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Die Führung in der Weltpolitik | APuZ 36/1954 | bpb.de

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APuZ 36/1954 Die Führung in der Weltpolitik Zwischen Dulles und Nehru

Die Führung in der Weltpolitik

W. Averell Harriman

Mit Genehmigung des Verlages entnehmen wir der amerikanischen Zeitschrift „FOREIGN AFFAIRS“ (Juli 1954) den folgenden Artikel von W. Averell Harriman:

Sieben Jahre sind es nun her, seit die Vereinigten Staaten in einer Zeit des Friedens einen positiven und aktiven Kur» in der Führung der Welt einschlugen, um die Freiheit zu bewahren und einen neuen Weltkrieg zu vermeiden. Das entscheidende Datum war der 12. März 1947, als Präsident Tnman den Kongreß ersuchte, Griechenland und der Türkei 400 Millionen Dollars für wirtschaftliche, militärische und beratende Hilfe zu gewähren, und als er die sogenannte Truman-Doktrin proklamierte, daß es nämlich die Politik der Vereinigten Staaten sei, freie Völker in ihrem Kampfe gegen Unterdrückung durch bewaffnete Minderheiten und durch Druck von außen zu unterstützen. Alle, die lange und angstvoll aur diesen historischen Wendepunkt gewartet hatten, werden die Begeisterung jener Frühlingstage im Jahre 1947 nie vergessen. Nachdem die Entscheidung gefallen war, überkam mich ein Gefühl großer Erleichterung. Wie aus den „Tagebüchern Forrestals“ (Forrestal Diaries) zu ersehen ist, verfolgte ich die Entwicklung sowjetischer Politik und Haltung während des Krieges und in der danach folgenden Zeit mit wachsender Unruhe. Ich war zur Überzeugung gelangt, daß der sich immer klarer abzeichnende sowjetische Plan, die kommunistische Kontrolle auch auf die vom Kriege schwer mitgenommenen Länder Europas und Asiens auszudehnen, wohl Erfolg haben dürfte, wenn nicht die Vereinigten Staaten ihren großen Einfluß und ihre Hilfsquellen zur Stärkung der europäischen Gebiete aufbieten würden. Aber meine Befürchtungen schwanden dahin, als die Entscheidung des Präsidenten die schnelle Unterstützung beider Parteien im Kongreß und auch der Nation erhielt.

Es war keine Zeit mehr zu verlieren.

Die sowjetisch-kommunistische Bedrohung war unmittelbar, offenkundig und umfassend; die freie Welt war nicht geeint, und die meisten ihrer Staaten waren außerordentlich schwach. Im Jahre 1946 hatten die Vereinten Nationen der sowjetischen Bedrohung Persiens Einhalt geboten, aber die Bedrohung Griechenlands und der Türkei, die wachsende kommunistische Tendenz in Westeuropa, der kommunistische Staatsstreich in der Tschechoslowakei, die Berlin-Blockade und der kommunistische Sieg in China im Jahre 1947 und in der Zeit danach — alle diese Ereignisse verdeutlichten die ebenso aktuelle wie auch permanente Gefahr. Die kommunistische Lehre und die von den kommunistischen Führern offen eingestandenen Absichten, die Stalin in seiner Rede vom 9. Februar 1946 besonders betonte, erlaubten keinen Zweifel darüber, daß Freiheit und Unabhängigkeit auf unabsehbare Zeit bedroht sein würden. Der kommunistische Angriff auf Korea bestätigte diese These nur.

Eine amerikanische Initiative folgte der anderen: Marshall-Plan, Punkt IV-Programm, Berliner Luftbrücke, militärisches Hilfsprogramm, Bündnis der Nordatlantikpaktstaaten und Aufbau der vereinten NATO-Militärstreitkräfte in Europa, Pazifik-Pakt und erfolgreicher Widerstand in Korea. Dabei blieb keine Wahl oder Diskussion zwischen kurzfristigen und langfristigen politischen Maßnahmen, denn als Damm gegen die aktuelle und zukünftige Gefahr mußten Bündnisse, Streitkräfte und eine wirtschaftliche Widerstandskraft aufgebaut werden. Wo doch eine Wahl zu treffen war, mußte unbedingt der kurzfristigen Planung der Vorzug gegeben werden, denn der Aufbau einer gemeinsamen militärischen, politischen und wirtschaftlichen Schutzmauer war notwendig, um die Lust auf einen unmittelbaren militärischen Angriff zu nehmen und um Zeit für die Durchführung von Verteidigungsmaßnahmen gegen langfristige politische, wirtschaftliche und psychologische kommunistische Einwirkungen zu gewinnen.

In den letzten Monaten des Jahres 1952 läutete die Glocke die erste Runde des kalten Krieges ein. Das tatkräftige Vorgehen der Vereinigten Staaten hatte zur Folge, daß dem entsetzlichen Vordringen des Kommunismus Einhalt geboten wurde mit Ausnahme in der Tschechoslowakei, wo die Regierung von Anbeginn an schwach war, weil in ihr auch Kommunisten vertreten waren und sie im Schatten der Roten Armee lebte, und mit Ausnahme Chinas, wo Wille und Vermögen zum Widerstand nicht mehr in Einklang miteii. ander standen. In Korea wurden die Kommunisten auf ihre nördlichen Ausgangspositionen zurückgeworfen. In Indochina dauerte der seit sieben Jahren geführte Krieg unverändert fort; erst ein Jahr später bewirkte die den Kommunisten von China und der Sowjetunion in steigendem Maße gewährte Unterstützung eine Intensivierung des Krieges. Aber an anderen Punkten der Welt, besonders in Europa, waren die freien Nationen stärker geworden, waren enger zusammengerückt und hatten neue Zuversicht in die Zukunft gewonnen.

