„Jeder Mensch hat das Recht, einzeln wie auch in Gemeinschaft mit anderen, den Schutz und die Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene zu fördern und darauf hinzuwirken.“ So lautet Artikel 1 der UN-Deklaration zu Menschenrechtsverteidiger*innen, welche die UN-Vollversammlung anlässlich des 50. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Dezember 1998 verabschiedete.
Wer sind Menschenrechtsverteidiger*innen?
„Human rights defenders“ – übersetzt: Menschenrechtsverteidiger*innen (MRV) – bezeichnen im Sprachgebrauch der Vereinten Nationen alle jene Menschen, die sich einzeln oder gemeinsam mit anderen friedlich für Menschenrechte einsetzen. Um MRV zu sein, bedarf es keiner besonderen Qualifikation. Jeder Mensch kann Verteidiger*in der Menschenrechte sein.
Das Spektrum umfasst die gesamte Palette bürgerlicher und politischer Menschenrechte, von der Abschaffung der Todesstrafe und dem Verbot der Folter über den Schutz vor willkürlicher Verhaftung und dem Recht auf ein faires Gerichtsverfahren bis hin zur Versammlungs-, Vereinigungs-, Meinungs- und Religionsfreiheit. Ebenso bekämpfen MRV die vielfältigen Formen von Diskriminierung und Rassismus. Viele treten für die Rechte einzelner Bevölkerungsgruppen ein, etwa für Menschen mit Behinderung, Kinder, Frauen, LGBTIQ+ oder ethnische Minderheiten. Stark zugenommen hat in den vergangenen Jahrzehnten auch die Zahl all jener Menschen, die sich für die Umsetzung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte stark machen. Darunter fallen etwa die Rechte auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen, soziale Sicherheit, Gesundheit, Nahrung, Wohnen, Wasser und Sanitärversorgung, Bildung sowie die kulturellen Rechte von Minderheiten. Zusehends anerkannt wird auch, dass Menschen, die sich für Umweltrechte und Klimagerechtigkeit einsetzen, sogenannte environmental defenders, ebenfalls Menschenrechte verteidigen können. Dasselbe gilt für migrant defenders hinsichtlich der Einforderung und Verteidigung der Rechte von geflüchteten Menschen. Selbst der Kampf gegen endemische Korruption kann darunterfallen, da diese die gleichberechtigte Nutzung der Menschenrechte unterminiert.
Was tun Menschenrechtsverteidiger*innen?
MRV können als Einzelpersonen handeln, wenn sie zum Beispiel im Alltag Ausgrenzung und Diskriminierung entgegentreten, in den sozialen Medien Missstände anprangern oder Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen helfen. Oft sind sie jedoch in lokalen Initiativen und nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) organisiert und/oder wirken in sozialen Bewegungen mit. Dabei tun sich vielfältige Handlungsfelder auf.
Am sichtbarsten sind Proteste und Kampagnen gegen drohende oder bestehende Menschenrechtsverletzungen, die ihrerseits wiederum vielfältige Formen annehmen können: von einfachen Flugblättern über Online-Aktivismus bis hin zu Mahnwachen, Lichterketten, Prozessionen, Massendemonstrationen und anderem mehr. Auch künstlerische Proteste (Graffiti, Protestsongs, Performances) gehören dazu. Hinzu kommt ein weites Feld symbolischer Aktionen. Darunter fällt beispielsweise das Tragen bestimmter Farben, wie es einst die „Madres de la Plaza de Mayo“ mit ihren weißen Kopftüchern in Argentinien oder später die „Damen in Weiß“ in Kuba praktizierten. Mitunter begehen MRV auch gezielt Tabubrüche, wie etwa im Falle protestierender Frauen im Iran, die ihre Haare abschneiden oder in der Öffentlichkeit das Kopftuch ablegen. Letzteres steht im Iran unter Strafe – so wie viele andere Protestformen, die in funktionierenden Demokratien legal und legitim sein sollten, in Autokratien aber verboten sind und unterbunden werden.
