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Aus den Akten des 20. Juli | APuZ 46/1954 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 46/1954 Aus den Akten des 20. Juli Urkunden zur Judenpolitik des dritten Reiches

Aus den Akten des 20. Juli

Wie „Das Parlament" in der Ausgabe vom 3. November 1954 seinen Lesern mitteilen konnte, ist es der Bundezentrale für Heimatdienst nach langen Bemühungen dank des Entgegenkommens der amerikanischen Behörden gelungen, die Photokopien sämtlicher noch vorhandenen Akten des 20. Juli zu erhalten. In der hier vorliegenden Ausgabe der Beilage veröffentlichen wir zwei Berichte. Es handelt sich um den Bericht des damaligen Major Remer, den dieser am 22. Juli 1944 über den Befreiungsversuch des 20. Juli niedergeschrieben hat und um den Bericht eines Oberleutnant Schlee, den dieser als Kompanieführer im Remer'schen Wachbataillon an das Bataillon erstattet hat.

Der Bericht des Major Remer

INHALT DIESER BEILAGE: Aus den Akten des 20. Juli:

Der Bericht des Majors Remer Der Bericht des Oberleutnant Schlee (S. 600) Urkunden zur Judenpolitik des Dritten Reiches:

Dokumente zur Reichskristallnacht (S. 601)

Dokumente zur weiteren Entwicklung der nationalsozialistischen Juden-politik auf die „Endlösung" hin (S. 603)

Abschrift Berlin, den 22. Juli 1944 Der Ablauf der Ereignisse am 20. 7. 1944, wie ich sie als Kommandeur des Wachbtl. Großdeutschland erlebte.

Um 16. 10 Uhr erreichte mich in meiner Wohnung der Kommandantur-befehl, mich sofort zu einer Besprechung bei der Kommandantur zu melden. Bei mir befand sich Lt. Hagen, Referent im Propagandaministerium, der eben vor den Uffz. meines Btl. einen Vortrag über die politische Lage gehalten hatte. Ich fuhr mit einem Pkw. zur Kommandantur (Kdtr.) und mußte dort im Zimmer des Adjutanten, Oberstlt. Erttel, etwa eine halbe bis dreivierel Stunde warten. Im Zimmer befanden sich eine Anzahl mir bekannter Kommandeure, die ebenfalls der Kdtr. unterstanden. Ich wurde als erster zum Kommandanten, dem Generalleutnant v. Hase befohlen. In diesem Zimmer befanden sich nach meiner Erinnerung außer dem General noch Oberstlt. Schöne, ein Oberstlt. aus dem AHA, dessen Name mir unbekannt ist, Major Hajessen, den ich zum erstenmal in meinem Leben sah, Major Graf Schack und wohl auch noch Oberstlt. Erttel. Es ist möglich, daß noch ein bis zwei Offiziere mehr zugegen waren.

Der General eröffnete mir, daß der Führer verunglückt sei, die vollziehende Gewalt auf das Heer übergegangen und mit Unruhen zu rechnen wäre. Ich erhielt den Auftrag, das Regierungsviertel, begrenzt vom Potsdamer Platz — Saarlandstraße — Anhalter Straße — Wilhelmstraße — Kochstraße — Friedrichstraße — Dorotheenstraße — Hermann-Göring-Straße — Potsdamer Platz mit 3 Kompanien hermetisch abzusperren. Niemand, auch keine Generale und Minister, dürften die Sperrlinie passieren. Der Verkehr solle nicht unterbunden werden, dadurch hätten die Verkehrsmittel das Sperrgebiet leer zu durchfahren. Die örtliche Polizei sollte mir bei der Durchführung dieses Auftrages behilflich sein. Ferner wurde mir der im Zimmer befindliche Oberstlt. /AHA mitgegeben, der insbesondere Verbindung mit der Polizei und den Verkehrseinrichtungen (S-Bahn) aufnehmen sollte. Ob General, von Hase oder Major Hajessen mir diesen Oberstlt. beigegeben hat, weiß ich nicht mehr. Idi war dankbar, daß ich in ihm einen Offizier hatte, der mir einen Teil meines Aufgabengebietes abnahm. Der Gedanke, daß mir dieser Oberstlt. als Spitzel mitgegeben wurde, kam mir erst später. Eine vierte Kompanie wurde als Eingreifreserve zum Lustgarten befohlen.