Tatsächlich gaben Stalin und Malenkow auf dem kommunistischen Parteikongreß in Moskau im Oktober 1952 den Fehlschlag ihrer Pläne zu, die Grenzen sowjetischer Herrschaft durch die Anzettelung eines baldigen Krieges mit den großen Widersachern und Anstiftung einer sofortigen Revolution im Westen zu erweitern. Sie verkündeten, daß der Sowjetblock jetzt so groß, so stark und so autark sei, daß ein Krieg zwischen Kommunismus und Kapitalismus nicht länger erforderlich sei, daß indessen der kommunistische Sieg innerhalb längeren Zeitraums durch sofortiges Nachlassen des Druckes auf Europa, durch Förderung der politischen und militärischen Uneinigkeit in der nicht-kommunistischen Welt und ihrer wirtschaftlichen und sozialen Unterhöhlung errungen werden könne, während gleichzeitig die monolithischen industriellen und militärischen Kräfte der Sowjetunion ständig voranzutreiben seien. Nach dem Moskauer Kongreß ließen die internationalen Spannungen nach. Nicht etwa, daß der Westen den Worten der sowjetischen Führer Glauben geschenkt hätte, aber die objektive Weltlage vermittelte den Eindruck, als ob sich der Kreml dem Zwang der Notwendigkeit gebeugt hätte. Zu jener Zeit verstärkte die sowjetische Haltung in der ganzen westlichen Welt den Eindruck, daß die militärischen Verteidigungsmaßnahmen und die politische Einheit des Nordatlantikpaktes, der Wirtschaftsaufbau Europas und die Durchschlagskraft der amerikanischen Luftstreitkräfte, die von neuen europäischen und nordafrikanischen Luftstützpunkten aus operierten, einen Grund der Stärke erreicht hätten, der einen baldigen militärischen Angriff oder eine kommunistische Unterwanderung Europas zunichte machen würde. Es bestand die Hoffnung, daß sich als Folge die Lage zwischen Ost und West wenigstens vorübergehend festigen würde.

In der ersten Hälfte des Jahres 195 3 erfuhr die Weltlage einen tiefgreifenden Wandel. Der sowjetische Druck lastete tatsächlich etwas weniger, einige kleine Gesten erfolgten gegenüber der westlichen Einstellung und das Ergebnis war, daß sich überall in der nicht-kommunistischen Welt die Furcht verminderte. Diese dramatische Wendung der Dinge fiel zeitlich mit dem Auftreten einer neuen Führung in Washington und Moskau zusammen: Seit 20 Jahren der erste Wechsel in der politischen Führung der Vereinigten Staaten und das Auftauchen neuer führender Persönlichkeiten in der Sowjetunion nach Stalins Tod in den ersten Märztagen 195 3. Seit eineinhalb Jahren leben wir nun in einer neuen Phase der Nachkriegsentwicklung.

Politik der Einsparungen Ein besonderes Wcsensmerkmal der amerikanischen Politik der letzten eineinhalb Jahre war der Versuch, durch wohlüberlegte Kürzungen neuartige und tragbare Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung unserer Verteidigungslasten zu finden. Selbst auf die Gefahr hin, durch eine zusammengefaßte Darstellung die Fragestellung zu überspitzen, sollen hier doch einige der versuchten Kürzungen angeführt werden.

Das Tempo des militärischen Aufbaus wurde verlangsamt, ungeachtet des wachsenden sowjetischen Militärpotentials, der wiederholten Warnung der sich ablösenden US-Befehlshaber der europäischen NATO-Streitkräfte, daß unsere Verteidigungsmaßnahmen noch nicht den Anforderungen entsprächen, und der zunehmenden Intensität der kommunistischen Angriffe in Asien. Im Jahre 1953 schien es unangebracht, in unseren Anstrengungen naebzulassen; die weiteren Abstriche von unserem Militärbudget des Jahres 1954 scheinen noch unangebrachter zu sein. Der Kreml hat auf die liebliche Musik der „friedlichen Ko-Existenz“ in Europa umgeschaltet, während er gleichzeitig in Asien vorwärtsstürmt. Wir sollten aus dem Verhalten der Sowjetunion wenigstens das eine gelernt haben, daß sie jede lokale Schwäche — sei sie militärisch oder politisch — prüfen und ausnutzen wird. Jede Schwäche stellt nur eine Einladung an die Kommunisten zu weiteren Abenteuern dar.

Unsere laufende Verteidigungspolitik und unsere Diplomatie wurden weitgehend von dem Gedanken beeinflußt, daß der Besitz der Atomwaffen uns stark mache. Da wir in der Lage sind, eine „massive Vergeltung“ zu dem Zeitpunkt und an den Orten zu üben, die wir bestimmen — so dachten wir ungefähr — können wir es uns leisten, Einsparungen an verschiedenen Verteidigungswaffen vorzunehmen, die in einem konventionellen Verteidigungskrieg für begrenzte Ziele in weit verstreuten Orten eingesetzt werden. In der Diskussion, die sich über die Doktrin der „sofortigen Vergeltung“ entwickelte, wurde betont — und ich bin der gleichen Ansicht — der Gedanke sei völlig illusorisch, daß wir, eine friedliebende und demokratische Nation, mit Wasserstoffbomben oder auf andere Art einen Angriffskrieg beginnen würden. Das entspräche weder unserem Charakter, noch unserer Tradition, noch dem, was politisch überhaupt möglich sei.

Außenminister Dulles ließ die Frage der Wiedervergeltung mit Atomwaffen anläßlich lokaler Feindseligkeiten offen in der Hoffnung, dadurch auf einen sowjetisch-rotchinesischen Angriff abschreckend zu wirken. Aber die Überbetonung der Atom-und Thermonuklearwaffen beunruhigt auch jene, die darauf vertrauen, daß wir niemals einen Krieg beginnen werden; denn sie werden inne, daß sich das Potential unserer konventionellen Defensivwaffen und die Wirksamkeit unserer Diplomatie vermindert haben; und diejenigen, die tatsächlich fürchten, unsere Politik könnte zu einer umfassenden Wiedervergeltung mit Atomwaffen auch ohne einen direkten Angriff auf uns oder unsere Alliierten führen, sind entsetzt und abgestoßen.

