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Instrumentalisierte Feindschaften | Antisemitismus | bpb.de

Antisemitismus Editorial Antisemitismus – Was gibt es da zu erklären? Israel und der Antisemitismus. Antisemitismusdefinitionen im Kontext des Nahostkonflikts Der 7. Oktober als Zäsur für jüdische Communities in Deutschland Instrumentalisierte Feindschaften. Antisemitismus in muslimischen Communities und antimuslimischer Rassismus Antisemitismus in digitalen Räumen. Herausforderung für die politische Bildung Antisemitische Kommunikation im internationalen Vergleich "Mythos Auschwitz". Erinnerungskulturelle Deutungskämpfe von Rechtsaußen Shoahppropriation - Essay

Instrumentalisierte Feindschaften Antisemitismus in muslimischen Communities und antimuslimischer Rassismus

Sina Arnold Michael Kiefer

/ 13 Minuten zu lesen

Vorstellungen eines spezifisch "muslimischen Antisemitismus" bergen die Gefahr einer ungerechtfertigten Pauschalverdächtigung. Sowohl Antisemitismus als auch antimuslimischer Rassismus müssen ernst genommen werden, egal von wem sie ausgehen.

Seit dem 7. Oktober 2023 erleben wir erneut eine mit viel Verve geführte Diskussion zu den Ursachen, Verlaufsformen und dem Ausmaß des Antisemitismus in Deutschland. Dies mag nicht verwundern, haben der Angriff der Hamas auf israelische Zivilist:innen und der daran anschließende Krieg doch auch hierzulande dramatische Auswirkungen: Die Meldestellen des Bundesverbands RIAS dokumentierten allein in den ersten zwei Monaten nach dem Terrorangriff 994 antisemitische Vorfälle, darunter drei Fälle extremer Gewalt sowie 29 Angriffe, 32 Bedrohungen und 72 gezielte Sachbeschädigungen. Die Beratungsstelle für antisemitische Gewalt und Diskriminierung OFEK beobachtete 2023 eine Verzwölffachung der Unterstützungsanfragen gegenüber 2022. Juden und Jüdinnen erfahren Antisemitismus an Schulen und Hochschulen, in der Nachbarschaft, in öffentlichen Verkehrsmitteln, am Arbeitsplatz oder bei Demonstrationen.

Ein Anstieg ist auch bei den antisemitischen Straftaten zu verzeichnen: Seit dem 7. Oktober erfasste das Bundeskriminalamt etwa 2300 antisemitische Straftaten in Zusammenhang mit dem Nahostkrieg – insbesondere Sachbeschädigungen und Volksverhetzungen –, von denen die meisten einer "ausländischen" oder "religiösen Ideologie" zugeordnet werden (Stand: April 2024). RIAS erkennt unterschiedliche politische Täterspektren, betont jedoch, dass "der antiisraelische Aktivismus das Vorfallgeschehen besonders dominiert". Jeder fünfte Vorfall wird diesem Spektrum zugeordnet, weitere sechs Prozent der Fälle hätten einen islamistischen Hintergrund.

Der nicht so neue "Neue Antisemitismus"

Die mediale Berichterstattung und die dadurch ausgelösten Debatten befassten sich in den zurückliegenden Monaten insbesondere mit verschiedenen propalästinensischen Protestformen, die zumeist Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zugerechnet wurden. Tatsächlich gab es zahlreiche Demonstrationen und andere Aktionen, bei denen antisemitische Äußerungen getätigt wurden – und auf denen auch Menschen mit muslimischem Migrationshintergrund präsent waren. Das begeisterte Verteilen von Baklava auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln durch das palästinensische Samidoun-Netzwerk noch am Abend des 7. Oktober ist nur ein prominentes Beispiel.