Sofort nach dieser Einweisung fuhr ich zur Kaserne zurück, befahl meine sämtlichen Offiziere auf mein Dienstzimmer, alarmierte das Btl. und ging dann für etwa 5 Minuten in meine Privatwohnung, wo ich Lt. Hagen und meinen Adjutanten, Lt. Siebert, antraf. Idi teilte beiden Offizieren die Lage und unseren Auftrag mit, auch die Befürchtung, daß der Führer tot sei. Dabei bemerkte ich, daß alles so eigenartig wäre, daß wir jetzt unter allen Umständen einen klaren Kopf behalten müssen und uns auf keinen Fall mißbrauchen lassen dürfen. Ob ich jetzt schon oder später äußerte, daß ich es merkwürdig fände, daß nichts über den Nachfolger bzw. Vertreter des Führers gesagt werde, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls aber sagte ich noch in meiner Wohnung so bestimmt, daß ich das Gefühl nicht loswerden könne, hier stimme etwas nicht, daß sich mein Adjutant veranlaßt fühlte, zurückzufragen „Militärputsch?“

Bisher und auch in der Folgezeit habe ich keinerlei schriftliche Befehle erhalten. Ich habe auch keine schriftlichen Befehle höchster Dienststellen zu Gesicht bekommen. Ich sah lediglich aus einer gewissen Entfernung auf dem Schreibtisch vor dem General und Major Hajessen mit der Schreibmaschine gedruckte Anordnungen, die allem Anschein nach Bezug auf die derzeitige Lage nehmen mußten. Nadi dem Verlassen meiner Wohnung wies ich meine inzwischen versammelten Offiziere auf dem Dienstzimmer ein. Zugegen waren noch der Oberstlt. /AHA und Lt. Hagen, den ich ausdrücklich gebeten hatte, mitzukommen. Idi habe bei dieser Einweisung besonders betont, daß wir uns nicht zu Dummheiten verleiten lassen dürfen und scharf darauf hingewiesen, daß ausschließlich meine Befehle befolgt werden. Besonderen Wert legte ich auf die schnelle Einsatzbereitschaft der Kompanien. Einem Offizier, der im Auftrag des Generals, dessen Name mir entfallen ist, telefonisch eine Wache zu stellen befahl erwiderte ich, daß mir kein General Befehle erteilen kann, der nicht mein Vorgesetzter ist. Noch während der Besprechung bat mich Lt. Hagen nach draußen. Er sagte mir, daß er einen furchtbaren Verdacht hege. Auf dem Wege zur Kaserne habe er in einem Pkw. Generalfeldmarschall von Brauchitsch in Uniform an sich forbeifahren sehen. Wir müßten damit rechnen, daß es sich um einen Militärputsch handele. Wir einigten uns dahin, daß Lt. Hagen sofort zum Reichsminister Dr. Goebbels oder zur Geheimen Staatspolizei fahren solle, um die Lage zu klären. Unter allen Umständen wollte ich über die tatsächliche Lage genauestens unterrichtet sein. Ich bat Lt. Hagen möglichst unauffällig zu handeln, damit nicht irgendwelcher Verdacht geschöpft werden könne. Zur Erledigung seines Auftrages stellte ich ihm ein Krad zur Verfügung. Am Schluß der Besprechung, welche um 17. 32 Uhr beendet war, befahl ich, unseren Soldaten über die uns dargestellte Lage reinen Wein einzuschenken. Nach der Besprechung machte mich die Bemerkung des Oberstlt. /AHA stutzig, ich solle seine Anwesenheit nicht als Spitzeltätigkcit betrachten. Darüber war ich sehr erstaunt, da ich seine Anwesenheit bis zu diesem Zeitpunkt nicht im geringsten so aufgefaßt hatte.

Während die Kompanien auf die Fahrzeuge verladen wurden, fuhr ich mit meinen Adjutanten und dem Oberstlt. /AHA zur Kdtr., um dort noch einige unwesentliche Punkte zu klären. Überrascht war ich, als ich bei einem leisen Gespräch zwischen General von Hase und Oberstlt. Schöne diesen sagen hörte, daß für die Verhaftung des Herrn Reichsministers Dr.

