Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Die deutsche Opposition gegen Hitler zwischen Polen- und Frankreichfeldzug | APuZ 26/1954 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 26/1954 Die deutsche Opposition gegen Hitler zwischen Polen- und Frankreichfeldzug

Die deutsche Opposition gegen Hitler zwischen Polen- und Frankreichfeldzug

Erich Kosthorst

„Wenn auch die Gewalt der äußeren Ereignisse unser Leben in Bruchstücke schlägt wie die Bomben unsere Häuser, so soll doch möglichst noch sichtbar bleiben, wie das Ganze geplant und gedacht war, und mindestens wird immer noch zu erkennen sein, aus welchem Material hier gebaut wurde oder gebaut werden sollte . . .'

Dietrich Bonhoeffer, an seine Eltern, am 20. Februar 1944

Einleitung und Problemstellung

Inhaltsverzeichnis

Unser Wissen über die deutsche Opposition gegen Hitler ist in den letzten Jahren wesentlich erweitert worden. Umfang, Schichtung, Charakter und Bedeutung der Opposition sind vor allem durch die Werke von Hans Rothfels und Eberhard Zeller hell ins Licht getreten. Jede zukünftige Arbeit — die eigentlich nur noch der Erhellung einzelner Phasen dienen kann —, wird auf der hier gelegten Grundlage weiterbauen müssen. Auch diese Studie weiß sich beiden Werken, insbesondere dem von Hans Rothfels, verpflichtet; ihm verdankt sie — außer persönlichem Erleben — Anregung und Zielsetzung. Aufgabe nachfolgender Untersuchung ist die Klärung der Zusammenhänge, Pläne und Aktionen der deutschen Opposition zwischen Polen-und Frankreichfeldzug. Diese Periode des „Krieges im Zwielicht“ wie Chamberlain sie treffend nannte, ist im Hinblick auf den aktiven Widerstand gegen Hitler bisher nur in schwachen Konturen erkennbar. War diese Zeit nach der Eroberung Polens nur eine Stille, die den Sturm des Krieges dann um so gewaltiger entfesselte, oder barg sie auch Kräfte, die gegen den Urheber dieses Krieges leidenschaftlich um den Frieden kämpften? Wir wissen, daß damals im deutschen Volke bis in seine alten Führungsschichten hinein — übrigens in Frankreich und England ebenso, ganz zu schweigen von den neutralen Ländern — die lebendige Erinnerung an den letzten Krieg dem Willen zum Frieden kräftige Nahrung gab. Die Kriegsleidenschaft war noch nicht entbrannt, die Gegner waren noch nicht ineinander verbissen, die Kriegsfurie konnte vielleicht noch gebändigt werden, ehe sie endgültig entfesselt war. Weiterhin ist uns bekannt, daß neben den politischen Oppositionsgruppen die deutsche Heeresführung und eine Reihe bedeutender Generale die —ursprünglich schon für den November 1939 angesetzte — Westoffensive für ein unverantwortbares Unternehmen ansahen, dessen Ende nur eine deutsche und europäische Katastrophe sein konnte. Schon der Angriff auf Polen hatte sie mit schwersten Bedenken erfüllt. Viele dieser führenden Generale waren keine Anhänger des nationalsozialistischen Regimes, manche von ihnen aus der Einsicht in die dämonische Gestalt Hitlers sogar erbitterte Gegner. Sie alle waren nun in den unausweichlichen Konflikt zwischen soldatischem Gehorsam gegenüber der „legalen“ Staatsmacht und der politischen Verantwortung für das Schicksal der Nation gestellt. Schon einmal, in der Tschechenkrise des Jahres 1938, hatte sich ein Teil von ihnen zu dem Entschluß durchgerungen, Hitler und sein System durch einen Staatsstreich zu beseitigen, um damit den Frieden zu retten. Alle notwendigen Vorbereitungen waren damals getroffen, selbst der Befehl zur Auslösung durch den Generalstabschef Halder schon gegeben, als Chamberlain nach München flog und damit dem Umsturz die Voraussetzungen entzog. Beim Angriff auf Polen waren nun die Westmächte entgegen den Voraussagen Hitlers und Ribbentrops nicht mehr zurückgewichen. Die gefürchtete Katastrophe des Krieges, der sich zum Weltkrieg ausweiten mußte, war da. Wiederum war jetzt der höheren militärischen Führung die Frage ihrer politischen Verantwortung für das Schicksal der Nation — und dringlicher als je — gestellt. Noch gab es die Chance, den Frieden vor der Eröffnung der blutigen Auseinandersetzung im Westen wiederzugewinnen. Nachdem sich schon Anfang Oktober gezeigt hatte, daß mit Hitler an der Spitze Deutschlands der Weg zum Frieden endgültig versperrt war, gab es nur noch eine Möglichkeit — den Staatsstreich durch Einsatz des

Abbildung 2

Heeres. So stellt sich vor der Geschichte die Frage nach der Haltung der führenden deutschen Generalität. Vernahm sie den Ruf der historischen Stunde, wie folgte sie ihm? Aber nicht nur ihr, wenn auch ihr zuvorderst, gilt unsere Frage, wir richten sie ebenso an die oppositionellen Politiker. Was taten sie, um der militärischen Opposition den Weg zum Handeln freizumachen? Weiter: fanden sich beide Gruppen erneut, und nun vertieft, zu koordiniertem Handeln, wie erstmals 1938? Und schließlich stellt sich noch das Problem der Bereitschaft der Alliierten, einer tat-bereiten deutschen Opposition die Hände zu reichen. Wir besaßen bisher zur Geschichte der Opposition gegen Hitler zwischen Polen-und Frankreichfeldzug nur dürftiges Quellenmaterial. Von Gisevius lag ein zum Teil in Tagebuchform abgefaßter, dramatisierender Bericht vor, nach welchem der Umsturz — von den Politikern der Opposition und der oppositionellen Abwehrgruppe wiederholt vorbereitet — nur infolge mangelnder Verantwortungsbereitschaft und Entschlossenheit der führenden deutschen Generäle nicht durchgeführt werden konnte. Wie weit aber konnte man Gisevius noch trauen, nachdem sich wichtige Stücke seines Buches als unzuverlässig und irreführend erwiesen hatten? Erich Kordt brachte bemerkenswerte, teilweise doku-mentarisch unterbaute Beiträge. Sie wurden durch die scharfe Kritik des englischen Historikers Namier fragwürdig. Im übrigen gab es nur unzusammenhängende, an den verschiedensten Stellen verstreute Detail-nachrichten. Schon in ihren unscharfen Konturen ließ die zur Frage stehende Phase aus der Geschichte der deutschen Opposition eine solche Bedeutung erkennen, daß die Erschließung neuer Quellen, die ein wirkliches Urteil ermöglichen konnten, um so dringlicher wurde. Die Durchsicht der Akten und Dokumente der Nürnberger Verfahren, vornehmlich des noch kaum bearbeiteten OKW-und Wilhelmstraßenprozesses die Einsicht in das bisher unerschlossene Tagebuch von Halder die Auswertung persönlicher Mitteilungen wichtiger Überlebender sowie die erneute Bearbeitung des bereits bekannten Materials, insbesondere des Tagebuchs von Hassell, ließen es verantwortbar erscheinen, die anstehenden Fragen unter wissenschaftlichem Aspekt erneut aufzugreifen. Doch bleibt zu bedenken, daß, wo einige Quellen ergiebig fließen, andere aber noch verschlossen sind, jederzeit Korrekturen erforderlich werden können. So problematisch die Quellenlage also auch noch ist, so wird sich aber doch sagen lassen, daß — mögen auch vielleicht einige Akzente noch anders gesetzt werden müssen — eine völlige Veränderung des bisher gewonnenen Bildes kaum zu erwarten steht. Wenn wir im Folgenden den Versuch machen, mit Hilfe der neuen Quellen das Zusammenspiel zwischen militärischer und politischer Opposition, seiner Ziele, Möglichkeiten und Grenzen darzustellen, dann ist zuvor noch ein Wort grundsätzlicher Art notwendig. Wo das bloß legale Verhalten im Raum entfesselter dämonischer Gewalten weithin nur noch Mächten diente, die den Rechtsstaat zu zerbrechen im Begriff waren, konnte es zu der paradoxen Situation kommen, daß ein illegales Denken und Handeln die Welt des Legitimen wiederherzustellen sich bemühen mußte Wir rechnen unter diesem Aspekt nur diejenigen zur Opposition im eigentlichen Sinne, für deren Handeln — mochten auch mancherlei Antriebskräfte verschiedener Art hinzukommen — letztes und tiefstes Motiw die Bedrohung der Menschenwürde in ihren Fundamenten war. So verstehen wir auch mit Hans Rothfels die Verbindung der Opposition mit dem feindlichen Ausland als einen Ansatz zu einer „Internationalen des Menschlichen gegen das Unmenschliche“ und als einen „Durchbruch durch eine exklusiv oder konventionell . nationale“ Loyalität in zukunftsträchtigem Sinne" Der Ausbruch des Krieges, der scheinbar um die Korrektur von Versailles geführt wurde, vertiefte die inneren Konflikte der Oppositionsangehörigen. Aber schließlich entschied ihr Gewissen nicht anders als bisher: Die Erkenntnis des wirklichen Hitler, das Wissen um die wahren Zusammenhänge des Geschehens, die Einsicht in die furchtbaren Folgen forderten den Ungehorsam gegen die usurpierte Staatsgewalt aus der Verpflichtung eines höheren Patriotismus und eines höchsten sittlichen Gebotes.

Die Oppositionsgruppen bei Ausbruch des Krieges

Das Scheitern des Staatsstreichplans im Herbst 1938 hatte eine Umschichtung und Konzentration der Kräfte innerhalb der Opposition herbeigeführt. Nachdem Hitler wieder einmal entgegen allen Urteilen zuständiger Sachkenner Erfolg gehabt hatte, schied damals mancher an der Opposition Beteiligte, vom „Genie“ Hitlers überwältigt, aus. Mancher mochte jetzt — 1939 — angesichts des nun faktisch ausgebrochenen Krieges aus seinen Gewissenskonflikten nicht mehr herausfinden. In den eigentlichen Kerngruppen der Opposition war jedoch weder durch die Enttäuschung von 1938 noch durch den Kriegsbeginn 1939 der . Wille, Hitler und sein Regime zu stürzen, erlahmt. Unsere Untersuchung kann nur den eigentlichen Exponenten der Opposition gelten, ihre Tätigkeit ist aber nur dann richtig erfaßbar, wenn wir auch ihren Rückhalt kennen und den Boden, von dem sie sich getragen wußte. So müssen wir wenigstens die wichtigsten Namen aus der breiteren Oppositionsfront nennen. Viele davon sind schon aus anderem Zusammenhang bekannt. Doch haben wir uns ihrer erneut zu vergewissern. Wir müssen wissen, wer schon oder auch noch bei Ausbruch des Krieges zur aktiven Opposition gehörte. Es werden vornehmlich solche Männer hier aufgeführt, deren Wirken durch die spätere Verfolgung besonders augenfällig geworden ist. Die meisten von ihnen haben ihr Tun mit dem Tode besiegelt oder sind nur durch glückliche Zufälle der Hinrichtung schließlich entgangen.

Obwohl solche Registrierungen mißlich sind, sei zwecks vorläufiger Orientierung die Einteilung der Männer des Widerstands in folgende drei Gruppen gestattet: Die Beamten des Auswärtigen Dienstes:

Ernst von Weizsäcker, als Staatssekretär der leitende Beamte des Auswärtigen Amtes, ist als Mitglied der Opposition im weiteren Sinne anzusehen 1). Über seine besondere Stellung wird noch zu sprechen sein. Nach Ausbruch des Krieges deckte er mit seinem Namen die vom Gesandten Erich Kordt, dem Chef des Ministerbüros, inspirierte, der Situation des Krieges angepaßte Neuorganisation der diplomatischen Oppositionsgruppe. Mit konspirativen Aufträgen wurden versetzt:

Der Botschaftsrat Theo Kordt, bisheriger deutscher Geschäfts-träger in London, an die Gesandtschaft nach Bern; E. von Selzam an die Gesandtschaft nach Den Haag, die vom Grafen Zech geleitet wurde; der Vortragende Legationsrat Dr. Hasso von Etzdorf als Verbindungsmann des Auswärtigen Amtes zum OKH nach Zossen; der Legationsrat Albrecht von Kessel zu Generaloberst von Hammerstein-Equord; der Generalkonsul vonjansonzu General von Blaskowitz; der Gesandte Otto Kiep in die Abwehrabteilung; der frühere Mitarbeiter von E. Kordt, S p i t z y in den Stab Osters, der die Zentral-abteilung der Abwehr leitete. (Die Verbindung zwischen Oster und Kordt wurde durch frühe Morgenbesuche Spitzy’s in Kordt's Wohnung gehalten.)

Einer der aktivsten Oppositionellen aus dem Ausw. Amt war Adam von Trott zu Solz, der im Oktober 1939 Kontakt mit der amerikanischen Regierung auf einer Amerikareise aufzunehmen versuchte.

In konspirativem Sinne waren bereits tätig der Legationsrat Freiherr von der Heyden-Rynsch, der Leiter des Referates Pol I M, und sein Mitarbeiter, Legationsrat Gottfried von Nostiz. Die Aufgabe dieses Amtes war neben der Bearbeitung von Waffenattache-Angelegenheiten der Kontakt mit dem Amt Ausland-Abwehr im OKW. Man tauschte gegenseitig Informationen aus. Mit Kriegsausbruch wurde diese Verbindung in konspirativem Sinne stark intensiviert, täglich wurde mit Oster konferiert, und sehr häufig fanden auch Unterredungen mit dem Admiral Canaris statt. Das Ziel dabei war, ständig ein unverfälschtes Bild der Lage zu haben, das als Grundlage für den Kampf gegen das Regime eine wichtige Voraussetzung war.

Mitglieder der Opposition im Auswärtigen Amt waren ferner E. Kordt's Mitarbeiter, der Legationsrat Brücklmeier und Kordt's Sekretär, Dr. Georg Viktor Bruns.

An der Brüsseler Botschaft wirkte im Sinne der Opposition der Botschafter Bülow-Schwante, der nach einem Besuch Goerdelers Ende Oktober 1939 das bekannte Vermittlungsangebot des beigischens Königs und der holländischen Königin veranlaßte.

Als Kern dieser Gruppe haben zu gelten die Gebrüder Kordt, H. v. Etzdorf und Trott zu Solz; E. Kordt und von Etzdorf waren an den konkreten Staatsstreichvorbereitungen im Herbst 1939 aktiv und führend beteiligt.

Ulrich von Hassell, von 1932— 1937 deutscher Botschafter in Rom und seither nicht mehr im Amt, nahm eine Zwischenstellung zwischen dieser und der folgenden Gruppe ein 2. Die Politiker

Dr. Carl Friedrich Goerdeler, ehemaliger Oberbürgermeister von Königsberg und Leipzig und zeitweise Reichskommissar für die Preisbildung, von Schlabrendorff „das Herz der deutschen Widerstandsbewegung“ genannt, war schon bei Kriegsausbruch der Motor der Opposition. Um ihn hatte sich der führende politische Widerstandskreis gebildet, der wöchentlich, mindestens aber alle 14 Tage regelmäßig in der Berliner Wohnung der engen Mitarbeiterin Dr. Elfriede Nebg e n zusammentrat. Die Verständigung mit dem von Goerdeler, einem vielfach als extrem konservativ geltenden Manne, geführten Kreis, war für die Vertreter der alten Gewerkschaften, Jakob Kaiser, Wilhelm Leuschner und Max Habermann nicht ohne Schwie-rigkeiten gelungen (Kaiser war christlicher Gewerkschaftsführer, Leuschner, seit 1929 hessischer Innenminister und seit 1932 Vorsitzender der Freien Gewerkschaften, Habermann bis 1933 Leiter des Deutschen Handlungsgehilfenverbandes); erleichtert wurde sie durch Josef Wirmer und Eugen Bolz (ehemaliger Staatspräsident von Württemberg, 8. Juni 1928 — 13. März 1933), die dem Goerdelerkreis angehörten und für Arbeiter-und Gewerkschaftsfragen sehr aufgeschlossen waren.

Hinter dem Berliner Kreis mit ehemals (bis 1933), führenden Vertretern der Ar Juni 1928 — 13. März 1933), die dem Goerdelerkreis angehörten und für Arbeiter-und Gewerkschaftsfragen sehr aufgeschlossen waren. 6)

Hinter dem Berliner Kreis mit ehemals (bis 1933), führenden Vertretern der Arbeiterbewegung standen in der Provinz weitere Widerstands-kreise aus Männern der Arbeiterschaft. Die süddeutsche Gruppe wurde geführt von Josef Ersing, die südostdeutsche hatte in Franz Leuninger (vormals Generalsekretär des christlichen Metallarbeiter-verbandes) einen ihrer entscheidendsten Leute; zur westdeutschen gehörten: Prälat Otto Müller, Heinrich Körner (Landes-geschäftsführer der christlichen Gewerkschaften, 1926— 1933), Karl Arnold (seit 1948 Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen), BernhardDeutz, JohannesAlbers, NikolausGross (Redakteur der „Ketteier Wacht“), Peter Busen und Dr. Paul Franken. Ebenfalls bestand Verbindung mit einem Wiener Kreis, den Jakob Kaiser, Leuschner und auch Goerdeler wiederholt aufsuchten. 7)

Der Goerdeler-Kreis hatte seinerseits durch einzelne Mitglieder Verbindung mit Andreas Hermes (Reichsminister a. D. 1920— 23), OttoLenz, Dr. Otto John (seit 1951 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz), Klaus Bonhoeffer (ehemals Chefsyndikus der Lufthansa) und Prinz Louis Ferdinand von Preußen 8).

D r. L e h r (Bundesinnenminister von 1951— 53), der bis 1933 Ober-bürgermeister von Düsseldorf gewesen war, gehörte ebenfalls einer rheinischen Widerstandsgruppe an, aus der noch die Namen von D r. Forschbach, einem Kölner Rechtsanwalt, Dr. Franken, D r. W. Hensel, seit 1949 Oberstadtdirektor von Düsseldorf, und Franz Etzel'), seit 1952 Vizepräsident der Montanunion, bekannt sind. Über Körner und Arnold bestand Kontakt zur rheinischen Arbeiter-führung. Dr. Lehr hatte schon Ende 1936 den ihm befreundeten früheren Chef der Heeresleitung, Generaloberst von Hammerstein, von der Existenz dieses rheinischen Kreises in Kenntnis gesetzt; es ließ sich jedoch nicht ermitteln, ob und mit welchen Persönlichkeiten der Bendlerstraße bei Ausbruch des Krieges direkte Verbindung bestand.

Eine bedeutsame Rolle spielte in der deutschen Widerstandsbewegung ferner der preußische Finanzminister ProfessorPopitz.

Diese Namen mögen für viele andere stehen, die noch genannt werden müßten, wenn hier eine vollständige Liste angestrebt würde. Auch die angegebenen Querverbindungen bezeichnen nur einige Grundlinien. Die Gruppen und Kreise überschnitten sich vielfach, sie waren wie ein Netz, das aus Bindung und Rückbindung seine Ausdehnung und Festigkeit erhält. Die Knoten dieses Netzes bildeten oft ehemals führende Parteipolitiker, christliche oder sozialdemokratische Gewerkschafter. Man würde aber fehl gehen, wollte man aus dieser Tatsache auf politische Richtungen und Rivalitäten alter Art schließen. Man hatte sich in der engen Tuchfühlung der Illegalität besser verstehen und schätzen gelernt. In dem Maße, in dem die Bedeutung der Persönlichkeiten an Gewicht gewann, nahm die Präponderanz der Doktrinen ab. Im Kampfe für das humanum galten die ursprünglichsten menschlichen Werte als das zu-allererst Wichtige. Das machte den Blick füreinander und für die gemeinsame Sache frei, und das führte weit über die nur negative Interessengemeinschaft der Verneinung des Bestehenden hinaus.

Der Kriegsausbruch verstärkte in den verschiedenen Widerstandsgruppen das Bestreben, enger zusammenzurücken. Vor allem war es wichtig, an diejenigen heranzukommen, die allein noch die Macht hatten, den Sturz Hitlers zu vollziehen. Denn dazu bedurfte es militärischer Machtmittel. Im Hinblick auf die auslösende Aktion hatten die genannten Gruppen die politische und geistige Vorarbeit zu leisten und sich bereit zu halten für die Stunde nach dem vollzogenen Staatsstreich. In dieser Feststellung liegt keinesfalls ein Werturteil, sie bezeichnet nur eine chronologische Ordnung. Der Staatsstreich war ja nur zu verantworten, wenn die zum Handeln berufenen militärischen Führer eine starke zivile Gruppe hinter sich wußten. Ein Entschluß zur Tat, der Wille zum Handeln, bedurften einer breiten geistig-politischen Rückendeckung. Die folgende Untersuchung wird erweisen müssen, inwieweit mangelnde Geschlossenheit der einzelnen Gruppen, unzureichender Kontakt untereinander — vor allem zwischen militärischer und ziviler Opposition — dazu beigetragen haben, den Absprung zu erschweren.

Bald nach Kriegsausbruch wurde „auf Anregung von Klaus Bonhoeffer durch Dohnanyi und die Mitarbeit von Ernst von Ha rna ck, JuliusLeber, Jakob Kaiser und Josef Wirmer die Verbindung zwischen Wilhelm Leuschner und Beck“ hergestellt Doch wird man von einer „politischen Einheitsfront“ — wie Dr. O. John formuliert — in präzisem Wortsinn kaum sprechen dürfen. Daß Goerdeler schon seit längerem Kontakt mit Beck hatte, ist bekannt; ebenso stand er in Verbindung mit Admiral Canaris und Oberst Oster, den leitenden Männern der Abwehr. Oster war mit Beginn des Krieges noch der Reichsgerichtsrat Dohnanyi, ein hochbegabter und hervorragend politischer Kopf, beigegeben worden; beide waren fortan aufs engste im Kampf gegen das Regime verbunden, unter ihrer Leitung wurde die Zentralabteilung des Abwehramtes im OKW zur Organisationsabteilung der Widerstandsbewegung °). Ferner wurden Vertrauensleute zu einzelnen Generälen versetzt: so Peter Graf York von Wartenburg, früher Oberregierungsrat beim Reichskommissar für Preisbildung, zum General von Witzleben. Leber reiste zu Beginn des Krieges zu General Falkenhausen, einem entschiedenen Hitlergegner nach Dresden und knüpfte auch hier eine Querverbindung Sehr tätig war gleich nach Ausbruch des Krieges auch Fabian von Schlabrendorff.

Worin bestand die Widerstandstätigkeit der hier genannten Gruppen und Kreise? Nach den Berichten der Überlebenden — Dokumente sind aus naheliegenden Gründen nicht vorhanden — läßt sich zusammenfassend sagen: man versuchte die Lehren aus dem Vergangenen zu ziehen, weckte die Skepsis anderer, versuchte Zellen zu bilden, trieb illegale Propaganda und arbeitete an den Prinzipien einer neuen Staatsordnung, die mehr sein mußte als ein bloßes Anknüpfen an den Bruchstellen von 1933

Darüberhinaus versuchten schon im Winter 1939/40 die genannten ehemaligen Gewerkschaftsführer, Verbindungen nach allen wichtigen Arbeiterzentralen zu knüpfen, um einem Militärputsch, möglichst auch eine aktive Mitwirkung der Arbeiter zu sichern. Geld für solche Vorbereitungen stellte damals der Industrielle Bauer zur Verfügung Die Tatsache, daß von den genannten Männern sehr viele nach dem 20. Juli 1944 hingerichtet oder ermordet wurden, wird jeden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der geschilderten Tätigkeit beseitigen. 3. Die militärischen Führer:

Der frühere Chef der Heeresleitung, Generaloberst von Hamm er-stein-Equord, war bereit zu handeln, sobald ihm wieder ein Truppenkommando übergeben würde. Der „rote General" hatte schon seit langem Kontakt mit Gewerkschaftsführern aller Richtungen. An se Die militärischen Führer:

Der frühere Chef der Heeresleitung, Generaloberst von Hamm er-stein-Equord, war bereit zu handeln, sobald ihm wieder ein Truppenkommando übergeben würde. Der „rote General" hatte schon seit langem Kontakt mit Gewerkschaftsführern aller Richtungen. An seiner Entschlossenheit bestand nicht der geringste Zweifel. „Er sei ein Mann ohne Nerven, der sich, wenn es so weit sei, eine Brasilzigarre anzünden, sich in seinen Sessel setzen und den Befehl zum Feuern geben werde", hatte Brüning im Frühjahr 1939 in London zu Pechel gesagt 13). Jetzt bekam er das Kommando über die Armee-Abteilung A, die die Grenzen gegen die neutralen Staaten bis Wesel zu sichern hatte. Über die Einzelheiten seines Planes, Hitler noch während des Polenfeldzuges zu einem Besuch an der Westfront zu verlocken, um sich dann seiner zu bemächtigen, waren keine näheren Angaben zu ermitteln; vor allem ist nicht zu erkennen, wie man sich den weiteren Gang der Dinge nach der Verhaftung oder Beseitigung vorstellte, und welche Persönlichkeiten Jetzt bekam er das Kommando über die Armee-Abteilung A, die die Grenzen gegen die neutralen Staaten bis Wesel zu sichern hatte. Über die Einzelheiten seines Planes, Hitler noch während des Polenfeldzuges zu einem Besuch an der Westfront zu verlocken, um sich dann seiner zu bemächtigen, waren keine näheren Angaben zu ermitteln; vor allem ist nicht zu erkennen, wie man sich den weiteren Gang der Dinge nach der Verhaftung oder Beseitigung vorstellte, und welche Persönlichkeiten eingeweiht waren. Nach dem, was durch Schlabrendorff und-Pechel bekannt geworden ist, muß man diesen Plan als eine Utopie bezeichnen. Auch wird nicht recht begreiflich, welchen Sinn es haben konnte, die englische Regierung von diesem Plan in Kenntnis zu setzen, wie es durch Fabian von Schlabrendorff geschah. Er hatte ihn noch am 3. Sept. 1939 im Hotel Adlon in Berlin dem ihm bekannten Botschaftsrat Sir George Ogilvy Forbes von der im Aufbruch befindlichenEnglischenBotschaft mitgeteilt Ob die englische Regierung sich durch eine bloße Unterrichtung über das Geplante festlegen ließ, einen Bürgerkrieg in Deutschland militärisch nicht auszunutzen, muß als sehr zweifelhaft gelten. Hitler sagte aber den schon angekündigten Besuch bei der Armee-Abteilung A wieder ab und versetzte kurz darauf den ihm mißliebigen von Hammerstein erneut in den Ruhestand. Hitler hatte für persönliche Gefahren die feine Witterung eines Raubtieres, sie mag ihn auch hier instinktiv zurück-gehalten haben.

