Rede auf dem Konservativen Parteitag am 9. Oktober 1954 in Blackpool, England.
Als wir vor drei Jahren wieder an die Regierung kamen, bat ich darum, man möge uns nicht nach unseren Versprechen, sondern nach unseren Leistungen beurteilen. Ich bitte heute um das gleiche, und ich erbitte es mit der Zuversicht, die sich auf Tatsachen und nicht lediglich auf Hoffnungen gründet.
Heute kann ich behaupten, daß sich sowohl unsere materielle Wohlfahrt zu Hause, als auch unser Einfluß und Kredit jeglicher Art im Ausland sichtbar vermehrt haben. Ja, wir haben sogar mehr erreicht, als ich zu hoffen gewagt hatte. Wenige Wochen nach den Wahlen hatte ich gesagt: , Wir werden mindestens drei Jahre brauchen, ehe irgend jemand ein gerechtes Urteil fällen kann, ob durch uns die Dinge besser oder schlechter geworden sind.'
Ein neuer Geist zuversichtlichen Strebens ist in das Land eingezogen. Und Sie hatten recht gestern, dem Mann zuzujubeln, dem dieser echte und entscheidende Erfolg in der Hauptsache zu danken ist — Rab Butler, dem Kanzler des Schatzamtes. Selbstverständlich war für ihn das enge Einvernehmen und Verhältnis, in dem er mit Handelsminister Thorneycroft gearbeitet hat — dessen wirkungsvolle und lebendige Rede auf dem Kongieß am Donnerstag so viel Erfolg erntete —, eine große Stütze.
Unser Ziel ist Freiheit gewesen, nicht Lenkung von oben. Das Rationenbuch ist ebenso in der Versenkung verschwunden wie der Personalausweis. Zwei Drittel der Kriegsverordnungen, die wir übernehmen mußten, sind zum alten Eisen geworfen worden. Das Ausfüllen von Formularen ist heute nicht mehr unser nationaler Zeitvertreib.
Es sind mehr Menschen als je zuvor beschäftigt. In diesem Jahr, so wurde prägnant zum Ausdruck gebracht, aßen, verdienten, verausgabten und ersparten die Männer und Frauen unseres Landes mehr, als unsere Annalen jemals verzeichneten. Niemand hat das besser formuliert als unser Baumeister Macmillan — Wohnungsbauminister Harold Macmillan — in seiner jüngsten Rundfunkrede, und seine Freunde und Mitarbeiter sind besser imstande, als dieses große Auditorium, die Wahrheit den Wählern durch persönlichen Einsatz und durch die macht-volle politische Organisation, die jetzt unter Lord Woolton der Tory-Demokratie zu Diensten steht, vor Augen zu führen.
Ich habe immerfort das Gefühl gehabt, daß Großbritannien und auch die zitternde Welt eine Atempause nötig haben. Heute ist nicht die Zeit für heftige ideologische Kämpfe. Man braucht den produktiven Kräften, die zur Zeit am Werk sind, nur zu gestatten, in einer ruhigen und gesunden Atmosphäre sich zu entfalten und zu wachsen, auf daß sie für alle einen materiellen Wohlstand von einem Ausmaß schaffen, wie er nie zuvor praktisch erreichbo’ war.
Gemeinsame Außenpolitik
Wir leben in einem Lande, in dem das Regieren einer Partei seit Jahrhunderten Gewohnheit ist. Da der liberalen Partei die allgemeine Übernahme so vieler ihrer Ideale zum Unheil ausgeschlagen ist, dürfte sich das Zweiparteiensystem der Konservativen und Sozialisten noch einige Zeit halten. Natürlich gibt es Rivalität und Parteigängertum. Es bestehen enorme doktrinäre Unterschiede zwischen beiden. Die Sozialisten halten die freie Wirtschaft für unfair. Nach unserer Meinung ist die sozialistische Wirtschaft eine gewaltige Fehlrechnung.