Goebbels nun nicht mehr ein Zug des Wachbtl. Großdeutschland vorgesehen sei, sondern eine Abteilung des Streifendienstes. Diese Bemerkung stimmte mich besonders bedenklich, erstens weil sie von einer Verhaftung des Herrn Reichsministers sprach und zweitens weil nicht mehr wir, sondern die Streifenabteilung die Verhaftung vornehmen sollte. Ich entnahm dieser Änderung, daß man mir mißtraute und ordnete deshalb später an, daß zu meinem persönlichen Schutz die Kdtr. -Wache verstärkt werde, wobei ich befahl, daß sie mich bei meiner eventuellen Festnahme unter allen Umständen wieder herauszuholen hätte. General von Hase und , Major Hajesscn befahlen mir, die ausgestellten Sicherungen am Komplex nördlich der Anhalter Straße besonders stark zu machen. Der Grund für diese Maßnahme wurde mir nicht angegeben. Erst beim späteren Abfahren meiner ausgestellten Sicherungen stellte ich fest, daß in diesem Komplex Sicherheitsdienst untergebracht war. Auch diese Tatsache stimmte mich bedenklich.

Die befohlene Absperrung des Regierungsviertels war bereits um 18. 30 LIhr vollzogen. Bis zu diesem Zeitpunkt bin ich noch zu der Besprechung im Generalzimmer die 3 eingesetzten Kompanien abgefahren und habe mich dann zur Kdtr. begeben, um dem General Vollzugsmeldung zu erstatten.

Wie ich später von meinem Adjutanten erfuhr, hatte sich zu diesem Zeitpunkt der Oberstlt. /AHA von ihm mit der Bemerkung verabschiedet, daß er in Wannsee noch einen besonderen Auftrag zu erfüllen habe.

Ich bin noch einmal die Sperrlinie abgefahren, um einige Unklarheiten zu beseitigen. Vor allem aber wollte ich Verbindung mit Lt. Hagen bekommen. Das gelang jedoch nicht.

Als ich nach der Rüdekehr von dieser Fahrt im Vorzimmer des Generals saß, wurde ich durch Lt. Buck meines Btl. auf den Flur hinausgerufen. Er meldete mir, daß er von Lt. Hagen zu mir geschickt sei, Hagen selber wolle nicht mehr zu mir in die Kdtr. kommen, um der Gefahr einer Verhaftung zu entgehen. Lt. Bude sagte mir, daß sich die Lage völlig geändert habe. Ich möchte sofort zu Herrn Reichsminister Dr. Goebbels kommen, es handele sich um einen Militärputsch. Daraufhin sagte ich zu Lt. Buck:

„Wir beide gehen jetzt zum General. Sagen Sie ihm, daß ich zu Herrn Reichsminister kommen soll, ferner, daß sich die Lage grundlegend geändert habe. Verschweigen Sie aber unter allen Umständen den Militärputsch!" Ich bin absichtlich mit Lt. Bude zusammen hereingegangen, um einen Zeugen zu haben. Nachdem Lt. Buck berichtet hatte, fragte ich den General, ob ich zum Herrn Reichsminister fahren könne. Diese Frage wurde mit den Worten verneint: „Remer, Sie bleiben hier!“

Nach diesem Entscheid des Generals ging ich auf die Straße vor die Kdtr. und sagte dort meinem Adjutanten unter vier Augen: „Jetzt geht es um meinen Kopf. Es scheint sich doch um einen Militärputsch zu handeln. Hagen hat mir sagen lassen, daß ich zu Dr. Goebbels kommen soll. Der General hat es verboten.“ Dann habe ich nacheinander noch einige Offiziere meines Btl., die ich vor der Kdtr. antraf, ins Bild gesetzt und ihnen gesagt, daß größte Achtsamkeit geboten ist.

Ich bin dann etwas abseits gegangen, um für mich kurz nachzudenken und mir ein klares Bild von der Situation zu verschaffen. Ich entschloß mich augenblicklich und allein zu Dr. Goebbels zu fahren. Sofort wurde ich in das Zimmer des Ministers gebeten und habe dort unter vier Augen mit dem Minister gesprochen. Der Herr Reichsminister, fragte mich, ob ich überzeugter Nationalsozialist sei. Ich sagte, daß das ganz selbstverständlich sei, und daß ich hundertprozentig zum Führer stehe. Ich wußte bis zu diesem Augenblick immer noch nichts Genaues über das Schicksal des Führers. Der Herr Reichsminister beteuerte mir, daß er im Auftrage des Führers handele. Der Führer sei überhaupt nicht verletzt. Er habe erst vor wenigen Minuten mit ihm persönlich telefonisch gesprochen. Es sei die größte Gemeinheit der Geschichte, daß eine ganz kleine Clique ehrgeiziger Generale unter der Voraussetzung, daß der Führer tot sei, einen Militärputsch inszeniert hat. Ich versprach, daß ich als anständiger nationalsozialistischer Offizier unter allen Umständen gewillt bin, getreu dem Eide zum Führer meine Pflicht zu tun. Wir drückten uns lange die Hand und sahen uns in die Augen.