Die führenden Oppositionellen im OKH, General der Artillerie Franz Halder und General Karl Heinrich Stülpnagel, waren während des Polenfeldzuges mit der Leitung der Operationen derart in Anspruch genommen, daß an einen Staatsstreich schon deswegen nicht gedacht werden konnte. Zu der führenden militärischen Oppositionsgruppe gehörten noch: im OKH Oberst Wagner, die rechte Hand des Generalquartiermeisters (General Eugen Müller; später wurde W. mit diesem Amt betraut), im OKW der Admiral Canaris als Leiter der Abwehr mit Oberst Oster, dem Chef seiner Zentral-abteilung, General Thomas als Leiter des Heereswaffenamtes und General F e 1 1 g i e b e 1 als Chef des Heeresnachrichtenwesens, um nur die wichtigsten Namen zu nennen. AIs erbitterter Feind Hitlers stand Generaloberst vo n Wi t zl eb en als Führer der 1. Armee im Westen zur Deckung der Linie Rhein-Luxemburgisdie Grenze (von Karlsruhe nach Norden), und im Oktober stieß dann auch der Generaloberst R i t -tervonLeeb, bis dahin Chef der Heeresgruppe West und anschließend der Heeresgruppe C, zur aktiven Opposition

Die militärische Opposition -Vorbereitungen zum Staatsstreich

1. Der Entschluß Hitlers zur Offensive und die Stellung der militärischen Führung Die Operationen in Polen verliefen so glänzend, daß der amerikanische Militärattache in der Attacheabteilung des OKH spontan seinen Glückwunsch aussprach. Ein ungewöhnlicher Schritt, der dann als solcher auch sofort an den Chef des Generalstabes gemeldet wurde! 1). Hitler konnte triumphieren, weil er wieder einmal gegen alle Befürchtungen der Fachleute recht behalten hatte: die Alliierten hatten den Angriff im Westen nicht gewagt.

Gamelin begründete das Ausbleiben des französischen Durchbruchs durch den Westwall mit der späten Verwendungsbereitschaft seiner schweren Artillerie. Im Hinblick darauf sei an einen Angriff frühestens erst am 20. September zu denken gewesen 2). Wenn Hitler aus politisch-psychologischen Gründen keinen militärischen Angriff erwartete, so traf das den Sachverhalt richtiger. Die militärische Passivität der Franzosen, ihr Verharren in der Maginotlinie war „im Grunde auch Ausdruck einer rein defensiven Gesellschaftspolitik“ 3). So fand weder der gefährliche, vom deutschen Generalstab seit Jahren studierte und gefürchtete Stoß in den „weichen deutschen Unterleib“ zwischen Rhein und Mosel 4), noch irgendeine andere ernsthafte französische Operation statt, und es begann jetzt eine Phase des Krieges, die von den Franzosen als „dröle de guerre“, von Neville Chamberlain als „the twilight war“ 5) bezeichnet wurde.

Ein „komischer Krieg“ war es nur für die „Sitzkrieger“ in der Maginot-Linie, und es ist sehr bezeichnend, daß gerade die Franzosen, die in ihrer Stagnation buchstäblich sitzen blieben und im Gegensatz zu den Engländern und Deutschen in den Herbst-und Wintermonaten auch kaum etwas zur Vervollkommnung ihres Ausbildungsstandes taten, diesen Ausdrude „dröle de guerre“ prägten. Sehr präzise dagegen traf die Bezeichnung „Krieg im Zwielicht“ die Situation: noch mochte es scheinen, daß der Krieg nach der Vernichtung Polens nun seinen eigentlichen Grund verloren habe, aber schon reiften in den scheinbar friedensträchtigen Wochen die eigentlichen Kriegsentscheidungen heran.

Aus der Betrachtung ex post facto verliert die damalige Situation allerdings weitgehend ihren ambivalenten Charakter, wenn man weiß, daß die führenden Engländer, auf die es ankam, eine unwiderrufliche Entscheidung getroffen hatten. Das gilt nicht nur für Churchill, der als First Lord of the Admiralty ins Kriegskabinett berufen war, sondern in besonderer Weise für den Premierminister, der jetzt umso unerbittlicher war, als er, der Appeasement-Politiker, vorher bis an die Grenzen des möglichen Zugeständnisses gegangen war. (Die psychologische Frage, ob diese LInerbittlichkeit nicht wenigstens zu einem Teil aus der persönlichen Enttäuschung entsprang, ist hier unerheblich). Jetzt kannte er Hitler und er ließ keinen Zweifel daran, daß dieser Krieg nicht mehr um Polen, sondern zur Vernichtung des NS-Regimes geführt wurde, das den unerträglichen Zustand ständiger Bedrohung geschaffen hatte. Nicht nur seine Reden im September und Oktober, vor allem seine gewichtigen Briefe an die Schwestern geben Zeugnis davon Er war auch von vornherein entschlossen, alle Friedensangebote Hitlers, mit denen er rechnete und über deren positive Wirkung in England und besonders Frankreich er sich keine Illusionen machte, zurückzuweisen „If I were in Hitler's shoes, I think I should let the present menacing lull go on for several weeks, and then put out a very reasonable offer ... I am certain we ought to reject it." In der Tat, Hitler machte ein großangelegtes Friedensangebot am 6. Oktober, nachdem er in seiner Danziger Rede vom 19. Sept, geschickt vorgebaut hatte Mussolini telefonierte daraufhin an Ciano, daß der Krieg seiner Meinung nach zu Ende sei und Chamberlain, der in den ersten Oktobertagen 1860 Briefe mit der Bitte „stop the war“ bekommen hatte, konnte nicht umhin, Hitlers Rede als klug zu bezeichnen und gleichzeitig seine Besorgnis vor der amerikanischen Reaktion auszudrücken Aber Ch. fügte hinzu: „I was clear in my own mind that it offered no real advance in mind nor spirit towards a reasonable peace.“ Die Rede konnte Sept, geschickt vorgebaut hatte 9). Mussolini telefonierte daraufhin an Ciano, daß der Krieg seiner Meinung nach zu Ende sei 10), und Chamberlain, der in den ersten Oktobertagen 1860 Briefe mit der Bitte „stop the war“ bekommen hatte, konnte nicht umhin, Hitlers Rede als klug zu bezeichnen und gleichzeitig seine Besorgnis vor der amerikanischen Reaktion auszudrücken 11). Aber Ch. fügte hinzu: „I was clear in my own mind that it offered no real advance in mind nor spirit towards a reasonable peace.“ 12) Die Rede konnte einige Verwirrung hervorrufen — Labour plädierte im November für Friedensverhandlungen und eine nichtimperialistische Lösung der Kolonialfrage, was Tweedmuir in einem Brief an Ch. auch als die in Kanada und den U. S. A. vorherrschende Stimmung bezeichnete 13) —“ aber was bietet Hitler außer guten Worten? . . . Der Krieg ist heute nicht zu Ende, binnen kurzem wird er erst beginnen", 14) schreibt Ciano, dieser erstaunlich getreue Diener seines Herrn mit einem immer wieder erstaunlich selbständigen politischen Urteil. Der deutsche Generalstab hatte bisher keinerlei Voibereitungen für einen Krieg mit den Westmächten getroffen, weder im OKW noch im OKH gab es einen Plan dafür. AIs Warlimont durch Keitel im Mai 1939 Hitler um die Genehmigung zu vorbereitenden Besprechungen ersuchte, hatte dieser abgelehnt, weil sie ganz unnötig seien 15). Am 17. Sept. 1939, in der letzten Phase des Polenfeldzuges, hatte der Oberbefehlshaber des Heeres eine „Weisung für die Umstellung des Heeres auf den Abwehr-krieg im Westen" 16) erlassen, die von Leeb am 22. Sept, mit den entsprechenden Ergänzungen für seinen Bereich weitergegeben wurde w). Man dachte an einen Abwehrkrieg im Westen mit der Absicht, den Krieg sich dort tot laufen zu lassen und Zeit für eine diplomatische Lösung zu gewinnen. Da die Westmächte ihre große Chance zu einer Offensive während des Polenfeldzuges nicht genutzt hatten, schien eine diplomatische Beendigung des Konfliktes durchaus im Bereich des Möglichen zu liegen. Im anderen Falle sollte der Gegner auf die deutsche Abwehrfront auflaufen oder wenigstens die Kriegshandlungen eröffnen, um dem deutschen Heer dann die Möglichkeit einer Operation im Nachzuge zu geben. Ein Angriff auf die Maginotlinie war militärisch sinnlos, an eine Offensive durch Belgien und Holland wurde überhaupt nicht gedacht, zumal diesen Staaten gerade erst die Achtung ihrer Neutralität wiederum zugesichert worden war. So kam es zu der oben genannten Weisung, die in ihren wichtigsten Punkten hier wiedergegeben sei: A „Die Masse des Heeres ist in Organisation, Ausstattung und Ausbildung für den Abwehrkrieg im Westen umzustellen. Stäbe und Truppen sind von allem für diesen Kampf nicht Notwendigem zu entlasten. Dabei muß sichergestellt werden, daß etwa 2/3 des Heeres jederseit kurzfristig wieder für den Bewegungskrieg ausgestattet werden können. Die im Osten verbleibenden oder nach dem Osten zu verlegenden Verbände behalten ihre Stärke und Gliederung gemäß Bes. Anlage 2 zum Mob. Plan Heer, soweit nicht in Einzelfällen Sonder-befehle ergehen. Die folgenden Richtlinien gelten — soweit nicht besonders erwähnt — nur für die im Westen eingesetzten oder nach dem Westen zu überführenden Stäbe und Verbände.

B Die Umstellung ist nach folgenden Richtlinien durchzuführen: 1 .) Schaffung einer bodenständigen Befehls-organisation im Westen 17) 2 .) Umstellung der kämpfenden Truppe: a) I n f. D i v. e n 1. — 4. W e 11 e Die Umgliederung der Infanterie nach der von mir getroffenen Entscheidung ist durchzuführen. c) Die 4 Inf. -Div. (mot.) werden in 4 mot. Brigaden, die als bewegliche Reserven erhalten bleiben, umgestellt .... Die durch die Umstellung freiwerdenden Teile werden zur Auffüllung der Pz. -Div. verwendet (siehe d) d) Panzer-und leichte Divisionen: Die Panzer-und leichten Divisionen bleiben erhalten und sind unter Rückgriff auf die Inf. Div. en (mot.) infanteristisch auf 4 Btlne. aufzufüllen. h) Artillerie (mot.) Die Mot. -Heeresund Korps-Artl. wird in der Masse auf eine bedingte Beweglichkeit abgesetzt. i) Die Kraftfahrzeugausstattung muß allgemein auf das für den Abwehrkrieg notwendige Maß gekürzt werden." Nur wenige Tage später entwarf der Oberquartiermeister K. H. Stülpnagel im Auftrage des Generalstabschefs, General Halder, eine Denkschrift, in der dargelegt wurde, daß das deutsche Heer vorerst noch nicht in der Lage sei, einen Angriff auf die Maginotlinie zu wagen. Als Argumente wurden vor allem der Mangel an Munition, an schweren Kampfwagen und schwerer Artillerie angeführt. Außerdem wurde darauf verwiesen, daß die im Polenfeldzug stark beanspruchten schweren Panzer längere Zeit zur Überholung brauchten, und die leichten Panzer sich überhaupt als unzulänglich erwiesen hätten. Von einer möglichen Aussparung der Maginotlinie mit Hilfe einer durch Belgien und Holland geführten Offensive war in der Denkschrift überhaupt keine Rede 18). Diese Denkschrift wurde Warlimont zugänglich gemacht. Wahrscheinlich hat auch Hitler auf dem Wege über das OKW Kenntnis von ihr bekommen; seine eigene am 9. Oktober dem Oberbefehlshaber des Heeres und Halder verlesene Denkschrift kann als Antwort auf sie und die auch sonst gespürten Widerstände gelten 19). Halder hatte zum ersten Mal am 25. September eine Orientierung über Hitlers Angriffsabsichten im Westen über Warlimont, der einen Tag im Führerhauptquartier in Zoppot gewesen war, erhalten Nachdem Hitler am 26. September nach Berlin zurückgekehrt war, berief er am 27. September den Oberbefehlshaber des Heeres und Halder zu sich und fragte, wie sich das OKH den weiteren Krieg im Westen denke. Halder antwortete an Stelle von Brauchitsch, daß man eine defensive Führung des Krieges im Auge habe. Hitler lehnte diese Lösung ab und entwickelte seine Offensivabsicht, die offentlichtlich den alten Schlieffenplan zur Grundlage hatte und diesen nur unwesentlich modifizierte. Als Halder, der, auf eine Offensivlösung überhaupt nicht vorbereitet war und nach der Warlimont-Orientierung eine solche Möglichkeit nur ganz kursorisch mit Stülpnagel erörtert hatte, aus der Hand einige Einwände dagegen hielt, brach Hitler die Unterredung brüsk ab mit der bei ihm sonst nie gehörten Bemerkung, er sei zu müde Es ist in hohem Maße bezeichnend für die bereits permanent gewordene Führungskrise oder besser: für den Charakter dieses Regimes, daß Hitler weder am 27. September noch in den kommenden 10 Tagen eine Erörterung dieses schwerwiegenden Entschlusses zur offensiven Weiterführung des Krieges im Westen mit dem OKH für notwendig hielt, welches ihm eben erst den Polenfeldzug gewonnen hatte und von dessen Führungskunst und Einsatzwillen auch das Gelingen im Westen abhängen mußte. Das war eine so unerhörte Tatsache, daß sie selbst Keitel auffiel und ihn nach den Motiven Hitlers dafür suchen ließ 22).

Im OKH — und dort nicht nur bei den nachher aktiven Männern der Opposition — war man entsetzt über diese Wendung der Dinge. Die gleiche Reaktion erfolgte auch im Auswärtigen Amt. Man erschrak nicht nur über den beabsichtigten abermaligen Bruch der eben erst erneut garantierten Neutralität Belgiens, Luxemburg und Hollands, man hielt auch aus guten Gründen eine solche Offensive für unverantwortlich. Nicht nur, daß strategische Gründe (einschließlich rüstungswirtschaftlicher Überlegungen) ernsthaft dagegen sprachen, mit der Eröffnung einer Westoffensive — dazu unter Bruch der Neutralität — war jeder Weg aus dem Krieg abgeschnitten. Wollte man diese Flucht nach vorn nicht mitmachen, dann gab es nur noch eines: die Offensive mußte verhindert werden. Die empörten Gewissen drängten zur Tat. Doch'blieben in den nächsten 10 Tagen die Dinge noch in der Schwebe. Hitler sprach am 30. September, wie Halder über die Führer-besprechung um 16. 00 in sein Tagebuch notierte, von „Friedensbereitschaft und äußerster Entschlossenheit"; im OKH gl September, wie Halder über die Führer-besprechung um 16. 00 in sein Tagebuch notierte, von „Friedensbereitschaft und äußerster Entschlossenheit"; im OKH glaubte man zunächst noch, die Gedanken des Generalstabs, die man für den Führervortrag sorgfältig erwog, durchsetzen zu können. Man dachte unter der Leit-idee „Schutz des Ruhrgebiets“ an eine Bereitstellung mit dem Ziel, einem Antreten der Franzosen jederzeit entgegengehen zu können. Man wollte also keine Offensive, sondern auch jetzt noch die Operation im Nach-zuge 23). Auch Hitler ging in seinen Gedankenbildungen damals vom Schutz des Ruhrgebietes aus, nur daß er im Gegensatz zum OKH diesen nur durch eine weit nach Belgien, möglichst bis zum Kanal hin, vorgeschobene Linie gewährleistet sah. Dabei setzte er ständig voraus, daß Frankreich, von Belgien, das nicht wirklich neutral sei, herbeigerufen, spätestens zur Zeit der Herbstnebel nach Belgien einmarschieren werde. „Wir müssen zuvorkommen mit einer entscheidungsuchenden Operation, auch wenn Ziele der Entscheidung nicht erreicht werden, sondern nur eine Linie, die das Ruhrgebiet schützt“ 24).

Es läßt sich nicht mit Sicherheit ausmachen, ob eine solche Argumentation aus Hitlers tatsächlicher Überzeugung kam oder nur dazu gebraucht wurde, um den Generalstab in seiner Grundkonzeption zu erschüttern. 2. Die Entwicklung zur aktiven Opposition Beim Studium des Halder-Tagebuches dieser Wochen sieht man die Dinge in ihrer Entwicklung, man erkennt, wie weder Hitler noch das OKH zunächst klare Vorstellungen von dem, was weiter geschehen mußte, hatten, wie sich dann auf beiden Seiten feste Ideen abzuklären begannen und Entscheidungen reiften 25). Die von Hitler tunlichst vermiedene Erörterung der Dinge wurde notgedrungen nachgeholt, aber so. daß man nicht etwa miteinander ins Gespräch kam, sondern von vornherein gegeneinander sprach. Dabei profilierten sich die Fronten langsam scharf, so daß Jodl schon am 4. Oktober 1939 schreiben konnte, eine Krise schlimmster Art sei im Anzuge. „Mißtrauen. Erbittert darüber, daß Soldaten ihm nicht folgen", notierte Halder über Jodl’s Äußerungen zu Hitlers Einstellung in sein Tagebuch 26). Dem Betrachter dieser ersten Oktobertage 1939 bietet sich bei der obersten militärischen Führung ein Bild wachsender Widerstands-gesinnung. Zur Empörung der Gewissen kamen ganz nüchterne Überlegungen über den zu erwartenden Ablauf der Dinge. Thomas hatte schon am 29. September Halder die bedenkliche wehrwirtschaftliche Lage dargelegt: es fehlten in Deutschland monatlich 600 000 Tonnen Stahl, eine größere Steigerung in der Pulvererzeugung sei erst 1941 möglich, innerhalb des Kapazitätsrahmens des Heeres könne die Munitionsherstellung kaum gesteigert werden, auch wenn Stahl vorhanden sei. Wenn wir angriffen, müßte die Luftwaffe gedrosselt werden. In 1/e — 3/Jahr sei eine Besserung zu erwarten 27). Schniewind erklärte Halder am 4. Oktober, daß mit einer U-Boot-Steigerung praktisch erst von 1941 ab zu rechnen sei. Dann würden monatlich 30 U-Boote zusätzlich in Dienst gestellt werden können, so daß Ende des Sommers 1941 dann ständig 100 U-Boote an der Front seien und 100 in den Häfen überholt werden könnten 28). Am 8. Oktober trug der Generalquartiermeister vor; im Hinblick auf die Munitionslage könne eine Operation angesetzt werden für nur Vs der deutschen Divisionen und zwar für 14 Kampftage so, daß dann noch eine Reserve für weitere 14 Kampftage bereit liegen könnte. Der laufende Munitionszuschuß betrüge einen Kampftag für Vs der Divisionen 29). Und schließlich stellte sich in einer Besprechung mit General Fromm, dem Befehlshaber des Ersatzheeres und Chef H-Rüst, am 9. Oktober heraus, daß bis zum 10. November 1939 an schnellbeweglichen Kräften nur 5 Pz. -Divisionen, 2 leichte Divisionen und 3 mot. Divisionen voll verwendungsbereit gemacht werden könnten, und das auch nur auf Kosten anderer dringender Erfordernissen 30). Jodl schrieb am 30. Oktober in sein Tagebuch: „Mot. Truppen bringen nur 75°/gegen 1. September auf die Beine.“

Dazu kamen die Erfahrungen, welche die Heeresgruppenkommandeure in den ersten Kriegswochen mit dem Einsatzwillen und Ausbildungsstand ihrer Truppen gemacht hatten, die keineswegs ihren Höchstforderungen entsprachen. So teilte Generaloberst von Bock, der im Polenfeldzug die Heeresgruppe Nord geführt hatte, dem OKH mit: die Infanterie von 1914 sei auch nicht annähernd erreicht. Der Impuls der vorderen Linie falle aus, alles basiere auf den Führern, daher die hohen Offiziersverluste. Die Maschinengewehre in vorderer Linie hätten vielfach geschwiegen aus Furcht, sich zu verraten Und Generaloberst von Leeb, damals noch Oberbefehlshaber der Westfront, fügte für seinen Bereich hinzu: die 3. Welle sei geeignet für den Stellungskrieg nur unter ruhigen Verhältnissen, die 4. Welle sei nur bei weiterer Abwehrausbildung für den Stellungskrieg brauchbar; Leebs Generalstabschef, General Sodenstern, ergänzte, die eigene Infanterie sei zwar besser als die französische, aber dafür sei die eigene Artillerie bedeutend schlechter, die gute Stimmung der Truppe gründe im Vertrauen auf die Befestigung, die Feldpostprüfung habe klar den Wunsch nach Frieden erkennen lassen Es erübrigt sich eine Aufzählung weiterer Faktoren, die den nüchternen Rechnern der Heeresführung eine Offensive als unverantwortlich schon allein aus dem Wissen des Ressorts heraus erscheinen ließen. Eine Offensive zu dem von Hitler befohlenen Zeitpunkt wäre — das läßt sich auch nach unserem heutigen Wissen mit hoher Wahrscheinlichkeit behaupten — gescheitert. Der große militärische Erfolg ein halbes Jahr später ist kein stichhaltiges Argument dagegen. Das verbleibende halbe Jahr veränderte die Stärke des deutschen Heeres ganz wesentlich, nach Ausrüstungs-und Ausbildungsstand war es nicht mehr mit dem Herbst 1939 vergleichbar. Ob man allerdings wird sagen dürfen, der Widerstand der Generale habe paradoxerweise dazu beigetragen, den Angriff verschieben und damit den Feldzug schließlich gewinnen zu lassen, bleibt unsicher. Von sichtbarer Wirkung auf Hitler war jedenfalls nur das überaus ungünstige Wetter, das ihn mehrfach zur Verlegung der Offensive zwang -Vom 10. Oktober ab liefen die Dinge in beschleunigtem Tempo der Notwendigkeit einer klaren Entscheidung durch die höhere militärische Führung zu. An diesem Tage las Hitler Brauchitsch und Halder seine Denkschrift vor, am Tage darauf gab er seine Weisung Nr. 6 für die Kriegführung heraus . . . „Es ist das Ziel der Britisch-Französischen Kriegsführung, den so-Millionen-Staat wieder aufzulösen bzw. zu zertrümmern, um auf solche Weise das in ihrem eigenen Interesse liegende europäische Gleichgewicht, d. h.den Zustand der Ausgeglichenheit der Kräfte wieder herzustellen. Dieser Kampf muß daher vom deutschen Volke so oder so einmal durchgestanden werden. . . . Das deutsche Kriegsziel hat demgegenüber in der endgültigen militärischen Erledigung des Westens zu bestehen, d. h. in der Vernichtung der Kraft und Fähigkeit der Westmächte, noch einmal der staatlichen Konsolidierung und Weiterentwicklung des deutschen Volkes in Europa entgegentreten zu können. — Diese innere Zielsetzung muß allerdings der Welt gegenüber die von Fall zu Fall psychologisch bedingten propagandistischen Korrekturen erfahren. Am Kriegsziel selbst aber ändert dies nichts. Es ist und bleibt die Vernichtung unserer westlichen Gegner.“ Dann führte Hitler in einzelnen Punkten aus, daß ein längeres Zuwarten nur den Westmächten zunutze komme. Im geeigneten Augenblick würden England und Frankreich ihren Druck auf die neutralen Länder Belgien und Holland so verstärken, daß diese ihnen ohne das Odium der Neutralitätsverletzung zufielen. Die größte Gefahr sah Hitler für Deutschland in der Gefährdung des Ruhrgebietes, vor dem eine Schutz-zone unbedingt erhalten werden müsse. Die vom 9. Oktober datierte Weisung für die Kriegsführung ist erst nach der Verlesung der Denkschrift am 10. Oktober an die Wehrmachtsteile ausgegeben worden. In ihrer Präambel wiederholt sie in konzentrierter Form die Argumentation der Denkschrift und formuliert dann den Befehl zur Offensive im Westen. Als Zweck dieser Angriffsoperation bezeichnet sie, „möglichst starke Teile des französischen Operat. -Heeres und die an seiner Seite fechtenden Verbündeten zu schlagen und gleichzeitig möglichst viel holl., belg. und nordfranz. Raum als Basis für eine aussichtsreiche Luft-und See-kiiegsführung gegen England und als weiteres Vorfeld des lebenswichtigen Ruhrgebietes zu gewinnen."

Mochte Daladiers Rundfunkansprache am 10. Oktober die Aussicht auf einen Frieden noch nicht ganz verdunkeln — Mussolini meinte, die Franzosen fingen an, schwach zu werden —, so konnte es nach der Rede Chamberlains am 12. Oktober keinen Zweifel mehr geben. „Auch der Duce ist, nachdem er den Wortlaut gelesen hat, überzeugt, daß jede Möglichkeit einer Verständigung entschwunden ist", schrieb Ciano am 13. Oktober in sein Tagebuch. Und Ribbentrop ließ kurz darauf feststellen, daß die Lage keiner weiteren Klärung mehr bedürfe. England und Frankreich hätten die Friedenshand des Führers zurückgewiesen und den Fehdehandschuh hingeworfen. Deutschland habe ihn nun aufge-genommen

Als Hitler am 16. Oktober dem Oberbefehlshaber des Heeres erklärte, daß er nunmehr endgültig die Hoffnung auf eine Verständigung mit Großbritannien begraben habe und die Offensive im Westen baldmöglichst durchführen wolle, war das nichts Neues mehr. Der zunächst in Aussicht genommene Zeitpunkt zum Antreten zwischen dem 15. und 20. November 1939 wurde dann in den nächsten Tagen auf den 12 Novembervorverlegt, weil die Verwendungsbereitschaft der Panzerundmot. Divisionen nach neuester Meldung schon bis zum 10. November hergestellt werden konnte. Gemäß der vom OKH erbetenen Vorwarnung 7 Tage vorher, wollte Hitler die letzte Entscheidung am 5. November fällen

Aus der inneren Ablehnung der Pläne Hitlers, von denen man eine deutsche und europäische Katastrophe befürchten mußte, erwuchs allmählich der Wille zur tätigen Gegenwirkung. Diese war auf verschiedene Weise möglich. Mit den Mitteln des Ressorts kämpfte eine größere Zahl von Generälen gegen Hitlers Vorbereitungen, zu aktiver Opposition mit der Bereitschaft zu absoluter Auflehnung konnten sich nur wenige, jedoch mit zentralen Führungsstellen betraute Männer durchringen. Diese allein rechnen wir im engeren Sinne zur Widerstandsbewegung. Im Ausland sieht man selbst in dieser Auflehnung vielfach noch immer nur den Widerstreit verschiedener strategischer Konzeptionen Handelte es sich wirklich um nichts weiter als das, gehörte diese Phase nicht in eine Studie über den deutschen Widerstand. Will man sich aber nicht von vornherein der Möglichkeit eines wirklichen Verständnisses berauben, dann muß man wissen, daß die erhaltenen dienstlichen Tagebücher und Dokumente nur die eine Seite der Sache geben. Wer die Vorgänge wirklich erfassen will, wird sich bemühen müssen, die handelnden Personen auch von der Seite her kenenzulernen, die in der Situation der Hitler-Herrschaft nur selten in schriftlichen Zeugnissen greifbar ist.

