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Der erste Weltkrieg | APuZ 24/1954 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 24/1954 Vor vierzig Jahren Der erste Weltkrieg

Der erste Weltkrieg

Munition-und Materialverbrauch zurückgeblieben. Dies ist der wirkliche und wahre Grund der Fünfjahrespläne und der Technisierung Rußlands nach der Revolution. Du kannst nicht gegen den Westen Krieg führen, du kannst ihn nicht besiegen, wenn du nicht über seine Technik verfügst. Die beiden russischen Revolutionen von 1905 und 1917 sind Töchter von Niederlagen, gehen auf den gekränkten Stolz eines Volkes zurück, das sich zu einer weltweiten Aufgabe berufen sieht, gleichviel, ob unter dem Zeichen des Kreuzes oder unter dem des Sowjetsternes.

Es war einmal ein Staat . . . Die alte Kaiserstadt am Bosporus, zu deren Gewinnung Rußland aufgebrochen war, liegt heute verlassen fast zwischen den Fronten. Die Hagia Sophia ist keine Moschee mehr und keine Kirche wieder, sondern ein Museum. Die Schilder mit den Koransprüchen in den vier Konchen unter der Kuppel sind entfernt, die vier Evangelistensymbole sind wieder frei. An die Stelle des entmachteten Europa sind die Vereinigten Staaten von Amerika getreten, die nun den Westen bilden und die den ersten und den zweiten Weltkrieg entschieden haben, den ersten zu Gunsten von Frankreich und England, den zweiten zu Gunsten von Rußland. In dieser großen Welt bedeutet die Stadt am Bosporus wenig, denn in ihr ist das Mittelmeer ein kleines Binnenmeer geworden. Die Länder werden nach dem Uran gewogen.

Es war einmal ein Staat, der im Herzen des Abendlandes lag, dessen Grenzen Gebirge waren und der wie von Gott zu einer gewachsenen Einheit bestimmt war. Der äußeren Einheit entsprach die innere Vielfalt, die eines Tages zur Zwietracht wurde und die alle Völker dieses Staates untereinander entzweite, sie nach innen schwächte und nach außen entmachtete. Sein alter Monarch wollte seinem Reich und der Welt den Frieden bewahren und brachte dadurch den Krieg über die Welt. Weil er das Gute wollte, redete man ihm das Schlechte nach, weil er den Krieg verabscheute, zerstörte er den Frieden. Weil er sich zu keiner Tat entschließen konnte, versäumte er jede gute Gelegenheit und zog seinen Bundesgenossen mit hinein in diese unselige Verstrickung. Wie man aber ihn und seinen Bundesgenossen als die beiden allein Schuldigen an dem Unglück, das über Europa gebracht worden ist, erklären konnte, scheint einem kaum faßbar. Daß aber diese Erklärung auch den zweiten Krieg nach sich zog, wird man heute wissen.

Seine Behandlung in ausländischen Schulgeschichtsbüchern — eine Auslese Die Entwicklung der politischen Verhältnisse zwischen 1908 und 1914 in Bosnien und Herzegowina Aus dem VL Kapitel . Die südslawischen Völker der zweiten Hallte des 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts“ in: FUAD SLIPICEVEC: . tstorija Narodna Federativne Narodne Republika Jugoslavije“

(Geschichte der Völker der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien mit Grundlagen der allgemeinen Ge-

schichte-Neuzeit 1879— 1914), Verlag Svjetlost, Sarajevo, 1952, 2. und erweiterte Auflage (Lehrbuch für die Oberklassen der Gymnasien und für die Mittleren Fachschulen), S. 212— 215.

Nach der Annexion kam es in Bosnien und der Herzegowina zu wichtigen Veränderungen und politischen Umgruppierungen. Die Bevölkerung forderte schon seit langem die Abschaffung des kolonialen Verwaltungssystems. Das war nicht leicht, da sich dem die kapitalistischen Kreise sowohl Österreichs als auch Ungarns widersetzten. Die Regierung mußte jedoch wegen ihrer Eroberungspläne etwas tun. Durch kaiserliche Proklamation vom Februar 1910 wurde die „Landesverfassung“ (Statut) für Bosnien und die Herzegowina verkündet. Auf Grund dieses Statuts wurde die Landesversammlung, der Sabor, eingerichtet, der nach einem komplizierten und reaktionären System gewählt wurde. Das Volk wurde in drei Stände eingeteilt. Die reichen Grundbesitzer und die Bourgeoisie mit den Intellektuellen bildeten die erste Wahlkurie, in der zweiten waren die übrigen Bürger und in der dritten die Bauern. Außerdem stimmten die Angehörigen der einzelnen Religionen getrennt. Die Landesregierung war auch weiterhin verfassungsmäßig nicht dem Sabor verantwortlich, und ihre gesetzgebende Tätigkeit war völlig eingeschränkt. Bosnien und Herzegowina verblieben somit weiter in ihrer untergeordneten und kolonialen Stellung, es wurde nur ein Pseudoparlamentarismus eingeführt. Mit der Einführung des Statuts erreichte die Besatzungsmacht ihr Ziel. Sie zerschlug die Einheit der serbischen politischen Bewegung und die Zusammenarbeit zwischen Serben und Mohammedanern. Der Konflikt brach mit der Frage der Verabschiedung eines Gesetzes über die Ablieferungspflicht der Pächter aus. Zu dieser Frage nahm Peter Kocic und seine Gruppe im Sabor energisch Stellung. Daß der serbische Bauer zu einer großen politischen Kraft geworden war, zeigte die revolutionäre Massen-bewegung unter den Bauern der bosnischen Posavina (Save-Gebiet) im Jahre 1910. Die Bauern selbst bezeichneten diese Bewegung als „Streik“. Ziel dieses Bauern „Streiks“ war, die Abgabe eines Drittels an die Landbesitzer abzuschaffen, die noch übriggebliebenen Feudalverhältnisse zu beseitigen und das Regime zu einer Radikallösung der Agrarfrage zu zwingen. Die Bauern erhoben sich und zündeten die Maisscheuern der Begs (mohammedanische Großgrundbesitzer) an. Die Bauernbewegung wurde mit Gewalt unterdrückt.

