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Die Oberschicht in der Sowjetunion | APuZ 47/1953 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 47/1953 Die Oberschicht in der Sowjetunion Die Rolle der Intelligenzia in Südasien Friede in Asien?

Die Oberschicht in der Sowjetunion

Hermann Achminow

Die Veröffentlichung der nachfolgenden Artikel erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Verlagsanstalt GmbH, Stuttgart.

Die Aufsätze Achminow, „Die Oberschicht in der Sowjet-Union“ und Mehnert, „Die Rolle der Intelligenzia in Südasien“ wurden der Zeitschrift „OSTEUROPA“ (Heft 4 und 5/1953), der Aufsatz v. Borch, „Friede in Südasien?“ der Zeitschrift „AUSSENPOLITIK“ (Heft 10/1953) entnommen.

Wenn sich das westliche Ausland mit den inneren Vorgängen in der Sowjetunion befaßt, neigt es dazu, sich weniger mit der Soziologie des Volkes als mit der „Intrigologie" des Kreml zu befassen. Gewiß, man darf die persönlichen Rivalitäten in den höchsten Kreisen des Sowjet-staates nicht außer acht lassen, aber der Schwerpunkt muß bei der Untersuchung der politischen und sozialen Probleme liegen. Das hat auch den Vorteil, daß wir die politische, soziale und wirtschaftliche Situation in der UdSSR genauer untersuchen können als die persönlichen Beziehungen einzelner Führer. Die politischen Probleme sind auch beständiger als die persönlichen Freundschaften oder Feindschaften, und ihre Kenntnis bietet infolgedessen eine bedeutend sicherere Grundlage für das Verhalten des Westens der Sowjetunion gegenüber als selbst die beste Kenntnis der Intrigenkämpfe im Kreml.

Eigentlich sollten diese Gedankengänge als Selbstverständlichkeit gelten. Doch erstens wird im Westen die Bedeutung der Personalveränderungen in der Regel stark überschätzt. Und zweitens verbirgt sich hinter der Frage, ob Soziologie oder — wenn man sich so ausdrücken darf — Intrigologie ein grundsätzliches Problem: kann der Westen in absehbarer geschichtlicher Zeit — also im Laufe der nächsten zehn bis zwanzig Jahre — mit ernsten innenpolitischen Auseinandersetzungen in Rußland rechnen, oder muß er die Existenz der kommunistischen Diktatur als bleibenden Zustand ansehen? Wenn wir von der Voraussetzung ausgehen, daß das Schicksal dieses riesigen Reiches ausschließlich durch das Ränkespiel eines Häufleins von Spitzenfunktionären entschieden wird, dann ist nur die zweite Antwort denkbar. Geht man dagegen davon aus, daß in allen Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Führern letzten Endes die großen sozialen und politischen Auseinandersetzungen ihren Ausdruck finden, daß es sich hier um Konflikte handelt, die bis ins letzte russische Dorf hineingreifen, dann sieht die Frage nach der Stabilität der Sowjetmacht ganz anders aus.

DIE WICHTIGSTE AUFGABE Die wichtigste Aufgabe der Sowjetregierung überhaupt und besonders nach dem Tod Stalins ist die Aufrechterhaltung der kommunistischen Diktatur, die Aufrechterhaltung einer gesellschaftlichen Ordnung, die auf dem Prinzip der totalen Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln oder, was dasselbe ist, der Zusammenfassung aller Produktionsmittel in den Händen des Staates beruht. Kann diese Gesellschaftsordnung auf die Dauer erhalten bleiben?

Auf den ersten Blick mag die Frage unbegründet erscheinen — wir haben bis heute keine Anzeichen ernster innerer Unruhen in der Sowjetunion, wenn man über die „normal“ erscheinenden Säuberungsaktionen hinwegsieht. Und doch hat selbst Stalin die Wiederherstellung des Kapitalismus in Rußland für möglich, ja für unausbleiblich erklärt, falls es versäumt würde, einige bestimmte Maßnahmen zu treffen, oder falls einige von ihm abgelehnte Maßnahmen trotzdem durchgeführt würden. In seinem Brief an die Professoren Sanima und Wensher vom 28. September 1952 kritisiert Stalin deren Vorschlag, die in den Maschinen-und Traktorenstationen zusammengefaßten landwirtschaftlichen Maschinen an die Kolchose zu verkaufen und schreibt:

Nehmen wir einen Augenblick an, daß wir den Vorschlag der Genossen Sanima und Wensher akzeptiert hätten . . . Daraus würde sich ergeben, daß erstens die Kollektivwirtschaften Eigentümer der Hauptproduktionsinstrumente würden, das heißt, sie würden eine Sonderstellung einnehmen, wie sie kein einziger Betrieb in unserem Lande einnimmt . . . Daraus würde sich zweitens eine Erweiterung des Wirkungsbereichs der Warenzirkulation ergeben, denn ungeheure Mengen von Produktionsinstrumenten der Landwirtschaft würden in die Bahn der Warenzirkulation geraten . . . Der Hauptfehler der Genossen Sanina und Wensher besteht darin, daß sie . . . nicht begreifen, daß die Waren-zirkulation mit der Perspektive des Übergangs vom Sozialismus zum Kommunismus unvereinbar ist . . .

In der Kritik an der „Wirtschaftskommune" Dührings, die unter den Bedingungen der Warenzirkulation wirkt, wies Engels in seinem . Antidühring* überzeugend nach, daß das Vorhandensein der Warenzirkulation der sogenannten Wirtschaftskommunen Dührings unweigerlich zur Wiedergeburt des Kapitalismus führen müsse ... So steht es mit dem Vorschlag und den Argumenten der Genossen Sanina und Wensher.“ (Stalin, Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR, 1952.)

Offensichtlich hielt Stalin das Entstehen des Kapitalismus und also auch den Sturz der kommunistischen Diktatur nicht für ausgeschlossen. Seine Befürchtungen sind nicht unbegründet. Augenblicklich gibt es in der Sowjetunion etwa 98 000 Kolchose; hätte man den Vorschlag von Sanina und Wensher angenommen, so würden die Kolchose binnen kurzer Zeit eine solche wirtschaftliche Macht darstellen, daß sich ihren Interessen sowohl die Partei als auch der Staat einfach beugen müßten. Diese Interessen aber würden dem Programm der KPdSU kaum entsprechen. Doch ist das nicht der einzige Ansatzpunkt für das Entstehen des Kapitalismus in Rußland. Die sowjetischen Zeitungen selbst bieten eine Fülle von Beispielen des „heimlichen Kapitalismus", der sich in die unzähligen Risse der Sowjetwirtschaft eingenistet hat. Da die sowjetische Staatsmaschine einfach außerstande ist, sämtliche wirtschaftlichen Probleme zu lösen, oder auch nur eine durchgreifende Kontrolle des Wirtschaftsganges zu gewährleisten, ist der heimliche Kapitalismus beinahe zu einem untrennbaren Bestandteil des Sowjetsystem geworden. Ein Beispiel:

Zum Direktor der städtischen Brennstoffverwaltung in Jaroslawl kam ein beleibter, Herr . . . Auf seiner Weste baumelte eine schwere Goldkette mit Brillantanhängsel . . .