Unter solchem Gesichtspunkt ist auch das Tagebuch Halders zwar eine hervorragende — bisher nicht ausgewertete — Quelle zur Geschichte der Operationsvorbereitungen der militärischen Spitzengruppe, über die Tätigkeit der sich in den ersten Konturen abzeichnenden aktiven Opposition jedoch bringt es nur sehr wenig. Für Namier wäre das ein weiterer Beleg für seine feststehende Meinung: „The primary aim for which they worked was Germany's victory, and next, reinsurance in case of defeat“ Allerdings — die deutschen militärischen Führer, die sich jetzt zum Entschluß des Widerstands durchrangen, arbeiteten für einen deutschen Sieg, aber zugleich auch gegen ihn. Man muß diesen scheinbaren Widerspruch in seiner ganzen Schärfe stehen lassen und mag daran ermessen, in welchen Konflikten die entscheidenden Personen standen. Es war eine gewaltige Beanspruchung, unter der Decke der militärischen Planarbeit, die ohnehin schon den Einsatz der äußersten Kraft erforderte, gleichzeitig die Gedanken eines Umsturzes weiterzutreiben. Die hier nur verkürzt wiedergegebene Antinomie bedarf noch einer weiteren Auslegung. Man verabscheute diesen Krieg, den man nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa als eine Katastrophe ansah (— schon pochten die Russen an den Toren, „Litauen mit den anderen baltischen Provinzen wird an Rußland verkauft", verzeichnet das Halder-Tagebuch vom 26. September —) und man suchte nach einer Möglichkeit, ihn jetzt zu beenden: wenn es nicht anders sein konnte — über eine Entmachtung Hitlers und seines ganzen Regimes. „Wenn es nicht anders sein konnte“ —, das heißt nicht etwa, daß man Hitler innerlich konzedierte, sondern bezeichnet nur die große Hemmung, einen legal zur Macht gekommenen Diktator mit dem illegalen Mittel eines für die deutsche Geschichte ganz ungewöhnlichen Staatsstreiches zu beseitigen. Diese Hemmung galt trotz schärfster Ablehnung der politischen und moralischen Hemmungslosigkeit Hitlers. Daß es dennoch zu dem Plan eines Staatsstreiches in Deutschland kommen konnte, dazu bedurfte es der äußersten, alle anderen Möglichkeiten (nach außen und innen) radikal abschneidenden Notlage — der Drohung des Weltkrieges. Die Tatsache, daß man einen deutschen Sieg für unwahrscheinlich hielt, war höchstens ein Oberflächenmotiv, das natürlich als solches selten in Erscheinung tritt. Gelang eine innere Wendung jedoch nicht, dann allerdings glaubte man seine Pflicht tun und für den Sieg der deutschen Waffen kämpfen zu müssen, da man aus dem Dilemma keinen Ausweg mehr sah und der Geschichte die Zukunft anheimstellte, auf eine spätere innere Säuberung hoffend. Eine Sabotage des Sieges glaubte — außer Oster, dem wir wenigstens die edelsten Motive zubilligen müssen, gleich wie wir uns zu seinen Nachrichtenübermittlungen stellen — niemand verantworten zu können. Daß man die von Hitler erzielten Erfolge der Korrekturen von Versailles, selbst wenn man seine erpresserischen Methoden nicht gebilligt hatte, zu halten versuchte, kann man deutschen Patrioten nicht vorwerfen. Um des Friedens willen hätte man sich im Osten aber auch mit Kompromißlösungen einverstanden erklärt. Auf dieses Problem ist noch zurückzukommen. Hier sind wir nun an den Punkt unserer Untersuchung angekommen, an dem wir uns mit den entscheidenden Männern der militärischen Opposition näher zu beschäftigen haben. Wir wenden uns dabei nur den wichtigsten zu und sind uns auch durchaus bewußt, daß keineswegs alle führenden Generale deren Standpunkt teilten. Gegenüber einer kleinen Gruppe von Männern, die jetzt zu aktiver Opposition entschlossen waren, stand eine ebenfalls kleine Gruppe von Hitlergläubigen, und zwischen diesen beiden Polen die große Zahl der konservativ denkenden höheren Offiziere, die zwar keine Anhänger des NS-Regimes waren, aber auch keine Gelegenheit zu aktivem Widerstand im vollen Sinne des Wortes hatten oder auch dazu nicht bereit waren. Ohne uns hier auf eine Analyse dieser größeren Zahl einlassen zu können, dürfen wir sie jedoch — im Überblick — als ein Reservoir latenten Widerstandes ansehen, das bei vollzogenem Sturze Hitlers aus seiner Reserve heraustretend, sich hinter den Staatsstreich gestellt haben würde. Schwieriger ist schon die große Masse der jüngeren Offiziere zu beurteilen, doch davon wird später bei der Erörterung der Novembersituation noch die Rede sein müssen. Ehe wir in die Untersuchung der Aktionen der tatbereiten Opposition eintreten, haben wir diese — zwecks besserer Würdigung — von der oben genannten kleinen Gruppe der hitlergläubigen Generäle abzuheben. Die Haltung dieser Hitleranhänger wird präzise greifbar in den Worten Jodls nach einer Besprechung mit Halder: „Wir gewinnen diesen Krieg und wenn er hundertmal einer Generalstabsdoktrin widerspricht, weil wir die bessere Truppe, die bessere Ausrüstung, die besseren . . . und eine geschlossene zielbewußte Führung haben“ Wohl noch aufschluß-reicher sind Notizen des späteren Generalobersten Hoth, während des Westfeldzuges Führer des XV. Panzerkorps, die als Anlage zum Kriegstagebuch Nr. 2 XV. Panzerkorps erhalten geblieben sind: „ 6.) Ist Offensive überhaupt notwendig? Geringe Begeisterung beim Feinde. Politisch ausnützen, nicht alles aufs Spiel setzen. Abwarten. Demgegenüber die Erkenntnis, daß große geschichtliche Wendungen nur durch Schwert herbeigeführt werden. Hier nicht um Kol. oder Polen oder Einzelfragen, auch nicht um Hitler oder Nat. -Soz., sondern um Frage, ob Deutschland führende Rolle wie früher oder verschwindet. Warum nicht Frieden? Naturgesetz. Selbsterhaltung, Kampf um Lebensraum. Entweder Lebensraum der Bevölkerung anpassen oder umgekehrt. Ersteres führt zum Krieg, letzteres zur Geburtenbeschränkung oder Auswanderung. Gefahren auf moralischem Gebiet. Führer entschlossen, heroischen Entschluß zu fassen, zu kämpfen. Dafür Aufrüstung. Sonst Verbrechen, dem Volk aufzuerlegen. Kein Kompromiß. Unabänderlich. Nicht kapitulieren, keine Schwäche dulden. 7 .) . . . Heute seit 67 Jahren nur eine Front. In Polen nur ein paar Div. Alles heran an Westfront. Noch nie so günstig wie jetzt. Verbrechen, wenn nicht ausnützen. 8 .) Jeder große geschichtliche Entschluß ist schwer. Es steht immer alles auf dem Spiel. Bismarcks Entschluß 1866 . . . , Ich hätte S. M. von meiner lästigen Anwesenheit befreit', Führer kann dies nicht. Kampfentschlossenheit bis zum letzten. Er wird kämpfen und als letzter fallen. Aber Glauben an Vorsehung . . . Jetzt setzen nicht nur wir Soldaten viel aufs Spiel, viel mehr der Führer. Sein Glaube immer in Krisen am größten, weil Partei zusammen-hielt. Auch jetzt Glaube an deutsches Volk“

Selbst wenn man bedenkt, daß ein Truppenführer seine untergebenen Offiziere auf Entschlossenheit einstellen muß und vor dem Kampf nicht in innere Zweifel führen kann, ist man überrascht von der Tatsache, daß ein deutscher General Hitlers Argumentation in noch simplifizierterer Form weitergeben konnte. Daß solch eine naive Gläubigkeit bei einem hochgestellten deutschen Offizier in dieser Form überhaupt möglich war, ist nicht nur ein Zeichen für die dämonische Wirkung Hitlers, sondern erschreckendes Signal der Krise, in der sich auch die Berufsgruppe der militärischen Führer neben so vielen anderen führenden Gruppen Deutschlands befand. Es mag hier vorweggenommen sein, daß das Scheitern der Staatsstreichvorbereitungen zu einem Teil hier seinen Grund hat. Allerdings muß man sich bewußt halten, daß 1. das zitierte Beispiel ein sehr extremer Fall ist und 2. die Schicht der Offiziere es keineswegs allein war, die infolge jahrzehntelanger überstarker Spezialisierung die Welt nur noch aus dem Winkel einer verengten Geistigkeit zu betrachten vermochte. Was für die Intelligenz überhaupt gilt — wenn eine solch rohe Skizze überhaupt gestattet ist —, wurde natürlich im Kriege in der deutschen Offiziersschicht in besonderer Weise bedeutungs-und verhängnisvoll Auf der Folie der eben skizzierten Erscheinungen hebt sich die aktive Opposition gegen Hitler eindrucksvoll ab. 3. Die Unterredung zwischen Brauchitsch und Halder vom 14. Oktober Die Konsequenzen von Brauchitsch In den ersten beiden Oktoberwochen war es klar geworden, daß Hitler noch in diesem Jahre unter Bruch der belgisch-holländischen Neutralität zur Offensive im Westen zu schreiten gedenke. Nun hatte er auch den Angriffstermin befohlen. In der Erwartung dieses Befehls hatten Brauchitsch und Halder sich 2 Tage vorher, am 14. Oktober, noch einmal ausführlich über die Gesamtsituation unterhalten. In Halders knappen und cachierenden Notizen über diese Unterredung haben wir einen der seltenen Fälle, wo in seinem Tagebuch einmal Widerstandsüberlegungen greifbar werden. Der Oberbefehlshaber des Heeres hatte mit seinem Generalstabschef drei Möglichkeiten durchgesprochen, zwei davon sind genannt: „Angriff abwarten, grundlegende Veränderungen". Mit „grundlegenden Veränderungen“ ist offensichtlich die Entmachtung Hitlers gemeint. Unmittelbar anschließend heißt es dann weiter: „Für keine dieser durchschlagende Aussichtsmöglichkeiten, letzteres am wenigsten, da im Grunde negativ und Schwächemomente schaffend. Unabhängig davon Pflicht, militärische Aussichten nüchtern klarzulegen und jede Friedensmöglichkeit zu propagieren“. Das „im Grunde negativ“ muß auf „grundlegende Veränderungen" bezogen werden. Der revolutionäre Akt eines Staatsstreichs mußte um so mehr als bloß negative Handlung erscheinen, als Brauchitsch keine praktischen Möglichkeiten zur Konstituierung einer neuen positiven Ordnung sah. Diese Auffassung hatte er— unabhängig von seinem Generalstabschef — durch Gedankenaustausch vor allem mit ihm nahe-stehenden oppositionell denkenden Männern der westfälischen Wirtschaft gewonnen Hinter dem lakonischen „Schwächemomente schaffend“ steht die Frage: Was tun die an der Westgrenze aufmarschierten Alliierten im Falle innerer deutscher Unruhen? Diese Frage beunruhigte in den kommenden Vorbereitungen die verantwortlichen militärischen Führer verständlicherweise aufs höchste und ist für sie auch nie befriedigend gelöst worden. Der letzte Satz aus der Besprechungsnotiz Halders betrifft den Widerstand aus den Möglichkeiten und in den Grenzen des Ressorts: Kampf gegen die Offensive weiterhin mit militärischen Argumenten und den Versuch, dem Diktator jede sich diplomatisch bietende Chance zur Vermeidung des Waffenganges im Westen nahe-zulegen. Es ist nicht mehr festzustellen, an welche konkreten Friedensmöglichkeiten Brauchitsch damals dachte, Tatsache jedoch ist, daß in jenen Wochen mehrfach an Göring und sogar an Himmler Angebote guter Dienste herangetragen wurden Sicher ist auch, daß hinter dieser Friedenspropagierung Halder stand, der am 13. Oktober, also am Tage vor dieser Besprechung, mit Weizsäcker eine längere Unterredung hatte.

Auf solchen Gleisen bewegte sich der Widerstand des Oberbefehlshabers. Die historische Gerechtigkeit gebietet, diesen Einsatz nicht zu unterschätzen. Auf dem Hintergründe dieses Kampfes, den der Ober-befehlshaber des Heeres gegen die Offensive führte, muß auch seine Verfügung über die weltanschauliche Erziehung des Heeres vom 7. Oktober 1939 verstanden werden Wenn es darin heißt, die Ausbildung des Soldaten zu einem mutigen und angriffsfreudigen Kämpfer könne nicht getrennt werden von einer modernen nationalsozialistischen Erziehung, dann wollte eine solche Weisung — übrigens direkt veranlaßt durch massive Vorwürfe Himmlers — vor allem eine Vorfeldsicherung des eigenen Widerstandes erreichen. Jedenfalls sind im Heer nicht, wie es in der Weisung ausgesprochen war, Vorträge über die Rassereinheit gehalten worden und auch „Mein Kampf“ wurde nicht vorgelesen. Die Verfügung war tatsächlich nur ein Schutzschild.

Greiners Ausführungen, Brauchitsch habe bis zum 5. November den Willigen gespielt, um in einer günstigen Atmosphäre seine Argumente mit besserem Erfolg durchsetzen zu können, sind nur bedingt richtig Die schon geschilderten Spannungen bestanden fort, wenn auch Brauchitsch sich persönlich etwas mehr zurückhielt.

Dafür brachte er aber seine Heeresgruppenkommandeure und Armee-führer jetzt ins Spiel. Rundstedt bekam sogar den direkten Auftrag, Hitler seine Pläne auszureden aber auch General von Reichenau, der als alter Hitleranhänger größeren Einfluß auf Hitler haben mochte, wurde zum offenen Vorbringen seiner Bedenken, die auch er gegen die Offensive hatte, bewogen. AIs Hitler diesem auf seine Bedenken erwiderte, daß bei einer Verschiebung der Offensive auch der Gegner stärker werden würde und dann England in einer Winternacht ohne Schuß und ohne daß man es merke an der Maas stehen könnte, erwiderte Reichenau: „Das ist mir lieber" Es erscheint nicht abwegig, hier einen ersten Ansatzpunkt zu einem mehr als fachlichen Widerstand auch bei Reichenau zu erkennen, den schon die nationalsozialistischen Untaten in Polen empört hatten. Gute Kenner der Persönlichkeit Reichenaus sind der Ansicht, daß er nach längerer Entwicklung zu einem leidenschaftlichen Hitlergegner geworden wäre Doch sei das hier nur am Rande bemerkt. Während der Oberbefehlshaber des Heeres auf der hier-skizzierten Ebene sich Hitlers Offensivplänen mit allen ihm zur Verfügung stehenden und seiner Natur entsprechenden Mitteln entgegensetzte, tat er den Schritt auf die Ebene des Staatsstreichs nicht. Wohl beschäftigte er sich gelegentlich mit dem Gedanken einer „grundlegenden Veränderung" — Halder drängte ihn häufig genug zu dieser letzten Konsequenz und der Generaloberst Leeb forderte sie in einem Brief vom 31. Oktober —, aber er vermochte sich nicht zu einem definitiven Entschluß durchzuringen. Man darf jedoch annehmen, daß er sich nicht gegen einen von seinem Generalstabschef inszenierten Staatsstreich gewandt hätte; Halder traute es sich jedenfalls zu, seinen Oberbefehlshaber im entscheidenden Augenblick mitzureißen. Was hat Brauchitsch von diesem letzten Schritt, vor den er sic im Zuge gedanklicher Erwägungen mehrfach gestellt sah, zurückgehalten? War er durch die Annahme der Hitlerschen Dotation für seine erste Frau der inneren Freiheit beraubt? So nahe dieser Schluß auch liegt, die eigentlichen Hemmungen kamen, wie seine persönliche Umgebung versichern zu können glaubt, nicht aus dieser Bindung. Sie liegen eher in seiner Natur, die nach berufenem Urteil „im Auftreten und inneren Wesen den späten Typ vornehmen deutschen Soldatentums" verkörpert, „wohl selber darum wissend, daß die politische Entwicklung inzwischen seiner Art die Voraussetzungen entzogen hatte" Das Operieren mit fachlichen Argumenten war Hitler gegenüber nur ein Geplänkel im Vorfeld; während der Oberbefehlshaber des deutschen Heeres seine Kraft in dieser Randzone verbrauchte, nahm Hitler solchen Widerstand nach seinen steten Erfolgen mehr und mehr als eine quantite negligeable. Dem brutalen und sittlich ungebundenen Willen des „Führers“ war Brauchitsch’s vornehme Art nicht gewachsen, unter diesem würgenden Zugriff ist er langsam erstickt. 4. Die Heeresgruppenführer: v. Leeb, v. Rundstedt und v. Bock LEEB : Einer der entschiedensten Bundesgenossen der Oppositionsgruppe in der Heeresleitung, dessen Einsatz sehr bald auch über die Grenze des normalen fachlichen Widerstandes hinausgehen sollte, war der Ober-befehlshaber der Heeresgruppe C, Generaloberst Wilhelm Ritter von Leeb. Auf dem Gebiet der Defensiv-Strategie war er eine in der ganzen westlichen Welt anerkannte Autorität, seine Arbeit über die Verteidigung gehört noch heute in Amerika zur klassischen Militärliteratur. Er war wie Halder Bayer und Katholik und scheute sich auch nach 1933 nicht, mit seiner Familie öffentlich den Gottesdienst zu besuchen. Das war von seiner Seite mehr als eine Demonstration, wurde von der nationalsozialistischen Staatsführung aber gerade als solche und gegen sie gerichtet empfunden. Seine innere Einstellung dem Nationalsozialismus gegenüber wurde, obwohl er zunächst — wie er selbst bekennt — durchaus wohlwollend gewesen war, mehr und mehr ablehnend. Der wichtigste Grund dafür war der offene und versteckte Kampf des Regimes gegen die christlichen Religionsbekenntnisse. In seiner Haltung von einer lauteren Konsequenz, lehnte er schon 1937 eine Einladung zu einem Vortrag Rosenbergs in Kassel mit anschließendem gemeinsamen Essen ab, obwohl er als Ober-befehlshaber der Heeresgruppe II in Kassel gesellschaftlich dazu ver-pflichtet gewesen wäre. Die Folgen dieser unverschleierten Einstellung konnten ihm nicht unbekannt sein, er war aber zu keinem Zugeständnis bereit und nahm seine Entlassung im Februar 193 8 mit Gelassenheit hin. Im OKW-Prozeß befragt, ob er Hitlers „Mein Kampf" gelesen habe, verneinte Leeb Dieser kleine, nicht unwichtige Zug ist charakteristisch für die damalige Situation. Auf einen heutigen Betrachter aber muß es überraschend, ja befremdend wirken, daß selbst ein so bedeutsamer führender Vertreter der deutschen Intelligenz in einer Position, die ihn sich täglich mit den Erscheinungen des Nationalsozialismus auseinandersetzen ließ, sich nie gedrängt fühlte, Hitler in seinem programmatischen Buch zu studieren, und daß er bis zum Schluß des Krieges den SD nicht einmal dem Namen nach kannte Nach Kriegsausbruch wegen seiner hervorragenden fachlichen Qualitäten wieder in Dienst gestellt, war er zunächst Oberbefehlshaber West, dann im Zuge der Umgliederung für die bevorstehende Offensive Führer der Heeresgruppe C. In dieser Eigenschaft verfaßte er, vom Gefühl seiner Verantwortung tief durchdrungen, eine „Denkschrift über die Aussichten und Wirkungen eines Angriffs auf Frankreich und England unter Verletzung der Neutralität Hollands, Belgiens und Luxemburgs" und übersandte diese am 11. Oktober dem Oberbefehlshaber des Heeres, sowie in Abschriften dem Generalstabschef Halder und dem Befehlshaber der Heeresgruppe B, Generaloberst von Bock. Im Anschreiben an Brauch-weitere Zukunft itsch heißt es: „Schwere Sorge um unsere veranlaßt mich zu einer weiteren Betrachtung unserer gegenwärtigen Lage . . . Über meinen Lagebericht vom 7. 10. hinaus möchte ich mich nochmals in dieser ernsten Stunde, die vielleicht auf Jahrzehnte über das Schicksal unseres Volkes entscheidet, an Sie mit beiliegender Denkschrift wenden, die auch manches schon Gesagte zusammenfassend wiederholt. — Ich teile meine Auffassung wohl mit vielen, die sich die Mühe machen, über diese Lage nachzudenken“. Die Denkschrift selbst kam nach Betrachtung der militärischen Aussichten, der politischen und wirtschaftlichen Folgen zu dem Ergebnis, daß die Offensive nicht verantwortet werden könne. So sehr die nüchternen, übrigens auf hohem stilistischen Niveau formulierten Argumente der Überzeugung eines Feldherrn entsprangen, der einen wirklichen Erfolg der Offensive für unmöglich hielt, so deutlich wird aber einem sich nicht von vornherein verschließenden Beobachter vor Augen geführt, daß diese Argumente noch weit mehr aussagen. Sie sind bereits ein Beispiel des noch öfter zu bezeichnenden „indirekten Schießverfahrens" • Weil der Gegner nur auf der pragmatischen Ebene zu treffen war, stellte Leeb das als unzweckmäßig und unerreichbar hin, was er für unheilvoll und unmoralisch hielt. Mit einem für dieses Verfahren geschärften Auge kommt man schnell dem fundamentalen Motiv dieser Denkschrift auf die Spur und findet es in Sätzen wie diesen: „Frankreich und Belgien haben dann einen gemeinsamen Feind: Deutschland, das zum zweitenmal innerhalb eines Vierteljahrhunderts über das neutrale Belgien herfällt! Deutschland, dessen Regierung die Achtung dieser Neutralität vor wenigen Wochen feierlich beteuerte! — Im eigenen Volk wird der Angriff größte Enttäuschung auslösen. Wir dürfen uns keiner Täuschung darüber hingeben, daß schon die gewaltsame Lösung der polnischen Frage in der Masse des deutschen Volkes keinen Widerhall gefunden hat, und daß schwer an den dort gebrachten Opfern — mögen sie prozentual auch als erträglich bezeichnet werden — getragen wird. Wer die innere Anteilnahme der Bevölkerung an den Siegen des Jahres 1914 miterlebt hat, muß über die Teilnahmslosigkeit, mit der weite Kreise des Volkes 1939 die kriegerischen Ereignisse im Osten verfolgten, nachdenklich werden. Die Disziplin des deutschen Volkes und sein unzerstörtes Vertrauen zur Friedensliebe des Führers hat es den polnischen Krieg willig ertragen lassen. Nun aber — nach seiner Beendigung — beherrscht eine tiefe Sehnsucht nach Frieden das ganze Volk. Wer die Stimmung im Volke kennt, kann nicht anders berichten. Gerüchte, die umlaufen, daß der Führer wohl den Frieden wolle, daß aber die Generale zum Kriege hetzten, weil sie so die Stellung der Armee gegenüber der Partei festigen zu können glaubten, müssen — bei aller Unsinnigkeit — als System gewertet werden“

Im vierten und letzten Abschnitt stellt die Denkschrift schließlich die Vorteile einer abwartenden Haltung heraus. Die Argumentation gipfelt in dem entscheidenden, für die Erkenntnis der tieferen Motive wieder sehr aufschlußreichen Satze: „Endlich, und das ist wohl das wesentlichste, behält die Führung des Reiches die Armee völlig intakt als größten Machtfaktor für jede weitere Verhandlung in der Hand. Sie kann zu keinen ungünstigen Friedensbedingungen gezwungen werden“

Als in den auf diese Denkschrift folgenden drei Wochen die Angriffs-vorbereitungen nicht nur nicht abgestoppt wurden, sondern der Angriffs-termin selbst in bedrohliche Nähe rückte, ging Leeb noch einen wesentlichen Schritt über seine Denkschrift hinaus. Er schrieb am 31. Oktober genannten dem Oberbefehlshaber des Heeres den schon Brief worin er dessen Handeln forderte und sich zugleich für alle Konsequenzen voll hinter ihn stellte: „Es drängt mich in dieser schicksalschweren Zeit, Ihnen nochmals zu sagen, wie sehr ich Ihnen die Verantwortung nachfühle, die auf Ihnen lastet. Vielleicht hängt das Schicksal des gesamten deutschen Volkes in den nächsten Tagen von Ihnen ab. Denn in der gegebenen Lage ist wohl der Oberbefehlshaber des Heeres an erster Stelle berufen, seine Auffassung, hinter der der gesamte Generalstab und alle denkenden Teile des Heeres stehen, in aller Form zur Geltung zu bringen." Nachdem die militärischen Gründe gegen Hitlers Offensivabsicht noch einmal zusammengefaßt dargelegt sind, fährt Leeb fort: „Auf politischem Gebiete haben wir doch Polen als Faustpfand in der Hand. Wenn dies den Gegnern nicht paßt, denn mögen s i e doch angreifen. Das gesamte Volk ist von einer tiefen Friedenssehnsucht erfüllt. Es will den drohenden Krieg nicht und steht ihm ohne jede innere Anteilnahme gegenüber. Wenn die Parteistellen etwas anderes berichten, dann halten sie mit der Wahrheit zurück. Das Volk erwartet sich jetzt den Frieden von der Politik seines Führers, weil es wohl ganz instinktiv fühlt, daß eine Vernichtung Englands und Frankreichs nicht möglich ist und weiterreichende Pläne daher zurückgestellt werden müssen. AIs Soldat muß man das Gleiche sagen. Wenn der Führer jetzt unter einigermaßen annehmbaren Bedingungen dem gegenwärtigen Zustande ein Ende bereiten würde, wird dies kein Mensch als Zeichen der Schwäche oder des Zurückweichens auslegen, sondern als Erkennen der wahren Machtlage. Das Zugeständnis einer Autonomie für die Tscheche! und das Bestehenbleiben eines Reststaates Polen würde wohl auf volles Verständnis beim ganzen deutschen Volk stoßen. Der Führer würde dann nicht nur vom ganzen deutschen Volke, sondern gewiß auch von weiten Teilen der Welt als Friedensfürst gefeiert werden.

Ich bin bereit, in den kommenden Tagen mit meiner Person voll hinter Ihnen zu stehen und jede gewünschte und notwendig werdende Folgerung zu ziehen. Stets Ihr ergebener gez. Leeb“

Namier würde in dem Satz, „daß eine Vernichtung Englands und Frankreichs nicht möglich ist", nur eine Bestätigung seiner These sehen; man wird jedoch in diesem Satz, wie auch in den Bemerkungen zur Prestigeempfindlichkeit Hitlers nur Argumente ad hominem zu sehen haben. Das Zugeständnis einer Autonomie der Tscheche! und eines Restpolen entspricht genau den Vorstellungen der politisch-diplomatischen Oppositionsgruppe. Der letzte Satz allein könnte jeden Zweifel an der vollen Zugehörigkeit Leebs zum Kern der deutschen Opposition beseitigen, wenn es nicht schon andere Beweise dafür gäbe. Die Zusage Leebs an Stülpnagel, von der noch zu sprechen sein wird, wie auch die Erklärung an Halder persönlich: „Sie sind jünger als ich, das stört mich nicht. Weil ich Sie kenne, folge ich Ihnen auf jedem Schritt, den Sie tun“ sind ein deutlicher Kommentar zu dem letzten Satz aus dem Briefe an Brauchitsch.