Muslimische Communities standen rasch pauschal im Fokus der Aufmerksamkeit und sahen sich mitunter allgemeinen Verdachtszuschreibungen ausgesetzt. Vizekanzler Robert Habeck forderte wenige Wochen nach dem Hamas-Angriff explizit "die hier lebenden Muslime" auf, "sich klipp und klar von Antisemitismus zu distanzieren, um nicht ihren eigenen Anspruch auf Toleranz zu unterlaufen". Besonders sichtbar wurde die Pauschalisierung in der Berichterstattung über muslimische Schüler:innen, denen teilweise in toto islamistische und antisemitische Sichtweisen unterstellt wurden. Zwei Wochen nach dem Angriff der Hamas befasste sich die "Bild" mit "Israel-Hass an deutschen Schulen" und machte, unter Rückgriff auf den Präsidenten des Lehrerverbandes Stefan Düll, in ihrer Überschrift rasch die Schuldigen aus: "Schulklassen, in denen fast nur Muslime sitzen". Der Bonner "General-Anzeiger", der sich mit mutmaßlich islamistischen Einstellungen von Schüler:innen befasste, stellte die Frage, ob derzeit eine "Islamisierung" der Schulen beobachtet werden könne. Zuletzt konstatierte die "Neue Zürcher Zeitung" verallgemeinernd einen "blutigen Kulturkampf um die Schule", nachdem jüdische Schüler:innen Opfer von Mobbing geworden waren. Die immer wiederkehrende Botschaft dieser Texte: Der Islam ist schuld.

Die Themen und Gegenstände der Debatte sind jedoch nur die Fortsetzung einer Diskussion, die seit Anfang des Jahrtausends unter dem Schlagwort des "Neuen Antisemitismus" Judenfeindschaft unter Menschen mit muslimischem oder arabischem Hintergrund in den Blick nimmt, sowohl in den Herkunftsländern als auch in Westeuropa und Deutschland. Befördert wurde diese durch eine Vielzahl von Faktoren, unter anderem von den drei folgenden: erstens durch israelfeindliche Demonstrationen und Anschläge, die seit dem Jahr 2000 auch in Deutschland vorkommen; zweitens durch die Zunahme von islamistischen Terroranschlägen in Europa, für die der selbsternannte "Islamische Staat" maßgeblich verantwortlich zeichnete; und drittens durch muslimische Migration in europäische Länder.

In der Berichterstattung über die Folgen der Migration wurde teilweise der polemische Begriff des "importierten Antisemitismus" verwendet, womit das Problem bequem externalisiert und vom verbreiteten Antisemitismus unter "Alteingesessenen" abgelenkt werden kann. Darüber hinaus verkennt der Begriff die Entstehungsgeschichte und Semantik des modernen Antisemitismus, der in allen zentralen Aspekten von europäischen Akteuren im 19. und 20. Jahrhundert geprägt wurde. Erinnert sei hier nur an die lange "Erfolgsgeschichte" der verschwörungstheoretischen "Protokolle der Weisen von Zion", auf die sich auch die Hamas in ihrer ersten Charta von 1987 bezog. Ferner ignoriert der Begriff die Tatsache, dass Deutschland eine (post-)migrantische Gesellschaft ist: Etwa ein Drittel der hier lebenden Menschen hat einen Migrationshintergrund. Die mehr als fünf Millionen Muslime sind ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft. Wie in allen gesellschaftlichen Gruppen gibt es Antisemitismus auch unter den Nachfahren von Zugewanderten und religiösen Minderheiten – nur ist er deswegen noch lange nicht "importiert".

Islamisierter Antisemitismus

Um das Allgemeine und das Besondere des Antisemitismus im Kontext von Migration zu verstehen, ist es notwendig, Phänomene der Judenfeindschaft multidimensional zu betrachten. Dabei gibt es sowohl in der politischen als auch in der wissenschaftlichen Debatte seit über zwanzig Jahren Kontroversen über die passende Terminologie sowie anhaltende Differenzen über die Einschätzung der historischen Genese und Verbreitung des Phänomens.

