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Die Methoden der Beck/Goerdeler-Verschwörung | APuZ 3/1955 | bpb.de

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APuZ 3/1955 Die Methoden der Beck/Goerdeler-Verschwörung

Die Methoden der Beck/Goerdeler-Verschwörung

Dieter Ehlers

Einleitung

A) B) 1. 2. 3. 4. I.

II. III. IV.

V. Absicht der Arbeit.

LImfang und Abgrenzung des Themas. Untersuchungsgang und Gliederung. Bemerkungen zur Quellenlage. Selbstmord — Emigration — Desertion. Der Rücktritt.

Passive Sabotage.

Militärische Gehorsamsverweigerung. Streikbewegungen. Der Widerstand mit geistigen Waffen.

I. Die Denkschrift.

II. Das konspirative Gespräch. Gewaltmethoden des Widerstandes.

I. Das Attentat. II. Der offene Aufstand.

Das Legalitätsproblem.

Die auß

1. Absicht der Arbeit Von der Denkschrift bis zum Attentat, vom diplomatischen Schachzug bis zum Bürgerkrieg hat die Beck/Goerdeler-Verschwörung so ziemlich alle Mittel und Wege erwogen und versucht, die das verzweifelt ringende, erfinderische Gehirn eines Regimegegners im totalitären Staat nur ersinnen kann. Vieles blieb im Stadium der Diskussion stecken, blieb Spekulation oder Stückwerk. Doch reichte der Widerstand der Verschwörer auch in jenes Stadium hinein, wo ihre Methoden effektiv wurden und im Zusammenprall mit den äußeren Umständen sich verwirklichten und verwandelten, sich bewährten oder versagten.

So bietet das bewegte Erscheinungsbild der Beck/Goerdeler-Verschwörung einen konsequent durchkämpften und durchlittenen Erfahrungskreis zur Frage nach Technik und Moral, Theorie und Praxis der Methoden eines Umsturzversuches im modernen totalitären Staat nationalsozialistisch-faschistischer Prägung. Diese Frage weist über die einmalige Erscheinung der Beck/Goerdeler-Verschwörung hinaus. Sie forscht nach dem Wesen des legalen und illegalen, des passiven und aktiven, des geistigen und gewaltsamen Widerstandes überhaupt.

Die vorliegende Arbeit gibt keine Darstellung in chronologischer Folge, sondern will versuchen, durch eine Analyse der Methoden, die von der Beck/Goerdeler-Verschwörung entwickelt und angewandt worden sind, einen systematischen Beitrag zur Erhellung des Phänomens „Widerstand“ zu liefern. 2. Umfang und Abgrenzung des Themas a) Beschränkung auf die Beck/Goerdeler-Verschwörung Die Beck/Goerdeler-Verschwörung ist den Weg vom Widerstand zum Aufstand gegangen. Sie unternahm am 20. Juli 1944 den Versuch, Hitler und sein Regime zu stürzen.

Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind die Methoden nur der Verschwörer und Verschwörerkreise, die an diesem herausragenden Ereignis des „ 20. Juli" und seiner Vorgeschichte unmittelbar beteiligt waren. Ausgeklammert bleiben also die Pläne und Aktionen aller Splitter-gruppen und Parallelbewegungen deren Widerstand gegen das NS-Regime sich mehr oder minder unabhängig vom Wirken der Beck/Goerdeler-Verschwörung in einem isoliert gebliebenen Kleinkrieg erschöpfte. Auch der Widerstand der Kirchen bleibt außerhalb des Rahmens der vorliegenden Arbeit Sie beschränkt sich also, genauer gesagt, auf die Ver-schwörergruppen im Offizierskorps des Herres mit ihren Zentren im Generalstab unter Beck und Halder, in der Abwehr um Oster und Canaris, im Stab der Heeresgruppe Mitte (Ostfront) um Treskow, im Allgemeinen Heeresamt um Olbricht und in den Stäben der Westarmee um Stülpnagel und Rommel. Hinzu gesellt sich der weitverzweigte Kreis an Mitwissern, Mittätern und Gesinnungsgenossen, den Goerdeler um sich versammelte, ferner der Kreisauer Kreis um Moltke, die Verschwörergruppe im Auswärtigen Amt um Weizsäcker, der Kreis um Popitz, die Sozialdemokraten um Leber und Mierendorff, die Gewerkschaftsvertreter um Leuschner und Kaiser und der „Grafenkreis“ um Stauffenberg.

Wer einen Nationalsozialisten kannte, der kannte — überspitzt ausgedrückt — alle; denn die Gleichschaltung der Gesinnungen und die Uniformität des Gebarens waren ein bewußt gezüchteter, selbstgewählter Wesenszug der nationalsozialistischen Anhängerschaft. Wer hingegen einen Angehörigen der Beck/Goerdeler-Verschwörung charakterisiert, erfaßt zunächst nur ihn allein. Es gab keinen Typ des Verschwörers. Die Beck/Goerdeler-Verschwörung war ein Sammelbecken eigenwilliger, heterogener Persönlichkeiten. Sie entzieht sich dem Zugriff typologischer Betrachtungsweise. Jedes Urteil über die Beck/Goerderler-Verschwörung als Gesamtheit, über ihr Denken und Wollen, ihr Planen und Handeln wird in Frage gestellt und aufgesplittert durch die Vielfalt der Ausnahmen und Einschränkungen. Um nicht ins Uferlose zu geraten, wird sich die vorliegende Untersuchung in der Regel auf Beispielhaftes beschränken und — soweit sie keine Aktionen, sondern Pläne und Dispositionen der Verschwörer analysiert — nur leitende Tendenzen, nur jeweils vorherrschende Meinungen innerhalb der Verschwörung berücksichtigen.

Für die zeitliche Abgrenzung des Themas ist zu beachten, daß das Augenmerk der vorliegenden Untersuchung nicht der langläufigen, verzweigten Entstehungsgeschichte, sondern den Wirkungsweisen der Beck/Goerderler-Verschwörung gilt. Der Zeitraum, in dem diese Verschwörung als solche bestand und agierte, beschränkte sich im wesentlichen auf die Jahre 193 8— 1944. Unter dem Eindruck der Fritsch-Krise im Februar 193 8 hatte die Verschwörung begonnen, sich zu gruppieren. Sieben Jahre später, am 20. Juli 1944, fand ihr wechselvoller Kampf Kulmination und abruptes Ende.

Außerhalb des Rahmen dieser siebenjährigen, in sich geschlossenen Periode und damit auch außerhalb des Blickfeldes der vorliegenden Untersuchung bleiben die vorübergehenden, latenten Staatsstreichpläne Hammersteins im Januar 193 als Hitler und seine Partei die Regierungsgewalt übernahmen 3). Außerhalb bleiben ferner die Konspirationen um Edgar Jung und in der Heeresleitung während der Röhm-Krise 1934

sowie die Widerstandstätigkeit der verbotenen Linksparteien und illegalen Gewerkschaften in der Folgezeit nach 1933. b)

Beschränkung auf die Methoden Bei der weiteren Beschränkung lediglich auf die Methoden der Beck/Goerdeler-Verschwörung erhebt sich von vornherein der Einwand, diese Abgrenzung könne eine allzu große Verengung des Blickfeldes bedeuten.

Es ist in der Tat nicht möglich, die Methoden der Beck/Goerdeler-Verschwörung völlig isoliert und für sich zu betrachten.

Methoden sind abhängig vom Zweck, dem sie dienen. Die Ziele und Zwecke der Verschwörer sind wiederum nur zu verstehen, wenn ihre Motive zu Rate gezogen werden. Erst aus dem Wissen um das „Warum“ und „Wofür“ erwächst das Verständnis für das „Wie“, für die Art und Weise des Weges, also der Methoden.

Jede Methode, die als politische Handlungsweise nicht nur mit Sachen, sondern auch mit Menschen und menschlichen Belangen operiert, unterliegt sittlichen Wertmaßstäben. Gerade für die Beck/Goerdeler-Verschwörung war die Wahl der Methode niemals ein rein „technisches“, sondern immer auch ein moralisches Problem. Den Verschwörern war durchaus nicht jedes Mittel recht, wenn es nur zum Ziele führt. Sie hatten Skrupel. (Darin beruhte ein Wesenszug ihrer Gegnerschaft zum Nationalsozialismus. Es ist nicht Aufgabe der vorliegenden Arbeit, moralisch zu richten oder zu verteidigen, wohl aber ist es notwendig, die moralischen Maßstäbe, die die Verschwörer selbst an ihre Methoden angelegt haben, zu beachten, und die moralischen Reflexionen, die sie angestellt haben, nachzuvollziehen, um die Gründe zu erhellen, die zur Wahl dieser und zur Ablehnung jener Methode geführt haben.

Methoden des politischen Kampfes sind Richtlinien für das Handeln.

Sie zielen nicht auf das Denken, sondern auf das Tun. Folglich sind sie auch — im Unterschied zu „Ideen“ — von den Bedingungen und Möglichkeiten der vorgefundenen Realität abhängig. „Man muß über die Realitäten klar sein unddieMethoden danach richten“ 3) »forderte Hassell einmal.

Die vorgefundene Realität der militärischen, innen-und außenpolitischen Situation Deutschlands mit ihren Wechselfällen und Konstanten, ihren Chancen und Grenzen tritt darum automatisch mit in den Gesichtskreis der Betrachtung, nicht nur als Schauplatz und Hintergrund, sondern auch als „Material“ der Methoden, die die Beck/Goerdeler-Verschwörung entwickelte. Das Untersuchungsfeld, das die vorliegende Arbeit zu durchmessen hat, wird also komplexer sein, als es die schmalspurige Themastellung zunächst erwarten läßt. 3. Untersuchungsgang und Gliederung Lim die Methoden der Beck/Goerdeler-Verschwörung in den Blick zu bekommen, bieten sich zwei Wege an:

1. Zusammenstellung und Auswertung der Zeugnisse, in denen Verschwörer selbst ausdrücklich über die Methoden berichten, die ihren Aktionen zu Grunde lagen. Auf diese Zeugnisse sind wir ausschließlich angewiesen, soweit es sich darum handelt, Methoden der Verschwörer zu betrachten, die niemals realisiert wurden, die also nicht in Aktionen, sondern lediglich in Aktionsplänen erscheinen.

2. Rekonstruktion der Methoden an Hand der historischen Tatbestände.

Dieser zweite Weg der Rückschlüsse von den Aktionen auf die Aktionspläne ergänzt und kontrolliert den ersteren. Er hat seine Fehlerquellen. Eine scheidet jedoch von vornherein aus, nämlich die der nachträglichen Unterstellung methodischer Überlegungen, wo die Akteure in Wirklichkeit planlos gehandelt haben könnten.

Denn ohne Übertreibung kann behauptet werden, daß es wohl kaum eine Aktion der Beck/Goerdeler-Verschwörung gegeben hat, auch in den turbulenten Stunden des „ 20. Juli“ nicht, die unüberlegt und spontan erfolgt wäre. Keinen Weg, den die Beck/Goerdeler-Verschwörung einschlug, beschritt sie blindlings. , Charakteristisch für die Verschwörer war die Systematik ihres Tuns, war die Strenge, mit der sie Gedanken zu Ende dachten, ehe sie handelten. Niemals agierten sie drauf los. „Einfaches Draufgängertum entsprach nicht ihrer Art“. (Poelchau) Wohl verliefen ihre Aktionen nicht immer nach Wunsch, durchaus nicht immer waren die Verschwörer Herr ihrer Lage, stets aber blieben sie Herr ihrer selbst, an ihrer Spitze Beck, der besonnene Planer und Stratege. Die Beck/Goerdeler-Verschwörung war im Denken stärker als im Tun. Ihre Stärke lag in der Disposition, ihre Schwäche eher im Übermaß als im Mangel an „Methode“.

Die Gliederung der vorliegenden Arbeit unterscheidet die Formen des aktiven und passiven, des geistigen und des gewaltsamen Widerstandes. Diese Formen haben als solche in der politischen Arena, in der die Verschwörung agierte, keine praktische Rolle gespielt. Sie besaßen keinen strategischen Unterscheidungswert. Außerdem traten sie in der geschichtlichen Wirklichkeit fast nie gesondert in Erscheinung, weder zeitlich noch räumlich.

Die Gliederung der vorliegenden Arbeit zerstückelt zwar das chronologische und „strategische“ Erscheinungsbild, jedoch nur, um die Einheit innerer phänomenologischer Zusammenhänge klarer in den Blick zu bekommen. Im Zuge der Ausführung hat sich zu erweisen, daß die gewählten Gesichtspunkte kein systemfreudig von außen an den Gegenstand herangetragenes Gliederungsschema bilden, sondern daß sie unter ständiger Kontrolle am Gegenstand aus diesem Gegenstand selbst gewonnen wurden. 4. Bemerkungen zur Quellenlage Die Zuverlässigkeit des Quellenmaterials zur Geschichte der Beck/Goerdeler-Verschwörung leidet unter dem Mangel an aktenkundlichen, dokumentarischen Belegen. Den Dokumentenbränden beim Abgang des NS-Regimes fielen vor allem Akten der Geheimen Staatspolizei mit den Verhörprotokollen und Prozeßunterlagen aus der Zeit nach dem gescheiterten Aufstand des 20. Juli zum Opfer Es gehört zum Wesen einer Geheimverschwörung, aus Vorsorge gegen Aufdeckungsgefahren und um den Häschern keine Indizienbeweise in die Hand zu liefern, sich schriftlicher Äußerungen tunlichst zu ententhalten. Dennoch haben Beck und Goerdeler peinlich genaue Aufzeichnungen gemacht. Beck war geradezu bestrebt, Belege für den Historiker zu hinterlassen. Überhaupt war der Bestand an schriftlich Hinterlegtem, an Tagebüchern, Denkschriften, programmatischen Entwürfen, Notizen und Briefen der Verschwörer so umfangreich, daß der Bruchteil des Erhaltengebliebenen größer ist, als schlechterdings zu erwarten war. Hinzu kommt die vielstimmige Ausführlichkeit der rückblickenden Berichte und Memoiren überlebender Verschwörer, Mitwisser und Zeugen, auch der nationalsozialistischen Gegenseite. Die nachträglich, nach 1945 entstandene Materialfülle erlaubt einen strengen Maßstab der Sichtung und bietet kaum erschöpfbare Möglichkeiten der Gegenüberstellung und Kontrolle.

Diese quellenkritische Aufgabe betraf die Vorarbeit zum Thema unserer Untersuchung, nicht das Thema selbst. Im Text erscheinen deshalb nur die Ergebnisse des vorausgegangenen Quellenstudiums. Lediglich dort, wo diese Ergebnisse zweifelhaft geblieben sind, wird die beigefügte Anmerkung den jeweiligen Zuverlässigkeitsgrad der Belege erläutern. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf die Auswertung bereits veröffentlichten Quellenmaterials. Sie erschließt keine neuen Quellen, etwa durch weitere Befragung noch lebender Zeugen.

Die Überlieferung ist noch immer im Fluß. Auch hat sie die Grenze des Übersehbaren bereits überschritten. Nicht alle Veröffentlichungen waren deshalb erreichbar. Das gilt vor allem für den Sektor der Broschüren, Zeitungs-und Zeitschriftenaufsätze, die mehr oder minder Authentisches zur Geschichte der Bedc/Goerdeler-Verschwörung zu berichten wissen.

Methoden des passiven Widerstandes

Vorbemerkung „Der passive Widerstand . . . das ist der Widerspruch in sich selber, es ist der duldende Widerstand, der kein Widerstand ist (Lasalle) “ Die mit diesem Zitat aufgeworfene Frage, ob der Begriff: Passiver Widerstand eine contradictio in adiecto sei, bedarf der Klärung, denn in der Tat scheint der leidende und statische Charakter passiver Verhaltensweise unvereinbar zu sein mit der aggressiv-kämpferischen Bedeutung des Begriffes: Widerstand.

Aggressiv zunächst ist jedoch immer nur der Machthaber, gegen den der Widerstand sich schließlich richtet. Dieser Machthaber geht zuerst vor, greift an, bedroht, „verfolgt“ und provoziert. Widerstand leisten heißt: eine Abwehrposition beziehen. Das unterscheidet den Widerstand wesenhaft von revolutionären Akten Der Widerstand wird aggressiv erst in Form einer Gegenbewegung. Ihr geht ein Stadium des Erleidens voraus. Notwendig beginnt die Geschichte einer Widerstandsbewegung mit einer Leidensgeschichte. Dieses Moment des Erleidens und Betroffen-seins bleibt eine permanente Voraussetzung für den Willen zum Widerstand. Erleiden und Widerstand leisten schließen also einander nicht aus, sondern liegen auf derselben Linie eines kämpferischen Entwicklungsprozesses. Im nationalsozialistischen Staat war Passivität nicht nur Vorstufe zum Widerstand, sie war selbst bereits eine Form des Widerstandes. Es gab unter dem NS-Regime keine neutrale Zone, auf die sich ein Regime-gegner zurückziehen konnte, um mit gekreuzten Armen dem Lauf der Dinge zuzusehen. Im totalitären Staat mit seiner totalen Beanspruchung aller Staatsbürger für die Zwecke dieses Staates war Passivität den Anordnungen und Aufforderungen des Regimes gegenüber keine Indifferenz mehr, sondern faktisch gleichbedeutend mit Widerstand im stellung-nehmenden, frontbeziehenden Sinne.

Allerdings blieb der passive Widerstand, im Vergleich zu aktiven Kampfmethoden, stets die Form des „geringsten“ Widerstandes. Der passive Widerstand war gewaltlos und nur indirekt wirksam. Seine Wirkung beruhte in den Folgen, die die Unterlassung, die verweigerte Tat nach sich zog.

Von 1938 bis 1944 ist die Gegnerschaft der Beck/Goerdeler-Verschwörung von Jahr zu Jahr entschiedener geworden, entsprechend wurden auch ihre Methoden immer radikaler und rigoroser. Sie steigerten sich vom passiven zum aktiven, vom geistigen zu gewaltsamen Widerstand.

Als Form des geringsten Widerstandes spielten „passive Methoden der Verschwörer vorwiegend im Anfangsstadium ihres „lautlosen Aufstandes“ eine Rolle, — und am Ende, im Stadium der Resignation und der Ohnmacht, wenn die Aktion zur Passion wurde, und die Methode erstarrte zur Haltung und zur Geste des nahezu Gescheiterten.

I. Selbstmord -Emigration -Desertion

„Dieser Mann (Hitler) ist Deutschlands Schicksal im Guten und im Bösen und dieses Schicksal wird seinen Weg zu Ende gehen, geht es in den Abgrund, so reißt er uns alle mit, — zu machen ist da nichts“ Mit diesen Worten begründete 193 8 der entlassene Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Freiherr von Fritsch seine Ablehnung, sich an einem Militärputsch gegen Hitler zu beteiligen Als der Krieg’ausbrach, begleitete Fritsch sein Regimen der entlassene Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Freiherr von Fritsch seine Ablehnung, sich an einem Militärputsch gegen Hitler zu beteiligen 4). Als der Krieg’ausbrach, begleitete Fritsch sein Regiment (Art. Rgt. 12) nach Polen. Er nahm bewußt Abschied, denn er suchte den Tod; er ging „als Scheibe“ mit, berichtete sein Adjutant 5). Fritsch fiel vor Warschau.

Der Vergleich mit der „Scheibe“ symbolisiert, wie Fritsch auch den letzten sich aufbäumenden Akt des „Selbstmordes“ passiv vollzogen hat. „Wir waren darüber einig, daß Fritschs Verhalten nicht begreiflich sei, er hätte Gelegenheit suchen sollen, sein Leben anders zu verwerten oder einzusetzen“, bemerkte Hassell damals und setzte hinzu, „immerhin, sein Tod hat aufgerüttelt“ 6).

In dieser aufrüttelnden Wirkung des indirekten Selbstmordes von Fritsch lag ein Effekt, der seinen Tod zum Widerstand werden ließ, nicht nur im einsamen, individuellen, sondern auch im politischen Sinne.

Als „Weckruf an die Nation“ deutet Speidel auch den „sokratischen Selbstmord“ Rommels, fünf Jahre nach dem Ehrentod von Fritsch 7). Wieweit Rommel selbst diesen „Weckruf“ bewußt vor Augen hatte, als er Gift nahm, läßt sich nur erahnen. Es heißt, er sei im Auftrage Hitlers vor die Wahl gestellt worden, entweder sich selbst zu entleiben, oder aber, wegen seiner Beteiligung am „ 20. Juli“, einem Todesurteil des Volksgerichtshofes entgegenzugehen 8). Im Motiv der passiven Auflehnung gegen Schauprozeß, Folter und Galgen verband sich Politisches mit Persönlichem wohl bei allen Selbst-morden, die nach dem gescheiterten Aufstand des 20. Juli den Untergang der Beck/Goerdeler-Verschwörang begleiteten. (U. a. endeten durch Selbstmord die Generäle Beck, Treskow, Rommel, Kluge, Wagner, Linde-mann (Gen. d. Art.), Oberst v. Loringhoven, der Frhr. v. Plettenberg und Max Habermann)

Der politische Freitod hatte allen anderen Wegen des Widerstandes die Gewißheit voraus, jederzeit und für jeden gangbar zu sein. Doch blieb auch diese Gewißheit nicht ohne Vorbehalt. Das bewiesen die Beispiele mißlungener Selbstmordversuche. Beck schoß zweimal, ohne den Tod zu finden. Stülpnagel brachte sich einen Kopfschuß bei; erblindet kam er in ein Lazarett, dann vor den Volksgerichtshof, um am Galgen zu enden. Ernst Jünger schrieb dazu: „Ich dachte an unser Kamin-gespräch (mit Stülpnagel) in Vaux über die Stoa und darüber, daß das Todestor dem Menschen immer offenstehe, und daß vor solchem Hintergrund entschiedenes Handeln möglich sei. Da gibt es fürchterliche Belehrungen“

Wohl für alle Verschwörer, die — mehr getrieben als betreibend — den Freitod wählten, war der politische Selbstmord eine Haltung, aber keine „Methode". Zur Methode wurde der Selbstmord nur im Zusammenhang mit den Attentatsplänen jener Verschwörer, die bereit waren, eine Sprengladung am eigenen Körper zur Explosion zu bringen und sich gemeinsam mit Hitler zerreißen zu lassen. (Siehe Kapitel „Attentat“.)

Wie der politische Selbstmord, so waren auch die Emigration und die militärische Desertion Weisen des Fortgehens. Der Schock, den die plötzliche, nicht totzuschweigende Abwesenheit eines prominenten Regime-gegners in der Öffentlichkeit hervorrief, und die damit verbundene stumme Demonstration seiner Gegnerschaft mochten in ihrer Wirkung überlegener sein, als der Triumph, den das Regime dabei für sich buchen konnte, weil es einen Gegner auf bequeme Weise losgeworden war.

Dennoch haben die Verschwörer die Wege der Emigration und der Desertion ziemlich einhellig abgelehnt. Diese Ablehnung blieb keine theoretische. Viele Verschwörer haben, auch während des Krieges noch, durchaus die praktische Chance besessen, gefahrlos zu emigrieren. Als Diplomaten oder Mitglieder der Abwehr, also mit allen erforderlichen Papieren versehen, reisten sie wiederholt in das neutrale Ausland. Stets kehrten sie in die „Festung“ zurück. Familiäre Bindungen, das Gespenst der „Sippenhaft“ und die Sorge vor der materiellen Entwurzelung haben fraglos mitgespielt. Nennenswerter waren die politischen Gründe. Die Beck/Goerdeler-Verschwörung vertrat, ja verkörperte die These, wirksam könne das NS-Regime nur von innen her bekämpft werden. Moralische Argumente kamen hinzu. Die Wege der Emigration und der Desertion waren mit dem Makel der Flucht und des bequemeren Weges behaftet, jedenfalls solange für den, der die Flucht erwog, noch keine akute Gefahr für Leib und Leben bestand. Lieber Talleyrandsche Methoden anwenden seine wahre Gesinnung also notfalls verbergen, aber im Lande bleiben und Widerstand leisten, als emigrieren, lautete ziemlich einhellig die Auffassung der Verschwörer Wer ins Ausland ging, beging Fahnenflucht, denn ein ungeschriebenes Zusammengehörigkeitsgefühl umklammerte die Putschisten. Hinzu kam, daß die Beck/Goerdeler-Verschwörung, trotz kosmopolitischer Tendenzen, eine deutliche patriotische Distanz zu den Alliierten bewahrte. Diese Distanz vertiefte sich nach Ausbruch des Krieges. Sie verbannte die Verschwörer auf die Grenzen ihres Vaterlandes. Als ehrenrührig blieb der Weg des Über-laufens für die Militärfronde indiskutabel. Bekannt geworden sind lediglich zwei Fälle von militärischer Desertion. Der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Nord, Generaloberst Lindemann, und der la der 28. Jägerdivision (Heeresgruppe Mitte) liefen nach dem 20. Juli 1944 zu den Russen über jedoch nicht, um auf der anderen Seite weiterzukämpfen, sondern um sich durch Flucht in die Gefangenschaft dem Zugriff der Gestapo zu entziehen.

Zusammenfassend bleibt zu sagen, daß die Wege der Emigration und der Desertion für die Beck/Goerdeler-Verschwörung eine zwar stets gegenwärtige, aber fast nie ergriffene Möglichkeit des passiven Widerstandes gewesen sind.

II. Der Rücktritt

Audi das Abschiedsgesuch eines Regimegegners, sein Rücktritt aus dem Amt in den „Ruhestand“ war eine Weise des „Fortgehens“, des Nichtmehr-Mitmachens, eine Methode also des passiven Widerstandes. Das Problem des Rücktritts war ein Kernproblem für die Beck/Goerdeler-Verschwörung, denn fast alle Akteure, die ihr angehörten, bekleideten Ämter in Staat und Wehrmacht.

Der kollektive Rücktritt Die warnenden, ja beschwörenden Denkschriften, in denen Beck als Chef des deutschen Generalstabes zu den Plänen Hitlers, die tschechische Frage mit Waffengewalt zu lösen, Stellung genommen hatte, gipfelten in zwei mündlichen Vorträgen. Beck hielt sie am 16. und 19. Juli 1938 vor dem Oberbefehlshaber des Heeres und 19. Juli 1938 vor dem Oberbefehlshaber des Heeres von Brauchitsch. Er appellierte an das Verantwortungsgefühl der „höchsten militärischen Führer“. „Finden ihre Ratschläge und Warnungen . . . kein Gehör“, so erklärte Beck, „dann haben sie das Recht und die Pflicht vor dem Volk und vor der Geschichte, von ihren Ämtern abzutreten" 15).

Dieser Appell des Generalstabschefs blieb keine bloße rhetorische Forderung. Beck entwickelte den konkreten Plan einer „Demarche“ der Generalität des Heeres bei Hitler, verbunden mit einer kollektiven Rücktrittsdrohung „für den Fall, daß der Führer auf der Durchführung des Krieges besteht“ 16).

Der legale, ordnungsgemäße Charakter eines kollektiven Rücktritts mag Beck zur Wahl gerade dieser Methode bewogen haben Beck beabsichtigte keine Rebellion, sondern eine Demonstration, die ohne Tumult und Geschrei durch die Sachlichkeit ihres Vollzugs an die politische Vernunft des Regimes und der Öffentlichkeit appellieren sollte.

In noch weiterem Sinne entsprach der passive Widerstand durch kollektive Rücktrittsgesuche den Zwecken der „Verschwörer“. Sie planten damals noch nicht den Sturz Hitlers. Sie wollten Hitler nur zurückhalten und gleichsam „bremsen“, weil seine Politik, nach einem Wort Weizsäckers, wie in einer Spirale in immer schnellere Rotation geriet. So wehrten sich konservativ denkende Vertreter alter Schule in Heer und Beamtenschaft gegen den „Dynamismus“ Hitlers, indem sie die neue Bewegung nicht mitmachten, zunächst innerlich, weltanschaulich, bei formal korrekter Abwickelung ihrer Dienstgeschäfte und dann auch nach außen hin, durch das Rücktrittsgesuch.

Das Rücktrittsgesuch war ihr letztes Wort, das sie als Oppositionelle kraft ihrer amtlichen Position sprechen konnten. Darin beruhten Nachdruck und Grenze dieser Methode. Sie konnte zur Selbstausschaltung des zurückgetretenen Regimegegners führen Über ihn drohte die Entwicklung, der er Einhalt gebieten wollte, nun erst recht hinwegzugehen.

Aus dieser Einsicht heraus folgte Bede auch energisch dem weiter-drängenden Bewegungs-und Entwicklungsgesetz des Widerstandes, das über die passive Lösung kollektiver Rücktrittsgesuche hinaus ein aggres-sives Vorgehen gebot. „Für den Fall, daß es durch Einspruch berufener Männer noch gelingen sollte, einen Krieg zu vermeiden“, erklärte Beck, „ist mit erheblichen innerpolitischen Spannungen zu rechnen, man wird sich daher entschließen müssen, in unmittelbarer oder nachfolgender Verbindung mit einem Einspruch nunmehr eine klärende Auseinandersetzung zwischen Wehrmacht und SS herbeizuführen“ „Für den Führer, gegen den Krieg, gegen Bonzokratie, Schluß mit den Tschekamethoden, wieder Recht im Reich, Friede mit den Kirchen, freie Meinungsäußerung“ lauteten von Beck aufgestellte Parolen für diese zweite Phase. „Innenpolitisch war sie gedacht als evolutionäre Säuberungsaktion, nicht als Revolution“

Um überhaupt durchführbar und erfolgversprechend zu sein, setzte ein geschlossener Rücktritt voraus: 1. die volle Einmütigkeit der Generalität und 2. ihre Unersetzbarkeit für das Regime.

Die Hoffnung der regimefeindlichen Offiziere und Beamten „alter Schule“, durch Erfahrung und Können unersetzbar geworden zu sein, ließ die kollektive Rücktrittsdrohung als ultimatives Druckmittel erscheinen. Mit dem Selbstbewußtsein des militärischen Fachmanns spekulierte Bede auf den Respekt, den das Regime dem fachlichen Können zollte. Er unterschätzte jedoch den verheerenden Mut zum Dilettantismus, den Hitler in steigendem Maße bewies. Die „Glut nationalsozialistischen Bekennens“ und die Fähigkeit zur „konzentrierten und instinkt-sicheren Anwendung des Machtgedankens“ waren, anstelle des fachlichen Könnens, eine ausschlaggebende Qualifikation der Würdenträger und Spitzenfunktionäre des „Dritten Reiches“.

Davon abgesehen drohte sich die beschworene Staatskrise, die ein kollektiver Rücktritt der Generalität auslösen sollte, durch ein reibungsloses Nachrücken regimetreuer Offiziere mittlerer Ränge zu erübrigen. Das wäre 1938 denkbar, wenn auch wenig wahrscheinlich gewesen. Auch die jüngeren Offiziere fühlten sich damals noch dem Korpsgeist ihres Standes verpflichtet. Durch die allgemeine Wehrpflicht, und vollends durch die Mobilmachung des ganzen wehrfähigen Volkes, zerbröckelte jedoch die konservative Einheit des Offizierskorps mehr und mehr. Entschiedene Nationalsozialisten, schnell befördert, bekleideten bald hohe militärische Ränge.

Hinzu kam ganz allgemein, daß die dualistische Struktur des NS-Regierungssystems (Partei — Staat) kollektiven Ausfällen durch Streiks oder Rücktritt geradezu vorbeugte durch eine Doppelbesetzung der wichtigsten Ämter und Organisationen. Neben der Wehrmacht gab es die militanten Formationen der SA und SS, neben der Ordnungspolizei die Gestapo (Geheime Staatspolizei), das OKW stand dem Generalstab gegenüber, das Amt Görings (Beauftragter für den Vierjahresplan) rivalisierte mit dem Wirtschaftsministerium, der „Reichsleiter“ fungierte neben dem Minister, der Gauleiter neben dem Oberpräsidenten, der Kreisleiter neben dem Landrat usw.

Im Falle eines kollektiven Rücktritts der Heeresspitzen drohte dem Regime ein Prestigeverlust, eine vorübergehende Lähmungserscheinung, aber keine Erschütterung der Grundfesten. Das regimetreue OKW unter Führung der Generale Keitel und Jodl wäre eingesprungen.

Nun bildete Beck sich ja auch nicht ein, das NS-Regime allein durch passiven Widerstand stürzen zu können. Er wollte eine akute Kriegs-gefahr verhindern. Das war sein konkretes Ziel, und dieses Ziel war in der Tat greifbar, weil der geplante „Generalstreik der Generale“ im Angesicht einer bevorstehenden Mobilmachung stattfinden sollte. Der komplizierte Vorgang einer Mobilmachung aller Streitkräfte des Heeres war ohne leitende Mitwirkung der eingearbeiteten Befehlshaber undurchführbar. „Wenn sie alle in einem geschlossenen Willen handeln, ist die Durchführung einer kriegerischen Handlung unmöglich.“ (Beck)

Ein „Generalstreik der Generale“ in der legalen Form, wie sie Beck vorschwebte, setzte ferner die volle Einmütigkeit der Generalität voraus. Am 4. August 193 8 versammelte Brauchitsch die Befehlshaber aller Heeresgruppen und Armeen in seiner Privatwohnung Beck verlas eine Denkschrift, in der er auf die katastrophale militärpolitische Lage des Reiches hinwies. Nach der Besprechung dieser Denkschrift konnte v. Brauchitsch abschließend feststellen, die Befehlshaber des Heeres seien sich in der Ablehnung eines Krieges einig. Der von Beck erhoffte und betriebene Entschluß zum kollektiven Rücktritt wurde jedoch nicht gefaßt. Er kam nicht einmal zur Sprache. Becks Plan scheiterte am gebrochenen Charakter der versammelten Generalität (Busch und Reichenau gaben ein Loyalitätsbekenntnis zu Hitler ab) und an Brauchitsch, der es unterließ, die Initiative zum „Generalstreik“ zu ergreifen Bede hat sich während dieser entscheidenden Besprechung darauf beschränkt, seine Denkschrift vorzulesen, statt darüber hinaus selbst und von sich aus die versammelte Generalität zum kollektiven Rüdetritt aufzufordern. Beck respektierte die Regeln der militärischen Hierarchie. Er wagte offenbar nicht, über den Kopf seines Oberbefehlshabers hinweg der Besprechung die Wendung zu geben, auf die es ihm ankam. Lediglich „beim Weggehen“ äußerte einer der Generale (Kluge oder Liebmann) zu Adam: „Alles, was zwei Sterne auf den Achsel-stücken trägt (Rangabzeichen der kommandierenden Generale), sollte als Protest den Abschied nehmen“ Der Generalstreik der Generale blieb Konjunktiv.

In der Folgezeit bis 1944 ist ein kollektiver Rücktritt der Heeresspitzen niemals wieder spruchreif geworden Die Verschwörer konnten nicht einmal mit der Majorität, geschweige denn mit der solidarischen Zustimmung aller Generale rechnen. Gangbar blieb nur der Weg des individuellen Rücktritts.

Der individuelle Rücktritt Im August 1938 hatte außer Beck nur General Adam, Ober-befehlshaber einer Heeresgruppe, sein Rücktrittsgesuch eingereicht.