Ich bin ein gebürtiger Jaroslawler, ein wirklicher Patriot meiner Heimatstadt. Es ist mir bekannt, daß die Erfüllung des Planes der Brennstoffversorgung in Frage gestellt ist. Meine lieben Mitbürger werden in diesem Winter ohne Brennstoff sein . . .

Verzeihung, wer sind Sie?

Pribytkow! — verkündete der Gast. Idi bin ein Brigadier, oder wenn Sie wollen, ein Bevollmächtigter der Initiativgruppe für Flößezusammenstellung. Und ich bin aus guten Gründen zu Ihnen gekommen, Ihnen und der Stadt zu helfen. 50 000 auf den Tisch — und die Flöße werden hier sein. Sie brauchen sich um nichts zu kümmern, weder um die Bezugsscheine, noch um Arbeitskräfte oder Transport . . .

Viele zehntausend Kubikmeter Brenn-und Bauholz brachte dieser tüchtige Unternehmer nach Jaroslawl. Nach den bescheidensten Berechnungen erreichte der Gewinn Pribytkows eine Viertelmillion pro Saison . . . Pribytkow ist eine weite russische Seele. Seine Energie reichte bei weitem über den Rahmen einer einzelnen Stadt hinaus. Die von ihm zusammengestellten Flöße schwammen über die obere Wolga, gingen nach Schtscherbakow, nach Gorkij, erreichten Moskau. (Iswestija 10. 12. 52.)

Man kann eine fast unbegrenzte Zahl solcher Beispiele anführen. Sie werden in der sowjetischen Presse natürlich jeweils als vereinzelte Fälle dargestellt; aber sie zeigen, daß Stalins Befürchtung nicht unbegründet ist: es liegt auf der Hand, daß jede Lockerung der Kontrolle z. B. in Form eines „milden Kurses" ein Aufblühen dieser Erscheinungen hervorrufen würde. Und es wäre unter Umständen fraglich, ob man sie wieder in die „kommunistische Bahn“ bringen könnte.

GRENZEN TAKTISCHER MÖGLICHKEITEN Daß privatkapitalistische Bestrebungen in der Sowjetunion bestehen, unterliegt keinem Zweifel. Doch kann man über die Frage, ob diese Erscheinungen ein ernstes innenpolitisches Problem für die Regierung darstellen, geteilter Meinung sein. Solche Pribytkows existierten ja auch vor der Revolution, in der Periode der NEP und später. Trotzdem hat die Sowjetregierung in ihrem Bestreben, das Programm der vollständigen Aufhebung des Privateigentums zu verwirklichen, bis jetzt keine ernsten Rückschläge erlitten.

Das ist richtig. Es hat Pribytkows gegeben vor 35 und vor 15 Jahren, wie es sie auch heute gibt. Und man kann daraus die vielleicht wichtigste Bilanz der 36jährigen Herrschaft des Bolschewismus in Rußland ziehen: der Versuch der Kommunisten, einen neuen Menschentyp zu schaffen, den Typ des Menschen, bei dem das Gemeinschaftsbewußtsein und nicht das individualistische Bewußtsein ausschlaggebend sein sollte, ist gescheitert. Mehr noch — es liegen nicht die geringsten Anzeichen dafür vor, das dieses Bewußtsein je entstehen wird.

Die Überzeugung, daß der Mensch nie etwas im Namen des Kollektivs macht und nur dann etwas leistet, wenn er davon persönlich einen Vorteil hat, geht wie ein roter Faden durch alle Maßnahmen, durch die ganze Haltung der Sowjetregierung. (In den Propagandaschriften wird das freilich anders dargestellt.) Diese Überzeugung kommt zum Ausdruck im Prämiensystem, wonach das Einkommen des Leiters eines Unternehmens im direkten Verhältnis zu der Leistung seines Betriebes steht; im System der Tagewerke in den Kolchosen, wo das Einkommen des einzelnen Bauern von seiner persönlichen Leistung und der seiner Kolchose abhängig ist; im Akkordsystem bei der Bezahlung der Arbeiter; in der Verordnung des Präsidiums des Obersten Rates der UdSSR vom 24. April 1948, wonach der Sekretär eines Bezirkskomitees der KPdSU mit dem Titel „Held der sozialistischen Arbeit" ausgezeichnet werden kann, wenn sein Bezirk das Soll um einen bestimmten Prozentsatz überschreitet.

Es gab einmal eine Zeit, da Lenin schrieb:

Die kommunistische Arbeit im engen und strengen Sinne des Wortes ist eine unentgeltliche Arbeit zugunsten der Gesellschaft, eine Arbeit, die nicht . . . um der Erhaltung des Rechtes auf gewisse Erzeugnisse willen geschieht . . . sondern eine freiwillige Arbeit . . . aus der Gewohnheit, für das Gesamtwohl zu arbeiten, aus der bewußten (zur Gewohnheit gewordenen) Einstellung zur Notwendigkeit, für das Gesamtwohl zu arbeiten. (Lenin. Band 25, S 151, russisch.)

Da die Erziehung zu dieser Haltung ohne Erfolg geblieben ist, kann die Wiedereinführung des Privateigentums nicht als ausgeschlossen bezeichnet werden. Zwischen Pribytkow und Malenkow besteht kein grundsätzlicher Unterschied — nur sehen sie ihren persönlichen Vorteil in verschiedenen Formen der Verteilung der Produkte bzw.der Verfügung über die Produktionsmittel.

Das ganze „Geheimnis" des Aufbaus der kommunistischen Gesellschaft in Rußland besteht darin, daß sich in diesem Lande in der Periode von 1917 bis heute immer genügend starke Gruppen von Menschen fanden, die in einer begrenzten Aufhebung des Privateigentums ihren persönlichen Vorteil sahen. Im Bürgerkrieg war für die Bauern die Aufhebung des Privateigentums der Gutsbesitzer am Boden vorteilhaft, weil sie durch die Aufteilung der großen Ländereien ihr Privateigentum zu vergrößern hofften. Für die Menschen, die im Banne der Industrialisierung Fabriken und somit ihre Stellungen aufbauten, war die Aufhebung des Privateigentums ebenfalls vorteilhaft, weil sie ja keine eigenen Mittel für den Aufbau der Fabriken und somit ihrer Stellungen haften. Diese Mittel wiederum waren nur auf dem Wege über die Enteignung der Bauern erhältlich.

Hier zeichnen sich jedoch bereits die Grenzen des Kommunismus in Rußland ab. Wenn seine Grundeigenschaft die Ausnützung des Dranges zur persönlichen Bereicherung durch die Konzentration des Eigentums in den Händen des Staates ist, so muß ein Augenblick eintreten, da die Menschen nicht im Staats-, sondern im persönlichen Eigentum ihren Vorteil sehen. Das Gleichgewichtsprinzip hat in der Sowjetunion und überall sonst lediglich den Sinn der Gleichheit der Aufstiegsmöglichkeiten, und es wird in dem Augenblick ein Hindernis für seine Träger, wenn die Auslese und der Aufstieg der Sieger bereits erfolgt ist. Wir wissen, daß die Aufhebung des Privateigentums nur möglich war, weil sie die Bereicherung, den Aufstieg einer bedeutenden Anzahl von Menschen bedeutete. Wenn wir also feststellen wollen, wieviel innere Stabilität wir der kommunistischen Diktatur in der Sowjetunion noch zuzuschreiben haben, müssen wir feststellen, ob es in der Sowjetunion immer noch gesellschaftliche Schichten gibt, die im Prinzip des Staatseigentums den besten Weg zur Gewinnung persönlicher Vorteile sehen müssen und wie lange dieser Zustand noch dauern wird.

