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Kontrovers und sexy - Kampagnen der Tierrechtsorganisation PETA

Kathrin Voss

/ 16 Minuten zu lesen

Die Tierrechtsorganisation People for the Ethical Treatment of Animals ist bekannt für aufsehenerregende und polarisierende Kampagnen. PETA setzt dabei auf Konfrontation, schockierende Bilder, Lifestyle und Prominente.

Einleitung

Ein Krieg für Tiere" , "Wo Tiere die besseren Menschen sind" , "al-Qaida für die Tiere" , "Ungemeinnützig" - so betitelten deutsche Medien Artikel über die Tierrechtsorganisation PETA (People for the Ethical Treatment of Animals). Wie kaum eine andere Nichtregierungsorganisation (NGO) polarisiert PETA, schockiert durch extreme Bilder, setzt auf prominente Unterstützung und versteht es, mediale Aufmerksamkeit zu generieren. Durch ihre aufsehenerregenden Kampagnen steht PETA inzwischen fast synonym für die Tierrechtsbewegung und ist zum Vorbild für andere Organisationen geworden.

Tierrecht - nicht Tierschutz

PETA versteht sich als Tierrechtsorganisation und beschreibt die Leitidee wie folgt: "PETA handelt nach dem einfachen Prinzip, dass wir Menschen nicht das Recht haben, Tiere in irgendeiner Form auszubeuten, zu misshandeln oder zu verwerten." Die Organisation wurde 1980 in den USA gegründet. Daneben gibt es PETA in weiteren Ländern, seit 1994 auch in Deutschland. PETA selbst bezeichnet sich als weltweit größte Tierrechtsorganisation, wobei klassische Tierschutzorganisationen zum Teil deutlich mehr Unterstützer haben. Während sich allerdings Tierschutzorganisationen in erster Linie für eine Verbesserung der Lebensumstände von Tieren engagieren, sind Tierrechtsorganisationen wie PETA generell gegen die Nutzung von Tieren. Nutz- und Haustiere stehen aber bei beiden Organisationstypen im Fokus. Wildtiere hingegen werden meist bewusst nicht mit einbezogen. PETA distanziert sich ausdrücklich vom Thema Artenschutz. Trotzdem gibt es durchaus Überschneidungen mit Umwelt- und Naturschutzorganisationen, denn auch Organisationen wie Greenpeace oder der BUND beschäftigen sich mit Nutztieren. Allerdings konzentrieren sich diese NGOs eher auf die Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft und der Massentierhaltung auf Mensch und Umwelt. Überschneidungen gibt es in diesem Bereich auch zu einigen Verbraucherschutzorganisationen, wie zum Beispiel Foodwatch. Aber auch hier steht der Mensch im Mittelpunkt, das Wohl der Tiere ist nur eine sekundäre Argumentationslinie. Bei PETA und anderen Tierrechtsorganisationen hingegen liegt das Hauptaugenmerk auf dem Tier, auch wenn vereinzelt andere Argumente verwendet werden.

Rhetorik der Tierrechtsbewegung

Wie andere soziale Bewegungen auch will die Tierrechtsbewegung einen grundsätzlichen kulturellen Wandel anstoßen, in diesem Fall die Sicht der Menschen auf Tiere verändern. Tierrechtsorganisationen gelten als post-citizenship movement organizations, das heißt als Bewegungsorganisationen, bei denen nicht der persönliche Vorteil der Mitglieder das Ziel ist, sondern sich die Mitglieder für die Belange Dritter, in diesem Fall Tiere, einsetzen. Hauptargumentationslinie von Tierrechtsorganisationen wie PETA ist die grundsätzliche Infragestellung der Unterschiede zwischen Menschen und Tieren. Entsprechend arbeitet PETA in Kampagnen oft mit einer gemeinsamen Identität von Mensch und Tier. Dabei wird eine neue Identität des Menschen artikuliert, denn auch wenn der Fokus auf eine andere Wahrnehmung von Tieren abzielt, so wird doch gleichzeitig auch die bisherige Vorstellung über die menschliche Identität in Frage gestellt und der Betrachter aufgefordert, die eigene Identität zu überdenken.

