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Ein weltpolitisches Führungsinstrument. Der "National Security Council" der Vereinten Nationen | APuZ 8/1954 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 8/1954 Der Kampf um die Nachfolge in der Sowjetunion Der verhinderte Pazifikpakt. Große und kleine Mächte im Stillen Ozean Ein weltpolitisches Führungsinstrument. Der "National Security Council" der Vereinten Nationen

Ein weltpolitisches Führungsinstrument. Der "National Security Council" der Vereinten Nationen

Robert Jungk

Der „National Security Council” der Vereinigten Staaten

Am ersten April 1953 waren die amerikanischen Zeitungen voller Nachrichten über die Entwicklung der neuesten sowjetischen „Friedensoffensive". In den Vereinten Nationen war endlich eine Einigung über die lange umstrittene Nachfolge von Generalsekretär Trygve Lie erreicht worden und in Berlin hatte General Tschuikow einen Brief an den ehemaligen deutschen Reichskanzler Dr. Joseph Wirth veröffentlichen lassen, in dem er sich für eine Viererkonferenz über einen deutschen Friedensvertrag aussprach. Aus Washington kam die Nachricht, daß der Atomantrieb einer Maschine, die in das erste Atom-Unterseeboot eingebaut werden sollte, erfolgreich ausprobiert worden sei. Der Handelsminister hatte dem Chef des staatlichen Eichamtes als Resultat starken Drucks aus Kreisen der Privatindustrie brüsk gekündigt, und „Beamte der Vereinigten Staaten erklärten, die neue kommunistische Friedensoffensive müsse unter besonderer Berücksichtigung von Deutschland und Japan studiert werden.“ Vergeblich würde man jedoch auf den Titelseiten der Tages-blätter einen Bericht über die am Vortage stattgefundene Sitzung des „National Security Council“ gesucht haben. Dabei war dieses Ereignis vermutlich wichtiger als irgendeine der soeben zitierten Nachrichten.

Von neun Uhr morgens bis halb sieben Uhr abends hatten die Chefs der wichtigsten Ministerien und anderen Regiörungsbüros unter dem Vorsitz von Präsident Eisenhower versucht, ihre Pläne miteinander in Einklang zu bringen und gemeinsam die großen Linien der amerikanischen Weltpolitik unter außen-und innenpolitischen, militärischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten festzulegen. Dies war in den Worten eines kompeteten Beobachters „etwas, das nie vorher versucht wurde." Seit dem Beginn der neuen Verwaltung hatten die Stäbe der verschiedenen in Betracht kommenden Regierungsbüros auf diesen Stichtag, den 31. März 1953, hingearbeitet. In zahlreichen vorhergehenden Sitzungen waren Vorschläge, Alternativen und Beschlüsse auf „mittlerer Ebene" entworfen worden. Sie sollten nun auf der „höchsten Ebene" abermals besprochen und dann entweder angenommen oder verworfen werden.

Was in diesen vielstündigcn Sitzungen wirklich beschlossen und als gültige Direktive der Eisenhower’schen Verwaltung festgelegt wurde, kann nur im Laufe der kommenden Monate und vielleicht erst Jahre deutlich werden. Der „Nationale Sicherheitsrat" hält seine Arbeiten streng geheim. Er gehört zur Gruppe der bestbewachten Amtsstellen in Washington. Während Verteidigungsministerium, Staatsdepartement und sogar die Atom-Energiekommission Pressestellen haben, die wenigstens gefilterte Nachrichten herausgeLen, verzichtet diese meist nur mit ihren Anfangsbuchstaben „NSC“ benannte Institution auf jeden Kontakt mit der Öffentlichkeit. Ihre Büros befinden sich in dem pompösen Bau des alten Staatsdepartement gleich neben dem Weißen Haus. Aber wer versucht, mit einem Mitglied des etwa ein halbes hundert Personen umfassenden Stabes zu sprechen, wird es schwer finden ein Interview zu erhalten.