VERÄNDERUNG DER SOZIALEN STRUKTUR Zwei entscheidende Tatsachen charakterisieren die Veränderungen der sozialen Struktur Sowjetrußlands in der Zeit von 1926 bis zum heutigen Tage: Die Verstädterung und die Bildung einer neuen führenden Schicht. 1939 lebten 32, 8 Prozent der Gesamtbevölkerung der Sowjetunion in den Städten. 1926 waren es nur 17, 9 Prozent gewesen. 1939 gehörten nach den Angaben Molotows 9 591 000 Menschen der sogenannten neuen sowjetischen Intelligenz an, 1926 waren es 2 116 400 gewesen. Für das Jahr 1949 gibt Boris Meißner folgende Zahlen an. 1. „Intelligenz" in Stadt und Land: 15— 16 Millionen 2. Manuelle Arbeiter im staatlichen und genossenschaftlichen Sektor: 21— 22 Millionen 3. Bauern (Kollektiv-und Einzelbauern) und Landarbeiter: 42— 44 Millionen (Boris Meißner, Der Wandel im sozialen Gefüge der Sowjetunion, Europa-Archiv, Nr. 9/1950.)

Bei etwa 80 Mill. Berufstätigen und 200 Mill. Gesamtbevölkerung ergibt sich also, daß. die Klasse der „beamteten Funktionäre", wie sie Meißner nennt, 19, 5 Prozent, die Arbeiter 26, 7 Prozent und die Bauern 53, 8 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Wenn wir diese Zahlen mit denen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg vergleichen, so ergibt sich, daß anstelle von Bürgertum und Gutsbesitzern, die 1913 etwa 3, 6 Prozent der Gesamtbevölkerung umfaßten, eine neue führende Schicht gekommen ist, die 19, 5 Prozent der Gesamtbevölkerung erreichte.

Eine bedeutende Vergrößerung der führenden Schicht ist kaum noch möglich. Das bedeutet, daß die Sowjetregierung in Zukunft außerstande sein wird, sich auf den Aufstiegswillen von Millionen zu stützen, wie sie das in der Periode von 1917 bis 1941 tun konnte. Der Aufstieg weiterer großer Kontingente kann nur auf Kosten der gegenwärtigen Träger der Sowjetmacht erfolgen. Die weitere Ergänzung der führenden Schicht wird im großen und ganzen durch den der gleichen Schicht entstammenden Nachwuchs erfolgen. Die Periode der revolutionären sozialen Umwälzungen, die Periode der schwindelerregenden Aufstiege ist vorbei, und das weitere Schicksal der Sowjetmacht wird in Zukunft in erster Linie durch die Einstellung dieser neuen führenden Schicht zum Privateigentum bestimmt werden. Es kommt also darauf an, die Haltung und die Mentalität dieser neuen Führer zu untersuchen.

Um die summarische Dreiteilung des sozialen Gefüges in die beamteten Funkticmäre, Arbeiter und Bauern zu konkretisieren, scheint es angebracht zu sein, den Begriff „Klasse" genauer zu betrachten. Lenins Definition dieses Begriffs lautet:

Als Klassen werden große Gruppen von Menschen bezeichnet, die sich nach ihrem Standort im geschichtlich entstandenen System der gesellschaftlichen Produktion, nach ihrem Verhältnis zu Produktionsmitteln (was meistens in Gesetzen festgelegt und formuliert ist), nach ihrer Rolle in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit und, folglich, nach der Art des Beziehens und dem Ausmaß jenes Teiles des gesellschaftlichen Produktes, über den sie verfügen, unterscheiden." (Zitat nach „Philosophisches Lexikon“).

Das Wesentlichste an dieser Formulierung ist die Feststellung, daß die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse durch die „Rolle der Betreffenden in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit" bestimmt ist. Wendet man Lenins Definition an, so läßt sich die Bevölkerung der Sowjetunion in folgende fünf Gruppen einteilen: Parteiapparat, Staatsapparat, Technische Intelligenz, Arbeiterschaft, Kolchosbauern. Staatsapparat, Arbeiterschaft und Kolchosbauern sind die sowjetischen Gegenstücke zu entsprechenden westlichen Schichten. Dagegen sind Parteiapparat und Technische Intelligenz spezifisch sowjetische Erscheinungen. Der Parteiapparat besteht aus den Berufsparteigenossen, den Parteifunktionären, die durch die Arbeit in der Partei ihr tägliches Brot verdienen. Im Keim gab es diese Schicht auch im Dritten Reich und anderen faschistischen Ländern. (Ob die Gewerkschaftsfunktionäre dazu gerechnet werden müssen, ist unklar. Einerseits sind die sowjetischen Gewerkschaften heute nur ein Anhängsel des Parteiapparates, andererseits aber können sie unter anderen Bedingungen’ eine selbständige Funktion ausüben.) Es gilt dabei mit allem Nachdruck zu betonen, daß man unter dem „Parteiapparat“ keineswegs die Masse der Parteimitglieder, sondern ausschließlich jene Menschen verstehen muß, die berufsmäßig in dem Parteiapparat tätig sind. Die KP der Sowjetunion ist schon lange eine Massenpartei geworden, so daß die Grenze zwischen Parteimitgliedern und Parteilosen sich immer mehr verwischt und tausendfache Erfahrung zeugt davon, daß die Haltung einzelner Sowjetbürger nicht durch ihre Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit zur Partei, sondern durch ihre persönlichen Einsichten und vor allem durch ihre gesellschaftliche Stellung bestimmt wird.

Die Technische Intelligenz jedoch ist ein soziales Phänomen, das wir nur in der Sowjetunion und anderen bolschewistisch beherrschten Ländern vorfinden und das genauer definiert werden muß. Das Gros dieser Klasse bilden die Leiter der Produktion, die Fabrikdirektoren, Ingenieure, Techniker, aber auch die Intellektuellen und die Leiter der Handelsorganisationen und Unternehmungen. Obwohl es sich im Grunde um die „Spezialisten" schlechthin handelt und die Bezeichnung Technische Intelligenz etwa auf einen Kunsthistoriker nur im übertragenen Sinne angewandt werden kann, ist dieser Ausdruck doch der richtige. Er deutet darauf hin, daß die Technische Intelligenz die entscheidende Kraft dieser Schicht ist; überdies unterscheidet sich die Haltung der anderen Gruppen nicht von der der Technischen Intelligenz im engeren Sinne.

Gewisse Bedenken könnte die Trennung des Staats-und des Parteiapparates hervorrufen, zumal es sich beim Parteiapparat um eine sehr kleine Gruppe handelt (etwa 500 000 Personen). Doch läßt eine ganze Reihe von Anzeichen darauf schließen, daß die politische Haltung dieser beiden Gruppen verschieden ist, weil sie sich eben „nach ihrer Rolle in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit unterscheiden". Der Staatsapparat übt die Verwaltungsarbeit aus, die Funktion des Parteiapparates ist Überwachung und Antreiben.

