Mit dem Erfolg der Piratenpartei bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im Herbst 2011 ist auch "Netzpolitik" verstärkt in den öffentlichen Fokus gerückt. Dabei wird häufig übersehen, dass es das Politikfeld vorher schon gab (und auch, dass sich die Piraten nicht mehr nur mit Internetfragen beschäftigen). Die interaktiven digitalen Medien sind heute ein fester Bestandteil vieler Alltagsbereiche, ihre Bedeutung für Politik und Gesellschaft wird niemand mehr ernsthaft bestreiten.
Anlässe, über die Rolle und die Gestaltung des Raumes Internet nachzudenken, gab es in den vergangenen Jahren zuhauf: die Debatte um die Einführung von "Internetsperren" zur Bekämpfung von Kinderpornografie, die Veröffentlichung von vertraulichen Botschaftsdepeschen durch Wikileaks, die "kollaborative Plagiatsdokumentation" zur Dissertation Karl-Theodor zu Guttenbergs oder jüngst der massive Protest zahlreicher Online-Plattformen gegen die geplante Antipirateriegesetzgebung in den USA. Den damit verbundenen Fragen - häufig zugespitzt auf den vermeintlichen Gegensatz "Freiheit oder Sicherheit" - wird zunehmende Priorität eingeräumt, wie auch die Einrichtung der Enquête-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" des Deutschen Bundestages zeigt.
Durch die Revolutionen in der arabischen Welt schließlich, bei denen das social web eine wichtige Rolle spielte, fühlen sich diejenigen bestätigt, die dem Internet an sich bereits demokratisierende Kraft zuschreiben. Auf der anderen Seite beobachten viele den wachsenden Einfluss einzelner Internet-Unternehmen mit Unbehagen und kritisieren die anonyme "Macht der Algorithmen". Die Qualität der Demokratie im digitalen Zeitalter könnte sich also unter anderem an der Frage bemessen, inwiefern berechtigte Forderungen nach Transparenz und Beteiligung auch gegenüber diesen privatwirtschaftlichen Akteuren geltend gemacht werden (können).