In Indochina haben wir die Erfahrungen gemacht, daß hier eine Verteidigungspolitik und eine Diplomatie, die auf dem Gedanken der Stärke durch Bomben beruhten, sichtlich nicht den Gegebenheiten entsprochen haben. Am Ende der koreanischen Feindseligkeiten mußten wir uns sagen, daß der kommunistische Druck auf Indochina sich verstärken würde. Trotzdem bauten wir unser Militärpotential ab und verminderten unsere Streitkräfte im Fernen Osten. Der Gedanke eines südostasiatischen Verteidigungspaktes existiert schon fast zwei Jahre. Die rapide Verschlechterung der französischen Situation in Indochina veranlaßte seine plötzliche Wiederaufnahme. Unsere Alliierten waren mit der Idee wohl vertraut, gaben aber zu bedenken, daß die Anpassung an die verschiedenartigen Interessen der asiatischen Staaten, deren Teilnahme für die Lebensfähigkeit des Paktes von ausschlaggebender Bedeutung sein würde, Zeit erfordere. Es war auch nicht im entferntesten daran zu denken, daß der geplante Pakt Dien Bien Phu retten könnte. So mußten sich die Vereinigten Staaten plötzlich mit dem Problem auseinander-setzen, ob sie mit Frankreich als einzigem Bundesgenossen direkt in den Indochinakrieg eingreifen wollten (die Engländer weigerten sich, vor Ende der Genfer Konferenz etwas zu unternehmen). Wir stellten plötzlich fest, daß wir bei unserer neuen militärischen Planung vergessen hatten, an die Beschaffenheit der Wälder zu denken, die wir eines Tages eventuell durchqueren müßten.

Über die Konsequenzen dieses Versuches einer Politik mit unzulänglichen Mitteln für das Schicksal Südostasiens läßt sich heute noch nichts sagen, aber sie könnten schwerwiegend sein.

Unser Prestige und unsere führende Stellung in der Weltpolitik haben einen starken Rückschlag erlitten. Noch stärker aber dürften die Rückwirkungen der Entscheidungen im April und Mai auf die westliche Allianz sein.

In einem Artikel über unsere Führungsprobleme dürfen nicht die Fehler verschwiegen werden, die nach unserer Ansicht andere Länder gemacht haben. Es ist zum Beispiel klar, daß dieFranzosen unrealistisch handelten, als sie nicht schon vor längerer Zeit den indochinesischen Staaten die Unabhängigkeit gewährten. Die Briten hingegen besinnen sich nach unserer Ansicht zu lange, ehe sie Schwierigkeiten aus dem Wege räumen, die für uns kein Problem darstellen würden. Zwischen Alliierten wird es immer verschiedenartige und sich manchmal überschneidende nationale und übernationale Interessen, Planungen und Urteile geben. Es ist Aufgabe der amerikanischen Diplomatie, solcher Schwierigkeiten durch Verhandlungen und nicht durch die Ankündigung politischer Maßnahmen Herr zu werden, die andere Länder dann befolgen sollen. Es gibt Zeiten, in denen die Interessen unsere Landes ein kühnes Verhalten von uns fordern und wir die anderen fragen müssen, ob sie uns folgen wollen. Dann müssen wir aber auch bereit sein voranzugehen, ganz gleich, wer uns folgt. Aber wenn einheitliche Maßnahmen erforderlich sind, ist es Sache der Führung, ein Übereinkommen und gemeinsame Maßnahmen zu ermöglichen. Dies bringt oft mit sich, daß die führende Nation im Interesse positiver Ergebnisse Opfer an politischem Kredit im In-lande bringen muß.

Lange Zeit war die Grundlage unserer Sicherheit die Einigkeit mit unseren Alliierten — Einigkeit in der geistigen Haltung, im Ziel und in den Maßnahmen — und die Einigkeit war die Frucht geduldiger Diplomatie, gegründet auf gegenseitigem Vertrauen und Verständnis. Die ganze Kreml-Politik konzentriert sich darauf, die westliche Allianz zu spalten, einen gegen den anderen auszuspielen, uns in einen Bruderzwist zu hetzen und uns auf diese Weise militärisch, wirtschaftlich, politisch und moralisch zu schwächen, während die Sowjetunion, in erzwungener Einheit brutal zusammengehalten, zielstrebig auf dem Wege zur Weltherrschaft vorwärtsstürmt.

Der Gradmesser unserer Führungsqualitäten ist unsere Fähigkeit, die Einheit in der freien Welt aufrecht zu erhalten. Dies erfordert mehr als Bomben und Kühnheit; es erfordert Weisheit, moralische Anziehungskraft, Feingefühl für die Psychologie anderer und die Bereitwilligkeit, Meinungsverschiedenheiten mit Ausnahme moralischer Fragen zu schlichten.

Sicherung wirtschaftlicher Ausdehnung

INHALT DIESER BEILAGE

Gegenwärtig tragen die Maßnahmen und die Politik der Vereinigten Staaten in nur geringem Maße der Tatsache Rechnung, daß sich vor eineinhalb Jahren der sowjetisch-kommunistische Hauptangriff auf die freie Welt (mit Ausnahme Indochinas) auf das wirtschaftliche, politische und psychologische Feld verlagert hat, obgleich die latente militärische Gefahr unvermindert anhält, und daß dieser Angriff kraftvoll und gefährlich vorgetragen wird, und es schwierig ist, ihm zu begegnen, und das starke neue Gegenkräfte mobilisiert werden müssen. Es scheint die vorherrschende Philosophie der Regierung zu sein, sich weitgehend auf das automatische Funktionieren des Welthandels zu verlassen, der der Wirtschaft der freien Welt Wachsen und Gedeihen sichert. Aber der Weltmarkt erfüllt die Erwartungen nicht. So wird z. B.der soziale und politische Fortschritt in den unterentwickelten Gebieten dem Welthandel in einer Zeit überlassen, in der kommunistischer Druck und Durchdringung sich verstärken. Schneller noch, als es der Welthandel vermag, müssen sozial gesicherte, demokratische, nationalbewußte Staaten aufgebaut werden, denn nur diese gewährleisten eine erfolgreiche Verteidigung.