Es wurde mir sofort Gelegenheit gegeben, den Führer persönlich telefonisch zu sprechen. Der Führer sagte, daß er unverletzt sei und fragte mich, ob ich ihn an seiner Stimme erkenne. Ich bejahte das. Der Führer wies auf den gemeinen verbrecherischen Anschlag hin und sagte mir, daß ich ihm direkt solange unterstünde, bis der Reichsführer Himmler einträfe, den er als Chef des Heimatheeres eingesetzt habe. Ich hätte unter allen Umständen mit allen Mitteln jeglichen Widerstand niederzuhalten.

Nach diesem Gespräch mit dem Führer berichtete ich dem Herrn Reichsminister von meinem bisherigen Auftrag und den von mir getroffenen Maßnahmen. Ferner setzte ich den Herrn Minister von den Anordnungen und Maßnahmen der Kdtr. in Kenntnis, soweit sie mir bekannt waren. Im Verlaufe der nächsten Stunde wurde ich wohl ein dutzendmal zum Minister befohlen. Ich meldete ihm jeweils alle Dinge, die mir bekanntgeworden waren und unterrichtete ihn laufend über meine Maßnahmen. Oft war auch Herr Reichsminister Speer zugegen.

Nach meinet ersten Unterredung mit dem Herrn Minister fuhr ich sofort zur Kdtr. zurück, die ich aber nicht mehr betrat. Ich unterrichtete alle dort anwesenden Offiziere meines Btl. davon, daß ich entgegen dem ausdrücklichen Befehl des Generals von Hase beim Herrn Reichsminister Dr. Goebbels gewesen sei.

Mein Adjutant erhielt von mir den Befehl, das Telefon auf meinem bisherigen Gefechtsstand in der Wache der Kdtr. von nun ab persönlich besetzt zu halten, da ich mit Herrn Reichsminister vereinbart hatte, alle 20 Minuten telefonisch Verbindung aufzunehmen. Ich stellte bei dieser Gelegenheit fest, daß inzwischen in der-Kdtr.der Zug des Streifendienstes erschienen war, der allem Anschein nach die Verhaftung des Herrn Reichs-ministers durchführen sollte. Ebenfalls stellte ich fest, daß in der Gegend des Ehrenmals fremde Truppenteile biwackierten. Ferner erhielt ich Kenntnis vom Anrücken anderer Truppenteile auf der Achse. Nun entsann ich mich auch, daß ich beim Verlassen der Kdtr. kurz vor dem Besuch beim Herrn Reichsminister bemerkt hatte, daß auf der Kdtr. eine Anzahl Offiziere eingetroffen war, die ich noch nie gesehen hatte.

Da mein Btl.sehr zersplittert war, befahl ich meinem Adjutanten mit Rücksicht auf die Lage, das gesamte Btl. im Garten der Wohnung des Herrn Reichsministers, Hermann-Göringstr. 20, zu sammeln. Ich selbst fuhr sofort wieder zum Herrn Reichsminister zurück. Dies mag etwa gegen 20. 30 gewesen sein. Hier gab ich auch Lt. Buck den Befehl, am Brandenburger Tor sämtliche Truppenteile anzuhaltcn und zu mir zu leiten. Das Btl. war sehr schnell im Ministergarten zusammengezogen. Idi bat den Herrn Reichsminister, zu den Männern zu sprechen. Der Herr Reichsminister tat es auch. Er umriß kurz die Situation, geißelte mit offenen Worten den verbrecherischen Anschlag auf das Leben des Führers und wies auf die geschichtliche Aufgabe hin, die in diesem Augenblick dem Wachbtl. Großdeutschland gestellt sei. Anschließend teilte ich meinen Männern mit, daß ich vom Führer persönlich den Auftrag bekommen habe, jeden Widerstand rücksichtslos zu brechen.

Ich entschloß mich, den Gebäudekomplex Reichskanzlei — Wilhelm-straße -Hermann-Göring-Straße — mit 2 Kompanien zur Nahverteidigung einzurichten. Eine weitere Kompanie erhielt den Auftrag die Kdtr. zu umstellen und hermetisch abzuschließen. Der Kompanieführer sollte ferner die am Ehrenmal liegenden fremden Truppen zu mir in Marsch setzen. Alle noch in der Kaserne verbliebenen Teile des Btl., insbesondere die Stabskompanie, erhielten Befehl, sofort zu mir zu kommen. Ferner sorgte ich für Heranschaffung genügender Munitionsmengen. Als weitere Verstärkung erhielt ich die Truppenteile, die am Brandenburger Tor zu mir geleitet wurden. Alle Offiziere, die nunmehr am laufenden Bande bei mir eintrafen, unterrichtete ich von der tatsächlichen Lage und bat sie, ihren Vorgesetzten darüber sofort Meldung zu erstatten.