Im bosnischen Sabor nahmen die Vertreter der serbischen Stadtbevölkerung eine offen reaktionäre Haltung ein. Sie forderten eine positive Zusammenarbeit mit Wien und die Konsolidierung der zunehmend verschärften Verhältnisse in Bosnien und der Herzegowina. Die politisch aktivste Gruppe um die Zeitung „Narod" (Volk) stand gegen die österreichisch-ungarische Macht, war aber nicht mit der bäuerlichen national-revolutionären Bewegung solidarisch. Die Taktik der Besatzungsbehörden, die Agrarfrage durch eine freiwillige Ablieferung anstelle der Pflicht-ablieferung zu lösen, bedeutete ein politisches Mittel, um die Mohammedaner zu gewinnen. Nach 1911 stand der überwiegende Teil der mohammedanischen politischen Vertreter offen auf Seiten der Besatzungsmacht. Die Gruppe Stadler blieb weiterhin die sicherste Stütze für den österreichischen Klerikalismus. während die Gruppe der „Zajednicara“ (Zusammenarbeit) bereit war, die Besatzungsmacht zu stützen. Mit dieser Gruppierung gelang es der Regierung, im Sabor die Mehrheit zu erhalten. Die gewaltigen historischen Veränderungen auf der Balkanhalbinsel, die durch die Balkankriege hervorgerufen wurden, hatten in Bosnien und der Herzegowina starke politische Erschütterungen zur Folge. Die Siege der serbischen Armee verliehen Aussicht auf eine baldige Befreiung und hoben das Selbstbewußtsein der serbischen Bevölkerung. Hierdurch fühlte sich die österreichisch-ungarische Macht bedroht. Zur Zeit der sogenannten Skutari-Krise im Jahre 1913 wurde jegliche Tätigkeit von rund 300 verschiedenen serbischen Gesellschaften verboten. Die mohammedanische Bevölkerung war durch diese Ereignisse überrascht und völlig verwirrt. Das Regime des Generals Potjorek begann mit Methoden der Einschüchterung und Bestechung zu herrschen. Alles dies rief in der Bevölkerung noch größere Erbitterung hervor.

Das „Junge Bosnien“ Die bürgerlichen Politiker konnten dem Gewaltakt der Annexion keinerlei ernste Hindernisse entgegenstellen. Daher fand die Auflehnung der Jugend Ausdruck im Beitritt zu nationalrevolutionären Organisationen. Die junge Generation, die aus den Reihen des Kleinbürgertums und des armen Bauerntums stammte, beschloß, im Kampf um die nationale Befreiung und Einigung neue Methoden anzuwenden. Diese serbische Jugend, die größtenteils noch vor der Abschlußprüfung in der Schule stand, wurde nach 1908 ungeduldig. Ihre erste Protesthandlung war das Attentat, das der Student Bogdan Zerjic auf General Varesanin, den Landeschef, verübte, als dieser im Jahre 1910 gerade von der feierlichen Eröffnung des bosnischen Sabors zurückkehrte. Der junge Attentäter beging dabei Selbstmord. Bogdan Zerajics Tat und Opfer bedeuteten „die konstituierende Versammlung des Jungen Bosnien, die Aufstellung und Anwendung seines Programms". Das selbständige Auftreten der Jugend war die logische Folge des Verrats der Bourgeoisie, der fehlenden Organisation im Bauerntum und der Unfähigkeit der Arbeiterbewegung, revolutionäre Kampfmethoden anzuwenden. Die junge politische Generation forderte eine revolutionäre Aktion und trat mit ihrem Programm hervor. Ideologe und Theoretiker des Jungen Bosnien wurde der energische Vladimir Gacinovic. Aber auch er war nicht in der Lage, der Gesellschaftsproblematik in Bosnien und der Herzegowina eine theoretische Deutung zu geben. Seine Artikel waren eher Aufrufe zu aktivem Auftreten nach dem Muster des Bogdan Zerajic. Das Junge Bosnien sah sich dem Problem der nationalen Befreiung und Vereinigung gegenüber und griff die Idee des Jugoslawentums auf. In seinen Reihen war neben der serbischen auch die mohammedanische und die kroatische Jugend vertreten. Das Junge Bosnien hoffte, mit seiner jugoslawischen Orientierung Österreich-Ungarn leichter vernichten zu können. Bei seinem Eintritt in den revolutionären Kampf stellte es die nationale Befreiung vor die soziale. Das Problem der sozialen Befreiung, die es zweifellos ebenso wünschte, vermochte es in seinem ganzen Umfange weder zu begreifen noch abzusehen. Seine Einstellung zum Bauerntum und zur Arbeiterschaft war positiv. Es glaubte, daß es auch ohne deren Mitwirkung in ihrem Interesse arbeite. Das Verhältnis zur einheimischen Bourgeoisie war von Anfang an feindselig.

An den Balkankriegen nahmen viele dieser Jugendlichen als Freiwillige in der serbischen oder montenegrinischen Armee teil. Von diesem Augenblick an spürte man bei ihnen einen sehr starken Einfluß von Serbien her, und zwar von der nationalistischen Organisation „Volksverteidigung" (Narodna Odbrana) und der geheimen Offiziersorganisation „Vereinigung oder Tod“. Auch die nationalrevolutionäre Jugend aus Kroatien übte einen Einfluß auf das Junge Bosnien aus. Das Junge Bosnien war eigentlich eine revolutionäre Jugendbewegung, die weder fest organisiert noch hierarchisch aufgebaut war. Es war eine Sammlung von Gruppen und Zirkeln mit einigen gemeinsamen Grundzügen. Darunter gab es eine engere Gruppe von Aktivisten, unter deren Einfluß eine breite Schicht der Jugend stand. Deren Mitglieder hielten nur eine Einzelaktion für möglich, durch sie müsse man „die Moral des Volkes heben und dem Regime einen Schlag versetzen." Bogdan Zerajics Beispiel schuf bei ihnen einen Kult des Opfers. Unter dem Einfluß einer bestimmten Literatur und einer allgemeinen Einwirkung von außen hielten sie den Einzel-terror für die einzig wirksame Kampfmethode.

