der Kampf um die Nachfolge des charismatischen Führers durch einen anderen gleicher Art untrennbar mit dem totalitären Staat verbunden, und der Kampf wird offen oder verdeckt eine lange Zeit schwelen.
Wenn jedoch diese Machtapparate nicht nur als Notbehelf dienen, sondern in das Spiel als tatsächliche Machtfaktoren eingebracht werden, dann könnte irgendetwas geschehen. Dann könnte das russische Reich, das von einem Emporkömmling nicht so ohne weiteres die Befehle entgegennimmt wie einst von Stalin, ein freies Leben wiedergewinnen. Dann können die sowjetischen Völker, die so lange in Ketten schmachteten, ihre Freiheit wieder erhalten, während die übrige Welt, die nur dann sicher ist, wenn Rußland wieder demokratisch ist, wieder Hoffnung auf einen echten, gerechten und dauernden Frieden schöpfen könnte.
Aber die derzeitigen „Friedensgespräche“ dürfen nicht mit einem echten Frieden verwechselt werden. Die Männer im Kreml handeln aus der Schwäche und der Unsicherheit ihrer inneren Kämpfe. Wie damals, während der Hungersnot in den ersten zwanziger Jahren, traten sie ihren strategischen Rückzug aus der Neuen Ökonomischen Politik an und boten Ausländern „Konzessionen" an; wie zur Zeit der Anti-Komintern-Ahse sprachen sie von „stalinistischer Verfassung" und der „Volksfront"; und wie beim ersten Angriff der Hitlerschen Invasion hoben sie die Komintern auf; und jetzt sprechen sie wieder einmal von Frieden, weil sie jetzt aus Schwäche handeln. Aber während der Neuen Ökonomishen Politik vollendete Lenin die politischen Grundlagen des totalitären Staates. Die stalinistische Verfassung wurde durch blutige Säuberungsaktionen erst lebensfähig gemäht. Gleihzeitig mit der Aufhebung der Komintern wurden Agenten in die „befreiten" Länder gesandt, um sie in „Volksdemokratien" umzuwandeln. Und wieder enthalten die Amnestieerlasse und die Erlasse zur Rehabilitierung der Ärzte drohende Worte über erneute „Wachsamkeit", und wieder werden sie von neuen Säuberungswellen begleitet, während die „Friedensgespräche“ in Korea ihre wahre Bedeutung in einem neuen „begrenzten Krieg" in Laos und durch die Einsetzung einer „autonomen Thai-Regierung“ in Jünnan, China, mit Irredenta-Ansprühen auf Laos, Burma und Thailand erhalten. Dieselbe Prawda vom 25. April, die Präsident Eisenhowers Friedens-aufruf abdruckte, erklärte, daß der Kreml nicht mit seinen „Versuchen, die asiatishen kolonialen und halbkolonialen Völker zu befreien“ aufhören werde, und daß die in Laos eindringenden Streitkräfte „die Volks-befreiungsarmee von Patet-Lao“ seien.
Noch immer sind die Shwierigkeiten eines totalitären Systems, seien sie nun groß oder gering, die Chance für die Sache der Freiheit. Nach dem Urteil des Verfassers, das allerdings die Gefahren eines Mißverstehcns der Ereignisse in sih birgt, ist die Welt so lange sicher wie ein Regime, das auf totaler Mäht und totaler Diktatur beruht, seine konvulsivishen Kämpfe austrägt, um das unlösbare Problem einer „gesetzlichen" und „friedlichen" Nachfolge in einem System zu lösen, das weder Gesetz noh Frieden kennt.
Die beiden folgenden Artikel von Fritz von Globig und Robert Jungk entnehmen wir mit Genehmigung der Deutschen Verlagsanstalt, Stuttgart, der Zeitschrift „A USSENPOLITI K“ (Heft 1/54 und Heft 9/53).