Die gemeinsame Identität von Mensch und Tier wird vor allem durch aussagekräftige visuelle Appelle und durch einprägsame Slogans dargestellt. Anzeigen und Spots betonen die Gemeinsamkeiten von Menschen und Tieren. Insbesondere die Visualisierung der Ähnlichkeiten soll dazu führen, die Anderen, also Tiere, nicht als Andere zu sehen. PETA setzt dabei bewusst auf Emotionen und vermenschlicht Tiere, um deren Gleichwertigkeit zu betonen. Die Bilder sollen dem Betrachter vermitteln, dass Tiere Gefühle wie Menschen erleben, und ihn dazu bringen, sich in die Lage der Tiere zu versetzen. Dazu dient auch die Darstellung von Menschen als Tiere, zum Beispiel indem ein Mensch, bei PETA-Kampagnen meist eine attraktive Frau, in einem Käfig abgebildet oder mit Fleischbezeichnungen bemalt wird. Auch bei diesen Kampagnenmotiven steht die Visualität im Mittelpunkt.

Konfrontation und Kontroverse als Strategie

Grundsätzlich stehen alle NGOs, ob im Tierschutz oder in anderen Bereichen, vor der Frage, wie sie in der Öffentlichkeit Gehör für ihre Botschaften bekommen. Eine entsprechend hohe Bedeutung hat Öffentlichkeitsarbeit, denn nur über öffentliche Aufmerksamkeit können NGOs Druck auf Entscheider in Politik und Wirtschaft ausüben. NGOs stehen dabei vor einer grundlegenden strategischen Entscheidung - zwischen einer eher dialogorientierten oder einer eher konfrontativen Öffentlichkeitsarbeit. Beide Strategien haben Vorteile und bergen Risiken.

Vorbild für die konfrontative Öffentlichkeitsarbeit vieler NGOs ist sicherlich Greenpeace. Wie kaum eine andere NGO basiert die Arbeit von Greenpeace auf Öffentlichkeitsarbeit mit spektakulären Aktionen, Inszenierungen und Konfrontation. "Schutz durch Öffentlichkeit" oder bearing witness (Zeugnis ablegen) sind Grundlage aller Greenpeace-Aktivitäten. "Die Greenpeace-Kommunikation ist eine Verlängerung des 'Bearing Witness' mit den Mitteln moderner Medientechnik. Die Anwendung der Technik zielt darauf ab, den Kreis derjenigen immens zu erweitern, die an einer Konfrontation Anteil nehmen können." In diesem Sinne agieren auch viele Organisationen innerhalb der Tierrechtsbewegung, die die Bedeutung von Medienberichterstattung für ihre Arbeit erkannt haben und ihre Aktivitäten gezielt so gestalten, dass sie für die Medien interessant sind. Auch PETA setzt auf Konfrontation und enthüllt beispielsweise mit schockierenden Bildern, wie in der industriellen Landwirtschaft Tiere gehalten oder unter welchen Bedingungen Pelztiere gezüchtet werden.

Konfrontative Öffentlichkeitsarbeit setzt als Strategie meist darauf, dass ein öffentlichkeitswirksamer Gegner gefunden wird. Dieser wird dann durchgehend negativ dargestellt; manchmal werden Handlungsalternativen aufgezeigt, die der Gegner übernehmen soll. Die ausgemachten Gegner von PETA sind oft Unternehmen, wobei einzelne Unternehmen stellvertretend für eine gesamte Branche stehen. Die Politik ist selten ein direkter Gegner, sondern vielmehr ein indirekter Akteur, der Unternehmen oder Verbraucher durch gesetzliche Regelungen zu Handlungsveränderungen zwingen soll, wie beispielweise bei der Kampagne zur Abschaffung der Wildtierhaltung in Zirkussen oder beim Thema Tierversuche. Ein weiteres Kennzeichen der konfrontativen Strategie ist, dass die kommunizierten Forderungen meist absolut sind, das heißt kein Kompromiss angestrebt wird. Tierrechtsorganisationen fordern meist die generelle Abschaffung jeglicher Tiernutzung. Auch PETA stellt vielfach absolute Forderungen, kämpft allerdings vereinzelt auch für Verbesserungen der Tierhaltung und weicht damit von der eigenen Leitidee ab.

Der Vorteil der konfrontativen Strategie liegt vor allem in der hohen medialen Wirksamkeit. Negativität, Konfrontation und Konflikte haben einen hohen Nachrichtenwert, der sich nochmals steigern lässt, je höher die Bekanntheit der beteiligten Akteure ist. Deshalb ist es für NGOs so interessant, große Marken und bekannte Unternehmen in den Mittelpunkt ihrer Öffentlichkeitsarbeit zu stellen. PETA griff beispielweise 2011 die Tierhaltung des größten deutschen Geflügelzüchters Wiesenhof an. Die Kombination aus schockierenden Bildern aus der Massentierhaltung und dem bekannten Markennamen brachte der Kampagne eine hohe mediale Resonanz ein.