Diese bewußte Geheimhaltungspolitik ist schuld daran, daß lange nur ungenaue und übertriebene Nachrichten über den NSC an die Öffentlichkeit drangen. Es wurde behauptet, der „Nationale Sicherheitsrat" sei eine Art „amerikanisches Politbüro", ein Machtinstrument der Militärs, das die normalen verfassungsmäßigen Aufgaben des Kongresses und des Kabinetts an sich zu reißen versuche. Die Vorgeschichte und die ersten Arbeiten dieser für amerikanische Verhältnisse ganz neuen Planungs-Organisation waren in der Tat geeignet, derartige Verdächte hervorzurufen. In der Praxis aber hat der NSC das Mißtrauen, mit dem ihm eine oft auf Hören-sagen und Vermutungen angewiesene Öffentlichkeit anfangs begegnete, nicht bestätigt. Präsident Truman hat treffend über dieses neue Instrument der amerikanischen Politik gesagt. „Ich weiß nicht, wie Präsidenten vor mir ohne den National Security Council auskommen konnten.“

Die Entstehungsgeschichte des NSC Tatsächlich machte sich das Fehlen einer solchen Leitgruppe erst wirklich bemerkbar, als die Vereinigten Staaten durch ihr militärisches Eingreifen in den zweiten Weltkrieg in eine aktive weltpolitische Stellung hineinwuchsen. Es zeigte sich schon während des Krieges immer wieder, daß militärisch? und außenpolitische Entscheidungen nicht unabhängig gefällt werden konnten. Konflikte wie der Kampf um Admiral Darlan, dem von der Armee aus strategischen Erwägungen heraus politische Konzessionen gemacht wurden, die das Außenministerium dann nicht anzunehmen bereit war, oder in der Frage der sowjetischen Waffenhilfe gegen Japan zeigten einen erstaunlichen Mangel an Koordination. Besonders klar trat diese Konfusion bei der soge-nannten „Nachkriegsplanung“ hervor. Zwar wurden noch mitten im Krieg zahlreiche Pläne entworfen und oft bis ins kleinste Detail hinein entwickelt, aber sie waren nicht aufeinander abgestimmt. Nicht nur das Staatsdepartement hatte z. B. einen eigenen „Deutschlandplan“, sondern auch das „War Department“, das Handelsministerium, das Landwirtschaftsministerium und sogar das Schatzamt, an dessen Spitze damals Henry Morgenthau stand. Jedes Ministerium versuchte mit jeweils wechselndem Erfolg dem Präsidenten sein Projekt einzureden und zu alledem entwickelte das Weiße Haus auch noch seine eigenen Pläne.

Der eigentliche Vater des „National Security Council“ war der New Yorker Bankier Ferdinand Eberstadt. Er arbeitete während des zweiten Weltkrieges führend bei der Organisation und den wiederholten Reorganisationen der Kriegs-wirtschaft mit und hatte während seiner Washingtoner Jahre Gelegenheit, das Nebeneinander, schlimmer noch das Gegeneinander der verschiedenen Ämter aus nächster Nähe zu studieren. Eberstadt hatte zunächst einmal nur die Absicht, wenigstens die Doppelspurigkeit und Rivalität zwischen „War Department“ und „Navy Department“ zu beseitigen, die, besonders wenn es um die Rollen der dem Heere und der Flotte beigegebenen getrennten Luftwaffen ging, ständig miteinander in Kompetenzstreitigkeiten gerieten. Eberstadt fand inJamesForrestal, damals seit Mai 1944 „Secretary of the Navy“, einen mächtigen Bundesgenossen. Nach mehreren mündlichen Aussprachen schrieb Forrestal an Eberstadt am 19. Juni 1945 einen Brief, in dem er ihm die folgenden drei Fragen stellte: „ 1. Würde eine Vereinigung von Kriegs-und Flottenministerium unter einem einzigen Ober-haupt unsere nationale Sicherheit verbessern? 2. Falls dies nicht der Fall ist: welche Veränderungen in den gegenwärtigen Beziehungen der militärischen Dienstzweige und Abteilungen sind auf Grund unserer Kriegserfahrungen zur Verbesserung unserer nationalen Sicherheit wünschbar? 3. Welche Form der Nachkriegsorganisation sollte eingerichtet und aufrechterhalten werden, damit die militärischen Dienstzweige und die anderen Abteilungen und Büros der Regierung imstande sind, möglichst wirksam für unsere nationale Sicherheit zu sorgen und sie zu schützen?“