Es wäre noch die Frage zu untersuchen, ob die Armee und die Kolchosaristokratie als besondere Klassen abzusondern sind. Doch sind bisher keine Beweise bekannt für die Annahme, daß die Armee sich anders verhält als der Staatsapparat, dessen Bestandteil sie letzten Endes ist. Und was die Kolchosaristokratie betrifft, so liegen keine Anzeichen vor, daß die Spannungen zwischen Kolchosleitungen und einfachen Bauern Formen eines Klassenkampfes angenommen haben. In Zukunft ist eine solche Entwicklung möglich; sie ist sogar wahrscheinlich, wenn das Programm der Nationalisierung der Kolchose verwirklicht werden sollte. Darüber wird noch später zu sprechen sein.

Alle Teile der führenden Schicht — Partei-, Staatsapparat und Technische Intelligenz — bedurften für ihren Aufstieg der Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln. Das besagt zwar nichts über die Haltung der einzelnen Angehörigen dieser Schicht zum Kommunismus; sie könnten — sogar in ihrer Mehrheit — durchaus die einzelnen Maßnahmen, ja die Grundsätze der kommunistischen Diktatur ablehnen. Doch war keine ernste und erfolgversprechende Widerstandsbewegung zu erwarten, solange der stürmische Aufstieg von Millionen im Gange war. Die Alternative — Wiedereinführung des Privateigentums — wäre eine zu klare Bedrohung der gesellschaftlichen Stellung und der Aufstiegsmöglichkeiten dieser Menschen gewesen.

Heute aber ist die Bildung der neuen führenden Schicht im großen und ganzen abgeschlossen und das wichtigste Problem ist für sie heute nicht die Schaffung neuer Stellungen, sondern die Aufrechterhaltung der erworbenen Positionen und deren Übertragung an die inzwischen herangewachsenen Kinder. Das Problem der Wiederzulassung des Privateigentums und der privaten Initiative erscheint daher heute in einem anderen Licht. Natürlich handelt es sich bei der Frage: Staats-oder Privateigentum in der UdSSR nicht um die Frage der Übertragung der Industriewerke in private Hände, sondern um die Zulassung der privaten Initiative, um die Gewährung des Rechtes, in aller Offenheit das zu tun, was der von uns zitierte Pribytkow mit Gefahr für seine Freiheit, aber mit unzweifelhaftem Nutzen für die Allgemeinheit getan hat.

Die Frage der Wiedereinführung des Privateigentums hat verschiedene Seiten, und die Einstellung einzelner gesellschaftlicher Schichten dazu ist dementsprechend verschieden. Die mit dem Privateigentum untrennbar verbundene Schaffung von klaren Rechtsverhältnissen wie auch die wahrscheinliche Steigerung des Lebensstandards dürfte für alle gesellschaftlichen Schichten von Vorteil sein. Was aber die Einstellung einzelner gesellschaftlicher Schichten zum Problem des Privateigentums anbetrifft, so ist diese Frage äußerst kompliziert. Hier handelt es sich um ein politisches Problem; es müssen daher nicht nur die Vor-und Nachteile, die sich für die einzelnen Schichten ergeben würden, sondern vielmehr die politischen Auswirkungen eines solchen Programms berücksichtigt werden.

Man kann mit Sicherheit sagen, daß der Parteiapparat jeder Entwicklung, die auf die Wiedereinführung des Privateigentums hinzielt, mit schärfster Ablehnung gegenüberstehen wird, denn sie würde das Ende seiner Herrschaft, ja seiner Existenz als Klasse bedeuten. Alle anderen Schichten aber würden gewinnen — die Bauern und die Technische Intelligenz, weil sie zweifellos sofort von diesem Recht Gebrauch machen würden; die Arbeiterschaft, weil damit das Recht, die eigenen Interessen zu vertreten, z. B. das Streikrecht, verbunden wäre; der Staatsapparat, weil er sich auf diese Weise von der lästigen Überwachung durch die Partei befreien könnte. Nun ist freilich ein langer Weg von der Feststellung, daß die Mehrheit der Bevölkerung der Sowjetunion die Wiedereinführung des Privateigentums begrüßen würde, bis zu der Behauptung, sie würde eine solche Forderung aufstellen und gegebenenfalls durchsetzen. Ehe man dies behaupten kann, müßte man die Haltung der einzelnen gesellschaftlichen Schichten zu diesem Problem und zu einander genauer untersuchen. Generell kann man jedoch sagen, daß im Zusammenhang mit den Veränderungen der sozialen Struktur der Sowjetunion die Stellung der Partei stark erschüttert worden ist. Wir wissen, daß die Beseitigung des Privateigentums in Sowjetrußland möglich war, weil dies Millionen den Weg zum Aufstieg ebnete und weil der Parteiapparat die Schlüssel zu diesem Weg in der Hand hatte. Das ging, so lange die KPdSU eine Elitepartei war. Inzwischen sind aber aus 386 000 Parteimitgliedern auf dem ersten Parteitag nach Lenins Tod (April 1923) 7 Millionen geworden. Heute ist die Zugehörigkeit zur Partei keine Auszeichnung mehr, sondern eine selbstverständliche Formalität für die Angehörigen der oberen Klassen. Der Weg nach oben führt heute nicht mehr über die Partei, sondern über die Hochschule.

Die sog. Technische Intelligenz bildet die zahlenmäßig größte und wichtigste Klasse innerhalb der führenden Schicht der UdSSR. In den letzten Jahren wurde eine ganze Reihe von Untersuchungen über die Haltung dieser Klasse veröffentlicht. Alle Autoren stimmen darin überein, daß es sich bei den Angehörigen dieser Schicht um Menschen handelt, die stark ausgeprägtes Selbstbewußtsein und die Neigung zeigen, auf eigene Verantwortung zu handeln, auch wenn es darum geht, die bestehenden Gesetze zu brechen. Der „EconomSt" schreibt geradezu: „Wir haben es mit einem harten und selbstbewußten Typ zu tun, eng verwandt mit dem frühkapitalistischen europäischen Industriepionier des 19. Jahrhunderts und dem amerikanischen Wild-West-Sheriff aus der amerikanischen Grenzzeit."

Diese Neigung, auf eigene Verantwortung zu handeln, und die damit verbundene Bereitschaft, gegebenenfalls Gesetze zu überschreiten, hat ihren Ursprung in der Besonderheit der sowjetischen Wirtschaftsordnung. Die Betriebsleiter sind für die Erfüllung des Planes persönlich verantwortlich, auch dann, wenn die Nicht-Erfüllung des Planes etwa darauf zurückzuführen ist, daß die Lieferung von Rohstoffen oder Halbfertigwaren von anderen Unternehmen sich verzögert oder ausbleibt. Die Berufung auf „objektive“ Ursache wird nicht als Entschuldigungsgrund angenommen. Infolgedessen sind die Betriebsleiter angesichts der chronischen Unzulänglichkeiten der sowjetischen Planung gezwungen, zu ungesetzlichen Mitteln der Materialbeschaffung zu greifen. Die sowjetischen Fabrikdirektoren müssen ständig irgendwelche Vorschriften verletzen, um andere erfüllen zu können. Selbstverständlich öffnen solche Machenschaften Tür und Tor für persönliche Bereicherung; wenn ein Direktor ein schwarzes Geschäft im Werte von einigen Millionen Rubeln betätigen muß, um seinen Betrieb in Gang zu halten, fallen ein paar tausend, die er für sich persönlich abzweigt, gar nicht ins Gewicht.