Mein’Adjutant, welcher versuchte den Kommandeur einer starken gepanzerten Einheit, die im Tiergarten zwischen Achse und Hermann-Göring-Straße unterzog, zur Verbindungsaufnahme mit mir zu bewegen, brachte mir die Meldung, daß eben ein Oberst beim Kommandeur dieser Einheit gewesen war und ihm sagte, daß die gepanzerten Kräfte unter dem Befehl von Generaloberst Guderian am Fehrbelliner Platz sammeln.

Wer nicht gehorche, würde erschossen. Auf seinen Vorhalt, daß ich persönlich vom Führer den Befehl erhalten habe, für Ordnung zu sorgen, erwiderte jener Oberst, daß über die gepanzerten Kräfte ganz allein Generaloberst Guderian die Befehlsgewalt habe.

In diesem Augenblick erschien Oberstlt. Gehrke, der frühere Kommandeur des Wachbtl. Großdeutschland, der eben in Berlin eingetroffen war, in der Ministerwohnung. Er übernahm es sofort die Verbindung zum Fehrbelliner Platz aufzunehmen und festzustellen, auf welcher Seite die gepanzerten Kräfte eingesetzt würden, da ich mir über die Stellungnahme des Generaloberst Guderian nicht im klaren gewesen war. Oberstlt.

Gehrke brachte die Meldung, daß die gepanzerten Kräfte vollkommen auf seifen des Führers stehen.

Während Oberstlt. Gehrke die Lage klärte, rief ich die Ersatz-Brigade Großdeutschland in Cottbus an und bat darum, sofort schwere Waffen insbesondere Schützen-Panzer und Panzer nach Berlin zu schicken. Es erschien auch später ein Btl., das von mir in Rangsdorf aufgehalten wurde, da sich inzwischen die Situation geklärt hatte.

Oblt. Schlee erhielt von mir den Befehl, die Verbindung mit unserer Wache OKW. Bendlerstraße aufzunehmen. Dabei stellte er fest, daß sich in diesem Gebäude eine Anzahl der Verräter befand und dort eine Art Hauptquartier eingerichtet hatte. Auf diese Meldung hin befahl ich dem Oblt. Schlee, sofort mit einer Kompanie zum OKW zu rücken, dort alles abzuschließen und alle Verdächtigen festzunehmen. Unabhängig von dieser Maßnahme ging Oberstlt. Gehrke ebenfalls zum OKW und erschien dort in dem Augenblick, als Generaloberst Fromm eben befreit worden war. Oberstlt. Gehrke wurde auch Zeuge der Festnahme und Erschießung der Verräteroffiziere. Die Erschießungen wurden auf Befehl des Generalobersten Fromm von Angehörigen der Kampfgruppe Schlee durchgeführt. Unmittelbar anschließend fuhr ich selbst ins OKW und veranlaßte in Zusammenarbeit mit den dort eingesetzten SS-Männern die Durchsuchung des Gebäudekomplexes und die Festnahme weiterer verdächtiger Offiziere. Ich selber nahm noch den Adjutanten des Generals Olbricht fest — ein Oberstlt., dessen Name mir entfallen ist. Er befand sich ohne Waffen allein im Zimmer.

Nach meiner Rückkehr ins Propagandaministerium erhielt ich Befehl, mich bei dem inzwischen eingetroffenen Reichsführer Himmler zu melden.

Ich meldete ihm die von mir durchgeführten Maßnahmen, wofür mir der Reichsminister seine Anerkennung aussprach.