Das Vertragsnetz der Nato, das die westlichen Länder zusammenhält, hat kein Gegenstück auf der anderen Erdhälfte. Zwischen den Anliegerstaaten des Pazifik sind nur einige wenige Trossen gespannt. Für ein wirklihes Netz fehlt es an festen Knoten, von denen es erst einen einzigen gibt, den Anzus-Pakt. Dieser Vertrag, der seine Bezeichnung von den Anfangsbuchstaben der englishen Namen seiner Partner — Australia, New Zealand, United States — herleitet, verpflichtet die drei Staaten zur gegenseitigen militärishen Unterstützung. Daneben bestehen nur noch die zweiseitigen Beistandspakte der USA mit Japan und mit den Philippinen, sowie der paraphierte aber noch nicht ratifizierte Sicherheitsvertrag zwishen den USA und Südkorea und shließlih die Verteidigungsvereinbarungen der Staaten Tshiang Vereinigten mit dem Regime Kai-sheks auf Formosa. Das ist niht viel und entsprähe, auf unsere Erdhälfte transponiert, dem Unterfangen, den atlantishen Raum außer durh ein paar zweiseitige Verträge nur durh ein Dreier-Bündnis zwishen den Verei " ’ten Staaten, Belgien und Holland zu shützen.
Der Anzus-Pakt ist in mehr als einer Hinsicht eine seltsame Konstruktion. Niht daß Australien und Neuseeland bei den Vereinigten Staaten Shutz suhen, ist das Ungewöhnliche. Die beiden britishen Dominien wissen seit dem zweiten Weltkrieg, daß Großbritannien allein nicht mehr ihre Siherheit und Unabhängigkeit garantieren kann. Und so ist es nur natürlich, daß sie sih militärish von den USA, die damals Australien vor einer japanishen Invasion gerettet haben, decken lassen. Daß die Vereinigten Staaten an festen Abmahungen über die im Kampf gegen Japan erprobte und bewährte, große australishe Basis angesichts des aggressiven asiatishen Kommunismus interessiert sind, ist ebenso verständlich. Aber der Anzus-Pakt ist weder nach seiner Vorgeshihte noch nach dem Vertragstext selbst auf diese naheliegenden und begrenzten Aufgaben beshränkt. Er ist als Kernstück eines viel größeren Projektes, als Keim eines wirklichen Pazifikpaktes und Gegenstück zum Nordatlantikpakt nicht nur konzipiert und interpretiert, sondern auch ausdrücklich formuliert worden. An dem provisorishen Charakter des Vertrages in seiner jetzigen Form kann kein Zweifel bestehen, wenn es in der Präambel wörtlich heißt: „ ... in dem weiteren Bestreben, ihre gemeinsamen Bemühungen um die Wahrung des Friedens und um die Gewährleistung der internationalen Siherheit bis zu demjenigen Zeitpunkt zu koordinieren, zu dem ein umfassenderes regionales Siherheitssystem im pazifischen Raume geshaffen sein wird ..." Und die gleiche Wendung tauht auch im Vertragstext selbst auf, in dem der Anzus-Rat ermächtigt wird, zu anderen Staaten in beratende Beziehungen zu treten, „bis zur Shaffung eines umfassenderen Systems regionaler Sicherheit im pazifishen Raume“.
Der Kern hat sich jedoch seither nicht entwickelt. Der Anzus-Pakt ist auch heute noch ein Provisorium von immerhin schon zweijähriger Dauer. Dies nicht etwa, weil es der Diplomatie de'r beteiligten Staaten nicht gelungen wäre, die zusätzlichen Partner für das im Vertragstext ins Auge gefaßte Ziel einer größeren Allianz zu finden. Im Gegenteil, die Staaten — darunter solche wie die Philippinen oder Nationalchina, die sih shon Jahre vor dem Abschluß des Anzus-Paktes um das Zustandekommen eines Pazifikpaktes bemühten — drängen sich förmlich dazu, in das Bündnis ausgenommen zu werden. Im Falle Großbritanniens hat die hartnäckige Exklusivität der Anzus-Staaten sogar zu einer nachhaltigen Verstimmung zwishen London und Washington geführt, die sih in so bitteren Äußerungen wie der des konservativen Unterhausabgeordneten Eccles Luft macht: „Laßt uns der Tatsache ins Gesicht sehen, daß wir eine Krise in der englischen Geshihte erreicht haben, wenn unsere Brüder in Übersee durch den mächtigen Magneten USA von einem shwachen England weggezogen werden“. Diese merkwürdigen Ungereimtheiten des Anzus-Paktes, der in mancher Hinsicht das Gegenteil von dem bewirkt, was zu bewirken sein erklärter Zweck ist, lassen sich nur aus seiner Entstehungsgeschichte erklären, die sich vor einer ständig wechselnden politischen Szenerie abspielte.