Bock-rundstedt:

Während Generaloberst von Bock, der Befehlshaber der Heeresgruppe B, schon vor dem 11. Oktober, zu einem Zeitpunkt, als über die offensive Lösung noch nicht entschieden war, eine Denkschrift an Brauchitsch geschickt hatte mit der Warnung vor einer Verletzung der Neutralität Belgiens, Luxemburgs, Hollands legte Generaloberst von Rundstedt, der Befehlshaber der Heeresgruppe A, eine Denkschrift dem Oberbefehlshaber des Heeres erst am 31. 10. vor Diese beiden Denkschriften stehen nicht in der gleichen Linie des Widerstandes, in der Leeb sich befindet. Für von Bock ergibt das die Zeugenaussage Halders für Rundstedt zeigt das die Lektüre seiner Denkschrift, die rein militärisch argumentiert In der Einleitung weist Rundstedt sogar ausdrücklich jede politische Gedankenführung von sich: „Als Oberbefehlshaber einer Heeresgruppe halte ich mich für verpflichtet, zu der beabsichtigten Angriffsoperation durch Belgien-Holland folgendes zur Sprache zu bringen, wobei ich alle politischen Fragen, als nicht zum Verantwortungsbereich des Soldaten gehörend, übergehe." So schätzt ihn — nach Heusinger — auch Hitler ein: „Rundstedt schätze ich sehr. Er ist ein gerader Soldat, der sich um Politik nicht kümmert“

Die nach der zitierten Einleitung folgenden militärischen Gedanken sind in den wichtigsten Punkten denen Leebs ähnlich, ein anderer Geist spricht jedoch aus dem Schluß: „Der Oberbefehlshaber der 12. Armee, Generaloberst List, ist vor einigen Tagen mit der gleichen Auffassung und der Bitte sie zu vertreten an mich herangetreten. Ich stelle anheim, auch ihn zu hören. Den Oberbefehlshaber der 16. Armee habe ich dienstlich mit diesen Erwägungen nicht befaßt, weil angesichts der befohlenen Operation der Gedanke des Zweifels an ihrer Zweckmäßigkeit in keiner Weise nach unten in Erscheinung treten darf. Die Verantwortung der höchsten mil. Befehlshaber zwingt aber m. E. dazu, so schwerwiegende Bedenken zur Sprache zu bringen. Die Erfolge in Polen erheben das Heer und seine Führung über den Verdacht, nicht das Höchste wagen zu können, oder nicht mit vollstem Einsatz an jede Aufgabeheranzugehen." Über die Fixierung dieser militärischen Bedenken und Warnungen und über taktische Manöver zur Verschleppung des Angriffsbeginns hinaus waren von Bock und Rundstedt zu keinen weiteren Handlungen bereit. Sie verharrten in einer militärischen Tradition, für die es Auflehnung und tätigen Widerstand gegen das Staatsoberhaupt nicht geben konnte. Obwohl beide den Usurpator und sein Regime innerlich ablehnten, dienten sie dem Staate weiterhin. Da aber ihre Treue so schließlich nur noch einem Abstraktum galt, besteht die Frage zu recht, ob diese Treue nun nicht ihren ursprünglichen Sinn verfehlte. Daß von Bock und Rund-stedt dann auf die Sondierungen Stülpnagels und auf die Vorschläge Leebs (am 10. November) negativ reagierten, ist natürlich nur eine logische Konsequenz aus ihrer Einstellung. L e e b begnügte sich keineswegs mit seinem ungewöhnlichen Brief an den Oberbefehlshaber des Heeres, er versuchte außerdem eine in seinem Sinne gemeinsame Front der drei Heeresgruppenführer im Westen herzustellen. In seinem Auftrag arrangierte sein Chef des Stabes, General von Sodenstern, für den 10. November eine Zusammenkunft der drei Heeresgruppenbefehlshaber im Hauptquartier der Heeresgruppe A in Koblenz, bei der unter sechs Augen frei und offen gesprochen werden konnte

Während Leebs Auffassung der Lage im wesentlichen von den anderen geteilt wurde, gab es einen Unterschied der Ansichten bei der Erörterung der zu ziehenden Konsequenzen. Leeb schlug ein gemeinsames Vorgehen der drei Heeresgruppenbefehlshaber vor: man solle geschlossen vor Brauchitsch hintreten und diesen mit solcher Rückendeckung zu einer entscheidungsuchenden Auseinandersetzung mit Hitler bewegen. Sollte auch so der Angriffsplan nicht vereitelt werden können, müsse man zusammen von den Ämtern zurücktreten. Dieser Vorschlag Leebs wurde abgelehnt, Bock äußerte „das ginge doch etwas zu weit" Bock und Rundstedt erklärten sich allerdings bereit, mit allen legalen Mitteln für eine Verschiebung des Angriffs-termins zu wirken. Sie haben diese Verzögerungstaktik, die nach dem Aufmarsch wesentlich nur in ihren Abschnitten möglich war, dann auch verbissen durchgeführt. Sie steckten sich hinter die Ungunst von Wetter und Gelände und führten z. B. Abgesandte des OKW jeweils auf solche Straßen der Eifel, die gerade am meisten vereist waren und mit abgerutschten Fahrzeugen ein möglichst ungünstiges Bild von den allgemeinen Verhältnissen boten.

Nach der Rückkehr in sein Frankfurter Hauptquartier trug sich Leeb auf Grund seiner erfolglosen Versuche zunächst mit dem Gedanken, den Befehl über seine Heeresgruppe niederzulegen. Auf den Rat seines Stabschefs, der ihm die Nutzlosigkeit eines solchen Schrittes vor Augen hielt, besonders aber auf Grund des auch jetzt noch fortbestehenden Gefühls soldatischer Verpflichtung dem Vaterland gegenüber, hat er diesen Schritt dann doch nicht tun zu dürfen geglaubt Nach seinen Worten im OKW-Prozeß hatte Leeb damals den Kampf gegen Hitler aufgegeben Das will sagen, er unternahm in Zukunft keine Aktionen der geschilderten Art mehr, den Widerstand des Gewissens gab er aber keineswegs auf. Noch im Januar 1940 stellte er sich — ebenso Witzleben — voll hinter seinen Divisionskommandeur, Generalleutnant G r o p p e , als dieser nach seiner Kommandeurbesprechung am 4. Januar 1940 in einen schweren Konflikt mit Himmler und seiner SS geriet. Himmler hatte am 28. Oktober 1939 eine Aufforderung erlassen, nach welcher sich die deutschen Mädchen und Frauen SS-Männern zur Verfügung stellen sollten, um die Kriegsverluste wettzumachen. Dazu gab das „Schwarze Korps" am 4. Januar einen Kommentar heraus, der alle Mädchen, die sich solcher Verpflichtung entzögen, als fahnenflüchtig wie Kriegsdienstverweigerer bezeichnete. Als Generalleutnant Groppe von diesen Dingen Kenntnis bekommen hatte, erklärte er in seiner Kommandeurbesprechung: „Meine Herren, man hat uns zu Neujahr gesagt, daß das Jahr 1940 die Entscheidung bringen müsse zwischen uns und England. Nach dem, was ich Ihnen soeben vorgelesen habe, will mir scheinen, daß es zu einer Entscheidung kommen muß zwischen Gott und dem Satan.“ Während die unmittelbar vorgesetzte Dienststelle, das XXX. Armee-korps, sich, vorsichtig jonglierend, an diesem heißen Eisen nicht die Finger verbrennen wollte, deckte Leeb das mannhafte Verhalten seines Divisionskommandeurs ohne Rücksicht auf die Feindschaft der SS. Er hatte schon Anfang Dezember gegen den Erlaß protestiert und erreichte jetzt, daß die Angelegenheit an höchster Stelle verhandelt wurde, Himmler seine Weisung praktisch zurücknehmen mußte und Groppe nicht — wie der „beleidigte“ Himmler gefordert hatte — bestraft, sondern ledig-lieh zur OKH-Reserve mit dem Wohnsitz Hanau versetzt wurde Leeb selbst mußte fortan mit verschärfter Überwachung rechnen, zumal auch negative Äußerungen über das Regime aus dem Briefwechsel mit seiner Frau bekanntgeworden waren. Halder erfuhr davon und ließ Leeb sofort warnen Nach allem bisher Dargelegten kann nicht der geringste Zweifel mehr daran bestehen, daß der Generalfeldmarschall Ritter von Leeb dem Kern des deutschen Widerstandes gegen Hitler zugerechnet werden muß. Zugleich aber werden auch an seiner Persönlichkeit die Grenzen deutlich, die ein deutscher Heerführer, gebunden durch die Traditionen seines Berufs und die Ambivalenz der historischen Situation, in sich für eine solche Opposition gezogen sah. Es mag dem heutigen Betrachter schwer verständlich sein, daß dieser Mann erst im OKW-Prozeß durch den Mund Halders von eigentlichen Widerstandsgruppen hörte und vorher nie etwas von diplomatischen Verbindungen zur Gegenseite gewußt hat. Ein solcher Befund ist jedoch höchst kennzeichnend für die in jeder Untergrundbewegung notwendige Taktik der gestuften und begrenzten Einweihung, aber wohl doch auch für eine noch nicht bis zu letzten Entschlüssen ausgereifte Planung. 5. Halder a) Die bisherige Haltung Halders Ein im christlichen Glauben geschärftes Gewissen ließ Halder schon lange vor Ausbruch des Krieges zum entschiedenen Gegner Hitlers und seines Regimes werden. Als Beck das Amt des Generalstabschefs 1938 niederlegte, trug Brauchitsch es dem bisherigen Oberquartiermeister Halder an. Nachfolger eines Mannes werden zu sollen, der im Kampf gegen Hitler das Feld hatte räumen müssen, mochte jeden bedenklich stimmen, der ähnlicher Gesinnung war wie der Gestürzte. Beck aber mußte in solcher Schlüsselposition einen Nachfolger seiner Gesinnung wünschen, sein dringliches Zuraten bestimmte Halder schließlich anzunehmen. Doch trat er das Amt erst an, nachdem er dem Oberbefehlshaber — so berichtet Halder später selbst — rückhaltlos erklärt hatte, wie er sich den tieferen Sinn seiner neuen Tätigkeit denke: „Wenn ich das Amt übernehme, dann tue ich es nur, um jede Möglichkeit zum Kampf gegen Hitler auszunutzen, die dieses Amt bietet.“ Brauchitsch streckte ihm darauf beide Hände entgegen: „Also Sie kommen!" Er war mit der gestellten Bedingung einverstanden.

Schon während der Tschechenkrise sollte sich zeigen, daß Halder sein Wort wahrzumachen gedachte. Er fand sich bereit, den unter Witzleben militärisch vorbereiteten Staatsstreich auszulösen und sich dafür notfalls auch gegen Brauchitsch durchzusetzen. Es darf als gesichert gelten, daß die einleitenden Vorbefehle tatsächlich auch von ihm gegeben wurden Näheres über die Art und den Grad seiner Teilnahme an den Plänen des Spätsommers auszumachen, war nicht möglich und im Rahmen dieser Arbeit auch nicht notwendig. Wir können im übrigen auf die Darstellung Eberhard Zellers verweisen, der alle bisher bekannten und erreichbaren Quellen für die Tätigkeit der Opposition auch in diesem Zeitabschnitt ausgewertet hat Allerdings bleibt auch bei ihm die Gestalt Halders stärker im Hintergrund als es ihrem Gewicht m. E. zukommt. Wenn am Ende, als nach dem Scheitern der Godesberger Verhandlungen die Ereig-nisse ihrem Höhepunkt zudrängen, sich auch Brauchitsch der zur Aktion entschlossenen Opposition zugesellt, dann wird man das — auch ohne eine andere Quelle als das Selbstzeugnis zu haben — weitgehend auf Halders drängende Einwirkung zurückführen dürfen. Die stärkere und im Kampfe gegen Hitler entschlossenere Persönlichkeit war er; und er wußte sich auch in der Folgezeit, wie zu zeigen sein wird, immer stärker gegen und über den Oberbefehlshaber hinweg durchzusetzen. Die von Zeller gegebene Charakteristik Halders und die von ihm in Anmerkungen aufgegriffenen kritischen Urteile gehen offensichtlich von den Erfahrungen des ersten Kriegsherbstes L 939 aus, als von Halder allein die Entscheidung abhing, ob es einen Staatsstreich geben würde oder nicht. Inwieweit hier zu Recht Ansatzpunkte für die Auffassung Zellers bestehen, wird die historische Analyse im folgenden zeigen müssen. Für die Situation von 1938 bleibt festzuhalten, daß es Teilnahme im hohen Maße bedeutet, wenn Halder bereit war, den Auslösungsbefehl für einen von anderen im einzelnen vorbereiteten Staatsstreich zu geben und damit einen in der Geschichte seines Amtes unerhörten revolutionären Schritt zu tun. Für das Verständnis des Zusammenspiels oder auch der Spannungen zwischen den Männern der Opposition ist es wichtig, einen bedeutsamen Unterschied zu erkennen: es ist etwas anderes, einen Staatsstreich aus der Verantwortung eines hohen Staatsamtes heraus zu vollziehen, als eine solche Tat von außen her zu fordern. Und es kommt nicht von ungefähr, daß manche der permanent zum Handeln Drängenden nicht mehr in einem Staatsamte waren. Sie waren innerlich freier, aber auch ungehemmter, weil sie oft nicht mehr die volle Übersicht über die sehr komplexe Gesamtsituation hatten und auch nicht mehr die unmittelbare Verantwortung trugen. Das gilt für Goerdeler, Hassell und auch für Beck. Ihnen mußte oft als mangelnder Wagemut erscheinen, was in Wirklichkeit die Rücksicht auf eine tatsächlich unausweichliche Lage war. So bedürfen die aus den Quellen tönenden häufigen Vorwürfe dieser Männer einer sorgfältigen Überprüfung — gerade auch im Hinblick auf Halder.

Generaloberst Beck gilt als die „geheime Mitte“ oder „gefühlte Mitte“ der Opposition, wie z. B. Zeller seine Stellung umreißt Dieser Rang soll ihm nicht bestritten werden. Zur Beleuchtung der hier angeschnittenen Problematik des Engagements in einem Amte und damit der Würdigung der Widerstandsleistung Halders muß aber daran erinnert werden, daß Beck, solange er die Stelle des Generalstabschefs innehatte, noch zu keinem Staatsstreich bereit war. Als Halder ihn während der Fritsch-Krise, die eine reale Chance zur Wendung der Dinge war und während derer Beck die volle Kommandogewalt als gesetzlicher Vertreter Fritsch’s hatte, zur Aktion drängte, hielt ihm Beck erregt entgegen: Revolution und Meuterei gibt es im Lexikon des deutschen Offiziers nicht Man darf auch nicht vergessen, daß die bekannten Worte Becks vom L 6. Juli 1938 noch keineswegs den Staatsstreich bezweckten, sondern die Gehorsamsaufkündigung für den Fall des geplanten Tschechenfeldzuges

Wir werden die hier zutage tretende Haltung bewundern und sie als verpflichtendes Vermächnis ansehen können und doch zugleich feststellen müssen, daß in ihr die letzte Konsequenz noch nicht enthalten war, die Beck kurze Zeit darauf wiederholt von seinem bisherigen Oberquartiermeister und Nachfolger im Amt forderte. Jetzt war auch Beck zum letzten entschlossen, aber nun war er entlassen und ohne die Möglichkeiten seiner früheren Stellung.

Seit dem Abgänge Becks lag die Last einer schweren Verantwortung auf den Schultern Halders und er gedachte sich ihr keineswegs zu entziehen. Aber die Geschichte des preußischen Generalstabs hatte bis dahin noch keinen Revolutionär gesehen. Die Tradition verpflichtete — und sie belastete zugleich. Wenn Halder auch aus dem Glauben des Christen ein grundsätzlicher Gegner des Nationalsozialismus war und den Willen zu aktivem Widerstand besaß, so mußte die Freiheit von der Geschichte, die unverbrüchliche Treue zum Staatsoberhaupt zu fordern schien, doch immer wieder neu errungen werden. In welchem Lichte Halder in der Stellung des Generalstabschefs, in der Nachfolge eines Moltke und Schliessen, seine Verantwortung sah, mag die im Jahre 1938 mit Witz-leben getroffene Abrede beleuchten, — nach gelungenem Staatsstreich von ihren Ämtern abzutreten.

Diese Problematik kann hier nur angedeutet werden, sie bedürfte zu ihrer Lösung einer umfassenderen Studie, (die heute wohl noch nicht voll geleistet werden kann) — sie muß aber angedeutet werden, um den Entschluß Halders, den Staatsstreich im Herbst 1939 noch einmal in die Wege zu leiten, voll zu würdigen, die Größe des inneren Konfliktes zu kennzeichnen und die Nichtauslösung auch von dieser Seite her historisch zu begreifen.

Halder hat in starker Sensibilität an seiner Verantwortung sichtlich schwer getragen. Nicht nur, daß er ihr für sich nicht ausweichen wollte, er hat auch ständig seinem Oberbefehlshaber für den täglichen Kampf mit Hitler den Rücken stärken müssen. Halder hat dem ObdH oft genug entgegengerufen: „Quo-usque tandem . . .!" Aber seit der Nacht des 30. September, in der er Brauchitsch um seine Entlassung bat, weil nur einer führen könne, Hitler, Brauchitsch oder er, war Halder Brauchitsch verpflichtet: beide hatten sich in die Hand versprochen, wenn der Augenblick kommen sollte, nur gemeinsam zu gehen. Die Einheit nach außen sollte gewahrt bleiben. Vorausgegangen war die in starker Bewegung und mit feuchten Augen gesprochene Bitte Brauchitsch's: „Halder, Sie dürfen mich nicht allein lassen, was tue ich ohne Sie gegen Hitler!“ Dieses „gegen Hitler“ bedeutete für Halder nun keineswegs nur das Durchsetzen eigener operativer Auffassungen, sondern enthielt für ihn eine innerste Gegnerschaft, deren tragendes Fundament der christliche Glaube war. Daß der Part von Brauchitsch anders ausgeführt wurde, steht hier nicht zur Debatte; wir können den Oberbefehlshaber nicht im eigentlichen Sinne zur Opposition rechnen. — In jenem nächtlichen Gespräch legte Brauchitsch übrigens die ganze operative Führung in die Hand Halders b) Halders Konsequenzen aus dem Gespräch mit Brauchitsch Wir müssen uns noch einmal dem im Halder-Tagebuch festgehaltenen Gespräch vom 14. Oktober zwischen dem Oberbefehlshaber des Heeres und seinem Generalstabschef zuwenden. Wir halten diesen Tag für ein entscheidendes Datum im Ablauf des Widerstandsgeschehens 1939/40. Die Analyse der von Halder in konzentrierter Form wiedergegebenen Auffassung des Oberbefehlshabers ergab klar die von diesem eingenommene Position: Brauchitsch konnte sich nicht zur direkten Aktion gegen Hitler entschließen. Der Charakter und die Bedeutung der Unterredung wird aber erst im vollen Umfang erkennbar, wenn man weiß, daß die Argumente des Oberbefehlshabers Gegenäußerungen zu der von Halder in diesem Gespräch vorgetragenen Ansicht der Dinge und den von ihm ins Auge gefaßten Schlußfolgerungen waren. Der vom Generalstabschef vertretenen operativen und politischen Konzeption des Ab-wartens und der schon mehrfach genannten Operation im Nachzug stimmte auch Brauchitsch zu; nicht einverstanden war er aber mit der Erwägung und Vorbereitung von Aktionen gegen Hitler für den Fall, daß dieser von seiner Angriffsabsicht nicht lassen wollte. Halder jedoch war zu der Überzeugung gekommen, daß man einer kritischen Entwicklung entgegenginge, die unvermittelt den entscheidenden Entschluß zu aktivem Handeln gegen Hitler fordern könne

Als sich in der Unterredung am 14. Oktober zeigte, daß dabei nicht sicher auf Brauchitsch gerechnet werden könne, entschloß sich Halder, selbständig und auf eigene Verantwortung Vorbereitungen für einen Staatsstreich zu treffen. Es muß jedoch betont werden, daß damit noch keineswegs die Entscheidung für den Staatsstreich selbst gefallen war; zunächst wurde lediglich ein „Aufmarsch" und „generalstabsmäßiger Operationsplan“ vorbereitet. Diese aus der militärischen Welt stammenden Begriffe wurden gewählt, um den Tatbestand möglichst präzise zu umgreifen: so wie ein generalstabsmäßig erarbeiteter Operationsplan noch keineswegs den Entschluß zu seiner Durchführung implizieren muß, so gab es vergleichsweise auch hier eine Zäsur zwischen Staatsstreichvorbereitungen und den Entschluß zur Auslösung des Staatsstreichs selbst. c) Der Auftrag an Großkurth zur Staatsstreichplanung Der aus dem Amt des Admirals Canaris stammende Oberstleutnant i. G. Großkurth, der seit einer Weile als z. b. V. -Offizier bei Halder Dienst tat — nach Kriegsbeginn taucht sein Name im Halder-Tagebuch zum ersten Male am 26. September 1939 auf —, wurde mit der generalstabs-mäßigen Ausarbeitung eines Staatsstreichplanes beauftragt. Seine unmittelbaren Gehilfen waren Major Schrader und Hauptmann Fiedler In größerem Rahmen wurde Großkurth unterstützt vom Oberquartiermeister Stülpnagel und dem späteren Generalquartiermeister Wagner. Querverbindungen liefen zu Oster und Dohnanyi in der Zentralabteilung der Abwehr. Als der Kopf der Widerstandsgruppe im OKH ist K. H. Stülpnagel, der Vertreter und Freund Halders, anzusehen, der sich generell zwar als den Beauftragten Halders empfand, aber auch auf eigene Initiative handelte. Rothfels nennt ihn „eine bedeutende, human gebildete Persönlichkeit“ Stülpnagel hatte auch ein enges Verhältnis zu Beck. Gegner Hitler war er aus christlich-sittlicher Verwurzelung. Nach genauen Studien, z. T. unter Verwendung der schon 1938 getroffenen Vorbereitungen, gewann der Plan langsam feste Form; die Zernierung Berlins, Aushebung der zentralen Stellen, Besetzung der Sender und andere erste Aktionen waren im einzelnen genau festgelegt. Zur Durchführung des Plans hatte Halder zwei bis drei Panzerdivisionen hinter der Elbe zurückbehalten unter dem Vorwand des Umbaus der Panzerausstattung. — Bemerkenswert ist auch die Tatsache, daß Halder damals Werke über die Französische Revolution nutzbar zu machen versuchte (wie z. B. das Werk von Louis Madelin, Royalismus und Revolution) und auch die Massenpsychologie von Le Bon studierte

Erich Korth schreibt in seinem Buche „Nicht aus den Akten“ auf Seite 356/57 von diesen Vorbereitungen: „Der Plan begann nun zum ersten-mal nach Kriegsausbruch wirklich Form anzunehmen. Man schien sich im Generalstab keinen Illusionen mehr darüber hinzugeben, was die höhere militärische Führung erwartete, wenn sie Hitlers Befehlen folgte und bei der Offensive im Westen scheiterte. Es konnte kein Zweifel darüber bestehen, daß Hitler bei einem Mißerfolg die ganze Volkswut auf die verantwortlichen Generale lenken würde“. Eine solche Auslegung, die als Motiv hier nichts als erbärmliche Angst zu sehen vermag, ist nur cum ira et Studio möglich und kann nicht den Anspruch erheben, ernst genommen zu werden. Die politische Seite der Staatsstreichvorbereitungen im OKH lag wesentlich in der Hand Hasso von Etzdorfs, der als Verbindungsmann zwischen Weizsäcker und Halder seit Kriegsbeginn im OKH Dienst tat und mit der Unterstützung von Erich Kordt an den notwendigen Aufrufen arbeitete. Halder beschäftigte sich schon deswegen nicht mit politischen Vorbereitungen, weil er diese in größerem Rahmen bei Bede und seiner Gruppe (mit Goerdeler und anderen) in guter Hand wußte. Das fertige Konzept eines Staatsstreichs im Panzerschrank hat mehr als die indifferente Existenz eines beliebigen Papiers im Sinne des „was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen“. Es wirkt durch die Panzerwände hindurch. Aber solches Stimulanz war nicht einmal notwendig, wo die von Halder in jenem Gespräch vom 14. Oktober skizzierte krisenhafte Entwicklung ihrem Kulminationspunkte näherrückte. Am 5. November wollte Hitler endgültig entscheiden, ob der von ihm befohlene 12. November als Angriffstag festgesetzt bliebe. Es gab keinerlei Anzeichen, daß Hitler sich noch in letzter Minute anders entschließen würde; im Gegenteil, er forcierte die Vorbereitungen durch ständiges persönliches Eingreifen. Der Augenblick des Angriffsbefehls mußte aber auch die Zündung eines Staatsstreichs werden, er schuf die psychologisch geeignete und notwendige Situation zur Aktion. Bei den eingeweihten Widerstandsgruppen wuchs die Spannung, die Zivilisten drängten Halder; von Etzdorf und Kordt versuchten durch eine eilig entworfene Denkschrift auf das OKH Einfluß zu nehmen Halder bedurfte dieser Einwirkung nicht mehr, er war sich des Ernstes dieser Stunde ohnehin bewußt und trug schwer an der Last einer gewaltigen Verantwortung. Seine Ablehnung der Politik Hitlers und ihrer brutalen Methoden war nur noch gesteigert worden durch die jüngsten Ereignisse in Polen, über die ihm Wagner Vortrag gehalten hatte Dieser war über die Pläne und Aktionen Hitlers durch den Chef OKW, den Hitler am Vortage in seine Absichten eingeweiht hatte, unterrichtet worden „Verhindern, daß polnische Intelligenz sich zu neuer Führer-schicht aufwirft. Niederer Lebensstandard soll erhalten bleiben. Billige Sklaven . . . Schaffung einer totalen Desorganisation . . . Das Reich soll den Generalgouverneur befähigen, dieses Teufelswerk zu vollenden", das sind ein paar der lakonischen Notizen Halders über die ihm von Wagner gemeldeten Absichten Hitlers. d) Klärung der Voraussetzungen für den endgültigen Entschluß Wohl lag ein fertiger Staatsstreichplan im Panzerschrank, wohl war Halder bereit, ihn durchzuführen, aber würde nach dem ersten Stoß, von dessen Gelingen er fest überzeugt war, die völlige Beseitigung des Regimes gelingen und eine neue Ordnung sich aufrichten lassen? Wurde ein Bürgerkrieg vermeidbar sein? Was würden in den kritischen Tagen die an der Westgrenze aufmarschierten Alliierten tun?

Das waren ernstzunehmende Fragen; man hat es sich in der Literatur nach 1945 mit ihnen etwas zu leicht gemacht“ Halder nahm sie sehr ernst, einen zweiten Kapp-Putsch konnte er nicht riskieren, für ein Unternehmen, das nicht weiter reichte als ein Militärputsch, wollte er den Namen des Oberbefehlshabers des deutschen Heeres keinesfalls aufs Spiel setzen. So machte er seine letzte Entscheidung — eine Vorentscheidung war ja mit dem Auftrag zur militärischen Staatsstreichvorbereitung schon gefallen — von der Beantwortung dreier Fragenkomplexe abhängig: 1. Wird ein Staatsstreich im Heer die notwendige Breite der Mitwirkung erhalten? 2. Wie wird die Masse des Volkes sich voraussichtlich einstellen? 3. Wie wird sich der an der Westgrenze aufmarschierte Gegner in den Krisentagen verhalten? Diese drei Fragen wurden gewissenhaft studiert.