Vorstellungen eines spezifisch "muslimischen Antisemitismus" bergen die Gefahr, dass sehr viele sehr unterschiedliche Menschen pauschal mit Judenfeindschaft assoziiert werden – Sunniten und Schiitinnen, Atheistinnen wie Islamisten, Ägypterinnen wie Indonesier. Diese Art der Verallgemeinerung zeigt sich wiederholt im öffentlichen Sprechen über den "Antisemitismus der Anderen". Gleichwohl ermöglicht die Bezeichnung "muslimischer Antisemitismus", auf durchaus bestehende religiöse Einflussfaktoren zu verweisen. Der Begriff des "arabischen Antisemitismus" ist ebenfalls nicht frei von Pauschalisierungen, kann jedoch regional spezifische ideologische Einflüsse, etwa den arabischen Nationalismus oder Panarabismus, erfassen. Zugleich verortet er Vorurteile und Weltbilder nicht ausschließlich in der Religion, sondern etwa auch in staatlicher Propaganda, die in der Regel nationalistisch orientiert ist.

Angemessen erscheint insbesondere der Begriff des "islamisierten Antisemitismus". Im Gegensatz zum Terminus "islamischer Antisemitismus", den unter anderem der Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi verwendet, wird in ihm deutlich erkennbar, dass Narrative Resultate ständiger Konstruktionsprozesse sind. In diesem Fall werden zentrale Erzählungen des modernen Antisemitismus an die islamische Tradition und deren Quellen rückgebunden. Die Grundlagen hierzu schuf der ägyptische Intellektuelle Sayyid Qutb bereits in den 1950er Jahren mit seiner Schrift "Unser Kampf mit den Juden". Darin verband er Elemente des europäischen Antisemitismus, insbesondere das Konstrukt der "jüdischen Weltverschwörung", mit Erzählungen aus dem Koran. Diese Synthese ergab die wirkmächtige Narration vom "jüdischen Verschwörer", der schon zu allen Zeiten den Islam beziehungsweise die Muslime bedroht habe.

Dies zeigt, dass sich der Antisemitismus im 20. Jahrhundert zu einem "flexiblen Code" entwickelt hat, der es ermöglicht, Narrative aus verschiedenen religiösen und kulturellen Kontexten zu kombinieren. Die Ergebnisse können offenbar problemlos in wiederum andere religiöse oder politische Kontexte eingebettet werden. Es handelt sich also um antisemitische Erzählungen, die sich aus mehreren Quellen mit jeweils unterschiedlichen historischen Kontexten speisen. Antisemitische Narrative sind folglich dynamisch und nicht statisch; sie passen sich den jeweiligen Zeitumständen an. Monothematische Erklärungsansätze, die der Religion die zentrale Rolle zuweisen, verkennen diesen Sachverhalt und führen zu undifferenzierten Sichtweisen. Diese können durchaus in eine rassistische Dimension münden, da sie mit pauschalen Zuschreibungen einhergehen.

Aktuelle Datenlage

Dass antisemitische Vorurteile in Deutschland wie global auch unter Menschen zu finden sind, die sich als Muslime bezeichnen, ist empirisch unstrittig. Erst jüngst haben der Politikwissenschaftler Jannik M.K. Fischer und der Kriminologe Peter Wetzels auf Grundlage von drei repräsentativen Befragungen "erheblich erhöhte Raten antisemitischer Einstellungen" unter Muslim:innen in Deutschland festgestellt. Die Ergebnisse zeigen, "dass bei Muslim:innen seit 2021 ein linearer Trend des Anstiegs manifester antisemitischer Einstellungen stattgefunden hat, der 2023 mit einer Rate von 17% einen vorläufigen Höchststand erreicht hat. Gleichzeitig zeigt sich damit allerdings auch, dass manifeste antisemitische Einstellungen unter der Gesamtgruppe der Muslim:innen in Deutschland auch gegenwärtig nur bei einer Minderheit anzutreffen sind."

Doch welche Wirkfaktoren führen zu antisemitischen Einstellungen – stehen diese wirklich in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Islam? Eine aktuelle Studie über Antisemitismus an deutschen Hochschulen der Soziolog:innen Thomas Hinz, Anna Marczuk und Frank Multrus gibt Hinweise darauf, dass Religion – in diesem Fall der Islam – kaum als alleiniger Wirkfaktor infrage kommt. In Bezug auf die muslimischen Befragten stellen die Autor:innen fest: "Muslimische Studierende zeigen häufiger antisemitische Einstellungen als christliche oder konfessionslose Studierende, was teilweise mit der eigenen und der familiären Herkunft aus einem Land, das an die Konfliktregion angrenzt, zusammenhängt. Aber auch Studierende mit einer christlichen Konfession unterstützen häufiger antisemitische Haltungen, wenn die Eltern aus einem solchen Land stammen."