Im April 1949 setzten die Vertreter von zwölf Staaten in Washington ihre Unterschrift unter den Nordatlantikpakt. Aber der Gegner, dessen Abwehr dieser Vertrag galt, marschierte nicht in Europa, sondern auf der anderen Seite der Welt, in Asien. In China drang der Kommunismus auf demselben Wege nach Süden vor, auf dem wenige Jahre vorher die Japaner zu ihrem Weitsprung bis tief in die pazifische Inselwelt Anlauf genommen hatten. Für Tschiang Kai-schek war das Regieren wieder zu einem ambulanten Gewerbe auf der schon einmal beschrittenen Rückzugslinie Nanking — Kanton — Tschungking geworden. Sein Herrschaftsbereich war schon wieder fast auf den Stand reduziert, auf den er zur Zeit der größten japanischen Expansion abgesunken war. Auch in Indochina, Malaya und Burma waren die Kommunisten aktiv. So war es mehr als verständlich, daß die Pazifik-Länder nicht nur mit größter Beunruhigung auf den Vormarsch des Kommunismus, sondern auch mit einem gewissen Neid auf das im atlantischen Raum soeben abgeschlossene Verteidigungsbündnis blickten. Der Ruf nach einer „zweiten Front gegen den Weltbolschewismus", nach einer Ergänzung der Nato durch einen Pazifik-Pakt war in dieser Situation unvermeidlich. Der am tödlichsten Bedrohte erhob ihn als erster. Im Juli 1949 reiste Tschiang Kai-schek nach Manila und vereinbarte mit Präsident Quirino, daß die Philippinen die Initiative zur Schaffung eines Pazifik-Paktes ergreifen sollten. Einen Monat später suchte Tchiang Kaischek in derselben Mission den südkoreanischen Präsidenten, Syngman Rhee auf. Die Beratungen in Seoul führten zu einem formellen Ersuchen der beiden Staatsmänner an den philippinischen Präsidenten, eine Konferenz der asiatischen Länder zu Verhandlungen über einen Pazifik-Pakt einzuberufen. Der australische Verteidigungsminister Dedman begrüßte dieses Projekt wenige Tage später in einer Parlamentserklärung. Selbstverständlich konnte ein Pazifik-Pakt nur durch die Einschaltung der amerikanischen Macht praktische Bedeutung erlangen. Präsident Quirino hatte sich inzwischen zu einem Staatsbesuch nach Washington begeben, wo er in einer Rede vor dem amerikanischen Senat versuchte, die Vereinigten Staaten für einen solchen Vertrag zu gewinnen.