Leidenschaften werden erregt. Machtvolle Organisationen lösen Kontroversen aus und greifen sich gegenseitig an. Da aber jede der beiden Parteien mehr als zwölf Millionen Wähler hinter sich hat, müssen sie beide vieles gemeinsam haben. Die britischen Konservativen und Sozialisten begegnen sich im täglichen Leben ohne die gleiche Erbitterung, unter der so oft die Innenpolitik anderer Länder leidet.
Wenn im Interesse der Sicherheit unserer Insel nötig, arbeiten wir zusammen. Das ist nicht nur im Krieg so; wie sie vor ein paar Jahren sahen, unterstützten wir alle notwendigen Maßnahmen, die von der sozialistischen Regierung auf dem Gebiet der Außenpolitik und Verteidigung getroffen wurden, obgleich wir ihre Innenpolitik für unheilvoll hielten Und an dieser Stelle möchte ich erklären, daß Mr. Attlee und Mr. Morrison sowie die Mehrheit ihrer Anhänger — ich glaube, es war die Mehrheit —, unterstützt von den Führern der Gewerkschaften, bei vielen wichtigen Gelegenheiten Festigkeit und Konsequenz im Zusammenhang mir unserer Außenpolitik gezeigt haben, für deren allgemeine Kontinuität sie zweifellos mitverantwortlich sind.
Es tut mir leid, daß Mr. Attlee keinen größeren Erfolg mit seiner Auslandsreise hatte. Aber selbst unsere Fußballmannschaft hat einen schweren Schlag in Moskau erlitten — und sie hatte niemals vor, nach China zu gehen. Sie stellte natürlich nicht die erste Mannschaft Großbritanniens dar — aber das gilt vielleicht für Mr. Attlees Mannschaft ebenfalls. Die Poli-tiker haben jedenfalls einige Dinge gesagt, die nicht gerade förderlich für unsere Angelegenheiten waren, aber wir freuen uns alle sehr, daß sie gut wieder nach Hause gekommen sind, und wir hoffen, daß sie das nächste Mal mehr Erfolg haben werden.
Fremde Völker — die, die uns freundlich, und die, die uns nicht so freundlich gesonnen sind — sollten sich darüber klar sein, daß ein Kern von Stärke und der Einigkeit in unserem Inselvolk und im ganzen britischen Commonwealth besteht, mit dem man in allen gegenwärtigen Schwierigkeiten und Sorgen rechnen kann und muß.
Ziele und Grundsätze der Konservativen Partei
Vor diesem Hintergrund also möchte ich jetzt die leitenden Ziele und Grundsätze der Konservativen Partei bekanntgeben. Wir treten ein für die Aufrechterhaltung der nationalen und der individuellen Freiheit in Übereinstimmung mit den altbewährten Gesetzen und Sitten unserer Insel. Wir glauben, wie der Innenminister gestern sagte, daß der Staat dem Volk gehört und nicht das Volk dem Staat. Als Grundlage hierfür bemühen wir uns, eine auf Eigentum beruhende Demokratie zu entwickeln. Wir begrüßen die wachsende Bereitschaft großer Industriebetriebe, Gewinnbeteiligung und Miteigentum einzuführen, durch die es den Arbeitern ermöglicht wird, Eigentümer eines Teils der Früchte ihrer Arbeit zu werden.
Wir sind der Ansicht, daß eine stetige Erhöhung des Lebenstandards die beste Antwort ist auf die schäbige Gleichmacherei, deren Apostel niemandem außer sich selber einen höheren Verdienst gönnen. Wir sind entschlossen, den Lebensstandard aufrechtzuerhalten, den die Menschenwürde verlangt und unter den niemand absinken darf. Wir suchen die Mittel, ihn Jahr für Jahr immer mehr zu heben. Dies kann nur gelingen, wenn Unternehmungsgeist, Fleiß, Anstrengung, Erfindungsgeist und Geschick in ungewöhnlichem Maße entwickelt werden. Wie sehr diese Eigenschaften unser Volk auszeichnen, wird heute in der ganzen Welt anerkannt. Anreiz und freie Bahn müssen unsere Parolen sein.