Z u 1 : Stülpnagel, der temperamentvoll für den Staatsstreich eintrat, war überzeugt, daß die Oberbefehlshaber der Heeresgruppen sich von Halder würden mitreißen lassen. Halder selbst, nicht so impulsiv und zunächst skeptischer, zweifelte daran und bat Stülpnagel, auf einer Reise die Westfront entlang die Bereitschaft der Heeresgruppenführer zu erkunden und gegebenenfalls deren Mitwirkung sicherzustellen. Die Beteiligung dieser Männer mußte von ausschlaggebender Bedeutung für ein Gelingen über den ersten Stoß, der den beiden bereitgehaltenen Panzerdivisionen zugedacht war, hinaus sein. Wohl kannte man im OKH die dem National

Sozialismus feindliche Einstellung der Gruppenbefehlshaber, aber aus dem Bereich des Denkens in den Bereich der Tat war noch ein weiter Weg. Auch blieb zu bedenken, daß Halder als Generalstabschef keine Befehls-gewalt besaß, und es war sehr zweifelhaft, ob von ihm unterschrieben Befehle im Zusammenhang eines Staatsstreichs befolgt werden würden. Zu bedenken waren auch Imponderabilien, wie etwa die persönlichen Spannungen zwischen von Bock und dem Chef des Generalstabes. Stülpnagels Sondierungen Ende Oktober stießen zu seiner großen Enttäuschung bei der Heeresgruppe A und B auf glatte Ablehnung, die Generalobersten von Rundstedt und von Bock waren nicht bereit, mitzumachen. Rundstedt begründete seine negative Antwort mit der Erklärung, daß ihm bei einer solchen Aufgabe das ihm übergebene Instrument in der Hand zerbrechen würde. Solche Bedenken hatte übrigens Halder seinerseits auch, nicht nur, daß bereits in den ehemals einheitlichen und geschlossenen Körper des Generalstabs selbst Einbrüche erfolgt waren vor allem war er sich der Haltung des jüngeren Offizierkorps nicht sicher. So mußte diese Antwort Rundstedts, der ja der Truppe näher war, seine Zweifel vermehren.

Von der Heeresgruppe C, deren Oberbefehlshaber Generaloberst von Leeb war, erhielt Stülpnagel dagegen eine rückhaltlose Zusage Doch war der Wert dieser Zusage dadurch gemindert, daß Leeb, dem für die Offensive nur Bindungs-und Täuschungsaufgaben zugedacht waren, kaum über bewegliche Truppen verfügte. Generaloberst von Witzleben, einer der aktivsten Oppositionellen und Führer der beweglichen rechten Flügelarmee in der Heeresgruppe Leebs, war mit seinen Truppen auch schwerlich verfügbar.

Daß Generaloberst von Kluge, der Befehlshaber der 4. Armee, trotz seiner unverhohlenen Ablehnung des Regimes nicht für einen aktiven Einsatz zu haben war, wußte Halder ohnehin.

Wenn schon nicht mit einer aktiven Mitwirkung der wichtigsten Heeresgruppen gerechnet werden konnte, mußte die Haltung des Ersatzheeres um so bedeutsamer werden. Doch lehnte Fromm, der Befehlshaber des Ersatzheeres, Anfang November seine Beteiligung Halder gegenüber ebenso ab, wie er sie schon während der Tschechenkrise 193 8 abgelehnt hatte

Brauchitsch, mit dem Halder dieses Ergebnis besprach, lehnte unter solchen LImständen einen Staatsstreich neuerlich kategorisch ab. — An Truppen blieben für einen Staatsstreich Halder also nur die beiden Panzerdivisionen zur Verfügung, die er, ohne Brauchitsch über solche Verwendungspläne zu unterrichten, zum Zwecke der Zernierung Berlins zurückbehalten hatte. Z u 2 :

Würde die Masse des deutschen Volkes, würde vor allem die Arbeiterschaft einen Staatsstreich verstehen und billigen? Auf verschiedenen Wegen versuchte Halder sich dessen zu vergewissern. Eine seiner besten Quellen war dabei der Vater seines Fahrers, der Obersteiger im Ruhrgebiet war und früher einer christlichen Gewerkschaft angehört hatte. Außerdem nutzte er andere in Münster angeknüpfte Beziehungen aus und hatte auch Beobachter in den Waffenfabriken. Alle derartigen Erkundungen führten zu dem Ergebnis: die Masse der Arbeiterschaft, die von der nationalsozialistischen Konjunktur, deren Hintergründe sie nicht kannte, profitiert hatte, war noch nicht reif für einen gewaltsamen Umsturz.

Daß der höchste deutsche Generalstabsoffizier, der in militärischer Tradition ausgewachsen und durch die Schule der Reichswehr unter Seeckt gegangen war, auf einen solchen Befund empfindlicher und anders reagierte, als das die Politiker der deutschen Opposition taten, ist ein bedeutsames Charakteristikum der damaligen deutschen Widerstandsbewegung gegen Hitler. Das deutsche Heer und seine Führung war in seiner Struktur konservativ und auf Beharrung eingestellt; die von Seeckt nachhaltig bestimmte Einstellung der Reichswehr im Weimarer Staat hatte solche Tendenzen noch verstärkt und eine politische Abkapselung herbeigeführt.

Halder hatte allerdings längst ebenso wie Beck das Dogma der Trennung von militärischer und politischer Verantwortung überwunden; dennoch mußte sich ihm, der unter den gegebenen Umständen allein die Möglichkeit zur Staatsumwälzung hatte und für sie die oberste Verantwortung übernehmen mußte, die Frage stellen, ob er in einer Lage, in welcher die Staatsführung sich noch von der Zustimmung der überwiegenden Mehrheit des Volkes getragen wissen durfte, überhaupt zu einem solch radikalen Eingriff berechtigt sei. Ferner mußte er sich fragen, ob ein Eingriff nicht dann geratener und durchgreifender sei, wenn das Prestige Hitlers die ersten Stöße erhalten habe. Daß man auf diese Weise in einen Teufelszirkel geriet, war damals noch nicht voll abzusehen.

Die führenden politischen Köpfe der zivilen Opposition waren durchweg ganz anderer Meinung. In der bewegteren Atmosphäre täglicher politischer Entscheidungen ausgewachsen und gewohnt, die öffentliche Meinung selbst zu bilden, waren sie entschlossen, notfalls auch gegen die augenblickliche Stimmung weiter Kreise zu handeln. Zu den hier aufgeworfenen schwerwiegenden Fragen sei es gestattet, einmal ausführlicher Dietrich Bonhoeffer zu zitieren, der wie kein anderer aus der Opposition hinabgelotet hat auf den Grund der Probleme „Bei genauerem Zusehen zeigt sich, daß jede starke äußere Machtentfaltung, sei sie politischer oder religiöser Art, einen großen Teil der Menschen mit Dummheit schlägt. Ja, es hat den Anschein, als sei das geradezu ein soziologisch-psychologisches Gesetz. Die Macht der einen braucht die Dummheit der anderen. Der Vorgang ist dabei nicht der, daß bestimmte — also etwa intellektuelle — Anlagen des Menschen plötzlich verkümmern oder ausfallen, sondern daß unter dem überwältigenden Eindruck der Machtenfaltung dem Menschen seine innere Selbständigkeit geraubt wird und daß dieser nun — mehr oder weniger unbewußt — darauf verzichtet, zu den sich ergebenden Lebenslagen ein eigenes Verhalten zu finden. Daß der Dumme oft bockig ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß er nicht selbständig ist. . . Er ist in einem Banne, er ist verblendet, er ist in seinem eigenen Wesen mißbraucht, mißhandelt. So zum willenlosen geworden, wird Dumme auch zu allem Bösen Instrument der fähig sein und zugleich unfähig, dies als Böses zu erkennen. Hier liegt die Gefahr eines diabolischen Mißbrauchs . . . Aber es ist gerade hier auch ganz deutlich, daß nicht ein Akt der Belehrung, sondern allein ein Akt der Befreiung die Dummheit überwinden könnte. Dabei wird man sich damit abfinden müssen, daß eine echte innere Befreiung in den allermeisten Fällen erst möglich wird, nachdem die äußere Befreiung vorangegangen ist; bis dahin werden wir auf alle Versuche, den Dummen zu überzeugen, verzichten müssen. In dieser Sachlage wird es übrigens auch begründet sein, daß wir uns unter solchen Umständen vergeblich darum bemühen, zu wissen, was „das Volk“ eigentlich denkt, und warum diese Frage für den verantwortlich Denkenden und Handelnden zugleich so ist überflüssig — immer nur unter den gegebenen Umständen“.

Da es uns darum geht, das Gesicht der deutschen Opposition unter mannigfachen Verschüttungen gerade auch n seinen widersprechenden Zügen zu erkennen, stellen wir diese beiden Standpunkte einander gegenüber, ohne ihre Diskrepanz zu verschleiern. Wir halten es für falsch, mit dem Gewicht der Auffassung der Politiker die Schlußfolgerungen der Militärs zu bagatellisieren. Mag auch in letzteren ein Moment der alten Trennung der Verantwortungsbereiche mitwirken, so kann man die Auffassung Halders und Stülpnagels jedoch keinesfalls als Abschirmung eines Rückzuges aus der Verantwortung deuten. Die letzte Entscheidung über die Richtigkeit der einen oder der anderen These hätte nur der Erfolg oder Mißerfolg eines durchgeführten Staatsstreiches fällen können.

Z u 3 :

Gewiß, es war die Intention des Staatsstreichplanes, die Staatsgewalt durch blitzschnellen Zugriff, in wenigen Stunden, in die Hand zu bekommen, dabei die militärische Kraft der deutschen Wehrmacht ungebrochen und ungespalten zu erhalten und mit ihrem Gewicht in Friedensverhandlungen einzutreten. Da man aber auch einen länger dauernden Bürgerkrieg ins Auge fassen mußte, erhob sich die Frage, was in den kritischen Tagen die an der Westgrenze aufmarschierten feindlichen Heere tun würden.

Schon die primitivste militärische Logik mußte die Ausnutzung eines solchen deutschen Schwächemomentes erwarten. Gab es politische Sicherheiten, die ein „Gewehr bei Fuß" des Gegners garantiert hätten? Bisher hatten weder Engländer noch Franzosen konkrete Beweise gegeben, die eine tatbereite deutsche Opposition hätten ermutigen können. 1938 hatte man es in London nicht einmal für notwendig gehalten, Theo Kordt in gleicher Offenheit entgegenzutreten; München war der deutschen Opposition ein Schlag ins Gesicht gewesen.

Die Evans-Botschaft, die Theo Kordt Ende Oktober durch seine Frau nach Berlin bringen ließ und deren Problematik uns im nächsten Kapitel zu beschäftigen hat, ist nie in die Hände Halders gelangt. Das positive Ergebnis der Verhandlungen Dr. J. Müllers mit den Engländern, die von November 1939 ab über den Vatikan liefen, hat Halder erst im April 1940 und auch nur in entstellter Form erreicht

So blieb diese Frage für Halder offen, er war auf Vermutungen angewiesen. Daß er als Soldat ein militärisches Stillhalten des Gegners im Falle eines deutschen Bürgerkriegs für unwahrscheinlich hielt, wird man verstehen können.

Für die drei erörterten Fragen kam der Beantwortung der ersten ein besonderes Gewicht zu. Dafür haben wir in Generaloberst Beck den denkbar besten Gewährsmann. Seine zu diesem Punkte überlieferte Haltung ist bisher nicht beachtet worden. Beck versuchte in jenen Wochen über den ihm wie auch Halder eng verbundenen Stülpnagel Verbindung zur Widerstandsgruppe im OKH, speziell zu Halder, zu halten. In den ersten Novembertagen ließ er in einer Botschaft über Stülpnagel durchblicken, daß er, falls Brauchitsch nur für seine Person den Staatsstreich ablehne, bereit sei, zwecks Auslösung einer von oben einheitlich gesteuerten Aktion den Oberbefehl zu übernehmen. Dabei setzte Beck allerdings — und das ist der hier für uns entscheidende Passus — voraus, daß die drei Heeres-gruppenbefehlshaber zustimmten Daß sie seinem Oberbefehl zustimmten, implizierte natürlich ihre Bereitschaft zur Mitwirkung an einem Staatsstreich überhaupt. Dem amtierenden Generalstabschef lehnten sie eine Beteiligung ab, sie wären noch weniger einem des Amtes lange Enthobenen gefolgt. Man kann mit Fug behaupten, daß auch Beck unter solchen Umständen den Staatsstreich nicht gemacht hätte. Daß er Halder weiterhin zum Staatsstreich drängte, besagt nur wenig dagegen. Wie weit die Zweifel Halders und der Heeresgruppenbefehlshaber an der voraussichtlichen Einstellung des unteren Offizierskorps begründet waren, ist objektiv kaum feststellbar. Gewiß war ein starker Teil durch die nationalsozialistische Schulung gegangen und vermutlich nationalsozialistisch infiziert, aber der in den letzten Jahren vermehrt gewählte Offiziersberuf war vielfach auch als ein Zeichen der inneren Emigration zu werten. Außerdem war mit Kriegsausbruch ein Reserveoffizierskorps zu den Fahnen gerufen, das überwiegend aus älteren Jahrgängen bestand und im Hinblick auf die Einstellung zum Nationalsozialismus gemischt war. Auch die Mannschaften gehörten zum großen Teil höheren Altersstufen an Diese älteren Jahrgänge waren meist in tiefer Sorge in den Krieg gezogen. In ihnen lebten noch die Schrecken des ersten Weltkrieges, von denen in jenen Wochen bezeichnenderweise wieder viel gesprochen wurde. So sehr man einerseits die Friedensstimmung dieser Massen als psychologischen Faktor einsetzen konnte, so falsch wäre andererseits die Gleichung: Kriegsfeindschaft—Nazigegnerschaft. Die nationalsozialisti-Partei war ja nicht von der Jugend zum Zuge gebracht worden. So waren diese älteren Jahrgänge für die Rechnung des Staatsstreichs keineswegs so einfach auf der Habenseite zu buchen.

Wir fassen zusammen: die Sondierungen der militärischen Widerstandsgruppe im OKH zeigten schließlich, daß der Boden unter den bereits angelaufenen Staatsstreichvorbereitungen sehr schwankend war.

Die zivile Opposition-Diplomatische Vorbereitungen

Vorbemerkung Von den Widerstandsgruppen der Zivilisten gingen sehr starke Impulse aus, den Staatsstreich noch in diesem Jahre durchzuführen. Trotz wiederholter Enttäuschungen beschworen sie immer wieder die führenden Generale, die Aktion zu wagen, bevor es zu spät sei, und trafen für den von ihnen zu übernehmenden Teil der politischen Aufgabe bedeutsame Vorbereitungen. Eine solche Haltung kann in ihrem Gewichte voll gewürdigt werden, ohne dabei die z. B. auch bei Hassell auftretenden Ressentiments zu übernehmen. Wenn wir feststellen müssen, daß viele Generale tatsächlich nicht für einen Staatsstreich zu haben waren, dann bleibt zu bedenken, daß sicher auch ebensovielen deutschen Politikern Staatsstreich-gedanken absolut fernlagen. Die ablehnende Haltung der Generale springt nur besonders stark in die Augen, und es liegt nahe, hier zuerst nach „Schuld und Verhängnis" 1) zu fragen, weil die Hoffnungen und Pläne zu einer Wendung der Dinge nur von denen hätten realisiert werden können, die damals allein noch über Machtinstrumente verfügten. Andererseits darf nicht vergessen werden, daß eine Reihe führender Generale aus eigenem Antrieb Staatsstreichvorbereitungen betrieb. Die Einwirkung aus der zivilen Opposition konnte sie nur noch darin bestärken. Im übrigen wuchsen auch die politischen Widerstandsgruppen — wie sich im folgenden zeigen wird — neuerlich erst wieder in konkrete Staatsstreichpläne hinein. Manches Mißverständnis und manches Ressentiment erklärt sich m. E. daraus, daß die Verbindung zwischen den zivilen Oppositionsgruppen und den leitenden Oppositionellen im OKH wegen der Abschirmung Zossens sehr schwierig war, und Halder es seinerseits tunlichst vermied, im Sinne des Widerstands sichtbar zu werden. So konnte es dahin kommen, daß E. Kordt z. B. die Übergabe der von ihm mitbearbeiteten Denkschrift an Brauchitsch, Halder, Stülpnagel (Ende Oktober) für ein großes Wagnis hielt. Er schreibt: „Wir hatten uns durch die Übergabe der Denkschrift ganz bewußt in die Hand derer gegeben, die von ihr Kenntnis nahmen. Die hohen militärischen Führer haben die Verfasser nicht verhaften lassen“ Kein Wunder, sie rannten offene Türen ein! Daß aber Mut zu einer solchen Handlung notwendig war, kennzeichnet das Nebeneinander der beiden Gruppen in der damaligen Situation. 2. Hassell und Goerdeler. Einleitende Gespräche Am 11. Oktober trafen sich Hassell und Goerdeler im Hotel Continental in München zu eingehender Aussprache über die Lage. Hassell gibt diese Unterredung ausführlich in seinem Buche wieder Beide stimmen völlig in der Ansicht überein, daß „die Kriegspolitik ein verbrecherischer Leichtsinn und die Politik mit Rußland in dieser Form eine ungeheuere Gefahr" ist, und analysieren dann diese Auffassung im einzelnen. Die Aufgabe der wichtigen Positionen an der Ostsee und an der Ostgrenze sei die zwangsläufige Folge verfehlter Außenpolitik, ganz zu schweigen von der politisch unsittlichen Preisgabe der baltischen Länder. Unbekümmert sei alter abendländischer Kulturboden dem Bolschewismus dahingegeben worden. Der Bolschewisierung würde noch Vorschub geleistet durch den geplanten Bevölkerungsaustausch, der auf der einen Seite wurzellose Existenzen schaffe, auf der anderen Seite alte deutsche Traditionen abreiße Goerdeler fügte hinzu, daß eine Katastrophe auch insofern unvermeidlich sei, als Deutschland infolge Betriebsstoff-, Munitionsmangels und steigenden Drucks auf anderen Gebieten nicht länger als 18 Monate durchhalten könne, was Hassell mit Skepsis entgegennahm. Hitler habe nunmehr trotz der Warnungen Brauchitsch’s und Halders den Befehl zur Vorbereitung der Offensive durch Belgien und Holland gegeben, weil andere Auswege nicht möglich seien. Goerdeler und Hassell waren einig darüber, daß die Katastrophe verhindert werden müsse. Goerdeler hoffte dabei auf die Mitwirkung von Witzleben, Hammerstein und der meisten Kommandierenden Generale im Reiche mit ihren Stäben. Hassell warnte dabei ausdrücklich vor irgendwelchen Hoffnungen im Hinblick auf die Beteiligung von Brau-chitsch. Als Ziel des Umsturzes bezeichnete Goerdeler die Wiederherstellung des Friedens, der Deutschland die deutschen Teile Polens belasse, im übrigen aber einen unabhängigen Reststaat Polen schaffe und die Tschechei als Staat neu ordne; in Deutschland selbst sollten wieder rechtsstaatliche Verhältnisse geschaffen werden. Die allgemein zu fordernde Abrüstung solle man für Deutschland einer Kontrolle unterstellen. Kontrollen und „innerpolitische Forderungen durch äußere Gegner“ lehnte Hassell jedoch ab

Man zog dann in Erwägung, trotz mannigfacher Bedenken, mit Göring eine Lösung zu versuchen. Goerdeler berichtete, daß sich auch Beck dazu durchgerungen habe. Als man nun aus Görings Umgebung an ihn herangetreten sei, habe er zugestimmt unter der Bedingung, daß Herstellung eines Rechtsstaates mit Übergangsbestimmungen und Kontrolle der Staatsführung durch ein berufsständisch gegründetes Organ garantiert würden.

Außenpolitisch, so entwickelte Goerdeler weiter, sei so vorzugehen, daß von der Gegenseite Hitler ein Friedensangebot gemacht werden solle. „Nehme er an, so würde die Entwicklung ihn fort-oder mitreißen, lehne er ab, so müsse man über ihn hinweggehen" Ob man allerdings der Persönlichkeit Schachts für eine aus der amerikanischen Botschaft an ihn herangetragene Friedensmission sicher sein könne, müsse bezweifelt werden.

Man befand sich an diesem 11. Oktober 1939 in der zivilen Opposition also noch im Stadium allgemeiner Erwägungen. Die Konturen von Programm und Methode waren noch unscharf, die angedeuteten Möglichkeiten v Oktober 1939 in der zivilen Opposition also noch im Stadium allgemeiner Erwägungen. Die Konturen von Programm und Methode waren noch unscharf, die angedeuteten Möglichkeiten vage, ja utopisch. Im Laufe der folgenden Wochen erst klärten sich die Vorstellungen, der nüchterne Blick auf die realen Gegebenheiten der Lage und der eigenen Möglichkeiten zwang zu neuen Gedanken. Nur die außenpolitischen Forderungen wurden auch fernerhin in dem von Goerdeler skizzierten Umfang aufrecht erhalten. „Die ganze Sache ist noch ziemlich unausgegoren", schloß Hassell die Notiz über die Unterredung. „Wir verabredeten weitere Besprechungen in Berlin" 7).

Acht Tage später gab Hassell nach Unterredungen mit Beck, Goerdeler, Weizsäcker, Raeder, Popitz, Hammerstein und Welczek in Berlin eine nüchterne und realistische Analyse der Situation, in der sich die zivile Opposition sehen mußte. Nicht alle erreichten damals schon den hohen Grad an Schärfe und Klarheit des Urteils wie Hassell. Wir könnten den Standort der einzelnen Männer geradezu dadurch bestimmen, daß wir ihren Abstand von der Mitte der Hasselschen Analyse festzulegen versuchten. Goerdelers Entfernung bestimmt sich in seinem oft unrealistischen Optimismus; die von Popitz liegt darin, daß er noch eine ganze Weile — noch am 30. Oktober sprach er davon — an ein Zusammengehen mit Göring glaubte; Beck beurteilte die Dinge ähnlich wie Hassell. Eine wirksame Verbindung zu den entscheidenden Generalen bestand nicht, man konnte über ihre Haltung nur Vermutungen äußern, selbst Beck hatte wenig Kontakt. „Man scheint ihn ziemlich liegen zu lassen (natürlich aus Angst)", schreibt Hassell über seine Besprechung mit Beck am 16. Oktober 8). Hassells Ausführungen sind so aufschlußreich, daß sie in ihren wesent-lichen Zügen wiedergegeben seien. Der Zustand, in dem sich mitten im Kriege die Mehrzahl der politisch klardenkenden und unterrichteten Leute befänden, sei geradezu tragisch. Sie könnten weder Sieg noch Niederlage wünschen, müßten einen langen Krieg fürchten und wüßten keinen „wirklich realen Ausweg“, da man kaum auf die Heeresführung rechnen könne. Brauchitsch verfüge nicht über die nötige Entschlossenheit. Halder habe zwar eine bessere Einsicht als Brauchitsch, aber in seiner Stellung als Generalstabschef weniger Macht; außerdem solle er „körperlich, das heißt mit den Nerven, nicht auf der Höhe sein". Auf Raeder und Göring sei schon gar nicht zu rechnen. Unter den Armeeführern seien jedoch ausgezeichnete Leute, wie Rundstedt, Blaskowitz, Bock, Leeb, Witzleben, List; nur seien sie „in ihren lokalen Stellungen nicht nahe genug am Ruder" 9). Goerdeler hatte seine „etwas wilden“ 10) Pläne revidiert, d. h. er war davon abgegangen, von außen innerpolitische Forderungen stellen lassen zu wollen. In der Methode, wie man eine Umwälzung bewerkstelligen sollte, schwankte er noch, am 19. Oktober hatte er seinen am 16. Oktober aufgegebenen Gedanken wiederaufgenommen, von außen Friedensvorschläge zu erreichen, über die Hitler gestürzt werden könne. Am klarsten war zunächst Popitz, der ein Durchdenken der Staatsstreich-pläne im kleinen Kreise befürwortete, um vorbereitet zu sein für die Aktion, die allerdings nur ein — jetzt noch fehlender — General durchführen könne. Nebenher sondierte Popitz allerdings immer noch die Möglichkeit Göring 11). Um die Monatswende war Hassell auf Einladung Goerdelers erneut in Berlin. Goerdeler, wie immer sehr optimistisch, entwickelte seine inzwischen etwas abgeklärteren Gedanken. Er glaubte jetzt, darin wohl beeinflußt durch seinen nunmehr ständigen Kontakt zu Oster und Dohnanyi von der Zentralabteilung der Abwehr, an die Möglichkeit, daß von militärischer Seite ein Staatsstreich in dem Augenblick ausgelöst werden würde, wenn Hitler den Angriffsbefehl gegeben habe. Er hielt Brauchitsch selbst zwar für unentschlossen, hoffte aber, daß er durch Mitwirkung Halders zur Duldung der Aktion gebracht werden könnte. Das eigentliche, noch ungelöste Problem sei allerdings die Persönlichkeit, die den Staatsstreich befehle; alles weitere, die Durchführung selbst, sei gesichert, weil genügend tatbereite Generale dafür vorhanden seien. Für den Fall, daß der Angriffsbefehl nicht zum Staatsstreich führe, müsse der erste Rückschlag in Hitlers Krieg zum Handeln ausgenutzt werden. Zwar seien dann die Voraussetzungen für einen Frieden ungünstiger, aber dafür könne dann die innere Reife als größer angesehen werden. Die Frage nach der inneren Reife taucht also bemerkenswerterweise außer bei der militärischen Widerstandsgruppe auch hier auf Hassell war pessimistischer im Hinblick auf die Bereitschaft der Generalität und sah das wirtschaftliche Durchstehvermögen Deutschlands weniger negativ als Goerdeler, trotzdem bezeichnete er ihn aber bei allen seinen Illusionen als einen „der wenigen wirklich Tätigen und Furchtlosen ein ehrendes Urteil, das übrigens von Halder nach einigen Besprechungen mit Goerdeler im Frühjahr 1940 durchaus geteilt wurde

In dem Gespräch mit Hassell am 30. Oktober, während eines Morgenspazierganges, erwähnte Goerdeler auch die von Hasso von Etzdorf und Erich Kordt ausgearbeitete und Brauchitsch, Halder, Stülpnagel und anderen, Ende Oktober übergebene Denkschrift, die uns erhalten geblieben ist 3. Die Denkschrift Etzdorfs und Kordts Das Schwergewicht dieser Denkschrift, in der Absicht verfaßt, die angesprochene militärische Führung zum Handeln zu bewegen, liegt im Abschnitt „C. Keine Bedenken." In zwei Punkten (unter I) wird hier thesenartig versucht, die außen-und innenpolitischen Erfolge Hitlers als Scheinerfolge darzulegen, die auch das Ergebnis einer normalen Entwicklung hätten sein können und durch ihre brutale Methodik Deutschlands Unheil heraufbeschworen hätten. Weil Hitler wisse — das waren die Ausführungen unter B —, daß mit ihm kein Vergleichsfriede geschlossen würde, bliebe ihm nichts als als die Flucht nach vorn, die ihn jetzt das Verbrennen aller Brücken und Schiffe hinter sich vorbereiten lasse.

Die einzelnen Argumente sind zwar ad hoc, aber mit hohem Verantwortungsbewußtsein geschrieben und haben durchaus mehr als eine Augenblicksbedeutung. Der ad hoc-Charakter tritt am meisten bei der Darstellung von Punkt 1 und dort besonders unter b) und e) in Erscheinung; die „Bilanz der Hitlerschen Innen-und Wirtschaftspolitik" unter 2 würde auch heute kaum klarer gezogen werden können.