Eisenhower eröffnete in seinem Kongreßbericht über das gegenseitige Sicherheitsprogramm im September 1953, daß der amerikanischen Wirtschaft keine zusätzlichen Lasten für Verteidigungszwecke aufgebürdet und das wir auf unsere Verbündeten keinen Druck ausüben würden, weitere Verteidigungslasten auf sich zu nehmen, daß der Aufbau der Verteidigung fortgesetzt werde, aber daß die Lasten des verlangsamten und stetigen Wiederaufbaus von einem vergrößerten Wirtschaftsvolumen getragen würden. Die langfristige Planung der Sowjetunion, die darauf abzielt, den Westen zu überrunden, beruht ausdrücklich auf der von Stalin und Malenkow im Jahre 952 vorgetragenen Annahme, daß die freie Welt nicht in der Lage sein werde, die gleiche Wirtschaftsausweitung zu erreichen, die der Sowjetblock erzwingen werde, daß sich der Spielraum unserer industriellen und gesamten wirtschaftlichen Überlegenheit verengen —, und daß unsere Fähigkeit, uns zu verteidigen und die Weltwirtschaft zu beherrschen, entsprechend nachlassen werde. Daher besteht Übereinstimmung in der Auffassung, daß die Sicherheit der freien Welt von der Aufrechterhaltung einer großen wirtschaftlichen Überlegenheit abhängt. •

Eine eingehende Überprüfung der Vergleichszahlen über die wirtschaftliche Ausdehnung in der Sowjetunion und in der freien Welt muß zu dem Schluß führen, daß auf diesem Felde die kommunistische Welt die freie ausstechen wird. Die Sowjetwirtschaft, im ganzen gesehen, kann von 1946 bis in die Mitte des Jahres 1953 die beträchtliche Zunahme von ungefähr 7 v. H. jährlich aufweisen, verglichen mit 4, 5 v. H. in den Vereinigten Staaten. Noch mehr springen Vergleichsziffern zwischen der wirtschaftlichen Zunahme in den sowjetischen Satellitenstaaten und in den unterentwickelten Gebieten der freien Welt ins Auge. Dieser hohe Prozentsatz wirtschaftlicher Ausdehnung besonders auf dem industriellen Sektor wurde auf Kosten der Landwirtschaft, des Konsums und der sozialen Wohlfahrt erreicht. Auf die Länge gesehen hat diese Tatsache für die sowjetische Militärmacht wie für die politische Anziehungskraft der Sowjetunion auf unterentwickelte freie Länder weitgehende Auswirkungen. Vielen der stolzen und aufstrebenden Völker des nicht-kommunistischen Asiens und anderer unterentwickelter Gebiete, die ihrem Lande Prosperität und Stärke wünschen, müssen die industriellen Leistungen der kommunistischen Welt wie ein Wunder erscheinen.

Verglichen mit der Ausdehnung unter dem Marshall-Plan ist die wirtschaftliche Ausdehnung in vielen europäischen NATO-Ländern heute langsarer geworden oder hat ganz aufgehört. In den meisten unterentwickelten Gebieten macht die wirtschaftliche Entwicklung nur sehr langsame Fortschritte. Und in den Vereinigten Staaten selbst geht sie zurück anstatt normal weiterzuwachsen.

Gleichgültig, ob man das Problem der Sicherheit unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung des westlichen Industrievolumens als Ver-teidigungsgrundlage oder der Erhöhung der Rohstoffproduktion der freien Welt oder einer andauernden Aufwärtsbewegung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklung als Bollwerk gegen eine innere kommunistische Aushöhlung betrachtet, immer wieder sieht man sich der Notwendigkeit eines hohen Prozentsatzes wirtschaftlichen Wachstums in der freien Welt gegenüber. Diese wirtschaftliche Ausdehnung muß von Maßnahmen begleitet werden, die sicherstellen, daß die wirtschaftliche Intensivierung mit Hilfe demokratischer Institutionen zu sozialem Fortschritt, zu Zufriedenheit und politischer Stabilität und zu nationaler Würde und Kraft führt. Gerade der letzte Punkt ist wichtig. Die Geschichte hat bewiesen, daß schnelles wirtschaftliches Wachstum allein nicht ausreicht, um eine festgegründete demokratische Gesellschaft hervorzubringen. Wenn ein wirtschaftlicher Aufschwung nicht von zunehmender demokratischer Gesinnung, demokratischen Methoden und Institutionen und auch sozialem Gerechtigkeitsempfinden begleitet ist, dann könnte das Ergebnis einer solchen Entwicklung keine Bereicherung für die Stärke der freien Welt darstellen. Der Westen kann den unterentwickelten Gebieten in Form von Hilfeleistungen viel geben und damit die Chancen erhöhen, daß die Länder sich in soliden demokratischen Bahnen entwickeln.

Unerläßliche Voraussetzungen

In den letzten 25 Jahren konnte man reichliche Erfahrungen sammeln, auf welche Weise das Wachstum der Wirtschaft, die soziale Stabilität und eine demokratische politische Entwicklung gefördert werden können und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen. Nachstehend werden einige unerläßliche Punkte angeführt:

1. Aufrechterhaltung einer starken und zunehmenden wirtschaftlichen Aktivität in den Vereinigten Staaten.

Seit dem Fall Roms hat kein Land die Wirtschaft der zivilisierten Welt in dem Maße beherrscht wie heute die Vereinigten Staaten. Während Roms Herrschaft auf der kaiserlichen Kontrolle beruhte, beruht unsere nur auf der Größe. Wir sind das Hauptrad im Getriebe der Weltwirtschaft, das dasTempo aller anderen bestimmt. Ein starker Niedergang unserer wirtschaftlichen Aktivität kann in der ganzen Welt Arbeitslosigkeit, Finarizkrisen und politische Unsicherheit verursachen. Eine Wirtschaftsexpansion in den Vereinigten Staaten kann der Ausgangspunkt für eine Weltwirtschaftsexpansion sein.

Die Wirtschaft der Vereinigten Staaten dehnt sich gegenwärtig nicht aus. Die Erfahrungen haben bewiesen, daß Regierungsmaßnahmen die Wirtschaftsexpansion fördern können. Unsere Regierung jedoch scheint der Meinung gewesen zu sein, daß aus grundsätzlichen Erwägungen „ein Zurechtrücken" notwendig ist, um unsere nationalen Werte und den Sinn für ihre Wertschätzung intakt zu halten. Die Sachlage ist viel zu differenziert, um hier in angemessener Weise behandelt werden zu können. Es wurde die Frage erhoben, ob wir es uns leisten können, uns auf den Automatismus des Welthandels zur Sicherung wirtschaftlicher Ausdehnung in einem Zeitpunkt zu verlassen, in dem nicht nur unser eigenes Wohl und unsere Sicherheit, sondern die der ganzen freien Welt auf dem Spiele stehen.