Es ist schwer zu sagen, wie groß die Summe der Gelder ist, die auf solche oder ähnliche Weise in den Händen von Privatpersonen zusammenlaufen. Sie sind beträchtlich.

Die „Iswestija" vom 14. Januar 1953 berichtet zum Beispiel über einen „Privatunternehmer" Chatlamandshiew, der die Kohlenversorgung im Gebiet Woronesh organisierte und mit den Kohlengruben auf der Grundlage 50: 50 arbeitete. Die Zeitung erwähnt den Verdienst von 113 000 Rubel an einem Geschäft. Die gleiche Zeitung enthüllte am 8. Februar die Existenz von privaten — oder, wie sie offiziell geführt wurden, „auf dem Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung (chosrastschot) aufgebauten" — Theaterunternehmungen in Weißruthenien und erwähnt dabei Einnahmen von 2000 bis 8000 Rubel im Monat. Dabei handelt es sich nicht um das Honorar der Besitzer, die gleichzeitig als Zauberkünstler auftreten, sondern um „die Entschädigung für die Amortisation der Ausstattung“. Insgesamt soll die Staatliche Bühnenverwaltung Weißrutheniens Hunderttausende von Rubeln an die Privatunternehmer ausgezahlt haben. Da es sich dabei kaum um die größten Geschäftemacher handelt (es fällt auf, daß im Falle von Chatlamandshiew wohl seine Abnehmer, nicht aber seine Lieferanten erwähnt wurden) kann man annehmen, daß unter den sowjetischen Verhältnissen Vermögen von einer halben oder ganzen Million entstehen können. Solche Summen lassen die Frage der Investition akut werden, zumal auch die offiziellen Einnahmen manchmal recht bedeutende Ziffern erreichen. Die Schlußfolgerung zwingt sich auf, daß diese Menschen eine juristische Grundlage suchen werden für das, was sie sowieso tun. Das ist praktisch nur durch die Einführung des Rechtes auf Privateigentum möglich.

Die zweite für die Angehörigen dieser Schicht charakteristische Eigenschaft ist der Stolz auf Erfolg und eigene Leistung. Diese Haltung findet manchen Ausdruck in der sowjetischen Literatur. So lesen wir im Roman „Für eine gerechte Sache" von Wassilij Grossmann die Worte des „positiven Helden“ Tschepychin, Mitgleid der Akademie der Wissenschaften: „Vielen Menschen erscheint das junge und allumfassende Gefühl des Lebens-ziels als ein Überbleibsel, das sich unnötig und zufällig erhalten hat. Die Empfindungen des Alltags, die scharf, aber vergänglich sind, erfüllen ihre seelische Welt. Sie empfinden keine Einheit in diesem komplizierten, bunten Leben. Solche Menschen ernten oft kleine, aber befriedigende Erfolge. Doch können sie nie eine große Schlacht mit dem Leben gewinnen. Es gibt aber Persönlichkeiten und Charaktere, für die dieses einfache, jugendlich klare Gefühl und die Vorstellung vom Sinn und Ziel des Lebens eine Einladung zum Handeln darstellen . . . Eine der charakteristischsten Eigenschaften dieser Menschen ist die Fähigkeit, auf ihrem Wege andere Menschen mit sich zu führen.“

Grossmann wurde später im „Kommunist" scharf angegriffen, weil er die Heldenverehrung propagiere.

Stalin zog auch gegen die Genossen zu Felde, die alle dem Kapitalismus eigenen Kategorien auf die sowjetische Wirtschaft angewandt haben: die Arbeitskraft als Ware, den Mehrwert, das Kapital, den Kapitalprofit, die Durchschnittsprofitrate, die notwendige Arbeit und Mehrarbeit, notwendiges Produkt und Mehrprodukt usw. Offensichtlich sind die Bemerkungen Stalins nicht unbegründet, denn im Munde eines Poptapow wären diese Begriffe angebracht.

DIE NEUE GENERATION Die Untersuchung der Haltung der neuen sowjetischen Intelligenz wäre unvollständig, wenn man die Tatsache außer acht ließe, daß inzwischen die zweite Generation dieser Schicht herangewachsen ist, die sich immer deutlicher bemerkbar macht und die Zukunft des Landes bestimmen wird.

Im Westen gibt es eine weit verbreitete Vorstellung, daß die Haltung dieser Gruppe vor allem durch ihre „Erziehung im Geiste des Kommunismus" bestimmt sei. Bekanntlich hat sich die ideologische Linie der kommunistischen Partei der Sowjetunion im Laufe der letzten zwanzig Jahre mehrmals verändert, so daß unter anderem die Frage auftaucht, im Geiste welchen Jahres nun diese Jugend erzogen sein soll. Die bisherigen Erfahrungen zeugen davon, daß sie durchaus nicht nur aus begeisterten oder wenigstens linientreuen Kommunisten besteht und viele Zeichen deuten darauf hin, daß der ausschlaggebende Faktor in der Entwicklung eines jungen Intellektuellen in der Sowjetunion seine Herkunft ist. Der Sohn eines Generaldirektors fühlt sich als der Sohn des Generaldirektors, selbst wenn er Enkel eines Schuhmachers ist.

Am 11. Dezember 1952 wurde in der „Literaturnaja Gaseta“ ein Aufsatz von J. Strogowa, veröffentlicht. „Der Mythos von der leichten Arbeit“, der über die Haltung sowohl der Väter als auch der Söhne eine Reihe von interessanten Einzelheiten preisgibt. Die Verfasserin schreibt:

Dies geschah in einer Moskauer Technischen Hochschule. Vor dem Arbeitszimmer des Direktors saßen einige Genossen, die sehr ehrenvoll aussahen: Militärs in hohem Rang und Zivilisten mit riesgen, luxuriösen Aktentaschen . . . Sehr bald stellte sich heraus, daß es sich hier um Eltern handelte, die ihre Kinder» in Schutz nehmen” wollten. Ein älterer beleibter Vater erzählte laut, wie sein Sohn gekränkt wurde: „Der Junge lernte glänzend. Er hatte vor, Gelehrter zu werden. Und da wurde er plötzlich mir nichts dir nichts in die praktische Arbeit gesteckt und gezwungen, als gewöhnlicher Schlosser zu arbeiten! So ein Unfug! ... Da der Meister dem Jungen kein Test aussteilen wollte, wird er jetzt nicht zum Examen zugelassen. Hoffentlich ist der Direktor ein vernünftiger Mensch!“ Zu meinem großen Erstaunen fanden diese Worte den Beifall aller Zuhörer.

Was die Söhne anbetrifft, so schildert die Verfasserin sie folgendermaßen: „Keine Angst, es wird schon werden, alles geht auch ohne uns“ — ist der Ausdruck jener unbekümmerten und gleichgültigen Haltung junger Menschen, die gewöhnt sind, daß für sie alles getan wird, daß immer jemand da ist, der ihnen aus der Patsche hilft. Das ist die Einstellung von Menschen, die keine Schwierigkeiten kennen, sich um sie herumdrücken und sich hinter dem Rücken anderer verstecken.

