben. Damit aber entstand ein Zwiespalt zwischen dem von Juristen geleiteten liberalen Rechtsstaat monarchisch-bürokratischen Gepräges und seinem sozialen Substrat, der niemals voll überwunden worden ist. Er trat in der ungeklärten Position all derjenigen autonomen Organisationen zutage, die wir heute als „pressure groups" bezeichnen. Nur, wenn es gelingt, diese autonomen Organisationen verantwortlich in den politischen Willensbildungsprozeß einzuschalten, ist es möglich, sie von unverantwortlichem Verhalten abzuhalten. Denn heimliche pressure groups sind geneigt, unheimliche Forderungen zu stellen und verschämte pressure groups melden nur allzu leicht unverschämte Ansprüche an. Dem juristisch vorgebildeten Fach-beamten der Kaiserzeit war die Tätigkeit all dieser Gruppen und Verbände fremd und suspekt. Was allerdings nicht ausschloß, daß er ihre Repräsentanten nur allzu häufig als Sachverständige heranzog. „Sachverständiger“ hat ein deutscher Staatsrechtslehrer, den ich sonst nicht gerne zitiere, einmal gesagt, „heißt auf deutsch Interessent“. Der von einer juristisch geschulten, absolut integren Beamtenschaft geleitete Rechtsstaat der kaiserlichen Periode war, gerade weil er die pressure groups ignorierte und negierte, das Eldorado der an einer aktiven Wirtschaftspolitik interessierten Interessenverbände. Bismarck hat das Problem dadurch zu lösen versucht, daß er sich bemühte, die politischen Parteien in pressure groups umzuwandeln; die Weimarer Republik hat das Experiment des Reichswirtschaftsrats gemacht. Beide Versuche sind gescheitert.
Verwaltung ist mehr als Gesetzesanwendung Im sozialen Rechtsstaat der Gegenwart ist Verwaltung mehr als Gesetzesanwendung; sie ist aktive Wirtschafts-, Sozial-und Kulturpolitik im Rahmen der Gesetze. Im sozialen Rechtstaat der Gegenwart bleibt die Mitwirkung der autonomen Organisationen nicht auf das Gebiet der Gesetzgebung beschränkt. Die den sozialen Rechtsstaat kennzeichnende enge Verbindung zwischen staatlicher Exekutive und autonomen Organisationen setzt voraus, daß die Exekutivgewalt nicht in einem politischen Vakuum ausgeübt wird. Die Koordinierung der Tätigkeit staatlicher Verwaltungsbehörden und autonomer Verbände ist eine Aufgabe, die politische Schulung voraussetzt. Die Forderung, bei der Ausbildung zum höheren Verwaltungsdienst neben der juristischen Schulung deren Unentbehrlichkeit für große Gruppen der Exekutive unumstritten ist, das ökonomische, soziologische und politologische Studium als gleichwertig anzuerkennen,, rechtfertigt sich aus dem Charakter unseres Staatswesens als eines sozialen Rechtsstaats demokratisch-pluralistischen Gepräges. Das Studium der Wissenschaft von der Politik dürfte für diejenigen Beamtengruppen besonders fruchtbar sein, die in engster I uchfühlung mit den autonomen politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Organisationen stehen, d. h. als Beamte einen politischen Beruf erfüllen. Der soziale Rechtsstaat pluralistisch-demokratischen Gepräges kommt mit einer vornehmlich oder ausschließlich juristisch geschulten Beamtenschaft nicht aus.
Max Weber hat bereits im Jahre 1919 über die mangelnde Eignung der vornehmlich juristisch geschulten Beamtenschaft des Kaiserreichs die harten Worte gesprochen:
Gerade sittlich hochstehei'ide Beamtennaturen sind schlechte, vor allein int politischen Sinne des Wortes verantwortungslose und in diesem Sinne sittlich tiefstehende Politiker.