Unter C II wird die Durchführung eines Staatsstreichs auch gegen psychologische Schwierigkeiten gefordert: „Die Verkennung der Lage durch die deutsche Öffentlichkeit und das Unverständnis dafür, nach einem glänzenden militärischen Feldzuge Konzessionen machen zu müssen, sind begreiflich. Das debacle wird erst allgemein erkannt werden, wenn es da ist. Dann freilich wäre der Staatsstreich populär, aber er käme zu spät und würde das Unheil nicht mehr abwenden, in das wir alle, ob mit Hitler oder ohne ihn, und mitsamt unseren schönen polnischen Lorbeeren hineinstürzten. Denn die Kriegsfurie, einmal aus dem Kasten, ist mit Vernunft nicht wieder zurückzulocken: Der Krieg folgt seinen eigenen unerbittlichen Gesetzen, und jede Heeresleitung will vor allem siegen, d. h. heutzutage vernichten.

Die relative U n p o p u 1 a r i t ä t des Unternehmens muß daher mit dem nötigen Maß an Zivilcourage hingenommen werden. Sobald dem Publikum erst die Augen darüber geöffnet sind, was Deutschland aus der Hand eines Besessenen bevorstand, wird sich eine bessere Erkenntnis bald durchsetzen. Im übrigen schafft die nach anfänglichem Friedensoptimismus sich zunehmend verbreitende dumpfe LIngewißheit über den Ausgang des Krieges schon jetzt eine unseren Plänen entgegenkommende Stimmungslage, und man soll last not least auch mitberecliiien, wie sehr der Sturz des Hitler-Regimes „an sich" von vielen und nicht den schlechtesten Deutschen herbeigesehnt wird." Der Hitler geleistete Eid wird unter C III als nicht mehr bindend bezeichnet deswegen, weil er seiner Natur nach eine gegenseitige Verpflichtung sei, und Hitler sich anschicke, seinen Teil durch die geplanten überspannten Ziele zu brechen. „Die Neue Reichsgewalt“ war im Abschnitt D in drei Punkten abgehandelt; davon ist nur „I. Ehrenhafter Friede" erhalten. Der Haupt-gedanke dieses Punktes ist: ein ehrenhafter Friede sei nach einer militärischen Niederlage gefährdet, darum müßten die staatserhaltenden Kräfte handeln, solange das Gewicht einer intakten deutschen Wehrmacht in die Waagschale geworfen werden könne. Der Friede selbst sei etwa auf der Grundlage der Münchener Konferenz zu erstreben, so, daß die ethnographischen Grenzen Deutschlands nicht angetastet würden; d. h„ die Autonomie einer Resttschechei und eines Restpolens sollten wiederhergestellt werden. Von polnischem Gebiet solle lediglich das ostoberschlesische Industriegebiet zu Deutschland kommen, dazu eine Landverbindung nach Ostpreußen geschaffen werden. Der Schlußsatz heißt: „Ein solcher Friede würde auch England und Frankreich das Gesicht wahren, da beide Länder bei der Neugestaltung der Rest-Tschechei und von Rest-Polen mitsprechen können."

Datierung: Augenscheinlich liegt die Botschaft von Conwell-Evans, die in den letzten beiden Oktobertagen in Berlin eingetroffen sein muß — der terminus post quem ist der 29. Oktober, an dem die letzte Unterredung zwischen Theo Kordt und C-Evans in Bern stattfand — später als die Abfassung der Denkschrift. Daß Goerdeler schon am 30. Oktober von der Denkschrift sprach, macht es wahrscheinlich, daß sie schon einige Tage früher abgefaßt wurde. 4. Die Sondierungen Theo Kordts. Am Abend vor dem Kriegsausbruch hatte Theo Kordt, als Botschaftsrat deutscher Geschäftsträger in London, eine letzte Unterredung mit Lord Vansittart, dem diplomatischen Hauptberater des britischen Außenministers. Seit August 1938 standen diese beiden Diplomaten in fast regelmäßigem Kontakt miteinander, der dem Austausch technisch-diplomatischer Informationen und dem gemeinsamen Ziele der Erhaltung des Friedens diente. Vor allem seit den außergewöhnlichen Schritten Theo Kordts am 6. und 7. September 193 8 — den Unterredungen mit Sir Horace Wilson am 6. September und mit Lord Halifax in der Downing Street — konnte die englische Regierung keinen Zweifel an der Zugehörigkeit der Gebrüder Kordt zu einer ernstzunehmenden deutschen Opposition haben. Die gegenteiligen Behauptungen Vansittarts, festgehalten in zwei Affidavits für den Wilhelmstraßen-Prozeß sind nur aus einem vom Haß entstellten Gedächtnis psychologisch verständlich und widersprechen der historischen Wahrheit. Halifax selbst hat Vansittart widerlegt: „Of course I remember very well the information that came to me through Lord Vansittart in those days before the war, and that he said reached him from your brother. You will no doubt have been in communication with Lord Vansittart direct.

I cannot doubt that in so acting your brother took very great risk and in so doing gave very practical evidenc: of his active Opposition to the criminal policy of Hitler" Und an anderer Stelle: „The facts stated in Kordt’s letter to me and contained in my reply thereto, I hereby confirm as true“

Die ursprünglich für den Entnazifizierungsprozeß Erich Kordts 1947 geschriebene Bestätigung von Lord Halifax, die für den Wilhelmstraßenprozeß dann noch eidesstattlich unterbaut wurde, enthält naturgemäß vor allem sein direktes Wissen über die Einstellung und Tätigkeit von Erich Kordt; daß er für Theo Kordt noch weitaus positiver hätte aussagen können, liegt auf der Hand. Die hier angezogenen Dokumenente: NG -5786, NG -5786 A und Exh. No. 453, Weizs. Dok. 496 aus Dok. Buch 10 der Weizsäcker-Vertg. sind im Anhang beigefügt; sie bedürfen keiner weiteren Interpretation.

Um so erstaunlicher ist es, wenn Namier ganz in den Vansittartschen Ton zurückfällt: „A diplomatic counterpart to „conspiratorial" activities was sought by the Kordt brothers in private Interviews with Lord Vansittart, mostly at the house of Mr. Conwell-Evans; and whatever Vansittart may have thought of them, he could hardly have refused meeting the Counsellor or Charge d'Affaires of the German Embassy and the chef de cabinet of Ribbentrop" In jener letzten Unterredung vereinbarten Vansittart und Kordt, die Verbindung auch nach dem Ausbruch des Krieges aufrecht zu erhalten, um für einen baldigen Frieden wirken zu können, der, wie Vansittart sagte, „would mean the death of thousands instead of millions" Man war sich beiderseits dabei klar, daß ein solcher Friede nur nach Ausschaltung des NS-Regimes möglich sei, da — Vansittart betonte das mit Nachdruck — niemand in der Welt zu einer unter nationalsozialistischer Kontrolle stehenden Regierung noch Vertrauen haben könne.

Wir können uns Einzelheiten über den vereinbarten Modus und das Zustandekommen der verabredeten Verbindungsaufnahme ersparen, da Erich Kordt in seinem Buche „Nicht aus den Akten“ eine ausführliche Darstellung darüber gegeben hat Sie entspricht im wesentlichen der Aussage Theo Kordts im Wilhelmstraßenprozeß

Theo Kordt war von Weizsäcker, wie schon erwähnt, bald nach Kriegsausbruch in die Berner Gesandtschaft versetzt worden, um von der Schweiz aus, der Schutzmacht für Deutschland, die deutschen Interessen in den Feindländern zu vertreten. Das war sein offizieller Auftrag; seine zweite, weit wichtigere Aufgabe sollte die schnelle Wiederanknüpfung der Verbindung zur britischen Regierung sein. Weizsäcker lag daran, mit England im Gespräch zu bleiben, um jede sich bietende Friedenschance sofort ergreifen und ausbauen zu können. 5. Die Position Weizsäckers Weizsäcker handelte gegen Wissen und Willen Ribbentrops und Hitlers. Das war ein klarer Akt des Widerstandes. Mehr noch, Weizsäcker gab hier — wie auch bei vielen anderen Gelegenheiten — der diplomatischen Widerstandsgruppe den Start frei und deckte deren Tätigkeit unter dem Mantel offizieller Aufträge. Wir sind hier auf einen Fall gestoßen, an dem sich Weizsäckers Ort innerhalb der deutschen Widerstandsbewegung präzise bestimmt. Er war im Vertrauen, und seine Handlungen waren die Handlungen eines Mannes, der dazu gehörte Nur wenigen Männern gegenüber (Beck, Canaris, Halder, Hassell) gab er sich offen. Diesen sagte er seit der Sudetenkrise stets: eine Rettung sei nur noch durch einen Staatsstreich möglich — aber er forcierte selbst diesen Staatsstreich nicht und wirkte auch nicht unmittelbar und aktiv an seiner Vorbereitung mit. Er wußte davon, aber seine eigene Tätigkeit war auch in dieser Phase noch: Obstruktion der offiziellen Außenpolitik mit Hilfe des „indirekten Schießverfahrens“ und vertrauliche politische Unterrichtung Halders, dessen Pläne ihm bekannt waren. Diese Unterrichtung nahm er in persönlichen Unterredungen mit Halder und über Hasso von Etzdorf, dem von ihm eingesetzten Verbindungsmann zwischen Auswärtigem Amt und OKH, vor

Manches von dem, was er auch nach Kriegsausbruch tat und erhoffte, war im Hinblick auf Hitlers Reaktion eine Illusion. Weder die von ihm dirigierte Berichterstattung aus den neutralen Ländern noch sein Streben, von den Alliierten wenigstens eine offene Ablehnung Ribbentrops zu erreichen, konnte nach Lage der Dinge Erfolg haben. „Es hätte mir schon genügt, wenn nichts anderes herausgekommen wäre (im Gespräch mit dem Gegner), als die Versicherung, daß das Ausland z. B., sagen wir, mit Herrn Ribbentrop nicht verhandeln würde. Da hätte man wenigstens bei uns begonnen einzusehen, wo die Hemmung sitzt, nämlich im Personellen. Und meine Rechnung war die, wenn ein Stein aus dem Gebäude herausbreche, die übrigen nachrutschen würden“ Der an sich sachlich und persönlich durchaus begreifliche Anti-Ribbentrop-Affekt — auch in Weizsäckers „Erinnerungen“ in die Augen springend — ist hier beinahe zu einer Art Monomanie geworden. Eine derartige Hoffnung wie die hier angesprochene läßt noch mehr erkennen: in diesem Diplomaten alter Schule steckte selbst jetzt, nach den bittersten Erfahrungen, noch ein Stück der von C. J. Burckhardt 1937 gekennzeichneten Fassungslosigkeit vor dem Phänomen des Nationalsozialismus, das so fremd und unbegreiflich und jenseits der gewohnten Vorstellungen liegend, wie ein Spuk, ein böser Traum, ein auf die Lungen drückender Nebel erschien, der bei einem scharfen Windzug vielleicht davongefegt würde.

Weizsäcker kämpfte für den Frieden und gegen das Regime mit den Waffen der Welt, in der er ausgewachsen war. Er warf Sand in das Getriebe des diabolischen Systems, aber der Gang der zermalmenden Räder war so nicht aufzuhalten.

Stellt man die alte Frage nach Schuld und Verhängnis, so wird man nicht umhin können, Weizsäckers persönlichen Einsatz in hohem Maße zu würdigen. Wenn er den feindlichen Gewalten nicht gewachsen war, so ist das kaum eine persönliche Schuld zu nennen. So können wir uns in den wichtigsten Zügen der Charakteristik anschließen, die Attolico im Frühsommer 1939 C. J. Burckhardt gab „Wissen Sie“, setzte er (Attolico) dann hinzu, „alles andere ist leichter, das Leichteste ist emigrieren und protestieren, aber auch Aufstände anzetteln, Komplotte schmieden, braucht weniger Kraft und Mut, als der harten Wirklichkeit Tag für Tag das Mögliche abringen, ohne jedes Pathos, immer wieder geschlagen, immer wieder beginnend. Dinge scheinbar sanktionieren, die man verabscheut, zäh und ohne jeden Eigennutz, klug, mit beständiger äußerster Aufmerksamkeit und Anspannung. Denken Sie einmal, was das heißt, mit einem Chef wie Ribbentrop (zusammenzuarbeiten), einem Mann ohne jede Voraussetzung, der keine Ahnung hat von nichts, der das internationale Recht ebensowenig kennt als die Geschichte, als die Wirtschaft, einem puren Dilettanten, ausgesprochen unterdurchschnittlich begabt, und gefährlich, weil er seine Mängel selbst spürt und infolgedessen die Macht zu Kompensationszwecken mißbraucht, immer zu terrorisieren versucht, alles aufs Äußerste zu treiben, die primitiven Wünsche seines kranken Chefs Hitler noch zu steigern, ihm extreme Erfüllungen zuteil werden zu lassen.“

Ich frug noch: „Und wenn der Krieg losbricht er wird an seinem Posten bleiben, weil er der Einzige ist, der etwas kann. Wissen Sie, er ist ein württembergischer Beamter, er wird aushalten bis zuletzt, unendlich Vieles verhindern, Unzählige retten, ohne je mit seinem Namen zu signieren, und dann vor allem hält er es für nötig, da zu sein, wenn das Ende kommen wird" 6. Die Conwell-Evans-Botschaft Vom 2. — 8. Oktober war Theo Kordt erneut in Berlin zur Unterrichtung über die Verhandlungen Ribbentrops in Moskau Da der Kontakt mit England zur Enttäuschung der Opposition — unter anderem sprach Theo Kordt in jenen Tagen mit Oster —noch nicht hergestellt war, wurde Kordt von Weizsäcker ausdrücklich angewiesen, sofort einen neuen Versuch zu machen. „Idi wurde ermächtigt mitzuteilen, daß unsererseits unter Restitution Polens alles versucht werde, um die Voraussetzungen für einen Kriegsabbruch und einen Verständigungsfrieden zu schaffen“, sagte er im Wilhelmstraßenprozeß aus Eine genauere Bestimmung von „Polonia restituta“ wurde zunächst nicht gegeben, darüber gingen die Meinungen der einzelnen Oppositionellen — wie sich für Kordt erst später herausstellte — auseinander Man suchte zunächst einmal darüber ins Gespräch zu kommen, ungeachtet auch der Schwierigkeit, daß die Verfügungsgewalt über einen Teil Polens inzwischen dem Zugriff Rußlands anheimgefallen war. Der zweite Anlauf brachte die gewünschte Verbindung zustande. Conwell-Evans kam nach Bern, am 25., 27. und 29. Oktober fanden insgesamt drei Unterredungen zwischen ihm und Theo Kordt statt „Lord Vansittart ließ die deutsche Opposition im Auftrage von Premierminister Chamberlain und Lord Halifax folgendes wissen: , Nach Niederwerfung und 4. Teilung Polens sei es für die britische Regierung unmöglich, mit Hitler oder einem seiner Gesinnungsgenossen in irgendwelche Verhandlungen einzutreten. Es sei Sache der deutschen Opposition, eine verhandlungsfähige deutsche Regierung zu schaffen, zu deren Wort man auf britischer Seite Vertrauen haben könne. Hitler und die Seinen hätten jede gegebene Zusage gebrochen, wenn ihr hemmungsloser Opportunismus das für nützlich hielt. Die britische Regierung könne daher irgendwelchen Versicherungen einer nationalsozialistischen Regierung keinen Glauben beimessen. ’ “ Das war natürlich keine amtliche Botschaft. Außerdem übergab Conwell-Evans „ein handgeschriebenes Papier mit einer Erklärung des Premierministers Neville Chamberlain“ mit dem Datum vom 12. Oktober, das folgenden Wortlaut hatte „It is no part of our policy exclude from the rightful place in Europe a Germany which will live in amity and confidence with other nations.

On the contrary we believe that no effective remedy can be found foi the world’s ills that does not take account of the just Claims and needs of all nations and whenever the time may come to draw the lines of a new peace Settlement N C would feel that the future would hold little hope unless such a Settlement could be reached through the method of nego-tiations and agreement. 1t was therefore with novindictive purpose that we embarked on the war, but simply in defence of freedom.

We seek no material advantage for ourselves: we desire nothing from the German people which should offend their seif respect. We are not aiming only at victory but rather look beyond it to the laying of a foundation of a better international System which will mean that war is not the inevitable lot of every generation. I am certain that all peo-ples of Europe including the people of German long for peace, a peace which will enable them to live their lives without fear and to devote their energies and their gifts to the development of their culture, the pursuit of their ideals and the improvement of their national prosperity“.

Theo Kordt, der aus dieser Erklärung und dem von Conwell-Evans mündlich dazu gegebenen Kommentar auf die Bereitschaft der englischen Regierung schloß, mit einer vertrauenswürdigen deutschen Regierung zu verhandeln, eröffnete nun seinerseits seinem Gesprächspartner, daß die deutsche Opposition zur Zeit den Sturz des NS-Regimes vorbereite und voraussichtlich im November zur Aktion schreiten werde. Davon war er inzwischen von militärischer Seite — vermutlich durch Oster — unterrichtet worden. Durch seine Gattin ließ Theo Kordt die handschriftliche Erklärung und die dazu gemachten mündlichen Erläuterungen unverzüglich nach Berlin zu seinem Bruder bringen, der am nächsten Tage Oster unterrichtete und am darauffolgenden Tag gemeinsam mit Oster den Vorgang Generaloberst Beck in dessen Wohnung unterbreitete. Bede, dem Erich Kordt hier zum erstenmal unmittelbar gegenüberstand, war sichtlich beeindruckt: „Jetzt müßte es doch weitergehen. — Wir stehen vor einer großen Entscheidung. Natürlich darf die Armee nicht zerbrechen ... Ich habe die Herren wissen lassen, daß ich zur Verfügung stände, wenn man mich braucht. Es sollte aber bald gehandelt werden, denn nach einer neuerlichen Neutralitätsverletzung wird man auch mit uns keinen „Frieden ohne Rache" mehr schließen wollen, wie es in Ihrem Papier steht. Aber was kann ich tun als raten und mahnen" Diese von Erich Kordt aus der Erinnerung rekapitulierten Äußerungen Becks erscheinen uns wesentlich zurückhaltender, als die Beurteilung der englischen Erklärung, die Theo Kordt im Prozeß gibt: „Die britische Regierung hatte eine derartige Mitteilung (über deutsche Staatsstreich-vorbereitungen) wohl schon erwartet, denn die soeben wiedergegebene Erklärung Neville Chamberlains schien dazu bestimmt, die militärischen Führer darüber zu beruhigen, daß die Unordnung, die notwendigerweise bei einem Gelingen des Staatsstreiches eintreten müsse, nicht zu einer plötzlichen Angriffsbewegung an der Westfront ausgenutzt werden würde" Die Formulierung „wohl schon“ und „schien bestimmt“, zeigt, daß es sich hier offensichtlich um Vermutungen handelt, über deren Berechtigung man streiten kann. Eine klare und eindeutige Zusicherung der britischen Regierung über ein „Gewehr bei Fuß“ im Falle einer Aktion gegen Hitler war weder mit der schriftlichen Erklärung noch mit dem mündlichen Kommentar gegeben.

Da auch Halder, der die ihm überreichte Ausfertigung des sogenannten X-Berichtes noch gut im Gedächtnis hat, sich nicht an die Evans-Botschaft erinnern kann Hegt, da sie ja sofort an seine Adresse hätte gehen müssen, auch von daher der Schluß nahe, daß die Gebrüder Kordt ihren Wert nachträglich stark überschätzen. Hätte sie oder der Kommentar einen realen und nicht nur mutmaßlichen Wert gehabt, wären alle in der Folge noch von Hassell, Wirth und anderen versuchten Kontakte, besonders aber die Verhandlungen Dr. J. Müllers über den Vatikan nur als unverantwortliche und unverständliche Belästigungen der Engländer anzusehen. Die Analyse der Evans-Botschaft führt aber noch von einer anderen Seite her in einen Kreis offener Fragen. Hier ist Namier einmal auf einer richtigen Fährte Zunächst entdeckt er beim Vergleich der Fotokopie der handschriftlichen Mitteilung mit der von Erich Kordt vorgenommenen Übertragung einige Unstimmigkeiten; während die anderen Übertragungsfehler unbedeutend und auf keinen Fall sinnentstellend sind, ist die Ersetzung von „HMG" (= HM Government) des Originals durch „NC“ (= Neville Chamberlain) schon bedenklicher. Das in anderer Handschrift an den rechten oberen Rand des Originals gesetzte Datum „oct. 12“ wird von Erich Kordt nicht mit übertragen und auch an keiner Stelle mehr erwähnt, obwohl schon die Distanz zwischen der Ankunft von Conwell-Evans in Lausanne am 25. Oktober und der Datierung des Schriftstückes vom 12. Oktober eine Erklärung notwendig machte. Theo Kordt erwähnt in seiner Aussage das Datum allerdings, jedoch ohne weiteren Kommentar. Daß das Schriftstück mit der Erklärung des englischen Premierministers von Conwell-Evans selbst geschrieben ist, wie Namier feststellt, besagt noch nichts gegen die Angabe der Gebrüder Kordt, daß dies nach ausdrücklicher Versicherung von Conwell-Evans eine feierliche Verpflichtung Chamberlains darstelle. Nur müßte man sich wundern, wenn den Gebrüdern Kordt damals nicht aufgefallen wäre, daß die schriftliche Botschaft ein Stück aus einer am 12. Oktober gehaltenen und vom Rundfunk übertragenen Rede Chamberlains war Aber weder im Buch noch in den Aussagen vor Gericht wird dessen Erwähnung getan. Namier weist mit Recht hin auch auf „its oratorical and homiletic emptiness“ Das, was Namier „the final touch of comedy“ nennt, läßt sich nun durchaus natürlich erklären. Von einer „Komödie“ kann wirklich keine Rede sein: 1. ist die Glaubwürdigkeit der Gebrüder Kordt im Hinblick auf die von ihnen berichteten Unterhandlungen mit englischen Gesprächspartnern weitgehend dadurch gesichert, daß sie sozusagen vor den Ohren der noch lebenden englischen Partner sprachen, deren Eingreifen jederzeit möglich war Außerdem mußten sie mit einer späteren Veröffentlichung der Dokumente des Foreign Office rechnen. 2. hat Lord Halifax ihre Glaubwürdigkeit in einigen von Vansittart eidesstattlich bestrittenen Punkten erwiesen. 3. hat der in die Botschaft an die deutsche Opposition aufgenommene Passus der Rede gerade durch eine solche schriftliche Wiederholung ein besonderes Gewicht bekommen; die Erklärung hatte schon einen gewissen Wert, wenn man sich auch des allgemein gehaltenen Charakters der Formulierungen bewußt sein muß. 4. Der Übertragungsfehler: „NC“ statt „HMG“, muß durch flüchtiges Hinsehen entstanden sein, zumal das „H" zunächst wie durchstrichen aussieht und das „M“ dann auch als „N“ angesehen werden könnte. Ein gewichtiges Indiz für die Richtigkeit dieser These ist die Tatsache, daß das Gericht, in dessen Hand die Fotokopie lag, an der Übertragung keinen Anstoß nahm; außerdem hätte Theo Kordt Theo Kordts vor den Argusaugen einer wachsamen Anklagevertretung eine bewußte und sofort zu entlarvende Fälschung niemals riskieren können. Über den Stand der laufenden Staatsstreichvorbereitungen erhielt Theo Kordt damals keine Detailnachrichten. Daß die Vorbereitungen dicht vor ihrem Abschluß stehen mußten, schloß er aus einer Weisung, die seine Frau aus Berlin mitbrachte: er solle Bern nur dann verlassen, wenn er eine vom Staatssekretär unterschriebene Aufforderung mit einem verabredeten Stichwort erhalte Erich Kordt fügt in „Nicht aus den Akten", S. 372, hinzu, daß er seiner Schwägerin noch einen Brief mitgegeben habe, den sie ihrem Gatten erst beim Eintreffen der Nachricht vom Staatsstreich übergeben solle. 7. Der Attentatsplan Erich Kordts In der Zeit zwischen der Unterredung mit Beck, nach dem Überreichen der Evans-Botschaft, und einem Besuch bei Oster am 1. November hatte sich Erich Kordt entschlossen, selbst ein Attentat auf Hitler auszuführen, um die Hemmung des Eides zu beseitigen und so den Staatsstreich auf alle Fälle zu sichern. Er hatte ungehinderten Zutritt zur Reichskanzlei, Oster sicherte ihm den erforderlichen Sprengstoff für den 11. November zu. Eingeweiht in diesen Plan wurden außer Oster noch Kordts Freunde, Hasso von Etzdorf und Albrecht von Kessel, sowie seine Kusine Susanne Simonis Eine Legitimation für den Tyrannenmord fand Kordt als Katholik in der „Summa Theologica" des Thomas von Aquin Bevor noch die Ereignisse ihrem Höhepunkt zuliefen, hatte Kordt als Exponent der Oppositionsgruppe im Auswärtigen Amt Unterlagen für einen Prozeß gegen Hitler, für die Rechtfertigung der Aktion und die Aufklärung des deutschen Volkes über Hitlers Aggressionspolitik sammeln lassen In seinem Buche baut Kordt diesen Vorgang in seinen persönlichen Attentatsplan ein und datiert den Auftrag an seinen Sekretär, Dr. Georg Viktor Bruns, auf den Vormittag des 8. November, also acht Tage nach dem Entschluß zum Attentat. Diese Darstellung widerspricht — Namier würde bedauern, das übersehen zu haben — den Angaben von Dr. Bruns, der den 24. Oktober als den Tag des genannten Auftrags nennt Auch Erich Kordts eigene Aussagen im Prozeß — im Zusammenhang des bereits erörterten Weiz-säcker-Memorandums vom 12. Oktober mit seinem handschriftlichen Zusatz vom 26. Oktober (Weizs. Dok. 370, Exh. 122 in DB le Weizs. Vertg.) — sprechen für die Richtigkeit der Datierung von Bruns Die handschriftliche Bemerkung Weizsäckers mit dem Datum vom 26. Oktober hält die Reaktion Ribbentrops auf die schriftliche Warnung vom 12. Oktober gerade deswegen fest, weil Kordt, wie er selbst sagt, den Staatssekretär in jenen Tagen ausdrücklich gebeten hatte, das Dokument vom 12. Oktober als Beweismittel gegen Ribbentrop und Hitler zu den Akten zu nehmen. So gehört die Dokumentensammlung für einen zukünftigen Volks-gerichtshof in die allgemeinen Staatsstreichvorbereitungen und nicht erst in die durch Kordts persönlichen Attentatsplan anlaufende besondere Phase. Daß Kordt im Prozeß Canaris, in seinem Buch Beck als Auftraggeber für die Sammlung dieses Anklagematerials nennt, ist eine Differenz von untergeordneter Bedeutung. Becks Verbindungen gingen ohnehin durch die Abwehr. 8. Die Haltung Englands und Amerikas Solange das Foreign Office mit der Veröffentlichung seiner den deutschen Widerstand betreffenden Akten zurückhält, kann eine vollbefrie-digende Antwort auf die Frage nach der britischen Haltung zur deutschen Opposition im Spätherbst 1939 nicht gegeben werden. Doch gibt es einige Indizien, die vorsichtige Schlüsse möglich machen. Einen bemerkenswerten Aufschluß über das Denken des Premierministers gibt folgender Auszug aus einem Brief an seine Schwestern vom 10. September 1939 „It may be, but I have feeling that it won‘t be so very long. There is such a widespread desire to avoid war, and it is so deeply rooted, that is surely must find expression somehow. Of course the difficulty is with Hitler himself. Until he disappears and his System collapses, there can be no peace. But what I hope for is not a military victory — I very much doubt the feasibility of that — but a collapse of a German hörne front. For that it is necessary to convince the Germans that they cannot win. And USA might at the right moment help there. On this theory one must weigh every action in the light of its probable effect on German mentality". Es liegt nahe, anzunehmen — die britische Regierung war damals auch schon von dem Vorhaben Hammersteins unterrichtet —, daß Chamberlain mit dem erwarteten Kollaps einen deutschen Staatsstreich meint. Man geht auch kaum fehl, wenn man in den hier geäußerten Gedanken des Premiers die Grundlinie seiner Deutschlandpolitik in den ersten Kriegs-monaten erblickt, einer Politik, die so nur möglich war, wenn er die deutsche Opposition als einen Realfaktor in seine Rechnung einsetzte. In welchem Masse die deutsche Opposition als ein solcher Realfaktor anerkannt wurde, geht aus der Tatsache hervor, daß von Anfang November ab ernstzunehmende Verhandlungen mit dem deutschen Widerstand über den Vatikan ausgenommen wurden. Ihr Ergebnis war der sogenannte X-Bericht in den ersten Monaten von 1940

Unter dem 13. Februar 1940 findet sich in Hassell’s Tagebuch die Eintragung „Goerdeler erzählte mir, Vansittart habe ihn grüßen lassen, so leicht werde jetzt die alte Reichsgrenze im Osten nicht mehr durchzusetzen sein“. Hassell zitierte das als Beispiel dafür, daß die Engländer die Deutschen allmählich stärker mit dem Nationalsozialismus identifizierten. Seine Beobachtung entsprach übrigens der wirklichen Sachlage, wie ein Brief Chamberlains noch aus dem Dezember beweist „I am obliged by the general Consensus of reports to believe that German morale has rather hardened, and that Goebbels has succeeded in making people believe that England is the implacable enemy ... I am begin-ning to wonder wether we shall do any good with them, unless they first get a real hard punch in the stomach". Hassells Eintragung zeigt — den Bericht Goerdelers darf man als wahr unterstellen —, daß man bereits über den Inhalt der Forderung „Polonia restituta“ verhandelt hatte und englischerseits durchaus nicht absolut auf der Wiederherstellung der Versailler Grenzen bestanden hatte. Ein weiteres Indiz ist die Notiz aus dem Halder-Tagebuch vom 24. 11. 1939 über einen Vortrag Etzdorfs: „(London) vor 14 Tagen: Jede Möglichkeit noch, Räumung Polens nicht Voraussetzung“ besteht

In den Februar-Gesprächen mit Theo Kordt — vom 13. bis 17. Februar in Bern — forderte Conwell-Evans die Räumung Polens unmittelbar nach erfolgter Umwälzung in Deutschland als Unterpfand des ehrlichen Willens zur Verständigung mit England Diese beiden differierenden Nachrichten brauchen keinen Widerspruch zu bezeichnen, wenn man sich, wie schon aus der Nachricht Vansittarts an Goerdeler erkenntlich, die wachsende Ungeduld und Skepsis der Engländer gegenüber dem mehrfach angekündigten, aber bisher nicht durchgeführten Staatsstreich vor Augen hält.