Die bei der Kdtr. eingesetzte Kompanie hatte mir im Laufe der Nacht gemeldet, daß General von Hase und Oberstlt. Schöne mit dem Auto vor die Kdtr. gefahren seien und sich jetzt wieder in ihr befänden. Die Kompanie hatte Anweisung erhalten, beide Herren nicht mehr herauzulassen. Wie ich später hörte, soll General von Hase zum Generalkommando gefahren sein. Nach seiner Rückkehr zu Kdtr. schickte Herr General einen Offizier der Absperrkompanie zu mir mit dem Befehl, mich sofort bei der Kdtr. zu melden. Ich lehnte das ab und ließ Herrn General sagen, daß ich hier in Berlin im Auftrage des Führers handele. Ich stellte Herrn General anheim, unter Begleitung zweier Feldwebel der Absperrkompanie zu mir zu kommen. Herr General erschien auch und wurde durch mich bei Herrn Reichsminister Dr. Goebbels angemeldet. Nach dieser Besprechung wurde Herrn General ein Zimmer angewiesen und mir befohlen, dafür zu sorgen, daß Herr General bis auf weiteres dort bleibt. Im Laufe der Nacht ließ mich Herr General einmal zu sich rufen und bat mich, beim Herrn Reichsminister diplomatisch anzufragen, ob er nicht wieder in seine Wohnung gehen könne. Ich habe diesen Wunsch nicht erfüllt. Herr General wurde später durch den Sicherheitsdienst abgeführt.

In den frühen Morgenstunden fuhr ich zur Kdtr. um mich persönlich von den durchgeführten Absperrmaßnahmen zu überzeugen. Ich habe auch kurz mit den Herren der Kdtr. gesprochen und ihnen gesagt, daß ich für die Durchführung meiner Maßnahmen auf Grund eines Gesprächs mit dem Führer berechtigt sei. Sie müssen sich noch einige Zeit gedulden, bis die Lage geklärt sei. Mir fiel auf, daß Major Hajesscn nicht anwesend war. Ich erfuhr, daß Major Hajessen im Laufe der Nacht auf telefonischen Befehl des Oberstlt. i. G. Heise festgenommen wurde. Die Festnahme war durch Oberstlt. Schöne durchgeführt worden. Major Hajessen saß allein in einem ihm zugewiesenen Zimmer der Kdtr. Ich ordnete noch an, daß er von 2 Soldaten bewacht werden sollte.

Wieder zur Wohnung des Herrn Reichsministers zurückgekehrt, hatte sich die Lage soweit geklärt, daß die durchgeführten Sicherheitsmaßnahmen eingeschränkt werden konnten. Ich erhielt von Herrn Reichsminister den Befehl, die noch erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen so durchzuführen, daß sie von der Bevölkerung nicht bemerkt werden können. Deshalb ordnete ich an, daß mit Ausnahme einer Kompanie, die im Garten des Herrn Reichsministers zu verbleiben hatte, der im OKW eingesetzten Kompanie und eines Zuges zur Bewachung der Kdtr., das Btl. wieder zur Kaserne abrückt. x

Gegen 7. 00 Uhr morgens wurde ich zur Kdtr. gerufen, wo der neue stellv. Stadtkommandant, Herr Oberst Manitius, eingetroffen war. Es wurden die dort befindlichen unbeteiligten Offiziere nach Hause geschickt, die im Verdacht der Beteiligung am Putsch stehenden Offiziere vernommen. Vom Offizier der Wache der Kdtr. wurde mir gemeldet, daß noch während der durchgeführten Absperrmaßnahmen der Hauptfeldwebel Ander von seinem Zimmer einen Zettel heruntergeworfen habe, auf dem er mitteilte, daß er während der Nacht den Auftrag erhalten habe, den Inhalt eines Papierkorbes zu verbrennen, in dem sich bis auf kleinste Teile zerrissene Papierstückchen befanden. Die diesbezüglichen Vernehmungen ergaben, daß Befehle und Ausweise sowie eine Karte des Majors Hajessen und von Major Graf Schack vernichtet worden sind. Ebenso wurde festgestellt, daß Oberstlt. Schöne von diesen Dingen Kenntnis hatte. Bemerkenswert scheint mir noch die Tatsache, das Major Hajessen am Dienstag, den 18. 7. erstmalig auf der Kdtr. erschienen war und Herrn General von Hase allein in seiner Wohnung ausgesucht hat. Bei der Vernehmung am Morgen des 21. 7. 1944 fiel mir besonders die sehr große Nervosität des Oberstlt. Schöne auf. Seine vielen offensichtlichen Widersprüche hinterließen einen denkbar schlechten Eindruck. gez. R e m e r

Der Bericht des Oberleutnant Schlee

* Abschrift '4. Wachbtl. Großdeutschland Berlin, den 23. 7. 1944

Dem Wachbataillon Großdeutschland Bericht Am 20. 7. 1944 um 16. 15 Uhr wurde der Kompanie vom Btl. das Stichwort „Walküre“ durchgegeben. Gleichzeitig wurde vom Btl. Ausgangssperre angeordnet. Die Kompanie befand sich zu 80% auf Wache. Der Rest der Kompanie wurde sofort alarmiert und für die kommenden Befehle bereitgestellt.