Man kann allerdings diese Sätze nach den Vorgängen des zweiten Weltkrieges nicht lesen, ohne sich klar zu machen, daß politische Katastrophen nicht nur dann eintreten können, wenn administrative Experten, die politische Dilettanten sind, politische Verantwortlichkeiten übernehmen sondern auch, wenn administrative Dilettanten sich anmaßen, auf Grund politscher Intuitionen auf Fachkenntnissen beruhend administrative Maßnahmen außer Kraft zu setzen. Es hieße Max Weber gründlich mißverstehen, wenn man übersehen wollte, daß dieser Erzfeind eines jeglichen Dilettantismus Übergriffe der Politiker in die Domäne der Fachbürokratie ebenso leidenschaftlich verurteilte wie Über-griffe der Fachbürokratie in das Gebiet der Politik. Eine feste Demarkationslinie zwischen diesen beiden Sphären kann nicht gezogen werden. Um so bedeutsamer ist es, Fachbeamten und professionellen Politikern die Notwendigkeit der Respektierung der Eigenverantwortlichkeit beider Gruppen immer wieder vor Augen zu führen.
Kennzeichen echter Bildung Das Deutschland vor 1918 stellt den in der Krisensituation gescheiterten Versuch dar, die staatlich-politischen Probleme einer Massengesellschaft mit Hilfe eines zwar juristisch und fachlich glänzend geschulten und unbedingt integren, jedoch — zum mindesten subjektiv — bewußt unpolitischen Beamtenstabs zu meistern. Der Politiker als Transformator gesellschaftlicher in staatliche und staatlicher in gesellschaftliche Energien hatte in diesem Staats-und Gesellschaftssystem keine anerkannte Position. Er war gesellschaftlich nicht respektabel. Im Erziehungswesen dieser auf ihre historisch-literarisch-ästhetische Bildung so stolzen Epoche konnte das Studium der Politik keinen eigenständigen Platz beanspruchen.
Der Sohn achtbarer Eltern, der die Neigung verspürte, in die Politik zu gehen, Journalist werden wollte oder gar davon träumte, einmal Reichstagsabgeordneter zu werden, wurde mit Nachdruck ermahnt, sich auf einen vernünftigen Beruf vorzubereiten; er wurde belehrt, daß Journalisten und sonstige Politiker nur allzu häufig kein Examen gemacht und auch sonst verkrachte Existenzen seien. So wurde denn die Ausbildung des künftigen Politikers dem Zufall überlassen oder auf Partei-schulen bewußt einseitig vorgenommen. Das Fehlen systematischer politischer Bildungsmöglichkeiten begünstigte die Heranzüchtung eines un-systematischen politischen Autodidaktentums. Wie es hierbei zugehen konnte, hat uns einer geschildert, dem wir ohne weiteres glauben dürfen, daß er sehr viel in sich hineingelesen hat, dessen Halbbildung sich aber zu unser aller Verhängnis schlimmer ausgewirkt hat als die krasseste Einbildung. Denn der Mann, der am 9. November 1918 in Prenzlau beschloß, Politiker zu werden, erhob den Anspruch darauf, im Besitz eines absolut gültigen Wissens zu sein. .