Beck hatte sich als Regimegegner zu weit exponiert, um wieder einlenken zu können. Sein Rücktritt war eine einsame Geste persönlicher Resignation. Er war der Schlußpunkt einer fruchtlosen Phase des Widerstandes im Amt und durch das Amt. Zugleich aber war er Auftakt einer neuen Phase, in der wir Beck als Kopf einer unterirdischen Verschwörer-organisation wiederfinden. „Er hatte sich nicht zum Handeln entschließen können, aber durch seinen Abgang die Freiheit des Handelns wiedergewonnen“, interpretiert Foertsch das Verhalten Becks Durch sein Ausscheiden aus dem aktiven Militärdienst entzog sich Beck dem Veto seiner preußischen Dienst-und Ehrauffassung, die ihm das Doppelspiel eines nach außen hin loyalen, im geheimen aber konspirierenden Generalstabschefs verbot

Neben dem stillschweigenden Gewinn seiner inneren Freiheit zum „Hochverrat“ hoffte Beck, durch seinen Rücktritt auch nach außenhin aufrüttelnd zu wirken. Er unterließ es jedoch, sich dieser Wirkung zu versichern. Vornehm und unauffällig wie Fritsch, der seinerseits erklärt hatte, „wenn Hitler mich los sein will, genügt ein Wort und ich werde meinen Abschied erbitten“ trat auch Beck zurück. „Viel leisten und wenig hervortreten“, lautete der Grundsatz, dem er sich verpflichtet fühlte. Die „fast bis zur Anonymität gehende Selbstbescheidung „des deutschen Generalstabsoffiziers brachte ihn um den politischen Effekt seines Protestschrittes Auf Verlangen Hitlers wurde der Rücktritt Becks nicht publiziert Beck fügte sich. Seine loyale Haltung, die er auch mit Rücksicht auf die gefährdete außenpolitische Situation des Reiches während der Sudetenkrise einnahm, soll er später tief bedauert haben

Äußere Form und Zeitpunkt eines oppositionellen Rücktritts waren immer wieder diskutierte taktische Probleme dieser Methode des passiven Widerstandes. „Es ist ein Jammer, daß der Mann, der uns durch rechtzeitigen Abgang ungeheuer hätte nützen können, jetzt wie ein schlechter Angestellter herausgeworfen worden ist“, klagte Hassell im Januar 1939 bei der Entlassung des Reichsbankdirektors Schacht und ein Jahr später, als die Westoffensive mit einer Neutralitätsverletzung begann, notiert er: „Mir ist zweifelhaft, ob er (Weizsäcker) nicht im letzten Moment beim Einbruch in Holland und Belgien hätte „gehen“

sollen Pechei wirft Nebe vor, daß er als Reichskriminalkommissar nicht zurückgetreten sei, als die Kripo in die SS überführt wurde. „Dabei wäre eine Weigerung durchaus möglich gewesen, sie hätte Furore gemacht“

Die praktische Möglichkeit zum Rücktritt war ohne weiteres nur bis 1939 gegeben. Nach Ausbruch des Krieges verbot Hitler die Einreichung von Entlassungsgesuchen Er wertete sie als Sabotage. Im November 1941 äußerte Hitler, „er werde künftig keinerlei Rücktrittsgesuche von Generalen mehr entgegennehmen, er könne auch nicht seinem nächsthöheren Vorgesetzten, dem lieben Gott, sagen, er mache nicht mehr mit, weil er die Verantwortung nicht tragen könne“

Hitlers Verbot zwang die rücktrittswilligen Verschwörer zu einem besonderen Verfahren. „Alter oder Krankheit konnte ich nicht gut vorschützen“, berichtete Halder (bis zum 25. 9. 1942 Genralstabschef), „mir blieb nur, den Bruch zu provozieren“ „Genehmigt wurde mir mein Abschied nie“, bestätigte Weizsäcker, der ehemalige Staatssekretär im Auswärtigen Amt, „überhaupt ist in Diktaturen das Kommen leichter als das Gehen. Ich will damit nicht behaupten, daß ich nicht irgendwie den Abschied hätte erzwingen können. Ich wollte ihn nicht erzwingen“

Der Nachsatz dieses Zitats kennzeichnet Weizsäcker als einen Vertreter der oppositionellen Theorie des „Im-Amt-Bleibens".

Das Problem des Im-Amt-Bleibens Am Beispiel Becks war deutlich geworden, daß der alleinstehende, ostentative Rücktritt eines prominenten Regimegegners in der Öffentlichkeit kaum vermerkt wurde, rasch in Vergessenheit geriet und von einer lauen Protestwirkung des Augenblicks abgesehen, verpuffte, ohne die sachliche Position des Regimes ernsthaft gefährden zu können. Das lag in der Natur des passiven Widerstandes. Er war eine Form des geringsten, leisesten Widerstandes. Sein Einsatz stand in keinem Verhältnis zum Effekt. Hinzu kam, daß Hitler über eine unerschöpfliche Reserve qualifizierter und loyaler Persönlichkeiten verfügte. Keiner der Zurückgetretenen erwies sich für das Intaktbleiben des NS-Staatsapparates als unersetzbar. Selbst ein scheinbar so unentbehrlicher Sachverständiger wie Schacht, der 193 8 vermeinte, er habe „Hitler an der Gurgel“, weil eine Rücktrittsdrohung des Reichsbankdirektoriums (für den Fall, daß Hitler die Rückzahlung der Kredite (Mefo-Wechsel), die die Reichsbank dem Staat gewährt hatte, verweigern sollte) eine Finanz-und Staatskrise auslösen würde, mußte einsehen, daß dem Regime auf diese Weise nicht beizukommen war Nicht für das Regime waren die verabschiedeten Systemgegner unersetzbar, wohl aber für die Opposition. Einzigartige Chancen hätten sich der Beck/Goerdeler-Verschwörung eröffnet, wenn Beck im Amt verblieben, oder gar, wie Hitler es vorübergehend erwog, als Nachfolger von Fritsch zum Oberbefehlshaber des Heeres ernannt worden wäre Statt selbst zu weichen, müsse der andere, d. h.

Hitler, , gehen', richtiger gesagt, unschädlich gemacht werden“, forderte Halder Das Ziel, Hitler auszuschalten, konnte aber, nach den gescheiterten Hoffnungen auf anonyme Volksaufstände, nur durch eine Revolution „von oben“, durch einen Staatsstreich also, verwirklicht werden, und nur Funktionsträger hoher und höchster Ämter in Staat und Wehrmacht besaßen Macht und Einfluß genug, um einen derartigen Staatsstreich zu inszenieren. Deswegen setzte sich auch — nach anfänglichen Rücktritts-und Entlassungswellen — die Auffassung durch, man dürfe nicht zurücktreten oder seine Entlassung provozieren, sondern müsse mit allen Mitteln versuchen, im Amt zu bleiben. „Unter der Diktatur gäbe es für einen Oppositionellen nur eins, mit Zähnen und Klauen seinen Posten zu verteidigen und für den Fall der Entlassung mit allen Mitteln zu versuchen, wieder hineinzukommen“, forderte Hassell Selbst Goerdeler, der 1937. die Niederreißung des Mendelssohn-Bartholdy-Denkmals in Leipzig zum Anlaß genommen hatte, sein Amt als Oberbürgermeister dieser Stadt niederzulegen, soll später erwogen haben, sich wieder um eine amtliche Position zu bewerben, „um auf diese Weise in die innere Sperrzone zu kommen“

Trotz aller guten Gründe blieb die Frage: Rücktritt oder Im-Amt-Bleiben für die Verschwörer ein nimmerruhendes Problem, mit dem vor allem Weizsäcker rang und das auch Canaris unentwegt quälte. Der Augenschein, Nutznießer und Komplize des Regimes zu sein, der ständige Zwang zum Lippendienst, zur Tarnung, zum Doppelspiel und zur Doppelzüngigkeit, noch dazu „in einem Land wie Deutschland, wo zu einer Gesinnung höchst selten sich Verschlagenheit gesellt“ stellte das Verbleiben im Amt vom Moralischen her ständig in Frage.

Die vielseitigen Argumente, mit denen im Amt verbliebene Verschwörer und Oppositionelle sich vor dem imaginären Ehrengericht des „anderen Deutschlands“ rechtfertigten, lassen sich etwa folgendermaßen zusammenfassen.

a) Man müsse im Amt bleiben, weil Regime und Systeme kommen und gehen, die administrativen und militärischen Ämter jedoch bestehen bleiben, solange es einen deutschen Staat gibt. Träger dieser Auffassung wehrten sich gegen eine Identifizierung von NS-Regime und deutschem Staat. Sie gaben zu bedenken, daß durchaus nicht alle Aufgaben, vor die sich Heer und Beamtenschaft unter der Ära des Nationalsozialismus gestellt sahen, den idealen Interessen und realen Bedürfnissen der Nation zuwiderliefen, sondern zum Teil und unabhängig von ihrem nationalsozialistischen Habitus Dienst am Wohl des deutschen Volkes blieben.

b) Ein weiteres Argument berief sich auf die Pflicht „Schlimmeres zu verhüten“, d. h. sachliche oder moralische Auswüchse und Maßlosigkeiten des Regimes von innen her zu sabotieren oder zu korrigieren, sei es durch legale Proteste oder passiven Widerstand, durch caritative Hilfsaktionen oder diplomatische Schachzüge. Träger dieser Auffassung dienten als gute Geister indirekt auch dem Fortbestand des Regimes

c) Bis 193 8 wurde auch das Argument vorgebracht, man müsse im Amt bleiben, um auf friedlichem, evolutionärem Wege eine Änderung herbeizuführen. Verfechter dieses Arguments (Popitz, auch Beck bis 1938) hielten Praxis und Staatsidee des Nationalsozialismus zumindest für diskutabel.

d) Bereits erwähnt wurde das wohl stärkste Argument für die Beck/Goerdeler-Verschwörung, man müsse im Amt bleiben, um über eine Plattform zum Sturz des Regimes zu verfügen. Hierbei boten sich den Verschwörern zwei Wege an. aa) Die indirekte Methode.

Sie bestand in der permanenten Sabotage mit dem taktischen Ziel, die Machtposition des Regimes, wo und wann auch immer die Gelegenheit sich bot, zu schwächen und zu untergraben, um einem gewaltsamen Sturz vorzuarbeiten. Für die Beck/Goerdeler-Verschwörung war charakteristisch, daß sie auf diesen Weg weitgehend verzichtet hat. (Siehe Kapitel Sabotage.) bb) Die direkte Methode.

Sie bestand in der Vorbereitung und Durchführung eines Staatsstreiches mit Hilfe aller Machtmittel und Befugnisse, über die im Amt gebliebene Verschwörer kraft ihres Amtes verfügten. Verfechter dieser Methode waren beinahe alle Akteure des „ 20. Juli“, die zu dieser Zeit noch ein militärisches oder ziviles Amt bekleideten. e) Ein letztes Argument schließlich lautete dahingehend, man müsse im Amt bleiben, um als Ordnungsträger in einer chaotischen Welt für den Augenblick der vorauszusehenden nationalen Katastrophe Deutschlands als „Bergungsmannschaft" zur Stelle zu sein.

IH. Passive Sabotage

a) im militärischen Sektor Unter passiver Sabotage verstehen wir die Nichtausführung oder dilatorische Behandlung von „Führerbefehlen“. Diese Methode bot im Amt gebliebenen Verschwörern einen gelegentlichen, versteckten Ausweg aus der Zwangslage ihres Gewissens. Durch passive Sabotage im Amt versuchten sie, sich gegen den Mißbrauch ihrer Person als Werkzeug einer rechtswidrigen oder für unsinnig erachteten Führung zu wehren.

Vor dem Krieg sah sich die Opposition im Generalstab vor drei besonders alarmierende Gelegenheiten gestellt, die dazu herausforderten, der Kriegspolitik Hitlers durch passive Sabotage Hemmnisse in den Weg zu legen. Es handelte sich um die Weisungen Hitlers zur Ausarbeitung von Operationsplänen für den „Fall Otto“ (militärische Intervention in Östereich), den „Fall Grün“ (militärische Zerschlagung der Tschechei) und den „Fall Weiß“ (Angriff auf Polen).

Die Weisung für den Eventualfall eines bewaffneten Einmarsches in Österreich (ergangen am 24. Juni 1937) wurde in der Tat — wenn auch nur vorübergehend — durch passiven Widerstand sabotiert. „Dieser Fall Otto wurde vom Generalstab gar nicht bearbeitet. Er fiel stillschweigend unter den Tisch" (Halder) Als am 10. März 193 8 der Mobilmachungsbefehl für die beiden bayrischen Wehrkreise und einige Spezialtruppen erging, begab sich der Chef des OKW, Keitel, zu Beck und erkundigte sich, welche Maßnahmen für den Fall eines Einmarsches in Östereich, den Fall Otto, vorbereitet seien. „Beck erwiderte, es sei nichts, gar nichts vorbereitet“ Für die Ausgabe der notwendigen Befehle standen Beck knapp fünf Stunden zur Verfügung. Beck improvisierte zwar, aber immerhin funktionierte er dann doch noch im Sinne des Regimes. So blieb denn der ohnehin nur zögernd geleistete passive Widerstand gegen den „Plan Otto“ ohne öffentliche Konsequenz. Sie hätte den Generalstabschef vor das Kriegsgericht und an den Pfahl gebracht. Bis zu dieser selbstmörderischen, märtyrerhaften Konsequenz sind die Verschwörer niemals gegangen, wann und wo sie auch immer als einzelne passiven Widerstand geleistet haben. Jedoch sind die Motive, die Beck schließlich doch noch — wider besseres Wissen — zur präzisen und leitenden Mitwirkung am Einmarsch in Österreich bewogen hatten, wohl kaum in seinem persönlichen Sicherheitsbedürfnis zu suchen. Patriotische Gründe zwangen ihn zur Loyalität. Hinzu kam, daß Beck „die verkörperte Gewissenhaftigkeit“ war. Befehle dilatorisch zu behandeln, widersprach seinem Berufs-ethos. Die Dienstauffassung des militanten Preußentums, das die Praxis des reibungslosen Funktionierens mit dem Pathos der Ehrenhaftigkeit bekleidete, ließ die passive Sabotage im Amt als ein in sich ehrenrühriges Mittel erscheinen. Nicht von ungefähr war der einzige Militärverschwörer, der die passive Sabotage im Amt methodisch betrieb, Canaris nämlich, seinem Wesen und Gebaren nach von einer unpreußisch sprunghaften, zwischen Pedanterie und Lässigkeit pendelnden Einstellung zu seinen Amtsgeschäften als Chef der Abwehr.

Der „Fall Grün“ (Angriff auf die Tschechei) wurde — ebenso wie der „Fall Weiß“ (Angriff auf Polen) — vom Generalstab korrekt bearbeitet. Widerstand leistete Beck durch Denkschriften. Eine Fortsetzung seines aktiven legalen Widerstandes gegen den „Fall Grün“ mit anderen Mitteln war dann die generalstabsmäßige Vorbereitung eines Staatsstreiches im

Spätsommer 193 8. Damit vollzog sich endgültig der von Beck vorbereitete und von seinem Nachfolger Halder konsequent betriebene Wechsel der Methoden des opponierenden Generalstabes. „Jeder Plan des Generalstabes (fand) zumindest in den Jahren 193 8 bis 1940 einen Gegenplan des gleichen Gcneralstabes, um die Auswirkungen zu durchkreuzen und Hitlers Kriegsführung zu sabotieren“

Diese doppelgleisige Aktivität entsprach einer inneren Zwiespältigkeit der Motive und einer Gebrochenheit der Ziele. Der Generalstab wollte den Krieg verhindern, aber nicht verlieren. So kam es, daß er für den Krieg und zugleich gegen den Krieg arbeitete. „Die Dinge lagen unsäglich verwickelt.“ Nach Ausbruch des Krieges führte die Militärfronde einen eigenen Zweifrontenkampf, dessen Spitze sich sowohl nach innen, gegen die Politik und Kriegsführung Hitlers richtete, als auch nach außen, gegen die ausländischen Feindmächte. Der letztere Fall verbot den Militärverschwörern jede aktive Sabotage im Sinne der „Feindbegünstigung“ und auch jede passive Sabotage durch prinzipiell mangelhafte, dilatorische oder bewußt irreführende Behandlung ihrer Dienstgeschäfte. Im Fronteinsatz engagierten sich die Verschwörer z. T. mit hervorragender, zumindest aber mit ebenbürtiger Einsatzkraft wie ihre regimetreuen Waffenbrüder.

Eine erregende Sonderstellung im Kapitel „Sabotage“ nehmen die alleinstehenden Versuche von Oster und Müller ein, die Westmächte vor der deutschen Frankreichoffensive zu warnen.

Müller warnte seinen britischen Verhandlungspartner im Zuge der Friedensgespräche, die er 1939/40 im Namen der Verschwörung und durch Vermittlung des Vatikans in Rom führte. Die Warnung Müllers (neun Tage vor dem tatsächlichen Offensivbeginn) war in allgemeiner Form gehalten. („Hitler wird angreifen. Der Angriff steht bevor." Ob sie mit Wissen und Billigung Becks ausgesprochen wurde, ist noch ungeklärt.

Ziemlich sicher ist aber, daß Generaloberst Oster, Abteilungschef bei der Abwehr, noch einen Schritt weiterging als Müller, indem er — parallel zur „Vatikan-Aktion“ — durch mehrmalige präzise Angaben den holländischen Militärattache in Berlin, Oberst Sas, über den genauen Offensivtermin informierte. (zuletzt am 9. Mai 1940, zwölf Stunden vor dem tatsächlichen Angriffsbeginn.)

Die Warnung Müllers könnte noch als letzter Versuch gewertet werden, die Westoffensive rechtzeitig abzustoppen und zu verhindern (— militärische und politische Demonstrationen Hollands und Belgiens als Zeichen ihrer Alarmbereitschaft hätten Hitler vielleicht zwingen können, seinen ohnehin schwankenden Entschluß zur Offensive noch einmal zurückzuziehen. Hingegen kann die kurzfristige Terminangabe Osters nur noch den praktischen Zweck gehabt haben, die unwiderruflich abrollende Offensive durch erhöhte deutsche Anfangsverluste zu erschweren oder gar zum Scheitern zu bringen. Damit vollzog Oster den unerhört problematischen Schritt von der politischen zur aktiven militärischen Sabotage.

Vom soldatischen Ehrenstandpunkt aus hätte wohl die Mehrzahl der militärischen Mitverschwörer Osters seiner Sabotageaktion energisch widersprochen wenn sie davon Kenntnis gehabt hätten, und nur wenige, vermutlich nur Oster selbst, wußten davon. Die Methode Osters hätten sie abgelehnt, nicht aber seine Beweggründe, die gegen das Projekt der Westoffensive gerichtet, damals Gemeingut der Beck/Goerdeler-Verschwörung waren. „ . . . nach einer neuerlichen Neutralitätsverletzung wird man auch mit uns (d. h. mit der Opposition) keinen Frieden ohne Rache mehr schließen wollen“, äußerte Beck damals. Die Ausweitung des Kriegsschauplatzes durch die offensive Strategie Hitlers hielten die Verschwörer für verhängnisvoll. 1939/40 vertraten sie den Standpunkt, eine Offensive leite den Kampf auf Leben und Tod ein, eine defensive Kriegsführung hingegen lasse noch Raum für einen „Ausgleichsfrieden.“

Die Sabotage der Westoffensive sollte nicht nur diesem „Ausgleichsfrieden“

dienen, sondern auch, im Sinne der „Rückschlagstheorie“, den Sturz Hitlers fördern. Beide Aufgaben waren ohnehin unteilbar, denn nur eine hitlerfeindliche Regierung wäre von den Alliierten als verhandlungsfähig akzeptiert worden. Alle Friedensgespräche, die Verschwörer mit britischen Regierungsvertretern zu führen versuchten, bestätigten immer wieder diese Voraussetzung.

Ihrer Erfüllung schien die Sabotage der Westoffensive, wie Oster sie betrieb, insofern zu dienen, als militärische Rückschläge und Niederlagen Deutschlands unter der Ära Hitlers eine innenpolitische Bedingung waren, um den Diktator zum Sturz reif zu machen. Der Staatsstreich bedurfte einer populären Ausgangsbasis. Ein Scheitern der Westoffensive, durch Sabotage herbeigeführt, hätte den Bann Hitlers brechen und damit freie Bahn für einen Sturz des NS-Regimes schaffen können. Jedoch erschien dieser Weg wie kein anderer belastet mit dem Vorwurf des „Landesverrats.“

Daß Hitler ein Unglück für Deutschland sei, war eine Auffassung, in der sich alle Verschwörer einig waren. Den Sturz Hitlers erachteten sie als Vaterlandspflicht. Diese Pflicht konnte folgerichtig auch die Kollaboration mit dem alliierten Kriegsgegner gebieten, wenn diese Zusammenarbeit der Zurückbringung des Friedens und dem Sturz Hitlers dienlich war. Problematisch wurde jedoch diese Zusammenarbeit, weil sich die Front der Kriegsgegner Deutschlands nicht nur gegen Hitler und sein Regime, sondern — im Zuge des totalen Krieges — notwendig auch gegen das deutsche Volk und sein nationales Lebensinteresse richtete, so daß unter jedem Rückschlag und jeder Niederlage, die das NS-Regime im Kriege erlitt, das deutsche Volk mitlitt, ja der eigentlich Leidtragende war.

Dagegen versuchte sich die Beck/Goerdeler-Verschwörung zu sichern. Zunächst mit einigem Erfolg. Gerade in den Vormonaten der Westoffensive, im Rahmen der Vatikan-Aktion Müllers, schienen ihre vorsorglichen Bemühungen, von den Westmächten die Garantie ehrenvoller, annehmbarer Waffenstillstands-und Friedensbedingungen im Falle eines innerdeutschen Systemwechsels zu erlangen, ein verheißungsvolles Stadium erreicht zu haben.

Zweifel an der Verbindlichkeit der britischen Zusicherungen im sog.

„X-Bericht“ (Ergebnis der Vatikan-Aktion Müllers, kein Abkommen, sondern nur eine Diskussionsgrundlage) mußten jedoch erneut die patriotischen Skrupel der Sabotagegegner bestärken. Hinzu kamen massive Zweifel, ob die Prognosen, aus denen die Sabotageaktion Osters eine Begründung und Rechtfertigung bezog, wirklich totsicher zuträfen, nämlich daß die deutsche Westoffensive ohnehin militärisch zum Scheitern verurteilt sei, diese Niederlage durch Sabotage also gar nicht herbeigeführt, sondern allenfalls nur beschleunigt werden könne und müsse (um sinnloses Blutvergießen zu verhindern). Auch die innenpolitische Spekulation, Rückschläge Deutschlands müßten bewußt in Kauf genommen werden, um die totale Niederlage abwenden zu können (durch Sturz Hitlers), erschien gewagt und mit einem schicksalsschweren Risiko belastet. Zu diesen sachlichen Zweifeln der Sabotagegegner trat der moralische Einwand, daß man ein LInglück wie militärische Rückschläge Deutschlands in keinem Fall, auch nicht aus wohlweislichen taktischen Gründen, herbeiführen dürfe, sondern abwarten müsse.

Bei allem Widerstreit der Gründe und Gegengründe bleibt unbestritten, daß man Oster und Müller zumindest das Motiv unterstellen muß, auf der Suche nach dem geringeren Übel das Beste für ihr Volk gewollt zu haben.

Auf dieses Motiv stützen sich apologetische Auslegungen der Nachkriegszeit, die die These vertreten, daß im „Dritten Reich“ der formal-rechtliche Landesverrat zur höchsten Landestreue im material-ethischen Sinne werden konnte, wenn die Beweggründe und Zwecke der „Verräter“ auf das Wohl des Vaterlandes gerichtet gewesen seien. Andere Auslegungen, die verneinen, daß edle Zwecke in sich schlechte Mittel legitimieren oder gar „heiligen“ können, verurteilen an der Weitergabe militärischer Geheimnisse einmal das Formal-Verräterische dieser Methode, da die Saboteure Informationen, die ihner anvertraut waren, gerade denen übermittelten, vor denen diese Nachrichten geheim gehalten werden sollten, und zum anderen das blutige Risiko jeder militärischen Sabotage. „Die Übermittlung eines Angriffstermins z. B. an den Feind nützt, unnötig zu sagen, nichts“, meint Halder, „denn der Angriff wird planmäßig durchgeführt. Allerdings werden, wenn der Feind unterrichtet wurde und also vorbereitet ist, tausende eigener Soldaten, die auf Befehl die Stellung verlassen und vorgehen, mit ihrem Leben für diese Gewissenlosigkeit zahlen.“

Die Gewissensnot der Saboteure ergibt sich aus der Gegenrechnung. Sie zählt die Millionenzahl von Menschenleben, die vielleicht noch zu retten waren, wenn es möglich gewesen wäre, durch Sabotage das Kriegsende zu beschleunigen und ein Weißbluten Europas zu verhindern.

Der Vorwurf des Landesverrats und der Feindbegünstigung erübrigte sich vollends, wenn die Sabotage der Verschwörer gegen Maßnahmen Hitlers gerichtet war, die den Horizont des Freund/Feind-Verhältnisses eindeutig überstiegen und oberhalb aller militärischen und politischen Gegensätze nicht mehr die Nationalität, sondern die Humanität betrafen.

Das bekannteste Beispiel für die Nichtausführung eines Führerbefehls, gegen den sich das soldatische und christliche Gewissen militärischer Führer empörte, war die Sabotage des Kommissarbefehls Hitler hatte 1941 angeordnet, alle in Gefangenschaft geratenen Kommissare und Politruks der Roten Armee dem SD (SS-Sicherheitsdienst) zur Liquidierung zu übergeben oder an Ort und Stelle zu erschießen. Dieser Befehl, zu Anfang des Rußlandfeldzuges erteilt, war ein Präzedenzfall. Hitler verlangte rücksichtslose Härte, „Vermeidung jeder falschen Ritterlichkeit und blinden Gehorsam für seine Befehle, ganz gleich, ob man diese gutheiße oder nicht. Immer wieder betonte er, daß der Kampf zweier Weltanschauungen neue Begriffe der Kriegsführung erfordere“.

Der neue Kommissarbefehl ist durch Obstruktion der militärischen Dienststellen nicht einmal überall bekanntgeworden weiß Halder zu berichten. „So war es stellenweise doch möglich, von Hitler gegebene Befehle zu ignorieren“ folgert Schlabrendorff aus einem Beispiel, das General v. Treskow in seinem Befehlsbereich lieferte 7°).

Passive Sabotage gegen den Kommissarbefehl leisteten durchaus nicht nur Angehörige der Beck/Goerdeler-Verschwörung. Eine Welle der Empörung durchlief damals das höhere Offizierskorps.

Die relativ große Einmütigkeit der Generalität des Heeres in der Ablehnung des Kommissarbefehls (und des Kommandobefehls schien den Putschisten eine Handhabe zu bieten, um auf moralischer Ebene eine spontane Gegenbewegung in Gang zu bringen und damit — wie Hassell sich ausdrückt — „die Sache (Sturz des Regimes) ins Rollen zu bringen.“ Als Hassell erfuhr, daß auch Feldmarschall v. Bock sich geweigert habe, Mordbefehle auszuführen, schrieb er: . es ist wirklich zum Verzweifeln, daß dies auf solche unorganische Weise geschieht und verfliegt, ohne für einen Putsch ausgenutzt zu werden“.

Damit berührte Hassell ein grundsätzliches Problem. Es läuft auf die Frage hinaus: Wieweit war es möglich, humane Impulse zu organisieren und politisch nutzbar zu machen, wieweit war es grundsätzlich möglich, Widerstand im Bereich des Humanen und politischen Widerstand taktisch miteinander zu kombinieren?

Wenn wir beanspruchen, Christen zu sein, dürfen wir keinerlei taktischen Rücksichten Raum geben forderte Dietrich Bonhoeffer einmal. Die religiöse oder sittengesetzliche Order ihres Gewissens forderte die Verschwörer auf, ohne Rücksicht auf das politische Projekt des Staatsstreiches unmenschliche Befehle und Aktionen des Regimes immer und überall dort, wo es möglich war, zu mildern oder durch passive Sabotage zu verhindern. Dieser spontane humanitäre Widerstand trug seinen Sinn in sich selbst. Ihn als Mittel und Zweck des Regimesturzes zu benutzen, widersprach seinem Wesen. In die Strategie des politischen Umsturzes ließ sich der passive, humanitäre Widerstand nicht so ohne weiteres einspannen. Es ist deswegen auch kein Zufall, daß sich der vielfältige humanitäre Widerstand der Verschwörer (wie auch der Widerstand der Kirchen) unabhängig und außerhalb von ihren eigentlichen Staatsstreich-vorbereitungen vollzog. Ein Beispiel bietet die Rolle, die Admiral Canaris gespielt hat. Eher zum Schaden als im Dienst der Staatsstreichvorbereitungen seiner Mitverschwörer liefen die caritativen Hilfsaktionen und humanitären Sabotagemanöver, denen Canaris seine oppositionelle Energie widmete (u. a. Nichtausführung der Befehle Hitlers, die französischen Generale Weygand und Giraud zu ermorden, Verschaffung von Ausreisepapieren und Devisen für rassisch oder politisch Verfolgte). „Canaris menschliche Güte und Hilfsbereitschaft kannte keine Grenzen. Es war in Deutschland allgemein bekannt, daß sich jeder Verfolgte in den Schoß der Abwehr flüchten konnte, weiß sogar Hagen aus der Sicht des RSHA (Reichssicherheitshauptamt der zu berichten Der humanitäre Kleinkrieg der Verschwörer hat ihre geheime Fronde vorzeitig exponiert und den Argwohn des Regimes genährt. Dem Regime waren die „Nester“ des Widerstandes bekannt. Nicht nur, aber auch durch ihren permanenten humanitären Widerstand haben die oppositionellen Dienststellen und Ämter (Abwehr, Generalstab, Auswärtiges Amt) ihr loyales Gesicht, das sie nach außen hin aufsetzen mußten, wollten sie ihre unterirdischen Staatsstreichpläne ungestört vorbereiten, auf Kosten dieser Staatsstreichpläne gefährdet.

Diese Gefahr wurde gemindert, wenn auch nicht aufgehoben, durch das elastische Verfahren, das die Verschwörer im Laufe der Jahre herausbildeten. Die Wege der legalen Proteste hatten sich als fruchtlos erwiesen. „Weil frontal nichts zu machen war, mußte von Fall zu Fall und auf Umwegen das Menschenmögliche geschehen. An Stelle fruchtloser Demonstrationen mußte man Mittel des diplomatischen Kleinkrieges anwenden, um abzuhelfen, zu verzögern, zu verhindern. Ohne daß es an die große Glocke kam . . ." 77) So charakterisiert Weizsäcker das Verfahren der Opposition im Auswärtigen Amt. Wie stets war die indirekte Methode dem Charakter Weizsäckers und seinen amtlichen Möglichkeiten am ehesten gemäß. Über den Weltrat der Kirchen, das Internationale Rote Kreuz, den Vatikan und jene ausländischen Regierungen (Ungarn, Slowakei, Vichy-Regierung u. a.), die mit Deutschland verbündet vom NS-Regime zur Deportation von Juden aufgefordert wurden, versuchten Weizsäcker, Kessel und v. Nostiz zu bremsen und zu verhindern, was sie glaubten, verhindern zu können.

Die Möglichkeit zur passiven Sabotage unmenschlicher Befehle bot sich den Verschwörern nur dann, wenn derartige Befehle durch ihre dienstlichen Hände gingen. In der Regel jedoch hatten die Dienststellen und Ämter, in denen Verschwörer saßen, mit den „Hauptverbrechen" des Regimes nichts oder nur am Rande zu tun. Die Konzentrationslager unterstanden der SS. „Der SS-Staat" im Staate blieb dem Einfluß der Beck/Gördeler-Verschwörung restlos entzogen. Auch die Juden-und Geiselerschießungen im Hinterland der militärischen Fronten wurden von SS-Formationen, den sogenannten Einsatzgruppen des SD, ausgeführt. Arthur Nebe war der einzige Verschwörer, der eine hohe Dienst-stellung in der SS bekleidete. 1941 leitete er vorübergehend eine der obengenannten berüchtigten SD-Einsatzgruppen (im Bereich der Heeresgruppe Mitte, Ostfront). Schlabrendorff berichtet von Nebe, daß er damals „tausend Vorwände erfand, um die Mordbefehle Hitlers in einem geradezu unwahrscheinlichem LImfange zu sabotieren“ Dieser Aussage steht das anklagende Urteil Hagens gegenüber, der aus der Sicht des RSHA berichtet, Nebe habe sich niemals von den Methoden Heydrichs distanziert, „im Gegenteil, es gab kaum eine größere Aktion, an der Nebe nicht beteiligt gewesen wäre, und immer bewährte er sich als zuverlässiger Mitarbeiter Heydrichs“ Dieses Urteil und die Tatsache, daß Nebe sich bis zum 20. Juli 1944 in seiner Position als SS-Gruppenführer und Chef des Amtes V (Kripo) im RSHA halten konnte, deuten das Maß an virtuoser Verstellungskunst an, das er aufgewandt haben muß, um seine wahre Gesinnung zu verbergen. Über die Tarnung passiver Sabotage, wie Canaris sie anwandte, berichten Gisevius aus erster und Abshagen aus zweiter Hand. „Passive Führung bei scheinbar höchster Aktivität lautete ... die Parole, die er seinen Vertrauten für die Leitung der Dienstgeschäfte gab, wobei er selbst mit dem Beispiel höchster Betriebsamkeit voranging.

Diese Tatktik des nervösen, innerlich gejagten Admirals wandten alle Verschwörer an, die sich durch passive Sabotage im Amt gegen das Regime stellten, zugleich aber auch bemüht waren, nach außen hin im Sinne des Regimes zu funktionieren und ihr normales Arbeitspensum gewissenhaft zu erledigen, um sich gegen den Verdacht der Lauheit, der Sabotage und des Defaitismus zu schützen.

In dieser Form war der passive Widerstand mit dem geringsten Risiko für Leib und Leben verbunden. Auch dort, wo er von Verschwörern im christlich-humanen Geist geübt wurde, war er kaum jemals ein bewußter Leidensweg des einmaligen Bekennens und LIntergehens, sondern eine wiederholbare Kunst des Möglichen, die mit Maß, Vorsicht und List das Erreichbare zu erreichen suchte.

IV. Militärische Gehorsamsverweigerung

Laut Artikel 47, 2 der Reichsverfassung war Hitler der „Oberste Befehlshaber der deutschen Wehrmacht“. Er übte dieses Amt nicht nur nominell aus. Nach der Verabschiedung Blombergs im Februar 1938 hatte Hitler persönlich das Oberkommando der Wehrmacht übernommen.

Ein gemäßigter Weg, sich seiner Befehlsgewalt zu entziehen, war der Rücktritt, der Abschied, der Ruhestand. Eine andere Methode war der getarnte Ungehorsam durch passive Sabotage. Der radikalste Weg passiver Auflehnung war die Gehorsamsverweigerung.