Dies zeigt, dass Rezeption und Deutung des Nahostkonflikts nicht zwingend an Religionszugehörigkeiten gebunden sind. Dieser Befund deckt sich mit zahlreichen Studienergebnissen der vergangenen Jahre. Diese verweisen überdies darauf, dass die Selbstbezeichnung als "(stark) religiös" nicht unbedingt ausschlaggebend für die Stärke der antisemitischen Einstellungen ist, sondern eher die jeweilige Auslegung der Religion: Insbesondere dogmatisch-fundamentalistische oder traditionell-konservative religiöse Einstellungen begünstigen eine Feindschaft gegenüber Juden und Jüdinnen. Zudem, so ist es im "Berlin-Monitor" 2019 zu lesen, unterscheiden sich diejenigen Muslim:innen, die antisemitische Ressentiments haben, "hinsichtlich ihres Werte-Kanons und Einstellungspotentials" nicht von "konservativen und autoritären Kreisen der [nicht-muslimischen] deutschen Bevölkerung". Der Antisemitismus ist also eher ein Effekt konservativ-autoritärer Einstellungen als von Religion.

Antimuslimischer Rassismus

Die beschriebene Datenlage veranschaulicht das klare Bedrohungspotenzial und die anhaltende Präsenz von Antisemitismus seit dem 7. Oktober, und zwar in unterschiedlichen Milieus – darunter auch unter Muslim:innen. Die Debatte darüber ist gesellschaftlich aufgeladen und changiert zwischen Bagatellisierung auf der einen und Pauschalisierung auf der anderen Seite. Letztere mag eine der Ursachen dafür sein, dass auch der antimuslimische Rassismus in den vergangenen Monaten angestiegen ist. In den ersten sieben Wochen nach dem Hamas-Angriff dokumentierte die Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit CLAIM über 180 Fälle von gewaltvollen antimuslimischen Übergriffen, Beleidigungen und Drohungen – womit die Fallzahl bereits im November über dem Vorjahresniveau lag. Moscheen in ganz Deutschland erreichten Drohschreiben, die mit Fäkalien und Schweinefleisch gefüllt waren. Bis Anfang April 2024 registrierte das Bundeskriminalamt antimuslimische Straftaten im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt "im unteren dreistelligen Bereich". Menschen, die als muslimisch oder arabisch wahrgenommen werden, berichten vermehrt von Fremdheitsgefühlen und rassistischen Pauschalverdächtigungen, die ihnen entgegengebracht werden.

Diese Entwicklung reiht sich ein in einen seit Jahren verbreiteten Rassismus gegenüber Muslim:innen oder Menschen, die als solche wahrgenommen werden: "Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land" – dieser Aussage stimmten in der "Leipziger Autoritarismus-Studie" 2022 38 Prozent der Bevölkerung zu. Fast ein Drittel der Befragten befürwortete zudem eine vollständige Ablehnung der Zuwanderung von Muslim:innen. Laut "Religionsmonitor" der Bertelsmann Stiftung sehen 52 Prozent der deutschen Bevölkerung den Islam als (sehr oder eher) bedrohlich an – weit mehr als andere Religionen. Dies zeigt sich auch wiederholt im Alltag: Besonders muslimische Menschen erleben häufig Diskriminierung in Ämtern oder Behörden.

Auch eine vorgeschobene Antisemitismuskritik kann ein Vehikel für diskriminierende Vorurteile gegenüber Muslim:innen sein. In manchen Fällen lässt sich klar von einer Instrumentalisierung des Anti-Antisemitismus sprechen. So behauptete etwa der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke im April 2024 im Fernsehduell mit dem CDU-Politiker Mario Voigt, er sehe "keinen Antisemitismus ausgeprägten Maßes bei der ursprünglichen deutschen Bevölkerung". Vielmehr sei Antisemitismus "auch wieder ein Problem, das wir uns mit Migration ins Land geholt haben: millionenfache Einwanderung aus dem islamischen Kontext, die Islamisierung Deutschlands und Europas". Dabei ist gerade unter AfD-Wähler:innen Antisemitismus überdurchschnittlich verbreitet.