2. Aufrechterhaltung eines ständigen internationalen Flusses aller Rohmaterialien zu vernünftigen stabilen Preisen.

Zehn Prozent der Bevölkerung der freien Welt verkaufen den Vereinigten Staaten mehr als die Hälfte ihrer gesamten nationalen Rohprodukte.

Stark verminderte Gummieinkäufe in Malaya können dort einen fühlbaren wirtschaftlichen Schock auslösen; starke spekulative Wolleinkäufe können zu einer ernsthaften Inflation in Australien führen. Gedeihen und politische Stabilität der lateinamerikanischen Staaten hängen in hohem Maße von dem ständigen Fluß der Rohstoffe zu angemessenen Preisen nach den Vereinigten Staaten ab. Da nun ein ständiger wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt in den unterentwickelten Gebieten heute ein so wichtiger Faktor für unsere Sicherheit ist, ist es dringend notwendig, daß wir uns dieser Bedeutung der Rohstofflage und unserer Verantwortlichkeit als der Welt größter Verbraucher für die Aufrechterhaltung eines höheren Grades von Stabilität auf den Rohstoffmärkten bewußt sind.

3. Aufrechterhaltung einer erheblichen und ständigen Kapitalzufuhr aus gesunden und industriell entwickelten Gebieten in diejenigen, die Kapital zum Aufbau ihrer Wirtschaft brauchen.

Die Welt prosperierte nur solange, als Kapital zum Ausbau der Rohstoffquellen und zur Aus-Die Lösung des Problems fällt besonders unter unsere Verantwortlichkeit, weil wir viel Kapital angesammelt haben, und in Europa infolge der Verwüstungen durch zwei Weltkriege verfügbares Kapital rar ist. Amerikanisches Privatkapital zu Investitionszwecken fließt zur Zeit nur tropfenweise in die Länder, die es zur Untermauerung ihrer sozialen und politischen Sicherheit am meisten benötigen. In wesentlichen Summen fließt es nur nach Kanada und in einige wenige ölproduzierende Länder.

Die drei wichtigsten Kanäle, durch die amerikanisches Kapital ins Ausland fließt, sind zur Zeit private Investierungen, Weltbank und US Export-Importbank. Die Regierung scheint sich weitgehend darauf zu beschränken, private Investierungen im Auslande durch einen stärkeren Anreiz und den Versuch zu fördern, in der Politik der anderen Länder auf dem Verhandlungswege wesentliche Änderungen zu erreichen. Soweit diese Maßnahmen den Kapitalstrom ins Ausland zu lenken vermögen, stellen sie einen wesentlichen Fortschritt dar. Aber es dürfte schwer halten, einen Wirtschaftsfachmann zu finden, der davon überzeugt ist, daß unter den herrschenden Umständen die Kapitalausfuhr selbst durch sehr kräftige Förderung wesentlich erhöht werden könnte. Bestimmte Faktoren gerade in Ländern, die Kapitalinvestierungen am meisten benötigen, schrecken die Kapitalgeber ab — Kriegsgefahren, Revolution und Nationalisierung und tatsächliche oder eventuelle Beschränkungen auf Gewinne, in der Führung der Geschäfte und für den Gewinntransfer. Mittlerweile stehen dem amerikanischen Kapital gute, gewinnbringende Investierungsmöglichkeiten hier in den Vereinigten Staaten offen. Trotzdem besteht Grund für die Annahme — und Erfahrungen haben es bewiesen — daß private Investierungen nach einer gewissen Zeit in größerem Umfang als sonst zu erreichen sind, wenn Darlehen, Investierungen aus öffentlichen Mitteln und technische Hilfe als Teil eines wohlfundierten Förderungsprogramms in unterentwickelten Gebieten eine Bresche geschlagen haben.

Die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, die ihre Geldmittel vom privaten Geldmarkt erhält, hat auf diesem Gebiete einen wichtigen Beitrag geleistet; aber sie ist gezwungen, auf den üblichen Sicherheiten und der garantierten Rückzahlung zu bestehen, was sie naturgemäß daran gehindert hat, in großem Umfange Kapital für unterenwickelte Gebiete zur Verfügung zu stellen. Die US Export-Importbank hatte in erster Linie die Aufgabe, amerikanische Exporte zu fördern; sie war nicht als amerikanisches Instrument für ausländische Wirtschaftsförderung gedacht. Ihre Statuten, die gesetzgebende Rolle, die sie immer gespielt hat, und der auf sie ausgeübte Druck, die Anleihen mit Ankäufen für Lieferungen aus den Vereinigten Staaten zu verbinden, erschweren es der Bank, eine ausgeglichene Wirtschaftsentwicklung im Auslande oder einen multilateralen internationalen Handel zu fördern. Die kürzlich der europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl gewährte Anleihe von 100 Millionen Dollar ist ein ermutigendes Anzeichen dafür, daß Bestrebungen im Gange sind, den Wirkungskreis der Bank zu vergrößern. Die Statuten der Bank sollten jedoch revidiert werden, um ihr die Befugnis zu geben, Anleihen im Sinne unserer Außenpolitik zu gewähren, selbst wenn ihre Rückzahlung unter ungünstigen Bedingungen erfolgen sollte.