Kennzeichen echter Bildung ist es jedoch, sich der Begrenztheit seines Wissens bewußt zu bleiben. Nur der ist wissenschaftlich erzogen, der jederzeit bereit ist, seine Kenntnisse kritisch zu überprüfen und notfalls die Ergebnisse seiner Studien zu korrigieren. Gebildet ist, wer Bildung als einen sich ständig fortentwickelnden Prozeß der Formung der eigenen Persönlichkeit begreift. Es gibt schwerlich einen Beruf, dessen Angehörige dieser auf Selbsterkenntnis und Selbstbeschränkung beruhenden, nur in systematischer Erziehung zu erlangenden echten Bildung mehr bedürfen als der Politiker. Denn der Politiker steht unter der Versuchung, ein jedes partielle Wissen zu dogmatisieren; er läuft Gefahr, ein Glied der Kausalkette als alleinige LIrsache historischen Geschehens herauszustellen und vor allem eine Komponente eines politischen Vorgangs zu verabsolutieren. Ob der Politiker der Gefahr widersteht, demagogische Triumphe dadurch zu erringen, daß er sich als einer jener großen schrecklichen Vereinfacher betätigt, deren Herannahen Jacob Burckhardt schaudernd für das 20 Jahrhundert vorausgeahnt hat, hängt nicht nur von seinem Charakter sondern auch von der Tiefe seiner Bildung ab. Nicht zuletzt auf Grund seiner Halbbildung war Adolf Hitler zu der Rolle des verantwortungslosen Demagogen prädestiniert. Wir lesen über seinen Entwicklungsgang in „Mein Kampf':
In dieser Zeit bildete sich mir ein Weltbild und eine Weltanschauung, die zum granitenen Felsen meines derzeitigen Handelns wurden. Ich habe zu deut, was ich mir einst so schuf, nur weniges hinzulernen müssen, zu ändern brauchte ich nichts.“
Der also geschaffene granitene Fels war die aus Traktätchen zusammengelesene zoologische Geschichtsauffassung, für die der Verfasser von „Mein Kampf“ nur deshalb absolute ewige Gültigkeit beanspruchen konnte, weil er sich niemals darüber Rechenschaft abgelegt hat, wie man zu einer Weltanschauung gelangt. Eine zum granitenen Felsen eines Weltbildes erhobene soziologische Hypothese verwischt den Unterschied zwischen Sektenbildung und Parteigründung. Der Mann, der beschlossen hatte, Politiker zu werden, tat dies unter Verkennung des Wesens der Politik.
In der Reduzierung komplizierter politischer Erscheinungen auf eine isolierte Komponente steht-Hitler nicht allein. Die Vulgär-Geopolitiker, die Vulgär-Macchiavellisten und die Vulgär-Marxisten bilden Parallel-erscheinungen zu den Vulgär-Rassentheoretikern Hitlerscher Prägung.
Erziehung zur Politik Erziehung zur Politik heißt Schulung in der Methodik politischen Denkens, d. h. aber Absage an alle sonistischen Erklärungsversuche politischer Phänomene. Erziehung zur Politik heißt die Erlangung einer vertieften Einsicht in die Möglichkeiten und Grenzen politischen Handelns. Es heißt Absage an die unkritische Haltung zur Politik, die durch ein ständiges Schwanken zwischen einer maßlosen Überschätzung und einer skeptischen Unterschätzung der Aufgaben gekennzeichnet ist, die der Politik im sozialen, wirtschaftlichen und geistigen Leben einer Epoche gesetzt sind. „Der Gang der Politik“, hat Toqueville gesagt, „gleicht dem Fluge eines Drachens, dessen Bahn von dem Winde, der ihn treibt und der Schnur, die ihn hält, abhängig ist.“ Nur wer an Hand historischer Einzelstudien in die Problematik politischen Denkens und Handelns eingedrungen ist, vermag die volle Bedeutung dieses Satzes ganz zu verstehen. Erziehung zur Politik bedeutet schließlich die Erlangung der Fähigkeit, das Zusammenspiel der verschiedenartigen Komponenten zu erfassen, deren jeweilige Ausbalancierung das Wesen einer konkreten politischen Entscheidung ausmacht. Nur, wer in der Lage ist, den Denk-und Willensprozeß zu begreifen, der politischen Entscheidungen zu Grunde liegt, darf sich politisch geschult nennen. Gewiß, die juristische Verantwortung für die letzte politische Entscheidung liegt im allgemeinen nicht bei dem Politiker sondern bei dem Staatsmann. Eine politische Mitverantwortung tragen jedoch alle, die diese Entscheidung zu beeinflussen suchen: durch Zeitungsartikel, interne Parteidiskussionen, öffentliche Reden, Ausarbeitung von Denkschriften, parlamentarische Tätigkeit oder sonstige Einwirkungen auf die öffentliche Meinung. Die Entwicklung der modernen Medien der Beeinflussung der öffentlichen Meinung: des Mikrophons, des Radios, der Fernsehtechnik haben die moralische Verantwortung des juristisch nicht verantwortlichen Politikers unendlich gesteigert. Sie können — hierin der Atomenergie ähnlich — zum Heil und zum Verderben der Menschheit verwandt werden. Wir alle tragen die Verantwortung dafür, daß die noch kaum geahnten Möglichkeiten der Massenbeeinflussung nicht unverantwortlichen Elementen überantwortet werden. Wir sind es, die unverantwortlich handeln, wenn wir es unterlassen, denen, die diese Instrumente der Massenbeeinflussung im Kampf um die Macht einsetzen — das sind aber in erster Linie die Berufspolitiker — nicht die Möglichkeit gewähren, sich systematisch in der Aufgabe zu schulen, Politik verantwortungsbewußt zu betreiben.