GEGENSATZ ZUM PARTEIAPPARAT Das wichtigste Hindernis auf dem Wege der neuen Oberschicht zur weiteren Entfaltung und Festigung ihrer gesellschaftlichen Stellung ist der Parteiapparat, mit dem sie ständig in Konflikt kommt über die Frage: Wer soll das letzte Wort sagen — der Partei-oder der Fachmann? Nach dem gegenwärtigen Stand kann sich der Parteiapparat ständig in die Angelegenheiten der Technischen Intelligenz einmischen. Im Artikel VIII, Ziffer 58 des neuen Parteistatuts der KPdSU heißt es:

Zur Erhöhung der Rolle der Grundorganisationen der Partei in den Produktions-und Handelsbestrieben . . . wird diesen Organisationen das Recht de» Kontrolle über die Tätigkeit der Betriebsleitung eingeräumt.

Aus der sowjetischen Presse und aus zahlreichen Zeugenberichten geht eindeutig hervor, daß gerade diese Kontrolle von den eigentlichen Produktionsleitern als Schikane empfunden wird — und hier liegt die Quelle von ständigen Konflikten, die wohl verschleiert, niemals aber Ein anderer Literaturheld, aus Anatolij Sofronows Schauspiel „Der Moskauer Charakter", in Fabrikdirektor names Potapow, drückt sich einfacher aus und nennt das von ihm geleitete Werk „Mein Werk“. Stalin hielt es in seiner Arbeit „Über die ökonomischen Probleme des Sozialismus in der UdSSR" für nötig zu betonen, daß die „Direktoren der Betriebe, die vom Staat Produktionsmittel erhalten haben, nicht nur nicht deren Eigentümer sind, sondern im Gegenteil als Bevollmächtigte des Sowjetstaates . . . entsprechend den vom Staat übergebenen Plänen bestätigt werden“.

zurückweicht. Die Technische Intelligenz stellt eine in der modernen gelöst werden können, ohne daß die eine oder die andere Gruppe Wirtschaft absolut unentbehrliche Klasse dar. Es handelt sich um Menschen, die wissen, daß sie viel leisten, die es bereits zu erheblichem Wohlstand gebracht haben. Auch die Wiedereinführung der materiellen Ungleichheit durch die bolschewistische Regierung (z. B. Einführung des Leistungsprinzips, dessen Verfechterin in erster Linie die Technische Intelligenz war) war vor allem eine Konzession an diesen Menschentyp.

Was diesen Menschen noch fehlt, ist die persönliche Sicherheit und das Recht, über die Ergebnisse der eigenen Arbeit frei zu verfügen. Das ist ohne die Beseitigung oder zumindest Aushöhlung der kommunistischen Diktatur und ohne die Unverletzlichkeit des Privateigentums unmöglich. Die Geschichte lehrt, daß sich eine gesellschaftliche Schicht die im Aufstieg begriffen ist, früher oder später den Weg ebnet. Eine ganze Reihe von Umständen könnte den Sieg der Technischen Intelligenz erleichtern. In dieser Richtung wirkt vor allem die Tatsache, daß der Parteiapparat sich mehr und mehr in eine parasitäre Schicht verwandelt. Noch in den dreißiger Jahren hat 'der Parteiapparat eine bestimmte Funktion ausgeübt: Nach der völligen Zerschlagung des zaristischen Staates und während ein neuer Staatsapparat noch im Entstehen begriffen war, ermöglichte er die Durchführung jener umwälzenden, innenpolitischen Gewaltmaßnahmen, die in der Kollektivierung der Landwirtschaft und der Mobilmachung der Arbeitskräfte für die Industrialisierung gipfelten.

Heute werden alle laufenden Aufgaben durch die ordentlichen Staatsorgane erledigt. Dem Parteiapparat bleibt die Propagandatätigkeit und die „Kontrolle“, die beide vom Standpunkt der Technischen Intelligenz nicht notwendig sind, ja vielfach von ihr geradezu als Hemmnis und Bedrückung empfunden werden.

Auch die anderen gesellschaftlichen Klassen können, ja müssen in einem Programm der Unverletzlichkeit des Privateigentums den Ausdruck ihrer Interessen sehen. Der Staatsapparat, inklusive der Armee, der zwar hieran nicht direkt interessiert ist, würde doch dadurch die Vormundschaft des Parteiapparates abschütteln können, und die Forderung nach persönlicher Sicherheit, nach Schaffung eines Rechtsstaates ist für ihn genau so lebenswichtig wie für die Technische Intelligenz.

Zudem ist nicht zu vergessen, daß sich auch in Armee und Staatsapparat zwangsläufig eine Gruppe von Spezialisten entwickelt hat, die in vieler Hinsicht dieselben Züge wie die Technische Intelligenz. aufweist Was die Bauernschaft anbetrifft, so haben die Erfahrungen der ganzen Periode der Sowjetmacht eindeutig gezeigt, daß ihr Drang zum Privateigentum unausrottbar ist.

Etwas komplizierter ist die Frage der Arbeiterschaft, denn über ihr Ver-

halten — mit Ausnahme der Tatsache, daß sie sehr schlecht lebt und völlig entrechtet ist — wissen wir so gut wie nichts. Zwar gab es in den dreißiger Jahren einige Arbeiteraufstände in der Sowjetunion, doch hat es z. B. in der Wlassow-Bewegung keine ausgesprochenen Vertreter der Arbeiterbewegung gegeben.

STALINS RICHTLINIEN Allem Anschein nach hat Stalin diese Gefahrenzeichen für den Kommunismus erkannt, denn ohne diese Annahme ist seine letzte Arbeit und sind insbesondere die darin enthaltenen Richtlinien für die Innenpolitik schwer verständlich. Die wichtigste Schlußfolgerung, die er aus der Analyse der innenpolitischen Situation der UdSSR zieht, lautet: „Es wäre unverzeihliche Blindheit, wollte man nicht sehen, daß diese Erscheinungen Idas kollektivwirtschaftliche Gruppeneigentum und die Warenzirkulation] Je länger desto mehr das weitere Wachstum der Produktivkräfte unseres Landes hemmen werden. Folglich besteht die Aufgabe darin, diese Widersprüche zu beseitigen durch allmähliche Umwandlung des kollektivwirtschaftlichen Eigentums in allgemeines Volkseigentum und durch — gleichfalls allmähliche — Einführung des Produktenaustausches an Stelle der Warenzirkulation.“ Stalin schlägt weiter vor, „ein kulturelles Wachstum der Gesellschaft zu erreichen. das allen Mitgliedern der Gesellschaft eine allseitige Entwicklung ihrer körperlichen und geistigen Fähigkeiten gewährleistet . . . damit sie die Möglichkeit erhalten, ihren Beruf frei zu wählen und nicht infolge der bestehenden Arbeitsteilung zeit ihres Lebens an irgendeinen Beruf gefesselt sind.“

Die Erfüllung dieses Programms soll den Übergang von der sozialistischen Formel „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung“ zur kommunistischen Formel „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen" darstellen.