Das Attentat vom Veitstag Für die Anwendung dieser Kampfmethode bot sich ihnen von selbst eine günstige Gelegenheit. Im Rahmen der Durchführung von Militär-manövern war ein Staatsbesuch des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajevo vorgesehen. Die Manöver, die Ende Juni 1914 in der östlichen Herzegowina stattfanden, hatten einen demonstrativ politischen und offen aggressiven Charakter. Schon der Besuch in Sarajevo, der für den Veitstag, einen großen serbischen Nationalfeiertag, vorgesehen war, stellte eine Provokation dar. Dies alles hatte den Sinn, jeden Geist des Widerstandes gegen die Besatzungsmacht zu brechen. Franz Ferdinand war bekannt als verschworener Feind der Freiheit und Einheit der jugoslawischen Völker und als entschlossener Anhänger der deutsch-österreichischen Eroberungspläne.

Unter diesen Umständen und dieser allgemein herrschenden Psychose ist es verständlich, daß am Ufer der Miljaca, wo der Thronfolger mit seinem Gefolge vorüberkommen sollte, im kurzen Abstand von mehreren hundert Meter mehrere junge Attentäter standen. Die Explosion von Nedjeljkö Cabrinovics Bombe verfehlte ihr Ziel. Ein Offizier aus dem Gefolge des Thronfolgers wurde verwundet. Der Attentäter, der sich durch Einnehmen von Gift das Leben nehmen wollte, wurde verhaftet. Dies schreckte seine Freunde nicht ab. Als das Auto des Thronfolgers bei der Rückfahrt vom Staatsbesuch im Rathaus die Fahrt verlangsamte, um in die Straße, die vom Ufer zur Kathedrale führte, einzubiegen, trafen den Thronfolger die Schüsse aus Gavrilo Princips Revolver tödlich. Dies war die Antwort auf die gewaltsame Bereinigung der imperialistischen Verhältnisse auf dem Balkan.

So bedeutungslos und nebensächlich dieses Ereignis auch im Gesamtrahmen der imperialistischen Verhältnisse in der Welt war, so führte es doch unter den gegebenen Verhältnissen zum imperialistischen Kriege und war als solches eine seiner Ursachen. Angesichts der bisherigen Ent-wicklung und der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Bosnien und Herzegowina kannte das serbische Volk sein Ziel, zum Unterschied von unseren übrigen Völkern in der Habsburger Monarchie beim Eintritt in den ersten Weltkrieg. Dieses Ziel war die nationale Befreiung.

Sarajevo MORAZE, CHARLES und WOLFF, PHILIPPE: . L epoque contemporaine 1852— 1948“. Paris 1948, S. 232— 235.

V on 1912 ab werden in Europa die Bande zwischen den beiden Bündnispartnern enger geknüpft. Raymond Poincare, 1912 Regierungschef, 1913 Präsident der Republik, will in die französisch-russische Zusammenarbeit auch solche Probleme einbeziehen, die im Bündnis nicht vorgesehen sind; er ist bereit, Rußland im Balkan stärker zu unterstützen. Abkommen werden unterzeichnet. England, das einen Teil seiner Flotte in die Nordsee zurückziehen möchte, fordert Frankreich auf, seine Seestreitkräfte im Mittelmeer zu konzentrieren; dafür erwirkt Frankreich einen Plan für Zusammenarbeit der Landstreitkräfte. Sogar zwischen Engländern und Russen findet ein Gedankenaustausch statt. Deutschland hat zwar die Türkei fest auf seiner Seite, aber das ist nicht von allzugroßer Bedeutung. Trotz einer vorzeitigen Erneuerung des Dreibundes (1912) überwacht Italien, das eben seinen Krieg mit der Türkei beendet hat, aufmerksam die österreichische Expansion an der adriatischen Küste. Es willigt aber in die Unterzeichnung von Generalstabsabkommen ein. Bleibt Österreich-Ungam: es bedarf gründlicher Unterstützung. Im Mai 1914 treffen sich die Generalstabschefs Moltke und Hötzendorff und stellen fest, daß eine militärische Überlegenheit der Zentralmächte zwar vorhanden aber nicht für die Zukunft gesichert sei. In ganz Europa ist die diplomatische Aktivität vom Erlaß von Militär-gesetzen und von der Verstärkung der Armeen begleitet, und die Öffentlichkeit gerät in Fieber.

Wir haben gesehen, daß Serbien aus den Balkankrisen von 1912— 1913 gestärkt hervorgegangen war. Auf Serbien richten sich nun alle slawischen Hoffnungen auf Einheit und Befreiung, und besonders in Bosnien und der Herzegowina bleibt es unruhig. Eine Verwirklichung dieser Hoffnungen würde Österreich nicht nur 6 500 000 südslawische Untertanen kosten, sondern ein solcher Sieg des Nationalitätenprinzips könnte auch eine Erhebung der Tschechen, der Slowaken usw. und den Zusammenbruch des österreichisch-ungarischen Staates nach sich ziehen. Darum beobachtet die österreichische Regierung Serbien und die Geheimorganisationen, die von Belgrad aus in Bosnien und der Herzegowina tätig sind, mit Argusaugen. Am 28. Juni 1914 besucht der Erzherzog Franz Ferdinand, der anläßlich großer Manöver nach Bosnien gekommen ist, die Stadt Sarajevo: auf dem Wege zum Rathaus entkommt er noch mit Mühe einem Attentat, aber auf dem Rückwege fallen er und seine Frau unter den Schüssen eines Bosniaken namens Princip, der Mitglied der serbischen Geheimorganisation „Schwarze Hand“ ist. Der österreichische Kanzler Berchtold will nun „das Verbrechen von Sarajevo dazu benutzen, die Rechnung mit Serbien zu begleichen“; der vollen deutschen Unterstützung sicher, arbeitet er ein sehr hartes Ultimatum aus und übergibt es der serbischen Regierung (23. Juli). Es handelt sich dabei noch um einen begrenzten Konflikt. Aber Ruß-land, das sich bewußt ist, durch die Langsamkeit seiner Mobilisierung

evtl, in eine unterlegene Position zu geraten, unternimmt schon am 25. Juli „Vor-Mobilmachungsmaßnahmen". Wird nun der gesamte Bündnismechanismus ausgelöst werden?

