Wieder steht der Name „Bermuda" in den Schlagzeilen der Weltpresse. Schon Anfang Juni sollten auf den Bermuda-Inseln Premierminister Churchill, Präsident Eisenhower und der französische Ministerpräsident Zusammentreffen, aber die innenpolitischen Ereignisse in Frankreich machten es notwendig, diese wichtige Konferenz der Großen Drei zu verschieben. Nunmehr hat die Tagung — auf der Laniel Frankreich vertreten wird — in der ersten Dezemberwoche begonnen.
Die Bermuda-Inseln sind auf der Landkarte ein einziger, heller Fleck mitten in der großen klaren Fläche des Atlantiks und liegen weitab vom amerikanischen Festland, fast elfhundert Kilometer von New York entfernt. Gewiß, die Bermudas sind nicht groß. Wenn man mit dem fahrplanmäßigen Passagierflugzeug, das alle zwei Stunden von New York abfliegt, zu den Inseln kommt — der Flugpreis beträgt genau fünfzig Dollar — dann sieht man. zunächst nur ein schmales, langgestrecktes Gebilde, das in der Form eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Angelhaken hat und immer unter dichten, weißen fast Wolken verborgen ist. Das ist die eigentliche Bermuda-Insel, die vier Fünftel des gesamten, nur etwa fünfzig Quadratkilometer großen Archipels ausmacht und daher auch „Mainland“, die Hauptinsel, genannt wird. Erst wenn man näherkommt, entdeckt man die vielen anderen, bizarr zerklüfteten Klippen und Inselchen. Insgesamt sind es dreihundert-sechzig; bewohnt sind davon aber nur zwanzig. Trotzdem gehört die Inselgruppe zu den dichtest besiedelten Gebieten der Welt. Und ähnlich wie Madeira, das fast auf demselben Breitegrad liegt, ist Bermuda ein vielbesuchter Winterkurort, dessen Hotels und Bäder denen der französischen Riviera kaum nachstehen. Schon 1913, als man noch nicht von New York aus in drei Stunden nach Bermuda fliegen konnte, zählte die Insel in einer einzigen Wintersaison 22 OOO Touristen, die fast ausschließlich aus den USA kamen. Inzwischen hat sich der Fremdenverkehr vervielfacht. Freilich ist dieses Vergnügen nicht gerade billig. Das Castle-Harbour-Hotel in Hamilton steht an einem der schönsten Punkte der Erde wie ein großes weißes Schloß in einem Park am Meer, umgeben von hohen Wacholderbäumen, Palmen, Kakteen und unzähligen Blumen. Blumen, geschnitten und sorgfältig verpackt, sind übrigens der Hauptexportartikel der kleinen Inselgruppe. An den Hängen der sanften, bis zu hundert Meter hohen Hügel wachsen wilde Zitronen, Lemonen und Orangen. Die Temperatur sinkt fast nie unter sieben Grad Celsius ab, und auch im heißesten Sommer steigt sie selten über dreiunddreißig. Die Insel-bewohner nützen das feuchtware Treibhausklima und bauen Tabak, Kartoffeln, die im Winter geerntet werden, Zwiebeln, Frühgemüse und Tomaten und versenden sie zusammen mit Blumenzwiebeln und großen Mengen von Schnittblumen, vor allem Lilien nach den Vereinigten Staaten. Die Feldarbeit ist nicht leicht, denn es gibt auf den Bermudas keinen Fluß und keinen Bach, ja nicht einmal eine einzige Quelle. Man ist ausschließlich auf das Regenwasser angewiesen, das in Zisternen und großen Tanks gesammelt wird. Zum Glück regnet es auf den Bermudas viel. Die heftige Brandung, die seit ungezählten Jahrtausenden an Bermudas weichen, wasserdurchlässigen Kalkstein nagt, hat von der ursprünglichen Größe der Inseln nicht mehr viel übriggelassen. Die Lage dieser Inseln ist recht eigenartig: sie ruhen auf den Spitzen erloschener, unterseeischer Vulkane. Rings um die Inseln ist das Meer über viertausend Meter tief. Noch heute sind Erdbeben auf den Bermudas ziemlich häufig. Ein dichtes Kranz von Korallenriffen ist den Inseln vorgelagert und macht die Schiffahrt in diesen Gewässern überaus gefährlich. So waren es denn auch Schiffbrüchige, die die Insel entdeckten und besiedelten. 