Doch die konfrontative Strategie birgt auch Risiken. Da meist die Kritik an einem Gegner im Mittelpunkt steht, besteht immer die Gefahr, lediglich als Kritiker in der Öffentlichkeit aufzutauchen und nicht mit der Lösung des Problems in Verbindung gebracht zu werden. Ein Vorwurf, der PETA auch immer wieder gemacht wird, da der vollkommene Verzicht auf tierische Nahrungsmittel oder auf Tierversuche in der medizinischen Forschung von der Mehrheit der Bevölkerung nicht als Lösung angesehen wird. Auch eine benennbare, bekannte Marke in den Mittelpunkt zu stellen, ist nicht ohne Risiko. Die Fokussierung auf den namhaften Gegner, meist noch verknüpft mit aufsehenerregenden Aktionen, ist meist nur bedingt geeignet, um komplexere Themen zu transportieren. Allgemeine Forderungen können untergehen, wenn der Gegner den Forderungen der NGO nachkommt. Wird beispielsweise eine Kampagne an den Zustände in den Betrieben eines einzelnen Geflügelzüchters oder an dem Einkaufsverhalten einer Fastfoodkette festgemacht, so ist die Gefahr groß, dass das Grundthema, das Leid der Tiere in der Massentierhaltung insgesamt, aus der öffentlichen Debatte verschwindet, sobald das eine Unternehmen den Forderungen der NGO nachgegeben hat. Hier stößt die konfrontative Strategie an ihre Grenzen.

Die Konfrontation, wie sie PETA und andere Tierrechtsorganisationen betreiben, ist auch in anderer Hinsicht problematisch. Das Aufdecken von Missständen ist meist nur durch geheime Überwachung, durch das Eindringen in Ställen oder anderen Einrichtungen möglich und damit oft nur durch illegale Aktivitäten. Manche Videos und Bilder, die PETA für die Öffentlichkeitsarbeit verwendet, stammen beispielsweise von der Animal Liberation Front (ALF), eine aus Großbritannien stammende, aber inzwischen auch in vielen anderen Ländern aktive radikale Tierrechtsgruppierung. Die ALF, organisiert in kleinen autonomen Zellen, bricht immer wieder in Ställe und Forschungslaboratorien ein und lässt dort gehaltene Tiere frei. Weil die ALF aber auch Forschungseinrichtungen und Tierhaltungsanlagen zerstört, wird die Gruppierung in den USA als terroristische Organisation eingestuft. Während sich die meisten Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen von den Aktionen der ALF distanzieren, äußern Vertreter von PETA immer wieder Verständnis für diese Art von gewalttätigem Protest.

Tierrecht als Lifestyle

Bis Ende der 1980er Jahre setzte PETA fast ausschließlich auf konfrontative Kampagnen mit schockierenden Bildern. Mit den 1990er Jahren kam der Strategiewechsel. Zwar blieb die konfrontative Herangehensweise in Teilen erhalten, aber in den Vordergrund rückte eine eher lifestyleorientierte Strategie und insbesondere die Kooperation mit Prominenten. Am Anfang stand die Zusammenarbeit mit Musikern und später mit Schauspielern und Models. Ein deutliches Zeichen für den Strategiewechsel war die Veränderung des PETA-Magazins in den USA. Bis 1988 noch ein rein thematischer Newsletter, wurde es sukzessive zu einem Hochglanzmagazin, das die PETA-Themen mit der Unterhaltungskultur verknüpfte und sich in der Optik an Frauen- und Modezeitschriften orientierte.

Die Zusammenarbeit mit Prominenten hatte für PETA mehrere Vorteile. Zum einen erschloss sich die Organisation damit Medien und Zielgruppen, die sie bisher nicht erreichen konnte. Kaum ein Modemagazin oder eine Illustrierte hätte über die kontroversen PETA-Kampagnen mit den schockierenden Bilder berichtet, aber das Engagement Prominenter für PETA war und ist für sie sehr wohl ein Thema. Insofern erwiesen sich die Prominenten als ideale und weltweit agierende Multiplikatoren, denn die Lifestyle-Kampagnen sind weit weniger abschreckend und bescherten der Organisation einen erheblichen Mitgliederzuwachs.