Standgericht, Staatsstreich oder militärisches Chaos waren mögliche Folgeentwicklungen einer Meuterei gegen Hitler. Als Auftakt zum Staatsstreich haben die Verschwörer wiederholt den Plan einer kollektiven Gehorsamsverweigerung erwogen und betrieben. Niemals dachten sie dabei an eine Meuterei in der Truppe oder im unteren Offizierskorps, sondern ausschließlich an eine Gehorsamsverweigerung der kommandierenden Generalität. Die Tatsache, daß Verschwörer auch während des Krieges ein derartiges Ansinnen an fast alle Heeresgruppen-und viele Armeebefehlshaber überhaupt stellen konnten, ohne auch nur von einem der Angesprochenen. verraten oder verhaftet zu werden, war so ungewöhnlich wie ermutigend. Spruchreif wurde der Plan einer kollektiven Gehorsamsverweigerung der Generalität dreimal: 1939/40 vor der Westoffensive, 1942/43 unter dem Zeichen der Stalingradkatastrophe und 1944 nach der geglückten anglo-amerikanischen Invasion. a) 1939/40 sollte sich die geplante Gehorsamsverweigerung gegen den endgültigen Befehl Hitlers zur Westoffensive richten. Die Befehlshaber-West (Bock, Leeb, Rundstedt) sollten den Marschbefehl des OKW nicht weitergeben und sich weigern, in Holland und Belgien einzufallen. Dieser Plan war nur eine Version neben anderen Ausgangsplänen für einen Militärputsch während dieser kritischen Periode fieberhafter, aber fruchtlos gebliebener Konspirationen. b) 1942/43 kreisten wiederum mannigfache Überlegungen und Vorbereitungen der Beck/Gördeler-Verschwörung um den Plan einer Gehorsamsverweigerung der Feldmarschälle. Auch diesmal blieb ihr Plan Spekulation, weil ein kollektiver Wille der kommandierenden Generalität nicht zustande kam. Die Putschisten versuchten, ihn zu erzwingen. Sie entwickelten das Projekt einer progressiven Gehorsamsaufkündigung. General Paulus sollte den Anfang machen. Die Verschwörer hofften, Paulus würde gegen das Verbot Hitlers mit der 6. Armee aus dem Kessel von Stalingrad ausbrechen. Auf dieses Signal hin sollte auch Kluge (OB der Heeresgruppe Mitte) Hitler den Gehorsam aufkündigen. Ein Befehlshaber nach dem anderen sollte erklären, keine Befehle mehr von Hitler entgegenzunehmen. In der entstehenden Verwirrung wollte Beck das Oberkommando übernehmen, um die Einheit der Kriegsleitung wiederherzustellen. Bestechend an dieser Methode war das Allmähliche, Evolutionäre ihres Ablaufs. Sie war ein Gegenstück zur Attentatslösung. Hitler töten oder durch kollektive Gehorsamsverweigerung kaltstellen, das waren in der Theorie die beiden Formen, in denen sich der Bruch mit Hitler vollziehen konnte. c) Der dritte und letzte Plan eines passiven Widerstandes durch Gehorsamsverweigerung bezog sich wieder, wie 1939/40 auf die Westfront als Schauplatz. 1944, nach der geglückten anglo-amerikanischen Invasion, erwogen oppositionelle Befehlshaber der Westarmee, Rommel an ihrer Spitze, sich vom Führerhauptquartier loszusagen und selbständig zu operieren.

Allen obengenannten Plänen war gemeinsam, daß ihre Ausführung zwar mit einem ostentativen Akt des passiven Widerstandes beginnen sollte, ohne sich jedoch damit zu erschöpfen. Die Gehorsamsverweigerung der Feldmarschälle galt nur als Auftakt für weitergehende aggressive Maßnahmen zum Zweck des Regimesturzes. (Siehe Kapitel: Der offene Aufstand.)

Mit dem autonomen, einmütigen Tatwillen aller Oberbefehlshaber konnten die Putschisten zu keiner Zeit rechnen, jedoch hosten sie, die Gehorsamsverweigerung einzelner werde ein militär-politisches fait accompli schaffen, das auch die anderen, schwankenden Befehlshaber (von Brauchitsch, Leeb, Rundstedt, Fromm, Manstein, Bock u. a.) mitreißen und zu einer Lösung nach vorwärts im Sinne der Verschwörung zwingen würde. Die kommandierenden Generale in ihrer Gesamtheit brauchten nicht einmal Treibende zu sein, es genügte, wenn sie Getriebene blieben. Eine Avantgarde mußte jedoch den Stein, der den Erdrutsch für die militärische Autorität Hitlers auslösen sollte, ins Rollen bringen. Die einzigen Befehlshaber, die bereit gewesen wären, die Initiative zu ergreifen, waren von Hammerstein-Equord 1939, von Witzleben 1939— 42, vielleicht auch von Kluge 1943/44 und Rommel 1944. Witzleben und Kluge schreckten jedoch vor der Sorge zurück, im entscheidenden Moment allein zu stehen, denn im allgemeinen wurde der beschriebene Weg einer Meuterei der Feldmarschälle von den Befehlshabern selbst als Fiaskounternehmen beurteilt und abgelehnt.

Ihre Hauptsorge war die Zweifelsfrage: Wie reagiert die Truppe? Die Befehlshaber sollten nach oben meutern und nach unten die Zügel fest in der Hand behalten. „Sind die Obersten und Generale meuterisch, so ist es auch die Truppe, lautete ein unverbrüchliches Gesetz der Disziplin. Es beschwor Chaos und Zusammenbruch der Fronten, das Gegenteil also von dem, was die Militärfronde erreichen wollte.

Innenpolitisch beruhte die Schwäche der Methode einer kollektiven oder progressiven Gehorsamsverweigerung in der Schwerfälligkeit des Verfahrens. Der Sturz Hitlers konnte nicht blitzartig erfolgen, wie es am 20. Juli geplant war, sondern hätte sich schrittweise entwickeln müssen. Diese Entwicklung hätte sich öffentlich, also auch vor den Augen Hitlers und seiner breiten Anhängerschaft in Staat und Wehrmacht vollzogen. Der Militärputsch hätte sich gleichsam selbst angekündigt. Seine Anlage ließ dem Diktator Leben und Frist, um sich und seine Anhängerschaft zum Gegenschlag zu formieren. Dennoch war Beck ein Befürworter der genannten Pläne. Was ihn bewogen haben mag, zuzustimmen, war die militärische Vernunft, die den Akt der Gehorsamsverweigerung unmittelbar motivierte und rechtfertigte. Beck hielt 1939/40 Hitlers Entschluß zur Westoffensive politisch und militärisch für eine verhängnisvolle Fehlentscheidung. Mit ihm befürchteten der Genetalstab und alle Heeresgruppenbefehlshaber, die geplante Offensive werde nach kurzem Anfangserfolg stecken bleiben.

1942/43 boten die „immer wirrer werdenden Führungsgedanken Hitlers“ u. a.sein kriegsentscheidendes Verbot für die 6. Armee, aus dem Kessel von Stalingrad auszubrechen (24. November 1942), sowie die immer wieder verweigerte Verlegung der Ostfront auf eine kürzere und darum besser zu verteidigende rückwärtige Stellung stichhaltige Anlässe zur Gehorsamsverweigerung der militärischen Führer. „Ihr soldatischer Gehorsam hat dort eine Grenze, wo ihr Wissen, ihr Gewissen und ihre Verantwortung die Ausführung eines Befehls verbietet,“ hatte Beck 193 8 als Grundsatz aufgestellt. Der „Mythos von Tauroggen“ lieferte einer Gehorsamsverweigerung der Befehlshaber-Ost sogar die Legitimation eines preußischen Vorbildes.

Denoch blieb dieser Weg mit dem Makel einer Meuterei ganz großen Stils belastet. Ein Haupthindernis war der Eid, der das Offizierskorps an Hitler fesselte. Immer wieder tauchte deshalb die abgewandelte, gemäßigte Version eines Kollektivschrittes bei Hitler auf. „Die Grundidee bildete ein legales, imponierendes Handeln des Heeres als Gesamtheit unter seinen gesetzmäßigen Oberbefehlshabern.“ Hitler sollte zum Rücktritt, wenigstens aber zur Abgabe des militärischen Oberbefehls gezwungen werden. Eine kollektive Gehorsamsverweigerung der Generalität — als Drohung, nicht als vollendete Tatsache — sollte Hitler zwingen, diese Generalität ihrer Gehorsamspflicht und ihres Eides zu entbinden.

Eine andere Methode, um zum „eidfreien Zustand“ zu kommen, war das Attentat (siehe Kapitel: Das Attentat).

V. Streikbewegungen Der organisierte Generalstreik „In den ersten Jahren der Illegalität hielten die Gewerkschaften einen Generalstreik noch für möglich. Sabotage, lokale Unruhen, dann ein Generalstreik und schließlich ein offener Aufstand waren das Programm.“

Dieses Programm führte jedoch seit 1938 eine nur noch spukhafte Rolle in den konspirativen Erörterungen der Arbeiterführer.

Ein organisierter Generalstreik setzte voaus:

a) die Existenz illegaler, das ganze Reichsgebiet umfassender Gewerkschaftsorganisationen,

b) die technische Möglichkeit zur agitatorischen Vorbereitung, c) die entgegenkommende Bereitwilligkeit der Arbeiterschaft zum Streik.

Alle drei Voraussetzungen fehlten jedoch. 193 8 erreichte das Regime Hitlers einen Höhepunkt seiner Popularität. Es stützte sich nicht allein auf den Beifall des Kleinbürgertums, das, soziologisch gesehen, die eigentlich tragende Schicht des NS-Systems war. Auch im Proletariat besaß Hitler eine millionenfache Anhängerschaft. Er galt als Überwinder der Arbeitslosigkeit. Was die Zugkraft seiner Sozialpolitik nicht erreichte, bewirkte der Druck arbeiterfeindlicher Zwangsmaßnahmen. Dem gesetzlichen Verbot der Gewerkschaften am 2. Mai 193 3 („ersetzt“ durch die „Deutsche Arbeitsfront“ unter Robert Ley) war in den Jahren 1933— 39 die Zerschlagung auch der illegalen Gewerkschaftsorganisationen und Arbeiterparteien durch den Polizeiapparat des Regimes gefolgt.

Verfolgungswellen und Massenprozesse brachen dem linken Flügel der Widerstandsbewegung das Rückgrat.

Trotzdem soll Leuschner 193 8, nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager, versucht haben, einen Eisenbahnerstreik vorzubereiten, jedoch blieb dieser Plan im Stadium der Diskussion stecken.

Er scheiterte von vornherein an der allgemeinen Apathie und am Überwachungsapparat des Regimes.

Der anonyme Generalstreik

Unter dem Zeichen der drohenden Kriegsgefahr tauchte in den konspirativen Gesprächen der Beck/Gördeler-Verschwörung die vage Hoffnung auf, eine spontane, aus der Anonymität hervorbrechende Massenbewegung passiven Widerstands würde am Tage des Kriegs-ausbruchs das ganze deutsche Volk ergreifen. Das eisige, drohende Schweigen der Berliner Bevölkerung beim Propagandamarsch einer motorisierten Division galt als symptomatisch „Nach vierzehn Tagen würde das ganze Volk rebellieren,“ prophezeite Bosch im August 1939, kurz vor Kriegsausbruch. „Wie sich das ereignen sollte, wußte er allerdings auch nicht,“ kommentierte Hassell diese Prognose. Wunsch-gedanke blieb auch in der Folgezeit bis 1944 die Voraussage, die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes würde, vom Regime maßlos überfordert, eines Tages einfach nicht mehr mitmachen. Die Geschichte der Kriegsjahre bis 1945 aber zeugt im Gegenteil von der unverdrossenen Willigkeit und Aktivität, mit der die breite Masse von Truppe und Bevölkerung den Befehlen des NS-Regimes buchstäblich bis zu dessen Agonie gehorchte.

Lokale Streikbewegungen am 20. Juli 1944 „Von Mainz aus wurden gleichzeitig Vorbereitungen zum Eisenbahnerstreik getroffen. Die führenden Eisenbahner-Gewerkschaftler Kalujek und A. Bösewetter, dazu einige Reichsbahninspektoren hatten alle Vorbereitungen getroffen und den Streik organisatorisch vorbereitet ... Über Kalujek sollte der Generalstreik ausgerufen werden. So berichtet Henk über Anstalten der Kreise um Leuschner für den 20. Juli. Und an anderer Stelle schreibt er: „Zweifelsfrei: die Kommandostellen für einen Eisenbahnerstreik (im Neckar-Rhein-Main-Gebiet) standen bereit. Es ist auch wahrscheinlich, daß der Generalstreik auszurufen war

Mit Ausnahme dieser flüssigen Angabe von Henk sind keine weiteren Zeugnisse bekannt, aus denen hervorginge, daß die Akteure des „ 20. Juli“ einen Aufruf zum Generalstreik beabsichtigt hätten. Ebenso fehlen Hinweise darauf, daß die ebenfalls von Henk berichteten lokalen Streikvorbereitungen mit der Planung des Militärputsches vom 20. Juli koordiniert worden seien. Weder sollte eine Streikbewegung Auftakt zum Staatsstreich sein, noch wurde sie als vorsorgliche Maßnahme für die Lahmlegung „konterrevolutionärer“ Bewegungen regimetreuer Truppen oder Parteiorganisationen nach gelungenem Putsch ins Auge gefaßt. Das gleiche galt für den Weg der Truppenmeuterei.

Die Militärverschwörer des „ 20. Juli“ wollten keine Streikbewegung entfesseln und sie konnten es auch nicht, selbst wenn sie es gewollt hätten. Aus folgenden Gründen:

1. Streikbewegungen hätten nicht nur die Versorgung des öffentlichen Lebens im Heimatkriegsgebiet, sondern auch den Nachschub für die schwerringende Fronttruppe lahmgelegt. Erst recht hätten Truppenmeutereien die chaotische Selbstauslösung der Fronten zur Folge gehabt. Sie wäre gleichbedeutend mit der bedingungslosen militärischen Kapitulation gewesen. Dieser Effekt widersprach jedoch den Absichten der Militärfronde. Bis 1943 hieß ihr Ziel: Weiterführung des Krieges bis zur Erlangung eines Verhandlungsfriedens.

Am 20. Juli war eine zumindest gesteuerte Niederlage Ziel ihres Aufstandes (Siehe Kapitel: Der offene Aufstand.). 2. Lediglich die kommunistische Gruppe Saefkow/Bästlein hatte in Berlin und andere Großstädten des Rei Lediglich die kommunistische Gruppe Saefkow/Bästlein hatte in Berlin und andere Großstädten des Reiches den Versuch unternommen, eine reine Betriebszellen-Organisation aufzubauen 105).

Hingegen war das Verbindungsnetz heimlicher Vertrauensmänner, das die Gewerkschaftsvertreter und Arbeiterführer der Beck/Goer-deler-Verschwörung (Leuschner, Leber, Kaiser, Habermann) 106) in jahrelanger Kleinarbeit zu knüpfen sich bemüht hatten, nicht auf einen Streik hin angelegt, etwa durch eine Konzentration der Stützpunkte auf Großbetriebe 107) in den Industriezentren, vielmehr reichte dieses Netz bis in die Dörfer der Provinz hinein, mehr das

Hingegen war das Verbindungsnetz heimlicher Vertrauensmänner, das die Gewerkschaftsvertreter und Arbeiterführer der Beck/Goer-deler-Verschwörung (Leuschner, Leber, Kaiser, Habermann) in jahrelanger Kleinarbeit zu knüpfen sich bemüht hatten, nicht auf einen Streik hin angelegt, etwa durch eine Konzentration der Stützpunkte auf Großbetriebe in den Industriezentren, vielmehr reichte dieses Netz bis in die Dörfer der Provinz hinein, mehr das Gerippe einer Gesinnungsgemeinschaft ehemaliger Funktionäre, denn eine kampfstarke, einsatzbereite Streikorganisation. (Siehe Kapitel: Levee en mässe.)

Methoden des aktiven Widerstandes A) Der Widerstand mit geistigen Walten

„Er war ein Philosoph, aber kein Revolutionär, 1) heißt es von Beck, und Goerdeler, der zweite Repräsentant der Fronde, wird einmal „der bürokratische Revolutionär“ 2) genannt. Diese Urteile rühren anl einen Wesenszug der Verschwörung überhaupt. Die Beck/Goerdeler-Verschwörung rekrutierte sich aus der geistigen Oberschicht des deutschen Volkes. Sie war eine Fronde der Generalstabsoffiziere und Diplomaten, der Professoren und Publizisten, der Staatssekretäre und Arbeiterfunktionäre. Im Widerstand mit geistigen Waffen bevorzugten die Verschwörer ein Kampffeld, auf dem sie sich heimisch und befähigt fühlten. Ihre Hauptwaffe war der Intellekt, die Phantasie, der kritische und vorausschauende Geist, ihre Stärke war das Argument, die Dispositionen und auch die List. Es war der unbewußte aber selbstverständliche Griff der Verschwörer nach dem Rüstzeug ihres besonderen Menschentums, nach verfügbarem Rüstzeug ihrer menschlichen und politischen Basis, der dazu führte, daß die geistigen, intellektuellen Waffen weitgehend Stil und Methode ihres Widerstandes gegen das nationalsozialistische Gewalt-regiment bestimmten.

Darin bekundete sich zugleich auch Anspruch und Absicht der Verschwörer, nicht nur eine realpolitische Aktionsgemeinschaft, sondern auch eine Geistesbewegung zu sein, die dem Nationalsozialismus ein neues Ideengut entgegensetzt und ihn geistig überwindet.

Die Kehrseite der Bevorzugung geistiger Waffen war die Tendenz der Verschwörer, sich an die theoretische Seite ihrer politischen Aufgabe zu verlieren. Es war eine komplizierte, umständlich agierende Verschwörung, die dem NS-Regime entgegentrat. Im geistigen Format der Akteure beruhte die Schwäche ihres handgreiflichen Vermögens.

I. Die Denkschrift

Eine gebräuchliche, von Beck und Goerdeler besonders bevorzugte Waffe des geistigen Widerstandes gegen das NS-Regime war die Denkschrift. Sie diente:

a) der Einflußnahme auf Hitler oder auf vorgesetzte Dienststellen, in der Hoffnung, durch die Kraft der Argumentation eine legale, evolutionäre Änderung herbeiführen zu können, b) der Gewinnung noch Abseitsstehender für die Sache des Widerstandes, c) der Dokumentierung des Widerstandes. a) Die legale Denkschrift „Bis zum Herbst 1938 hatte ich den Versuch noch nicht aufgegeben, den Gang der Politik auf dem normalen Geschäftsweg über den Reichsaußenminister zu beeinflußen“, berichtet Weizsäcker 3). Seiner formalen Stellung als Staatssekretär zum Reichsaußenminister entsprach die Stellung Becks als Generalstabschef zum Oberbefehlshaber des Heeres. An ihn — nicht an Hitler — waren alle Denkschriften gerichtet, die Beck im Laufe des Jahres 1937/38 verfaßte und vorbrachte 4). Beck hielt sich an den Dienstweg. „Unter pflichtgemäßer Berufung auf seine Dienstanweisung“ 5) trug er seine Argumente vor. Beck enthielt sich jeder umstürzkrischen Schlußfolgerung. Diese zog er erstmalig in einem mündlichen Vortrag vor Brauchitsch am 19. Juli 193 8 6).

In seinen Denkschriften hatte Beck einem Gläubigen gepredigt. Fritsch teilte ohnehin die moralischen und militärpolitischen Bedenken, die Beck gegen Hitlers Kriegspläne erhob. Auch Brauchitsch stand der Fronde nahe, besaß aber selbst kein echtes Mitsprachrecht in den Entscheidungsfragen der deutschen Außenpolitik. Praktischen Sinn konnten die Denkschriften Becks nur dann gewinnen, wenn es gelang, die sachlichen Argumente, die sie vorbrachten, dem Manne zu Gehör zu bringen, der als einziger die Hand am Hebel der deutschen Außenpolitik hielt, nämlich Hitler, — und darum ging es Beck letzten Endes auch. Seine Denkschriften sollten erst Fritsch und dann seinem Nachfolger Brauchitsch für ihre Vorträge und Vorstellungen bei Hitler das Rückgrat stärken und ihnen Argumente in die Hand geben, die, so hoffte Beck ernsthaft, durch ihr sachverständiges Gewicht den Diktator überzeugen müßten.

Es steht fest, daß Brauchitsch zumindest die Denkschrift Becks vom 16. Juli 1938 in ihrem Hauptinhalt Hitler mitgeteilt, wahrscheinlich sogar im Wortlaut vorgelegt hat 7). Abgesehen von der immer notorischer gewordenen Unbelehrbarkeit Hitlers blieb die „abgewogene, jedem Superlativ abholde Sprache“ 8) Becks ohne Wirkung auf den »terrible Simplificateur“. Beck habe es nicht vermocht, sich in einer Sprache auszudrücken, die Hitler (dem „die Wahrheit ein Instrument, Objektivität ein . Fimmel'

war“) beeindrucken konnte, so urteilt Schwerin-Krosigk 9). Die Denkschriften Becks waren ohne Polemik. Sie waren Gutachten eines Sach-verständigen, operative Studien, Betrachtungen, Stellungnahmen, die mehr durch ihren Sachgehalt wirkten, als durch die Sprache, in der sie vorgetragen wurden. Eine zunehmende Schärfe auch in der Diktion ist allerdings erkennbar, vergleicht man die letzte Denkschrift Becks mit den vorhergegangenen

Rückschauend fällt auf, daß Beck in seinen Denkschriften weder moralisch argumentiert, noch weltanschaulich (wie in seinen mündlichen Äußerungen und Vorträgen), sondern seine schriftliche Stellungnahme beinahe ausschließlich militärisch-fachmännisch und realpolitisch begründete. Kordt liefert dafür eine Erklärung, wenn er feststellt: „General Beck und Staatssekretär von Weizsäcker waren sich wohl darüber im klaren, daß es keinerlei Zweck hatte, Hitler mit Argumenten über die moralische Verwerflichkeit seiner Politik entgegenzutreten" Vom Moralischen her gesehen, sprachen Regime und Opposition zwei verschiedene Sprachen. Eine Verständigung konnte es — wenn überhaupt — dann nur auf der Basis berechenbarer nationaler Interessen geben. Keine Brandmarkung der Gewaltpolitik an sich enthalten deshalb die Denkschriften Becks via Brauchitsch an Hitler, sondern nur die eindringliche, sachlich begründete Warnung, der Kurs der deutschen Außenpolitik führe unweigerlich zum Weltkrieg und Deutschland könne bei dem augenblicklichen Stand seiner Rüstungen diesen Krieg militärisch unmöglich gewinnen. Ähnlich argumentierte auch Weizsäcker. Er und Beck wollten durch ihre Denkschriften Hitler vor Entscheidungen zurückreißen, die er — so hofften sie — bei richtiger Einschätzung der außenpolitischen und militärischen Realitäten niemals fällen würde

Seit 193 5 aber war die Zeit, da sich Hitler in außenpolitischen Fraqen von Fachleuten beraten ließ, vorüber. Seit 193 8 verschloß er sich auch dem Urteil militärischer Fachleute. Mit dem 4. Februar, dem Tage der Entlassung von Blomberg und Fritsch, begann er seine eigene Karriere als „Feldherr“. In zunehmenden Maße witterte Hitler auch in sachlicher Kritik, die geübt wurde, Defaitismus, Quertreiberei — wenn nicht gar Keime des Aufruhrs. Um so gebotener war es, Denkschriften, die direkt oder indirekt an ihn gerichtet waren und wirklich etwas erreichen sollten, durch Loyalititätsbekenntnisse zu empfehlen. Das tat Schacht, indem er z. B. in eine Denkschrift an Hitler vom 7. Januar 1939, die mit der Unterschrift aller Mitglieder des Reichsbankdirektoriums versehen, gegen die inflationistische Ausgabenpolitik des Staates protestierte, den Satz einflocht, daß das Reichsbankdirektorium „in seiner Mitarbeit für die großen gesteckten Ziele freudig alles einsetzt, daß aber nunmehr Einhalt geboten sei“

Eine derartige Formel wird man in den Denkschriften Becks vergeblich suchen. Immerhin warb auch er um das Ohr des Gewalthabers. „Es ist richtig, daß Deutschland einen größeren Lebensraum braucht, und zwar sowohl in Europa wie auf kolonialem Gebiet. Der erstere Raum ist nur durch einen Krieg zu erwerben, wird aber nicht erworben durch ein Land (— gemeint ist die Tschechoslowakei —), das in der Hauptsache selbst Zuschußgebiet ist. Die Erwerbung kolonialer Gebiete braucht an sich nicht durch einen Krieg zu erfolgen“, heißt es in einer Denkschrift vom 29. Mai 1938, in der Beck zu Ausführungen Hitlers über seine süd-osteuropäischen Aggressionspläne Stellung nahm. „Es ist richtig", heißt es weiter, „daß die Tschechei in ihrer durch das Versailler Diktat erzwungenen Gestaltung für Deutschland unerträglich ist und ein Weg, sie als Gefahrenherd für Deutschland auszuschalten, notfalls auch durch eine kriegerische Lösung gefunden werden muß, doch muß bei letzterer den Einsatz auch der Erfolg lohnen.“ „Es ist richtig, daß jeder Machterweiterung Deutschlands Frankreich stets im Wege stehen und in dieser Hinsicht stets als sicherer Feind Deutschlands anzusehen sein wird.“

„Es ist richtig, daß man jederzeit darauf gefaßt und vorbereitet sein muß, auch gegen den eigenen Willen zum Handeln gezwungen zu sein."

„Es ist richtig, daß verschiedene Gründe für eine baldige gewaltsame Lösung der tschechischen Frage sprechen ...“

„Es wäre zu begrüßen, wenn . . Erst nach dieser zustimmenden Einleitung, in der Beck alles das hervorhob, was er, wenn auch unter bestimmten Vorbehalten und Voraussetzungen, bejahen zu können glaubte, setzt seine eigentliche, massive Kritik ein. Die bejahenden Punkte der Denkschrift Becks entsprachen seiner damaligen wirklichen Überzeugung. Taktisch berechnend war lediglich die Form ihrer Kundgebung. Der Kritik an Hitlers Plänen und Entschlüssen eine loyale Präambel voranzustellen, war zweckmäßig, um überhaupt angehört zu werden.

In der Wirkungslosigkeit des „Denkschriftenkrieges“ von 193 8 beruhte seine zukunftsweisende Bedeutung für den weiteren Kampf der Beck/Goerdeler-Verschwörung. Die erwiesene Ohnmacht der Denkschriften schuf Klarheit über die Wahl der ferner anzuwendenden Methoden. Die Denkschrift hatte sich als eine stumpfe Waffe erwiesen. Andere, rigorosere Mittel und Wege mußten gefunden werden. „Durch die Behandlung, die das Beck-Memorandum durch Hitler erfuhr, hatte er (Oster) sich davon überzeugt, daß die Katastrophe . . . nur noch gewaltsam verhindert werden konnte. Mit schriftlichen und mündlichen Vorstellungen war es nicht mehr getan“ berichtet E. Kordt über die Konsequenz, die Mitglieder der Militärfronde aus der Fruchtlosigkeit des Denkschriftenkrieges zogen. Nunmehr begann die Periode der aktiven Staatsstreichvorbereitungen und außenpolitischen Sabotageversuche

Denkschriften, die im Amt gebliebene Verschwörer verfaßten, um auf offiziellem Wege Einfluß im Sinne der Opposition auszuüben, hat es auch nach 193 8 gegeben. Bis zum 20. Juli 1944, unabhängig von den geheimen Vorbereitungen eines Staatsstreiches und parallel dazu, lief der „Denkschriftenkrieg“ weiter. Er beschränkte sich in der Regel auf Versuche einer Korrektur des Unsinns und des Unrechts in Einzelfällen b) Das illegale Memorandum Aus der loyalen Denkschrift entwickelte sich das illegale Memorandum. Es diente der Gewinnung noch Abseitsstehender für die Sache der Verschwörung und der programmatischen Zielsetzung Ein derartiges Memorandum, das Hasso von Etzdorfs und Erich Kordt im Oktober 1939 abfaßten ging von dem Entschluß Hitlers aus, „durch einen Einfall nach Belgien dem Krieg eine neue Wendung zu geben“. Die Verfasser der Denkschrift beschworen die militärischen und politischen Folgen einer Westoffensive, die — so glaubten sie — das Ende Deutschlands bedeuten würde. Ihre Lagebeurteilung gipfelt in der Forderung: „ ... Es muß verhindert werden, daß der Einmarschbefehl zur Ausführung gelangt. Das ist nur zu erreichen, indem man die Regierung Hitlers rechtzeitig zum Sturz bringt. Argumente, Proteste oder Rücktrittserklärungen der militärischen Führung allein würden erfahrungsgemäß weder ein Einlenken noch Nachgeben bewirken“ Vorgelegt wurde diese Denkschrift dem Oberbefehlshaber des Heeres (v. Brauchitsch), dem Generalstabschef (Halder), sowie General v. Stülpnagel „und anderen führenden Militärs in Zossen“ (Zossen — damaliger Sitz des OKH). Wenn die Denkschrift Becks vom 16. Juli 1938 durch ihre eindeutige Stellungnahme gegen Hitler sich wenigstens nach deutscher Auffassung — unmittelbar an der Grenze der Meuterei bewegte“ (Halder) so hatte die oben zitierte Etzdorff’sche Denkschrift diese Grenze eindeutig überschritten. Sie enthielt eine ausdrückliche Aufforderung zum Hochverrat, zum Staatsstreich und Sturz des Regimes. Beck hatte in seiner Eigenschaft als Generalstabschef den Oberbefehlshaber des Heeres und das Staatsoberhaupt angesprochen, Kordt und Etzdorfs hingegen sprachen als Verschwörer zu Verschwörern (Brauchitsch, Halder und Stülpnagel trugen sich ohnehin bereits mit Staatsstreichplänen). Ihr Memorandum diente der oppositionellen Willensbildung. Es ist ein Beispiel für den Denkschriftenverkehr innerhalb der Fronde. Ebenso, wie in den Briefen Goerdelers an die Generäle Kluge und Olbricht und in seinem Memorandum „Lage und Möglichkeiten“ an die Generalität ging es dabei um das nimmermüde Anliegen der Aktivisten, passive oder potentielle Mitverschwörer der Militäropposition zur befreienden Tat zu bewegen. Sie appellierten, zerstreuten sachliche und moralische Bedenken und stellten verheißungsvolle Ziele auf. Auch diese illegalen Denkschriften waren in der Form ihrer Abfassung der Mentalität ihrer Empfänger angepaßt, z. B. war die Kordt/Etzdorffsche Denkschrift „in einer Sprache abgefaßt, die auf den einzigen Kreis, der damals über Machtmittel verfügte, wirken sollte. Wir hatten versucht, schlagwortartig die Lage und die Folgerungen, die sich daraus ergeben, darzulegen“ erläutert Kordt.

„Das drohende Unheil“ — „Das Gebot der Stunde“ — „Keine Bedenken“

— „Die neue Reichsgewalt“ — lauteten einige Überschriften. Auch inhaltlich versuchte die Denkschrift, den Hoffnungen und Bedingungen der Empfänger entgegenzukommen. In den aufgestellten Grundsätzen für eine neue deutsche Reichsverfassung war „die Rolle der Armee in einem künftigen Staat besonders unterstrichen (worden)"

„Taktische“ Rücksichten bei der Abfassung illegaler Denkschriften führten jedoch niemals soweit, die Verschwörer etwas behaupten, versprechen oder verheißen zu lassen, woran sie selbst nicht glaubten oder was sie; wenn die Denkschrift ihren Zweck erfüllt haben würde, widerrufen zu wollen von vornherein beabsichtigt hätten. Goerdeler z. B.

glaubte selbst an die außenpolitischen Möglichkeiten (Grenzen von 1914, vermehrt um Österreich, und führende Stellung Deutschlands auf dem Kontinent), die er in seinem Memorandum vom 26. März 1943 regimefeindlichen Generalen für den Fall eines Systemwechsels als erreichbar hinstellte

Als Mittel oppositioneller Willensbildung war das illegale Memorandum ein Pendant zum konspirativen Gespräch. Es besiegelte, was das konspirative Gespräch vorbereitet hatte. Die Sätze eines Schriftstückes verflüchtigen sich nicht leicht, wie die Äußerungen eines konspirativen Gesprächs. So gesehen war das illegale Memorandum eine Art dokumentiertes Bekenntnis zum Widerstand. Es bewahrte vor dem Verdacht der Unverbindlichkeit. An Generale gerichtet, die wie Brauchitsch und Man-stein zwischen den Fronten standen, stellte es den Empfänger vor die Alternative, Denunziant oder Mitwisser zu werden. Deshalb weigerte sich der vorsichtige Staatssekretär v. Weizsäcker, eine von Popitz angeforderte, für zwei deutsche Feldmarschälle bestimmte schriftliche Meinungsäußerung zu der Frage abzugeben, ob die Alliierten „mit einem Hitler-freien Deutschland nicht ebenso umspringen würden wie mit einem besiegten Hitler-Deutschland“ (194 3, nach der Casablanca-Konferenz)

Dem Risiko jeder regimefeindlichen, schriftlichen Stellungnahme, das Weizsäcker einzugehen grundsätzlich ablehnte, hatten sich Etzdorfs und Kordt bewußt ausgesetzt. „Wir hatten uns durch Übergabe der Denkschrift ganz bewußt in die Hand derer gegeben, die von ihr Kenntnis nahmen. Die hohen militärischen Führer haben die Verfasser nicht verhaften lassen. Dies hätte man wohl erwarten müssen, wenn sich zu diesem Zeitpunkt unter ihnen wirklich überzeugte Anhänger Hitlers befunden hätten“ berichtet Kordt.

Im allgemeinen jedoch war die Gefahr, angezeigt und arretiert zu werden, geringer als Kordt es darstellt. Stets haben die Absender hochverräterischer Denkschriften vorher Erkundigungen über die politische Einstellung der Empfänger eingeholt. Sie schickten ihre Denkschriften keineswegs blind in die Gegend, sie entsandten keine anonymen Rundschreiben ihre Denkschriften waren individuell und wohlweislich adressierte Appelle AIs Hofacker am 9. Juli 1944 Rommel eine „formvollendete“ Denkschrift der Pariser Verschwörer (um Stülpnagel) vorlas war ihm die umgewandelte, schroff regimefeindliche Einstellung Rommels wohlbekannt. Jedem Memorandum, das zum Aufstand aufforderte, ging die Sondierung durch das konspirative Gespräch voraus.

Eine unbesorgt offene Sprache konnten die Verschwörer auch in den Denkschriften führen, die sie an Regierungsvertreter oder einflußreiche Privatpersonen des Auslands richteten, um die Alliierten über Existenz und Charakter der deutschen Widerstandsbewegung zu informieren und zur außenpolitischen Hilfestellung zu bewegen Vergebens hofften die Verschwörer, mit derartigen Denkschriften einen geheimen diplomatischen Notenwechsel über Waffenstillstands-und Friedensbedingungen einleiten zu können. Sie erstrebten eine bindende Stellungnahme der Alliierten, „etwas Konkretes“ keine bloßen mündlichen Zusagen, sondern ein paraphiertes Schriftstück, während die Westmächte (und auch die Sowjetunion), selbst in Zeiten vorübergehender Verhandlungsbereitschaft, nach dem Grundsatz verfuhren, nichts „Schriftliches“ aus der Hand zu geben (Siehe Kapitel: Die außenpolitische Sicherung des Staatsstreiches.).