Menschenrechtsaktivismus beschränkt sich aber nicht nur auf öffentlichkeitswirksame Proteste. Wichtig ist auch, die Menschenrechtslage systematisch zu beobachten und Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren, wie dies etliche NGOs tun. Auch Menschenrechtsbildung ist in diesem Zusammenhang wichtig, darüber hinaus geht es um die Stärkung der Organisations- und Handlungsfähigkeit von MRV und um das menschenrechtliche Empowerment der in ihren Rechten verletzten oder bedrohten Bevölkerungsgruppen, damit diese ihre Rechte wirksam einfordern können. Dies schließt juristischen Beistand ein, um Betroffene darin zu unterstützen, bestehende nationale wie internationale Klage- und Beschwerdemöglichkeiten auszuschöpfen, um gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen. Auch andere Kontrollverfahren (Berichte, Untersuchungen) werden von MRV genutzt, um menschenrechtliche Anliegen vorzubringen, etwa in Form von „Schattenberichten“ an internationale Menschenrechtsausschüsse.
Weiterhin gehört der Schutz von Menschen vor staatlicher Verfolgung zu den „klassischen“ Handlungsfeldern der Menschenrechtsarbeit. Angesichts repressiver Gesetze und Praktiken sehen sich viele MRV dazu gezwungen, sowohl Fremd- als auch Eigenschutz zu betreiben und sich gegen bürokratische Schikanen, Schmutzkampagnen und strafrechtliche Anzeigen zur Wehr zu setzen, was nicht nur viel Zeit und Energie kostet, sondern oft auch eine große psychische Belastung darstellt. Zudem bieten – oft spezialisierte – NGOs Unterstützung für Betroffene von massiven Menschenrechtsverletzungen an, etwa für Folteropfer oder Betroffene von Menschenhandel. Schließlich wirken MRV auch bei der Dokumentation von Menschenrechtsverbrechen der Vergangenheit mit. Die 1989 in Russland gegründete und dort inzwischen aufgelöste Menschenrechtsorganisation Memorial mit ihrem Schwerpunkt auf der historischen Aufarbeitung politischer Gewaltherrschaft ist hierfür ein prominentes Beispiel.
Im Visier der Mächtigen
Menschenrechtsverteidiger*innen, die sich für ihre eigenen Rechte oder die Rechte anderer einsetzen, sind ein treibender Motor des weltweiten Menschenrechtsschutzes.
Gerade Autokraten reagieren in Wort und Tat zumeist scharf auf menschenrechtliche Kritik. Um diese zu unterbinden, werden zivilgesellschaftliche Handlungsräume eingeschränkt und MRV etwa als „Nestbeschmutzer“ und „Handlanger des Auslands“ diffamiert oder als „Unruhestifter“, „Terroristen“ und „Staatsfeinde“ kriminalisiert und verfolgt. Der Atlas der Zivilgesellschaft, den das Hilfswerk Brot für die Welt jährlich auf Grundlage des CIVICUS-Monitors erstellt,
Zu diesen 76 Staaten kommen weltweit weitere 40 Länder hinzu, in denen die Regierenden und ihre Unterstützergruppen kritische zivilgesellschaftliche Organisationen zu zersetzen versuchen, etwa indem sie diese überwachen, bürokratisch schikanieren und öffentlich verleumden. Auch in diesen Ländern werden MRV von Regierenden, regimeloyalen Medien und mitunter großen Teilen der Gesellschaft als Personen diffamiert, welche die innere Ordnung gefährden, das Ansehen des Landes beschädigen, dessen Entwicklung behindern und/oder das Geschäft des Auslands betreiben. So sind MRV in vielen – nicht nur offen autokratisch regierten – Ländern mit einem nationalistischen Gegendiskurs konfrontiert, der die Legitimität ihres Engagements infrage stellt und gegenüber dem Ausland auf die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten pocht. Innerhalb der EU ist dies bislang am deutlichsten in Polen und Ungarn der Fall. Aber auch die Hassreden von Rechtspopulisten in anderen Ländern Europas und der Welt sind hier Grund zur Besorgnis.
Breite Repressionspalette
Die Repressionen, die vor allem in Autokratien zur Anwendung kommen, sind breit gefächert. Sie reichen von Bedrohungen, Diffamierungen und Verleumdungen über bürokratische Schikanen, fingierte Anschuldigungen und strafrechtliche Verfolgung bis hin zu gewaltsamer Unterdrückung. Betroffen sind zunächst politische Rechte wie die Vereinigungs-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit, da öffentliche Regime- und Menschenrechtskritik zum Verstummen gebracht werden soll. Darüber hinaus betrifft die Repression aber etwa auch die Rechte auf Leben und Gesundheit, auf Freiheit und Sicherheit, auf Privatsphäre und Schutz der Familie, auf Arbeit und Bildung oder auch auf kulturelle Teilhabe.