Aber Washington zeigte die kalte Schulter. Die diplomatische Formel, in die die Absage gekleidet wurde, lautete, man sei zwar im Prinzip für den Abschluß eines Vertrages, aber die Initiative dazu müsse von den Staaten im Pazifikraum ausgehen. Es gab mancherlei Gründe dafür, daß sich die amerikanische Regierung nicht für die Idee eines Pazifik-Paktes erwärmen konnte. Man hatte sich gerade auf das große Unterfangen des Nordatlantik-Paktes eingelassen, der, was die Tragweite seiner Bindungen anbelangt, in der amerikanischen Geschichte ohne Vorbild war. Die Regierung war damit beschäftigt, dem Parlament und der öffentlichen Meinung nicht nur die grundsätzliche Zustimmung für ein so neuartiges Projekt abzuringen, sondern sie auch von der Notwendigkeit finanzieller Opfer für die Verbündeten zu überzeugen. Ein paralleles Projekt im Pazifik hätte wesentliche Kräfte von diesen Bemühungen abgezweigt. Außerdem fehlte es im Pazik auch an Vertragspartnern, die für die Vereinigten Staaten wirklich attraktiv gewesen wären. Keine der drei asiatischen Großmächte kam für eine Mitarbeit in Frage. Indien, gerade erst zur Eigenstaatlichkeit gelangt, hatte fast vom ersten Tag seiner Selbständigkeit an seine Abneigung gegen eine Teilnahme an irgendeiner Blockbildung betont. Japan war noch ein besetztes Land, seiner außenpolitischen Handlungsfreiheit und seiner Wehrhoheit entkleidet. Und China? Über diesem Land stand damals mehr als ein Fragezeichen. Die nationalchinesischen Armeen befanden sich überall im Rückzug vor den siegreichen Kommunisten. Das persönliche Prestige Tschiang Kai-scheks und seines Regimes war damals in den Vereinigten Staaten auf einen Tiefpunkt gesunken. Man hielt den Marschall nicht mehr für bündnisfähig. Über die Gloriole des Verteidigers einer antikommunistischen Insel-Redoute, die ihn heute in weiten Kreisen Amerikas verklärt, verfügte er noch nicht. Aber auch die beiden im Pazifik interessierten europäischen Großmächte, Großbritannien und Frankreich hielten den Plan eines Pazifik-Paktes für verfrüht und sprachen wie der französische Außenminister Schuman im September 1949 von „dringenderen Aufgaben".
Trotz dieses Desinteressements der Großmächte gaben sich die kleinen Länder noch nicht geschlagen und bemühten sich weiter um die von Washington geforderte Initiative. Der australische Außenminister Spender versuchte Anfang 1950 auf einer Rundreise, die ihn nach Djakarta, Colombo, Karachi und Manila führte, die nördlichen Nachbarn Australiens für einen Zusammenschluß gegen die kommunistische Gefahr zu gewinnen. Wie erfolglos dieser Versuch war, sollte sich wenige Monate später zeigen, als der philippinische Präsident Quirino schließlich in Erfüllung des an ihn im August 1949 gerichteten Ersuchens Tschiang Kai-scheks und Syngman Rhees eine Konferenz asiatischer und pazifischer Staaten zustande brachte. Die Mehrzahl der Eingeladenen machte ihre Teilnahme davon abhängig, daß die Konferenz keinen antikommunistischen und damit prowestlichen Akzent erhalte. Das hatte wieder zur Folge, daß die eigentlichen Initiatoren der Zusammenkunft, Tschiang Kai-schek und Syngman Rhee, der Konferenz fernblieben und ihre Länder nicht vertreten waren. So setzten sich denn am 26. Mai 1950 in Baguio auf den Philippinen außer dem Gastgeber nur Vertreter Indiens, Pakistans, Ceylons, Burmas, Siams und Australiens an einen Konferenz-tisch, von dem sie sich nach ziemlich nichts-sagenden Vereinbarungen wieder erhoben. Über den Pazifik-Pakt durfte wegen des Einspruchs Indiens, aber auch Burmas und Pakistans überhaupt nicht gesprochen werden. Damit war die erste Phase der Bemühungen um einen PazifikPakt, die gleichzeitig die Vorgeschichte des Anzus-Paktes ist, gescheitert.
Ohnehin trat jetzt in der Frage einer gemeinsamen Abwehr des Kommunismus im Pazifik das Handeln an die Stelle des Verhandelns. Der Koreakrieg brach aus und löste über die Vereinten Nationen eine kollektive Abwehraktion aus.
Der australische Außenminister suchte im Herbst des Jahres 1950 bei Besuchen in London, Washington und Ottawa den Gedanken an ein Verteidigungsbündnis im Pazifik wach zu halten.
Aber der Anstoß zu einer entscheidenden Wendung kam aus einer ganz anderen Richtung und entsprang anderen Motiven. Zu Beginn des Jahres 1951 entschlossen sich die Vereinigten Staaten, aus Japan, der einzigen asiatischen Großmacht, die ihnen noch zur Verfügung stand, einen zuverlässigen und starken Verbündeten zu machen.