Dieser Brief war in Wirklichkeit die erste dokumentarisch belegbare Keimzelle des „Nationalen Sicherheitsrates“. Als Eberstadt etwas über drei Monate später seine Antwort in Form eines Berichtes von 250 engbeschriebenen Seiten abgab, war der zweite Weltkrieg inzwischen von den Amerikanern mit der Kapitulation Japans siegreich zu Ende geführt worden. Der „Eberstadt Report" wurde nun nicht nur zur Grundlage des im Juli 1947 nach langen Kämpfen angenommenen Gesetzes über die Vereinigung der Waffenzweige in einem Verteidigungsministerium („National Security Act“ vom 26. Juli 1947), sondern regte auch die Schaffung eines „Council of Common Defense“ an, der dann in endgültiger Form in „National Security Council“ umgetauft wurde. Es gehörten ihm damals an: Der Präsident, der Staatssekretär, der Verteidigungsminister, die drei Sekretäre für Heer, Flotte, Luftwaffe und der Vorsitzende des Rohstoffamtes.

Diese Entstehungsgeschichte des „Nationalen Sicherheitsrates" ist deshalb wichtig, weil sich daraus die lange verbreitete Auffassung ableiten läßt, die in der neuen Einrichtung eine „Erfindung der Militärs" sah. Dieses Mißtrauen war nicht nur im „großen Publikum" verbreitet. Forrestal hat in seinem Tagebuch am 16. September 1947 notiert:

. Norstadt bestätigte meinen Eindruck, daß das Staatsdepartment unter Achesons Führung der Schöpfung des Rates sehr zweifelhaft gegenübergestanden hätte und sicherlich versuchen würde, seine Wirksamkeit zu beschneiden. Es war aber seine Ansicht, daß der Rat ein wichtiges Bindeglied sei, da jetzt so viele Entscheidungen getroffen werden müßten, die sich aus militärischen und politischen Fragen gemeinsam ergäben. Er drückte jedoch beträchtliche Bedenken über das Ausmaß militärischer Beteiligung an diplomatischen Entscheidungen aus. Diese entspringe seiner Meinung dem Mangel an ausgebildeten Leuten im Staatsdepartment und der daraus resultierenden Notwendigkeit, Militärpersonal zur Füllung der Lücke heranzuziehen. Die Fortsetzung dieser Praxis halte er für nicht im Interesse des Militärs, das unvermeidlich angegriffen werden würde, weil es zu viel Einfluß auf unsere Außenpolitik hätte. Die wirklichen Tatsachen lägen im Gegensatz zu der öffentlichen Vorstellung ganz anders — gewöhnlich seien es die Militärpersonen, welche die sporadischen und wilden Impulse der Politiker und Diplomaten, die sich die Konsequenzen aggressiver Handlungen nicht klarmachten, zurückhalten müßten. Er zitierte als Beispiel den Zwischenfall vom letzten September, als die Jugoslawen amerikanische Flieger herunterschossen.

Acheson war damals für sofortigen aggressiven Einsatz amerikanischer Luftmacht über Jugoslawien. Norstadt mußte ihm klarmachen, daß eine solche Demonstration unausweichlich Krieg bedeute . . . Ich sagte, dies sei ein Beispiel für das, wofür der Sicherheitsrat da sein müsse: Sorgfältige Untersuchung von Situationen und Zwischenfällen, die helfen solle zu vermeiden, daß man in einen Krieg stolpere! .