Serbien akzeptiert das Wesentliche des österreichischen Ultimatums. England schlägt eine Konferenz vor, Rußland versucht mit Österreich zu verhandeln. Frankreich zögert. Die sozialistische Internationale versucht sich dem Konflikt cntgcgenzustellen. Österreich und Deutschland nützen jedoch das Zögern aus, um die Dinge gewaltsam zu regeln und Europa vor vollendete Tatsachen zu stellen. Am 28. Juli erklärt Öste

Anfang 1914 wird die Situation in Europa sehr ernst. Seit 1871 hatte es zweifellos eine ganze Reihe von Konfliktsmöglichkeiten gegeben, aber es war fast immer gelungen, sie — nach einer mehr oder weniger langen Spannungsperiode — zu lokalisieren und zu lösen. 1914 führt die weite Ausdehnung und Verzwicktheit der Probleme, die Spaltung Europas in zwei gegnerische Blocks und der Rückgriff auf die Rüstung als Druckmittel, zu einer beunruhigenden Lage. 1. Die deutsch-englische Rivalität ist ohne Zweifel sowohl wirtschaftlich wie kolonial bedingt. Zugespitzter und schärfer wird sie auf dem Gebiet der Flottenpolitik. Tirpitz’ Pläne bedrohen den klassischen Two-Powers-Standard (wonach die englische Flotte mindestens gleich stark wie die Flotten der beiden nächststarken Mächte zusammen sein muß). Seit 1908 wurden Versuche gemacht, den Schiffsbau zu beschränken. Der ernsthafteste unter ihnen, die Mission Lord Haldanes in Berlin (Februar 1912) blieb ohne Ergebnis, da England keinerlei Neutralitätsverpflichtungen im Falle eines Krieges auf dem Kontinent eingehen wollte. Diese Niederlage bewog die Londoner Regierung, sich den Regierungen in Paris und St. Petersburg stärker anzunähern. 2. Deutschland, das sich in ernsthaften Schwierigkeiten befindet, Öster-reich-Lingam, das mit seinem Nationalitätenproblem ringt und besorgt ist, was nach dem Tode Franz Josephs geschehen könne, wollen ebenfalls ihr Bündnis genauer umreißen. Der Dreibund ist am 5. Dezember 1912 emneuert worden; im August 1913 legt ein österreichisch-italienisdhes Abkommen die Aktionsbereiche im Mittelmeer fest. Gleichzeitig wird die

Österreich Konnt ohne Deutschland weni tu abet Deutadhian konnte eine Zerstückelung seines Verbündeten nidht zulasez hudh d Niederlage Die Probleme werden schwieriger TERSEN, EMILE: . Hlstoire contemporaine 1848— 1939. ” 5. Auflage, London 1946. S. 628— 30.

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Die europäische Krise 1914

LOUSSE, EMLLE:. der Türkei (1912/13), die praktis g ei Bundesgenosse Hmmitielbr tv Sandez > Deutschlands war, bedeutete einen ernsten lden Balkankriegen wurde ein deutscher Genera , Limar

reich Serbien den Krieg, und Belgrad wird bombardiert. Daraufhin löst sich der Bündnismechanismus aus, trotz letzter Bemühungen seitens der Diplomaten. Der Zar erläßt am 29. Juli einen Teil-und am 31. Juli einen Generalmobilmachungsbefehl. Am 31. Juli fordert Deutschland Rußland auf, seine Vorbereitungen einzustellen und verlangt von Frankreich ein Unterpfand für dessen Neutralität. Am 1. August kommt die General-mobilmachung in Deutschland und Frankreich. Das Unterhaus bewilligt Sir Edward Grey, der durch seine verzweifelten Bemühungen um den Frieden Neutralitätswillen bekundet hatte, am 3. August die Kredite für die Mobilisierung, während Deutschland Frankreich den Krieg erklärt.

Truppenzahl erhöht: die österreichisch-ungarische zum erstenmal im Juni 1912, zum zweitenmal im März 1914; die deutsche nach dem Sprung nach Agadir (Gesetz von 1912), und noch beträchtlicher nach dem Balkankrieg (Gesetz von 1913). 3. Die Triple-Entente gleicht sich diesen Bestrebungen an. Während England sich 1908 darauf beschränkte, ein „Expeditionskorps" aufzustellen, das dazu bestimmt war, unter Umständen auf dem Kontinent zu operieren, erhöht Frankreich die Dauer der Militärdienstzeit von zwei auf drei Jahre (Gesetz vom 7. August 1913), und Rußland nimmt Ende 1913 einen umfangreichen Reorganisationsplan in Angriff. Das Verhältnis zwischen den beiden Armeen war durch ein Protokoll vom 13. Juli 1912 festgelegt worden. Die Solidarität unter den Alliierten ist ebenfalls verstärkt worden: der Briefwechsel vom 22. und 23. November 1912 schafft für Frankreich und England einen Übergangszustand, der mehr als eine einfache Verständigung. wenn auch noch kein formelles Bündnis darstellt. Es kommt jedoch zu einer Abmachung sich zu „einigen", wenn der Friede in Gefahr sein sollte. Poincare hatte mehrmals seinen Willen ausgedrückt, die Klauseln der französisch-russischen Allianz genau und ehrlich zu erfüllen. Von Mai 1914 ab sind trotz gewissen Widerstrebens Unterhandlungen zwischen England und Rußland im Gange.

Schwerwiegender als alle diese Maßnahmen ist jedodh eine gewisse Kriegsbereitschaft, die sich so gut wie überall abzeichnet and übrigens eine normale Konsequenz des Wettrüstens ist.