Gegen 17. 00 Uhr wurde ich zur Offz. -Besprechung zum Kommandeur befohlen. Im Dienstzimmer des Kommandeurs wurde uns eröffnet, daß dem Führer etwas zugestoßen sei und die vollziehende Befehlsgewalt auf das Heer übergegangen wäre. Das Btl. habe den Auftrag, das gesamte Regierungsviertel abzusperren. Besonders wurde vom Kommandeur betont, daß nur seine Befehle auszuführen sind. Ich selbst bekam den Auftrag, zunächst die Hauptwache im Moabiter Block zu verstärken und dann sämtliche von meiner Kompanie gestellten Wachen abzufahren, um die Männer ins Bild zu setzen.

Nach Durchführung der Wachverstärkung Moabiter Block fuhr ich sofort zur Hauptwache OKW Bendlerstraße 13. Dort wurde mir vom wachhabenden Offizier Lt. Arnds, gemeldet, daß die Wache um 16. 15 Uhr auf Befehl des General Olbricht alarmiert wurde und den Auftrag erhielt, alle Ausgänge zu sperren und jeglichen Durchgangsverkehr zu unterbinden. Dieser Befehl ist ihm von einem Hauptmann Klausing im Auftrage des Generals überbracht worden. Lt. Arnds hat den Alarmbefehl sofort an das Btl. weitergemeldet.

Weiterhin meldete mir Lt. Arnds, daß er sich nach Durchführung der Alarmierung befehlsgemäß bei General Olbricht meldete. Dort wurde ihm mitgeteilt, daß der Führer tot sei und das Heer die Befehlsgewalt übernommen habe. Es müsse damit gerechnet werden, daß SS auf Lkws anfahren würde. Die SS sei sofort zu bekämpfen. Herren der SS und der Partei habe die Wache nach vorheriger telefonischer Rücksprache zu ihm, dem General Olbricht, zu bringen.

Der Befehl des Generals Olbricht, die SS zu bekämpfen, ließ mich Furchtbares ahnen und ich fuhr sofort zum Btl. -Gefechtsstand in der Kommandantur zurück. Kurze Zeit nach meinem Eintreffen traf ich dort Major Remer vor dem Kommandantur-Gebäude an. Major Remer nahm mich zur Seite und teilte mir mit, daß er eben bei Reichsminister Dr. Goebbels gewesen wäre. Es handele sich um einen Militärputsch. Daher sei größte Vorsicht geboten. Es dürften nur seine Befehle ausgeführt werden. Vorerst solle ich noch über die tatsächliche Lage schweigen.

Ich fuhr sofort wieder zur Wache OKW zurück und gab Lt. Arnds meine Anordnungen für unser weiteres Verhalten. Dabei hörte ich die Sondermeldung aus dem Führer-Hauptquartier.

Während ich wieder zur Kommandantur zurückfuhr, sah ich,'wie sich Männer unseres Btl. vor der Wohnung des Reichsministers Dr. Goebbels, Hermann-Göring-Straße 20, sammelten. Ich erfuhr, daß der Gefechts-stand des Btl. nunmehr hier sei und begab mich in den Garten des Hauses, wo gerade Reichsminister Dr. Goebbels zum Btl. über den schurkischen Verrat sprach. Nun war alles klar.

Major Remer gab mir Befehl, zur Verstärkung des im Ministergarten zusammengezogenen Btl. die Wache OKW hierher in Marsch zu setzen. Lt. Arnds bekam von mir sofort die dazu notwendigen Befehle. Ein Hauptmann, der am Haupteingang Bendlerstr. 13— 14 zusätzlich zur Überwachung des Personenverkehrs eingesetzt worden war, bat mich, doch erst mal zu General Olbricht zu gehen. Trotz meiner Bedenken tat ich dies, denn ich wollte wissen, was im OKW eigentlich gespielt würde. Lt. Arnds befahl ich, mich mit einem Stoßtrupp wieder herauszuschlagen, falls ich binnen 20 Minuten nicht zurück sei.

Ich wurde in das Vorzimmer des Generals Olbricht geführt. Dort befahl mir Oberst von Mertz meine der Wache gegebenen Befehle nicht auszuführen. Er verbot mir, das Zimmer zu verlassen. Während aber Oberst v. Mertz in das Zimmer zu General Olbricht ging, nutzte ich diesen Augenblick aus, um das Vorzimmer zu verlassen. Ich rannte am Vor-zimmer des Generalobersten Fromm vorbei nach unten zum Ausgang. Dabei sah ich etwa drei bis vier Generale, die sich auf dem Gang aufhielten.