Die Gefahr des „Garnisonstaats"

Zehn Tage später, am 26. September 1947 fand die erste formelle Sitzung des „National Security Council* statt. Präsident Truman versuchte die wachsende Besorgnis des Staatsdepartments über die Rolle der neuen Organisation zu dämpfen, indem er betonte, der NSC habe keine andere Funktion als ihm Ratschläge zu erteilen und Verteidigungsminister Forrestal unterstrich das, indem er betonte, daß außenpolitische Entscheidungen wie bisher dem Weißen Haus und dem Staatssekretär vorbehalten bleiben würden. Trotzdem ruhte die Agitation gegen den NSC nicht, solange vier der sieben Mitglieder vom Verteidigungsministerium und seinen Unterabteilungen gestellt wurden. Es ist behauptet worden, daß dieses Übergewicht der Militär-interessen im NSC hauptschuldig an dem ab 1947 immer deutlicher spürbaren Vorherrschen militärisch-strategischer gegenüber politisch-diplomatischen Gesichtspunkten in der Außenpolitik der USA sei, ein Vorwurf, der in der Wendung der amerikanischen Politik gegenüber Deutschland und Japan, sowie im systematischen Aufbau eines militärischen Bündnis-und Stützpunktsystems Bestätigung zu finden scheint. Solche Argumente sind keineswegs nur „von links" vorgebracht worden, sondern in noch stärkerem Maße von republikanischer Seite. Dewey griff in seiner Wahlkampagne von 1948 die starke Einflußnahme des Militärs auf die Außenpolitik an und das „Committee for Economic Development", eine Organisation, der die führenden Geschäftsleute Amerikas angehören, warnte 1949 unter Hinweis auf die Zusammensetzung des NSC in einer langen Erklärung vor der Entwicklung zum Garnisonstaat. Auf Grund dieser Kritik wurden die drei Sekretäre für Heer, Flotte und Luftwaffe aus dem NSC ausgeschifft und dafür der Vizepräsident der USA zum regulären Mitglied gemacht. Außerdem wurden zu den wöchentlichen Sitzungen nun häufiger hohe Gäste aus anderen Regierungsstellen eingeladen, die das Bild der Beratungen abrunden halfen. Darin spiegelte sich die immer weitere Gebiete einbeziehende Entwicklung des NSC von der ursprünglichen Liaison-Kommission zwischen den traditionellen Gestaltern der Außenpolitik — den Diplomaten des Staatsdepartments — und den neuen Gestaltern — den Generalstäblern im Pentagon — zu einer alle Aspekte öffentlicher Betätigung einbeziehenden obersten Führungsgruppe. Welche Aufgaben der NSC zu lösen haben werde, zeigte sich bereits in seiner allerersten Sitzung. Es wurde damals befürchtet, daß die Kommunisten in Norditalien durch einen Coup die Macht ergreifen und Tito (der damals noch als kominterntreu galt) zur „Aufrechterhaltung der Ordnung" ins Land rufen könnten. Das Staatsdepartment wollte wissen, ob das Militär auf eine solche Krise, die Amerikas ganze Position im Nahen Osten in Frage stellen könnte, vorbereitet sei. Ferne* ob die USA eine Militärmission nach Rom senden und Premierminister de Gasperi nicht nur mit Ratschlägen, sondern auch mit Waffenlieferungen beim Wiederaufbau seiner eigenen Streitkräfte helfen könnten. Dieses Problem war zweifellos eines, bei dem militärische und politische Überlegungen kaum voneinander zu trennen waren und das nur in Übereinstimmung von Staatsdepartient und Verteidigungsministerium gelöst werden konnte. Es wurde daher entschieden, daß der NSC als seine erste Aufgabe ein „policy paper" über Italien vorbereiten solle.