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Politiicsamikriegsazssbruch

die Turke entsand um trotz heftiger Einwände Rußlands das immer noch an Konstantinopel interessiert war, die Armee zu reorganisieren. i besteht Grune: zur Annahme daß sich seit Anfang 1913 die Überzeugun i Deutschland festigte, ein allgemeiner Krieg werde kommen, und • i besser er käme dann so früh wie möglich, am besten im Spät-ommer 3914 Wen." wir „Deutschland“ ’ sagen, meinen wir nicht das deutfj . oli . und weder den Kaiser, noch den ängstlichen Kanzler Bethmann-Hollweg, der damals die Stellung bekleidete, von der aus Bismarck einst Europa beherrscht hatte. Wir meinen vielmehr die Offiziere des deutschen Generalstabes, unter deren Einfluß der Kaiser mehr und mehr zur willenlosen Puppe wurde. 1913 erhob die deutsche Regierung eine besondere Wehrsteuer in bis dahin ungewohnter Höhe. Der Ertrag dieser Steuer konnte bereits im Sommer 1914 zu voller Auswirkung kommen, während die französischen Gegenmaßnahmen erst 1915 ihre ganze Wirkung zeigen konnten. Rußland, so nahm man an, könnte seine größte militärische Stärke nicht vor 1917 erreichen. Der Sommer 1914 war auch der vorgesehene Zeitpunkt, an dem die Vergrößerung des Nord-Ostsee-Kanals beendet sein sollte. Inzwischen hatten sich die englisch-deutschen Beziehungen nach dem Schock der Agadirkrisc gebessert und wurden sogar freundlich. Denn Deutschland war verzweifelt darum bemüht, sich die britische Neutralität zu sichern, zumindest für das Anfangsstadium des vorgesehenen Krieges. Großbritannien war weitgehend bereit, mit Deutschland über jeden strittigen Punkt innerhalb der gemeinsamen Beziehungen nach Art der Aussprachen zu diskutieren, die zu den Entente-Verträgen mit Frankreich und Rußland geführt hatten. Die wichtigste Konfliktszone bildete dabei der Persische Golf. Damals gehörte dies ganze Gebiet, das heutige König-reich Irak, zur Türkei. Der deutsche Einfluß in der Türkei war sehr groß, und deutsche Ingenieure bauten die Bagdadbahn, die bis zur Hafenstadt Basra, dem Verschiffungshafen der englisch-persischen Erdölgesellschaft, führen sollte. Deutschland zeigte sich überraschenderweise zur Annahme der britischen Forderungen bereit, und ein englisch-deutscher Vertrag über diese Frage war bereits schriftlich fixiert und sollte unterzeichnet werden, als der Krieg 1914/18 ausbrach.

Die Verantwortung für den Krieg Über die Ursachen des Krieges sind viele Bücher geschrieben worden, in denen man Schuldige oder Schuld festzustellen versuchte. Einige kommen zu dem Ergebnis, daß die allgemeine politische Lage in Europa zum Kriege geführt habe, und kein einzelnes Land für ihn verantwortlich sei. Andere messen bestimmten Staaten die Schuld bei. Bei der Erforschung der allgemeinen Ursachen ergibt sich klar, daß der Nationalismus eine wichtige Rolle gespielt hat, besonders die nationalen Bestrebungen der Südslawen im Kampf mit dem Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn. Dieses Reich war ein Überbleibsel aus der Vergangenheit, als Staatswesen zu einer Zeit entstanden, wo der Nationalismus nur geringe oder gar keine Bedeutung hatte. In der Neuzeit stellte Österreich-Ungarn einen Anachronismus dar; mit Gewalt zwang es Völker unter sein Zepter, die eine solche Regierungsform ablehnten. Aber es ist eine Art Naturgesetz, sowohl für Staaten wie für Lebewesen gültig, daß alles, was lebt, eher kämpfen als auf seine Existenz verzichten wird. Wir können daher den Staatsmännern Österreich-Ungarns im Grunde keinen Vorwurf aus ihrem Entschluß machen, den Bestand ihres Reiches mit allen Mitteln — die Vernichtung Serbiens eingeschlossen — zu sichern. Ein weiterer allgemeiner Grund war der Militarismus. Seitdem Bis-marck die Wirkung einer sorgfältig geplanten wissenschaftlichen Kriegs-führungunter modernen Bedingungen erprobt hatte, bewaffnete sich jeder kontinentale Staat, Deutschland voran, bis an die Zähne. Alle Staaten fürchteten sich voreinander. Deutschland war nun zwar der mächtigste, aber wegen seiner zentralen Lage auch „eingekreist". Es beklagte sich ständig über diese Einkreisung, und der Kaiser machte absurderweise den ihm so verhaßten Onkel König Eduard VII. dafür verantwortlich. Deutschland war jedoch eingekreist, weil es durch seine ungestüme und arrogante Politik alle Nachbarn — Frankreich, Rußland und Großbritannien — beunruhigt hatte, worauf sie sich zu gegenseitigem Schutz verbündeten. Man kann tatsächlich sagen, daß der sog. „bewaffnete Frieden" dieser Epoche — wie wir es in Kapiteln über die Zeit von 1871 bis 1914 gesehen haben — für alle Beteiligten in wachsendem Maße unerträglich geworden war. So konnte es nicht weitergehen. Entweder mußte die Abrüstung kommen, gegen die Deutschland auf der Haager Konferenz zweimal Einspruch erhoben hatte, oder eine der Großmächte mußte versuchen, durch einen siegreichen Krieg eine Art unbestrittener Vorherrschaft in Europa zu erringen. Alle Geschehnisse lassen den Schluß zu, daß in den letzten Jahren vor 1914 der deutsche Generalstab mit dem Kaiser als dekorativer Gestalt an der Spitze sich für den Krieg und die Erringung der Hegemonie entschieden hatte. (Hitler wählte 25 Jahre später den gleichen Weg.) Von diesem Standpunkt aus erscheint der österreichische Zwischenfall nur als auslösendes Moment für Deutschland, denn ohne deutsche Unterstützung wäre Österreich ebenso wie die europäische Türkei zerfallen. Wenn wir nun die Haltung der Großmächte auf der anderen Seite gerecht betrachten, können wir wenig zu Gunsten Rußlands sagen, war doch dessen Politik auf dem Balkan und in anderen Gebieten seit langem ebenso aggressiv wie die Deutschlands, dabei jedoch weit weniger klug. Österreich und Rußland waren auf dem Balkan alte Gegner, und Serbien, besonderer Feind Österreichs, hatte sich sehr eng an Rußland angeschlossen. Gemäß der panslawistischen Ideologie waren Jugoslawen und Russen Angehörige der gleichen slawischen Rasse. Alle Beteiligten waren sich darüber im klaren, daß ein österreichischer Angriff auf Serbien den Krieg mit Rußland herausfordern mußte. Frankreich trieb zwar imperialistische Politik in Afrika, hatte jedoch in Europa keine aggressiven Pläne. Sollte aber der Krieg unvermeidlich werden, waren die Franzosen natürlich entschlossen, Elsaß-Lothringen zurückzugewinnen. Es wäre jedoch absurd anzunehmen, daß Frankreich — selbst um dieses Preises willen — einen Krieg angestrebt hätte. Die Franzosen wußten, daß sie im Falle eines Krieges die Hauptwucht des deutschen Angriffs treffen mußte, und nach ihren Erfahrungen von 1870/71 konnten sie nicht nochmals ein gleiches Risiko eingehen. Was Großbritannien betrifft: kein Land hätte durch einen Krieg weniger zu gewinnen gehabt. Allgemein wurden wir als die glückbegünstigste unter allen Großmächten angesehen, mit unserer Inselheimat, unserem großen Reichtum und unserem gewaltigen Empire. Aber 1914 konnten wir noch weniger als zur Zeit Napoleons dulden, daß eine Macht die Vorherrschaft in Europa in einem Umfange gewonnen hätte, wie dies nach einem deutschen Sieg der Fall gewesen wäre.