Zu diesem Zweck mußte mit Japan ein Friedensvertrag, und zwar ein sehr versöhnlicher, großmütiger, abgeschlossen werden, der dem einstigen Feinde seine volle Souveränität und vor allem auch die Möglichkeit zur Wiederaufrüstung zugestand. Das mußte vor allem diejenigen kleineren Pazifikstaaten beunruhigen, die während des zweiten Weltkrieges, wie die Philippinen, ein Opfer der japanischen Aggression geworden, oder wie Australien und Neuseeland diesem Schicksal nur mit knapper Not entgangen waren. Der gegenwärtige Außenminister der Vereinigten Staaten, John Foster Dulles, damals ein oppositioneller Politiker, erhielt in einer besonders beachtenswerten Anwendung bipartisaner Außenpolitik den schwierigen Doppelauftrag, als Sonderbotschafter Präsident Trumans sowohl in Verhandlungen mit den Japanern den Friedensvertrag selbst auszuarbeiten als auch die Zustimmung der einstigen Gegner Japans im Pazifik zu erwirken. Der Preis, mit dem sich die Vereinigten Staaten diese Zustimmung erkauften, waren der zweiseitige Vertrag mit den Philippinen und der dreiseitige Anzus-Pakt mit Australien und Neuseeland.
Welche entscheidende Rolle die Furcht vor Japan bei dem Abschluß des Anzus-Paktes spielte, wird durch eine Äußerung des neuseeländischen Außenministers Frederick Doidge illustriert, der die Ankündigung des amerikanischen Präsidenten über die Mission von Dulles im April 1951 mit der aufatmenden Feststellung begrüßte: „Damit wird eine Garantie geschaffen, die uns von dem Alpdruck eines Wiederauflebens des japanischen Militarismus befreit". Beide Verträge wurden als Auftakt zur japanischen Friedenskonferenz am 1. September 1951 in San Francisco unterzeichnet. Ihr doppelter Zweck ist offensichtlich: Beseitigung der Sorge vor Japan und Schutz vor einem weiteren Vordringen des Kommunismus nach Süden.
Die Partner des Anzus-Paktes hatten guten Grund, im Text des Vertrages seinen provisorischen Charakter und das Fernziel eines umfassenden Regionalabkommens für den Pazifik in so prononcierter Weise herauszustellen. Denn bereits vor der Unterzeichnung hatte die Nichtbeachtung Englands dort schwer verstimmt. Das Selbstgefühl Großbritanniens, das sich auf Grund seines Außenpostens in Hongkong und angesichts seiner engen Bindungen an die beiden Pazifik-Dominien Australien und Neuseeland für eine Pazifikmacht par excellence hält, war aufs empfindlichste getroffen. Der britische Außenminister blieb im April 1951 in einer erregten Debatte dem Unterhaus eine Erklärung für diese unerfreuliche Entwicklung schuldig, mußte aber zugeben/„daß Großbritannien es sehr gern gesehen hätte, wenn es ebenfalls dem Abkommen angehören würde". Die besondere Formulierung des Vertrages, die die Tür für einen späteren Beitritt anderer Nationen offen läßt, sollte wohl die Schockwirkung auf England dämpfen und uch die Gefühle anderer möglicher Aspiranten schonen.
Seit der Unterzeichnung hat England mit zahllosen Demarchen und demonstrativen Erklärungen, teilweise sogar unterstützt von den beiden dem Commonwealth angehörenden Mitgliedern des Paktes versucht, durch die angeblich offene Tür einzutreten, sie aber immer verriegelt gefunden.