In der Industrie wird ein Ausdruck häufig gebraucht, der meinen Gedankengang gut veranschaulicht — . Leistungslohn'. Er bezeichnet die Anerkennung ungewöhnlichen Könnens, Verantwortungsbewußtseins und Eifers und ist daher einer der Schlüssel zum Fortschritt. Die hervorragende industrielle Bedeutung unseres Landes ist weitgehend auf die rühmlichst bekannte Qualitätsarbeit unserer Arbeiter zurüdezuführen.
Die Belohnung außergewöhnlichen Könnens und Arbeitseifers spielte und spielt eine wichtige Rolle als Anreiz zur Erhöhung der Quantität und Qualität unserer Produktion.
Die Frage der Altersrenten
Ich komme jetzt auf etwas, worüber man nicht sehr glücklich sein kann — im Gegenteil: das drückende Unrecht und Ungemach, das den Altersrentnern und anderen Menschen, die sich in einer ähnlichen Lage befinden, durch das Absinken der Kaufkraft des Geldes während der Herrschaft der Sozialistischen Partei von 1945 bis 1951 zugefügt wurde. Wir haben dieses Übel bisher nur zum Teil beheben können durch die Aufbesserung um eine halbe Krone, die der Schatzkanzler im Jahre 1952 bewilligte. Wir werden unsere Aufgabe vollenden, sobald wir den Bericht unseres Fachausschusses erhalten, der seit einiger Zeit die Probleme der Altersversorgung einer Bevölkerung bearbeitet, deren Lebenserwartung gestiegen ist.
Die Frage der Altersrenten wird das Parlament während der kommenden Sitzungsperiode eingehend beschäftigen. Es erscheint mir merkwürdig, daß die Sozialistische Partei während der sechs Jahre, in denen sie so viel Geld ausgegeben und sich selbst als Wegbereiter eines kollektivistischen LItopien — des Anbruchs einer neuen Welt — dargestellt hat, bis wenige Monate vor der letzten Wahl, der Verminderung um mehr als fünf Schilling im tatsächlichen Wert der Altersrenten und anderer Renten hilflos zugesehen hat.
Eine leichtsinnige Inflation der Währung hat diesen Verlust gerade der Klasse auferlegt, deren Schutz, wie man annehmen könnte, für diese Minister eine besondere Verpflichtung gewesen sein müßte. Jetzt stellen sie sich als deren Verteidiger hin. Noch heute morgen behauptete ihr Parteiorgan, daß die Altersrentner der hilfloseste Teil der Bevölkerung seien. Aber als sie sechs Jahre an der Macht waren, haben sie sich einer gleichgültigen und ungerechten Vernachlässigung schuldig gemacht. Das war nicht nur ein Unglück, sondern eine Ungerechtigkeit. Unter dem System der Sozialversicherung leistet jeder einen Beitrag, und eine spürbare und anhaltende Verminderung dessen, was sich der einzelne im Austausch gegen seinen Beitrag kaufen kann, ist ein moralischer Treubruch gegenüber einem System des Zwangsparens.
Es ist richtig, daß es auch noch das System der Sozialfürsorge gibt. Als Maßnahme der Menschlichkeit gegenüber den Schwachen, Unglücklichen und Armen ist sie noch immer unerläßlich. Aber es ist stets der leitende Gedanke der Sozialversicherung gewesen — und ich spreche über Dinge, die mir bekannt sind —, an die Stelle von Unter-Stützungszahlungen, deren Grundlage unvermeidlich eine Überprüfung der jeweiligen persönlichen Verhältnisse sein muß, ein vom Staat und vom Arbeitgeber unterstütztes System des Sparens zu setzen. Eine auf der Sozialversicherung und auf dem privaten Sparen aufgebaute Gesellschaftsordnung ist vernünftiger, gesünder und wertvoller als eine Gesellschaftsordnung, deren Grundlage die öffentliche Fürsorge und die Überprüfung der jeweiligen persönlichen Verhältnisse bildet, die aber selbstverständlich für Not-und Ausnahmefälle bestehenbleiben muß. Das ist jedenfalls die von der konservativen Demokratie und vom Liberalismus vertretene Politik.