Wir leben nicht mehr im 18. oder 19. Jahrhundert. Wir glauben weder an die grenzenlose Macht der Vernunft noch an die alleinseligmachende Kraft der Erziehung. Aber wir erklärten unseren Bankrott als akademische Bürger, wenn wir abstreiten wollten, daß die akademische Erziehung dazu beitragen kann, Verständnis für Wesen, Grenzen und Aufgaben der Politik zu vertiefen und die Einsicht in die Natur der politischen Entscheidung und in die konkreten Probleme einer speziellen politischen Entscheidung zu begründen. Gewiß: wir wollen nicht den konzessionierten Politiker, wir wollen die Ausübung des politischen Berufs nicht abhängig machen von der Auflage, einen bestimmten Ausbildungsgang zu absolvieren. Was ich jedoch fordere, was ich mit einem Nachdruck fordere, der durch die Bedeutung des Problems geboten erscheint, ist, daß jedem — und ich betone jedem —, der die charakterlichen und geistigen Fähigkeiten hierzu nachweist, der entweder durch seine Schulung oder der durch seine Tätigkeit im öffentlichen Leben hierzu geeignet erscheint, die Möglichkeit gewährt wird, sich in wissenschaftlich vertiefter Form diejenige akademische Erziehung anzueignen, die die verantwortungsvolle Ausbildung eines politischen Berufs erleichtert. In der Demokratie darf der Beruf des Politikers nicht einer Bildungselite reserviert sein, die akademische Erziehung zu politischen Berufen darf nicht von dem Vorliegen eines Reifezeugnisses abhängig gemacht werden. Die Möglichkeit einer abgeschlossenen akademischen Erziehung für den Beruf der Politik darf einem Menschen nicht allein aus dem Grund versagt werden, daß er in seiner Jugend nicht die Mittel besessen hat, eine höhere Lehranstalt zu absolvieren.