Wie eine NSC-Direktive zustande kommt Eine solche Direktive umfaßt, wenn sie einmal dem NSC zur endgültigen Annahme vorgelegt wird, meist nur fünf bis sechs Seiten. Das Dokument zerfällt in drei Teile. Zuerst wird das „Problem" kurz dargestellt, danach kommt die „Analysis", in der die Verfasser die zur Debatte stehende Frage nicht nur in knappen Sätzen von allen Seiten beleuchten, sondern auch verschiedene Varianten möglichen Vorgehens entwikkeln. Dann folgt die „Conclusion", die in möglichst klaren eindeutigen Worten empfiehlt, welche Entscheidung der Präsident treffen solle, und wie die verschiedenen Teile der Regierungsmaschinerie an einer Ausführung tcilnehmen sollen.

Meist kommt der erste Anstoß zur Abfassung eines solchen „policy paper" vom Nachrichtendienst. Jeden Morgen erhält der Präsident einen nur in 27 Exemplaren hergestellten Tagesbericht, in dem die wichtigsten Ermittlungen der „Central Intelligence Agency“ während der letzten 24

Stunden ausgeschrieben sind. So wurde den Amerikanern z. B. Anfang März 1948 durch Geheiminformation bekannt, daß der italienische Kommunistenchef Palmiro Togliatti von Moskau eine öffentliche Erklärung erhalten werde, in der die Russen für eine Rückgabe von Triest an Italien eintreten würden. Bekanntgabe dieser Stellungnahme sollte ganz knapp vor den wichtigen Parlamentswahlen im April stattfinden und Togliatti Waffenhilfe in seinem Kampf um eine Mehrheit in der Volksvertretung gewährleisten. Es lag im amerikanischen Interesse, diesem Propagandacoup zuvorzukommen. Der damalige Exekutivsekretär des NSC, Sidney Souers, ordnete daher am 5. März an, daß sein Stab sofort ein „vorläufiges policy paper" entwerfen solle.

Dieser ständige Stab des NSC war damals für Washingtoner Verhältnisse sehr klein. Er bestand aus 23 Personen, von denen aber nur zwölf mit eigentlichen Forschungs-und Formulierungsaufgaben betraut waren. Der Rest hatte reine Verwaltungs-und Büroarbeiten zu erledigen. Die „Denker" im NSC waren vom Staatsdepartment und von den verschiedenen Abteilungen des Verteidigungsministeriums ausgeliehen. Im Falle „Triest" setzten sich zunächst einmal zwei frühere Mitglieder des diplomatischen Dienstes Harold Shantz und Henry Villard mit den Triest-und Italienspezialisten des Außenministeriums zusammen, um ein sog. „Working paper" abzufassen, das die Rückkehr Triests zu Italien befürwortete. Dann erhielten drei Militärspezialisten des NSC, ein Oberst Douglas Johnson von der Armee, Oberst Roy Heflebower von der Luftwaffe und Captain Bernhard Austin von der Flotte diesen Entwurf und gaben nun ihre auf strategischen Überlegungen basierende Meinung ab, die in das erste Arbeitspapier mithineingenommen wurde.

Nun wurde dieses bereits korrigierte „working paper" dem sog. „Senioren-Stab" vorgelegt, zu jener Zeit aus George Kennan vom Staatsdepartment, General Albert Wedemeyer vom Heer, General Lauris Norstad von der Luftwaffe und Admiral Arthur Struble von der Flotte bestehend. Sie stimmten den Schlüssen des NSC-Stabes zu und begnügten sich mit kleineren Änderungen. In dieser Form wurde der Entwurf am 11. März dem „National Security Council" vorgelegt, der an jenem Tage unter dem Vorsitz von Staatssekretär Marshall tagte. Marshall war der einzige, der Einwände machte. Die Conclusion empfahl, daß die USA ihrerseits vor den Russen die Rückgabe von Triest befürworten sollten. Der Staatssekretär war sich klar darüber, daß die Vereinigten Staaten aber aus strategischen Gründen in Wirklichkeit einen solchen Schritt nicht wollten, er hätte sie eines wichtigen Horchpostens, einer vorgeschobenen Position beraubt. Trotzdem ließ er sich überzeugen, daß ein Schweigen der USA die Gefahr eines kommunistischen Wahlsieges heraufbeschwor. So stimmte er schließlich zu.