Seitdem wir vor drei Jahren die Regierungsgewalt übernommen haben, waren wir bestrebt, durch Erhöhung der Renten das Übel zu mildern. Jetzt hat der Schatzkanzler unsere Zahlungsfähigkeit und Wirtschaftskraft so weit wiederhergestellt, daß er das Unrecht beseitigen kann, das den Altersrentnern und anderen gleichgestellten Gruppen während der sozialistischen Regierungszeit zugefügt worden ist. Das wollen wir jetzt tun.
Die Weltlage
Und nun muß ich Sie bitten, mit mir einige Aspekte der allgemeinen Weltlage zu betrachten, in denen uns eine Rolle zufällt und von denen unser aller Leben abhängt. Ein großer Teil der Sozialistischen Partei versucht gegenwärtig, angespornt durch die kommunistische Propaganda, Stimmen und Popularität zu gewinnen, indem er jene Gefühle der Bitterkeit und des Hasses aufwühlt und nährt, die in uns allen durch die furchtbaren Greuel erweckt wurden, deren Urheber und Spiritus rector Hitler war. Sie wären niemals geschehen, wenn er sich nicht zum Diktator Deutschlands aufgeschwungen hätte. Völker, die sich in die Fesseln der Diktatur und der totalitären Tyrannei legen lassen, können den Folgen ihrer Gedankenlosigkeit und Torheit nicht entrinnen, und die Deutschen haben dafür schwer büßen müssen.
Es ist die Grundlage und das oberste Ziel der britischen, amerikanischen und auch der französischen Verfassung, die Nation dagegen zu sichern, in die Gewalt von Diktatoren oder Oligarchien zu geraten. Wir in Großbritannien sind nicht mehr vor dieses Problem gestellt. Wir haben andere Probleme und sind vor dieser Art von Gefahr sicher. Aber die Vergehen und Fehler von Völkern sind etwas ganz anderes als die in ihrem Namen von Diktatoren begangenen Verbrechen, die die Tyrannei ihres persönlichen Willens mit Gewalt aufrichten und durch Furcht erhalten.
Es wäre für die gesamte Menschheit verhängnisvoll, Wollte sie sich, veranlaßt durch die harten Lehren der Erfahrung, in ihrem Denken und Handeln von Gefühlen des Hasses und der Rache gegenüber ganzen Nationen und Völkern beherrschen lassen wegen der Taten eines Tyrannen, von dem diese irregeleitet, eingeschüchtert und mund Burke hat gesagt: Ich kenne kein Verfahren der Anklageerhebung gegen ein ganzes Volk.'
In mächtigen, hochorganisierten Staaten werden viele Millionen einfacher Männer und Frauen mitgerissen durch die Ereignisse, durch die Obrigkeit und durch das Gefühl, ihr Land — es mag im Recht oder Unrecht sein — nicht im Stich lassen zu können. Idi persönlich glaube, daß die Masse der Menschen in allen Ländern gutherzig und anständig ist, daß sie ihr Leben in einem gutnachbarlichen Verhältnis zum Mitmenschen führen will. Nur Vernichtung harrt der Welt, wenn Länder mit vielen Millionen Menschen verführt werden und sich verführen lassen, beherrscht von Haßgefühlen gegen andere riesige Massen verwirrter Sterblicher durchs Leben zu gehen.
Mögen die Diktatoren, deren Verworfenheit die furchtbaren Taten geboren hat — Taten, die ohne ihre despotische persönliche Macht niemals geschehen wären —, ihr schreckliches Andenken in die Geschichte eingehen lassen! Möge Hitler seine Schande mit sich in die Hölle nehmen! Mögen sich die Völker die Hand der Freundschaft und des Verzeihens reichen und gemeinsam in Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden durch die Geheimnisse des Lebens schreiten!
Doch nicht nur auf Deutschland und auf Hitler wende ich in der gegenwärtigen gewaltigen Krise im Weltgeschehen und vielleicht im Schicksal der gesamten Menschheit diese Gedanken an. Stalin war viele Jahre lang der Diktator Rußlands, und je länger ich seine Laufbahn verfolgte, desto mehr erschreckten midi die furchtbaren Fehler, die er machte, und die völlige Rücksichtslosigkeit, die er den Menschen und den Massen gegenüber bewies, mit denen er umging.