Gewiß — der Versuch, wissenschaftliche Ausbildungsmöglichkeiten jedem zur Verfügung zu stellen, der sich für die Politik berufen fühlt, ist in Deutschland bereits einmal unternommen worden als auf Anregung Friedrich Naumanns und unter hervorragender Mitwirkung Theodor Heuss'die erste Hochschule für Politik gegründet wurde. Die Gründe, weshalb dieser Versuch scheiterte, die Ursachen des Versagens und Zusammenbruchs der Weimarer Republik können hier nicht im einzelnen erörtert werden. Es muß genügen, im Anschluß an eine neuere Studie einen Punkt hervorzuheben, der mit unserem Thema zusammenhängt. Dr. Bracher vom Institut für politische Wissenschaft, Berlin, hat in einer glänzenden Monographie „Die Auflösung der Weimarer Republik*, Ring-Verlag, Stuttg. /Düssel dorf. Voraussichtlicher Erscheinungstermin April 1955.dargetan, daß die Tragödie der ersten deutschen Republik nicht zuletzt auf die falsche Einschätzung des politischen Machtfaktors seitens der demokratischen Kräfte in den Jahren vor 193 3 zurückzuführen ist. Mangelndes Machtbewußtsein führte zu Macht-schwund, Machtverfall und schließlich zu einem Machtvakuum, das in der Machtergreifung derer resultierte, die durch die Überbetonung des Machtelementes in der Politik uns alle ins Verderben geführt haben. Vor der Machtkomponente in der politischen Realität die Augen verschließen bedeutet, denen den Weg bereiten, die von der Macht berauscht sind. Den Machttrunkenen die Staatsgewalt ausliefern, heißt zur Ohnmacht verurteilen, was uns heilig und wertvoll ist, heißt Recht und Religion, Menschenwürde, Wissenschaft und Kultur dem Moloch der Macht zu opfern. Dr. Bracher hat gezeigt, wie im März 1930 die Über-betonung sozialpolitischer Spezialprobleme unter Vernachlässigung aller gesamtpolitischen Aspekte zu dem verhängnisvollen Sturz der Regierung Müller geführt hat; er hat nachgewiesen, wie unheilvoll sich die Über-schätzung der ökonomischen und die Unterschätzung der massenpsychologischen Momente der Staats-und Wirtschaftskrise der damaligen Zeit durch die Regierung Brüning ausgewirkt hat; er hat schließlich aufgezeigt, von welch entscheidender Rolle im Endkampf zwischen Hitler und der Weimarer Republik die von rein militärtechnischen Erwägungen geleitete Haltung der Reichswehr zum Verbot der SA und SS gewesen ist, dessen Aufhebung das Militär unter völliger Vernachlässigung aller etwa eintretenden massenpsychologischen und machtpolitischen Folgen forderte und erzwang.
Diese glänzende politologische Arbeit wurde hier so ausführlich erwähnt, weil sie an Hand einer Kette konkret historischer Vorgänge das Verständnis für das Wesen der politischen Entscheidung und für die Ursachen politischer Fehlentscheidungen ermöglicht. Am Grabe der Weimarer Republik, im Angesicht der Trümmer, die uns täglich und stündlich umgeben, wenige hundert Meter von dem Eisernen Vorhang entfernt, fragen wir an dieser Stätte akademischer Forschung, ob die Wissenschaft sich uns versagt, wenn wir die Rolle der Macht in der Politik, die Rolle der Politik in dem gesellschaftlichen Gesamtprozeß bestimmen wollen, wenn wir fordern, daß denen, die als Berufspolitiker eine Verantwortung auf sich zu bürden gewillt sind, die vielleicht ohne Parallele ist, das Rüstzeug zur Meisterung dieser Aufgabe geboten wird. Wer aus Prinzip die Möglichkeit eines Doktors der Politik verneint, bekennt sich zur Unvermeidlichkeit des politischen Medizinmannes. Der Standort der Politologie Nach allem, was hier gesagt wurde, erübrigt es sich zu wiederholen, daß die akademische Erziehung zu politischen Berufen nicht in der Summierung von Einzelwissen, nicht in der Erlernung der politischen Wissenschaften sondern in der Synthese im Studium der Wissenschaft von der Politik bestehen muß. Der Politologe soll nicht ein Schmalspur-Jurist, -Ökonom, -Soziologe, -Psychologe oder -Historiker sein. Denn Schmalspurigkeit führt zur Großspurigkeit. Er soll ein Wissenschaftler eigenen Gepräges sein.