1951 wurde erwogen, die Export-Importbank einer Dachgesellschaft zu unterstellen, unter deren Zuständigkeit alle überseeischen Wirtschaftsmaßnahmen fallen würden, die ihr zur Verfügung stehenden Geldmittel zu erhöhen und die Statuten zu revidieren, um aus der Bank ein wirksameres Regierungsinstrument zum Aufbau sozialer, wirtschaftlicher und politischer Kräfte im Auslande zu machen. Es ließe sich viel zu Gunsten dieses Projektes im Rahmen des Amtes für auswärtige Maßnahmen sagen, um auf diese Weise die Gewährungvon Anleihen, Hilfeleistungen und technische Hilfe miteinander abzustimmen. Freiheit und Sicherheit erfordern zur Erörterung der Wirtschaft einen viel stärkeren Strom amerikanischen Kapitals ins Ausland, und öffentliche Investierungen müssen in der nächsten Zeit auf dem Wege vora: gehen, wenn der Plan verwirklicht werden soll. 4. Bereitstellung von Hilfeleistungen für den Aufbau der notwendigsten Einrichtungen des öffentlichen Gesundheits-und Erziehungswesens, der Landwirtschaft und Industrie und wo sie für den Aufbau anderer notwendiger Einrichtungen erforderlich sind.

Die vereinten Erfahrungen des Amtes für wirtschaftliche und des Amtes für technische Zusammenarbeit haben schlüssig bewiesen, daß Hilfs-mittel notwendig sind, die sich zwar in Grenzen halten, die jedoch wesentlich größer sind als die eben ins Auge gefaßten, um es unterentwickelten Gebieten zu ermöglichen, a) ihre eigenen Hilfsquellen zu mobilisieren, b) privates Kapital aus dem Auslande anzulocken und c) den Prozeß der wirtschaftlichen Entwicklung in einem sozial und politisch annehmbaren Maße zu beschleunigen. Das waren jedenfalls die Erkenntnisse des Beratenden Ausschusses für Internationale Entwicklung (Vorsitzender: Nelson Rockefeller) und des von Präsident lruman 1950 eingesetzten Ausschusses (Vorsitzender: Gordon Gray), der sich mit der ausländischen Wirtschaftspolitik beschäftigen und darüber berichten sollte. Diese Ansicht wird auch von den Fachleuten der Vereinten Nationen geteilt und durch die Untersuchungen einer großen Anzahl von Studenten über dieses Thema bekräftigt. Die Höhe der Hilfsmittel, die nutzbringend in irgendeinem unterentwickelten Lande verwendet werden sollen, hat bestimmte Grenzen — Grenzen der technischen Möglichkeiten, der administrativen Kompetenz und wirtschaftlichen Organisation. Aber ein sorgfältig ausgearbeitetes Hilfsprogramm in vertretbaren Grenzen kann durch den Ausbau der Wirtschaft die Kapitalinvestierungen und die technische Hilfe geradezu „vervielfältigen“. Die Kosten eines angemessenen Welthifsprogramms sind geringer als der Betrag für die militärische Verteidigung eines einzelnen Landes, den wir zu leisten bereit wären, wenn die Kommunisten drauf und dran wären, sich der militärischen Kontrolle zu bemächtigen.

Hilfe, eine Angelegenheit gegenseitigen Nutzens

Die amerikanische Regierung ist dabei, die Wirtschaftshilfe jetzt grundsätzlich abzuschließen mit Ausnahme der Unterstützung ausschließlich militärischer Vorhaben, die in einigen Ländern am Rande Rotchinas und der Sowjetunion nicht anders gehandhabt werden kann. Natürlich gibt es auch Ausnahmen — Indien ist eine solche — aber sie sind Ausnahmen von einer festen Regel; und der Umfang der Wirtschaftshilfe in diesen Ausnahmefällen ist nach meiner Ansicht nicht groß genug. Die Einstellung unserer Regierung zur Gewährung von Hilfeleistungen entbehrt der Einsicht, daß unsere Sicherheit eine sehr viel schnellere Wirtschaftsentwicklung in der ganzen freien Welt erfordert.

Einer der offiziellen Hauptgründe für die Einstellung der Hilfeleistungen ist der, daß die Gewährung dem Geber eher Feindschaft als Freundschaft einträgt. Das ist Unsinn. Die einen erwecken Feindschaften wenn sie geben, die anderen machen sich Freunde; alles hängt von der Art und Weise ab, wie man es macht. Es stimmt, daß es niemanden freut, vom anderen Hilfe zu erhalten. Aber wenn es der Gebende versteht, im Nehmenden das Gefühl zu erwecken, ein Partner zu sein, dessen wachsende Kräfte für sein eigenes Wohl notwendig sind, und wenn er keine rührseligen Dankesbezeugungen erwartet, können Geben und Nehmen Selbstachtung und Freundschaft fördern. Das Pacht-und Leihverfah-ren besitzt diese große Tugend und auch der Marshall-Plan der auf der Annahme beruhte und entsprechend gehandhabt wurde, die Genesung Europas sei für das Gedeihen und die Sicherheit Amerikas ein wesentlicher Faktor. Daß dieser Plan, der zu den größten staatsmännischen Leistungen und erfolgreichsten Unternehmungen der amerikanischen Geschichte gehört, die Kräfte für das allgemeine Wohl und die Freundschaft für die Vereinigten Staaten förderte, ist völlig klar.

Wir gewähren anderen Ländern eine Wirtschaftshilfe in der Hoffnung, sie damit in Stand zu setzen, abgesprochene Programme zu gegenseitigem Nutzen durchzuführen, oder wir erwarten, die Wirtschaftshilfe werde die örtlichen Hilfsquellen mobilisieren, was die Unabhängigkeit und Macht vergrößern würde, woraus wir zweifelsohne einen Nutzen ziehen würden. Keineswegs dürfen wir jedoch danach streben, uns die Kontrolle über die Politik und die inneren Angelegenheiten des anderen Landes zu sichern. Es entsteht nun die sehr reale Frage, auf welche Weise wir uns vergewissern sollen, ob die Regierungen die unsere Hilfe erhalten, auch tatsächlich das beiderseitig abgesprochene Programm ausführen und ob sie die dafür notwendige Innenpolitik betreiben. Grundsätzlich sollten wir darauf bestehen, daß frei ausgehandelte Abkommen ein-Seite schaft sollten wir Rat und Boistand anbieten, wie nach unserer Ansicht auf Grund unserer Erfahrungen mit Wirtschafts-und Sozialentwicklungen gegenseitige Abkommen in nutzbringender Weise erfüllt werden können. Aber auch hier hängt es davon ab, wie es gemacht wird. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß die offiziellen Persönlichkeiten anderer Länder privat eine offene Diskussion nicht übelnehmen — im Gegenteil, sie schätzen sie. Aber diese Unterredungen müssen immer zwischen gleichberechtigten Partnern geführt werden mit Verständnis und Achtung für die Probleme und Gefühle des anderen und unter dem Gesichtspunkt, daß eine reibungslose Erledigung von gegenseitigem Nutzen ist. Vor allem muß vermieden werden, die führenden ausländischen Persönlichkeiten in die Lage zu bringen, sich öffentlich dem amerikanischen Willen beugen zu müssen. Die Kunst der Diplomatie besteht darin, die Führer anderer Länder dahin zu bringen, öffentlich begrüßenswerte Ideen und Vorschläge vorzubringen und sie nicht zu nötigen, als Gegenleistung für erhaltene Vergünstigungen öffentlich die Politik eines mächtigeren Staates unterstützen und verteidigen zu müssen. Bei dieser Art Diplomatie erntet der amerikanische Unterhändler keine öffentlichen Lorbeeren, aber sie fördert bestimmt die amerikanischen Interessen.