Die Gegensätze zwischen den Großmächten am Vorabend des ersten Weltkrieges BOSISIO, ALFREDO: . La Formazione dell'Europa atluale. Sommario storico per i licei". Bd. 3, Turin 1953, S. 371— 374.

Als Österreich im Sommer 1914 Serbien angriff, war die Spannung zwischen den beiden entgegengesetzten Machtsystemen — dem Dreibund (Deutschland, Österreich, Italien) und dem Dreiverband (Frankreich, Ruß-land, England) — so stark, daß eine plötzliche Aufhebung des Gleichgewichts nunmehr von unwägbaren Elementen abhing, fast unabhängig vom guten Willen der Diplomatie, sofern ein solcher überhaupt vorhanden war.

Der stärkere Gegensatz bestand zwischen England und Deutschland, er wurde durch die Politik Wilhelms II. bestimmt, der das Streben Bismarks nach 1870 zur Wahrung des Friedens aufgab und Deutschland in das Abenteuer der großen Weltexpansion stürzte. Er hatte einen großzügigen Plan für maritime Rüstung aufgestellt und geriet dadurch in Gegensatz zu England, das auf seine Überlegenheit zur See eifersüchtigst achtete.

Weniger offenkundig aber nicht minder scharf war der russisch-deutsche Gegensatz, der von der Unterstützung herrührte, die Deutschland seit dem Berliner Kongreß (1878) Österreichs Ausdehnungsbestrebungen auf dem Balkan gewährte, und der durch die österreichische Besetzung Bosniens und der Herzegowina (1908) noch verschärft wurde.

Hinzu kam schließlich der seit Sedan nicht mehr zur Ruhe gekommene deutsch-französische Gegensatz, der nunmehr durch das Bestreben Frankreichs, Revanche zu üben und Elsaß-Lothringen zurüdezugewinnen, außerordentlich verschärft wurde. Österreich hatte einen einzigen erklärten Rivalen: das russische Reich, und zwar wegen der Balkanfrage, Mit Italien, das die stärksten nationalen — aber nicht imperialistischen — Gründe zur Feindschaft hatte, war es für mehr als 30 Jahre verbunden.

Dieses verwickelte System von Gegensätzen hatte die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Österreich immer enger gestaltet, ohne übrigens den Dreibund zu stärken, aus dem sich Italien vielmehr zu lösen trachtete, weil seine Interessen durch ihn nicht mehr gefördert wurden. Man kann daher sagen, daß 1914 nur die Solidarität zwischen den beiden deutschen Mächten wirklich haltbar war.

Auch im Dreiverband war die Solidarität ziemlich unvollkommen. Obwohl sich die drei Mächte auf Grund ihres gemeinsamen Interesses, die Expansion der Mittelmächte zu zügeln, einander genähert hatten, waren die Ursachen für noch verbleibende Streitigkeiten deshalb nicht aus der Welt geschafft: die Bestrebungen des russischen Imperialismus im Mittelmeerraum und in Asien z. B. waren mit den Zielen des angelsächsischen Imperialismus unvereinbar. Die unaufhaltsame Entwicklung der politischen Gegensätze hatte somit Europa in ein finsteres, bewaffnetes Feldlager verwandelt: mehr und mehr wurde mit viel Eifer und Intelligenz für den Krieg statt für den Frieden gearbeitet; die russische und englische Initiative zu allgemeiner Rüstungsbeschränkung und Einrichtung eines internationalen Schiedsgerichts, das Streitfälle unter den Mächten mit friedlichen Mitteln entscheiden sollte, war entweder fehlgeschlagen oder hatte nur unbedeutende Ergebnisse erbracht, die in keinem Verhältnis zu den angestrebten Zielen standen.

Trotzdem vermochte sich die öffentliche Meinung in Europa im allgemeinen nicht mit dem Gedanken an einen drohenden Krieg abzufinden, und das Schlagwort, der Fortschritt von Wissenschaft und Technik führe zu Menschheitsverbrüderung, fand noch immer mehr Glauben als die unheilvolle Mahnung, die aus dem allgemeinen Wettrüsten sprach. Wenn auch nicht in Deutschland, wo sich die Überzeugung — um nicht zu sagen die Hoffnung — durchsetzte, die hohen Rüstungsausgaben würden sich doch im einen oder anderen Fall lohnen, so gab man sich doch im übrigen Europa der Illusion hin, die furchtbaren Waffen des 20. Jahrhunderts würden schließlich doch eher dazu dienen, die Gegner einzuschüchtern, statt sie zu vernichten; die Vernunft würde doch letzten Endes siegen und die Regierungen davon abhalten, die Völker in einen Krieg zu führen, dessen Gewinn niemals den Verlusten entsprechen würde; und daß doch — wenn die Regierungen nicht so klug sein sollten — die Arbeiter aller Länder sich wie ein Mann erheben würden, um in der ganzen Welt den Kriegsdienst aus Klassensolidarität zu verweigern und den Streik auszurufen; oder daß man schlimmstenfalls nur einen kurzen Krieg zu führen brauche.