Auch die Denkschriften an das Ausland blieben somit einseitige Kundgebungen ohne politische Resonanz. c) Dokumentierung des Widerstandes Weil seine Verhaftung bevorstand, verließ Goerdeler, frühzeitig gewarnt, am 19. Juli 1944 Berlin. Er versteckte sich auf einem Gut in Rahnisdorf bei Herzberg Während in Berlin der offene Aufstand seinem Höhepunkt und Ende zusteuerte, verfaßte Goerdeler mehrere Denkschriften. Damit beschäftigte er sich auch nach dem Zusammenbruch des „ 20. Juli“ Diese letzten Denkschriften Goerdelers wandten sich, ebenso wie ein auf der Flucht geschriebenes politisches Testament, nicht mehr an herrschende Regierungs-und Kommandostellen des NS-Regimes oder an Mitverschworene, sondern an die deutsche Öffentlichkeit der Nachkriegszeit und an die Nachwelt überhaupt.

Wohl alle legalen oder „illegalen“ Denkschriften, die von Verschwörern jemals verfaßt wurden, sind mit einem Seitenblick auf die Öffentlichkeit und auf die Nachwelt geschrieben worden. Bewußt stand hinter jeder Denkschrift die Absicht, vor der Nachwelt zu dokumentieren, daß es im „Dritten Reich" Männer gegeben habe, die gegen unsinnige und unmenschliche Befehle des Regimes ihre Stimme erhoben. „Natürlich nützt es nichts", kommentierte Hassell eine Aktion Bischof Wurms, der bei Hitler und allen Ministerien gegen die Methoden des Regimes, die Rechtlosigkeit, die Kirchenverfolgung und die Greuel in den besetzten Gebieten protestierte, „natürlich nützt es nichts . . ., aber es kann von großer Wichtigkeit in der Zukunft und vor der Geschichte werden“

Der Gedanke, Rechenschaft vor dem Tribunal der Geschichte ablegen zu wollen, hatte namentlich Beck bei der Abfassung seiner Denkschriften geleitet. Beck übergab Duplikate seiner Denkschriften an Foerster „zwecks gesicherter Aufbewahrung und späterer Verwertung für die Geschichtsschreibung“ Diese Zwecksetzung rührt an eine fragwürdige Seite des geistigen Widerstandes. Sie rührt an das Problem des bürokratischen Widerstandes, der geübt wird, nicht um praktisch etwas zu erreichen, sondern um sich zu dokumentieren. „Sei es auch nur, um seinen Widerspruch in aller Form zur Akte zu geben . . .“, interpretiert Abs-hagen die Gründe, die Canaris zum schriftlichen Protest gegen den Kommissarbefehl bewogen.

Legale Denkschriften der Verschwörer wurden in der Regel von den Machthabern des Regimes ignoriert Nicht diese Behandlung, diese nachträgliche Abstempelung zu bloßen formalen Protesten machte sie fragwürdig, wohl aber der Verdacht, daß Verfasser legaler Denkschriften ihre Proteste von vornherein nur pro forma abgefaßt und eine Energie des Widerstandes vorgetäuscht haben könnten, die in Wirklichkeit gar nicht vorhanden war. Das betraf auch die Kategorie der „hochverräterischen Denkschriften“, die innerhalb der Fronde kursierten oder an das Ausland gerichtet in ihren heute utopisch anmutenden, programmatischen Partien eine Scheinwelt des Widerstandes aufzubauen schienen. Vollends fragwürdig wurde die Methode des papiernen Widerstandes, wenn man sich vor Augen hält, daß eine Denkschrift nicht nur zum Indizienbeweis des Volksgerichtshofs gegen den Verfasser werden konnte, sondern auch versprach, ein Alibi für den (im Amt gebliebenen) Verfasser zu werden, wenn dieser das „Dritte Reich“ überleben sollte. Eine Denkschrift war gewagter als das konspirative Gespräch und der mündliche Protest, aber sie war harmlos verglichen mit der Methode des offenen, gewaltsamen Aufstands. Sie erforderte Zivilcourage, aber keine Todesbereitschaft.

Kordt gesteht: Natürlich war die Versuchung groß, „in den überkommenen Bahnen zu verharren und zu versuchen, uns durch einige Denkschriften und Warnungen vor unserem Gewissen und den Akten zu salvieren, obwohl wir natürlich wußten, daß dies unwirksame Gesten bleiben würden“

Dieser Versuchung ist die Beck/Goerdeler-Verschwörung fraglos erlegen. Die Tat des offenen Aufstandsversuches am 20. Juli rehabilitierte sie jedoch. Ein heroischer Abglanz dieser Tat und ihrer tödlichen Folgen, die sie auch für jene Verschwörer hatte, deren Widerstand sich im „Denkschriftenkrieg“ erschöpfte, verlieh nachträglich den papiernen Protesten und programmatischen Utopien ein existentielles Gewicht, das sie ohne den „ 20. Juli“ nicht gehabt hätten.

Sodann bezog jede Denkschrift ihren Sinn und ihre Berechtigung aus der Tatsache, daß die Beck/Goerdeler-Verschwörung nicht nur eine Aktionsgemeinschaft zum Zwecke des Regimesturzes gewesen ist, sondern auch eine geistige Protestbewegung war und sein wollte. Die Makulatur gebliebenen Denkschriften blieben ebenso wie der Leerlauf konspirativer Gespräche sinnvoll als Seinsäußerungen dieser geistigen Protestbewegung. Losgelöst von den realen Zwecken des Staatsstreiches und unabhängig vom praktischen Erfolg oder Mißerfolg trug jede Denkschrift ihren Sinn in sich als eine Form des geistigen Widerstandes.

Schließlich ist noch auf einen weiteren moralischen und politischen Grund hinzuweisen, der die Verfasser formaler Proteste und Makulatur gebliebener Denkschriften des Verdachtes enthob, nur Scheinwiderstand geleistet zu haben. Legale Denkschriften, die an das Regime gerichtet von ihm ignoriert wurden, legitimierten den Staatsstreich, indem sie den dokumentarischen Beweis erbrachten, daß legale und gewaltlose Mittel einer Opposition im „Dritten Reich“ zur praktischen Sinnlosigkeit verurteilt waren. Goerdeler und Strölin, der Oberbürgermeister von Stuttgart, verfaßten im Herbst 1943 eine Denkschrift an das NS-Reichsinnenministerium, die u. a. „die Bestellung eines besonderen Reichskanzlers gegenüber Hitler als Staatsoberhaupt (vorschlug), . . . damit dadurch ein gewisses politisches Gegengewicht gegen diesen geschaffen würde“. Diese Denkschrift war „ebenso wie verschiedene andere Denkschriften in den früheren Jahren auf das Ziel gerichtet, auf legalem Wege rechtsstaatliche Zustände wiederherzustellen“, schreibt Strölin und berichtet über das weitere Schicksal dieser waghalsigen Denkschrift: „Tatsächlich ist es nur dem Verständnis und dem Wohlwollen maßgebender Persönlichkeiten des Innenministeriums zu verdanken, daß es bei der Androhung eines Hochverratsprozesses blieb, ohne daß dieser durchgeführt wurde. Goerdeler und ich besprachen diesen Fehlschlag, mit dem wir freilich von vornherein hatten rechnen müssen(l). Die legalen Möglichkeiten schienen mit ihm endgültig erschöpft. Andere Wege mußten gesucht werden, sollte Deutschland vor der Katastrophe bewahrt werden Diese Erfahrung, die sich Strölin und Goerdeler eigentlich nur pro forma verschafften, hatte Beck ja bereits 1938 durchexerziert. Es hatte sich seither nichts geändert. Trotzdem fühlte sich auch Rommel, dem Strölin eine Abschrift seiner Denkschrift zugeschickt ha 3tt ), im Juni 1944 verpflichtet, Hitler noch einmal einen legalen Schuß vor den Bug zu setzen und ihn zu beschwören, den Krieg von sich aus zu beenden Danach erst war auch Rommel zum Staatsstreich bereit.

Ihr moralisches und juristisches Recht zur Methode des Staatsstreiches leiteten Verschwörer wie Beck, Rommel und Goerdeler von der dokumentarisch erwiesenen Fruchtlosigkeit ab, die die legale Methode des Denkschriftenkrieges gezeitigt hatte.

Das Kapitel über die schriftliche Dokumentierung des Widerstandes ist mit dem Hinweis auf die Vielzahl der abgesandten und aufbewahrten Denkschriften noch nicht erschöpft. Auch Tagebücher, Briefe und eine regelrechte Dokumentensammlung der Verschwörer dienten dem Zweck, vor der Nachwelt schriftlich und authentisch über das Denken und Wollen, Handeln und Leiden der Opposition Zeugnis und Rechenschaft abzulegen. Beck hatte Oster aufgefordert, Dokumente des Widerstandes systematisch zu sammeln. Das „Archiv“ der Verschwörung soll nicht nur schriftliche Belege über Aktionen und Staatsstreichpläne der Verschwörer enthalten haben (z. B. „Aktennotizen" über konspirative Unterredungen, Abschriften, z. B.des X-Berichtes), sondern auch Belastungsmaterial über die Fehlpolitik des Regimes und die UInmenschlichkeit seiner Methoden Auf Betreiben Becks hatte E. Kordt es z. B. übernommen, Aufzeichnungen und Schriftstücke zusammenzustellen, aus denen hervorging, daß Ribbentrop und Hitler 1939 einen Eintritt der Westmächte in den Krieg als völlig ausgeschlossen bezeichneten Die Verschwörer beugten einer historischen Legendenbildung vor. Jedoch sammelten sie Belastungsmaterial gegen Hitler nicht nur im Dienst der Historie, sondern auch und in erster Linie als Politiker und Putschisten. Nach gelungenem Staatsstreich wollten sie mit ihrem Beweismaterial an die Öffentlichkeit treten, um dem deutschen Volk, vor allem denen, die Hitler gutgläubig gefolgt waren, Rechenschaft über die Gründe und Zwecke ihrer Revolte geben zu können. Auch die zahllosen privaten Aufzeichnungen und Tagebücher der Verschwörer waren eine Form der Dokumentierung des Widerstandes. Die Verschwörer waren Chronisten ihres eigenen Handelns und Leidens. Ihre persönlichen Aufzeichnungen waren umso mehr von überpersönlichem, dokumentarischem Wert, als die Verfasser einer Untergrundbewegung angehörten, die, von einer „Zone des Schweigens“ umgeben, dazu verurteilt war, wenige Stunde nach ihrem beinahe spukhaften Hervortreten an die Weltöffentlichkeit wieder von der Bildfläche zu verschwinden.

Eine Fundgrube für den Historiker sind die Tagebücher Hassells. Sie hätten aber auch zur Fundgrube für die Geheime Staatspolizei werden können „Ihr Bekanntwerden hätte dem Autor, vielen seiner Gesinnungsgenossen . . . vor allem aber der Sache-des Widerstandes das Leben ausgelöscht“, kritisiert Weizsäcker die Lückenlosigkeit dieser Aufzeichnungen. „Der Gestapo lagen die mit peinlicher Genauigkeit geführten, von ihm nicht vernichteten Aufzeichnungen des Generalobersten Beck über unsere Besprechungen und Pläne vor, außerdem die meisten meiner Briefe an Dr. Goerdeler", stellt Halder nicht ohne Vorwurf fest. Diese Kehrseite der Dokumentierung des Widerstandes beweist, wie stark der Drang namhafter Verschwörer, vor allem Becks und Goerdelers, gewesen sein muß, sich schriftlich zu äußern. Beck „dachte schriftlich“ Das Studierzimmer, der Kartentisch, das kontemplative Gespräch waren die Welt dieses gelehrten Soldaten und Verschwörers.

Wie im konspirativen Gespräch, das abgelöst vom praktischen Zweck um seiner selbst willen geführt, zu einer Form des geistigen Widerstandes wurde, so offenbart sich auch in den Tagebüchern und Aufzeichnungen der Verschwörer ein stark intellektueller, kontemplativer Wesenszug ihres Widerstandes. Die Gleichzeitigkeit von Tat und Reflexion über die eigene Tat, von Handeln und schriftlichem Bericht über das eigene Handeln, von Wollen und Selbstinterpretation des eigenen Wollens war bezeichnend für das geistige Format, aber auch für die handgreifliche Schwäche der Beck/Goerdeler-Verschwörung. Nicht von ungefähr hat sich der Mann, der als Bombenattentäter die einzige „handgreifliche“ Tat der Beck/Goerdeler-Verschwörung ausführte, nämlich Stauffenberg, memoirenartiger oder programmatischer Niederschriften enthalten

II. Das konspirative Gespräch

Die Beck/Goerdeler-Verschwörung war niemals durch die Initiative einiger Weniger „gegründet“ und als Geheimorganisation methodisch aufgebaut worden. Sie war organisch aber systemlos gewachsen. Am Anfang ihrer Geschichte stand der Gedankenaustausch.

Die Entstehung der Beck/Goerdeler-Verschwörung aus dem persönlichen Gespräch heraus und ihr weitgehendes Verharren im gesprächs-weisen Widerstand prägten Wesen und Habitus dieser Umsturzbewegung. Sie kannte keine „Versammlungen“, keine anonymen Anrufe, keine „eingeschriebenen Mitglieder“, keine Organisationsschemata, überhaupt keine üblichen unpersönlichen Formen, die den Zusammenhalt politischer Gemeinschaften sichtbar zu dokumentieren pflegen Die Zugehörigkeit jedes Einzelnen zur Verschwörung erwies sich allein durch seine Teilnahme am konspirativen Gespräch. Die Beck/Goerdeler-Verschwörung lebte im persönlichen Kontakt untereinander und wirkte durch ihn.

Neben freundschaftlich-verwandtschaftlichen Verbindungen und gesellschaftlichen Kontakten waren es in erster Linie berufliche Beziehungen gewesen, die zunächst die Partner oppositioneller Gespräche einander nahegebracht und zu einer Verschwörung der „Honoratioren“ zusammengeführt hatte.

Nachträglich versuchten die Putschisten insofern „Methode“ in die personelle Zusammensetzung und in das bereits vorhandene lose Feld des konspirativen Verkehrs hineinzubringen, als sie systematisch versuchten, Außenstehende in ihren Kreis zu ziehen, die kraft ihrer staatlichen oder militärischen Schlüsselposition einen unentbehrlichen Beitrag zur Bekämpfung des Regimes zu leisten vermochten. Hierbei pflegten die Putschisten erst sachlich zu argumentieren, dann moralisch, um schließlich bis an die Grenze des Religiösen zu gehen. „In Ihrer Hand, Herr Generaloberst, liegt das Schicksal der deutschen Armee und damit des deutschen Volkes“ schloß E. Kordt nicht ohne berechtigtes Pathos eine indirekte Aufforderung an Brauchitsch (im Herbst 193 8), sich zum Militärputsch zu entschließen. Auf Feldmarschall v. Kluge versuchten die Putschisten sogar einen moralischen Druck auszuüben, indem sie ihm eine Dotation vorwarfen, die er in Höhe von 25 000 Mark aus Hitlers Hand angenommen hatte

Vom vorsichtigen Tasten und LImkreisen bis zum plötzlichen Aufklappen des Visiers spielte sich die konspirative Einzelwerbung um Außenstehende in allen nur denkbaren taktischen Variationen ab, — mit wechselndem Erfolg, wie zwei Beispiele verdeutlichen. AIs Treskow im Winter 1941 Feldmarschall v. Bock gegenüber Hitler als den Allein-schuldigen bezeichnete, unterbrach ihn Bock, vor Zorn schreiend, ehe Treskow die Konsequenzen aus dieser Feststellung darlegen konnte Ähnlich erging es Olbricht, der bei einem Gespräch mit Oberst Gläserner, dem Kommandeur der Berliner Panzertruppenschule Krampnitz, keine Möglichkeit sah, Pläne einer Erhebung anzudeuten

Goerdeler pflegte seine Gesprächspartner durch rückhaltlose Offenheit zu entwaffnen, fast ignorierte er die Schranken, die der Kampf im Polizeistaat einer Verschwörung auferlegte. Als „Wanderprediger“ war er auf dem Feld der Neugewinnung noch Abseitsstehender am rührigsten tätig. Goerdeler sammelte nicht nur Akteure, sondern auch Gesinnungsgenossen. Dadurch belastete er die Fronde mit einem weitverzweigten Anhang passiver Mitwisser. Er wagte sich aber auch an loyal zum Regime stehende Militärs heran, deren Hilfestellung für einen Staatsstreich unentbehrlich schien. Er warb um Guderian trat an Reichenau heran knüpfte (über Strölin) Fäden zu Rommel, bemühte sich um Kontakt mit Kesselring und erbot sich schließlich sogar, mit Hitler selbst zu sprechen

Neben der mehr oder minder planvollen Einzelwerbung, die dort ihre Grenze fand, wo eine Ausweitung am vordringlichsten gewesen wäre, nämlich bei den Truppenoffizieren unterer Ränge, gewann die personelle Zusammensetzung der Beck/Goerdeler-Verschwörung auch dadurch System, daß die drei großen unabhängig voneinander gewachsenen Oppositionsgruppen, die Militärische um Beck, die Bürgerliche um Goerdeler und die Sozialistische um Leuschner und Leber, wechselseitig die Brücke zueinander gesucht und gefunden hatten; denn die Schaffung einer breiten Basis, die Repräsentanten aller Schichten des Volkes umgriff, war ein einhellig verfolgtes Anliegen.

Das konspirative Gespräch diente nicht nur der Sammlung und dem Zusammenhalt, es war auch Schauplatz interner Auseinandersetzungen miteinander rivalisierender Verschwörergruppen.

Entzweiungen ergaben sich aus der Frage, was nach einem Sturz des NS-Regimes zu geschehen habe. Goerdelers Zukunftspläne forderten den Widerspruch Lebers und Stauffenbergs heraus. Popitz hatte seine eigenen Gedanken, und auch die Kreisauer planten eigenwillige Wege. „So steht immer einer gegen den andern“, klagte Hassell im März 1943

Eine wichtige Rolle spielte das konspirative Gespräch als Informationsquelle. Der laufende wechselseitige Austausch von Nachrichten stand am Anfang aller Zusammenkünfte. Da die offiziellen Verlautbarungen der NS-Presse, des Rundfunks und der amtlichen Mitteilungsblätter propagandistisch entstellt waren, schuf sich die Verschwörung ein eigenes Nachrichtennetz. Horchposten und Informationsquellen waren die Verschwörer selbst, soweit sie amtliche Funktionen im Auswärtigen Amt, im OKH und OKW oder in einem der Ministerien inne hatten. Außerdem baute Oster mit den Mitteln der Abwehr einen illegalen Nachrichten-apparat aufG

Durch ihre exklusiven und weltweiten Verbindungen waren die Verschwörer wie kaum ein anderer Personenkreis in Deutschland „Wissende". Sie wußten, was in der „hohen Politik gespielt wurde“. Sie kannten z. B. die diplomatische Vorgeschichte des Kriegsausbruches und also auch die Kriegsschuld Hitlers, sie wußten um seine hybriden, nur im engsten Kreis geäußerten Fernziele, sie kannten die militärstrategische Vorgeschichte der Stalingradkatastrophe, und weil sie. die jeweiligen Ursachen genau kannten, waren sie auch in der Lage, sich über die Folge-entwicklung ein sachlich fundiertes, vorausschauendes Bild zu machen. Sie hielten die Hand am Puls des nationalen Geschehens und sahen den Kollaps voraus. Von dieser Voraussage der Katastrophe, in die Hitler das deutsche Volk ihrer Meinung nach hineinführte, leiteten sie das Recht und die Pflicht ab, dieser Katastrophe durch den Sturz Hitlers zuvorzukommen

Hauptzweck des konspirativen Gesprächs war die aktive Planung und Vorbereitung des Staatsreiches. Daran beteiligten sich alle Verschwörer gleichermaßen. Es gab in der Beck/Goerdeler-Verschwörung kein Führungsgremium, das Direktiven ausgegeben, verbindliche Entscheidungen getroffen, Aufgaben verteilt, Vorbereitungen und Aktionen koordiniert hätte. Jeder „Kreis" hatte seinen eigenen Kopf und agierte mehr oder weniger auf eigene Faust Goerdelers Autorität war umstritten Beck als „Oberhaupt" blieb zurückhaltend

Da eine zentrale Leitung fehlte, pflegten sich die Akteure ihre Einzelausgaben selbst zu stellen. Jeder wählte sich den Aufgabenkreis aus, der seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten, aber auch seinen Neigungen gemäß war. Es gab Aufgaben, für die sich kein Verschwörer fand, und andere, die in doppelter und dreifacher Ausführung in Angriff genommen wurden. Letzteres betraf z. B. die Kontaktaufnahme mit dem Ausland, die Ausarbeitung von Regierungsprogrammen und Verfassungsplänen, den Entwurf von Aufrufen und Rundfunkreden, überhaupt alle Aufgaben, die die geistige, theoretische Seite des Regimesturzes betrafen und im Rahmen des konspirativen Gesprächsverkehrs erfüllbar waren. Für die andere, handgreifliche Seite eines gewaltsamen Regimesturzes fehlte der Verschwörung die Executive. Sie zu schaffen, ist den Putschisten, auch Stauffenberg, nie so recht gelungen. Die Beck/Goerdeler-Verschwörung hatte zuviele Köpfe und zuwenig Hände. Daran scheiterte nicht zuletzt auch der Aufstand am 20. Juli 1944. Er scheiterte, weil sich der Widerstand, den das Gros der Verschwörung leistete, im konspirativen Gesprächsverkehr erschöpfte.

Der „Eifer der Gespräche“ offenbarte nicht nur eine interne Schwäche der Beck/Goerdeler-Verschwörung, er machte sie auch nach außenhin in gefährlichem Maße anfällig dem Spitzel-und Überwachungssystem des Regimes gegenüber. Die Verschwörer arbeiteten in einem Polizeistaat. Die einzig wirksame Methode, um den gesprächsweisen Widerstand gegen das Spitzel-und Überwachungssystem des Regimes zu sichern, war seine Beschränkung auf ein Mindestmaß. Gerade dieses Gebot aber wurde von der Beck/Goerdeler-Verschwörung außer Acht gelassen. Darstellungen, die von einem „Zellensystem“, „Schottensystem“, „Rosenkreuzerprinzip“ oder „Dreierprinzip“ sprechen, nach denen die Beck/Goerdeler-Verschwörung aufgebaut gewesen sein soll 7ä), täuschen einen Organisationscharakter vor, den diese Verschwörung als Ganzes nie gehabt hat. Alle oben aufgezählten geheimorganisatorischen Systeme setzten eine schematische Gliederung und eine hierarchische Spitze voraus.. Sie besagen, daß jeder neu Eingeweihte nur die Namen einiger weniger Mitverschwörer kennenlernt und daß von jeder „Zelle“ nur ein Mitglied die Verbindung nach oben kennt und aufrechterhält. Querverbindungen gibt es nicht.

Charakteristisch für die Beck/Goerdeler-Verschwörung hingegen war die erstaunliche Weitläufigkeit der Kreuz-und Querverbindungen. Selbst wenn man unterstellt, daß die überlebenden Memoirenschreiber durch nachträgliches Wissen einen größeren Überblick vortäuschen, als sie in Wirklichkeit gehabt haben, bleibt doch die Tatsache des nimmermüden Szenenwechsels und die Vielzahl der Partner konspirativer Gespräche, über die glaubhaft berichtet wird, bestehen. Einem verschwindend kleinen Kreis wirklicher Akteure stand die große Zahl bloßer Mitwisser zur Seite. Sie bestritten den Hauptanteil des konspirativen Gesprächverkehrs und verliehen den Staatsstreichplänen jenen berüchtigten „Diskussionscharakter“, der die Energie der Ausführung bis zum Versagen belastete.

Der übermäßig große, praktisch kaum noch zu rechtfertigende Anteil, den das konspirative Gespräch am Wirken der Beck/Goerdeler-Verschwörung gehabt hat, läßt sich auf Gründe zurückführen, die ein kennzeichnendes Licht auf das Wesen dieser Verschwörung überhaupt werfen. Die Beck/Goerdeler-Verschwörung war eine Gegenbewegung zum totalitären Führerstaat des Nationalsozialismus. Ihr Eigenleben war demokratisch. Jeder Verschwörer dachte mit und empfand Mitverantwortung. Hinzu kam, daß die Mehrzahl der Verschwörer im öffentlichen oder militärischen Leben Rang und Namen besaß und einen Anspruch auf Stimmrecht im Komplott vertrat. Lim die Vielfalt der Pläne und Vorschläge, der Meinungen und Gegenmeinungen auf einen Nenner zu bringen, bedurfte es einer rastlosen Vielzahl konspirativer Gespräche. 2) Das Gefühl physischer Ohnmacht und Hilflosigkeit dem Macht-apparat des Regimes gegenüber äußerte sich in gesteigerter geistiger Aktivität. Wenn man schon nicht putschen konnte, so konnte man doch über den Putsch diskutieren und wenigstens seinen Willen zum Sturz des Regimes bekunden, vor den Mitverschworenen und vor sich selbst.

3) Eine weitere Versuchung, der die Verschwörer bisweilen erlagen, entsprang der Unverbindlichkeit des gesprächsweisen Widerstandes.

Nach einem konspirativen Gespräch können sich die Partner stets zurückziehen, der Konsequenz entziehen. Hassell spricht einmal von den „tollsten Gesprächen“, in die sich „die Generale“ einlassen, und daß sie „alles, was ihnen gesagt wird, zugeben . . . , aber den Mut für die Tat nicht aufbringen“. Halder gibt im Namen dieser schwankenden Generale den Vorwurf konspirativer Unverbindlichkeit zurück, indem er feststellte: „Es besteht ein Unterschied zwischen dem, der ausspricht, was geschehen müßte oder sollte, und dem, der den Griff nach dem Schicksal seines Volkes tut und bei diesem Griff vor Augen hat, daß er zugleich Chaos und Zerstörung durch einen Krieg im Inneren wagt.“

4) Canaris habe eine angeborene Neigung zur Verschwörung besessen, berichtet Kessel. Nach dem Urteil mancher seiner Freunde habe er „etwas Spielerisches (gehabt), .. . das sich nicht festlegen will, sondern mit allen Möglichkeiten jongliert“. Verschwörern dieser Mentalität mag das konspirative Gespräch Element gewesen sein;

jedoch war Canaris in dieser Hinsicht ein Außenseiter. Seinen Gesinnungsgenossen blieb das Halbdunkel der Konspiration im Grunde zuwider. Sie waren keine geborenen Verschwörer, die die Konspiration um ihrer selbst willen anzieht, die Putschisten aus Passion sind, die im waghalsigen intellektuellen Spiel des konspirativen Gesprächs eine Art abenteuerliche Befriedigung finden. Im Personenkreis der Beck/Goerdeler-Verschwörung fehlte der Typ des Berufsrevolutionärs im edlen wie auch im zweifelhaften Sinne, was jedoch nicht ausschloß, daß Verschwörer, wie z. B. Goerdeler, Leber, Hassell und Leuschner ihre beruflichen Entscheidungen von den Erfordernissen ihrer Verschwörertätigkeit abhängig machten. Leber gründete ein kleines Kohlengeschäft „Meyer und Nachfolger“, hinter dem sich eine konspirative Zentrale der illegalen Sozialisten verbarg. Die Handlungsreisenden der Bierhahnfabrik Leuschners fungierten zugleich als Verbindungsleute der Verschwörung. Goerdeler benutzte seine Geschäftsreisen im Auftrage der Firma Bosch als Deckmantel.

5) Ein weiterer Grund für die konspirative Betriebsamkeit der Verschwörer beruhte im weitgespannten Horizont ihrer Ziele und Zwecke. Nicht nur der Staatsstreich und die Zeit des Belagerungsund Ausnahmezustandes kurz danach wurden vorbereitet und unermüdlich diskutiert, sondern auch Verfassungsfragen, Ministerlisten, Regierungs-und Weltfriedensprogramme.

6) Alle genannten Gründe reichen auch zusammengenommen nicht aus, um den „Eifer der Gespräche“ ganz zu erklären. Er ist nur zu verstehen, wenn man im konspirativen Gesprächsverkehr der Verschwörer das selbstgeschaffene Forum ihrer oppositionellen Rede-und Gedankenfreiheit erkennt. Das konspirative Gespräch war nicht nur Mittel zum Zweck des Regimesturzes, es trug seinen Sinn in sich als eine Form des sich selbstgenügsamen geistigen Widerstandes.

Notgedrungen erschöpfte sich der Widerstand der meisten Verschwörer im Gespräch, im Pläneschmieden und Lagebeurteilen, im Bekunden oppositioneller Gefühle und Ansichten und in der Genugtuung, einer Gesinnungsgemeinschaft anzugehören, die durch ihre Selbstvergewisserung im konspirativen Gespräch bewies, daß ein „anderes Deutschland“ wirklich existierte.

Nach diesen Hinweisen auf die bewußten und wohl auch unbewußten Gründe, die dazu geführt hatten, daß die Beck/Goerdeler-Verschwörung eine der elementarsten Regeln für jede Geheimorganisation, nämlich den Kreis der Eingeweihten so klein zu halten wie möglich und die Zahl der konspirativen Gespräche auf ein Minimum zu beschränken, außer acht ließ, bleibt noch festzustellen, daß die Putschisten im Einzelfall sehr wohl alle nur erdenklichen Mittel einer ständig verfeinerten Technik der Tarnung und Sicherung angewandt haben. Die Benutzung von Decknamen und Chiffren, die Sicherung gegen Spitzel und Schwätzer, die Kontrolle der Gesprächsräume gegen Abhörvorrichtungen gehörten zur selbstverständlichen Handhabe des konspirativen Verkehrs.

Die Verschwörer benutzten keine Hintertreppen, keine Schleichwege und entlegenen Winkel. In der Regel liefen ihre konspirativen Gespräche unter dem Deckmantel angeblicher Dienstgeschäfte. Ihre Zusammenkünfte fanden unter den Augen des Regimes statt. In der Offenheit des Verkehrs lag der kühnste, aber auch wirksamste Schutz gegen Verdächtigungen. Allerdings war es nicht immer einfach, ein Treffen, z. B.

mit Beck, nach außen hin dienstlich zu motivieren. Beck und Goerdeler waren Privatpersonen. „Die Schwierigkeiten und Gefahren, unter denen ein Treffen mit diesen Männern möglich war, waren Legionen.“ Während Beck am Ort blieb und in seiner Berliner Wohnung Besucher empfing (registriert von einem Gestapospitzel, der im Nachbarhaus einquartiert war), begab sich der agile Goerdeler unentwegt auf die Reise.

Ohne Rücksicht auf das Drahtnetz der Kontrollstellen, die nach Kriegsausbruch den privaten und dienstlichen Reiseverkehr scharf überwachten, reiste Goerdeler bis nach Smolensk ins Hauptquartier der Heeresgruppe Mitte (Ende 1942). Verschwörer im OKH hatten ihm für diese Reise zu Feldmarschall von Kluge die notwendigen Papiere beschafft. Bei der Legitimierung „hochverräterischer“ Reisen, auch ins Ausland, durch amtliche Beglaubigung von Scheingründen leistete die Abwehr unter Canaris und Oster der Verschwörung zuverlässige Dienste.

Bis zum 20. Juli 1944, als die Verschwörung ihre Tarnung fallen ließ und zum offenen, frontalen Angriff auf das Regime antrat, war sie trotz ihre jahrelangen, regen konspirativen Verkehrs ziemlich unbehelligt geblieben. Nur drei kurzläufige, isoliert gebliebene Verhaftungswellen erschütterten vorübergehend ihr Gefüge:

Die Verhaftung von Müller, Dohnanyi und Dietrich Bonhoeffer am 5. April 194 3 Oster wurde in diesem Zusammenhang von seinem Amt als Abteilungschef bei der Abwehr suspendiert, die Verhaftung von Moltke im Januar 1943 und die Verhaftung von Leber und Reichwein am 4. Juli 1944 Diese letzte Verhaftung vor dem 20. Juli erfolgte nach einer Zusammenkunft Lebers und Reichweins mit den Kommunisten Jakob und Saefkow. Der dritte Gesprächspartner war ein Gestapospitzel, dem es gelungen war, sich in das Zentralkomitee der illegalen KPD einzuschleichen.

Die Beck/Goerdeler-Verschwörung selbst ist bis zuletzt frei von Spitzeln und Denunzianten geblieben. In dieser Hinsicht hatte sich das exclusive System ihrer personellen Zusammensetzung bewährt. Der Verzicht auf jeden anonymen Kontakt, die Beschränkung auf Persönlichkeiten, die sich dienstlich oder privat untereinander gut kannten oder die im öffentlichen Leben Rang und Namen besaßen, deren Herkunft und Werdegang also offenkundig waren, schützten die Verschwörung vor unkontrollierbaren Elementen.

Aufdeckungsgefahr drohte der Verschwörung weniger durch Verrat, als durch eigene Fahrlässigkeit. 1944 schienen in Berlin die Spatzen von den Dächern zu pfeifen, daß Goerdeler sich mit Staatsstreichplänen trug. „Er war ein Motor, der zu geräuschvoll lief“ Auch Stauffenberg war eine treibende Kraft, aber er war weitaus vorsichtiger als Goerdeler und drang auf Strenge der Auswahl und der Geheimhaltung Die Sorge, entdeckt zu werden, lastete bis zum 20. Juli als ständiger Alpdruck auf den Verschwörern. Sie führten ein Doppelleben. Es gab keine räumliche Trennung und also auch kein sichtbares Niemandsland zwischen dem Deutschland der Nationalsozialisten und dem „anderen Deutschland“. Freund und Feind wogten durcheinander. Die unsichtbare Kluft, die beide Lager voneinander schied und nur für Wissende erkennbar war, wurde überbrückt durch die Gruppe der innerlich gespalteten Militärs, die zwischen den Fronten standen und vergebens um eine Entscheidung für oder wider das Regime rangen. Die Gefahr, daß durch diese „Zwischenstellen“ Gerüchte und Parolen übersprangen, schien auf die Dauer unvermeidbar zu sein. Eine einzige regimefeindliche Äußerung pflegte zu genügen, um die Gestapo aufhorchen oder gar zur Verhaftung schreiten zu lassen. Für die Tatsache, daß die Beck/Goerdeler-Verschwörung trotzdem sieben Jahre lang dem Zugriff der sonst so erschreckend gut funktionierenden Geheimen Staatspolizei entzogen blieb, gibt es folgende Erklärungen.

1) Entweder hat die Gestapo tatsächlich nichts Sicheres gewußt, weil die Verschwörung gerade durch die systemlose, fluktuierende Art ihres äußeren Zusammenhalts so schwer faßbar war

2) oder der Gestapo war, zumindest seit 1943, die Existenz einer Verschwörung um Beck und Goerdeler mehr oder weniger doch bekannt, und der Staatsstreich am 20. Juli kam lediglich ihrem polizeilichen Plan zuvor, noch eine Zeitlang beobachtend abzuwarten, ehe sie schlagartig zugriff, 3) oder aber die Gestapo ließ bewußt und auf höchsten Befehl Himmlers die Verdachtsmomente gegen Beck, Goerdeler und ihre Mitverschwörer auf sich beruhen.