Repression ist dabei ein zweischneidiges Schwert: Einerseits kann die Erfahrung mit staatlicher Unterdrückung mobilisierend wirken, wenn sich die Menschen in Auseinandersetzung mit dem Staat über Gewaltexzesse empören – und gleichzeitig das Regime die Proteste nicht im Keim zu ersticken oder zu unterdrücken vermag. Andererseits lehren uns die Erfahrungen mit den vielzitierten „shrinking spaces for civil society“,
Selbst wenn es zeitweise zu Massenprotesten kommt, können der Veränderungsglaube und die vermeintliche Sicherheit in der Masse trügerisch sein. Jüngere Beispiele in Venezuela (2018/19), Nicaragua (2018/19), Hongkong (2019/20), Belarus (2020), Myanmar (2021) und möglicherweise auch im Iran (2022/23) veranschaulichen, wie selbst große Massenproteste erfolglos bleiben, ausklingen und repressiv zum Verstummen gebracht werden können. So kann infolge von Repression die Mobilisierungskraft von Protestbewegungen schwinden, wenn sich die Menschen damit dauerhaft einem Risiko ausgesetzt sehen. Um den Verfolgungsdruck zu vermindern, lassen sich zwar menschenrechtliche Proteste mitunter kreativ an repressive Bedingungen anpassen. Doch angesichts der Gefahren nehmen viele Menschen von politischen Aktionen Abstand und ziehen sich kurzfristig oder dauerhaft ins Private zurück. Andere setzen sich ins Ausland ab. Wiederum andere radikalisieren sich womöglich.
Während systematische physische Verfolgung sowie willkürliche Haft und Strafverfolgung durch eine politische Justiz zu Recht große internationale Aufmerksamkeit erfahren, sei der Blick auch auf gesetzliche und bürokratische Restriktionen gerichtet, die auf subtilere Weise Regime- und Menschenrechtskritik zu unterbinden suchen. Einen regelrechten Boom weltweit erlebten vor allem in den 2010er Jahren restriktive NGO-Gesetze,
Da die Eingriffe in die Rechte der Betroffenen oft mit vorderhand legitimen Zwecken – wie etwa der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder der Bekämpfung von Separatismus und Terrorismus – gerechtfertigt werden, besteht die menschenrechtsdogmatische Herausforderung darin, zu zeigen, dass und inwiefern solche Eingriffe nicht mehr rechtsstaatlichen Prinzipien genügen, weil die Ziele und Mittel keiner freiheitlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten. Um vordergründigen Rechtfertigungen von Autokraten etwas entgegenhalten zu können, reicht es nicht aus, lediglich auf die Eingriffe in Menschenrechte hinzuweisen; da die allermeisten Menschenrechte nicht absolut gelten, muss auch gezeigt werden, dass illegitim und unverhältnismäßig in die Menschenrechte eingegriffen wird. Solche Verhältnismäßigkeitsprüfungen sind selbstverständlich auch in Demokratien nötig, denn auch hier kann es zu Menschenrechtsverletzungen kommen. Rechtsstaatlich bedenkliche Eingriffe im großen Stil in die Vereinigungs-, Versammlungs- oder Meinungsfreiheit etwa sind ein deutliches Zeichen für eine Autokratisierung des politischen Systems. In Indien, der „weltweit größten Demokratie“, hat sich die Lage für MRV in diesen Bereichen zuletzt erheblich verschärft.