Am 12. März, dem Tag nach der Sitzung des NSC, unterzeichnete Präsident Truman dieses „policy paper". Es war nunmehr zur vorläufig bindenden Direktive der USA in bezug auf Triest geworden. Eine Stunde später wurden die ameri-kanischen Gesandschaften in London, Paris und Rom verständigt. In einigen Tagen gelang es, die Zustimmung der Engländer und Franzosen zu erreichen. Am 20. März 1948 konferierte Frankreichs Außenminister Georges Bidault mit seinem italienischen Gegenpart Graf Carlo Sforza in Turin. Nach der Konferenz gab er bekannt, daß die drei Westmächte die Rückgabe von Triest an Italien befürworteten. Die Rückwirkung auf die italienischen Wahlen vom kommenden 18. April blieb nicht aus. Sie brachten bekanntlich eine wenn auch knappe Mehrheit für die antikommunistischen Parteien.

Versagen und Bewährung in Krisenfällen Nun funktioniert der NSC keineswegs immer so glatt und letztlich erfolgreich wie im Falle Triest. Als die Blockade über Berlin verhängt wurde, traf man die ersten politisch-strategischen Entscheidungen in einer Sonntagskonferenz im Verteidigungsministerium, ohne daß das Staatsdepartment und der NSC sofort zu Rate gezogen worden wären.'Der Entschluß zur amerikanischen Hilfeleistung an die Republik von Korea wurde ebenfalls zuerst außerhalb des NSC in einer von Präsident Truman einberufenen Krisensitzung der wichtigsten militärischen und diplomatischen Persönlichkeiten, die sich damals in Washington befanden, gefaßt. Der Nationale Sicherheitsrat ist einfach ein zu langsames und umständliches Instrument, wenn Sofortentschlüsse gefaßt werden müssen. Er bewährte sich aber sowohl im Falle Berlin, wie im Falle Korea dann später dennoch. Der Entschluß der Amerikaner, auf jeden Fall in Berlin auszuharren, wurde gegen die ursprüngliche Meinung einer Gruppe von Experten im „kombinierten Generalstab" schließlich endgültig doch erst vom NSC formuliert und durchgesetzt. Es zeigte sich in diesem Falle, daß politische Erwägungen das Verbleiben in einer strategisch exponierten Situation notwendig machten.

Im Falle Korea macht der NSC seinen bisher größten Fehlschluß. Er hatte auf Grund diplomatischer und militärischer Berichte die Direktive erlassen, daß Korea nicht lebenswichtig für Amerikas Sicherheit sei. Sowohl der „kombinierte Generalstab" wie das Staatsdepartment und die Vereinten Nationen hatten den Rückzug der amerikanischen Besatzungstruppen aus Südkorea empfohlen. Unklare und widersprüchliche Berichte der in unheilvolle Kompetenzstreitigkeiten verwickelten Nachrichtendienste aus Korea waren schuld daran, daß der NSC Warnungen, die ihn im Frühjahr 1950 über einen wahrscheinlichen Gewaltstreich Nordkoreas erreichten, nicht ernst nahm. Man hatte weder die militärische Schwäche Südkoreas richtig vorhergesehen, noch den psychologischen Effekt einer solchen Invasion auf die Weltöffentlichkeit. So wurde dann in wenigen Tagen von anderen Stellen die vielleicht wichtigste Entscheidung der Nachkriegszeit improvisiert.