Lim den praktischen Sinn dieser Maßnahmen verstehen zu können, ist vor allem zu berücksichtigen, daß dieser Übergang gar nicht so unmöglich ist, wie es auf den ersten Blick erscheint. „Jedem nach seinen Bedürfnissen“ braucht im bolschewistischen Polizeistaat ja nicht zu bedeuten, daß jeder soviel bekommt, wie er will, sondern soviel, wie ihm der Staat zuteilen wird. Die Verwirklichung des Prinzips des Kommunismus könnte praktisch heißen, daß alle Menschen auf Rationen gesetzt werden, und der politische Sinn dieser Maßnahme wäre dann die Ablösung des Rechtsanspruchs auf eine der Leistung entsprechende Entlohnung durch das an nichts gebundene Recht des Staates, nach seinem Gutdünken die Bedürfnisse festzusetzen. Ein solcher Übergang vom Leistungsprizip zur Entlohnung „nach den Bedürfnissen" ist für diejenigen vorteilhaft, die erstens Bedürfnisse festsetzen und zweitens selber keine in Geldeinheiten ausdrückbaren Leistungen aufzuweisen haben — für den Parteiapparat nämlich. Ähnlich ist es auch um die anderen Vorschläge Stalins bestellt, vor allem um seine Vorschläge, die Warenzirkulation abzuschaffen und die Kolchosen „in allgemeines Volkseigentum“ zu verwandeln.

Stalin, hat den Vorschlag, das Eigentum der MTS an die Kolchose zu verkaufen, aus guten Gründen kategorisch abgelehnt. Er wußte aber, daß damit noch nichts getan ist. Solange die Warenzirkulation, der Verkehr der Güter nach dem Prinzip des Kaufs und Verkaufs existiert, werden solche aus wirtschaftlichen Erwägungen entspringenden Forderungen in dieser oder jener Form immer wieder auftauchen. Malenkow teilte z. B. in seinem Referat auf dem XIX Parteitag mit, daß die Kolchose begonnen haben, Fabriken, Ziegeleien, Reparaturwerkstätten und ähnliches mehr zu bauen. Auch beruht die Existenz des „heimlichen Kapitalismus“ der Pribytkows, Chatlawandshiews und ihresgleichen darauf, daß im Lande die Warenzirkulation existiert und die Abrechnung auf der Geld-Basis möglich ist. Außerdem stellt das Wertgesetz, das die Grundlage jedes Warenverkehrs bildet, die mächtigste Waffe in der Hand der Technischen Intelligenz im Kampf um die Festigung ihrer Stellung dar. Stalin widmet dem Problem des Wertgesetzes unter den Bedingungen des Sozialismus einen besonderen Abschnitt, wobei sein Grundgedanke ist, daß das Wertgesetz zwar berücksichtigt werden muß, daß es jedoch „unter unseren sozialistischen Produktionsbedingungen nicht der . Regulator der Proportionen'bei der Verteilung der Arbeit zwischen den verschiedenen Produktionszweigen sein kann.“

Praktisch handelt es sich hier um die Frage, ob die Volkswirtschaft nach wirtschaftlichen oder nach politischen Grundsätzen geführt werden muß. Man weiß, daß diese These Stalins gegen den ehemals prominentesten Vertreter der Technischen Intelligenz, Nikolaj Wosnessenskij, gerichtet ist, der gerade den Standpunkt vertrat, daß die Volkswirtschaft nach ökonomischen Gesichtspunkten geführt und innerlich ausgeglichen werden müsse. Auch ein anderer Versuch, der von Jaroschenko ausging, dem wirtschaftlichen Gesichtspunkt den Vorrang zu geben, scheiterte am erbitterten Widerspruch Stalins.

Stalins Ansicht läuft daraus hinaus, daß die weitere Aufrechterhaltung der kommunistischen Diktatur in Rußland ohne die Abschaffung der Warenzirkulation und ohne die Nationalisierung der Kolchose unmöglich ist. Das dürfte stimmen, denn die Summen, die sich im Umlauf befinden, sind heute um ein vielfaches größer, als sie vor zwanzig Jahren waren, und auch die wirtschaftliche Bedeutung der Kolchose hat sich inzwischen vervielfacht. Soziologisch gesehen ist das ein Angriff gegen die Technische Intelligenz und besonders gegen die sog. Kolchosaristokratie, denn mit Hilfe des Wertgesetzes und der Warenzirkulation können die Vertreter dieser Schicht ihre Leistungen mit Zahlen nachweisen und Kapital bilden. Ökonomisch gesehen ist es ein Schlag gegen die Volkswirtschaft, denn eine Aufhebung der Geldabrechnung würde zweifellos zur Senkung der Rentabilität führen. Der alternde Stalin hatte recht, wenn er die Aufrechterhaltung der Warenzirkulation und des Genossenschaftseigentums als eine Todesgefahr für den Kommunismus betrachtete. Nur hat er keinen Weg gezeigt, wie man es anders machen soll — es ist sehr schwer, unter den gegenwärtigen Umständen Kräfte zu finden, die gegen die von der Sowjetmacht selbst ins Leben gerufenen Eliten eingesetzt werden können wenn diese Kräfte sich nicht auch zugleich gegen den Parteiapparat wenden sollen. Wenn auch die Technische Intelligenz nicht überall beliebt ist, so ist doch der Haß des Volkes gegen die politischen Funktionäre ungleich größer.

Die Geschichte der Sowjetmacht zeigt, daß es möglich ist, der Volkswirtschaft einen ernsten Schaden zuzufügen, wenn dadurch der Aufstieg einer bedeutenden Anzahl neuer Männer gewährleistet wird. Auch diesmal empfiehlt Stalin den gleichen Weg. Sein dritter Programmpunkt lautet, daß alle Mitglieder der Gesellschaft die Möglichkeit haben sollen, „ihren Beruf frei zu wählen, damit sie nicht infolge der bestehenden Arbeitsteilung zeit ihres Lebens an irgendeinen Beruf gefesselt sind."

Bekanntlich ist die moderne Gesellschaft auf einer engen Spezialisierung der Fachkräfte aufgebaut. Und der Vorschlag Stalins muß wie ein Hirngespinst scheinen, wenn man ihn wörtlich nimmt. Man soll ihn aber nicht wörtlich nehmen. Zweimal in seiner Arbeit spricht Stalin von der verlockenden Perspektive der Zukunft, wo die Menschen „nicht ihr Leben lang an irgendeinen Beruf gefesselt sind“. Offensichtlich sind diese Worte an diejenigen adressiert, die ihren Beruf gerne wechseln möchten. Und so scheint es sich hier um die Empfehlung zu handeln, die besonders ungehorsamen Elemente der Technischen Intelligenz abzulösen. Angesichts der angespannten inneren und äußeren Lage der Sowjetunion erscheint es jedoch fraglich, ob der Staat sich einen solchen Raubbau an der so dringend benötigten Technischen Intelligenz leisten kann, denn politisch wirksam wäre eine solche Maßnahme nur, wenn sie im großen Maßstabe durchgeführt würde.

Auf dem flachen Lande scheint zwar der Versuch, die aus dem Kolchos emporgewachsene und mit dem Kolchos verbundene Elite abzulösen, bereits im Gange zu sein: in der sowjetischen Presse werden ständig Nachrichten darüber veröffentlicht, daß die Kolchosmitglieder die von außen gekommenen „Spezialisten“ zu Kolchosvorsitzenden gewählt haben — natürlich „freiwillig“. Aber dieser Versuch scheint nicht sehr erfolgreich zu verlaufen. Nach den bis jetzt vorliegenden Angaben neigen die „Zugereisten“ dazu, sich mit der ansässigen Bevölkerung zu verschmelzen. Oder sie versagen.