Kurz nachdem der Pakt im Frühjahr 1952 durch die beteiligten Parlamente ratifiziert worden war, bezeichnete der australische Ministerpräsident Menzies bei einem Besuch in Ottawa den Beitritt Kanadas als wünschenswert. AIs die Außenminister der Anzus-Staaten dann im August zu einer ersten Konferenz in Honolulu zusammentraten, um die nach dem Muster der Nato gebildeten Vertragsorgane — den soge-nannten Anzus-Rat bestehend aus den Außenministern oder ihren Stellvertretern und einem Militärausschuß — zu konstituieren, bat England um die Einwilligung zur Entsendung eines Beobachters nach Honolulu. Das Ersuchen wurde auf Betreiben der Vereinigten Staaten abgelehnt. In dem Kommunique über die Beratungen in Honolulu hieß es: „In Anerkennung der Tatsache, daß der Rat gerade beginnt, seine eigene dreiseitige Organisation und sein Programm zu entwickeln, kam er zu dem Schluß, daß es verfrüht sei, in diesem Stadium seiner eigenen Entwicklung zu versuchen, Beziehungen mit anderen Staaten oder regionalen Organisationen anzuknüpfen.“ Die japanische Presse bedauerte, daß Japan nicht Mitglied des Paktes sei, und auch in den Philippinen wurde bei dieser Gelegenheit erneut betont, daß der_Anzus-Pakt möglichst bald zu einem wirklichen Pazifik Pakt erweitert werden müsse. Der in Honolulu beschlossene Militärausschuß trat einen Monat später in Pearl Harbour zusammen. Das amerikanische Mitglied des Ausschusses war der damalige Oberbefehlshaber der US-Pazifikflotte, Admiral Arthur W. Radford, heute Chef des gemeinsamen Generalstabes der amerikanischen Wehrmacht.
Im Herbst 1952 tagte in London eine Commonwealth-Konferenz, auf der die leidige Frage des Anzus-Paktes ein wichtiger Beratungspunkt gewesen sein dürfte. Jedenfalls wurde als Ergebnis dieser Beratungen am 14. Dezember, also nach der Wahl Eisenhowers zum Präsidenten, aber noch vor seinem Amtseintritt, vom Amt des britischen Premierminister eine recht ungewöhnliche Erklärung veröffentlicht, in der mitgeteilt wurde, daß Großbritannien, Australien und Neuseeland einen eigenen Plan zur Verteidigung des pazifischen Raumes ausgearbeitet hätten, den sie dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Eisenhower, unterbreiten wollten. Dieser Plan sei auf der kürzlichen Commonwealth-Konferenz beschlossen worden. „Dabei wurde völlige Übereinstimmung über gewisse grundsätzliche Anregungen erzielt, die zu gegebener Zeit Gegenstand freundschaftlicher Verhandlungen mit dem amerikanischen Verbündeten sein werden.“
Diese offensichtliche Spekulation auf einen Meinungswechsel der neuen amerikanischen Regierung in der Frage des Anzus-Paktes erwies sich als irrig. Die von Downing Street angekündigten „freundschaftlichen Verhandlungen" sind, falls sie überhaupt stattgefunden haben, ohne Erfolg geblieben. Im Anschluß an die nächste Commonwealth-Konferenz nach der Krönung im Juni 1953 fanden jedenfalls Verteidigungsbesprechungen statt, an denen die Premierminister Großbritanniens, Australiens und Neuseelands sowie die britischen Stabschefs teilnahmen. Amtlich wurde dazu mitgeteilt, daß diese Beratungen später durch einen der britischen Stabschefs in Australien und Neuseeland fortgesetzt werden würden. Diese jüngste Aktion Londons ließe sich fast als der Versuch eines Konkurrenzunternehmens zum Anzus-Pakt deuten, wenn nicht eine enge militärische Zusammenarbeit ohnehin zu den normalen Funktionen des Commonwealth gehörte.
Der Sommer brachte dann noch weitere Versuche Australiens, dem englischen Mutterland Zutritt zum Anzus-Pakt zu verschaffen. Premierminister Menzies forderte in London Fnde August in einer Rede die Aufnahme Englands, und als der Anzus-Rat am 9. September zu seiner zweiten Tagung in Washington zusammentrat, erklärte der australische Außenminister Casay auf der Eröffnungssitzung unter offensichtlicher Anspielung auf England, er denke noch immer an die Möglichkeit eines größeren Pazifik-Paktes: der Anzus-Pakt sei nur ein erster Schritt. Trotzdem hieß es in dem Schlußkommunique der Tagung, die Minister seien übereinstimmend der Ansicht, „daß der Versuch, die Mitgliedschaft des Paktes zu vergrößern, nicht direkt oder materiell der pazifischen Verteidigung“ dienlich sein werde. Sie würden jedoch jede Möglichkeit der Stärkung der Verteidigungsbereitschaft dieses Gebietes im Auge behalten. Großbritannien, die Philippinen, Frankreich und Nationalchina hätten sich um eine Aufnahme in den Pakt bemüht.