Lassen. Sie mich zum Schluß den Standort der Politologie im Rahmen der gesamten Sozialwissenschaft an dem Verhältnis von Rechtswissenschaft und Politikwissenschaft exemplifizieren. Theoretisches juristisches Studium und praktische juristische Ausbildung sollen die wissenschaftlich fundierte Fähigkeit vermitteln, den rechtlichen Grenzfall zu entscheiden und Vorsorge zu treffen, das tunlichst in Zukunft keine rechtlichen Konfliktsfälle entstehen. Die akademische Ausbildung in politischen Berufen soll den Berufspolitiker dazu erziehen, das Fachwissen des Fachjuristen zu respektieren; sie soll ihm ermöglichen, das Vorliegen eines juristischen Problems zu erkennen, damit rechtzeitig der juristische Spezialist konsultiert wird; sie soll ihn befähigen, sachgemäße Fragen zu stellen, juristische Argumente zu begreifen und zutreffend bei Fällung einer politischen Entscheidung zu verwerten. All dies erfordert zwar kein abgeschlossenes wissenschaftliches Studium der Jurisprudenz, aber ein Minimum von Rechtskenntnis und ein Verständnis für die Denkmethoden des Juristen. -
Die akademische Erziehung des Berufspolitikers sollte sich nicht darin verlieren, in tunlichst volkstümlicher Form Rechts-oder Volkswirtschaftslehre für den Hausgebrauch zu liefern. Sie sollte vielmehr aus dem Gesamtbereich der Jurisprudenz diejenigen Sondergebiete herausarbeiten, die für das Verständnis des politischen Gesamtprozesses unentbehrlich sind. In unserer akademischen Erziehung werden die soge-nannten Nebenfächer noch viel zu sehr schematisiert; sie werden viel zu wenig auf das Hauptfach abgestellt. Für den Politologen ist ein Verständnis der Grundlagen des Prozeßrechts z. B. wichtiger als die Kenntnis weiter Gebiete des materiellen Rechts. Er muß wissen, was Justizförmigkeit des Verfahrens ist, er muß das Wesen der Schiedsgerichtsbarkeit verstanden haben, ihm müssen die Hauptmaximen des Strafprozeßrechts geläufig sein. Wie oft ist von der Vertrauenskrise der Justiz die Rede gewesen. Aber liegt das nicht zum mindesten teilweise daran, daß Justizfragen als Spezialfragen für Juristen angesehen werden, bei deren Behandlung Laien nicht mitreden können? Die Rolle der Justiz im Gesamtgefüge der Staats-und Gesellschaftsordnung begreifen lernen, sollte einen nicht unwesentlichen Teil der akademischen Ausbildung von Berufspolitikern bilden. Lind niemand sollte der Wissenschaft von der Politik für die Bewältigung dieser Arbeit dankbarer sein als die ständig der Gefahr der Isolierung und des Mißverstandenwerdens ausgesetzten Juristen.
Was hier für die Jurisprudenz skizziert wurde, gilt mit Abweichungen, die darzustellen mir die Zeit und Sachkunde fehlen, für Ökonomie, Soziologie und vor allem Psychologie. Erst, wenn er sich dergestalt das unerläßlich notwendige vorklinische Wissen und Können angeeignet hat, ist der Student der Wissenschaft von der Politik reif, sich dem historisch und methodisch vertieften Studium dessen zu widmen, was ich die Theorie und Praxis der politischen Entscheidung nennen möchte.
Manch einem mag dieses Programm einer Erziehung zu politischen Berufen als ein Wagnis erscheinen. Aber ist es nicht ein größeres Wagnis, unser Schicksal Politikern anzuvertrauen, die keine systematische Bildung zu ihrem Beruf erhalten haben? Das hier vorgetragene Programm ist nicht das letzte — es ist das erste Wort zur Frage akademischer Erziehung und politischer Berufe, das an dieser Stelle gesprochen wird. Ich kann nicht erwarten, Sie, deren Skepsis und Bedenken ich kenne, von der Richtigkeit meiner Argumente überzeugt zu haben. Was ich jedoch erhoffe ist, Ihnen die schicksalsschwere Bedeutung des von mir behandelten Problems nahegebracht zu haben, denn — um mit diesem Wort Napoleons zu schließen —: die Politik ist das Schicksal.