1522 wollte der Spanier Juan Bermudez mit seinem Segler von Spanien nach Kuba fahren. Er hatte Schweine geladen, die damals in Amerika noch eine Seltenheit waren. Aber in den Riffen der Insel, die dann nach ihm Bermuda genannt wurde, fand seine Reise vorzeitig ein Ende. Als nächster erlitt 1593 der Engländer Henry May dort Schiffbruch. Auch der berühmte Seefahrer und Entdecker Sir Walther Raleigh mußte dort schwere Stürme bestehen. Die Inseln hatten damals schon eine traurige Berühmtheit erlangt, man beschrieb sie als wüste, verzauberte Stätten und glaubte, daß sie von Hexen und bösen Geistern bewohnt würden, die an den grauenhaften Gewittern und Stürmen schuld seien. 1609 lief der Engländer Sir George Somers, der mit neun Schiffen nach Virginia segeln wollte, mit seinem Admiralsschiff auf das Bermudariff auf. Auf seine Veranlassung wurden die Inseln später besiedelt und nach ihm erhielten sie ihren zweiten Namen „Somers'Islands“. Über seine Abenteuer berichtete 1610 Silvester Jourdan in der Reisebeschreibung „Entdeckung der Bermudas, sonst Teufels-inseln genannt“, und diese Schrift fiel auch William Shakespeare in die Hände. Sein „Sturm“ knüpft in mancher Hinsicht an Somers'Abenteuer an und erwähnt auch die „stürmischen Bermudas“. Auch die erste Seekarte der Bermudas zeigt die Inseln noch sinnigerweise umgeben von den Masten zahlreicher untergehender Schiffe. 1612 wurde die Hauptinsel von Virgi nia aus systematisch besiedelt und als ständige Handelsniederlassung die Stadt St. George gegründet. Wenige Jahrzehnte später jedoch war die Insel als Piraten-schlupfwinkel erneut zu einem der verrufensten Orte im Atlantik geworden. Viele der alten, schneeweiß gedeckten Häuser von St. George haben noch heute drei Stockwerk tiefe Kellerräume, in denen die Piraten ihre Beute aufstapelten. 1684 wurde die Insel britische Kronkolonie, und das ist sie bis heute geblieben.
Gassen und Häuser des verträumten Städtchens St. George erzählen die Geschichte der Insel. In dem stillen Hafen herrschte zur Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges reges Leben und Treiben. Hier wurden die für die Konföderierten bestimmten Waren von den britischen Schiffen auf die schnellen Blockadebrecher umgeladen. In den engen Gassen drängten sich damals die Matrosen aus den amerikanischen Südstaaten. Sie waren es, die einem Gäßchen den Namen „Barber’sLane" gaben, nach einem geschickten Friseur, der mit seiner witzigen Zunge und flinken Hand so viele Kunden gewann, daß er sich aus der Sklaverei loskaufen konnte. Eine andere Gasse, die „Schienbein-Allee“ soll schon vor dreihundert Jahren nach den nächtlichen Raufereien betrunkener Matrosen so benannt worden sein. Die „Printer's Alley (Buchdruckergasse) erinnert an Joseph Stockdale, der 1784 auf den Bermudas die erste Zeitung, die „Bermuda Gazette“, herausgab. Auch die ersten in Nordamerika verwendeten Münzen wurden auf Bermuda geprägt. Sie zeigen auf der einen Seite ein Segelschiff und auf der anderen — ein Schwein. Die Bevölkerung zählt nach der Volkszählung von 1951 37 000 Einwohner, die die 36 Mitglieder ihres seit 1620 bestehenden Parlaments in freier Wahl selbst bestimmen. Auch die Frauen Bermudas sind seit dem Jahre 1944 wahlberechtigt. Dagegen ernennt die britische Krone die sieben Mitglieder des Rats der Exekutive sowie die neun Mitglieder des Rats der Legislative. Die Menschen Bermudas leben jedoch nicht nur klimatisch in einem Paradies: auf den glücklichen Bermudas gibt es auch keine Grund-, keine Einkommen-und keine Erbschaftssteuer. 85% aller Steuern werden vom Fremdenverkehr aufgebracht, dem wichtigsten Erwerbszweig der Inseln. Lange Zeit gab es dort übrigens auch keine Autos. Nur zögernd wurde nach dem Krieg von den um ihre Ruhe be-