Abgesehen vom Osterkreis, der seit 1940 verdächtigt wurde und 1943 aufflog, scheint die Militärfronde in ihrer Gesamtheit ziemlich unerkannt geblieben zu sein. Die Gegensätze mit der Wehrmacht Entweder hat die Gestapo tatsächlich nichts Sicheres gewußt, weil die Verschwörung gerade durch die systemlose, fluktuierende Art ihres äußeren Zusammenhalts so schwer faßbar war 91).

oder der Gestapo war, zumindest seit 1943, die Existenz einer Verschwörung um Beck und Goerdeler mehr oder weniger doch bekannt, und der Staatsstreich am 20. Juli kam lediglich ihrem polizeilichen Plan zuvor, noch eine Zeitlang beobachtend abzuwarten, ehe sie schlagartig zugriff, oder aber die Gestapo ließ bewußt und auf höchsten Befehl Himmlers die Verdachtsmomente gegen Beck, Goerdeler und ihre Mitverschwörer auf sich beruhen.

Abgesehen vom Osterkreis, der seit 1940 verdächtigt wurde und 1943 aufflog, scheint die Militärfronde in ihrer Gesamtheit ziemlich unerkannt geblieben zu sein. Die Gegensätze mit der Wehrmacht „seien in die Schublade gelegt“, äußerte der Leiter der Abteilung „Angelegenheiten der Wehrmacht“ im RSHA zu einem Amtskollegen 92) kurz vor dem 20. Juli. Derselbe Sachbearbeiter soll aber auch beiläufig erwähnt haben, „daß eine Kommission gebildet worden sei, welche die Frage eines organisierten Defaitismus durch Kreise um den Generalobersten Beck und den früheren Oberbürgermeister Dr. Gördeler zu prüfen hätte“.

Goerdeler mußte am 17. Juli 1944 aus Berlin flüchten, weil ein Haftbefehl gegen ihn vorlag 93). Bis dahin soll Himmler es mehrfach abgelehnt haben, einen Verhaftungsbefehl gegen Goerdeler (und angeblich auch gegen Beck) zu genehmigen 94).

Die Untersuchungen im Fall Oster-Dohnanyi ließ er im Sande verlausen 95) Oster bekam damals Hausarrest. Canaris wurde seines Amtes enthoben. Das große Netz der Verschwörung aber blieb unangetastet. Obwohl Himmler einmal Canaris ins Gesicht gesagt hatte, „er wisse wohl, daß es namhafte Kreise im Heere gebe, die mit Umsturzplänen spielten“ 96) — er nannte die Namen Beck und Goerdeler — traf der 20. Juli die Gestapo auffälligerweise gänzlich unvorbereitet. Vielleicht läßt sich die merkwürdige Tatsache, daß die Beck/Goerdeler-Verschwörung bis zum 20. Juli 1944 unbehelligt wirken konnte, auch damit erklären, daß Himmler selbst ihre Tätigkeit gelegentlich deckte oder zumindest bewußt duldete. Himmler war im April 1943 durch Popitz und Langbehn ins „Vertrauen“ gezogen worden. Die aktenkundig belegten Besprechungen zwischen Popitz und Himmler 97) gehören zu den unfaßlichsten Kapiteln in der Geschichte der Beck/Goerdeler-Verschwörung. Den konspirativen Verkehr dadurch gegen den Überwachungsapparat des Regimes zu sichern, daß man den obersten Chef dieses Apparates höchstpersönlich zur positiven Mitwisserschaft bewog, war eine Methode, wie sie waghalsiger und freilich auch wirkungsvoller kaum gedacht werden kann. Ob Popitz und Langbehn diesen Effekt, der aus ihren Besprechungen mit Himmler heraussprang, bewußt im Auge gehabt haben, muß dahingestellt bleiben. Über den eigentlichen Plan dieser beiden Verschwörer, Himmler gegen Hitler und die Partei auszuspielen, wird im Kapitel „Bürgerkrieg“ noch näher einzugehen sein.

B) Gewaltmethoden des Widerstandes

So grundsätzlich, wie Hitler die Methode der Gewaltpolitik bis zur Heroisierung bejahte, so prinzipiell wurde sie von der Beck/Goerdeler-Verschwörung abgelehnt, gleichviel, ob sie innenpolitisch als „Terror“ oder außenpolitisch als „Kriegspolitik“ in Erscheinung trat. In dieser Ablehnung beruhte ein wesentliches Motiv ihres Widerstandes. Das wird besonders deutlich an ihrer Einstellung zur Außenpolitik Hitlers Vor 1939. Damals bejahten die „Verschwörer“ Hitlers außenpolitische Ziele, solange sie noch nicht zur Hybris wurden, sondern sich auf die Revision bzw. Annullierung des Versailler Vertrages beschränkten. Was die Verschwörer vor allem ablehnten, war die Methode Hitlers 1), der sein außen-politisches Ziel „durch einen blutigen Kampf“ 2) erreichen wollte.

Die Ablehnung der nationalsozialistischen Gewalt-und Kriegs-politik entsprang nicht nur realen Erwägungen 3) der Verschwörer, sondern muß auch aus der Tiefe ihrer humanitären Welthaltung heraus verstanden werden. Eine spürbare pazifistische Tendenz trieb sie zum Widerstand, auch die Militärs unter ihnen, an der Spitze Beck, der im geplanten Angriffskrieg eine „Blutschuld“ sah. Verhinderung des Krieges und, als er dennoch ausbrach, seine Beendigung so oder so war von Anfang bis Ende vornehmstes Ziel der Beck/Goerdeler-Verschwörung. Sie war eine „Friedenspartei“. Ihre tiefverwurzelte Ablehnung gewaltpolitischer Methoden muß man sich vor Augen halten, um ganz zu verstehen, warum die Beck-Goerdeler-Verschwörung folgerichtig auch in ihren eigenen Kampfmethoden zu gewaltlosen und unblutigen Wegen tendierte. Vom Rücktritt und der Denkschrift bis zur Paradoxie des „legalen Staatsstreiches" ging ihre Tendenz zur unblutigen Lösung ihrer Widerstandsaufgabe.

Deshalb lehnte Canaris auch ein Attentat ab und stand dem ge-planten Staatsstreich reserviert gegenüber Seine Einstellung war der Moltkes verwandt. Graf Moltke war wohl der einzige Wortführer innerhalb der Verschwörung, der an seiner Ablehnung politischer Gewalt-methoden so konsequent festhielt, daß er nicht nur dem Attentat, sondern auch dem gesamten Projekt des Staatsstreiches ablehnend gegenüberstand. Die zentrale Aufgabe der Verschwörung verstand er als religiöse und geistespolitische Mission. In einem Abschiedsbrief an seine Söhne heißt es: „Ich habe aber nie Gewaltakte wie den 20. Juli 1944 gewollt oder gefördert, sondern ihre Vorbereitung im Gegenteil bekämpft, weil ich aus vielerlei Gründen solche Maßnahmen mißbilligte und vor allem glaubte, daß damit das geistige Grundübel nicht beseitigt wurde

Auf ihrem Weg von der Denkschrift zum Attentat begab sich die Beck/Goerdeler-Verschwörung immer entschiedener auf das Terrain des Gegners, um ihm mit seinen eigenen Waffen entgegenzutreten. Nur so hatte sie Aussicht, ihre Ziele realpolitisch zu verwirklichen; um ihren Zielen in Deutschland Geltung verschaffen zu können, brauchten sie den Besitz der „Öffentlichen Gewalt“. Der Weg dorthin und der vorauszugehende Sturz des NS-Regimes mußten aber erzwungen werden und das war wiederum nur möglich mit der Methode nackter Gewaltanwendung. Andere Wege erwiesen sich als indiskutabel. „Mit geistigen Waffen (war) der Koloß nicht zu stürzen“

Die Verschwörung als Gesamtheit war zwar zum Gewaltakt entschlossen, nicht so sehr Beck oder Goerdeler, sondern die Figur Stauffenbergs verkörperte diesen Entschluß bis zum Äußersten, -auffallend ist jedoch, daß die Verschwörer, auch die Akteure des „ 20. Juli", die Tendenz beibehielten, ihre physischen Gewaltmaßnahmen zu sublimieren und auf ein Minimum zu beschränken. Vor allem aus taktischen, aber wohl auch aus moralischen Gründen hatten sie Methoden ausfindig gemacht, die selbst am Tage des offenen Aufstands den Intellekt, die List und die Energie der geistigen Leistung zum Zuge bringen sollten. Ihre Hauptwaffen, die sie am „ 20. Juli“ ins Feld führten, waren die Proklamation, die militärische Kommandogewalt und der psychische Druck auf die militärische Gehorsamspflicht

So wurde der Aufstand am 20. Juli 1944 ein Aufstand ohne „Leichen auf den Gehsteigen“, ein Aufstand ohne Blutvergießen, — mit einer Ausnahme, und das war das Attentat im Führerhauptquartier, das den Staatsstreich eingeleitet hatte.

I. Das Attentat

„Der Führer Adolf Hitler ist tot“ dieser Satz leitete die ersten Fernschreiben ein, die Stauffenberg und seine Mitverschwörer am 20. Juli 1944 in alle vier Winde des Reiches hinausjagten. Das Attentat war die „Initialzündung“ des Aufstandes gewesen.

„Ein gescheiterter Putsch mit einem toten Hitler sei besser, als ein geglückter Teilaufstand, bei dem dieser unheilvolle Magier auf der anderen Seite der Bürgerkriegsfront befehle“, soll Beck in den Vortagen des „ 20. Juli“ geäußert haben Zu einem „geglückten Teilaufstand“ kam es am 20. Juli in Paris aber der „unheilvolle Magier“ brauchte gar nicht erst in Aktion zu treten und zu befehlen, es genügte bereits, daß General Keitel die Meldung der Putschisten, Hitler sei tot, dementierte, um den geglückten Teilaufstand von Paris in sich selbst zusammensinken zu lassen. — „Das Attentat ist mißglückt, alles ist zu Ende! — Nichts kann mehr geschehen, der Führer ist noch am Leben“. Mit diesen Worten begründete der Oberbefehlshaber West, von Kluge, seine Weigerung, sich der Aufstandsbewegung anzuschließen u). Er befahl, die in Paris festgenommenen SS-Verbände wieder freizulassen.

Auch in Berlin sank der Aufstand in sich zusammen, sobald offenkundig geworden war (durch eine Sondermeldung des Deutschland-sender daß Hitler den Attentatsversuch Stauffenbergs überlebt hatte. Offiziere, die allenfalls gewillt gewesen wären, sich gegen Partei und SS zu empören, weigerten sich jedoch, gegen Hitler zu rebellieren. Oberst Müller, der sich den Putschisten angeschlossen hatte und mit Einsatz-befehlen aus der Bendlerstraße versehen das Lehrbataillon der Infanterie-Schule Döberitz zum Marsch auf Berlin bewegen wollte, schildert in einem Erlebnisbericht: „. . . Die Truppe kämpft auf keinen Fall gegen Hitler, man verweigert mir den Gehorsam gegen Hitler“ Truppen-verbände,die den Befehlen der Putschisten zunächst Folge geleistet hatten und sich nach Berlin in Marsch gesetzt hatten, kehrten wieder um oder wandten sich gegen die Putschisten, als Ordonnanzoffiizere regime-treuer Dienststellen ihnen das Zauberwort zuriefen: Persönlicher Befehl des Führers!“

Diesen Verlauf der Dinge hatten die Verschwörer vorausgeahnt. Sie waren sich durchaus im klaren gewesen, daß das Attentat mehr sein würde, als nur Auftakt und „Initialzündung“ des Staatsstreiches. Der Tod Hitlers galt seit langem als conditio sine qua non.

Dennoch hatten sich die Verschwörer nur widerstrebend dazu entschließen können, das Attentat an die Spitze ihres Aktionsprogramms zu stellen. Ihr Entschluß zum Attentat hatte sich nicht von selbst verstanden.

Er war der Endpunkt einer internen, mühsamen Entwicklung vom legalen zum illegalen, vom geistigen zum gewalttätigen Widerstand.

Äußere Phasen dieser Entwicklung waren die Pläne und Versuche der Frondeure gewesen:

a) Hitler durch Wort und Schrift zu beeinflussen, b) Hitler zu verhaften, c) Hitler zu „ermorden“.

Diese drei Phasen des Attentats und seiner Vorgeschichte, die Gegenstand des vorliegenden Kapitels sein werden, betreffen mehr, als nur einen Sektor des Widerstandes, mehr als nur ein Spezialproblem des Auf-standes gegen das NS-Regime; sie betreffen den Angelpunkt, um den das Schicksal der Beck/Gördeler-Verschwörung rotierte. Die Verschwörer mochten Hitler hassen, verachten, für beschränkt, unfähig, verbrecherisch und wahnsinnig halten, ignorieren konnten sie ihn jedoch nicht. Sie mußten sich im Gegenteil damit abfinden, daß das Problem: Hitler und die Frage der Bewältigung dieses Problems zum Nerv aller entscheidenden

Pläne und Aktionen, aller zentralen Bewegungen und Lähmungen ihres Widerstandes gegen den Nationalsozialismus wurde. a) Versuche der Verschwörer, Hitler durch Wort und Schrift zu beeinflussen

Der Weg der direkten Einflußnahme auf den Diktator hätte verheißungsvoll sein können, denn in unglaublicher Zuspitzung konzentrierte sich seit 193 8 auf die Person Hitlers die alleinige Entscheidungsgewalt über das Wohl und Wehe des gesamten deutschen Staates. Führer-befehle hatten im „Dritten Reich“ Gesetzeskraft. Wer Hitler überzeugte, hatte gewonnen. Aber — ließ Hitler sich überzeugen, wieweit lag den Verschwörern etwas daran, ihn zu überzeugen und besaßen sie überhaupt Zugang zu Hitler, um auf ihn einzuwirken? Diese drei Fragen betreffen die Bedingungen und Möglichkeiten der einzigen wirklich durchgreifenden legalen Methode, die sich einer Opposition im Diktatur-staat, und nur in einem solchen Staat, eröffnet.

Dem Kampf der Verschwörer gegen Hitler war ihr Ringen um Hitler vorausgegangen. Dieses Ringen hatte sich in den permanenten Versuchen der Frondeure geäußert, an Hitler zu appellieren und ihn zu freiwilligen Entschließungen im Sinne der Opposition zu bewegen. Voraussetzung derartiger Versuche war die Bereitschaft der Frondeure gewesen, Adolf Hitler zumindest de facto als „Führer“ und deutsches Staatsoberhaupt zu akzeptieren, auf radikale Umsturzabsichten also zu verzichten und sich mit dem evolutionären Ziel politischer Korrekturen, Kursänderungen und Reformen zu begnügen.

Unabhängig von der verfassungsrechtlichen Streitfrage, ob Hitler als Usurpator zur Macht gekommen war oder ob seine „Machtergreifung“ legal erfolgte bleibt festzustellen, daß in der Tat maßgebliche Verschwörer vor allem auch Beck Hitler zunächst nicht nur „de facto“, sondern auch „de jure“, als legitimes Staatsoberhaupt des deutschen Reiches anerkannt haben. Spätestens bis Ende 193 8 setzte sich jedoch auch bei den Verschwörern, die zunächst loyal zum NS-Regime gestanden hatten, der Standpunkt durch, daß Hitler seit dem 30. Juni 1934 von Jahr zu Jahr eindeutiger sein positives und moralisches Recht als Führer und Staatsoberhaupt zu regieren, verwirkt habe „De facto“ jedoch behauptete Hitler bis 1945 seine unumschränkte Führerstellung im deutschen Staat. Daran zu zweifeln kam den Verschwörern zu keiner Zeit in den Sinn. Seit dem Tode Hindenburgs hat es im „Dritten Reich“ niemals wieder eine gleichrangige Instanz neben Hitler gegeben. Es gab auch keine Drahtzieher und „graue Eminenzen“ hinter Hitler. Weder Göring noch Himmler, Goebbels oder Bormann besaßen eine souveräne Position. Folglich gab es auch für die Verschwörung keinen Weg am „Führer“ vorbei. Bis 194 5 gingen alle internen Wege zur politischen Umwälzung über Hitler, über den lebenden Hitler oder „über seine Leiche".

Der friedliche Weg über den „lebenden Hitler“ konnte niemals weit führen. Auch optimistische „Verschwörer“, die für diesen evolutionären Weg plädierten (Kollektivschritt der Generalität bei Hitler, Vortrag militärischer und politischer Reformvorschläge) mußten von vornherein damit rechnen, daß von einer derart fanatischen, in sich konsequenten Persönlichkeit wie Hitler weder ein weites Entgegenkommen, noch ein radikaler Gesinnungswandel jemals zu erwarten war. Lim so radikaler hatten die Zugeständnisse zu sein, die die Verschwörer preisgeben mußten, wollten sie mit Hitler und durch ihn den Zielen ihrer Opposition Geltung verschaffen.

In der Tat war die Beck/Goerdeler-Verschwörung durchaus gewillt, ihr Programm auf Minimalforderungen zu reduzieren. Bis zum 20. Juli 1944 waren Beck, Goerdeler und wohl auch Stauffenberg jederzeit bereit, ihre LImsturzhoffnungen preiszugeben, sobald Hitler sichtlich einlenken würde. Die Beck/Goerdeler-Verschwörung war ihrem innersten Wesen nach weder radikal noch fanatisch. Sie wollte das Erreichbare erreichen und das Mögliche ermöglichen. Bis zum 20. Juli blieb sie politisch kompromißbereit und willens zum Arrangement — auch mit Hitler

Der Wille zur Einflußnahme auf Hitler setzte ferner voraus, daß die Verschwörer überhaupt Zugang zu Hitler besaßen. An den Diktator heranzukommen, war für die Verschwörer ein Problem, aber keine Unmöglichkeit, denn das Gros der Verschwörung rekrutierte sich aus der Oberschicht staatlicher und militärischer Spitzenfunktionäre. Nicht „der kleine Mann auf der Straße“ hatte sich in der Beck/Goerdeler-Verschwörung zusammengerottet, hier konspirierten keine Arbeiter, Studenten und lokalen Rädelsführer, sondern Generale und Minister, Diplomaten und Staatssekretäre.

Zugang zu Hitler suchten und fanden die Verschwörer 1. auf dem schriftlichen Instanzenweg, 2. durch den mündlichen Vortrag bei Hitler oder das persönliche Gespräch mit ihm, 3. auf mittelbarem Wege über dritte Persönlichkeiten, die Hitler menschlich, politisch oder dienstlich nahe standen oder über arrangierte außenpolitische Vorgänge, die Hitler in einem vorausberechneten Sinne beeindrucken sollten.

Ad 1) Ein Verschwörer wie Schacht konnte als Reichsminister und Kabinettsmitglied Immediatberichte, Denkschriften und persönliche Schreiben an Hitler direkt richten Schwieriger lagen die Verhältnisse für alle übrigen Verschwörer, die wie Beck als Generalstabschef und der Staatssekretär Weizsäcker auf der dritten Stufe der staatlichen Hierarchie oder noch weiter unterhalb plaziert waren. Normalerweise war der Diktator für sie nicht unmittelbar ansprechbar. So blieben die Denkschriften, die Beck auf dem Dienstweg einreichte, bei Brauchitsch, dem Oberbefehlshaber des Heeres, hängen und die Denkschriften Weizsäckers beim Reichsaußenminister v. Ribbentrop Mit Kriegsausbruch bildeten Keitel und Bormann die berüchtigte vorletzte Instanz im Führerhauptquartier, die für oppositionelle, in ein dienstliches Gewand gekleidete Denkschriften unüberbrückbar zu sein pflegte. Hinzu kam, daß „gerade bei Hitler . .. eine Denkschrift, wenn er sie überhaupt las, nicht das gesprochene Wort“ (ersetzte)

Ad 2) Wirksamer und auch gangbarer als der schriftliche Instanzen-weg war deshalb auch der gelegentliche Zugang zu Hitler durch den mündlichen Vortrag oder das persönliche Gespräch.

Beck allerdings hatte als Generalstabschef kein unmittelbares Vortragsrecht beim Staatsoberhaupt besessen. Er hat um dieses Recht gerungen und versucht, die (im Februar 1938 abgeschlossene) Umbildung der militärischen Spitzengliederung, den Ausbau des „Wehrmachtsamtes“ zum OKW (Oberkommando der Wehrmacht) und die damit verbundene Ausschaltung des Generalstabes in seiner Funktion als mitverantwortliche und den Kriegsherrn unmittelbar beratende Instanz zu verhindern Nadi seinem Rücktritt beklagte sich Beck in einem Brief an Hossbach, den ehemaligen Chefadjutanten Hitlers, daß er während seiner fünfjährigen Amtsperiode, abgesehen von fünf zufälligen Minuten während der Österreich-Affaire, niemals Gelegenheit gehabt habe, Hitler seine Ansichten über Landesverteidigung, Kriegsführung usw. vorzutragen Becks Versuch, sich nach seiner Verabschiedung aus dem Heeresdienst bei Hitler persönlich abzumelden, um bei dieser Gelegenheit noch einmal vor dem drohenden Weltkrieg zu warnen, scheiterte, weil Hitler es ablehnte, Beck zu empfangen

Auch der zweite führende Gegenspieler Hitlers, Goerdeler, hat sich nach einer persönlichen Aussprache mit Hitler gedrängt. „Jetzt (Oktober 1939) setzt er (Goerdeler) auf einen Besuch bei Göring, den man ihm vermitteln will, womöglich auch bei Hitler“, registrierte Hassell Näheres über derartige Absichten Goerdelers erfahren wir aus einem Brief, den er vier Jahre später, am 17. 5. 1943, an General Olbricht richtete. „Finden wir keinen anderen Weg“, heißt es darin, „so bin ich bereit, alles zu tun, um zu einer Aussprache mit Hitler zu gelangen. Ich würde ihm sagen, was zu sagen ist, insbesondere, daß sein Rücktritt vom Lebensinteresse des Volkes erfordert wird. Es ist nicht gesagt, daß eine solche Aussprache, wenn sie herbeigeführt werden kann, böse enden muß“ Olbricht quittierte den Plan Goerdelers mit einem nachsichtigen Lächeln Am Mut und an der Zivilcourage Goerdelers bestand kein Zweifel. Illusorisch hingegen war seine Hoffnung, als pensionierter Ober-bürgermeister und Wortführer einer „illegalen“ Opposition jemals Zugang zu Hitler zu bekommen, geschweige denn von ihm angehört zu werden. Vermutlich hat Goerdeler seinen Vorschlag überhaupt nur pro forma gemacht, um die Loyalatitätsbedenken der Generalität durch diesen fiktiven demokratischen Vorschlag ad absurdum zu führen. Bemerkenswert bleibt die Theorie des Verfahrens, das Goerdeler vorschlug, nämlich das Nacheinander von legaler Warnung und illegaler Gewaltanwendung, von Aussprache und Attentat.

Die fehlgeschlagenen Versuche Becks und Goerdelers, zu einer Aussprache mit Hitler zu gelangen, waren nur zum Teil symptomatisch. Zahlreiche Beispiele bezeugen, daß sich Verschwörern und solchen, die der Verschwörung nahe standen, im Laufe der Jahre vielfach die Gelegenheit geboten hat, dem Diktator persönlich ihre politische oder militärische Meinung zu sagen. Als Nachfolger Becks hatte sich General Halder vor Antritt seiner Dienststellung vergewissert, daß er bei Hitler mehr zu Gehör komme als sein Vorgänger Dazu fand er fast täglich Gelegenheit, als Brauchitsch 1941 zurücktrat und Hitler persönlich den Oberbefehl des Heeres übernahm.

Die zunehmende Militarisierung des gesamten staatlichen Lebens seit Kriegsausbruch, die Verlegung der Reichskanzlei ins Führerhauptquartier und die dort stattfindenden täglichen Lagebesprechungen verschafften mit den Militärs auch den Militärverschwörern sogar leichter Zugang zu Hitler als manchem hohen, antichambrierenden Parteiführer. Ihr „Privileg“ bot den Militärverschwörern sowohl die Chance, zu Hitler zu sprechen, als auch die Möglichkeit, ihn zu töten. Beide Möglichkeiten haben sie nacheinander ergriffen

Ad 3) „Canaris war dutzendmal beim Führer. Canaris konnte ihm melden, was er wollte und was er wußte, . . . aber er hat niemals einen Ton gesagt“, erklärte Jodl in Nürnberg Abshagen nimmt zu diesem Vorwurf Stellung und meint, Canaris habe in den ersten Jahren seiner Amtstätigkeit durchaus versucht, Hitler persönlich zu beeinflussen, später aber resigniert Es ist bekannt, daß Canaris während des Krieges persönlichen Begegnungen mit Hitler bewußt aus dem Wege ging. „Er war nicht der Offizierstyp des , Geradeheraus““, bestätigt Gisevius

Canaris war — neben Weizsäcker — der rührigste Taktiker auf dem Feld der indirekten Beeinflussung Hitlers.

Bereits 193 8, unter dem Zeichen der Sudetenkrise, versuchte die Beck/Goerdeler-Verschwörung, Hitler auch auf indirektem Wege zu beeinflussen und von seinen Kriegsplänen abzubringen. Hitler wollte Blitzkriege, Feldzüge, „zweiseitige Duelle“, aber keinen Weltkrieg dennoch riskierte er ihn. Für die Größe des Risikos fehlte ihm — nach Auffassung der Fronde — jegliches Augenmaß. Hitler glaubte nicht an eine militärische Intervention der Westmächte im Falle eines deutschen Angriffs auf die Tschechei. Um Hitler die „Augen zu öffnen“ und zu zwingen, mit Rücksicht auf die intransigente Haltung Englands seine stoppen, versuchten Goerdeler 4°), die Brüder aggressive Außenpolitik zu Kordt «), Weizsäcker Kleist und Boehm-Tettelbach die britische Regierung zu einer massiven, öffentlichen Erklärung zu bewegen, die prohibitiv feststellen sollte, daß ein deutscher Angriff gegen die Tschechei Krieg mit England bedeute. Hierbei gingen die Verschwörer von der irrigen Voraussetzung aus, daß die Westmächte ohnehin zur bewaffneten Intervention entschlossen seien. Die Verschwörer wollten lediglich eine katastrophale Überstürzung der Ereignisse, wie Hitler sie beschwor, verhindern. Durch frühzeitige Unterrichtung britischer Regierungskreise über die Angriffspläne Hitlers wollten sie den Westmächten Zeit und Gelegenheit verschaffen, der bewaffneten Intervention eine diplomatische Drohung vorauszuschicken Sie drangen darauf, daß diese Drohung nicht in der üblichen Diktion diplomatischer Noten abgefaßt werde, sondern in einer Sprache, die der Mentalität Hitlers angepaßt sei und seine These, „Großbritannien bluffe nur“ eindeutig widerlege. Auch in Berlin versuchten die Verschwörer, ausländische Botschafter und Politiker (Henderson, Attolico, Horthy u. a.), die von Hitler empfangen wurden, über die Denkweise des „terrible simplificateurs" aufzuklären, sie zu warnen, zu informieren und ihnen Argumente in die Hand zu spielen, von denen anzunehmen war, daß Hitler von ihnen beeindruckt sein würde Die Verschwörer hatten die Mentalität des Diktators, seine Reaktionsweisen und seine Verhandlungstaktik aus der Nähe studiert und daraus eine nüchterne Psychologie seiner Beeinflussung entwickelt. „Wenn Sie auf unseren Patron (Hitler) Eindruck machen wollen“, riet Kordt einmal einem Mitarbeiter des italienischen Botschafters in Berlin“, so argumentieren sie nicht mit ihm, sondern schlagen Sie auf den Tisch und schreiben Sie ihn an“ — „Sie (die Engländer) sollten einen energischen Militär schicken“, ließ während der Sudetenkrise Weizsäcker (durch J. Bruckhardt) nach London ausrichten, — nicht Chamberlain, sondern einen Militär, „der, wenn es sein muß, auch schreien und mit dem Reitstock auf den Tisch schlagen kann, einen Marschall mit vielen Orden und Narben, einen Mann ohne viel Rücksicht?

Hitlers Reaktionen während der Sudetenkrise hatten gezeigt, daß ausländische Drohungen den Diktator eher bestärkten als mäßigten Soweit Hitler überhaupt Warnungen und Vorstellungen zugänglich gewesen war, kamen diese aus seinem eigenen Lager Auf der Suche nach gemäßigten Elementen im nationalsozialistischen Lager waren die Verschwörer neben Hess und Göring auch auf Mussolini verfallen. „Mussolini sei der einzige Mann in Europa, der auf Hitler Einfluß habe“ meinte Weizsäcker 1938. Auch 1939, als der deutsche Einmarsch in Prag und die Polenkrise den Kriegsausbruch erneut in bedrohliche Nähe rückten, versuchten die Verschwörer im Auswärtigen Amt, „den Hebel in Rom anzusetzen, um Mussolini zu veranlassen, auf Hitler im Sinne einer Verhinderung des Krieges einzuwirken" „Via Attolico spielten sie Mussolini Warnungen und alarmierende Informationen zu, um ihn zur Intervention bei Hitler zu bewegen. (Der Tenor ihrer „anonymen" Botschaften war die Warnung, eine bewaffnete Lösung der polnischen Korridorfrage, wie Hitler sie plane, führe unweigerlich zum europäischen Krieg, in den auch Italien mit hineingezogen werde.)

Auch nach Ausbruch des Krieges setzte die Beck/Goerdeler-Verschwörung ihre Versuche fort, auf dem Umweg über das Ausland bremsend auf Hitler einzuwirken; nur traten jetzt die Verschwörer des Auswärtigen Amtes, die der Kriegsausbruch ihrer weitgespannten diplomatischen Bewegungs-und Wirkungsmöglichkeiten beraubt hatte, mehr in den Hintergrund, und die verschworenen Nachrichtenoffiziere der Abwehr um Oster und Canaris rückten an ihre Stelle. Sie warnten amtliche Stellen Dänemarks, Norwegens Hollands und Belgiens Schwedens und der Schweiz sobald sie durch ihre Beziehungen zum Führerhauptquartier Kenntnis davon erhielten, daß Hitler erwog, diese neutralen Staaten durch eine Blitzoffensive anzugreifen und zu besetzen. Die Verschwörer sabotierten die geplanten Neutralitätsverletzungen aus völkerrechtlichen, militärstrategischen und außenpolitischen Gründen. Sie hofften, durch ihre vorzeitige Warnung der bedrohten Staaten militärische Demonstrationen, diplomatische Schritte und Pressekampagnen der Gegenseite auszulösen, um Hitler auf diese Weise zu zwingen, von seinen Offensivplänen Abstand zu nehmen.

So bedienten sich also die im Amt gebliebenen Diplomaten und Nachrichtenoffiziere der Fronde, die durch die Fruchtlosigkeit des „Denkschriftenkrieges“ belehrt, zu Befehlsempfängern und „Ja-Sagern“ degradiert und damit des Mittels der amtlichen Argumentation beraubt worden waren, der ihnen verbliebenen Macht der Information, der „Indiskretion“ und des „Verrats“ um auf diese umstrittene Weise doch noch den oppositionellen Einfluß auf Hitler auszuüben, den sie auf gradlinigem Wege vergeblich geltend zu machen sich bemüht hatten.

Die Frage der Beeinflußbarkeit Hitlers Die Absicht und die Gelegenheit zur Einflußnahme waren nur Vorbedingungen. Entscheidend war „die Kernfrage, ob er (Hitler) überhaupt beeinflußbar war oder nicht“. Hoßbach, sein ehemaliger Chefadjutant, bejaht diese Frage im Guten und Bösen für die Jahre 1934— 37 In der Folgezeit kehrte Hitler jedoch immer mehr den autosuggestiven Willens-menschen hervor, der die Tendenz hatte, am einmal gefaßten Entschluß wie an einer fixen Idee festzuhalten und sich durch keinen Vorgang oder Rat, nicht einmal durch vollendete Tatsachen, korrigieren oder gar widerlegen zu lassen. Er war kein „Staatsmann“. Die Funktion eines persönlichen Beraters des Führers hat es im Dritten Reich nicht gegeben. Es existierte ein Staatsrat, der aber niemals einberufen wurde. Der „Führer“ ließ sich berichten', nicht beraten. Wer Kritik am „Führer“ übte — und durchaus nicht waren es nur Verschwörer, die die Stirn hatten, dem Byzantinismus seiner Umgebung entgegenzutreten —, war nicht dazu aufgefordert worden, er tat es aus eigener Initiative. „Es ist keineswegs so, daß nun jedem, der etwas gegen den Führer gesagt hätte, gleich die Seidenschnur geschickt worden wäre“ erklärte Göring in Nürnberg „im Gegenteil; er hat Kritik durchaus vertragen, wenn sie ihm auch sehr unangenehm war.“ Bis 1937 war Hitler durchaus auch dem aufrichtigen und sachlichen Rat zugänglich bestätigt Hoßbach, setzt jedoch hinzu: „Wichtig war für die sachliche Erledigung das Gespräch unter vier Augen“, meint Hoßbach 67), „weil Hitler dann auch sachlich bleiben konnte, da ihm das Echo des Publikums fehlte“.

Wie Hitler reagierte, wenn „Publikum“ anwesend war, und das war fast immer der Fall, wenn Oppositionelle Gelegenheit fanden, mit ihm oder zu ihm zu sprechen, — veranschaulicht ein Bericht General Adams. AIs Hitler im September 193 8 den Westwall besichtigte, erklärte Adam, damals OB der Heeresgruppe West: „ ... So muß ich das Gefährlichste als das Wahrscheinlichste ansehen und die Lage an der Westfront unter dem Gesichtswinkel betrachten: Die Westmächte marschieren. Und ich glaube, daß das bei einem Ostkonflikt auf jeden Fall geschehen wird . . . Weiter kam ich nicht. Hitler donnerte: „Wir haben keine Zeit, dieses Zeug länger mitanzuhören“

Diese Reaktion Hitlers auf die verhohlene Kritik an seiner eigenen außenpolitischen Lagebeurteilung war bezeichnend für seine Reaktionsweise überhaupt. In der Regel ließ Hitler eine Kritik coram publico gar nicht erst voll zu Wort kommen und sich entfalten, wie er überhaupt als schlechter Zuhörer galt. Er pflegte zu monologisieren.

„Kümmern Sie sich nicht um den Weitergang des Krieges, sondern um Ihre Invasionsfront“ Mit diesen Worten schnitt Hitler nach wiederholtem Redewechsel im Juni 1944 ein Gespräch mit Rommel ab, als der Feldmarschall ihn nach ernster Lagebeurteilung aufforderte, den Krieg abzubrechen. Daß diese Unterredung überhaupt zustande kam, verdankte Rommel der intimen Umgebung, in der das Gespräch stattfand (Luftschutzbunker des FW II) und'seinem Kredit, den er als ehemals treuer und poulärer General des „Führers“ genoß. Damit berühren wir eine weitere Voraussetzung für jede fruchtbare persönliche Einflußnahme auf den Diktator. Hinter jeder Kritik mußte unausgesprochen, aber spürbar ein persönliches Treuebekenntnis, zumindest aber ein überzeugtes Loyalitätsbekenntnis des Vortragenden zu Hitler stehen. Ferner hatte sich jede Kritik, wenn sie fruchten sollte, auf realpolitische und militär-strategische Gesichtspunkte zu beschränken. Mit humanitären Argumenten gegen die Ausrottungspolitik, die Tätigkeit der SD-Einsatzgruppen, den Kommissar-und Kommandobefehl konnten Oppositionelle überhaupt nur zum Zuge kommen, wenn sie ihre moralischen Einwände „sachlich“ verklausulierten. Eine offene Kritik an der Moral und Staatsidee Hitlers gab es nirgendwo im nationalsozialistischen Staat, am wenigsten vor dem Staatsoberhaupt selbst. So ist denn auch das symbolische „Sire, geben Sie Gedankenfreiheit“ zu keiner Stunde von einem Verschwörer dem Diktator vorgehalten worden.