Stalin war unser Verbündeter gegen Hitler, als dieser in Rußland einfiel; aber als Hitler vernichtet war, machte sich Stalin zum hauptsächlichen Gegenstand unserer Furcht. Nachdem unser gemeinsamer Sieg errungen war, spaltete sein Verhalten die Welt von neuem. Er schien vom Traum der Weltherrschaft geblendet. Tatsächlich drückte er ein Drittel Europas zu sowjetischen, zwangsweise kommunistischen Satelliten herab.
Das waren tragische Ereignisse nach allem, was wir durchgemacht hatten. Doch vor anderthalb Jahren ist Stalin gestorben — das ist sicher —, und seit diesem Ereignis hege ich die Hoffnung, daß eine neue Haltung in Rußland vorhanden ist, eine neue Aussicht auf ein friedliches Nebeneinanderleben mit dem russischen Volk, und ich halte es für unsere Pflicht, geduldig und kühn uns zu vergewissern, ob eine solche Wandlung stattgefunden hat oder nicht. Solange Leben und Kraft in mir ist, werde ich hiermit fortfahren, obwohl ich ebenso wie Mr. Eden meine, daß die sowjetische Haltung in bezug auf Deutschland und Österreich gegenwärtig weit davon entfernt ist, ermutigend zu sein.
Die Londoner Konferenz
Einer Gefahr jedoch dürfen wir uns niemals aussetzen. Unsere Politik heißt . Frieden durch Stärke'. Wir dürfen niemals bewußt oder unbewußt die Gefahr einer . Unterwerfung durch Schwäche'laufen. Unsere Stärke kann nur auf die Eintracht, die Bereitschaft und die Wachsamkeit der freien Nationen der Welt gegründet werden. Die Avantgarde dieser Gemeinschaft von Staaten und Völkern, die den größten Teil der Menschheit umfaßt, bilden die neun Mächte, die in der vergangenen Woche unter dem Vorsitz Mr. Edens in London zusammengetroffen sind.
Für die Politik Großbritanniens trägt das Kabinett, das in jeder Phase der Entwicklung befragt wurde, die volle Verantwortung. Ich meine, Lord Beaverbrook war ziemlich ungerecht gegen mich, als er mir meinen Anteil an der Schuld absprach. Aber es besteht kein Zweifel, daß die Initiative, die zur Londoner Konferenz führte, von unserem Außenminister ausging, der durch ganz Europa gereist ist, um die Konferenz möglich zu machen. Ohne seine Energie und Kühnheit hätte die Londoner Konferenz nicht stattgefunden, und ohne seine Kenntnisse und seine Erfahrung, seinen Takt und seine Geschicklichkeit hätte sie nie zu ihrem glücklichen Abschluß gelangen können.
Idi bin zutiefst überzeugt, daß dieses Abkommen sehr wohl ein Denkmal und ein Meilenstein werden kann auf unserem Weg zu jenem friedlichen Nebeneinanderleben, das unser Herzens-wunsch ist und in dessen Rahmen vielleicht ein dauerhafter Weltfrieden sicher begründet werden kann. Dieses Abkommen wird in der Tat, wenn es fair behandelt wird, der bedeutendste in jener Reihe der Erfolge sein, durch die sich die Führung des Foreign Office in letzter Zeit ausgezeichnet hat.
Die militärischen Streitkräfte herkömmlicher Art, über die die NATO-Mächte verfügen, sind natürlich weit geringer als die Rußlands, und die Sowjets brauchen ihren Angriff nicht zu befürchten. Tatsächlich besteht kein Zweifel, daß Ruß-land ganz Europa überrennen und das Leben der Britischen Inseln unmöglich machen könnte, wenn nicht die Vereinigten Staaten heute jene Überlegenheit in den Atomwaffen besäßen, die, solange sie aufrechterhalten wird, meiner Über-zeugung nach ein entscheidendes Mittel der Abschreckung vor einer kommunistischen Aggression ist.