Institutionalisierung des Schutzes
Die internationale Staatengemeinschaft hat sich zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen verpflichtet. Die eingangs erwähnte UN-Erklärung über MRV von 1998 war hier ein Meilenstein. Sie ruft die Staaten dazu auf, MRV „vor jeder Gewalt, Bedrohung, Vergeltung, tatsächlicher oder rechtlicher Diskriminierung, jedem Druck sowie vor jeglichen anderen Willkürhandlungen“ zu schützen (Artikel 12 Absatz 2). Zwei Jahre später setzte die damalige UN-Menschenrechtskommission die erste UN-Sonderberichterstatterin zur Lage der MRV ein. Nach Hina Jalini (Pakistan, 2000–2008), Margaret Sekaggya (Uganda, 2008–2014) und Michel Forst (Frankreich, 2014–2020) ist Mary Lawlor (Republik Irland), die Gründerin von Front Line Defenders, nun die vierte UN-Sonderberichterstatter*in, die sich für die Umsetzung der UN-Erklärung stark macht und thematische und länderbezogene Berichte über die Gefährdung von MRV erstellt.
Auf regionaler Ebene nahm die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) 1999 erstmals eine Resolution zu MRV an und setzte 2001 einen entsprechenden Arbeitsbereich ein, der 2011 in ein Berichterstattungsbüro zur Lage der MRV überführt wurde. Die Afrikanische Kommission für Menschenrechte wiederum verabschiedete seit 2004 mehrere Resolutionen zum Schutz von MRV in Afrika und ernannte 2005 erstmals einen Sonderberichterstatter, dem 2020 eine Unterstützergruppe beiseitegestellt wurde. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nahm sich des Themas an, schuf 2007 eine Kontaktstelle für MRV beim Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) und erarbeitete 2014 – auf Drängen zivilgesellschaftlicher Organisationen – Leitlinien zum Schutz von MRV in der OSZE-Region, die 57 Staaten in Europa, Zentralasien und Nordamerika umfasst. Auch verfügt die OSZE seit 2015 über Leitlinien zum Recht auf Vereinigungsfreiheit, die sie gemeinsam mit dem – seit Russlands Ausschluss im März 2022 – 46 Staaten umfassenden Europarat, dem „Hüter der europäischen Menschenrechtsverträge“, entwickelt hat.
Die Leitlinien der Europäischen Union zum Schutz von MRV von 2004, die 2008 überarbeitet wurden, richten das Augenmerk hingegen auf die Menschenrechtsaußenpolitik gegenüber sogenannten Drittstaaten. Sie geben den Auslandsvertretungen der EU und der EU-Mitgliedstaaten praktische Anregungen zum Schutz von MRV an die Hand und fordern die Unterstützung entsprechender UN- und regionaler Schutzmechanismen ein. Die Umsetzung der Leitlinien ist Bestandteil des Strategischen Rahmenplans der EU für Menschenrechte und Demokratie (2012) und der darauf aufsetzenden Aktionspläne (2012–2014, 2015–2019, 2020–2024). Doch schon lange wird kritisiert, dass die Leitlinien zu wenig bekannt sind und nicht hinreichend in Wert gesetzt werden.
Bezeichnenderweise forderte das Europäische Parlament in seiner Entschließung zum Menschenrechts-Jahresbericht 2022 alle EU-Delegationen auf, die ordnungsgemäße Umsetzung der Leitlinien sicherzustellen und MRV stärker zu unterstützen. Konkret fordert es von den EU-Delegationen unter anderem, „Fälle von Unterdrückung und Verfolgung von Menschenrechtsaktivisten, der demokratischen Opposition und von Bürgerrechtlern bei den staatlichen Behörden zur Sprache zu bringen und, wenn die betroffenen Personen in Haft sind, ihre Situation zu überwachen, sie im Gefängnis zu besuchen, an ihren Gerichtsverfahren teilzunehmen und ihre Fälle in den Menschenrechtsdialogen, die die Union mit den betreffenden Ländern führt, zur Sprache zu bringen“. Offenbar geschieht dies aus Sicht des Parlaments zu wenig. Auch mahnt das Europäische Parlament eine engere Zusammenarbeit zwischen den EU-Delegationen, den Botschaften der EU-Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft an.