Die vom 16. Februar 1940 datierte Botschaft, die Theo Kordt durch Conwell-Evans der englischen Regierung überbringen ließ, erwähnt eine von England gegebene Stillhaltezusicherung „Die Voraussetzung für eine derart weitreichende LImwälzung hat die britische Seite geschaffen durch die Verpfändung des Wortes des Premierministers, daß der notwendigerweise bei einer Umwälzung eintretende Zustand zeitweiliger Unsicherheit nicht zu einer militärischen Aktion Englands und Frankreichs benutzt wird. Ich kenne die Männer, die ihr Wort verpfändet haben, und Philip, den Überbringer, als Ehrenmänner, deren Wort ich traue. Ich habe im Einvernehmen mit meinem Bruder das Menschenmögliche getan, um unsere Freunde von der absoluten Zuverlässigkeit dieses gegebenen Wortes zu überzeugen". Nähere Angaben über das Datum und die Form dieser Zusicherung fehlen; aus der Art des Beim-Worte-Nehmens durch Theo Kordt läßt sich jedoch schließen, daß eine solche Erklärung nur mündlich gegeben wurde und zudem ihre Autorisierung zu wünschen übrig ließ. Auch die vom Vatikan vermittelten konkreten und detaillierten Verhandlungen über die Bedingungen eines möglichen Friedensschlusses sind ohne schriftliche Fixierungen von englischer Seite geblieben. Die Autorität des Vatikans gab ihnen allerdings hohe Bedeutung Aber auch im Hinblick auf die mit Hilfe des Vatikans geführten Verhandlungen wird man sagen müssen, daß eine wirklich tatkräftige Unterstützung der deutschen Opposition von englischer Seite nicht erfolgt ist. Wenn die englische Regierung ihre Akten noch immer der Öffentlichkeit vorenthält, so glauben wir daraus — argumento e silentio — schließen zu dürfen, daß sie um ihre Mitverantwortung weiß

Die Haltung Amerikas Über die bedeutsame diplomatische Aktion des Cecil Rhodes Stipendiaten von Trott zu Solz in Amerika hat Hans Rothfels ausführlich berichtet Wir verweisen auf ihn und wiederholen hier nur seine Zusammenfassung, für die er Mr. Alexander B. Maley zitiert: „Trotts Bemühungen wurden von einigen namhaften Refugees unterstützt, insbesondere von dem katholischen Reichskanzler aus Vor-Hitlerischen Tagen, Dr. Heinrich Brüning. Er machte zu diesem Zwecke im Dezember 1939 einen Besuch im Weißen Haus. Präsident Roosevelt zeigte sich zuerst an der Idee einer Unterstützung der deutschen Untergrundbewegung interessiert, bald darauf aber und offenbar unter dem Einfluß von Männern seiner näheren Umgebung, erklärte er weitere Fühlungnahme für untunlich. Von Trott wurde sogar als Nazi-Agent verdächtigt, eine Tatsache, die im Hinblick auf sein späteres Schicksal nicht der bitteren Ironie entbehrt" Die Mission Trotts scheiterte vollständig. „Wie immer man über den praktischen Wert“, fährt Rothfels fort, „und die Ausführbarkeit seiner Vorschläge denken mag, die Weigerung, irgend etwas mit einem wohlbeglaubigten Nazi-Gegner zu tun zu haben oder auch nur die bescheidenste Art von Sympathie mit dem deutschen Widerstand zu äußern, war sehr deutlich und stellte einen entmutigenden Präzedenzfall dar“ Wir wissen heute, daß Roosevelt kein Interesse an einer deutschen Opposition gegen Hitler hatte. (Wird in der nächsten Ausgabe der Beilage fortgesetzt)

Anmerkung Dr. Erich Kosthorst, geb. 1. Dezember 1920 in Bocholt/Westfalen. Arbeitsdienst und Wehrdienst von April 1939 bis Juli 1944. Von Juli 1944 bis Juli 1949 in russischer Kriegsgefangenschaft. Studium in Wien, Tübingen und Münster. Bei der in dieser und der folgenden Beilage veröffentlichten Arbeit handelt es sich um eine Dissertation der Philosophischen Fakultät der Universität Münster/Westfalen. • Die umseitig abgedruckte Karte wurde mit Genehmigung des Athenäum Verlages entnommen: Tippelskirch, Kurt von, Geschichte des zweiten Weltkrieges, Bonn 1950. Zeichner: W. Materne.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die deutsche Opposition gegen Hitler.

  2. Geist der Freiheit.

  3. Keith Feiling, The life of N. Chamberlain, S. 420.

  4. Bis zum bitteren Ende, Bd. 2, S. 131 ff.

  5. Nicht aus den Akten, S. 332 ff. u. 355 ff.

  6. In the Nazi Era, S. 84 ff.

  7. In der Forschungsstelle des Instituts für Völkerrecht an der Universität Göttingen zur Verfügung gestellt.

  8. Dem Verfasser von Generaloberst Halder zur Einsicht überlassen. Es handelt sich hier nicht um ein Tagebuch im üblichen Sinne, obwohl es ständig so bezeichnet und auch von uns so zitiert wird. Seinem eigentlichen Charakter nach ist es ein dienstliches Notizbuch, in welchem wichtige Ereignisse (meist militärischer Art), Vorbemerkungen für Vorträge beim Oberbefehlshaber des Heeres (ObdH) und Hitler, wesentliche Punkte aus Vorträgen vor dem Generalstabschef selbst und nur ganz vereinzelt und dazu meist getarnt den Widerstand gegen Hitler betreffende Gedanken und Vorbereitungen niedergelegt sind. Dieses Tagebuch (übertragen in mehrere maschinenschriftliche Bände) war in Deutschland nur bei Halder selbst erreichbar. Neuerdings hat Halder dem Völkerrechtsinstitut in Göttingen eine Fotokopie des Tagebuchs gestattet. Bei den Nürnberger Prozessen lagen auszugsweise Abschriften vor.

  9. Siehe Walter Dirks in den „Frankfurter Heften“, Heft 7, Juli 1951, S. 475 ff. Vgl. dazu Werner Conzes Literaturbericht in der „Politischen Literatur", 1953, Heft 5/6.

  10. Hans Rothfels, Gesellschaftsform und Auswärtige Politik, S. 21.

  11. Aus dem „Wilhelmstraßenprozeß" dazu besonders herangezogen: Affidavit Eleonora Attolico, Weizs. Dok. 152 in DB laW. -Verteid.; Aufzeichnungen C. J. Burckhardts, W. -Dok. 169a, S. 3 und 4; Statement Bischof Berggravs, W. -Dok. 497, Exh. 454 in DB le W. -Vert.; Zeugenvernehmung B's, Pr. 8601 ff.; Zeugenvern. Bülow-Schwante, Pr. 9872 ff., Aff. Hasso von Etzdorf, W. -Dok. Exh. 269 in DB 5 W. -Vert.; Zeugenvern. Hasso v. Etzd., Pr. 9709 ff.; Zeugenvern. Theo Kordts, Pr. 12 152 ff.; Zeugenvern. Erich Kordt, Pr. 7419 ff.; Aff. Gottfr. v. Nostiz, W. -Dok. 269 in DB 5 W. -Vert.; Aff. Edw. v. Selzam, W. -Dok. Exh. 7 in DB 1b W. -Vert.; Aff. Halifax, W. -Dok. 408 in DB le W. -Vert.; Aff. Bischof von Chichester, W. -Dok. 497, Exh. 454 in DB le W. -Vert.; Ernst v. Weizsäcker, Erinnerungen; Erich Kordt, Nicht aus den Akten; Namier, In the Nazi Era. — Es mag auffällig sein, daß das hier und später zitierte Material in überwiegendem Maße aus der Verteidigung des sog. Wilhelmstraßen-bzw. OKW-Prozesses (Fall 11 und 12) stammt. Der Grund dafür liegt darin, daß es dort die Anklage peinlich vermied, von den Widerstands-handlungen Notiz zu nehmen. Bei der Anklage ist von diesen nur dann die Rede, wenn man sie in Kreuzverhören bagatellisieren will. Jedoch wurden auch Kreuzverhöre und anderes Anklagematerial für diese Arbeit ausgewertet. Eine bemerkenswerte Notiz zum Wert bestimmter Zeugenaussagen bei Dr. P. Schmidt, Statist auf der Galerie 1945— 1950, S. 106/107.

  12. Ulrich von Hassell, Vom anderen Deutschland, S. 86 ff.

  13. Es ist mir bewußt, daß diese Bezeichnung nur als Sammelbegriff gelten kann. Als Politiker sind hier Männer aufgeführt, deren Tun der Politik im umfassendsten Sinne des Wortes galt. So gehören hierher sowohl Angehörige der alten Parteien wie auch Gewerkschafter, Verwaltungsbeamte, Juristen usw.

  14. Fabian von Schlabrendorff, Offiziere gegen Hitler, S. 63.

  15. Jetzt Gattin des Bundesministers J. Kaiser.

  16. Der hier skizzierte Aufbau und Zusammenhang „ziviler" Widerstandsgruppen stützt sich auf eine mir vom Bundesminister Kaiser übersandte, bisher unveröffentlichte Niederschrift „Weder Reaktionäre noch Revolutionäre"; Auszüge daraus wurden bereits in einem Aufsatz Kaisers unter dem gleichen Titel in der Sondernummer des „Parlaments": „Die Wahrheit über den 20. Juli 1944" abgedruckt. (Diese Nummer ist kürzlich -geändert und vervollständigt -in Buchform erschienen: „ 20. Juli 1944"; dort ist auch der Aufsatz Kaisers jetzt vollständig abgedruckt).

  17. Dr. Otto A. W. John in „Parlament", Sonderausgabe 20. Juli, S. 2; Leusdiner kam dann im Laufe des ersten Kriegsjahres auch noch in direkte Verbindung mit Canaris und Oster, siehe Zeller, Geist der Freiheit, S. 52. Bestätigt durch unveröffentlichte Aufzeichnungen von Christine v. Dohnanyi, geb. Bonhoeffer.

  18. Dohnanyi war auch ein bemerkenswert historisch interessierter und gebildeter Mann und seit seiner Kinderzeit der Familie des Historikers Delbrück eng verbunden. (Nach unveröffentlichten Aufzeichnungen von Chr. v. Dohnanyi, S. 1.)

  19. Zeller, Geist der Freiheit, S. 67; dort auf S. 64 ff. eine ausführliche Charakteristik Lebers. Die Versetzung von Graf York bei E. Kordt, Nicht aus den Akten, S. 340.

  20. Siehe dazu einen Aufsatz von Andreas Hermes in der Zeitung „Neue Zeit", Berlin, abgedruckt in: G. Weisenborn, Der lautlose Aufstand, S. 106.

  21. Aufzeichnungen von Christine v. Dohnanyi, S. 7.

  22. Rothfels. Gesellschaftsform und Auswärtige Politik, S. 20.

  23. Rudolf Pechel, Deutscher Widerstand, S. 153.

  24. Schlabrendorff, a. a. O„ S. 37/3 8.

  25. Pechel, a. a. O., S. 153. Siehe auch Dulles, Verschwörung in Deutschland, S. 77.

  26. F. v. Schlabrendorff, a. a. O., S. 37/3 8.

  27. Organisationsskizzen über den Generalstab des Heeres und das Amt Ausland-Abwehr im Anhang als Schema I und II. Das Generalstabsschema ist dem Buche A. Heusingers, Befehl im Widerstreit, entnommen; die darin eingesetzten N: men, die dem Stand nach Kriegsausbruch entsprechen, verdanke ich Generalltn. Röhricht, dem damaligen Chef der Ausbildungsabt. im OKH. — Die Skizze des Abwehramtes aus: Walter Hagen, Die geheime Front, S. 12.

  28. K. Feiling, Life of N. Chamberlain, S. 414 ff.

  29. K. Feiling, Life of N. Chamberlain, S. 417, Brief an Schwestern vom 10. Sept.; S. 424, Brief an Schw. vom 23. Sept, und 8. Okt.

  30. Aus dem Brief vom 23. Sept.

  31. Bouhler, Der Großdeutsche Freiheitskampf, Reden Adolf Hitlers, Danziger Rede, S. 41 ff.; Rede vom 6. Okt., S. 67 ff.

  32. Ciano, Tagebücher, 6. Okt. 1939.

  33. K. Feiling, a. a. O., S. 424, Brief an Schw. vom 8. Okt. 1939.

  34. K. Feiling, a. a. O., Brief Chamberlains vom 8. Okt.

  35. Diesen Schluß zieht auch Halder, persönliche Mitteilung Halders.

  36. Greiners Angabe, daß Warlimont von Hitlers Angriffsabsichten schon am 20. Sept, durch vertrauliche Mitteilung Keitels erfuhr, widerspricht der Aussage Warlimonts im Fall 12, Pr. 6343. Unrichtig ist aber auf jeden Fall Greiners Darstellung, daß Warlimont bei seinem Gespräch n: Stülpnagel am 24. Sept, diesem nichts von Hitlers Angriffsabsichten gesagt habe. Im Halder-Tagebuch findet sich unter dem 25. Sept, die Notiz: „Stülpnagel: Nachricht Warlimont über Angriffsabsichten des Führers im Westen." Stülpnagel hat diese wütige Nachricht also nachweisbar sofort an Halder weitergegeben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist die Mitteilung Keitels an Warlimont am 24. Sept (nicht am 20. Sept.) erfolgt. Dieses Datum stimmt einerseits besser zu Warlimonts Aussagen (Pr. 6343), daß er am 24. oder 25. Sept, im Führerhauptquartier in Zoppot gewesen sei und dort die vertrauliche Mitteilung Keitels bekommen habe. Andererseits ist es bei dem e. igen Kontakt Warlimonts mit Stülpnagel mindestens unwahrscheinlich, daß W. mit der Weitergabe dieser Nadiricht vom 20. bis 25. Sept., also fünf Tage, gewartet haben soll. Warlimont selbst gibt an, daß der Besuch in Zoppot höchstens 24 bis 36 Stunden gedauert habe. Im übrigen siehe die berechtigt positive Beurteilung Greiners bei Hubatsch, HZ, Bd. 175, Heft 1, Februar 1953, S. 137 f. Man möchte dem allerdings noch ein kritisches Wort zu der von Greiner — neben Jodls Kriegstagebuch und eigenen OKW-Tagebuch-Notizen - benutzten Quelle, den Notizen des damaligen Hauptmanns i. G. Deyhle für das Kriegstagebuch hinzufügen. D. hat als Adjutant Jodls die Notizen für 1939/40 erst nachträglich, nämlich am 7. April 1941 (= Enddatum) für die Kriegsgeschichtliche Abteilung niedergeschrieben, was natürlich ihren Wert stark vermindert. Außerdem ist in ihnen die deutliche Tendenz erkennbar, vor allem Hitlers Feldhermleistungen herauszustreichen. Zu Deyhle hat Warlimont im Fall 12, Pr. 6323/24 ausgesagt.

  37. Nach einem persönlichen Bericht Halders, der ausdrücklich von nur drei an dieser Unterredung beteiligten Personen spricht. (Eine vierte untergeordnete Persönlichkeit habe sich dabei im Hintergrund befunden). Dagegen datiert Greiner, a. a. O„ S. 55/56, 61. eine große Besprechung Hitlers mit den Oberbefehlshabern der drei Wehrmachtsteile in Gegenwart des Chefs OKW und Warlimonts (in Vertretung des erkrankten Jodl) auf diesen Tag. Ich habe dafür keine bestätigenden Unterlagen gefunden; das Halder-Tagebuch verzeichnet eine Besprechung bei Hitler dann wieder am 30. Sept., für die er sich mit Brauchitsch noch am 29. vorbereitete.

  38. Halder-Tagebuch vom 9. Okt. 1939.

  39. Jodl-Tagebuch vom 30. Okt. 1939.

  40. Halder-Tagebuch vom 24. Sept. 1939.

  41. Halder-Tagebuch vom 3. Okt. 1939.

  42. siehe nächste Folge.

  43. Dokument 052-L, Prozeß gegen die Hauptkriegsverbredter, amtlicher Text, deutsche Ausgabe, Bd. XXXVII, S. 466 ff.; die Weisung Nr. 6 als Dok. C-62 in Bd. XXXIV, S. 226 ff.

  44. Dokument 052-L, Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher, Bd. XXXVII, S. 467/68.

  45. Dokument C-26, siehe Anm. 35 dieser Seite.

  46. Ciano-Tagebuch vom 10. Okt. 1939.

  47. Zitiert bei P. Schmidt, Statist auf diplomatischer Bühne, S. 474.

  48. Halder-Tagebuch vom 17., 22., 27. Okt., siehe für diese Zeit auch das Tagebuch Jodls; ferner Greiner, a. a. O., S. 64/65.

  49. Als Exponent dieser Richtung ist zu nennen Sir Lewis Namier, Professor für Moderne Geschichte an der Universität Manchester, mit seinem neuesten Buch: In the Nazi Era. Dieses Werk enthält u. a. kritische Betrachtungen der Erinnerungswerke Halders, Dirksens, Weizsäckers, Kordts und Paul Schmidts. Für einen deutschen Betrachter der Opposition gegen Hitler mag es zur Selbstkontrolle wichtig sein, sich Namiers Kritik zu stellen; im ganzen aber ist das Werk wenig nützlich, da ihm das Vorstellungsvermögen für die Problematik und Atmosphäre der deutschen Situation unter Hitler gänzlich fehlt. — Hierzu vgl.den nach Fertigstellung dieser Arbeit erschienenen Artikel von Alex Natan: Sir Lewis Namier: Historiker mit Vorurteilen. VfZ 1, 1953, 352 ff.

  50. Namier, a. a. O., S. 100; dieser über die Gebrüder Kordt und Weizsäcker gesprochene Satz kann auch als Namiers Meinung über die militärische Oppositionsgruppe gelten, wie es der Geist des ganzen Buches zeigt.

  51. Jodl-Tagebuch vom 15. Okt. 1939; wenn Greiner, a. a. O., S. 63/64, dazu schreibt: „Dabei scheint Halder gewisse Bedenken gegen die Offensive, vor allem gegen ihre Durchführung noch in diesem Jahre geäußert zu haben“, denn Jodl vermerke in seinem Tagebuch: . Wir gewinnen . . • „so ist das ganz unzureichend: Halder hatte mehr als . gewisse Bedenken'Ob er seine Bedenken in dieser Besprechung über den Stand der Vorbereitungen noch einmal ausführlich geäußert hat, ist dabei unerheblich. Jodl kannte das Gewicht dieser Bedenken, sonst hätte er außerdem nicht so massiv zu schreiben brauchen: .... und wenn er hundertmal einer Generalstabsdoktrin widerspricht."

  52. Auszug aus Dokument Nr. NOKW 2717, S. 2, 3, 4 des Originals. Diese Notizen des Generalobersten Hoth sind offensichtlich auf Grund der Führerrede am 23. Nov. 1939 niedergeschrieben und als Unterlagen für Kommandeurbesprechungen gedacht und benutzt worden. Sie sind von Hoth im Fall 12, Pr. 3042/43, bestätigt worden. Sperrdrude ersetzt Unterstreichungen im Original.

  53. Die hier angedeuteten Probleme sind mit hohem Verantwortungsbewußtsein von H. Foertsch, Schuld und Verhängnis, behandelt worden. — Mit dem Gedanken extremer Spezialisierung ist keineswegs eine volle Erfassung des Phänomens geleistet; die tieferen Gründe liegen in einer allgemeinen geistigen Krise, deren Ursachen hier nicht nadigegangen werden kann.

  54. Halder-Tagebuch vom 14. Okt. 1939.

  55. Die Verbindungsaufnahme des ObdH mit westfälischen Wirtschaftsführern nach persönlichem Bericht Halders.

  56. Pers. Bericht Halders. — Die Weizsäcker-Unterredung ist im Halder-Tagebuch am 12. Okt. avisiert, ohne daß sie jedoch dann am 13. od. 14. Okt. noch einmal erwähnt würde.

  57. Dok. NOKW Nr. 1271.

  58. Greiner, a. a. O., S. 66; dagegen auch Halders pers. Bericht.

  59. Halder-Tagebuch vom 15. Okt. 1939.

  60. Jodl-Tagebuch vom 25. Okt. 1939.

  61. H. Foertsch, Schuld und Verhängnis, S. 32 und S. 229, Anmerkung 17.

  62. Leeb-Dok. Nr. 33, Fall 12, Verteidigung.

  63. General Foertsch, a. a. O., S. 101.

  64. Aussage Leebs im Fall 12, Pr. 2253 ff.

  65. Aussage Leebs im Fall 12, Pr. 225 8.

  66. Aussage Leebs im Fall 12, Pr. 2482.

  67. Dok. Nr. NOKW 3433, Leeb-Dok. Nr. 39a; die Abschrift an Halder-Leeb-Dok. Nr. 35, an Heeresgruppe B-Leeb-Dok. Nr. 39. Siehe dazu auch Leebs Aussage Pr. 2284 und Halders Zeugenaussage Pr. 1874. Nach Leebs Aussage Pr. 2285 hatten in seinem Stabe Kenntnis von der Denkschr.sein Chef des Stabes. Gen. v. Sodenstern, dessen späterer Nachfolger, Gen. Felber und der 1. Generalstabsoffz. Vinzenz Müller, der später im Nationalkomitee „Freies Deutschland“ eine Rolle spielte, und jetzt eine führende Position in der Volkspolizei innehat. — Nach Aussage Sodensterns Pr. 2510 ff. hat er selbst an der Formulierung der Denkschrift mitgewirkt, wobei er befürchtete, daß die Folge dieser Denkschrift Leebs Verabschiedung sein würde.

  68. Dieser Arbeit im Anhang beigefügt.

  69. Siehe Rothfels, Die deutsche Opposition gegen Hitler, S. 49; der adäquate artilleristische Begriff heißt allerdings „indirektes Richtverfahren".

  70. S. 9 des Originals, Dok. NOKW 343 3.

  71. S. 12 des Originals, Dok. NOKW 3433.

  72. vgl. S. 3 3 8.

  73. Leeb-Dok. Nr. 33, Fall 12, Verteidigung. Leeb-Aussage Pr. 2284; Halder-Aussage Pr. 1874.

  74. Zeugenaussage Halders, Fall 12, Pr. 1874 und persönlicher Bericht H.'s.

  75. Zeugenaussage Halders, Fall 12, Pr. 1876; Zeugenaussage von Salmuth, Fall 12, Pr. 3 873, aus der hervorgeht, daß S. an dieser Denkschrift entscheidend mitgewirkt hat und daß deren Hauptargument war: bei Verletzung der Neutralität Hollands und Belgiens tritt die gesamte Wehrmacht dieser beiden Länder zusätzlich auf die Feindseite. Siehe dazu auch die Aussage Leebs Pr. 2286. Bodes Denkschrift selbst war im Archiv der Forschungsstelle für Zeitgeschichte des Instituts für Völkerrecht in Göttingen nicht aufzufinden.

  76. Rundstedts Denkschrift: Dok. NOKW-511 5; davon ist eine Fotokopie in Göttingen vorhanden. Siehe Anhang.

  77. Zeugenaussage Halders. Fall 12, Pr. 1876.

  78. Offenbar ist die Notiz im Halder-Tagebuch vom 1. Nov. 1930: „Bericht Heeresgruppe A: die positive Seite fehlt eine Bestätigung der Rundst. -Denkschrift.

  79. A. Heusinger, Befehl i. Widerstreit, S. 65.

  80. Leeb-Aussage, Fall 12, Pr. 2287/88; Aussage Sodensterns, Pr. 2510 ff.

  81. Aussage Leebs, Fall 12, Pr. 2288.

  82. Aussage Sodensterns, Fall 12, Pr. 2510 ff.

  83. Aussage Leebs, Fall 12, Pr. 2290.

  84. Th. Groppe, Dokumente und Geschehen, Ein Kampf um Sitte und Recht, 1947.

  85. Gr., a. a. O., Halder-Tagebuch vom 5. Februar 1940; der Protest Leebs im Halder-Tagebuch vom 4. Dez. 1939.

  86. Die Notiz im Halder-Tagebuch vom 5. Februar 1940 „Angelegenheit Leeb" bezieht sich nach Halders Aussage, Fall 12, Pr. 1913 auf diesen Schriftwechsel.