Andererseits konnte Präsident Truman schon drei Wochen nach dem Ausbruch der Feindseligkeiten dem Kongreß einen genau spezifizierten Plan für eine Teilmobilisierung und ein zusätzliches Rüstungsbudget von 10, 5 Md. Dollar nur deshalb vorlegen, weil der „National Security Council“ einen solchen Plan im Vorhinein „auf alle Fälle“ ausgearbeitet hatte. Es handelt sich hier um die berühmte Direktive „NSC 68". Sie ist umfangreicher als die üblichen „policy papers“, da sie die gesamte militärische und politische Lage der USA nach Bekanntwerden der russischen Atomexplosion Ende September 1949 einer genauen Prüfung unterwarf. Im April 1950 lag der auf Grund von „NSC 68" formulierte Plan zur Teilmobilisierung bereits auf Trumans Schreibtisch. Das war etwas über zwei Monate „vorKorea". Der „Nationale Sicherheitsrat" hatte zwar den genauen Ort und Augenblick eines kommunistischen Angriffes falsch eingesetzt, aber doch ganz allgemein eine solche Aktion vorhergesehen und für sie vorgesorgt. Eisenhowers Reformvorschläge Trotzdem löste das „Versagen“ des NSC im Fall Korea eine neue Welle der Kritik aus, die vor allem im Wahlkampf von 1952 hochschlug. Am 25. September 1952 hielt Kandidat Eisenhower in Baltimore eine seiner wichtigsten Reden und stellte die Kritik am NSC in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Er sagte: „Das Versagen dieser Regierungsstelle, zu tun, wofür sie geschaffen wurde, nämlich zur rechten Zeit die rechten Pläne auszuarbeiten, ist schuld an Verschleiß in. großem Stil. Ich glaube, die Mitgliedschaft des „Nationalen Sicherheitsrates“ sollte nicht nur auf Kabinettsmitglieder und Vorsitzende großer Regierungsbüros beschränkt sein. Diese Männer sind sowieso bereits mit den Pflichten ihrer eigenen Ämter überbürdet. Der „Nationale Sicherheitsrat“ ist, so wie er sich zur Zeit zusainmensetzt, mehr ein Schatten-büro statt einer wirklichen mit der Formulierung der Politik beauftragten Stelle. Das kann korrigiert werden, indem man Zivilisten von höchster Fähigkeit, Lauterkeit und öffentlichem Interesse ernennt. Sie sollten keine anderen offiziellen Pflichten haben.“

Noch ein anderer maßgebender Amerikaner, der eminente Wisserschaftler und Organisator der wissenschaftlichen Mobilisierung im zweiten Weltkrieg. Dr. Vannevar Bush erklärte: „Das Land brauchte eine solche Körperschaft wie den Nationalen Sicherheitsrat seit langer Zeit und es war klug, ihn bei Kriegsende einzurichten . . . Aber das bedeutet noch nicht, daß er bis jetzt seinen Aufgaben entspricht. Er hat nicht genügend Stabshelfer und es besteht die Tendenz, daß er zum Treffpunkt der Ministerien wird, an dem Kompromisse ausgearbeitet werden, statt ein Platz, wo die Minister wichtige Beratungen pflegen .. Es wäre der Mühe wert, die Fehler im Detail und ebenso seine Grenzen wie seine Möglichkeiten zu überprüfen ...“