Aus Stalins Ausführungen kann man also die Schlußfolgerung ziehen, daß für die Aufrechterhaltung der kommunistischen Diktatur in Ruß-land notwendig sind: 1. Aufhebung der Warenzirkulation, 2. Nationalisierung der Kolchose, 3. Ablösung eines bedeutenden Teils der gegenwärtig führenden Schicht. Diese drei Aufgaben bilden den Hintergrund des Kampfes um die Erbschaft Stalins.

DIE LAGE NACH STALINS TOD Jeder Tag des nach Stalins Tod eingeführten „milden Kurses" festigt die Positionen der Technischen Intelligenz. Zwar gewinnt dadurch der Träger des Kommunismus — der Parteiapparat — Zeit, um die eigenen Reihen zu reorganisieren; wenn aber heute z. B. die Staatsanleihe nur die Hälfte der Vorjahrssumme ausmacht, so bedeutet das andererseits die Vergrößerung der Gelder, über welche die Potapows und Pribytkows verfügen, bedeutet das die Vergrößerung der Warenzirkulation, die Stalin als das größte Hindernis auf dem Wege zum Aufbau der kommunistischen Gesellschaft betrachtete. Was aber wollen Stalins Nachfolger unternehmen? Man kann doch nicht im Ernst hoffen, die Massen unter der Parole: „Nieder mit der Warenzirkulation! Es lebe der Produktenaustausch!" zu mobilisieren.

Das Gefährlichste für den Kommunismus in Rußland sind augenblicklich nicht die direkten Angriffe gegen das System, sondern die Gesetzesvorlagen, die „im Namen des Aufbaus der kommunistischen Gesellschaft“ Verhältnisse schaffen sollen, die in ihrer Konsequenz den Sturz des Kommunismus selbst herbeiführen können. Wosnessenskij verlangte nicht, daß die kommunistische Diktatur gestürzt wird, aber er war bestrebt, die Vollmachten der staatlichen Planungskommission zu erweitern. Jaroschenko sagte keinen Ton davon, daß der Kampf um die Weltrevolution nicht notwendig sei. Aber er stellte die Behauptung auf, daß „im Sozialismus der Hauptkampf um die Errichtung der kommunistischen Gesellschaft auf einen Kampf um die richtige Organisation der Produktivkräfte und ihre rationelle Ausnützung in der gesellschaftlichen Produktion hinausläuft"; Sanina und Wensher verlangten keineswegs den Sturz der kommunistischen Diktatur, aber sie schlugen vor, den Staat seines wichtigsten Mittels zur Kontrolle der Kollektiv-wirtschaften zu berauben.

Stalin konnte die Durchführung solcher Maßnahmen verhindern. Doch haben seine Nachfolger zunächst in einer Reihe von Prawda-Artikeln mit allem Nachdruck betonen müssen, daß die Zeit des Produktenaustausches noch nicht gekommen ist. Es kann sein, daß sie, die bei weitem nicht die Autorität Stalins besitzen, auch eine Reihe von anderen Maßnahmen werden durchführen müssen, die Stalin nicht genehmigt haben würde.

Die Rede Malenkows vor dem Obersten Rat der Sowjetunion deutet klar auf diese Entwicklung hin. Der Grundgedanke dieser Rede — soweit es sich um innenpolitische Angelegenheiten handelt — lautet: wir wollen den Lebensstandard heben und dazu müssen wir die Wirtschaft nach wirtschaftlichen Grundsätzen führen. Man kann sagen, daß Malenkow ziemlich alle ökonomischen Grundsätze Stalins umgeworfen oder — was wahrscheinlich ist — zurückgestellt hat. Malenkow fordert:

Die Handels-und Planungsorganisationen müssen den Warenbedarf der Bevölkerung gründlich studieren . . . Der Handel muß alle in seiner Hand befindlichen wirtschaftlichen Hebel in umfassender Weise in Bewegung setzen zur aktiven Einwirkung auf die Produktion zwecks Steigerung der Herstellung von Waren, die sich der Nachfrage der Bevölkerung erfreuen, und zur Einschränkung der Produktion solcher Waren, die bei der Bevölkerung nicht gefragt sind. (Prawda 9. 8. 53; deutscher Text: Tägliche Rundschau 11. 8. 53.)

Und dabei ist erst wenig Zeit vergangen, seit Stalin in seiner vor Jahresfrist erschienenen Schrift erklärte:

Völlig falsch ist die Behauptung, daß in unserer gegenwärtigen ökonomischen Ordnung ... das Wertgesetz angeblich die „Proportionen“ der Verteilung der Arbeit zwischen den verschiedenen Produktionszweigen reguliere.

Besonders in der Landwirtschaft werden die von Malenkow verkündeten Maßnahmen die Warenzirkulation bedeutend erweitern. Die Politik der Nationalisierung der Kolchose und sogar die der Verdrängung der einheimischen Kolchos-Führer durch auswärtige scheint zunächst zurückgestellt zu sein. Das Wort Sowchose gebraucht Malenkow fast nicht; er stellt sich die Kontrolle der Kolchose durch von außerhalb der Kolchose kommenden Kräfte anders vor, als dies bisher getan wurde. Er fordert: „Zuteilung von einem oder zwei landwirtschaftlichen Fachleuten an jeden Kolchos zu ständiger Arbeit, wobei diese Fachleute zum Stellenplan der Maschinen-und Traktorenstationen gehören sollen“.

Soweit man es auf Grund der von Malenkow veröffentlichten Zahlen beurteilen kann, wäre es jedoch zumindest sehr verfrüht, von einer bedeutenden Erhöhung des Lebensstandards der breiten Massen der Bevölkerung zu sprechen. Es dürfte zwar eine spürbare Verbesserung, keinesfalls aber eine Befriedigung der Lebensbedürfnisse der Bevölkerung eintreten. Dagegen muß die politische Bedeutung dieser Revision sehr hoch eingeschätzt werden. Im Kampf um die Nachfolge Stalins hat Malenkow die wichtigste Forderung der Technischen Intelligenz erfüllt — er erkannte das Prinzip an, daß die Wirtschaft nach wirtschaftlichen Grundsätzen geführt werden soll. Offen bleibt die Frage, ob sich dieses Prinzip auf die Dauer mit der Aufrechterhaltung der kommunistischen Diktatur in Rußland vereinbaren läßt. Stalin hat diese Möglichkeit ausdrücklich verneint, und Malenkow kommt nicht von der Wirtschaft, sondern von der Partei her. Die ersten Konzessionen wurden gemacht. Damit wurde ein für die Sowjetmachthaber gefährlicher Weg eingeschlagen.

BIBLIOGRAPHIE:

David Granick, „Initiative and Independence of Soviet Plant Management" in „The American Slavic and East European Review“, Okt. 51: Joseph S. Berliner „The Informal Organisation of the Soviet Firm" in „The Quarterly Journal of Economics", Aug. 52; G. Bienstock, S. Schwarz und Yugow: „Management in Russian Industrie and Agriculture“, New York 1946; „The Soviet Regime“ in „The Economist“ London 15. /22. 11. 52; Klaus Mehnert: „Auf Stalins Sonnenseite" in „Christ und Welt“, Stuttgart 30. 10.; 6. /13. 11. 52.

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