Zu dem Thema ist noch einiges zu sagen. Die Führer der anderen Länder haben die Pflicht, den elementarsten politischen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, wenn sie eine Wirtschaftshilfe wirklich ernsthaft wollen. Wir sollten ein Bündnis oder eine erprobte Freundschaft oder in manchen Fällen auch nur einfach eine offiziell vertretene Neutralität im Ost-West-Kampf als ein Adäquat für die Wirtschaftshilfe betrachten. Politisch außerordentlich schwierig ist es aber, einem Lande wirtschaftlich zu helfen, von dem unser Volk den Eindruck hat, es zeige fortgesetzt eine unbegründete Furcht vor äußerer Einflußnahme und behandle das Land ausgesucht unhöflich, das seine Macht und Unabhängigkeit gerne stärken möchte, während es für ein anderes Land, das es zu versklaven drohe, nur die größte Nachsicht habe. Hilfe ist eine Sache gegenseitigen Nutzens. Läßt der Nutzen auf der einen Seite nach, wird er sicher nicht mehr lange anhalten. Nichtsdestoweniger sollten wir uns sagen, daß sich eine politische Einstellung ändern kann, wie wir selbst in unserer Geschichte bewiesen haben, und daß wir einige Länder weiterhin unterstützen müssen in der Hoffnung und Erwartung, daß sich die fundamentalen Interessen durchsetzen und eine günstigere Einstellung herbeiführen werden. 5. Erhöhte Bereitstellung von technischer Hilfe im Sinne des Punkt-IV-Programms, verbunden mit Hilfeleistungen und einem Investitionsprogramm. Es ist weder notwendig noch möglich, innerhalb dieses Artikels die Fälle zu diskutieren, in denen ein ausgedehntes technisches Hilfsprogramm angebracht ist. Zur Zeit ist es auf einigen Sektoren beschnitten worden. Ich bin der Ansicht, daß es an der Zeit ist, es sowohl mit Hilfe der Vereinten Nationen als auch auf direktem Wege zu vergrößern. A ußerdem wird das amerikanische Hilfsprogramm überall nach Möglichkeit den Erfordernissen des militärischen Verteidigungsprogramms untergeordnet. Die Bezeichnung „Punkt IV", die bei allen Völkern dieser Erde als Symbol der Hoffnung einen guten Klang hatte und einen enormen Aktivposten der Vereinigten Staaten darstellte, wird bewußt ausgelöscht. 6. Herabsetzung oder Aufhebung von Handels-schranken. Die Handelsschranken werden nicht niedriger; stattdessen wachsen sie noch. Über ein Jahr lang wurden alle Maßnahmen zur Aufhebung oder Verminderung der amerikanischen Handels-schranken ausgesetzt, während eine vom Präsidenten ernannte Kommission unter der Leitung von Clarence Randall unsere Außenhandelspolitik erneut überprüfte. Die Empfehlungen der Kommission hinsichtlich der Zölle und auch der übrigen Wirtschaftspolitik zur Förderung unserer Ausfuhr und des Welthandels im allgemeinen sind ganz unzeitgemäß, weil unser Fortbestehen davon abhängt, daß der freie Welthandel besser funktioniert. Aber selbst die gemäßigten Empfehlungen der Randall-Kommission trafen beim Kongreß auf heftigen Widerstand, und der Präsident forderte einach nur die Verlängerung des Gesetzes über gegenseitige Handelsabkommen um ein Jahr. 7. Gemeinsame Inangriffnahme der Probleme der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Verteidigung durch die regionalen Verteidigungsorganisationen. Die Unterzeichnerstaaten des Nordatlantikpaktes verpflichteten sich in Artikel II. Widersprüche ihrer Wirtschaftspolitik zu beseitigen und mit dem Ziele der inneren Festigung und des Gedeihens auf wirtschaftlichem Gebiet zusam-menzuarbeiten. Aber bis heute haben die meisten NATO-Staaten die Organisation fast ausschließlich als ein militärisches Instrument gebraucht, ohne sich bewußt zu werden, daß die Erfüllung des Artikels II notwendig war und noch ist, um die wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen zu stärken, auf denen die militärische Verteidigung ruhen muß. In den letzten Jahren sind eine Anzahl von Vorschlägen gemacht worden, die in die Richtung der von der NATO vertretenen Verantwortlichkeit für die Planung und Leitung gemeinsamer Anstrengungen zur Stärkung des Verteidigungspotentials der Atlantikpaktstaaten und der freien Welt auf wirtschaftlichem, sozialem und politischem Felde gehen, und die im Ziele und Geiste denen vergleichbar sind, he den Aufbau des militärischen Verteidigungspotentials der NATO bewirkten. Doch sind sie niemals verwirklicht worden. Wenn nicht die NATO und die anderen regionalen Verteidigungsorganisationen diese verschiedenen Formen der Verteidigung allmählich aufbauen, ist schwer einzusehen, wie die Aufgaben überhaupt wirkungsvoll erfüllt werden können.