Wohl aber, und damit fassen wir zusammen, suchten und fanden Verschwörer seit 193 8 Gelegenheit, sich Hitler gegenüber, mittelbar oder unmittelbar, zu allen großen Entscheidungsfragen des Reiches, die die militärische Kriegsführung und die Realpolitik im Innern und nach außen betrafen, zu äußern. Hitler wußte um die Warnungen und Bedenken, die Vorhaltungen und konstruktiven Gegenvorschläge der Fronde.

„Wir hatten Beweise dafür, daß uns ein Besessener führte, dem jede Fähigkeit fehlte, aus realistischen Begebenheiten politische Konsequenzen zu ziehen", faßt Steltzer ein LIrteil der Verschwörer über Hitler zusammen.

Durch seine außenpolitischen Erfolge und militärischen Siege, die ihm zunächst recht gegeben hatten immer rechthaberischer geworden, ging Hitler starrsinnig und konsequent seinen Weg weiter einen Weg, der das deutsche Volk nach Auffassung der Fronde unentrinnbar in Schuld und Elend, ja in die Katastrophe führen mußte.

Das „Veto“ der Verschwörung war der Staatsstreich. Hitler konnte nicht überzeugt, er mußte gestürzt und „unschädlich gemacht“ werden. b) Die Verhaftung Hitlers Die Steigerung der Methoden von der Denkschrift zum Staatsstreich, von der geistigen Waffe zur Mordwaffe wiederholte und bestätigte sich zu verschiedenen Zeiten im Entschlußkampf jedes einzelnen Verschwörers.

Nur in groben Zügen und bei Außerachtlassung der jeweiligen Meinungsverschiedenheit innerhalb der Fronde, ist erkennbar, daß der Wille der Beck/Goerdeler-Verschwörung, den Weg der evolutionären Einflußnahme auf Hitler zu gehen, bis zum August 193 8 einen frühen Höhepunkt erreichte. Bereits im September 193 8 wurde dann zum ersten Male der Plan spruchreif, Hitler zu verhaften Auch 1939/40 wollte die Mehrzahl der Verschwörer Hitler „nur verhaften, nicht aber umbringen“ Erst in der Folgezeit begann die Attentatsidee sich immer stärker durchzusetzen, um ab 1943 von den Hauptakteuren als einzig gangbare Lösung beurteilt und betrieben zu werden.

Detaillierte Angaben darüber, wie sich die Verschwörer eine Verhaftung Hitlers vorgestellt hatten, sind nicht bekannt geworden. Allgemein erwogen die Verschwörer zwei mögliche Wege: 1. Die „Prätorianergarde“ Hitlers durch einen Stoßtrupp weniger beherzter Offiziere zu überrumpeln und sich durch einen Handstreich der Person Hitlers zu bemächtigen, oder 2. Hitler mit Hilfe eines massiven Truppenaufgebotes zu verhaften.

Ad 1. „Es sollte ein Stoßtrupp gebildet werden und der Zeitpunkt abgewartet werden, wo der Führer unter möglichst geringer Begleitung irgendwo auf der Reise war“, erklärte General Witzleben vor dem Volks-gerichtshof

Es ist bekannt, daß die Putschisten eine Reise Hitlers nicht nur „abgewartet“ haben, sondern „Zeitpunkt" und Schauplatz systematisch herbeizuführen versuchten. General von Hammerstein lud Hitler Ende 1939 zu einer Inspektion seiner Armee ein, um ihn bei dieser Gelegenheit zu verhaften Ähnliche Hintergedanken bewegten General von Treskow und seine Mitverschwörer, als sie 1943 versuchten, Hitler zu einer Wiederholung seines Besuches im Stabsquartier der Heeresgruppe Mitte (Smolensk) zu bewegen Hitler kam nicht. Auch die Inspektion der Armee Hammerstein hatte er in vorletzer Stunde wieder absagen lassen.

Sein Verhalten schien die umlaufende Meinung zu bestätigen, er verfüge über einen sechsten Sinn, eine tierhaft feine Witterung für alles, was ihn -persönlich bedrohe. Hitler selbst pflegte sich rückschauend auf den „Fingerzeig der Vorsehung“ zu berufen. Aus Sicherheitsgründen verließ er im weiteren Verlauf des Krieges immer seltener das Führerhauptquartier, und wenn, dann meist programmwidrig. Die Verschwörer reagierten mit dem kühnen Plan, Hitler in seiner „Wolfsschanze“ (Deckname für das FHQ in Ostpreußen) aufzusuchen und zu stellen.

Ad 2.

Das Führerhauptquartier war eine kleine Festung. Das Zentrum war von drei Sperrkreisen umgeben, die zum Schutz gegen feindliche Luftlandeunternehmen mit stärkeren Truppenverbänden belegt waren. Weit vorgeschobene Außenposten sicherten die Zufahrtstraßen. Die Verschwörer erwogen, das Führerhauptquartier durch ein frontal angesetztes, massives Truppenaufgebot zu zernieren. Nur ein verwegener, erprobter Frontoffizier, dem die Truppe blindlings vertraute, wäre fähig gewesen, seine Einheit zu dieser irregulären Verzweiflungstat mitzureißen. Der 30jährige Oberstleutnant Freiherr von Boeselager, der wegen Tapferkeit vorm Feind das Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern trug, erklärte sich bereit, mit seinem Regiment das Führerhauptquartier zu stürmen Die Verlegung seines Regiments nach Ostpreußen ließ sich jedoch nicht durchsetzen. Die herrschenden Komandoverhältnisse machten es unmöglich, Truppenbewegungen ohne Kenntnis von Hitler vorzunehmen. Sein Verdacht wäre erregt worden. Als Boeselager durch Verwundung ausfiel, hatten sich die Verschwörer der Heeresgruppe Mitte ohnehin 711m Attentat entschlossen. In großem Stil plante auch Feldmarschall Rommel, Hitler mit Hilfe zuverlässiger Panzerverbände zu verhaften Rommel gehörte zu den seltenen Erscheinungen, denen die Verwirklichung eines derartigen Planes zuzutrauen war. Er fiel jedoch durch Verwundung aus, noch ehe das Attentat Stauffenbergs seinem Plan zuvorkam.

Die Verhaftung Hitlers war nur der erste Akt seiner Liquidierung. Wie stellten sich die Verschwörer ihre weiteren Schritte vor? Was sollte danach mit dem „Führer“ geschehen?

Folgende Verfahren wurden diskutiert und auch vorbereitet: 1. Hitler für geisteskrank zu erklären, 2. ihn zum Rücktritt zu zwingen, 3. ihn vor einem öffentlichen Gericht abzuurteilen.

Ad 1) Im Tagebuch Hassels findet sich unter dem 26. 11. 1942 folgende Bemerkung über ein Gespräch mit dem Chirurgen Sauerbruch, der zusammen mit Beck, Hassell, Popitz und Jessen der „Mittwochgesellschaft“ angehörte. „Sauerbruch, der ihn (Hitler) neulich besuchte, fand ihn alt und zusammengesunken; er habe im Gespräch zusammenhanglose, merkwürdige Dinge dazwischen gemurmelt (wie: „Ich muß nach Indien gehen“, oder: „Für einen getöteten Deutschen müssen zehn Feinde sterben“ Sauerbruch meinte, er (Hitler) sei jetzt „unzweifelhaft verrückt“. Diese Bemerkung Hassells war bezeichnend für die nüchterne, bewußt kaltschnäuzige Perspektive, mit der sich die Verschwörer vom herrschenden Führerkult distanzierten.

Den Verdacht, Hitler sei pathologisch, hegten die Verschwörer bereits 193 8. Dieser Verdacht sollte den im September geplanten Staatsstreich legalisieren. Nach seiner Verhaftung sollte Hitler vor einen Staats-gerichtshof gestellt werden. So wird berichtet: „Ein Gremium von sachverständigen Ärzten sollte unter dem Vorsitz des bekannten Psychiaters Professor Karl Bonhoeffer Hitler auf seinen Geisteszustand untersuchen“. Man hatte den Verdacht, daß er für geisteskrank erklärt werden müßte, wenn nicht, sollte „ein Verfahren zu seiner politischen Entmündigung durchgeführt werden“

In den späteren Jahren ist man dann entschlossen gewesen, auf dieses korrekte, aber zeitraubende Verfahren zu verzichten. Hitler sollte von vornherein unter der Parole, er sei geisteskrank und darum regierungsunfähig, verhaftet werden. Auf diese Weise wollten die Putschisten den frappierenden Schritt der Verhaftung des Staatsoberhauptes unmittelbar nach seinem Vollzug vor der Öffentlichkeit motivieren. Problematisch war dieses Verfahren, weil die pathologischen Symptome der Erscheinung Hitlers nur für Wissende, Desillusionierte seiner engeren Umgebung erkennbar waren, zumal Hitler als Grenzfall zwischen Genie und Wahnsinn zu keiner Stunde sein überdurchschnittliches Gedächtnis und Denkvermögen einbüßte

Vollends fehlte im Hinblick auf die Volksmeinung ein öffentlicher „schreiender Beweis“ seiner mutmaßlichen Geistesgestörtheit.

Ad 2) Der bereits erwähnte Plan, Hitler nach seiner Verhaftung vor ein öffentliches Gericht zu stellen und abzuurteilen, bot sich als das korrekteste Verfahren an. Es wurde zum Inbegriff des „legalen“ Auf-standes. „Das Volk, das ihn (Hitler) gewählt hatte, sollte ihn auch richten“ Ein Prozeßverfahren soll einmal (193 8) von Donanyi und Reichskriegsgerichtsrat Sack vorbereitet worden sein (Beide wurden nach dem 20. Juli gehängt.). Um Belastungsmaterial waren die Verschwörer nicht besorgt. Nach ihrer Auffassung war Hitler durch die Ermordung von Millionen Juden und politischen Häftlingen „kriminell“ geworden.

Die gerichtliche, öffentliche Aburteilung Hitlers war für die Verschwörer kein juristisches, wohl aber ein ungeheuer heikles politisches Problem. „Die Diktatur Adolf Hitlers beruhte nicht nur auf Gewalt, sondern auch auf Liebe, Treue und Vertrauen! In dieser Tatsache lag ein feil der Schwierigkeiten, den Götzen zu stürzen“, urteilt Hossbach

Die Verschwörer hatten Hitlers Agitationskraft zu fürchten. Sie mußten damit rechnen, daß sich der Demagoge bei einer öffentlichen Verhandlung zum Fenster hinaus verteidigen und, wie Hofacker prophezeite, „die Massen in fünf Minuten wieder umwerfen“ würde

Ad 3) Aus diesen Befürchtungen heraus entstand der Plan einer staatspolitischen Patentlösung. Hitler sollte — so berichtet Weizsäcker — solange in Haft gehalten werden, bis die Staatsgewalt mit seiner Zustimmung, also gewissermaßen legal, in neue Hände hinübergeleitet wäre „Ich war . mit Olbricht zusammen der Meinung“, erklärte Witz-leben vor dem Volksgerichtshof, „daß das viel mehr hilft („Hitlers lebend habhaft zu werden“), als wenn er dabei zu Schaden käme“. Freisler: „Ja, Sie haben geglaubt, wenn wir den Führer in unseren Händen haben, dann muß er, wie wir wollen“. Witzleben: „Das ist richtig“

General Hoeppner drückte sich noch vorsichtiger aus. Olbricht habe erwartet, „im Führerhauptquartier würde eine Anzahl von Generalen oder Heeresgruppenführern auf den Führer einen Druck in dem Sinne ausüben, daß er die Führung abgibt“ Mit diesen Aussagen verschleierten Hoeppner und Witzleben den wahren Tatbestand des „ 20. Juli“. Beide haben von dem Entschluß Stauffenbergs, Hitler zu töten, Kenntnis gehabt und ihn gebilligt. Dennoch war an ihren Aussagen insofern „etwas Wahres dran“, als sie sich auf „legale“ Pläne beriefen, die am 20. Juli zwar längst überholt waren, in der Tat aber einmal spruchreif gewesen sind. c) Die Ermordung Hitlers Mit dem Scheitern aller Staatsstreichpläne zwischen 193 8 und 1943 hatten sich automatisch auch die damit verkoppelten Absichten, Hitler zu verhaften, erübrigt. Ohnehin hatten gegen die Absicht, Hitler zu verhaften, statt umzubringen, starke Bedenken bestanden. Nahezu unüberwindlich war seit Kriegsausbruch die technische Schwierigkeit, eine geeignete Truppe zu finden und an Hitler heranzuführen. Selbst wenn der Akt der Verhaftung gelungen wäre, hätten die Verschwörer damit rechnen müssen, daß regimetreue Wehrmachtseinheiten sofort versuchen würden, Hitler zu befreien. Ein verhafteter Hitler bedeutete eine akute Bürgerkriegsgefahr.

Trotzdem hatten sich Beck, Goerdeler und maßgebliche Mitverschwörer jahrelang gegen die Zerhackung des gordischen Knotens durch das Attentat gesträubt

Ein Attentat werde Hitler zum Märtyrer stempeln, der „tote Hitler werde zu einer Art von wächsernem Lenin werden“ der unheilvolle Hitler-Mythos im Volk werde neue Nahrung gewinnen, Legenden bilden und zur Triebfeder innenpolitischer Rückstöße werden, ... so lautete ein geläufiges Argument gegen das geplante Attentat

In erster Linie bewegten sich jedoch die vielfachen Hemmungen und Bedenken, die konstant oder vorübergehend der Attentatsidee widersprachen, auf moralischer und religiöser Ebene. „Auch für die Brüder Stauffenberg war, wie für den ganzen inneren Kreis der Verbündeten, der Anschlag auf ein Staatshaupt zunächst ein Verbrechen und „Tyran-nenmord“, kein Begehren aus geistiger Romantik oder besinnungslosem Haß — jede Darstellung, die zu leicht davon redet, schwächt und fälscht damit das Geschehen“

Die Moral des Attentats Im „Dritten Reich“ wurde der politische Mord von Organen des Regimes systematisch betrieben. Im Dasein der Völker und Rassen gäbe es lebenswertes und „lebensunwertes“ Leben, unterschied Hitler, letzteres dürfe und müsse wie Ungeziefer „ausgerottet“ werden. Die moralische Empörung über diese Mißachtung des Menschenlebens an sich, des einzelnen wie des millionenfachen, hatte die Beck/Goerdeler-Verschwörung auf den Plan gerufen.

Einen tieferen Sinn ihres Kampfes erblickten die Verschwörer in der Wiederherstellung der menschlichen Achtung vor der Majestät des Todes, in der Erneuerung der menschlichen Ehrfurcht vor dem Menschenleben. „Ob man sich nicht mit dem Vorwurf der Ungesetzlichkeit und des Tyrannenmordes zu schwer belade, um für eine Erneuerung wirken zu können“, lautete die Zweifelsfrage, die Stauffenberg noch am 4. Juli 1944 beschäftigte ®

Mit der moralistischen Schärfe ihres Gewissens beurteilten die Verschwörer überscharf und in irrealer Vergrößerung die dämonische Symbol-kraft, die von einem Attentat an Hitler ausgehen und die Verschwörung kompromittieren würde. Sie wollten das NS-Regime nicht nur liquidieren, sie wollten mehr, sie wollten auch regieren, aufbauen, erneuern. Sie schreckten vor einem Attentat zurück, weil sie ein moralisches Erneuerungswerk vorhatten, das nur beginnen konnte, wer es „mit reinen Händen“

beginnen würde.

Der metaphysische Hintergrund ihres moralischen Erneuerungswillens war die christliche Religion. „Wir lehnten ein Attentat ab“, berichtet Steltzer im Namen der Mehrheit des Kreisauer Kreises, „weil wir als unpolitischer Kreis, der sich um eine neue Sinngebung für Staat und Recht aus dem Religiösen mühte, diesen Weg nicht gehen konnten“

In ihrer Einstellung zum politischen Mord stellten sich Moltke und Steltzer also nicht auf den sogenannten „Boden der politischen Tatsachen“, sondern fußten auf einer höheren, metapolitischen Ebene. Aber auch Stauffenberg, der politische Aktivist, focht auf dieser religiösen Ebene seinen letzten Kampf um die Entscheidung für oder wider ein Attentat aus.

Überlebende, die ihn kannten, berichten, er sei so „gottesfürchtig“

gewesen, „daß er bis zuletzt nicht an die Notwendigkeit, Hitler umzubringen, glauben wollte, sondern meinte, es würde gelingen, ihn zu verhaften und vor ein deutsches Gericht zu stellen“ Andere Quellen berichten, daß Mitwisser, Mittäter und auch Stauffenberg selbst im Zwiegespräch mit Beichtvätern und Bischöfen den Rat der Kirche suchten

Kaplan Josef Wehrle wurde im September 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und hingerichtet, weil er als Beichtvater auf die Frage des Majors Baron von Leonrode eingegangen war, wie die Kirche zum Tyrannenmord stehe. Sie lehne ihn grundsätzlich ab, lautete sein Bescheid Die Methode des politischen Mordes war vom christlichen Standpunkt aus „sündhaft“. Es gab eine Vergebung, aber es gab keine Klausel, die diese Methode von vornherein religiös sanktioniert hätte, es gab sie im Calvinismus, aber nicht im katholischen Dogma und nicht in der lutherisch-protestantischen Glaubenstradition.

Zu den Hemmungen vor einem Attentat, die Stauffenberg als Katholik empfand, traten die Bedenken, die er als preußischer Offizier zu überwinden hatte. Er fühlte sich, ebenso wie Beck, den Denktraditionen und Ehrbegriffen seines Standes zutiefst und unlösbar verbunden.

Als nach Beendigung des Frankreichsfeldzuges verschworene Offiziere wieder einmal die Frage aufwarfen, ob man Hitler noch anders als durch ein Attentat von der Weiterführung des Krieges abbringen könne, hatte Generaloberst Halder seine jüngeren Gesprächspartner, Stauffenberg und Treskow, ermahnt, „zu bedenken, was sich mit der Ehre eines Soldaten vereinbaren lasse und was nicht, daß aber der politische Mord unter allen Umständen verwerflich sei . . .“

Die Gründe, die den Verschwörern vom Standpunkt der preußischen Offiziersehre aus ein Attentat an Hitler zu verbieten schienen, lagen durchaus nicht auf der Hand. Schließlich gehörte es zum Kriegshandwerk, Menschenleben zu vernichten. Jeder Verschwörer» der als Offizier im Kriegsdienst stand, engagierte sich seit dem 1. September 1939 täglich, mittelbar oder unmittelbar, für diesen Zweck. Man starb und zwang andere zu sterben; wie für jeden Soldaten war auch für den preußischen Offizier das Töten eine legitime Aufgabe. Diese Aufgabe zu verleugnen, kam auch christlichen Militärs der Fronde nicht in den Sinn. Warum zögerten sie also, Hitler niederzuschießen, den Mann, der für sie auf der Feindseite eines inneren „gerechten Krieges“ stand?

Auf die Frage eines Kameraden nach einer Erlösung aus der militärischen Aussichtslosigkeit, in die das deutsche Heer hineinsteuere, antwortete Stauffenberg, es war im Winter 1941/42, mit einem Hinblick auf Hitler nur das eine Wort: „Töten“ „Haben Sie einen Mann mit einer Pistole? Ich bedaure“, erklärte einmal in einem ähnlichen Gespräch Weizsäcker, der 18 Jahre als aktiver Offizier gedient hatte, „ich bedaure, es hat nicht in meiner Erziehung gelegen, einen Menschen zu töten“

Der wesentliche Unterschied zwischen töten und töten lag nicht im Effekt, sondern in der Methode, im Verfahren des Tötens. Allen Attentatsversuchen der Verschwörer, die sie im Laufe der Jahre unternahmen, hafteten notgedrungen alle äußeren Attribute einer heimtückischen, meuchelmörderischen Handlung an

Auch das preußische Kriegshandwerk lehrte den Hinterhalt des Scharfschützen, kannte die Tarnung, die List, den Überfall, jedoch waren für den preußischen Offizier alle Hinterhalte auf dem Gefechtsfeld vom Makel der Hinterhältigkeit befreit, weil ihnen eine generelle und offene Kriegserklärung vorausgegangen war. Das geplante Attentat hingegen war der erste Schuß aus einer Waffe, die der Täter unter einem loyalen, friedfertigen Deckmantel verbarg. Das war weniger eine sachliche, sondern mehr eine symbolhafte Unterscheidung. Allein darum ging es aber auch nur, denn es liegt im Wesen jedes Ehrenstandpunktes, nicht nach Sachverhalten, sondern nach dem Symbolwert von Sachverhalten zu fragen und zu richten. Hinzu kam, daß der Sprengstoff ein Mittel war, „von dem man wußte, daß, wenn es angewandt wurde, es nicht bloß aus dem Leben fegte, dem der Anschlag galt, sondern auch eine Reihe von Kameraden, denen man sich nach den Erklärungen, die früher abgegeben worden sind, zum Teil innerlich verbunden fühlte“ (General Heusinger z. B., der am 20. Juli durch das Attentat verwundet wurde, — Oberst Brandt, Generaloberst Korten, General Schmundt und der Stenograf Hitlers, Berger, fanden den Tod.).

Den Abstand, der das Attentat des „ 20. Juli“ vom Leitbild jener Tötungsweise trennte, die dem preußischen Offizier als allein korrekt und ehrenhaft erschien, veranschaulicht ein Beispiel, das Generaloberst Freiherr von Fritsch 193 8 lieferte, hinter dem demütigenden Eindruck des Fritsch-Prozesses hatten sich opponierende Militärs erstmalig zur Verschwörung gruppiert. Fritsch selbst beabsichtigte damals, es heißt auf Betreiben Becks, Himmler „zum Zweikampf“ zu fordern. „Dadurch sollte noch nach der Rehabilitierung von Fritsch eine Auseinandersetzung zwischen Heer und SS ausgelöst werden, um auf diese Weise den Staatsstreich gegen Hitler in Gang zu bringen.“ Dohnanyi und Reichskriegsgerichtsrat Sack verfaßten eine schriftliche Duellforderung. General von Rundstedt berichtete, er sei gebeten worden, diese Duellforderung Himmler zu überbringen. Er habe Fritsch jedoch nach einigem Zögern bestimmt, „die Sache fallen zu lassen“ Sechs Jahre später, am 15. Juli 1944 schickte Oberst i. G. Graf Stauffenberg sich an, Himmler und Hitler, ohne Vorwarnung und ohne Etikette, „in die Luft zu sprengen“. Dieser Entschluß war keine preußische Selbstverständlichkeit, er war unter Wehen geboren. Die Don Quichoterie des geplanten Pistolenduells zwischen Himmler und Fritsch bleibt historisch aufschlußreich für das rechtwinklige Maß eines Ehrenkodex, das den Entschluß zum politischen Mord an Hitler lange Zeit ernsthaft in Frage stellte.

Ein letzter Gesichtspunkt war die Eidfrage. Verschwörer wie die Generale Halder und Rommel lehnten den politischen Mord im Allgemeinen und den an Hitler im Besonderen ab. Ihre besonderen Gründe, aus denen heraus gerade Hitler für sie Tabu war, bezogen sich auf dessen Stellung als „Oberster Befehlshaber der Wehrmacht“. Wir haben in anderem Zusammenhang bereits darauf hingewiesen, daß die verschworenen Militärs seit 1939 einen Zweifrontenkampf führten, dessen Spitze sich einmal gegen den inneren Feind richtete, gegen das NS-Regime also, und zum anderen gegen die Feindstaaten und Kriegsgegner Deutschlands.

Derselbe Mann, der im inneren Kampf ihr Erzfeind war, Hitler, war im äußeren Kampf ihr Waffenbruder, ihr Kriegsherr und Oberster Befehlshaber, dem sie noch dazu durch einen persönlichen Treueeid verpflichtet waren

„Man hat nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches immer wieder und sehr nachdrücklich gefragt, warum denn „die Generale“ Adolf Hitler nicht kurzerhand beseitigten, gleichsam als wäre das ihre „verdammte Pflicht und Schuldigkeit“ gewesen“, erklärte General Halder in einem Nachkriegsgespräch: „Ich war maßlos erstaunt, als ich dergleichen zum ersten Male hörte: weil ich nicht zu begreifen vermochte, daß man diese Beseitigung Hitlers plötzlich und ausgerechnet von den Spitzenvertretern eines Ordnungsprinzips verlangt, also gerade von denen, die durch einen besonderen Eid zu einem besonderen Maß von Gehorsam verpflichtet sind“

Das preußische „Ordnungsprinzip“, dessen traditionsgesättigtes Pathos Verschwörern wie Beck und Stauffenberg Zeit ihres Lebens berufliche Heimat und geistige Mitte gewesen war, wurde von ihnen selbst eigenhändig in Frage gestellt, als sie sich am 20. Juli 1944 anschickten, den Obersten Befehlshaber der Wehrmacht durch ein Attentat umzubringen. „Am 20. Juli geht ein historisches Prinzip zu Ende“, folgerte Axel v. d. Bussche in einem Rückblick nach dem Kriege. Er bezeichnet Hitler als „den verworfensten Nachfolger der preußischen Könige". Mit dem Entschluß, preußischer Offiziere, Hitler zu ermorden, habe sich die Selbstauslösung einer vielfach umstrittenen, aber auch vielfach bewährten , Lebensform vollzogen. Das militante Preußentum sei mit dem Versuch, seinen obersten Kriegsherrn zu töten, endgültig zerbrochen

So weitreichend und gedankenvoll die Gründe gewesen waren, die gegen ein Attentat gesprochen hatten, so knapp und handgreiflich waren die Gegenargumente, die zur Entkräftung vorgebracht wurden und ein Attentat befürworteten: — Je brutaler und unmenschlicher eine Gewaltherrschaft, um so zulässiger die Gegenwirkung — gegen tolle Hunde gibt es nur ein Mittel, sie niederzuschießen ni), — „Hitler muß in die Luft gesprengt werden, solange wir den Burschen nicht verhindern, ans Mikrophon zu springen, wirft er die Massen in fünf Minuten wieder um“ — mit diesen und ähnlichen Worten argumentierten die Verfechter der Attentatsidee. Sie bewogen schließlich auch Beck und Goerdeler, „die Vernichtung des politischen Amokläufers, der selbst alles, was sich ihm nicht fügt(e), brutal vernichte(te)“, gutzuheißen

Skrupel, die aufkamen, weil ein Sprengstoffattentat Unschuldige aus der persönlichen LImgebung Hitlers mit zerreißen würde, zerstreute Treskow, indem er argumentierte, „daß das Vorhaben der Befreiung Deutschlands und der Welt von dem größten Verbrecher der Weltgeschichte den Tod einiger weniger Unschuldiger wert sei“

Ihr Rechtsgefühl, das sich gegen den Schritt zum politischen Mord sträubte, beschwichtigten die Attentäter mit der Begründung, ihre Absicht sei nicht, Hitler zu „morden“, sondern zu „richten“ „Daß sie (die Brüder Stauffenberg und ihr Kreis) daran dachten, sich nach Wieder-begründung eines Rechtszustandes einen? für ihre Tat zuständigen „Gericht“ zu stellen und von ihrem Volk eine Reinigung und Bestätigung ihres eigenen richterlichen Handelns zu verlangen, lassen aus Gesprächen mitgeteilte Äußerungen erkennen“

Andere Äußerungen, dunkle, ahnungsschwere, lassen erkennen, daß auch Stimmen laut wurden, die bekannten, der politische Mord an Hitler müsse — da er nun einmal unumgänglich sei, hinterher nicht sanktioniert, sondern gesühnt werden. „Wer fällt, fällt, wieder büßt der Mörder“, zitierte York, der Vetter Stauffenbergs, Aeschylos im Angesicht des bevorstehenden Attentats, „und wir alle wußten", berichtete Lukaschek weiter, „daß uns die Richtstätte erwartete und jede Schuld gebüßt werden muß in Anerkennung der ewigen sittlichen Ordnung“

Die „Technik" des Attentats Die Ausführung des Attentats hing von drei Faktoren ab, vom Täter, vom Tatinstrument und vom Opfer. Die Eigengesetzlichkeiten, Kombinationsweisen und Imponderabilien dieser drei Faktoren waren eine Wissenschaft für sich. Ihr Gegenstand ist die Technik des politischen Mordes.

1. Ein Pistolenattentat kam für Stauffenberg nicht in Frage, weil er nicht greifen und schlecht sehen konnte. Den rechten Arm, ein Auge und zwei Finger der linken Hand hatte er durch eine Verwundung in Afrika verloren.

Zum Attentat mit der Pistole sind, — soweit bekannt ist, — nur zwei Mal Putschisten vorübergehend gewillt und bereit gewesen: Erich Kordt im November 1939 und Hauptmann v. Breitenbusch im März 1944. „— Kordt. . . , Sie haben nicht ein Prozent Chancen", gab Oster zu bedenken. „Sie können Hitler nicht allein sehen. Im Vorzimmer aber, in Anwesenheit aller Adjutanten, Ordonnanzen und Besucher werden Sie kaum zum Schuß kommen“

Auch Rittmeister v. Breitenbusch, der als Ordonnanzoffizier des Feldmarschalls Busch am 9. März 1944 an einer Führerbesprechung auf dem Obersalzberg teilnahm, mußte nach einem Bericht Schlabrendorffs einsehen, daß es zu schwierig war, auch nur in die Tasche zu greifen, um die Pistole herauszuholen. „Hitler“ empfing schon seit Monaten niemanden mehr, ohne daß nicht einige baumlange SS-Männer im Zimmer waren, deren Verhalten keinen Zweifel ließ, daß sie sich bei der ersten verdächtigen Bewegung auf den Besucher stürzen würden“

Zur technischen Schwierigkeit eines Pistolenattentats trat die besondere psychologische Belastung, die die Attentäter gerade von diesem Verfahren abbrachte. Die normalen „Schwierigkeiten", einen Menschen „aus dem Handgelenk“ totzuschießen, vervielfachen sich, wenn keine Affekthandlung vorliegt, sondern die kaltblütige Ausführung eines minutiös vorausberechneten Planes, gibt Schlabrendorff zu bedenken Er beschwört die lähmende innere Erregung, die den Attentäter gerade in der entscheidenden Sekunde zu überwältigen droht, wenn er sich anschickt, Auge in Auge mit dem Diktator eine Tat auszuführen, von deren Gelingen oder Mißlingen das Schicksal von Millionen abhängt. Boeselager, ein unerschrockener, glänzend bewährter Frontoffizier und Mit-verschwörer, lehnte das Ansinnen, Hitler niederzuschießen, mit der lakonischen Antwort ab, „er könne so etwas nicht“ Zum Nimbus Hitlers und der Tragweite seiner Stellung trat die suggestive Wirkung seiner persönlichen Erscheinung, die jeden zu irritieren drohte, der die Hand gegen ihn erheben wollte

Ins Reich der Attentäterromantik fiel das Gemunkel, der Diktator habe sich zeitweise durch einen Doppelgänger vertreten lassen, um Anschläge fehlzuleiten. Soweit ein derartiges Gerücht die Attentäter überhaupt stutzig machte, war es die Behauptung, Hitler trüge stets ein Panzerhemd unter der Uniform Dieses Gerücht bestärkte die Einwände gegen ein in seiner Treffsicherheit ohnehin ungewisses Pistolenattentat.

Die Verschwörergruppe um Treskow verfiel vorübergehend auf die Idee, Hitler durch ein „Gemeinschaftsattentat“ umzubringen. Mehrere Offiziere sollten gleichzeitig mit der Pistole auf Hitler schießen. „Wir rechneten zwar damit, daß auch die Hälfte der auf ihn abgefeuerten Geschosse genügen würde“, berichtet einer der Beteiligten, „die Tatsache, daß wir mehrere waren, sollte es uns psychologisch erleichtern, die Last zu tragen, die jeden Menschen niederdrückt, wenn er vor einer solchen Tat steht“

Beiläufig tauchte auch der Plan auf, Hitler aus der Distanz, durch einen Scharfschützen zu töten. Oster, der neben Treskow und Stauffenberg am unermüdlichsten nach Gelegenheiten Ausschau hielt, um Hitler ums Leben zu bringen, zog einen bekannten Scharfschützen aus dem Schwarzwald zur Abwehr ein

Weiter ist in dieser Richtung offenbar nichts unternommen worden. Das Scharfschützenattentat blieb eine Spielart im Zirkel der mörderischen Möglichkeiten. Als Canaris, der Chef Osters, sich einmal nach einer Besprechung im inneren Sperrkreis des Führerhauptquartiers noch eine Weile aufhielt, es war im Winter 1942/43, lenkte, — so wird erzählt — sein Begleiter, ein Abteilungsleiter der Abwehr, seine Aufmerksamkeit auf Hitler, der gerade aus einer Baracke heraustrat und im Gespräch mit einem Adjutanten in geringer Entfernung auf und ab ging. Versonnen fügte Canaris Begleiter hinzu: „Auf die Entfernung, das gäbe 'nen Blattschuß“. Canaris antwortete ohne lange zu überlegen: „Tun Sie's doch!“

Das Satyrspiel der potentiellen Attentäter erfand immer neue tödliche Variationen. Reichsminister Speer soll in den letzten Kriegsmonaten den Versuch eingeleitet haben, Giftgas durch die Entlüftungsanlage 120 in den Führerbunker einströmen zu lassen Speer gehörte nicht zur Beck/Goerdeler-Verschwörung. Wir erwähnen seinen Versuch, weil er für die anonyme Tötungstechnik eines „modernen“ Tyrannenmordes bezeichnend war. Die archaischen Mittel Gift und Dolch wiederholten sich in den neuzeitlichen Mitteln Pistole und Giftgas.