Auch wenn die Kommuniques des Anzus-Rates formell stets im Namen der drei Vertragspartner veröffentlicht wurden, so kann doch kein Zweifel bestehen, daß der Widerstand gegen eine Erweiterung des Paktes und vor allem gegen die Aufnahme Englands ausschließlich von den Vereinigten Staaten ausgeht. Man geht wohl auch nicht fehl in der Annahme, daß die USA an sich kaum etwas gegen die Aufnahme etwa der Philippinen oder Nationalchinas einzuwenden haben würden, wenn dadurch nicht die Aufnahme Englands, um eine noch stärkere Brüskierung zu vermeiden, unausweichlich werden würde. Auch der Vorschlag des republikanischen Fraktionsführers im amerikanischen Senat, Senator Knowland. für die Bildung eines rein asiatischen antikommunistischen Blocks, der von Syngman Rhee und Tschiang Kai-schek bei ihrer Zusammenkunft auf Formosa im November 1953 aufgegriffen wurde, läuft praktisch auf eine Ausschaltung Englands hinaus, da es ja nicht zu den asiatischen Nationen gehört. Es dürfte in der Geschichte der Diplomatie kaum ein Beispiel dafür geben, daß ein Staat einen seiner engsten Verbündeten mit einer solchen Hartnäckigkeit von einem anderen regionalen Zusammenschluß fernhält. Die amtliche Begründung dieser Haltung wirkt schon durch den Wechsel der Argumente — „verfrüht" (Honolulu-Konferenz); „nicht direkt oder materiell der Verteidigung dienlich" (Washingtoner Konferenz) — nicht sehr glaubhaft. Auch die im Anschluß an die Washingtoner Tagung des Anzus-Rates verbreitete offiziöse Erklärung klang nicht überzeugend, derzufolge bei einer Aufnahme Englands zum mindesten auch Frankreich und Holland beteiligt werden müßten. Das würde jedoch den Eindruck erwecken, hieß es in dem Kommentar weiter, als handele es sich beim Anzus-Pakt um einen „Klub der Weißen", der die Kolonialherrschaft in neuer Form durchsetzen wolle.
Die wirklichen Gründe für die Exklusivität des Anzus-Paktes sind vielmehr in dem tiefgehenden Auffassungsunterschied zwischen der amerikanischen und der britischen Politik im Pazifik zu suchen. Die Vereinigten Staaten möchten sich offenbar bei den jährlichen Tagungen des Anzus-Rates nicht Schwierigkeiten aussetzen, wie sie ihnen die britische Diplomatie zum Beispiel auf der Tagung der Vereinten Nationen über die Koreakonferenz bereitet hat. Der schmerzhafteste Reibungspunkt ist bekanntlich die Anerkennung der Pekinger Regierung durch Großbritannien. Die beiden Anzus-Partner der USA, Australien und Neuseeland, haben die Regierung Mao Tse-Tungs nicht anerkannt, und ihre politische Einstellung im Pazifik deckte sich schon lange vor dem Abschluß des Paktes weitgehend mit der amerikanischen Linie. Mit einem Vertreter Englands im Anzus-Rat wäre es jedenfalls sehr viel schwieriger gewesen, auf der September-Tagung in Washington zu beschließen: „Die Außenminister sprachen sich ferner gegen die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zu der Volksrepublik China und gegen ihre Aufnahme in die UN unter den gegenwärtigen Umständen aus."
Bis es nicht zu einer Angleichung der amerikanischen und der britischen Politik in Asien kommt, ist kaum damit zu rechnen, daß der Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten, Australien und Neuseeland zu dem in seiner Präambel verheißenen „umfassenderen, regionalen Sicherheitssystem im Pazifischen Raume“ ausgebaut werden wird. Der Anzus-Pakt wird also bis auf weiteres nur ein Kern bleiben — ein Kern ohne Frucht.