  87. Persönlicher Bericht Halders, wobei H. versicherte, daß er diese Erklärung wörtlich wiedergeben könne; in solchen Entscheidungsstunden geprägte Formulierungen hätten sich ihm unauslöschlich eingeprägt. H's gutes Gedächtnis läßt sich im übrigen durch die Kongruenz seiner mündlichen Berichte mit später gefundenen Dokumenten erweisen. Zu H‘s Amtsübernahme siehe auch seine Zeugenaussage im Fall 12, Pr. 1829. Vgl. auch Weizsäcker, Erinnerungen, S. 174 — Verfasser ist sich der der Problematik einer auf Selbstaussagen gestützten Darstellung bewußt, meint aber wegen der hohen Glaubwürdigkeit Halders auf die folgenden Darlegungen im Kapitel 5a nicht verzichten zu sollen. Auf neues Quellenmaterial zu diesen Punkten kann kaum gerechnet werden, der Blick auf die im übrigen gesicherten Zusammenhänge wird das notwendige Korrektiv sein müssen.

  88. Persönl. Mitteilungen Halders wurden an dem als bekannt vorauszusetzenden Ablauf der Ereignisse überprüft.

  89. Zeller a. a. O., S. 33 ff. Das von Zeller berichtete Wissen Halders (Entsendung eines Kuriers nach London) wird von H. bestritten.

  90. Zeller a. a. O.. S. 21.

  91. Zeller a. a. O., S. 307, Anm. 42; das Urteil Schachts ist nur mit großer Vorsicht zu benutzen, da Sch. entgegen den bekannten Tatsachen die Staatsstreichplanung für 193 8 z. B. allein für sich und Witzleben in Anspruch nimmt (siehe Zeller a. a. O., S. 311, Anm. 74).

  92. Zeller a. a. O., S. 18 und S. 48.

  93. Persönlicher Bericht Halders. Die Äußerung Becks wird auch von Hanz Herzfeld, jedoch ohne Mitteilung seiner Quelle, zitiert; H. Herzfeld, Das Problem des deutschen Heeres 1919— 1945, S. 22.

  94. W. Foerster, Generaloberst Ludwig Beck, Sein Kampf gegen den Krieg, S. 122.

  95. Persönlicher Bericht Halders. Im Tagebuch H. ’s ist am 30. Sept, verzeichnet. „Abds, längere Besprechung mit ObdH über Stellung zu der Entschlußbildung des Führers in Westfragen.“ Man kann mit gutem Grund das von H. berichtete Gespräch hierher datieren. H. bewahrt seinem Ob., dessen ganze innere Konstitution dem brutalen Diktator nicht gewachsen war und der nach seinen eigenen Worten in der Nähe Hitlers stets eine würgende Hand an seiner Kehle spürte, das Andenken: „Et voluisse sat est.“

  96. Bericht Halders.

  97. Persönliche Mitteilung Halders, die bestätigt wird durch die im folgenden dargestellten und vielfach belegten Aktionen.

  98. Persönliche Mitteilung Etzdorfs; über Schrader siehe Gisevius, Bd. 2, S. 177.

  99. Rothfels, Die deutsche Opposition, S. 91.

  100. Das gesamte Quellenstudium und die Zurückhaltung der Panzerdivisionen nach persönlicher Mitteilung Halders. (Ein Panzerkorps wird durch Gisevius, II, S. 13 3, bestätigt.)

  101. Die Denkschrift von Etzdorf und Kordt bei Erich Kordt, Nicht aus den Akten, S. 3 59— 60; sie ist im Fragment erhalten geblieben, Grosskurth hatte sie auf seinem elterlichen Hof in Schleswig-Holstein vergraben.

  102. Halder-Tagebuch vom 18. Okt. 1939.

  103. Dok. 864-PS, S. 1— 3; es ist geschrieben auf Grund von Notizen am 20. Okt. Die Weitergabe durch Chef OKW an Wagner im selben Dokument, S. 8 f.

  104. Da die folgende Darstellung sich in wichtigen Punkten auf Mitteilungen Halders stützt, erübrigen sich Einzelbelege. Die Zuverlässigkeit dieser Nachrichten konnte z. T. an Hand von Tagebuchnotizen, die Halder nachweisbar nicht mehr bewußt waren, und durch Vergleiche mit anderen Quellen überprüft werden.

  105. D a s Datum dieser Frontreise Stülpnagels ist für die Beurteilung der sonst rätselhaften Novemberereignisse von entscheidender Bedeutung. Die allgemein gehaltenen Aussagen Halders im OKW-Prozeß (Pr. 1873) könnten darauf schließen lassen, daß St. erst nad dem 23. Nov. in den Westen fuhr; dann verlören die Staatsstreichvorbereitungen vorher erheblich an Gewicht und Ernsthaftigkeit; der Schock im OKH nach der Unterredung Brauchitsch’s mit Hitler am 5. Nov. ließe dann eher die oft geäußerte Deutung zu. daß mangelnder Wille und Wagemut den Staatsstreich verhinderte. Nach der Unzulänglichkeitsthese wichtiger Quellen der nicht militärischen Opposition neigte ich ursprünglich zu ähnlicher Interpretation. Nachdem sich auf Grund des Halder-Tagebuches der Termin der St. -Reise mit Sicherheit auf das Oktoberende datieren läßt, kann es als gesichert angesehen werden, daß i h r negatives Ergebnis den folgenden Ablauf der Dinge entscheidend beeinflußt hat und nicht etwa mangelnde Tatbereitschaft Halders. So hat die St. -Reise den Charakter eines Drehpunktes. — Die angezogene und von Halder brieflich als die St. -Reise betreffend bestätigte Notiz aus dem H. -Tagebuch vom 29. Okt. lautet: „Vormerkung OB: OQu 1 Frontreise. — Rundstedt und Leeb Orientierung über Gründe der Änderung. — Hohe Kommandeure sprechen; Bericht erstatten über Absichten. Reich. -Stülp. Umzug nach H.“ (Der von mir in Parenthese gestellte Satz ist im Tagebuch klein an den Rand geschrieben.)

  106. Im allgemeinen hatte Halder, in dessen Hand die Personalpolitik des Generalstabes lag, mit Hilfe des Leiters der G. Z., Heistermann von Ziehlbcrg, an alle wichtigen Stellen vertrauenswürdige Generalstäbler setzen können.

  107. Die Bereitschaft Leebs wurde Halder am 10. Nov. erneut durch den la der Heeresgruppe C, Vinzenz Müller, der bei Halder das Thema des Stülpnagel-Gespräches bei der Heeresgruppe C wiederholte, bestätigt. Im Halder-Tgb. vom 10. Nov. 1939 heißt es: „Müller la AOK 1 Leeb: Bereitschaft Leeb-Witzleben OQu 1".

  108. Persönliche Mitteilung Halders; persönliche Mitteilung Generalltn. Röhrichts, der damals Chef des Ausbildungsabteilung im OKH war und die Ablehnung Fromms von Erik Köhler, Fromms Begleiter, erfuhr. Von Röhricht hat Liddel Hart diese Nachricht in sein Buch, The Other Side of the Hill, übernommen.

  109. D, Bonhoeffer, Widerstand u. Ergebung, S. 18/19. Die zitierte Niederschrift Bonhoeffers liegt zwar 3 Jahre später, trifft aber präzise den schon 1939/40 vorliegenden Sachverhalt. Dohnanyi, der Schwager Bonhoeffers, hielt — wie aus den unveröffentlichen Aufzeichnungen Christine v. Dohnanyis deutlich hervorgeht — schon damals den später von Bonhoeffer formulierten Standpunkt der Auffassung der Militärs entgegen. Er glaubte — wie übrigens auch Hassell und Popitz —, den Bürgerkrieg zunächst durch eine Phase schärfster Militärdiktatur verhindern und dann das Volk durch gründliche Aufklärung gewinnen zu können. Für diese Aufklärung hatte Dohnanyi seit seiner Tätigkeit im Justizministerium eine „Chronik“ zusammengestellt, die in Verbindung mit einer Kartothek alle Skandalfälle innerhalb der Partei sowie alles über das Justizministerium erreichbatte Belastungsmaterial über Parteigrößen und Parteiarbeit jederzeit auffindbar und verfügbar machen konnte. — Vgl. auch die Denkschrift Etzdorfs in der nächsten Folge.

  110. Im übrigen versichert Etzdorf, daß seines Wissens 1939 keinerlei autorisierte englische oder französische Zusicherungen gemacht wurden: persönliche Mitteilung Etzdorfs.

  111. Mitgeteilt von Gisevius, a. a. O., Bd. 2, S. 140; Zeller, a. a. O., S. 46, hat die entsprechende Nachricht — er gibt keine Quelle an — vermutlich daher. Becks Vorschlag, allerdings ohne Erwähnung der erörterten Voraussetzung, wird bestätigt durch Hassell, a. a. O., S. 107. Gis., dessen Buch nur mit schärfster Kritik als Quelle benutzt werden kann, gibt die Zeit vom 31. Okt. bis 18. Nov. in Form von Tagebuchnotizen, die er nach seinen Angaben (Bd. 2, S. 130) in Atlanten versteckt hatte. Diese Notizen geben — obwohl offensichtlich nachträglich frisiert — einige wichtige Hinweise. Größte Vorsicht ist jedoch besonders bei der Verwendung der dort gegebenen Zeitangaben geboten; dafür ein Beispiel: unter dem 4. Nov. (Bd. 2, S. 134) schreibt Gis.: „Brauchitsch und Halder sind heute Morgen in den Westen geflogen. Bei dieser Inspektionsreise wollen sie mit den wichtigsten Generälen verabreden, wie sie am praktischsten vorgehen. Ihr Vorschlag ist, Hitlers Angriffsbefehl abzuwarten und dann die Weitergabe zu verweigern. Hierzu ist die Mitwirkung der Heeresgruppenführer unerläßlich.“ . . . Nach Ausweis des Halder-Tagebuchs waren Br. und H. am 2. und 3. Nov. an der Westfront, am 4. Nov. wieder in Zossen. Nach persönlicher Mitteilung Halders waren die Besprechungen im Westen auch keine Widerstandsgespräche, sondern fachlichmilitärischer Art, wenn auch — wie das Halder-Tgb. zeigt — erneut schwere Bedenken gegen die Offensive vorgetragen wurden. Im übrigen konnte Halder eine Reihe der von Gis. gegebenen sachlichen Mitteilungen für die ersten Novembertage als richtig bestätigen. H.selbst hatte vom Vorschläge Becks keine Kenntnis, er könnte sich sonst — wie er nach persönlicher Mitteilung angibt — an ein so utopisches Ansinnen mit Sicherheit erinnern. Er hält es aber für durchaus möglich, daß ein solcher Vorschlag Becks direkt an Brauchitsch ging, ohne daß dieser dann Halder verständigte. Brauchitsch vermied es ohnehin, Wasser auf Halders Staatsstreichmühlen zu schütten, wie es mit einem solchen Vorschlag natürlich geschehen wäre.

  112. Die am 14. Dezember von Keitel, dem Bruder des Chefs OKW, genannten Zahlen geben einen gewissen Einblick in die Zusammensetzung des Offizierskorps: „Offizierskorps von 3 700 Friedensstärke (Jahr 34) wurde zu 99 000 (Jahr 39, Anfang) gesteigert. Alte: 50 000 Reserveoffiziere (abzüglich unverwendbare) verbraucht, Masse im Ersatzheer, 1 000 vielleicht noch erfaßbar. Junge: 5 000 ausgebildeter junger Esratz 5 000 in Ausbildung begriffen 2 000 3-jähr, dienend Monatlich 1 500— 2 000 Mann zur Beförderung möglich. Aufstellung von Stäben schwierig (Ersatzheer!)“ Über die Mannschaftslage hatte Fromm vorher vorgetragen: „ausgebildet 170 000 bis Ende Januar plus 250 000 = 420. 000 1. März 620 000 1. April 150 000 halbausgebildet 770. 000 Abgang: 150. 000 im Monat. Mit Wiederhergestellten 115. 000 monatlich. Zur Ablösung älterer Jahrgänge 100 000 verfügbar. Zu fordern 1 Million, also unendlich lange Zeit noch. Jetzt zunächst Jahrgang 12/11 für Front. Jahrgang 06/7 für Landesschützen pp. Für Herbst Teile 19 u. 20. Also: Blutverluste können gedeckt werden. Alte Jahrgänge können nur sehr langsam ausgetauscht werden. Neuaufstellung ohne weitere Verlangsamung des Austausches nicht möglich.“ Diese Zahlen im Halder-Tagebuch vom 14. Dezember 1939.

  113. H. Foertsch, Titel seines Buches.

  114. Erich Kordt, Nicht aus den Akten, S. 3 58.

  115. U. von Hassell, Vom anderen Deutschland, S. 86— 90. Ich stütze mich im folgenden besonders auf Hassell, dessen Tagebücher für dieses Kapitel die wichtigste Quelle sind.

  116. U. v. Hassell, a. a. O., S. 86/87.

  117. U. v. Hassell, a. a. Q„ S. 89/90.

  118. Hassell, a. ä. O., S. 90.

  119. Hassell, a. a. O., S. 94.

  120. Hassell, a. a. O., S. 95/96.

  121. Hassell, a. a. O„ S. 97.

  122. persönliche Mitteilung Halders.

  123. Hassell, a. a. O„ S. 96: E. Kordt, a. a. O., S. 35 8; Halder (nach persönlicher Mitteilung) erinnert sich nicht an eine ihm in solch geschlossener Form vorgelegte Denkschrift. H. war überhaupt gegen schriftliche Formulierungen dieser Art und hat dies Stülpnagel beim Vorlegen ähnlicher Dokumente mehrfach gesagt. — Die Denkschrift ist abgedruckt bei E. Kordt, a. a. O., S. 359— 366.

  124. Zeugenaussage Theo Kordts, Fall 11, Pr. 12 030 ff; E. Kordt, a. a. O., S. 249 ff, S. 279— 81.

  125. Dokument NG-5786 und Dok. NG-5786 A, siehe Anhang.

  126. Dok., Exh. 453, Weizs. Dok. 496 in DB 10 Weizs. Vert. Siehe zur Widerlegung Vansittarts auch Exh. 454, Weizs. -Dok. 497 = Aff.des Bischofs von Chichester mit den Sätzen: „Lord Vansittart is bester ................... “ (S. 3 des Originals); siehe auch E. Kordt, a. a. O„ S. 316 ff.

  127. Dok. Exh. No. 453, Weizs. Dok. 496, S. 5 und 1 des Originals.

  128. Namier, a. a. O., S. 98. In diesen Zusammenhang gehört auch der schon auf Seite 336 zitierte Satz.

  129. Aussage Theo Kordts, Fall 11, Pr. 12 149.

  130. E. Kordt, a. a. O„ S. 33 8 ff, S. 367 ff.

  131. Aussage Theo Kordts, Fall 11, Pr. 12 149-12 219, dazu seine Aussage im Kreuzverhör durch Mr. Caming, Pr. 12 242— 44. Diese bis ins Detail gehenden Berichte sind insofern von besonderem Wert, als Theo Kordt sich durch ein sehr gutes Gedächtnis auszeichnete und sich zudem auf zahlreiche Kalendernotizen stützen konnte.

  132. Ernst von Weizsäcker, Erinnerungen, S. 173.

  133. Hassell, a. a. O., S. 93/94; die Spannungen zwischen Weizsäcker und Hassell brachen erst zu einem späteren Zeitpunkt aus; von da an sind Hassells Bemerkungen über Weizs. nur mit großer Vorsicht zu verwerten.

  134. Beispiele dafür; der Auftrag an Theo Kordt; die Mitwirkung, wenigstens das Mitwissen, an dem Schritte des Gesandten Bülow-Schwante beim belgischen König, Fall 11, Pr. 9872 ff. = Aussage Bülow-Schwantes und Pr. 7926 = Weizsäcker-Aussage; die Einwirkungsversuche auf Ribbentrop, Fall 11, Weizs. Dok. 370 und 371 in DB le der Weizs. Vertg. (im Anhang beigefügt), dazu Pr. 7926 = Weizs. -Aussage und 7460 = E. Kordt-Aussage. Das Dokument 370 ist ein gutes Beispiel dafür, wie falsch in der totalitären Situation das „quod non in actis non est in mundo“ ist.

  135. Halder-Tagb. vom 28. Sept, und 12. Okt 1939; über das am 12. Okt. für den 13. Okt. angekündigte Gespräch Weizsäcker—Halder finden sich im Halder-Tgb. keine Notizen, man kann jedoch mit guten Gründen annehmen, daß der von Weizsäcker an Halder gegebene Rat für eine Aktion gegen Hitler im Augenblick des Angriffsbefehls (Weizs. -Aussage, Pr. 7924) in diese Unterredung am 13. Okt. zu datieren ist; am Tage darauf hatte Halder dann mit Brauchitsch das bereits erörterte Gespräch über „grundlegende Veränderungen".

  136. Vorträge Etzdorfs bei Halder nach Ausweis des Halder-Tgb's am: 4. Okt., 8. Nov., 24. Nov., 1939, 19. Jan., 8. Febr. 1940; in den Notizen darüber finden sich jedoch keine unmittelbaren Anhaltspunkte über den Widerstand, außer am 24. Nov. 1939, wo es heißt: „(London) vor 14 Tagen: Jede Möglichkeit besteht noch, Räumung Polens nicht Voraussetzung". — In Fall 11, Pr. 9717 spricht Etzdorf davon, daß er Weizsäcker über die schwebenden Pläne stets orientiert habe; ihre Ausführung habe Weizsäcker dann mit Spannung und Ungeduld erwartet, ihr Scheitern habe ihn mit großer Resignation erfüllt.

  137. Als ein Beleg von vielen möglichen sei genannt das Aff. Edwart von Selzam von der deutschen Gesandtschaft in den Haag, Weizs. Exh. 7 in DB 1b Weizs. -Vertg., S. 15: „Während der Zeitspanne Sept. 1939 bis Mai 1940 war meine politische Berichterstattung über England ausschließlich darauf abgestellt, eine Berichterstattung im Sinne der Erfordernisse der auf eine baldige Kriegsbeendigung hinzielenden Politik des Herrn von Weizsäcker zu sein. Sie war eine ausgesprochene Zweckberichterstattung, mit der ich ein Doppelziel verfolgte. Einmal sollte sie dem Staatssekretär Material an die Hand geben, das geeignet war, der Generalität die Entschlußfassung zum Aufstand zu erleichtern. Des anderen sollte sie herangezogen werden können, um Verschärfungen und Ausweitungen der deutschen Kriegsführung, vor allem den stets drohenden Einmarsch in Holland und Belgien zu verhindern." Kopien dieser gesamten Berichterstattung sind von Selzam in der Schweiz deponiert worden und erhalten (S. 18 des Aff.). — In ähnlicher Weise operierte auch Bülow-Schw., Fall 11, Pr. 9872 ff.

  138. Aussage Weizsäckers, Fall 11, Pr. 7935; vgl. auch das Hassell-Tgb. vom 14. Febr. 1940, a. a. O., S. 124.

  139. C. J. Burckhardt: Weizs. Dok. 169e, S. 3.

  140. Tagebuch-Aufzeichnungen von C J. Burckhardt: Weizs. -Dok. 169a, S. 3— 5.

  141. Bemerkenswert sind für unseren Zusammenhang auch die von Churchill am 28. Okt. 1948 vor dem Unterhaus gesprochenen Sätze: „Weizsäcker was a permanent official in the Foreign Office under Ribbentrop, in a similar capacity as Sir Alexander — Cadogan was and now Sir Orme Satgent is, in the Foreign Office here. Now, after three and half years, he is being tried. I am not attempting to deal with the merits of the particular case on which the court will pronounce, and I am not informed upon them. I am using this as an Illustration to show the kind of deadly error which, in my opinion, is being committed . . .“ Zitiert nach dem Verteidigungsplädoyer für Weizs. S. 72/73; die wohl objektivste Beurteilung Weizs.'s gab m. E. im Prozeß H. Blankenhorn, jetziger Ministerialdirektor im Ausw. Amt.

  142. Am 28. Sept. Unterzeichg.des dt. -sowj. Grenzund Freundschaftsvertrages mit einem geheimen Zusatzprotokoll vom 4. Okt., Leeb-Dok. 150 u. 151 in DB 3 Leeb-Vertg. Erklärung der Reichsregierg. und der Regierg.der UdSSR am 28. Sept. 1939, Leeb-Dok. 152 in DB 3.

  143. Die Darstellung des Wirkens von Theo K. stützt sich auf seine Aussagen, Fall 11, Pr. 12 154 fl., einzelne Belege erübrigen sich daher im folgenden.

  144. Siehe Kreuzverhör Theo K. ’s durch Mr. Caming, Fall 11, Pr. 12 24— 244; Hassell z. B. verstand darunter die Grenzen von 1914 (siehe das „Programm" bei Hassell a. a. O., S. 372, auch S. 89 u. S. 122).

  145. Als Dokumente darüber sind erhalten und im Prozeß vorgelegt worden: der Ankündigungsbrief C. -Evans = Weizs. Dok. 433 in DB 9, S. 11, und die Fotokopie der engl. Erklärung = Weizs. Exh. No. 3 38. Über die mündliche und schriftliche Botschaft von Evans siehe außerdem die Aussage Theo K.'s = Pr. 12 156 ff; die schriftliche Botschaft auch bei Erich Kordt, Nicht aus den Akten, Anhang, dt. Übersetzung, S. 367/68.

  146. Aussage Theo Kordt, Fall 11, Pr. 12 156/57; anschließend zitiert Th. K. die von Evans mitgebrachte handschriftliche Erklärung, die im gleichen Wortlaut von Erich K. im Anhang von „Nicht aus den Akten" gebracht wird. („Das „Europa" in Erich K.'s Übertragung ist offensichtlich ein Druckfehler.) Beide Übertragungen stimmen nicht exakt mit der von Erich K. ebenfalls im Anhang wiedergegebenen Fotokopie des Originals überein. Über die dadurch entstehenden Fragen siehe in der nächsten Folge.

  147. Erich Kordt, Nicht aus den Akten, S. 369.

  148. Aussage Theo Kordts, Fall 11, Pr. 12 15 8.

  149. Persönliche Mitteilung Halders.

  150. Namier, a. a. O., S. 101— 103; S. 99/100 ist allerdings noch völlig abwegig: Namier kreidet es Theo Kordt schwer an, daß dieser den Dokumentendiebstahl aus der englischen Botschaft in Rom nicht schnurstracks den Engländern hinterbrachte. N. kann nicht begreifen, daß er mit seinem Kreuzverhör-Geist sich jede Verständnismöglichkeit verstellt.

  151. Hansard, Parliamentary debates, 12. Okt. 1939, S. 565/6.

  152. Namier, a. a. O„ S. 102.

  153. Namier, a. a. O„ S. 103.

  154. Erich Kordt, a. a. O., S. 318: . Vergeblich haben später die Verteidigungsanwälte Weizsäckers versucht, diesen Zeugen (Evans) zur Aussage in Nürnberg über das, was er gesehen und erlebt hat, zu bewegen.“

  155. Aussage Theo Kordt, Fall 11, Pr. 12 159.

  156. Erich Kordt, Nicht aus den Akten, S. 369 ff.

  157. Erich Kordt, Nicht aus den Akten, S. 370. Die von Erich K. zitierte, aber nicht lokalisierte Stelle aus der „Summa Theologica“, war weder in den Indices zur Leonina-Ausgabe, Rom 1950, noch in der Tabula aurea der Frette-Ausgabe zu finden.. — Bei Thomas von Aquin gibt es aber an mehreren Stellen Ausführungen über den erlaubten Tyrannenmord. Zwei besonders bemerkenswerte seien hier zitiert: „Ad tertium dicendum quod regimen tyrannicum non est iustum: quia non ordinatur ad bonum commune, sed ad bonum privatum regentis, ut patet per Philosophum, in 111 Polit. et in VIII Ethic. . Et ideo perturbatio huius regiminis non habet rationem seditionis: nisi forte quando sic inordinate perturbatur tyranni regimen quod multitudo subiecta maius detrimentum patitur ex perturbatione consequenti quam ex tyranni regimine. Magis autem tyrannus seditiosus est, qui in populo sibi subiecto discordias et seditiones nutrit, ut tutius dominari possit. Hoc enim tyrannicum est: cum sit ordinatum ad bonum proprium praesidentis cum multitudinis nocumento." (Summa Theologiae Secunda Secundae, Quaestio 42, articulus 2, ad 3.) „Qui ad deliberationem patriae tyrar. num occidit, laudatur et praemium accipit . . . in casu illo quando aliquis dominium sibi per violentiam surrigit, nolentibus subditis vel etiam ad consensum coactis, et quando non est recursus ad superiorem, per quem iudicium de invasore posset fieri.“ (Sentenzenkommentar, 2. Buch, Distinc-tio 44, Quaestio 2, Articulus 2, ad 5.)

  158. Hier sei an die „Chronik" Dohnanyis erinert; vgl. Anm. 101 auf S. 344.

  159. Weizs. Dok. 13 in DB 5 Weizs. -Vertg.

  160. Aussage Erich K. ‘s, Fall 11, Pr. 7460.

  161. Keith Feiling, a. a. O., S. 417/18.

  162. Am 1. Nov. trug der Deutschlandberater des Papstes, Pater Leiber, Pius XII. zum ersten Mal das Ansuchen der deutschen Opposition vor, als deren Emissär Dr. J. Müller nach Rom gekommen war. Einzelbelege später im Zusammenhang der Müller-Verhandlungen.

  163. Hassell, a. a. O., S. 122.

  164. K. Feiling, a. a. O„ S. 426/27.

  165. Alle diese Nachrichten stammen zwar aus guten Quellen, waren aber keineswegs autorisiert, wie Etzdorf mitteilte. Das bestätigen auch Berichte Dr. Müllers aus dem Vatikan, die als „Report on conversations at the Vatican and in Rome between November 6th and 12th, 1939“ dokumentarisch niedergelegt sind und sich in Abschrift bei der „Europäischen Publikation" in München befinden. (Ihre Veröffentlichung steht bevor.)

  166. Aussage Theo Kordts, Fall 11, Pr. 12 164.

  167. Aussage Theo Kordts, Fall 11, Pr. 1263 und Erich Kordt, Nicht aus den Akten, S. 381.

  168. Wohl hat gelegentlich Pater Leiber die Antworten der Engländer schriftlich fixiert, wenn er sie Dr. Müller nicht mündlich überbringen konnte. Mittig. Quelle X.

  169. Hierzu bestätigend und sehr aufschlußreich: J. Lonsdale Bryans: Zur britischen amtlichen Haltung gegenüber der deutschen Widerstandsbewegung. VfZ 1, 1953, 347 ff.

  170. H. Rothfels, a. a. O., S. 161-66.

  171. H. Rothfels, a. a. O., S. 165.

  172. H. Rothfels, a. a. O., S. 165/66.

Weitere Inhalte