Schutzprogramme
Weltweit und innerhalb der Europäischen Union gibt es eine Vielzahl und Vielfalt an Schutzprogrammen für MRV. Diese werden häufig von NGOs getragen, nicht selten mittels öffentlicher Projektgelder. Mit dem „EU-Mechanismus für Menschenrechtsverteidiger“ steht beispielsweise ein eigenes Programm zur Verfügung, um MRV weltweit zu unterstützen. Es wird über ProtectDefenders.eu, ein Konsortium von 12 NGOs, verwaltet und konnte Eigenangaben zufolge in den ersten beiden Phasen des Programms (2015–2022) mit 35 Millionen Euro insgesamt 58.000 MRV und ihre Angehörigen in 120 Ländern unterstützen. Die Unterstützung reicht von direkten Förderungen von Personen, Gruppen und Organisationen über sichere Unterbringungen, Schulungen und Capacity-Building bis hin zu „Outreach-“ und „Advocacy-Aktivitäten“. Die dritte Phase (2022–2027) startete mit 30 Millionen Euro, finanziert über das 1,5 Milliarden Euro starke Global Europe Human Rights and Democracy Programme (2022–2027), das darüber hinaus viele Menschenrechtsbereiche fördert, die auch MRV zugutekommen. Weiterhin gibt es einen EU Emergency Fund for Human Rights Defenders at Risk, der von der EU direkt verwaltet wird und kleinere emergency grants an MRV vergibt. 1.600 MRV und ihre Angehörigen in 100 Ländern sollen so zwischen 2014 und 2022 unterstützt worden sein.
In Deutschland besteht mit der 2020 gegründeten Elisabeth-Selbert-Initiative ein vom Auswärtigen Amt in Kooperation mit dem Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) aufgestelltes Schutzprogramm, das MRV einen temporären Aufenthalt in Deutschland oder innerhalb der Herkunftsregion ermöglicht. Es ergänzt vier weitere öffentlich geförderte Schutzprogramme für gefährdete Wissenschaftler*innen, Studierende, Kulturschaffende und Journalist*innen.
In vielen weiteren Ländern haben zivilgesellschaftliche Organisationen, Stiftungen, Städte, Parlamente sowie Regional- oder Zentralregierungen teils eigenständig, teils kooperierend Schutzprogramme für MRV aufgelegt. Auch wurden in manchen Staaten eigens nationale Gesetze zum Schutz von MRV verabschiedet. Allerdings sind diese kein Garant für einen guten Schutz. In den lateinamerikanischen Staaten Brasilien, Guatemala, Honduras, Kolumbien und Mexiko beispielsweise sind entsprechende Gesetze oder Programme eher ein Anzeichen für ein anhaltendes Problem als dessen Lösung, gehören sie doch zu den gefährlichsten Ländern für MRV.
Erfolgsgeschichten und Solidarität
So wichtig es ist, die Probleme von MRV zu beschreiben, so wichtig ist es auch, Erfolgsgeschichten zu erzählen, die sich überall auf der Welt ereignen. Die gegenwärtige UN-Sonderberichterstatterin zu MRV veröffentlichte aus diesem Grund jüngst einen Bericht, der 25 Jahre nach der Verabschiedung der eingangs erwähnten UN-Erklärung zu MRV auf solche Erfolge hinweist.
Dabei wird aber eines deutlich: Menschenrechtliche Erfolge stellen sich nicht über Nacht ein. Sie sind Ergebnis langwieriger und hartnäckiger Bemühungen, ein Problembewusstsein für menschenrechtliche Missstände zu schaffen und auf deren Behebung zu drängen – und dies unter oft widrigen und gefährlichen Bedingungen, die MRV ein hohes Maß an Resilienz abverlangen. Wer daher leichtfertig die Menschenrechte als ein rein westliches Produkt abtut, wird den vielen Menschen weltweit nicht gerecht, die in ihren Ländern unter großen Gefahren gegen Ausgrenzung, Unterdrückung und Verfolgung aufbegehren und sich dabei ausdrücklich oder in der Sache auf Menschenrechte beziehen.
Die vielen engagierten MRV gilt es daher zu würdigen und solidarisch zu unterstützen, und zwar ohne sie zu bevormunden oder ihnen gar versehentlich zu schaden. Durch Diffamierungskampagnen und NGO-Gesetze, die sich gegen die ausländische Unterstützung von MRV richten, wird dies zwar erschwert. Doch das für den Menschenrechtsschutz so wichtige Band zwischen den MRV vor Ort und der internationalen Menschenrechtsgemeinschaft, das viele repressive Regierungen zu kappen versuchen, gilt es unbedingt zu bewahren oder auch erst zu knüpfen. Internationale Sichtbarkeit und öffentliche Kampagnen entfalten zwar nicht immer, aber doch oft eine schützende Wirkung für MRV