Bis auf den heutigen Tag enthalten die Vorschläge für den Aufbau eines Südostasienbündnisses keinen Hinweis auf die Notwendigkeit, parallel mit den gemeinsamen militärischen Verteidigungsmaßnahmen in diesem Gebiete den Aufbau der wirtschaftlichen und sozialen Kräfte in Angriff zu nehmen. Geschieht das nicht, wird es nicht nur viel schwieriger sein, die süd-ostasiatischen Länder zum Beitritt zu bewegen, sondern es könnte sich außerdem mit der Zeit herausstellen, daß alle militärischen Verteidigungsmaßnahmen auf Sand gebaut sind.

Auf dem Führersitz der weltwirtschaftlichen Maschine

In Anbetracht des Endes des Marshall-Planes im Jahre 1952 und im Bewußtsein der wachsenden Gefahr einer kommunistischen Durchdringung der unterentwickelten Länder prüften die Vereinigten Staaten 1950 schon die Möglichkeiten einer langfristigen Außenhandelspolitik, die an Stelle des Hilfs-und Aufbaunotprogramms der Nachkriegszeit treten sollte. Die Ergebnisse dieser Untersuchung deckten sich mit den obigen Ausführungen. Aber der Korea-Krieg und die Gefahr eines unmittelbaren Angriffs auf Europa warfen alle Pläne und Berechnungen über den Haufen. Die spekulative Jagd nach Rohmaterialien ließ die Preise in die Höhe schnellen und beeinflußte ungünstig die Handelsbedingungen der industriellen Länder. Diese Tatsachen, verbunden mit der Verdoppelung der Verteidigungsanstrengungen, warfen das europäische Wieder-aufbauprogramm aus dem Geleise. Das Militär-programm verringerte rasch das Interesse für eine langfristige Wirtschaftspolitik, und das Gesetz über die gegenseitige Sicherheit des Jahres 1951 förderte nicht den Übergang von einer Notstands-zu einer langfristigen Wirtschaftspolitik. Auch im Jahre 1952 gab es die gleichen Schwierigkeiten, die durch die Auswirkungen der nationalen Wahlen noch vertieft wurden.

Wir sollten diesen Tatsachen heute erneut un-sere Aufmerksamkeit schenken. Die unterentwikkelten Gebiete fürchten schrumpfende Märkte und nachlassende Preise für Rohmaterialien und als Folge davon soziale und politische Unruhen. Die westeuropäische Wirtschaft wird teilweise durch unsere A ilitärausgaben und durch die an bestimmte Länder gewährte Wirtschaftshilfe gestützt; doch beides soll nächstes Jahr plötzlich fortfallen. Weltweite kollektive Anstrengungen sind notwendig. Aber es wird nicht dazu kommen, wenn die Vereinigten Staaten nicht ihre Notwendigkeit begreifen und in der Neuausrichtung ihrer eigenen Politik und in der Entwicklung und Organisierung des Programms die Führung übernehmen. Von allen Ländern der freien Welt sind wir allein im Besitz der Freiheit, die wirtschaftliche Initiative zu ergreifen. Wir sitzen auf dem Führersitz der weltwirtschaftlichen Maschine. Wir könnten es auch unterlassen, dorthin zu lenken, wohin die Welt strebt oder wo auch unsere eigenen wichtigsten Interessen liegen; eines aber steht fest, niemand außer uns wäre dazu noch in der Lage.

In den vergangenen Monaten sind wieder schwere Schatten auf das Dasein der Menschen gefallen. Wir müssen uns darüber klar werden, wie wir uns in einer Welt verhalten wollen, in der wir und die, die uns vernichten wollen, die höllische Wasserstoffbombe besitzen. Verhandlungen über ein sicheres Abkommen, die wir als beste Lösung begrüßen wü: den, scheinen unter den gegenwärtigen Umständen nicht zweckentsprechend. Deshalb müssen wir uns damit abfinden, lange Zeit in großer physischer Gefahr zu leben.

Angesichts dieser Lage ist es dringend notwendig, unsere Handlungen als Individuen und unsere Politik als Nation zu überprüfen und uns zu vergewissern, ob wir alles Menschenmögliche zur Verringerung der Möglichkeit tun, daß die entsetzlichen Waffen je zur Zerstörung benutzt werden. Solange es kein vertrauenswürdiges Kontrollsystem gibt, müssen wir natürlich unser Potential erhalten und vermehren, um eine kraftvolle Vergeltung üben zu können, wenn die Bomben gegen uns oder unsere Verbündeten angewendet werden sollten. Dies bedeutet für uns, daß wir unsere Alliierten stärken und unsere Bündnisse ausbauen müssen, um auf diese Weise unsere Stützpunkte in der ganzen Welt zu schützen. Aber das ist nur der Beginn einer Verteidigung. Es ist möglich, daß die unabsehbaren Wirkungen eines Atemkrieges die Wahrscheinlichkeit vermindern — bei Aufrechterhaltung des Vergeltungspotentials — daß er je geführt wird. Aber das Ziel des Kremls, die Welt zu beherrschen und die Freiheit zu zerstören, ändert sich dadurch nicht. Die sowjetischen Bestrebungen sind und werden mit konventionellen Waffen und Methoden, die uns längst bekannt sind, vorwärtsgetrieben. Die Bemühungen können von Erfolg gekrönt sein und sie können die sowjetische Kontrolle über weite, jetzt noch freie Teile der Welt ausdehnen, ohne zum Atomkrieg oder zu irgendeiner militärischen Aggression führen zu müssen.

Wir können den sowjetischen Plan vereiteln, wenn wir unsere Energie und unsere großen Hilfsquellen nicht nur zur Stärkung des allgemeinen militärischen Verteidigungspotentials einsetzen, sondern den Gedanken der Freiheit durch eine wirtschaftliche Blüte fester verankern und den Lebensstandard, die nationale Würde und die politischen und sozialen Lebensbedingungen, in denen die Demokratie gedeiht, erhöhen. Hierbei hegen wir die Hoffnung, daß mit der Zeit die verstärkte Anziehungskraft der Freiheit die Tyrannei in ihrer eigenen Festung unterhöhlen und zu Veränderungen in der Sowjetunion führen wird, die den Todesschatten von der Erde lösen.

Fussnoten

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