Ich muß Sie daran erinnern, was ich vor einem Jahr auf unserem Parteikongreß in Margate gesagt habe: , lch bin sicher, daß die von der sozialistischen Regierung getroffenen Entscheidungen, die von uns damals unterstützt wurden und die heute von Ihrer Majestät Regierung konsequent und nüchtern weiterverfolgt werden, die beste Chance — ich glaube sogar eine gute Chance — bieten, ohne eine Weltkatastrophe durch diese furchtbare Periode der Sorge zu kommen. Wir jedenfalls werden loyal an ihnen festhalten und unser Äußerstes tun, die Bildung der Europa-armee unter Einschluß eines starken deutschen Kontingents zu fördern. Wir werden, ebenso wie die Amerikaner, unsere Streitkräfte in Europa belassen und auf diese Weise für die Franzosen das Gleichgewicht mit unseren deutschen Partnern wiederherstellen. Falls die EVG von den Franzosen nicht angenommen werden sollte, werden wir, wenn wir weitblickend sind, keine andere Wahl haben, als einer neuen Abmachung beizupflichten, die durch eine gewisse Neuordnung der NATO-Streitkräfte das Potential Deutschlands mit dem der westlichen Alliierten verbindet.'
Die Vereinigten Staaten
Ich bin damit einverstanden. Das ist es in der Tat, was wir heute tun, wenn wir den Brüsseler Vertrag von 1948 mit dem System der NATO verknüpfen, in deren Rahmen die Vereinigten Staaten ihre große, ja überwältigende Macht für die Unterstützung und den Schutz Europas zur Verfügung stellen.
Ohne diese Hilfe auf dem Kontinent könnte das Vorrücken des sowjetischen Kommunismus der bereits die Satellitenstaaten geschluckt hat, unaufhaltsam weitergehen, durch Einsickerung und Intrige, mit der Gewalt im Hintergrund, bis die Verzweiflung in den zivilisierten Ländern Europas einen Erdrutsch in die Unterwerfung herbeiführt. Ich habe stets geglaubt, daß die Entwicklung immer engerer Bande mit den Vereinigten Staaten, mit denen wir und unsere Schwesterstaaten des Commonwealth durch Sprache, Literatur und Recht verbunden sind, der wichtigste Faktor für unsere Zukunft ist und daß wir, die englisch sprechende Welt zusammen, der Welt für uns und alle anderen Sicherheit geben können.
Es gibt keinen anderen Fall einer Nation, die auf dem Gipfel der Weltmacht angelangt, keinen territorialen Gewinn sucht, sondern aufrichtig entschlossen ist, ihre Stärke und ihren Reichtum für die Sache des Fortschritts und der Freiheit zu gebrauchen. Hätte diese Vorstellung den amerikanischen Regierungen vor fünfzig Jahren vor Augen gestanden, dann wären wir alle, sie selber mit eingeschlossen, vielleicht den beiden furchtbaren Weltkriegen entgangen, die solches Elend über unsere Generation gebracht und das 20. Jahrhundert zur bei weitem tragischsten Epoche seit dem Fall des Römischen Reiches vor 1500 Jahren gemacht haben.
Wenn Amerika sich in die Isolierung zurückzöge, so würde das ganz Europa zur Unterjochung durch den russischen Kommunismus und unsere berühmte und geliebte Insel zum Tod und Untergang verdammen. Trotzdem hat ein Politiker, der in einem britischen Kabinett ein Amt besaß und der eines Tages Führer der Labour-Partei zu werden hofft, vor einem halben Jahr nicht gezögert, den Amerikanern zu sagen, sie sollten , es im Alleingang machen'. Man kann sich kein verhängnisvolleres Unglück vorstellen, als daß dieser üble Ratgeber auf der anderen Seite des Atlantiks beim Wort genommen würde.
Es wird in den Vereinigten Staaten bereits nicht wenig von einer Rückkehr in die Isolierung gesprochen, und diese Politik wird mit dem Wort . Festung Amerika'bezeichnet. Wir können indessen sicher sein, daß die stärksten, weisesten Kräfte drüben alle, gleichgültig welcher Partei.