Das anonyme Attentat schien sich auch der Beck/Goerdeler-Verschwörung technisch und psychologisch als gangbarste Methode anzubieten. Einige ihrer Anschläge waren in doppeltem Sinne anonym, weil die Täter ihre Tat als Unglücksfall zu tarnen versuchten. Treskow verfiel im März 1943 auf den Plan, eine Zeitbombe in Hitlers Flugzeug zu schmuggeln, „um dadurch das Odium des Attentats zu vermeiden und ein Flugzeugunglück vorzutäuschen“ Es gelang tatsächlich, einem Begleite „Hitlers“, Oberst Brandt, zwei Cognacflaschen aus plastischem Sprengstoff mitzugeben; Treskow bat ihn um die Gefälligkeit dieses angebliche Geschenk General Stiess im OKH zu übergeben. Das Flugzeug startete, die chemische Zeitzündung versagte jedoch, Hitler landete wohlbehalten. Der bittere Entschluß der Attentäter, Unschuldige der Begleitung Hitlers zu opfern, hatte Grenzen. Es wäre ihnen damals ein leichtes gewesen, im Besprechungsraum des Stabsquartiers (Heeresgruppe Mitte) eine Zeitbombe einzubauen. Sie hätte jedoch Feldmarschall Kluge und alle Armeekommandeure mit zerrissen. Davor schreckten die Attentäter denn doch zurück

Ein angeblicher Versuch Treskows, die gezündete Zeitbombe in eine Seitentasche von Hitlers Kraftwagen, unmittelbar neben seinem Sitz, zu verstecken, scheiterte an der pausenlosen Überwachung des Vehikels

Das empfindlichste materielle Problem der Zeitbombe, die dem Attentäter die Erleichterung zeitlicher und räumlicher Distanz gewährte, war die Frage eines geeigneten Zünders. Die Zündmittel der zuletzt erwähnten Attentatsversuche stammten aus britischen Beutebeständen. Die Abwehr hatte sie geliefert. Auch Major Kuhn wurde in einer Hauptverhandlung vor dem Volksgerichtshof als Lieferant von Spreng-und Zündmitteln genannt. Er beschaffte „heeresübliche“ deutsche Sprengmittel. General Stiess bewahrte sie auf. Stiess erklärte in der Verhandlung, die gelieferten Zündmittel hätten nur 41/2 Sekunden Brenndauer gehabt und seien deshalb ungeeignet gewesen. Daraufhin höhnte Freisler: „ . . . doch nur ungeeignet, wenn der Täter sein wertes Leben selbst retten wollte. Sonst war ja, scheint mir, die kurze Brenndauer der Zündschnur auch gleich“

Freisler rührte damit an einen wunden Punkt, von dem Kordt eingesteht, daß er „die entscheidende Schwäche der wissenden Gegner Hitlers“ gewesen sei

Wird in der nächsten Ausgabe der Beilage fortgesetzt.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die Sdiulze-Boysen/Harnack-Gruppe (Rote Kapelle), die Geschwister Scholl, der ISK (Internationaler Sozialistischer Kampfbund), die kommunistische Gruppe Saefkow/Baestlein u. a., um nur die bekanntesten zu nennen. Eine Registrierung versucht Weisenborn „Der lautlose Aufstand“, Hamburg 1953.

  2. Darstellungen zum Kirchenkampf: Johann Neuhäusler „Kreuz und Hakenkreuz. Der Kampf des Nationalsozialismus gegen die Katholische Kirche und der Kirchliche Widerstand“. München 1946 (2. Ausl.) und Wilhelm Niemöller . Kampf und Zeugnis der Bekennenden Kirche“, Bielefeld 1948.

  3. Hitler: Am 29. Januar habe die Potsdamer Garnison alarmiert und mit Schießbefehl versehen auf Anordnung Hammersteins (Chef der Heeresleitung) Gewehr bei Fuß gestanden. Picker, S. 430. Vgl. Parlament S. 2. Die bisher fundierteste Darstellung gibt Foertsch „Schuld und Verhängnis a. a. O. Er kommt zu dem Ergebnis, die Putschpläne von Schleicher, Hammerstein, Adam und Bussche seien am 29. Januar nur theoretisch erörtert und sofort wieder verworfen worden. Foertsch S. 28. Vgl. Aufzeichnung von Fritsch bei Hossbach.

  4. Eine kurze zusammenfassende Darstellung geben Pechei S. 75— 80 u. Görlitz S. 415 ff.

  5. Hassell, S. 292.

  6. Poelchau. S. 112.

  7. Die Beck/Goerdeler-Verschwörung besaß eine regelrechte Dokumentensammlung mit Belastungsmaterial gegen das NS-Regime, aber auch mit Belegen über ihr eigenes Wirken. IMT, Bd. II, 491; XII, 207 Vgl. Hassell 200, Kordt 373, Gisevius 7, 55. 175. Dieses „Archiv" soll der Gestapo in die Hände gefallen und nach Angabe bei Dulles (S. 97, 98) und Abshagen (S. 11) 1945 in Tirol verbrannt worden sein. Von den Befehlen u. Aufrufen, die für den Putsch am 20. Juli 1944 verfaßt wurden (nach Zeller „eine ganze Kiste voll ). sind, soweit bekannt, nur zwei als Abschrift erhalten geblieben. Einen Teil sollen die Putschisten selbst, kurz vor ihrer Verhaftung, vernichtet haben. (Belege gibt Zeller S. 348 Anm. 41) — Erbeutete Akten der Gestapo mit Material über die Beck/Goerdeler-Verschwörung sollen sich noch in amerikanischer Hand befinden. Vgl. die Forschungsberichte von Braubach (S. 9) und Stadtmüller (S. 4 37).

  8. Beck vor seiner Demission 193 8: „Um unsere Stellung dem Historiker gegenüber in der Zukunft klarzustellen und den Ruf des Oberkommandos sauber zu halten, wünsche ich als Chef des Generalstabes zu Protokoll zu geben, daß ich mich geweigert habe, irgendwelche nationalsozialistischen Kriegsabenteuer zu billigen. Ein endgültiger deutscher Sieg ist eine Unmöglichkeit.“ Schlabrendorff S. 47. Vgl. Foerster S. 7.

  9. - oder durch Auswertung unveröffentlichter Prozeßakten der Nachkriegszeit.

  10. — 1849 im Entwurf zu seiner Asien-Rede. Lasalle, Reden und Schriften. Hrsg. Ed. Bernstein, Berlin. 1892, Bd. 1. S. 23 8.

  11. Unter diesem allgemeinen Gesichtspunkt kann die folgende Definition, die Kluke gibt, nicht befriedigen. „Wir verstehen also unter „deutschem Widerstand“ den aus einer wesenhaft gegensätzlichen Weltanschauung erwachsenen, mit einer politischen Gruppenbildung verbundenen Einsatz zur gewaltsamen Beseitigung des Nationalsozialismus.“ Kluke. (HZ.) S. 140.

  12. Bor/Halder S. 39, Foertsch S. 179, Hossbach S. 107, Hassel S. 39.

  13. Halder ersuchte im Herbst 193 8 Fritsch um seine Zustimmung zum Staatsstreich. Fritsch selbst hatte, im Zusammenhang mit seiner entwürdigenden Verabschiedung, die Frage einer aktiven Gegenwehr erwogen, entschied sich dann aber doch zur Passivität. Er warnte sogar vor jedem Versuch einer Gewaltanwendung (Foerster S. 72, Hossbach S. 145); später soll er jedoch seine Haltung bereut haben. Meinecke S. 144 (Aussage Groeners).

  14. Speidel S. 178. Vgl. die Darstellungen bei Koch, Young u. Schramm.

  15. Allein 87 von den 732 im Kriege ums Leben gekommenen Generalen hätten Selbstmord begangen, weil sie keinen Ausweg mehr wußten, hieß es in einem Brief des Generals a. D. Harteneck vom 29. 12. 48 an Schacht. Schacht S. 10.

  16. Jünger S. 541.

  17. Vgl. Geerdeter: Brief an einen amerikanischen Politiker vom 11. Oktober 193 8. „In diesem Fall (der Auswanderung nach den USA) würde ich mit meiner Familie aber ohne einen Pfennig kommen . . .“. Krause S. 62.

  18. Goerdeler, s. o. „In diesem Fall („daß ich in Deutschland bleibe") kann es unter ‘Umständen nötig werden, daß ich nach der Talleyrandschen Methode arbeiten muß, da meine Lage äußerst gefährlich ist. Das darf niemand beunruhigen. Ich bleibe der alte". Krause S. 62. Vgl. Weizsäcker S. 197.

  19. Vgl. Schacht S. 123, Kordt S. 180, Pechei S. 293, Steltzer S. 12 f.

  20. Görlitz S. 671, Guderian S. 314.

  21. Foerster S. 107 (Beck am 19. Juli 3 8).

  22. Görlitz (S. 471) nennt die Einreichung des Abschiedsgesuches „das letzte, was einem Offizier der alten Schule nach herkömmlichen Anschauungen übrig blieb."

  23. Kordt zitiert in diesem Zusammenhang das Beispiel der russischen Beamtenschaft während der bolschewistischen Revolution. „Die russischen Beamten hatten ihre Arbeitsplätze verlassen. Die bolschewistische Regierung war hierdurch wohl zunächst in große Schwierigkeiten geraten, dann aber hatte sie Mittel und Wege gefunden, die fehlenden Beamten durch Kräfte aus den eigenen Reihen schlecht und recht zu ersetzen. Nadi Überwindung einer kritischen Anfangsphase hatte die bolschewistische Partei einen Apparat geschaffen, der den Befehlen des Politbüros blindlings gehorchte. Die Beamtenschaft hatte sich somit selbst ausgeschaltet und keinen Einfluß auf die weitere Entwicklung mehr nehmen können.

  24. Beck am 19. Juli 1938. Foerster S. 104.

  25. ders. S. 106.

  26. ders. S. 108.

  27. Der Begründung entnommen, mit der Hitler den Generalstabschef Halder aus seinem Amt entließ. Bor. /Halder S. 227.

  28. Entnommen aus einem Leitartikel des „Völkischen Beobachters" vom 5. 2. 3 8. Zit. bei Foertsch. S. 108.

  29. Foerster S. 103.

  30. Bericht General Adams bei Foertsch S. 171 ff. Vgl. Görlitz S. 470. Bor-Halder S. 118. Foerster S. 119 ff.

  31. Erbittert und empört äußerte Beck später: „Brauchitsch hat mich sitzen gelassen“.

  32. Foertsch S. 171 (Bericht Adams).

  33. Vergeblich macht Leeb im November 1939 den Vorschlag, die drei Heeresgruppenbefehlshaber an der Westfront (Leeb, Bock, Rundstedt) sollten geschlossen zurücktreten, um dadurch die von ihnen militärisch und politisch für verhängnisvoll erachtete Westoffensive zu verhindern. Kosthorst. S. 340.

  34. Rüdetrittsgesuch Becks am 18. August 193 8. Am 27. August übergab Beck die Geschäfte seinem Nachfolger Halder, am 31. Oktober 3 8 wurde er aus dem Heeresdienst verabschiedet. Einzelheiten bei Foerster S. 131, Hossbach S. 146 ff.

  35. Foertsch S. 178.

  36. Vgl. Beck am 9. Dez. 193 5: „Ein Zwiespalt zwischen Worten und Handeln wäre für ihn (den Generalstabschef) tödlich und von verderblicher Wirkung auf den Generalstab . . . Zweifel an seiner Gradlinigkeit sind ausgeschlossen" » Foerster S. 36.

  37. Hossbach S. 27, Foertsch S. 91.

  38. Zitate aus einer allgemeinen Charakteristik des deutschen Generalstabsoffiziers.

  39. Hossbach S. 149, Görlitz S. 471.

  40. 1MT Bd. XII S. 230 (Aussage Gisevius).

  41. Hassell S. 47. Vgl. Schacht S. 86/88. Am 23. Ian. 1943 Entlassung Schachts auch als Reichsminister ohne Geschäftsbereich. Grundsätzliches zum Problem:

  42. Hassell S. 154.

  43. Pechei S. 25 5/56.

  44. Bor/Halder S. 230, Schacht S. 94, Westphal S. 317.

  45. Görlitz S. 475.

  46. Bor/Halder S. 230.

  47. Weizsäcker S. 172.

  48. IMT Bd. XII S. 23 2 (Gisevius). Vgl. Schacht S. 87/8 8 (abweichend). Eine dritte Version gibt Schwerin-Krosigk a. a. O.

  49. Persönlicher Vorschlag Hitlers an Beck. Der lehnte ab. Foerster S. 71. Vgl. S. 131.

  50. Halder zu Weizsäcker. Weizs. S. 174.

  51. Gisevius S. 167. Vgl. Hassell S. 17.

  52. Gisevius S. 167.

  53. Bemerkungen zum Problem des Im-Amt-Bleibens. Weizsäcker S. 105, 106, 125 bis 127, 131, 145, 146, 172, 173, 197, 253, vgl. Urteilsbegründung im Weizsäcker-Prozeß. „Weizsäcker hat zugegeben, daß ihm viele Dinge aufs Pult gelegt und von ihm abgezeichnet worden seien, gegen die er innere Bedenken und Skrupel hegte, aber er sei trotzdem im Amt geblieben, und zwar aus folgenden zwei Gründen: Erstens, um auf diese Weise wenigstens einen Kristallisationspunkt in der heimlichen Widerstandsbewegung gegen Hitler zu bilden, dadurch, daß er einen wichtigen Horchposten bekleidete, Mitglieder der Widerstandsbewegung in strategischen Posten hielt und den Widerstandsgruppen in der Wehrmacht, den verschiedenen Regierungsabteilungen und der Zivilbevölkerung Nachrichten übermittelte, und zweitens, um in der Lage zu sein, Versuche zu Friedensverhandlungen einzuleiten oder bei solchen Versuchen mitzuhelfen. Wir glauben ihm." „Das Urteil im Wilhelmstraßen-Prozeß" S. 94.

  54. Keine Befürworter fand die Auffassung, man dürfe Irrtümer und Auswüchse des NS-Regimes nicht korrigieren, sondern müsse sie forcieren oder bewußt dulden, bis das Regime sich in eine Sackgasse verrannt oder sich selbst vernichtet habe.

  55. Im Rahmen einer „Weisung für die einheitliche Kriegsvorbereitung der Wehrmacht", — im Wortlaut: IMT Dok. 175 C. Vgl. Foerster S. 29 ff, Bor/Halder S. 117.

  56. Ebenda.

  57. Görlitz S. 465.

  58. Eine genaue Schilderung gibt Guderian S. 43 ff.

  59. Ausdruck Foersters S. 43.

  60. Görlitz S. 473.

  61. V. d. Bussche „Eid und Schuld", „Göttinger Universitäfszeitung 7. 3. 47.

  62. Hassell S. 126, 138, 144, 146 f, Abshagen S. 48 ff, Colvin S. 98 ff, Weisenborn S. 133, 241 f, Gisevius S. 201/230, Schlabrendorff S. 62, Weizsäcker S. 273, SS-Bericht S. 9, Bor/Halder S. 127. Vgl. Kosthorst S. 3 5 1/363 ff, Stadtmüller S. 442.

  63. Colcin S. 112 ff. beruft sich auf Aussagen von Müller und Osborne. Abshagen (s. o.) beruft sich auf Müller. Vgl. Kosthorst S. 367 (zit. Aussage Müllers im Huppenkothenprozeß nach einem Zeitungsber. im „Tagesspiegel“ vom 15. 10. 52.

  64. Kosthorst (so.) Vgl. Braubach S. 22.

  65. Dulles S. 80 ff, (beruft sich auf pers. Mitteilung von Oberst Sas). Vgl. Gisevius S. 205/20 (ohne Namensnennung Osters). Vgl. Colvin S. 114 f — auf dem gleichen Wege hatte Oster auch versucht, die Norwegeninvasion zu sabotieren. Dulles S. 81 f. Vgl. Gisevius S. 205. Braubach S. 22.

  66. Vgl. Weizsäcker (S. 289) „Für mich steht daher fest, daß er (Canaris) und die Männer seiner näheren Umgebung solche Mitteilungen an den Gegner, wenn überhaupt, nur machten, um bevorstehende Angriffsakte auf neutrale Länder zu verhindern, d. h. sie so früh ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen, daß

  67. Aus den Reihen der überlebenden Verschwörer distanzierten sich von der Methode Osters u. a. Kordt (S. 437), Steltzer (S. 79, 82), Halder (Bor. S. 131).

  68. Kordt S. 369.

  69. Vgl. „Das Urteil im Weizsäckerprozeß“ S. 31 und die Denkschrift von Kordt und Etzdorfs (Kordt S. 359 ff. Vgl. S. 356).

  70. Vgl. Schlabrendorff S. 60, Hassell S. 93 f, Kordt S. 369.

  71. Bor/Halder S. 131.

  72. 1MT Bd. XXVI S. 403-408 ff.; Bd. XXXIV S. 249 ff.; Bd. XLIII, 231 ff.; Bd. II, II, 501— 505; Bd XX, 635, 663 ; Laternser S. 36, Görlitz S. 556.

  73. Görlitz S. 5 56.

  74. Bor/Halder S. 197.

  75. Schlabrendorff S. 73.

  76. Der „Kommandobefehl" Hitlers (erlassen am 18. 10. 42) ordnete an, in Gefangenschaft geratene alliierte Angehörige sogenannter „Kommandounternehmen (Einsätze im rückwärtigen Frontgebiet, meist durch Fallschirmspringer mit Sabotageaufträgen) sofort zu erschießen. IMT Bd. XXVI, Dok. 498—Ps, Bd. II 509 ff.

  77. Hassell am 16. 6. 41 über wiederholte Besprechungen mit Beck, Popitz, Goerdeler und Oster. „Die Ansicht wurde ventiliert, es würden sich Korpskommandeure usw. doch weigern, die Befehle auszuführen und damit die Sadie ins Rollen bringen (Sturz der Regierung). Ich bezweifle das; außerdem ist es ein chaotischer Weg, der mehr Gefahren als Aussichten enthält. Zur Zeit gilt das chinesische Sprichwort: „Meju fatse = Es gibt keinen Kunstgriff“, Hassell S. 209/10.

  78. „Die Abgrenzung zwischen politischem (aktiver) und humanem (passiver) Widerstand ist freilich schwierig und im Grunde hinfällig, weil beides aus der gleichen Quelle gespeist wird", bemerkt Schmitthenner („Die dtsch. WB. gegen Hitler", a. a. O.), insofern mit Recht, als sich auch der „politische“ Widerstand der Verschwörer gegen den Gewissenszwang und die ahumane Staatsmoral des Nationalsozialismus richtete. Im Beweggrund und im Zielpunkt kreuzen sich „humaner“ und politischer Widerstand, aber sie deckten sich nicht.

  79. Dietrich Bonhoeffer Juli/Aug. 1940. Parlament (Bishop Bell) S. 17. Vgl. Poelchau S. 130.

  80. Aussagen von Lahousen IMT Bd. II S. 489 ff., III S. 7 ff., Abshagen S. 273— 302.

  81. Hagen S. 104.

  82. Weizsäcker S. 3 3 8.

  83. „Das Urteil im Wilhelmstraßen-Prozeß" S. 85. Vgl. Weizsäcker S. 337/361.

  84. Schlabrendorff S. 77.

  85. Hagen S. 76. Andere z. T. hart voneinander abweichende Urteile und Zeugnisse zum Charakterbild Nebes: Diels S. 107, IMT Bd. XVII, 712 ff. Pechel S. 255, Zeller S. 3 59, Gisevius Bd. 1 und II a. a. O. u. „Das Spiel ist aus-", Arthur Nebe, Glanz und Elend der deutschen Kriminalpolizei. O. V. „Der Spiegel“, 23. und 30. März 1950.

  86. Gisevius S. 196. Abshagen S. 108/25 8. Bezeichnend dafür ein Bericht von Lahousen in Nürnberg über die Sabotage des Befehls, General Weygand zu ermorden. Canaris hatte erklärt: „Es ist ganz selbstverständlich, der Befehl wird nicht nur nicht durchgeführt, er wird auch gar nicht weitergegeben.“ . . . - Oberst Amen: „Wurden sie später befragt, ob Sie diesen Befehl ausgeführt haben?" - Lahousen: „Ich bin bei einem Vortrag . . . von dem damaligen Chef des OKW, Keitel, auf das Thema angesprochen worden ..." - Oberst Amen: „Welche Antwort haben Sie Keitel gegeben?" - Lahousen: „ . . . Eines ist ganz sicher, ich habe bestimmt nicht geantwortet, daß ich nicht daran denke, diesen Befehl durchzuführen; ich habe es auch nicht gesagt. Ich konnte es nicht tun, sonst würde ich heute nicht hier sitzen. Wahrscheinlich habe ich, wie in vielen ähnlichen Fällen, die Antwort gegeben, es ist schwer, aber es wird alles gemacht werden, oder eine ähnliche Erklärung.“ IMT Bd. V S. 499.

  87. 4. Februar 1938: Reichskriegsminister v. Blomberg, der OB des Heeres v.

  88. Hassell S. 97. Vgl. Kosthorst S. 3 57.

  89. Eine ausführliche Darstellung gibt Kosthorst: „Die deutsche Opposition gegen Hitler zwischen Polen-und Frankreichfeldzug.“ Parlament Juli 19 54.

  90. IMT, Bd. XII S. 266. Görlitz S. 605. Vgl. Gisevius S. 222. Görlitz charakterisierte Generäl Paulus wie folgt: „Paulus war Soldat und sah seine tiefste Pflicht im Gehorsam, um Politik hatte er sich niemals gekümmert, und wie sehr sein vergebliches Ausharren in Stalingrad jetzt zum Angelpunkt des gesamten Schicksals des deutschen Volkes . . . wurde, erkannte er vermutlich in seiner Isoliertheit nur sehr bedingt“, Görlitz S. 605. Wieweit konspirative Verbindungen zu Paulus bestanden haben (über die Generale v. Seidlitz und v. Daniels), ist nicht bekannt. Gerade über den „Stalingradputsch“ wie Beck ihn sah, plante und betrieb, sind die Zeugnisse spärlich und abweichend. Wir müssen uns im wesentlichen auf das stützen, was Gisevius in Nürnberg unter Eid aussagte.

  91. Speidel S. 136. -Treskow schlug Stauffenberg nach der Invasion vor, zu Speidel zu fahren, er möge dafür sorgen, daß ein Lodi in die Westfront gerissen werde, sonst überschwemme der Russe Deutschland. Juni 1944 schickte Treskow v. Boeselager zu Kluge (neuernannter Oberbefehlshaber -West), er solle die Westfront öffnen und gegen Hitler vorgehen. Schlabrendorf S. 178. Vgl.

  92. Witzleben (1939 Kommandeur der 1. Armee, 1942 Oberbefehlshaber-West)

  93. Vgl. Lagebeurteilung durch General Vogl, Hassell S. 111. Vgl. Bor/Halder S. 125/26.

  94. Delbrück, Geschichte der Kriegskunst, Bd. 3 Berlin 1907, zitiert von Hossbach S. 178.

  95. Siehe Kapitel: Der offene Aufstand.

  96. Belege siehe Kapitel „Sabotage“ und „Das konspirative Gespräch, Abschnitt über „Prognosen der Verschwörer'.

  97. Halder „Hitler als Feldherr“ S. 227.

  98. Foerster S. 103. Vgl. S. 3 5. Am Problem der Grenzen militärischer Gehorsams-pflicht schieden sich die Geister des Offizierskorps in die beiden Lager der Verschwörer und ihrer passiven Gegenspieler (Keitel, Jodl, Guderian, Model, Manstein, Fromm, Leeb u. a.). Letztere stellten sich auf den Standpunkt, die militärische Gehorsamspflicht sei bedingungslos, der Eid unverbrüchlich. Die Verschwörer hingegen beriefen sich formell auf das Militärstrafgesetzbuch § 47. 2 (wonach sich strafbar macht, wer kriminelle Befehle eines Vorgesetzten befolgt)

  99. Auch Stauffenberg plädierte zunächst (1942/43) für diesen gemäßigten Weg einer kollektiven Demonstration der Generalität bei Hitler. Zeller S. 146, ausführlicher Görlitz S. 606.

  100. Görlitz S. 517. Vgl. Osas S. 69/70; SS-Bericht S. 14. IMT. Bd. XXXIII. S. 3 56.

  101. Aus einer zusammenfassenden Darstellung von Dulles S. 137. Vgl. Weisenborn S. 178— 180. Winnig S. 203/4.

  102. „Die Beschneidung der Verdienstspanne der Arbeitgeber, die Beschränkung der Dividendenausschüttung, hohe Steuerleistungen und soziale Lasten, welche die Unternehmer tragen mußten, wurden der Arbeiterschaft als besonders fortschrittliche und gerechte Maßnahmen des Regimes vor Augen geführt.“ Kordt „Wahn und Wirklichkeit“, S. 48.

  103. Statistische Angaben gibt Weisenborn S. 148/149.

  104. Dulles S. 137 (unbestätigt).

  105. Am 27. Sept. 193 8, Kommandeur der mot. Div. war v. Witzleben. Augenzeugenbericht gibt Kordt S. 266 f. Vgl. Weizsäcker S. 188 und Gisevius IMT Bd. Xll S. 24.

  106. Hassell (11. 8. 39) S. 70.

  107. Henk S. 50.

  108. Ders. S. 60.

  109. Vgl. die Berichte von Kaiser, Annedore Leber, Dahrendorf, Furtwängler a. a. O.

  110. Schwerin-Krosigk, S. 333.

  111. Gestapo-Sonderakte „Bästlein-Gruppe" schildert die Hamburger Betriebszellenorganisation und ihre Verzweigung nach anderen Städten. Archiv der Hamburger Forschungsstelle (unveröffentlicht). Vgl. Dokumente des Widerstandes, Artikel-serie aus der Hamburger Volkszeitung Juli-Oktober 1947. Kopf der Berliner Gruppe war Franz Jacob. Mit ihm nahm Leber im Juni 1944 Verbindung auf. (Einzelheiten und Belege siehe Kapitel: das konspirative Gespräch).

  112. Wilhelm Leuschner: 1932 Vorsitzender des Allgemeinen deutschen Gewerkschaftsbundes, Jacob Kaiser, christl. -kath. Gewerkschaftsführer, Max Habermann, Führer des deutsch-nationalen Handlungsgehilfenverbandes, Dr. Julius Leber, 1924- 33 sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter.

  113. Nach Aussage Furtwänglers (S. 215, 223) suchte Trott Verbindung zu Fremdarbeitern in den Berliner Großbetrieben, um sie für den Aufstand zu engagieren. Jedoch dachte Trott dabei wohl weniger an den Aufbau einer Streik-organisation in der Reichshauptstadt, sondern mehr an eine Demonstration der menschlich-politischen Verbrüderung mit den nach Deutschland deportierten ausländischen Zivilarbeitern, besonders mit den Ostarbeitern. Trotts u. Stauffenbergs völkische Ostorientierung (vgl. Dulles S. 166) stand im Hintergrund dieser Bestrebungen.

  114. „Nicht eindrucksvoll, hart und brutal genug" könne das geplante einmütige Veto der Generalität des Heeres ausfallen, meinte Beck im August 193 8 nach seinen eigenen Erfahrungen, die er mit der Ansprechbarkeit Hitlers gemacht hatte.

  115. Nur indirekt kommt einmal an einer Stelle auch die weltanschauliche Kritik zum Ausdrude. Bede kleidete sie in die vorsichtige Feststellung, „daß unterschiedliche Auffassungen über religiöse, rassische und völkische Probleme auch über die vier genannten Mächte hinaus (Tschechei, Frankreich, England, USA) Ablehnung, teilweise sogar Haßstimmung gegen das heutige Deutschland hervorgerufen haben“. Denkschrift vom 29. 5. 38. Foerster S. 92.

  116. Kordt S. 233. Vgl. Foertsch S. 80. Auch Schacht schob sachliche Argumente vor, um moralisches Unheil zu verhindern. Er könne keine erfolgreiche Außenhandelspolitik treiben, warf er Hitler vor (Denkschrift Mai 1935), wenn Deutschland sich durch Gewalttätigkeiten der Partei gegen Juden und Kirchen und durch Willkürmethoden der Gestapo dem Ausland gegenüber in Verruf bringe. Schacht S. 60 f.

  117. Vgl. Kordt S. 328 f.

  118. Schacht S. 87.

  119. Foerster S. 90 ff. — (Vollständiger Wortlaut: siehe Anhang der vorliegenden Arbeit).

  120. Kordt S. 240.

  121. Weizsäcker über seine Sabotage der deutsch-russischen Verhandlungen 1939: „Unter normalen Umständen hätte ich wohl in Denkschriften und Vorlagen bei dem Außenminister meine Anschauungen vorgebracht. Von dieser frontalen Methode war ich als unwirksam längst abgekommen. Ich mußte wieder Umwege einschlagen". Weizsäcker S. 234.

  122. Es ist nicht Aufgabe der vorliegenden Arbeit, eine Kartei aller verfaßten und abgesandten Denkschriften der Verschwörung zusammenzustellen. Zu erwähnen ist jedoch, daß auch der Attentäter Graf Stauffenberg „schriftlich" Opposition durch Denkschriften geleistet hat. Zwei Fälle nennt und belegt Zeller S. 200, 141, 352. (Ende 1942 protestierte Stauffenberg gegen die Behandlung der russischen Zivilarbeiter, sie sei „eine unverantwortliche Herausforderung des Ostens“. — „Endlich ein Generalstabsoffizier mit Phantasie und Verstand", soll Hitler beim Lesen einer Denkschrift Stauffenbergs (an den OBB d. Ersatzheeres Fromm) vom Mai 1944, ausgerufen haben).

  123. Eine programmatische Denkschrift Goerdelers über Plan und Ziel des Staatsstreiches veröffentlicht Schlabrendorf (S. 142 ff.) auszugsweise im Wortlaut.

  124. Kordt S. 359 ff. (im Wortlaut). Vgl. Hassell S. 96, Kosthorst S. 346/347 f.

  125. Kord* $361.

  126. S. 118. Bor/Halder

  127. —-vom 25. 7. 43. „Die Wandlung", Jg. I S 535.

  128. — vom 17. 5. 43 ebenda S. 172 ff.

  129. Ebenda S. 536 f. (Auszug).

  130. Kordt S. 3 5 8.

  131. Kordt S. 366. — Um Anerkennung seiner Person und seiner Ziele warb Goerdeler bei den Militärs einmal durch folgende dick aufgetragene Selbstempfehlung: „Ich gelte seit vielen Jahren als Militarist, als Bewunderer des Militärs, als Förderer militärischen Wesens, als Freund manchen Generals . . .“ Goerdeler an Feldmarschall Kluge 25. 7. 43. „Die Wandlung“ a. a. O. S. 535.

  132. Memorandum „Lage und Möglichkeiten", Wandlung" a. a. O. S. 536 f.

  133. Weizsäcker S. 343.

  134. Kordt S. 3 58. — „Dieser Mann muß sofort verhaftet werden", soll Brauchitsch gedroht haben, als Halder ihm 1940 den sog. „X-Bericht“ Josef Müllers (Bericht über geheime Friedensverhandlungen mit England) vorlegte (nach Aussage Halders vor der Spruchkammer in München 20. Sept. 48, Zeller S. 317 Anm. 114. — Vgl. Bor/Halder (S. 127). „Dieser (Brauchitsch) erklärte nur: „Das ist Landesverrat.

  135. — oder „hochverräterischer", durch Kurier überbrachter Briefe, z. B. an Feldmarschall v. Manstein, den Beck, Goerdeler und Popitz auf diesem Wege offen, wenn auch vergebens zur Mitwirkung am Staatsstreich aufforderten. Schlabrendorff S. 160, 1MT XII S. 264. Gisevius S. 225, Zeller S. 335 f. Anm. 24.

  136. Auch das Memorandum Goerdelers „Lage und Möglichkeiten“ (a. a. O.) war kein „Rundschreiben". Insofern ist die Überschrift: „An die Generalität“ irreführend.

  137. Z B. die Denkschrift von General Thomas und Goerdeler (1940/41) an Halder über die deutsche Wirtschaftslage, die zur baldigen Beendigung des Krieges zwinge, (Reuter S. 12, Schlabrendorff S. 83) und die Denkschrift von Graf Schwerin (Kdr. d. 116. Pz. -Div.) an Rommel im Juni 44, die im Namen der Truppe forderte, den Krieg abzubrechen und das Regime zu ändern. Speidel S. 126.

  138. Speidel S. 133, Strölin S. 34, Liddel Hart S. 525.

  139. Z. B. die Denkschrift, die Trott während eines Aufenthaltes in den USA (Oktober 1939) hohen Beamten des „Department of State“ u. a. übergab, (Rothfels S. 163 ff.) und die Denkschrift des Goerdeler-Kreises vom Herbst 1942 an die britische Regierung (durch Bonhoeffer über den Bischof v. Chichester).

  140. Hesse (S. 362) über Versuche Schulenburgs (Graf Werner v. d.), im Juli 1944 mit der Sowjetregierung Abmachungen zu treffen.

  141. „Goerdelers Tage der Flucht", V. H. Nacht-Expreß, 19. 11. 46. dpa-Archiv.

  142. Ebenda. Vgl. Gerhard Ritter. Aus dem Nachlaß Goerdelers, „Die Gegenwart", 24. 6. 1946.

  143. Hassell S. 316.

  144. Foerster S. 7. Siehe S. 9 Anm. 2 der vorliegenden Arbeit (Erklärung Becks vor seinem Rücktritt im August 193 8). Bezeichnend war eine Szene aus der Bendlerstraße während der dramatischen Stunden des Staatsstreiches am 20. Juli 1944.

  145. Abshagen S. 307.

  146. Hitlers einzige Reaktion auf die Juli-Denkschrift Becks (193 8) war die Frage: „Wer hat sie gelesen?" Foerster S. 122, Görlitz S. 470. Die Reaktion Ribbentrops auf die Denkschrift Weizsäckers vom 12. 10. 39 (Einwände gegen den bevorstehenden Durchmarsch durch Holland und Belgien) protokollierte Weizsäcker in seiner zweiten Denkschrift vom 28. 10. 39 wie folgt: „Herr von Ribbentrop schloß unser Gespräch mit einer Geste, die den unzweideutigen Wunsch enthielt, nichts mehr davon zu hören". „Das Urteil im Wilhelmstraßenprozeß“ S. 31.

  147. Kordt S. 312. — Vgl. Schwerin-Krosigk (S. 275) über die Denkschrift Becks:

  148. Strölin S. 25 f.

  149. Strölin S. 32.

  150. — durch KR-Blitzfernschreiben über den OB West an Hitler. Speidel S. 13 8.

  151. Belege: Siehe Einleitung. (Bemerkungen zur Quellenlage).

  152. Kordt S. 373.

  153. 1942 entzog Hitler dem Generalstab die Kriegsgeschichtsschreibung und unterstellte die kriegsgeschichtliche Abteilung und die Heeresarchive einem ihm hörigen Offizier seines Führungsstabes Auch der Truppe verbot er die Führung von Kriegstagebüchern. Bor/Halder S. 203.

  154. Im SS-Bericht (S. 31) gibt Kiesel Auskunft über das Schicksal des Tagebuches von Hauptmann Kaiser (im Bericht fälschlich „Fischer“ genannt) „Die Entwikkelung sämtlicher Planungen behandelte aber das Tagebuch eines Hauptmanns Fischer, im Zivilberuf Studienrat in Wiesbaden, der als Sachbearbeiter in der Bendlerstraße Verbindungsmann zwischen Stauffenberg und Goerdeler war. Mit peinlicher Genauigkeit hatte er täglich Aufzeichnungen über alle Ereignisse gemacht, welche die Vorbereitungen betrafen. Die von ihm verwandten Decknamen waren für den Fachmann spielend zu entschlüsseln.“ Vgl. (Anklageschrift des Volksgerichtshofes) S. 68, 72, 73. — Auszüge aus dem Kaiser-Tagebuch, Jahrg. 1. S. 174 f. /53O ff.

  155. Weizsäcker S. 343.

  156. Bor/Halder S. 231. Vgl. Kosthorst S. 360.

  157. Gisevius S. 275. Vgl. S. 287.

  158. „Es gibt von Claus Stauffenberg . . . keinerlei Niederschrift über Beweggründe, über Ziele oder Begegnungen mit den Verbündeten." Zeller S. 15 8.

  159. „Aus mehr oder weniger verbindlichen Teegesprächen waren Pläne entstanden, die den Charakter blutigen Ernstes trugen". Schlabrendorff S. 112.