Alle diese Voraussagen wurden jedoch durch die Geschehnisse wider-legt.

Die Ursachen des ersten Weltkrieges

MELZI D'ERIL, FRANCESCO und ANDREA GIUDICI: „Corso di storia d'Europa e d'Italia. Per gli instituti tecnici“. Bd. 2, Mailand o. J. (1947) S. 234— 235.

Es ist immer äußerst schwierig, genau anzugeben, was die „Ursachen" eines Krieges sind. Kriege entstehen im allgemeinen gleichsam unversehens durch eine Vielfalt von Handlungen oder Gemütszuständen, deren Ursprung sich in ferner Vergangenheit verliert. Die unmittelbaren Ursachen können mitunter geringfügig und unbedeutend erscheinen; ihre Bedeutung liegt jedoch darin, daß sie die schwere Masse der weit-zurückliegenden Ursachen in Bewegung setzen; sie sind die Keime, die, auf einen schon empfänglichen Boden gefallen, ihn gleichsam aus seiner abwartenden Stille erwecken und seine ganze innere Struktur dann erschüttern. 1914 waren die internationalen Beziehungen in Europa durch mannigfache und schwierige Probleme belastet; und dennoch schien keins von ihnen zu einem sofortigen Kriege führen zu müssen. Die Vertrags-systeme der Triple-Allianz und des Dreibundes hatten Europa wenigstens potentiell in zwei Machtblöcke geteilt. Weitere Reibungspunkte waren: der englisch-deutsche Gegensatz, der besonders auf dem Gebiet der Flottenpolitik sehr erbittert war; die elsaß-lothringische Frage, eine unverheilte Wunde im Bewußtsein der Franzosen; das maßlose Verlangen Deutschlands, sich ebenfalls ein Kolonialreich zu schaffen, vielleicht sogar auf Kosten der Mächte, die bereits eins besaßen; die in jenen Jahren besonders lebhafte italienische Irredenta; die russischen Bestrebungen auf dem Balkan und die entschlossene Absicht Bulgariens, als politischer und militärischer Organismus eine für die ganze Halbinsel furcht-erregende Macht zu werden. Überall herrschten politische, wirtschaftliche und koloniale Gegensätzlichkeiten, aber keins dieser an sich ernsthaften Probleme hatte ein Stadium erreicht, das zu einer kriegerischen Lösung hätte führen müssen. Es gab jedoch ein Faktum, das nichts Gutes bedeuten konnte: das allgemeine Wettrüsten. Es war in Deutschland und Österreich äußerst intensiv und in England, Frankreich und Rußland immer noch intensiv genug. Die Herstellung von Kriegsmaterial ist stets äußerst gefährlich.

Ein Problem aber erschien drückender und drängender als alle anderen: der Gegensatz zwischen Österreich-Ungarn und Serbien. Als Sieger aus dem ersten und zweiten Balkankrieg groß und stark hervorgegangen, übte Serbien nun auf die slawischen Stämme innerhalb des Kaiserreiches eine starke Anziehungskraft aus. Wenn Serbien, von Rußland unterstützt, seinen Aufstieg und seine Expansion fortgesetzt hätte, wäre das von den so treuen Kroaten und Serben verlassene Habsburger Reich zu einem Rumpfstaat geworden und hätte damit seine Existenzberechtigung verloren. Österreich-Ungarn mußte daher entweder Serbien innerhalb weniger Jahre vernichten oder selbst unterliegen.

Der erste Weltkrieg LANGELAND, A. ST.: „Verden etter 1815". Oslo 1945, S. 117.

Da Englands Haltung unentschieden war, glaubte die deutsche Regierung, es würde sich aus dem Kriege heraushalten. Aber als die deutschen Truppen in das neutrale Belgien einrückten, erklärte England Deutschland den Krieg. Die englische Regierung verwies auf das Versprechen der Großmächte, Belgiens Neutralität zu achten, aber der deutsche Reichs-kanzler war erschüttert darüber, daß jemand „wegen eines Stück Papiers“ zum Kriege schreiten wolle.

Amerika hatte den Alliierten große Summen geliehen und mußte sich vor Verlust dieses Geldes schützen. Die Propaganda der Westmächte hatte großen Erfolg, und der uneingeschränkte U-Bootkrieg, der auch die amerikanische Schiffahrt traf, schuf eine heftige deutschfeindliche Volksstimmung.

Der Kriegsausbruch

JACOBSON, GUSTAF und ERNST SÖDERLUND: . Allman historia för gymnasiel’. Stockholm 1952, S, 369.

Der Funke zu dem Weltbrand, dessen Ausbruch man seit langem befürchtet hatte, zündete am 28. Juni 1914 in Sarajevo, der Hauptstadt Bosniens, wo der österreiche Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin von einem jungen Mann ermordet wurden, der zwar österreichischer Untertan, aber serbischer Nationalität war. Da die österreichische Regierung begründeten Verdacht hegte, der Mord sei von serbisch-nationalistischen Kreisen inspiriert, forderte sie in einem Ultimatum an Serbien, daß die großserbische Propaganda aufhören solle, daß der Mord gründlich unter österreichischer Kontrolle untersucht werden, und die am Mordplan Schuldigen exemplarisch bestraft werden sollten. Zu diesem scharfen Auftreten ließ sich die österreichische Regierung vor allem durch die Tatsache veranlassen, daß das verbündete Deutschland ihr sofort nach dem Mord in Sarajevo Unterstützung für den Fall versprochen hatte, daß der serbische Zwist sich zu einem Konflikt mit Rußland ausweiten sollte.