Nachdem ich den Hauptausgang verlassen hatte, lief mir ein Hauptmann nach, der mich unbedingt sprechen wollte. Er sagte mir, daß er gemerkt habe, daß wir die Lage durchschaut hätten. Er sei der Nachrichten-Offz.des OKW und habe die Nachrichten-Zentrale mit eigenen Kräften besetzt. Im OKW befände sich eine Clique von Generalen und Offizieren, welche die Haupträdelsführer des Putsches seien. Alle ihre Befehle habe er noch nicht weitergegeben. Ich versprach ihm sofort verstärkte Hilfe durch uns und fuhr im schnellsten Tempo zum Btl. -Gefechtsstand zurück, um Major Remer die Lage im OKW zu melden und Hilfe heranzuholen.

Major Remer befand sich eben bei Reichsminister Dr. Goebbels. Lt. Hagen vermittelte mir dann, daß ich sofort zu Reichsminister Dr. Goebbels vorgelassen wurde. Dort meldete ich, daß die gesamte Verräter-clique in den Gebäuden des OKW sitzt und schlug vor, alle dortigen Gebäude mit stärkeren Kräften zu besetzen. Reichsminister Dr. Goebbels führte daraufhin sogleich ein Gespräch mit dem Führer, welcher die Erlaubnis zum sofortigen Eingreifen gab. Ich bekam den Befehl, mit meiner 3 5 Mann starken Wache, 2 Zügen der 5. Kompanie und 1 Rad-fahrzeug einer anderen Einheit das OKW zu besetzen und sämtliche Generale festzunehmen. Auf die Meldung hin, daß das OKW bereits durch eine Panzerschützen-Kompanie besetzt sei, welche auf unserer Seite stehe, wurde mein Abmarsch verzögert. Lt. Arnds und Lt. Schady wurden beauftragt, den Führer dieser Einheit festzustellen. Nach kurzer Zeit kam Lt. Arnds wieder zurück und meldete, daß die Panzerschützen-Kompagnie nicht mehr im OKW sei. Nun war höchste Eile geboten. Lt. Arnds besetzte sofort sämtliche Ein-und Ausgänge. Lt. Schady baute auf meinen Befehl mit 70 Mann eine Postenkette um das OKW, so daß ein Ausbruchsversuch nicht möglich war.

Am Haupteingang Bendlerstraße 11— 13 ging es toll zu. Offiziere, welche mit Maschinenpistolen bewaffnet waren, rannten umher und versuchten Befehle zu geben und Anordnungen zu treffen. Im rücksichtslosen Durchgreifen wurde jeder festgenommen, der sich mir widersetzte und in die Pförtnerloge gesperrt. Ein Oberst und ein Oberstleutnant wurden mit Gewalt entwaffnet. Es galt vorerst, möglichst jede Schießerei zu vermeiden, denn ich war mir bewußt, daß der erste Schuß der Auftakt zu einer wüsten Knallerei geworden wäre. Dies wollte ich vermeiden.

Nachdem wir den Haupteingang im Besitz genommen hatten, beauftragte ich ein Kommando von 20 Mann, den Männern der Nachrichten-zentrale zu Hilfe zu eilen. An allen Ausgängen wurden Maschinengewehre aufgebaut.

Nachdem die Sicherung von außen her vollzogen war, konnte ich darangehen, im Innern des Gebäudes aufzuräumen. Da hatten aber bereits treue deutsche Offiziere zur Selbsthilfe gegriffen und Generaloberst Fromm befreit, der von der Verräterclique in ein Zimmer eingesperrt war. Außerdem waren die 5 Haupträdelsführer bereits festgenommen.

Inzwischen war Oberstleunant Gehrke . eingetroffen, der sofort Verbindung mit Generaloberst Fromm aufnahm. Generaloberst Fromm befahl, ein Exekutionskommando zusammenzustellen, um die Verräter sofort zu erschießen. Ich bestimmte Lt. Schady und 10 Unteroffiziere dazu. Die Exekution fand etwa am 21. 7. 1944 um 0. 30 Uhr in einem Hofe des Bendlerblockes statt. Generaloberst Beck hatte sich bereits selbst erschossen. Von unserem Kommando wurden erschossen: General der Inf. Olbricht, Oberst Graf von Stauffenberg, Oberst von Mertz und

Fussnoten

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