  160. Ein Bedürfnis nach strafferem Zusammenhalt scheint bei der Gruppe der Jüngeren um Stauffenberg vorhanden gewesen zu sein. Graf Schulenburg (Friedr.) äußerte im Juni 1944, wenn es nicht mehr zur Tat käme, müsse man sich einen Eid geben und zu einem „Orden“ zusammenschließen. Beleg bei Zeller, S. 342, der auch Zeugnisse veröffentlicht, die ähnliche Ideen Stauffenbergs andeuten.

  161. Verwandschaftliche Bindungen (u. a.): Graf York v. Wartenburg, Cäsar v. Hof-acker und Major Kuhn waren Vettern des Attentäters Graf Stauffenberg; auch dessen Bruder gehörte zu den Verschwörern. Von der Familie Bonhoeffer waren beteiligt die Brüder Dietrich und Klaus B., ihr Schwager Dohnanyi und ihr Onkel General v. Hase. Ein enges Aktionsgespann bildeten die Brüder Kordt.

  162. Kordt S. 243.

  163. Schlabrendorff S. 88.

  164. ders. S. 76.

  165. am 15. Juli 1944. Zeller S. 370, Anm. 96.

  166. Hassell S. 215.

  167. Guderian S. 274.

  168. Hassell S. 119.

  169. Albert Kesselring „Soldat bis zum letzten Tag", Bonn 1953, S. 299. Vgl. Kaiser Tagebuch (2. 8. 43), S. 534. Auch an Generaloberst Fromm wollte Goerdeler herantreten. Kaiser berichtet: „Er (Goerdeler) will ihn (Fromm) selbst sprechen.

  170. Im Brief an Olbricht, 17. 5. 1943. Din Wandlung, Jahrg. 1 S. 172 ff. „Die Absicht Goerdelers, zu Hitler zu gehen, mußte ihm von seinen Freunden in mühevollen Stunden ausgeredet werden". Schlabrendorff S. 161. — s. u. S. 99 ff.

  171. Hassell Bl. 293.

  172. Abshagen S. 143 f„ 178. Hassell S. 37.

  173. — Dieses. politische Recht zum Eingriff in den verhängnisvollen Lauf der Dinge schien in Frage gestellt zu werden durch schwere Fehlprognosen, die auch den Verschwörern unterliefen. Sie hatten es für ausgeschlossen gehalten, daß die Westmächte während der Sudetenkrise nachgeben würden (s. u. S. 104 f.) — Im Oktober 1939 prophezeite Goerdeler, länger als 18 Monate könne Deutschland den Krieg wirtschaftlich unmöglich durchstehen. Hassell S. 96. „Von Halbjahr zu Halbjahr“ mußte Goerdeler „seine Voraussagen prolongieren“. Pechel S. 211.

  174. General Oster hatte eine Art Organisationszentrale eingerichtet. Er stellte Verbindungen her und übermittelte Nachrichten. Damit war die technische Seite weitgehend gelöst, nicht aber das Autoritätsproblem. Stauffenberg, der nach Osters Verhaftung (April 43) eine neue Zentrale bildete, löste dieses Problem auf seine Weise durch rigorose Beschränkung auf die Militärfronde (unter Ausschaltung namentlich des Goerdeler-Kreises) und durch Schaffung vollendeter Tatsachen, vor die sich das Gros seiner Mitverschwörer am 20. Juli gestellt sah.

  175. Pechel S. 198. „Ich (Pechel) weiß aus Goerdelers eigenem Munde, daß Anfang 42 von Popitz und Hassell der Versuch gemacht worden ist, ihn in die zweite Linie

  176. Die Stellung Becks als „Oberhaupt“ der Verschwörung hatte sich bis 1939/40 allmählich und stillschweigend ergeben. Vgl. Kordt S. 368, Pechel S. 151, Schlabrendorff S. 90, Parlament S. 2, Gisevius S. 189.

  177. Seine kollegiale Führungsweise und die parlamentarischen Methoden Goerdelers forderten die Kritik der autoritärer denkenden Mitverschwörer (u. a. Hassell und Popitz) heraus. Vgl. Hassell S. 287, 3 3 8. Rommel drang im Juni 1944 auf Gleich-ordnung aller Maßnahmen. Nach seiner Auffassung wurden die entscheidenden Fragen an zu vielen Stellen gleichzeitig erwogen. Speidel S. 126.

  178. Ausdruck bei Kessel (Privatbrief).

  179. Pechel S. 45, Dulles S. 52.

  180. Hassell S. 303.

  181. Bor/Halder S. 120.

  182. Aus dem Tagebuch Kessells, zitiert von Dulles S. 100.

  183. Eine Milieuschilderung der „Kohlenwelt“ Lebers als Verschwörerzentrale gibt Furtwängler S. 214 f.

  184. Einzelheiten schildert Henk S. 9.

  185. Eine Zusammenstellung von Zeugnissen über die Firma Bosch im Dienst der Verschwörung gibt Rothfels S. 226 Anm. 80.

  186. Schlabrendorff S. 93.

  187. Gisevius S. 275.

  188. Schlabrendorff S. 93, Hassell S. 281. Prinz Louis Ferdinand S. 124.

  189. Die Abwehr verfügte u. a. über eine eigene Paßstelle für Auslandspässe und Sichtvermerke. Abshagen S. 144.

  190. Eine ausführliche Darstellung über Vorgeschichte, Anlaß und Folge dieser Aktion der Gestapo gibt Abshagen S. 251 ff., weiteres Material veröffentlicht Weisenborn S. 89 f, 134.

  191. Moltke wurde im Zusammenhang mit der Verhaftung des „Solf-Kreises" festgenommen, weil er den Gesandten Otto Kiep benachrichtigt hatte, daß dieser Kreis von der Gestapo überwacht werde. Pechei S. 91. Weisenborn S. 116 (SS-Bericht Huppenkothens).

  192. Annedore Leber (Telegraf 16. 6. 46, Dahrendorf (Hamburger Echo 28. 8. 46), Dr. Schmitz (in seiner Wohnung fand die Besprechung statt) (Telegraf 3. 1. 47).

  193. Meinung Josef Müllers, geteilt und zitiert von Schacht S. 160. Vgl. Hassell S. 72.

  194. Hassell S. 340, Zeller S. 156.

  195. Darin beruhte ein augenfälliger Unterschied zwischen der Beck/Goerdeler-Verschwörung und den kommunistischen Geheimorganisationen im „Dritten Reich", die nach dem „Anti-Prop-System“ aufgebaut, zwar funktionsfähiger, aber auch gefährdeter waren. Sie konnten „aufgerollt“ werden. (Darst.des Anti-Prop-Systems im Gestapobericht „Hochverratssache Bästlein und andere“, Hamburger Forschungsstelle. Vgl. Diels S. 237.)

  196. In Nürnberg fragte der amerikanische Anklagevertreter Gisevius, der im Rahmen seines Zeugenverhörs allgemeine Auskunft über das Wollen und Wirken der Verschwörung gab: . . . „Im Hinblick auf diese Frage (Korrektur des Versailler Vertrages) unterschieden sie sich von den Nazis also hauptsächlich in den Methoden?“ - Gisevius: „Ja“ Vgl. die Äußerung Becks 1937/3 8 über die Politik des Dritten Reiches: „Nicht was wir tun, sondern wie wir es tun, ist so schlimm:

  197. Hitler „Mein Kampf" S. 710. „Heute werde ich nur von der nüchternen Erkenntnis geleitet, daß man verlorene Gebiete nicht durch die Zungenfertigkeit geschliffener parlamentarischer Mäuler zurückgewinnt, sondern durch ein geschliffenes Schwert zu erobern hat, also durch einen blutigen Kampf“.

  198. Der Einsicht in die militärische Aussichtslosigkeit, in die Deutschland bei nüchterner Abschätzung der Kräfteverhältnisse durch einen Weltkrieg geraten würde, dem Vertrauen auf die Lösbarkeit der außenpolitischen Probleme Deutschlands auf dem Verhandlungswege und der allgemeinen Überzeugung, daß der Krieg nicht die Fortsetzung, sondern der Bankrott der Politik sei.

  199. „Canaris war eine Person des reinen Intellekts, der in seinem interessanten, sehr eigenartigen und komplizierten Wesenszug die Gewalt an sich haßte, . . . darum verabscheute er den Krieg, Hitler, sein System und insbesondere seine Methoden . . 1MT Bd. 11 S. 489. (Aussage von Lahousen.)

  200. Vgl. Gisevius S. 196.

  201. Moltke „Letzte Briefe . . .“ S. 15. Vgl. S. 40 ff., 51, 54, 55. Vgl. Poelchau S 112, Braubach S. 32, Anm. 18. — Steltzer meint, Moltke habe nur das Attentat, nicht aber den Staatsstreich als solchen abgelehnt. Vgl. Gerstenmaier. Sondernummer „Parlament“, Buchform S. 30.

  202. Henk S. 16.

  203. „Der Staatsstreich, der mit telephonischen Befehlen begonnen worden war, wurde sinngemäß durch ein Telephongespräch liquidiert“ Görlitz S. 665. (gemeint ist das Telephongespräch Hitlers mit dem Kdr.des Berliner Wachbataillons. Vgl.

  204. Siehe Anhang.

  205. Seine demagogische Suggestivkraft bewies Hitler auch am 20. Juli bei seiner ersten öffentlichen Reaktion auf den Staatsstreich. In einer kurzen Rede, die nach Mitternacht über alle deutschen Sender lief, schloß Hitler mit folgenden Worten: „. . . welches Schicksal Deutschland getroffen hätte, wenn der Anschlag heute gelungen sein würde, das vermögen die wenigsten sich vielleicht auszudenken. Ich selber danke der Vorsehung und meinem Schöpfer nicht deshalb, daß er mich erhalten hat, — mein Leben ist nur Sorge und ist nur Arbeit für mein Volk, — sondern ich danke ihm nur deshalb, daß er mir die Möglichkeit gab, diese Sorgen weitertragen zu dürfen und in meiner Arbeit weiter fortzufahren, so gut wie ich das vor meinem Gewissen verantworten kann“.

  206. Gisevius S. 302.

  207. Siehe Kapitel: „Der offene Aufstand“.

  208. Liddel Hart S. 525 (Bericht von General Blumentritt). Vgl. Speidel S. 143 f. — „Ja, wenn das Schwein tot wäre", soll Kluge nach anderen Berichten aus zweiter Hand gesagt haben. Teuchert. „Die Welt“ 19. 7. 47.

  209. Vgl. Bargatzki (Parlament) S. 14.

  210. Das „Allgemeine Heeresamt“ in der Bendlerstraße war am 20. Juli Zentrale der Putschisten.

  211. Müller S. 46.

  212. — u. a. schickte auch Major Remer, der Kdr.des Berliner Wachregiments, seine Ord. -Offiziere den anrückenden Truppenverbänden entgegen, nachdem er durch Vermittlung von Goebbels ein Ferngespräch mit Hitler selbst geführt hatte.

  213. Vgl. „Plädoyer des Anklägers Dr. Bauer im Remer-Prozeß". Parlament S. 30.

  214. „Beck begrüßte die Machtergreifung durch Adolf Hitler als verheißungsvolle Voraussetzung für die Wiederherstellung der militärischen Gleichberechtigung", Foerster S. 17. Vgl. Foertsch S. 22. Auch Goerdeler stand mit Hitler „anfangs auf gutem Fuß", Lukaschek (Parlament) S. 3. Ein verbürgtes Zeugnis über die Begeisterung, mit der Stauffenberg Hitlers Machtübernahme begrüßte, veröffentlicht Foertsch S. 22. Rommel zollte Hitler zunächst „zunehmende Achtung und Verehrung“, Speidel S. 182. Auch Canaris war kein Gegner des NS-Regimes von Anfang an. Abshagen S. 101. Stief erklärte (vor dem Volksgerichtshof) sich 193 3 zum NS bekannt zu haben (IMT Bd. XXX 11I S. 305). Geradezu als ehemalige Nationalsozialisten gelten Graf Helldorf, Schacht, Popitz, Jessen, Hassell, Schulenberg (Graf Fr.), Haushofer und Langbehn. (Vgl. Reuter S. 21, Weizsäcker S. 144, Bussche a. a. O., Hildebrandt a. a. O„ Dulles S. 155, Hassell S. 305).

  215. Der ultimative Kollektivschritt der Generalität bei Hitler, den Bede im Juil 1938 geplant und vorbereitet hatte, war — wie Foerster es präzise definiert — „eine auf dem Boden von Gesetz und Recht bis zur äußersten Konsequenz durchgeführte Aktion, die sich sowohl gegen die Kriegspolitik des Staatsoberhauptes als auch gegen das von ihm gezüchtete und gedeckte innenpolitische System richtete, nicht aber gegen die Person des Staatsoberhauptes selbst“. Foerster S. 108. Brauchitsch gegenüber betonte Beck damals: „Es kann und darf kein Zweifel darüber aufkommen, daß dieser Kampf (gegen SS und Bonzokratie) für den Führer geführt wird“. Foerster S. 105.

  216. „Man erschoß nicht einige wenige vielleicht höchst verdächtige Menschen ohne das Verfahren, nach dem Deutschland vielleicht noch einmal rufen wird, sondern man mordete darauf los“, Goerdeler 1937 (in seinem politischen Testament).

  217. s. u. Kapitel „Das Legalitätsproblem".

  218. Das betraf vor allem die Militärfronde, die den Aktionskader der Beck/Goerdeler-Verschwörung bildete. Vgl. Kapitel „Die Denkschrift", „Das Legalitätsproblem .

  219. Vgl. Brief Schachts an Hitler im Sept. 1941. „Er (Hitler) stände jetzt auf der Höhe seiner militärischen Erfolge. Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, das Steuer der Außenpolitik radikal herumzuwerfen und mit allen Mitteln einen Frieden anzustreben". Schacht S. 92. Vgl. Hassell S. 225, Hossbach S. 36. - Statt der üblichen devoten Anrede „Mein Führer“ konnte sich Schacht die freimütige Anrede: „Sehr geehrter Herr Hitler“ erlauben. Vgl. Picker a. a. O.

  220. Mit Ausnahme der „Juli-Denkschrift" (s. o. S. 68). - Foerster (S. 130) berichtet, daß Beck auch nach seiner Verabschiedung noch einmal versucht habe, eine letzte Denkschrift („Deutschland in einem kommenden Kriege") - diesmal als anonym gehaltenen Warnruf - an das Ohr des Gewalthabers dringen zu lassen.

  221. Den seltenen Fall, daß Ribbentrop eine Denkschrift mit Vorschlägen für eine politische Beendigung des Krieges an Hitler weitergab (März 1944) erlebte Hesse.

  222. Schwerin-Krosigk S. 275. -

  223. Vgl. Denkschrift vom 9. 12. 35 Foerster S. 534 ff.

  224. Hossbach S 152, 221. Vgl. Foerster S. 64, 80, 131. Bei einem kommandierenden General, den Hitler im Herbst 193 8 auf den bevorstehenden Angriff gegen die Tschechei angesprochen hatte, erkundigte sich Beck: „Haben Sie Ihre Bedenken ungeschminkt zum Ausdruck gebracht?" Der Betreffende verneinte, er habe sich nur allgemein geäußert. Beck: „Herr General X, Sie waren selbst früher General-stabsoffizier, als solcher müßten Sie wissen, daß es Pflicht eines deutschen General-stabsoffiziers ist, jedermann, auch dem Staatsoberhaupt gegenüber, seine Ansicht rückhaltlos zu vertreten. Es ist tief bedauerlich, daß Sie das versäumten“. Westphal S. 75. —

  225. Hossbach S. 157. Schwerin von Krosigk meint, Hitler habe „in der Zeit, als er noch den Generalen Hochachtung entgegenbrachte, auch für Beck ein Gefühl der Bewunderung gehabt“. Die Feststellung, daß Beck in den Jahren 1933— 38 Hitler nur einmal 5 Minuten habe vortragen dürfen, enthalte einen Vorwurf gegen Beck selbst. Wohl habe sich die Stellung des Generalstabschefs insofern geändert, als er nicht mehr das Recht des Immediatvortrags beim Obersten Kriegs-herrn besaß. „Aber gerade wenn und weil Beck die Verantwortung des Generalstabes so hoch bewertete“, fährt Schwerin v. Krosigk fort, „mußte er alles versuchen, sich bei Hitler persönlich Gehör zu verschaffen. Das war, wenn Hitler nicht wollte, nicht leicht. Die ihn umgebende Kamarilla schob sich dazwischen. Da wurden Termine für einen Vortrag angesetzt und plötzlich wieder aufgehoben. So wurde der Gehörsuchende mürbe gemacht, bis er den Weg der Denkschrift wählte... Aber gerade bei Hitler ersetzte eine Denkschrift, wenn er sie überhaupt las, nicht das gesprochene Wort. Sie konnte Becks Gewissen beruhigen, aber Hitler nicht beeinflussen“. — Schwerin v. Krosigk S. 275 f.

  226. Hassell S. 94 f.

  227. Die Wandlung, Jg. 1 S, 174, vgl. Schlabrendorff S. 161, Gisevius S. 227.

  228. Kaiser-Tagebuch. 20. 5. 43. Die Wandlung s. o. S. 135.

  229. Foertsch S. 178.

  230. Einen letzten Versuch, „zu Hitler zu sprechen“ unternahm Rommel am 17. Juni 1944 in Margival (FHQ/Wll) und am 29. Juni 1944 in Berchtesgaden. Rommel beschwor Hitler, den Krieg so oder so zu beenden. Speidel S. 117 f., 126. Strölin S. 33.

  231. 1MT Bd XV S. 329.

  232. Abshagen (beruft sich auf Aussagen ehemaliger Mitarbeiter von Canaris) S. 231, 310.

  233. Gisevius S. 198.

  234. s. o. S. 70. Vgl. Hossbach S. 189, Kordt S. 328 f., 373.

  235. Weizsäcker S. 178 ff. Vgl. British Documents. Doc. 775. Boveri S. 12/13 (Burckhardt-Tagebuch). Im Unterschied, z. T. sogar im Gegensatz zu seinen Mit-verschwörern Kleist, Theo und Erich Kordt wirkte Weizsäcker zwar für eine feste, nicht aber für eine ultimative Haltung Englands gegenüber Hitler. Am 22. August 193 8 drängte Kleist in London (bei einer Unterredung mit Vansittart) auf eine brit. Kriegsdrohung. Am 18. August empfahl Weizsäcker dem Foreign Office (durch J. Burckhardt über Warner, den brit. Gesandten in Bern) einen Verhandlungspartner zu schicken. Am 6. Sept, drängte T. Kordt in London (bei einer Unterredung mit Halifax) erneut auf eine Kriegsdrohung Englands, und am 10. Sept, wiederum besprach Weizsäcker mit Henderson, dem brit. Botschafter in Berlin, daß eine Kriegsdrohung unterbleiben solle (British Documents a. a. O. Doc. 775, Doc. 683 ff. Weizsäcker S. 178, Kordt S. 279 f., Boveri S. 12 f.). Weizsäcker hoffte noch auf die Möglichkeit einer internationalen Verständigung mit Hitler zu einem Zeitpunkt, als seine radikaleren Mitverschwörer diese Hoffnung bereits aufgegeben hatten. Sie hatten eine brit. Kriegsdrohung zu forcieren versucht, einmal, um Hitler zu beeinflussen, zum andern aber auch, um Hitler — falls er die Drohung Englands ignorieren würde — mit dieser Drohung als Handhabe zu stürzen. (Unter der Parole: Hitlers Außenpolitik bedeutet den europäischen Krieg, wir stürzen Hitler, um diesen Krieg zu verhindern.

  236. „British Documents" a. a. O. Doc. 683 f. Vgl. Colvin S. 59 ff., 65 f. Schlabrendorff S. 51 f. (Kleist hatte in London [Aug. 3 8] Unterredungen mit Vansittart, Churchill und Lord Lloyd).

  237. Bor/Halder S. 121. Vgl. Colvin S. 79.

  238. Die Sorge der Verschwörer, daß die erbetene britische Drohung, die den Angriffs-vorbereitungen Hitlers Einhalt gebieten sollte, nicht mehr rechtzeitig genug ausgesprochen werden könnte, bewog Kleist sogar (auf wiederholtes Drängen Vansittarts, das Datum des geplanten, militärischen Angriffstermins zu nennen.

  239. Kordt („Wahn und Wirklichkeit") S. 118.

  240. Weizsäcker S. 168 ff. (über seinen Versuch zur Einflußnahme auf den ungarischen Reichsverweser v. Horthy und dessen Außenminister Kanya anläßlich ihres Deutschlandbesuches während der Sudetenkrise [Aug. 38)). — Vgl. Abshagen S 189 (über paralelle Versuche von Canaris in Budapest). A. beruft sich auf Informationen „maßgeblicher ungarischer Kreise“.

  241. — Diese „Taktik“ der Einflußnahme wandte Weizsäcker auch nach Ausbruch des Krieges an. Im Frühjahr 1940 kam Sumner Welles (Unterstaatssekretär im State Department und Botschafter Präsident Roosevelts) nach Berlin. Über seine Unterredung mit Weizsäcker berichtet er: „. . . 1 said that, if the feeling of the German government as a whole was as decisive as that of Herr v. Ribbentrop that a war of devastation and of conquest was the only course for Germany to follow, I would be needlessly taking up the time of the German authorities by prolonging my stay“. Weizsäcker: „It is of the utmost importance that you say that personally to the Fuehrer when see him to morrow" (Sumner Welles „The Time for Decision“ New York 1951, S. 100. Vgl. Weizsäcker S. 277).

  242. Kordt S. 378.

  243. Burckhardt-Tagebuch, zit. bei Boveri S. 12, vgl. „Documents British" a. a. O.

  244. Nach Bekanntwerden der brit. Regierungserklärung und eines Kommentars der Presseabteilung des Foreign Office vom 10. Sept 193 8 (— „Nur der Kommentar war so klar und scharf abgefaßt, wie wir es gewünscht hatten“, schreibt Kordt [S. 256]).

  245. Hitler erklärte „urbi et orbi", es handele sich nur um ein neues Bluffmanöver des Foreign Office, hinter dem nicht einmal die britische Regierung stehe. Das könne ihm nicht imponieren, und am Abend beendete er den Parteitag mit einer besonders aggressiven Rede gegen Benesch“, Kordt S. 257.

  246. Die Grundlage der Münchener Konferenz war — nach Darstellung Weizsäckers — ein Vermittlungsvorschlag Görings und Neuraths, den Weizsäcker (ohne Kenntnis Ribbentrops) nach Vorlage bei Hitler „via Attolico" (ital. Botschaft in Berlin) Mussolini zuspielte. Weizsäcker S. 188 f. Vgl. Kordt S. 273 f. Vgl.

  247. Vgl. Weizsäcker S. 171, 313.

  248. — Besonders am Vortage des Kriegsausbruches 1939 wurde Göring von Hassell und Weizsäcker beschworen, auf Hitler einzuwirken. Hassell S. 81 ff., Weizsäcker S. 259. Vgl. „Das Urteil im Wilhelmstraßenprozeß“ S. 25. —

  249. Weizsäcker S. 180 ff.

  250. — in einem Gespräch mit dem ital. Botschafter in Berlin, Attolico. Weizsäcker S. 180. —

  251. Kordt S. 336 Vgl. Weizsäcker S. 243 ff., Hassell S. 85. „Das Urteil im Wilhelmstraßenprozeß"

  252. — Zehn Tage vor dem 9. April, dem Datum des dtsch. Angriffs auf Dänemark und Norwegen, informierte Oster den-holländischen Militärattache in Berlin, Oberst Sas, „über einige Details des Invasionsplanes“. Sas gab diese Information an den dänischen Militärattache weiter. Dulles S. 81 f. (beruft sich auf pers.

  253. Kluke (H Z).

  254. Über Warnungen Schwedens durch Oster berichtet H. Liedig, ein entfernter Mitarbeiter von Canaris. Helge Knudsen „Neue Zeitung“ 3. 12. 45 (lag nicht vor)

  255. — „politische Indiskretionen" zum Zweck der Friedenssicherung pflegte Weizsäcker (vgl. S. 289) die äußersten Mittel seines subtilen diplomatischen Widerstandes zu nennen. — Auch die Worte „Ordnen . . . Kalmieren und Alarmieren (waren) Grundbegriffe im Vokabularium des einstigen Staatssekretärs, das heißt also auch: wichtige Werkzeuge in seiner politischen Werkstatt“, stellt M. Boveri (S. 74) fest, um daraufhin die grundsätzliche Zweifelsfrage aufzuwerfen, „ob mit diplomatischen Mitteln allein Gewalten wie die heute wirkenden, zu steuern (seien)“.

  256. Hossbach S. 3 5.

  257. Bross S. 157.

  258. Guderian: „Im OKW widersprach ihm (Hitler) fast niemand: seine Mitglieder befanden sich entweder im Zustand der Dauerhypnose, wie Keitel, oder dem der Resignation, wie Jodl. Aber auch selbstbewußte, vor dem Feinde tapfere Männer beugten sich der Wirkung der Hitlerschen Reden und verstummten vor seiner schwer widerlegbaren Folgerichtigkeit“. Guderian S. 392.

  259. Hossbach S. 3 5.

  260. Foertsch S. 177. Im Winter 1942/43, bei Auswertung von Nachrichtenmaterial über die Gesamtstärke der russischen Neuaufstellungen ging Hitler mit „Schaum vor dem Mund und geballten Fäusten" auf Halder los und verbat sich solch „idiotisches Geschwätz“. Görlitz S. 593. Vgl. Halder „Hitler als Feldherr“

  261. Speidel S. 118.

  262. Steltzer S. 11.

  263. Von der Besetzung der entmilitarisierten Zone des Rheinlandes (7. 3. 36) bis zum siegreichen Ende des Westfeldzuges (17. 6. 40) hatten die Verschwörer jedem größeren außenpolitischen oder militärischen „Coup", den Hitler startete, einen Mißerfolg prophezeit, s. o. S. 54 f.

  264. — „Für ihn (Hitler) es nur einen Sieg oder Untergang, alles andere versteht gibt er nicht mehr . . . eine Minderung seines Programms wird Hitler niemals akzepSpeidel (über die Verhaftungspläne Rommels 1944) S. 84, 126.

  265. Weizsäcker S. 193, 270. Kordt S. 270. Parlament S. 2.

  266. Einzelne hielten auch 1943 noch am Verhaftungsplan fest. Vgl. Hassell (über Gespräch mit Goerdeler) S. 327. Papen (über Gespräch mit Witzleben). S. 566. — 1944) S. 84, 126.

  267. IMT. Bd. XXXIIIS. 354 (über Verhaftungspläne 1943). 1938 war von einem „Stoßtrupp in die Reichskanzlei“ die Rede. Kordt S. 270.

  268. Pechel S. 153. Parlament S. 2. Gisevius S. 183.

  269. Bericht von Gersdorff. Pechel S. 158 (abweichend von Schlabrendorff).

  270. Schlabrendorff S. 167. Pechel S. 159 (Bericht von Gersdorff) -Vgl. Osas S. 82.

  271. Speidel S. 84.

  272. Hassell S. 280.

  273. Hassell S. 113, Abshagen S. 173.

  274. Paul Schmidt (Statist auf diplomatischer Bühne 1923— 1943. Bonn 1949) berichtet, nach seinen Beobachtungen seien auch im Dez. 1944 noch keine Zeichen dafür vorhanden gewesen, daß Hitler von seiner geistigen Argumentierfähigkeit eingebüßt habe". S. 574. Vgl. Guderian S. 392 ff.

  275. Standpunkt Rommels. Speidel S. 84.

  276. Parlament S. 2.

  277. Hossbach S. 159.

  278. Hofacker 1944 zu Jünger: „Solange wir den Burschen nicht verhindern, ans Mikrophon zu springen, wirft er die Massen in fünf Minuten wieder um .

  279. Weizsäcker S. 174.

  280. IMT. Bd. XXXIII S. 356.

  281. IMT. Bd. XXXIII S. 3 82.

  282. „Das heftige Ringen mit Goerdeler um seine Einwilligung zum Attentat, das damals (März 1942) wie später gegen sein religiöses und sein Rechtsgefühl ging, endete mit der Erreichung seiner Zustimmung". Pechel S. 156. Vgl. Ritter.

  283. Pechel S. 50.

  284. — Diesem nüchternen, politischen Argument gibt Lilje (S. 52 f.) einen metaphysisch-religiösen Hintersinn, indem er rückschauend den Fehlschlag des Attentats am 20. Juli mit folgenden Worten beurteilt: „Der Plan Gottes hatte dem Tyrannen bestimmt, in völliger Blindheit seinen Weg zu Ende zu gehen, bis nichts, gar nichts mehr übrig blieb, auch nicht mehr der zweideutige Schimmer einer politischen Märtyrerkrone. Indem Gott dem Tyrannen diesen billigen Scheinruhm versagte, der das Denken vieler Deutscher schwer verwirrt haben würde, hat er unserem Volke eine qualvolle Selbstzerfleischung erspart“. — Auch Moltke und Canaris beriefen sich in ihrer Ablehnung der Attentatsidee auf die Theorie von der Selbstvernichtung Hitlers. Während der fatalistischer gesinnte Canaris in Hitler eine Gottesgeißel sah, die bis zum bitteren Ende ertragen werden müsse (Abshagen S. 222, vgl. Kordt S. 413.), berief sich Moltke mehr auf das verheißungsvolle Moment einer Selbstvernichtung Hitlers. Sie sei die Voraussetzung für den sauberen Anfang einer neuen Ära des politischen Deutschlands; ein Attentat hingegen würde „die Probleme nur verdunkeln“. Moltke S. 15.

  285. Zeller S. 290. — „Haß“ und „geistige Romantik“, auf die sich das vorgesehene Opfer der Attentäter, Hitler selbst, berief, als er einmal in einer grundsätzlichen Stellungnahme den Tyrannenmord guthieß und glorifizierte: „. . . In solch einem Fall („wenn ein Volk unter der Tyrannei irgendeines genialen Unterdrückers schmachtet, von dem man weiß, das nur seine überragende Persönlichkeit allein die innere Festigkeit und Furchtbarkeit des feindlichen Druckes ge" währleistet") mag aus einem Volk ein opferwilliger Mann plötzlich hervorspringen, um den Todesstahl in die Brust des verhaßten Einzigen zu stoßen. Und nur das republikanische Gemüt schuldbewußter kleiner Lumpen wird eine solche Tat als das Verabscheuungswürdigste ansehen, während der größte Freiheitssänger unseres Volkes sich unterstanden hat, in seinem „Teil“ eine Verherrlichung solchen Handelns zu geben“. Hitler „Mein Kampf“ S. 609.

  286. Belegt bei Zeller S 209.

  287. Steltzer S. 76. Vgl. S. 12. Moltke S. 14 f. Poelchau S. 112.

  288. Nadi Aussage des Schwiegersohns von Olbricht, „Die Welt“ 11. 7. 49. Vgl.

  289. Stauffenberg sprach mit dem Bischof von Berlin, Kardinal Graf Preysing über seinen Entschluß zum Attentat. Zeller S. 290 beruft sich auf persönlichen Bericht des Kardinals.

  290. Poelchau S. 135 f. Der „SS-Bericht“ Kiesels (S. 19) nennt Delp als Beichtvater Leonrodes. Delp habe verneint, daß Mord an einem Tyrannen Sünde sei.

  291. Vgl. das Gutachten von Prof. Rupert Angermair im Remer-Prozeß. „Darf ein Tyrann getötet werden?“ (Der katholische Standpunkt). Parlament S. 25 f.

  292. Bor/Halder. S. 174. Vgl. S. 120. Gisevius behauptet, Halder habe 1939/40 ein Attentat befürwortet und Canaris aufgefordert, den Anschlag zu inszenieren.

  293. Bericht von Major i. G. Speer. Zeller S. 145.

  294. — im September 1939. Kordt S. 370. (Weiszäcker diente 1900— 1918 bei der Marine).

  295. s. u. „Die Technik des Attentats — „Lieblingsidee Goerdelers war „offenes Wort in offener Mannestat“ an Stelle des unseligen Attentats , dem er immer nur widerwillig zugestimmt hatte, so berichtet Ritter (nach Aufzeichnungen aus dem Nachlaß Goerdelers). Ritter. Merkur. Jg. 111. (1949) S. 1136.

  296. Lautz. (Ankläger vor dem NS-Volksgerichtshof) IMT. Bd. XXXIII S. 448.

  297. Parlament S. 2. Vgl. Foertsch S. 134 (beruft sich auf pers. Mitteilung Rundstedts).

  298. Ev. -Akademie Bad Boll. 21. XI. 50, dpa-Archiv). „Der Eid ist unabdingbar“. 106) am 11. oder am 15. Juli — IMT Bd. XXXIII. S. 394, 427, 432 f„ vgl. Zeller S. 354 f. Müller S. 36, 84. Gisevius S. 254, 292.

  299. Über das „Eidproblem" siehe v. d. Bussche „Eid und Schuld". Göttinger Universitätszeitung 7. 3. 47 und das moraltheologische Gutachten von Angermair a. a.

  300. Bor/Halder S. 79.

  301. Bussche „Eid und Schuld" a. a. O.

  302. Weiszäcker S. 370.

  303. Hofacker zu Jünger, ders. S. 496.

  304. Zitat aus dem „Abschiedswort" Goerdelers, geschrieben nach dem 20. Juli auf der Flucht, (aus dem Nachlaß veröffentlicht von G. Ritter) „Neue Zeit" 19. 12. 46 — dpa-Archiv.

  305. Gersdorff bei Pechei S. 161.

  306. — hingegen bedauert Reinhold Schneider, daß gerade dem Bombenattentat an Hitler ein richtendes Moment gefehlt habe. — „Die Lösung läge allein im offenen Gericht, und wäre es ein Gericht für wenige Minuten, eine richtende Bewegung Auge in Auge . . . Aber es gehört zum Wissen und Fluch der Tyrannis, die wir erfahren haben, daß ein solches Gericht offenbar nicht möglich war. Die Tücke fordert Tücke heraus". Schneider S. 9.

  307. Zeller S. 290.

  308. Lukaschek. (Parlament) S. 3.

  309. Kordt S. 374 — Vgl. Gisevius S. 186.

  310. Schlabrendorff S. 174. Müller S. 81. Nach persönlichem Bericht Breitenbuschs sei sein Attentat gescheitert, weil er wider Erwarten keinen Zutritt zum Besprechungsraum erhielt. Zeller S. 191.

  311. Schlabrendorff S. 116.

  312. ders. S. 167.

  313. Auch Stauffenberg beobachtete diese beunruhigende Bannkraft, die von Hitler ausging und der sich selbst Oppositionelle seiner Umgebung nicht zu entziehen vermochten. Zeller S. 186. Vgl. Guderian S. 392.

  314. Gersdorff bei Pechei S. 159.

  315. Schlabrendorff S. 169 f.

  316. Gisevius S. 218. Vgl. Hildebrandt S. 108 (über ähnl. Bemühungen von Popitz).

  317. Abshagen S. 312.

  318. IMT. Bd. XVI. S. 542 f.

  319. Schlabrendorff S. 116 ff. Gersdorff: Pechei S. 161.

  320. Schlabrendorff S. 119.

  321. Gersdorf/Pechel S. 160.

  322. IMT. Bd. XXXIII. S. 312.

  323. Kordt S. 370.

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