Da die serbische Antwort Österreich nicht zufrieden stellte, erklärte es Serbien den Krieg. Um Serbien zu Hilfe zu kommen, mobilisierte Ruß-land jedoch in einem Ausmaß, daß sich nun auch Deutschland als bedroht erklärte. Es verlangte, Rußland solle seine Mobilisierung einstellen, bekam jedoch eine ablehnende Antwort und begann darauf den Krieg gegen Rußland und Frankreich, das sich seinem Verbündeten zur Seite stellte. Als Frankreich auf diese Weise in den Krieg eingetreten war, wurde es nun auch für England schwierig, sich fernzuhalten, hatten doch beide Länder während der letzten Jahre intimen Kontakt hergestellt. Das entscheidende Motiv wurde aber, wie schon so oft vorher, die belgische Frage. Als die deutschen Armeen, um Frankreich schnell aus dem Felde zu schlagen, in Belgien einrückten, ohne Rücksicht auf seine auch von Deutschland anerkannte Neutralität, beschloß England, in den Krieg einzutreten. So war der erste Weltkrieg zur Tatsache geworden (Aug. 1914).

Der Weltkrieg 1914-1918

STANG, NIC. und AUGUST LANGE: . 6000 ar. Verdenshistorie ior den hogreskolen". Oslo 1940, S. 223 ff.

Am 28. Juni 1914 wurde der österreichisch-ungarische Thronfolger von einem serbischen Gymnasiasten in Sarajevo ermordet. Der österreichische Außenminister wollte den Mord als Vorwand benutzen, um Serbien niederzuschlagen. Er unterrichtete Kaiser Wilhelm, und dieser antwortete, Deutschland werde sich nicht dagegen wenden, wenn Österreich-Ungarn seinen Nachbarn züchtige. Die Regierung in Wien hatte keinerlei Beweis dafür, daß die serbische Regierung hinter dem Mord stand. Trotzdem übersandte sie Serbien ein Ultimatum und stellte eine Anzahl harter Forderungen. Die serbische Regierung erklärte sich bereit, fast alle Forderungen zu erfüllen. Aber die Regierung in Wien ging nicht darauf ein und erklärte Serbien den Krieg. Die Mittelmächte rechneten damit, daß sich die anderen Staaten nicht einmischen würden. Aber darin irrten sie sich. Serbiens mächtiger Freund Rußland mobilisierte an der österreich-ungarischen Grenze. Damit hatte die Kriegsmaschinerie zu rollen begonnen, und niemand konnte sie aufhalten. Deutschland erklärte am 1. August Rußland und einige Tage später Frankreich den Krieg. Um die starken französischen Grenzfestungen zu umgehen, hatten die deutschen Generäle den Durchmarsch durch Belgien geplant. Trotz Belgiens Protest wälzten sich die deutschen Heere über die Grenze. Der englische Außenminister hatte sich so lange wie möglich zu vermitteln bemüht, und viele Engländer meinten, das britische Reich müsse sich von einem Krieg auf dem Festland fernhalten. Aber als die Deutschen in Belgien einrückten, schlug die Stimmung um. Jetzt war der britische Kanal bedroht: England erklärte Deutschland den Krieg und sandte ein Heer aufs Festland.

Der Seekrieg und USA Die Deutschen kontrollierten die Ostsee, auf den Weltmeeren jedoch hatte die britische Flotte die Seeherrschaft. Aus den Kolonien und Dominions führte sie Truppen heran, schützte die Handelsschiffe, die Waren brachten, und verhinderte die Belieferung der Mittelmächte. Dieser Blockadekrieg wurde zunehmend schärfer und brachte schließlich den Alliierten den Sieg. Als Antwort auf die Blockade begannen deutsche U-Boote die Handelsschiffe zu torpedieren, und 1917 erklärten die Deutschen den uneingeschränkten U-Bootkrieg . . . Die englische Blockade traf den neutralen Handel hart, aber der deutsche U-Bootkrieg traf ihn noch härter und rief große Erbitterung in USA hervor. Die Amerikaner wünschten außerdem den Alliierten — denen sie viel Geld geliehen hatten — den Sieg, und im April 1917 begannen die USA den Krieg mit Deutschland.

Die Sieger diktieren den Frieden Der Friede sollte auf der gleichen Grundlage der „ 14 Punkte“ geschlossen werden, die Wilson im Jahre 1918 proklamiert hatte. Die Völker des vom Kriege verwüsteten Europas setzten große Hoffnungen auf Wilson. Aber bei der Friedenskonferenz zeigte es sich bald, daß er nicht in der Lage war, sein Programm durchzusetzen ... Im Mai 1919 erschienen deutsche Vertreter in Versailles und nahmen den Friedensvertrag entgegen. Die harten Bedingungen erregten in Deutschland starke Erbitterung, besonders der Paragraph, der die alleinige Schuld der Mittelmächte am Kriege aussagte. Aber die Alliierten drohten, ihre Truppen weiter nach Deutschland hineinmarschieren zu lassen, wenn die deutsche Regierung nicht unterschriebe, und so wurde der Vertrag von Versailles am Fünfjahrestag des Mordes von Sarajevo unterzeichnet.

Anmerkung:

BREHM, BRUNO, Dr., Schriftsteller. Geboren 23. Juli 1892 in Laibach. Gymn.; Univ. Wien (Kunstgesch.). — Dr. phil. 1922 — B. 1918 aktiver Offz., s. 1927 freier Schrittst. — lebt heute in Österreich. Veröffentlichungen: u. a. „Der lachende Gott", 1927; „Auf Wiedersehen, Susanne!“, 1928; „Apis und Este“, 1931; . Das war das Ende“, 1932; „Weder Kaiser noch König“, 1933; „Zu früh und zu spät', 1935; „Die sanfte Gewalt", 1940; „Der Lügner“, 1948; „Schatten der Macht“, 1950; „Am Rande des Abgrundes“, 1950.

Die Auswahl: „Der erste Weltkrieg. Seine Behandlung in ausländischen Geschichtsbüchern" wurde von PROF. GEORG ECKERT, Leiter des Internationalen Schulbuchinstitutes, Braunschweig, getroffen und zusammengestellt.

Fussnoten

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