Reorganisation und Erweiterung bringen erhöhte Bedeutung Die von Eisenhower während der Wahl verlangte Reorganisation des NSC ist langsamer vor sich gegangen, als man ursprünglich erwarten mußte. Erst am 23. März 1953 wurden einige grundlegende Änderungen bekanntgegeben und selbst dieser Entwurf ließ noch vieles offen. Der neue Präsident der Vereinigten Staaten hat vor allem den Schatzsekretär zum ständigen Mitglied des NSC gemacht und damit zum Ausdruck gebracht, daß er die wirtschaftliche Solidität der Vereinigten Staaten für ebenso wichtig hält wie ihre politische und militärische Sicherheit. Da der augenblickliche Inhaber dieses Postens, George Humphrey, eine besonders starke Persönlichkeit ist, hat er in den Debatten des NSC gerade seinen Standpunkt zur Geltung bringen können. Seine Abneigung gegen die bisherige Politik hoher Regierungsausgaben hat bereits entscheidend auf Rüstung und Auslandshilfe abgefärbt.

Der neue Mann im Weißen Haus hat zwar, wie er es angekündigt hatte, Zivilisten in den NSC gebracht, aber doch nur „am Rande“, in beratender Stellung. Sieben prominente Führer der Wirtschaft, der Arbeiterschaft, der Presse werden als „Berater" zu besonderen Aufgaben herangezogen. Sie widmen aber nur einen Teil ihrer Arbeitskraft diesen Aufgaben und bleiben daneben weiter in ihren privaten Stellungen. Der NSC besteht jetzt aus sieben ständigen Mitgliedern, dem Präsidenten, Vizepräsidenten, Staatssekretär, Verteidigungsminister, Schatzsekretär, Direktor der Rüstungshilfe und Direktor des Mobilisationsamtes Ein achtes ständiges Mitglied soll später ernannt werden, diese Zahl dann aber auf keinen Fall überschritten werden.

Eisenhower erwartet, daß die ständigen Ratsmitglieder an jeder der wöchentlichen Sitzungen teilnehmen. Er wird außerdem regelmäßig zur Konsultation bei möglichst jedem Zusammentritt des NSC hinzuziehen: den Chef des kombinierten Generalstabs, den Direktor des Nachrichtendienstes, den speziellen Assistenten am Weißen Haus für „Planung des kalten Krieges" Der frühere „Senioren-Stab" ist jetzt durch einen erweiterten „NSC Planning Board“ ersetzt. Er tagt unter dem Vorsitz des speziellen Assistenten im Weißen Haus für Sicherheitsangelegenheiten, Robert Cutler, zwei bis dreimal in der Woche und besteht aus acht weiteren Mitgliedern, von denen jedes die Verbindung zu einer anderen Amtsstelle hält Der „ständige Stab“ des NSC bleibt unter seinem von den Demokraten übernommenen Direktor James S. Lay und wurde auf 28 Mitglieder erhöht.

Die Sitzungen des NSC werden in Washington heute als weit wichtiger als die Kabinettssitzungen angesehen, die vor allem innenpolitischen Problemen vorbehalten bleiben. Alle bedeutenden außenpolitischen, militärischen und wirtschaftlichen Entscheidungen werden heute im Schoße des NSC besprochen und festgelegt. Der „National Security Council“ hat erst somit unter Eisenhower eine neue erhöhte Bedeutung gewonnen. Hier wird wirklich amerikanische Weltpolitik von höchster Warte gemacht.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zur Zeit: Eisenhower, Nixon, J. F. Dulles. Wilson, Humphrey, Stassen, Flemming.

  2. Zur Zeit: Radford , A, W. Dulles, C. D. Jackson.

  3. Zur Zeit: Robert Bowie (Staatsdep.), F. Nash (Verteidigungsm.), A. Overby (Schatcdep.), F. Roberts (Rüstungsh.), W. Elliot (Mobilisationsamt), Generalmajor J. K. Gerhart (Komb. Generalstab), R. Amory (Intelligence). G. Morgan (Psychologische Kriegsführung).

Weitere Inhalte

Dr. Robert Jungk vertritt die Zürcher „Weltwoche“ und eine Reihe deutscher Zeitungen in USA. Er ist der Verfasser des im vorigen Jahr erschienenen Amerikabuches: „Die Zukunft hat schon begonnen“.