Diese Engführung und Verknüpfung der Themen Antisemitismus und Migrationspolitik ist indes nicht auf gerichtlich bestätigte Faschisten wie Höcke beschränkt. So forderte beispielsweise der CSU-Vorsitzende Markus Söder im November 2023 konsequente Abschiebungen als Antwort auf antisemitische Handlungen von (Post-)Migrant:innen sowie eine "grundlegende Neuordnung der Migrationspolitik".

Jenseits von Bagatellisierung und Pauschalisierung

Die derzeitigen Debatten in Medien, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik gehen häufig mit pauschalen Zuschreibungen einher. Sorgen und Ängste von betroffenen – jüdischen und muslimischen – Menschen werden für andere Zwecke instrumentalisiert.

Maßgebliche Akteure sind Extremisten vor allem aus dem islamistischen und rechtsradikalen Lager. Für das islamistische Lager können hier die verschiedenen Kanäle der transnationalen Bewegung Hizb ut-Tahrir angeführt werden. Deren Propagandisten werden nicht müde, Muslime als Opfer einer antimuslimischen Politik darzustellen, die angeblich weltweit zu beobachten sei. Die antisemitischen Gruppierungen finden auch Zulauf, weil Diskriminierungserfahrungen oft zu einem erhöhten Bedürfnis nach Identifikation mit einer – religiös oder ethnisch aufgeladenen – "Eigengruppe" führen können. Dies kann wiederum zu einer stärkeren Abgrenzung von vermeintlichen "Fremdgruppen", darunter Juden und Jüdinnen, führen. "Marginalisierungserfahrungen spielen den Viktimisierungsdiskursen von islamistischen Gruppen in die Hände", konstatierten unlängst die Politikwissenschaftler:innen Cemal Öztürk, Susanne Pickel und der Soziologe Gert Pickel. Die Rassismuserfahrungen sind dabei sicherlich nicht ursächlich für den Antisemitismus. Aber die ernsthafte Thematisierung von antimuslimischem Rassismus ist auch im Sinne der Antisemitismusbekämpfung und Extremismusprävention.

Auf der rechtsradikalen Seite agieren Akteure, die eine Vielzahl von gesellschaftlichen Problemstellungen monokausal mit Migration und Islam in Verbindung bringen. Vorurteile wie antimuslimischer Rassismus und Antisemitismus treten allerdings "statistisch mit hoher Wahrscheinlichkeit zusammen" auf, so ein Ergebnis der "Mitte-Studie" 2023. Dies zeigt sich in breiten Teilen der Bevölkerung, wird aber in der extremen Rechten besonders deutlich. Die integrale Verwobenheit dieser Ideologien findet sich insbesondere in der Verschwörungserzählung des "Großen Austauschs".

Aktuelle Arbeiten des Forschungsverbundes RIRA (Radikaler Islam versus radikaler Anti-Islam) zeigen, dass gesellschaftliche Polarisierung und wahrgenommene Bedrohungen in eine reziproke Radikalisierungsspirale münden können, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt massiv beschädigen kann. Es braucht deshalb Debattenbeiträge, die die vorhandenen Problemstellungen sachgerecht und lösungsorientiert angehen. Hierzu gehört auch, dass unbequeme Meinungen und Befunde der jeweils anderen Seite nicht mit unangemessenen und schädlichen Verdachtszuschreibungen belegt werden. Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus müssen ernst genommen werden – egal von wem sie ausgehen und ohne in eine Opferkonkurrenz zu geraten.

ist promovierte Sozialwissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Antisemitismusforschung sowie am Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt an der Technischen Universität Berlin.

ist promovierter Islamwissenschaftler und Inhaber der Professur Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft mit dem Schwerpunkt muslimische Wohlfahrtspflege an der Universität Osnabrück.