Bei diesen Kampagnen steht auch nicht mehr ein bestimmter Gegner im Mittelpunkt. Stattdessen werden die Konsumenten angesprochen. Sie sollen ihr Verhalten ändern, zum Beispiel durch den Umstieg auf vegetarische Ernährung oder durch den Boykott bestimmter Produkte wie Pelze. Um dies zu erreichen, werden die Verbraucher zwar immer noch mit zum Teil schockierenden Bildern konfrontiert, aber im Vordergrund steht die Vorbildfunktion von Prominenten. Die wohl bekannteste Kampagne von PETA in diesem Bereich ist die Anti-Pelz-Kampagne "I'd Rather Go Naked Than Wear Fur" ("Lieber nackt als Pelz"), die 1991 als Anzeigenkampagne mit der Rockband "The Go-Go's" begann. Seitdem wurde das Kampagnenmotiv mit unterschiedlichen Prominenten, vor allem mit bekannten Models, und verschiedenen Slogans immer wieder neu aufgelegt. Später wurden ähnliche Motive mit halbnackten Models und Schauspielerinnen auch für Kampagnen gegen den Fleischverzehr eingesetzt.

In der PR-Strategie auf Lifestyle zu setzen birgt aber auch Risiken. PETA verknüpft in Kampagnen für vegetarische Ernährung die meist nur spärlich bekleideten Prominenten mit Argumenten hinsichtlich Gesundheit, Aussehen und Sex Appeal. Wenn jedoch Vegetarismus nur als ein gesunder und attraktiver Lebensstil dargestellt wird und mit perfekt aussehenden Models oder Schauspielerinnen in Verbindung gebracht wird, verliert der Aufruf dazu seine eigentliche Bedeutung. Die Botschaft, dass Tiere nicht genutzt werden dürfen, also die moralische Kernidee, könnte so verloren gehen.

Für jede Zielgruppe ein Angebot

Mit der Mischung aus konfrontativen und lifestyleorientieren Kampagnen hat sich PETA ganz unterschiedliche Zielgruppen erschlossen. Wie kaum eine andere NGO schafft es die Tierrechtsorganisation, mit speziellen Angeboten ganz unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen. Fast zu jedem Themenfeld gibt es eigene Websites. Spezielle Zielgruppen haben ebenfalls eigene Internetportale, so zum Beispiel Menschen über 50. Dort werden Themen wie vegane Ernährung, Gesundheit und Haustiere behandelt. Schockierende Bilder oder Anzeigenmotive mit halb nackten Frauen sind dort nicht zu finden.

Besonders viele Angebote richten sich an Kinder und Jugendliche. In den USA gibt PETA ein eigenes Magazin für Jugendliche heraus, das die PETA-Themen geschickt mit Teenager-Themen vermischt. Hinzu kommt spezielles Info-Material für Kinder und Jugendliche und auch der PETA-Onlineshop hat eigene Angebote für Kinder. Extra für die jugendliche Zielgruppe wurde das Internetportal PETA2 mit eigener Online-Community geschaffen. Die Organisation setzt dabei bewusst auf Markenbildung und Lifestyle-Angebote und orientiert sich an dem, was Jugendliche interessiert. Ein besonderes Angebot sind die sogenannten Streetteams, die sich regelmäßig treffen, sich über PETA2 vernetzen und gemeinsam Aktionen planen und umsetzen, wie das Verteilen von Info-Material, Demonstrationen oder das Einstellen von PETA-Material auf Social-Web-Plattformen. Dafür gibt es ein Belohnungssystem, das motivieren soll, durch bestimmte Aktionen Punkte zu sammeln, die dann im PETA-Shop eingelöst werden können.

Erfolg oder Misserfolg?

In den meisten westlichen Ländern gibt es inzwischen zahlreiche Gesetze, die den Tierschutz regeln, wie Vorschriften zur Tierhaltung in der Landwirtschaft oder zu Tierversuchen in der Forschung. Diese wären ohne die Tierschutz- und Tierrechtsbewegung sicherlich nicht zustande gekommen, denn diese hat maßgeblich dazu beigetragen, das von Menschen verursachte Leiden von Tieren in das öffentliche Bewusstsein zu bringen. Hinzu kommen zahlreiche Einzelerfolge. PETA konnte vor allem in den USA einige große Unternehmen zur Änderung ihrer Tierversuchspolitik bringen und Bekleidungsunternehmen dazu, auf Pelz zu verzichten. In der medizinischen und wissenschaftlichen Forschung ist PETA zu einem gefürchteten Gegner geworden. Auch Fastfoodketten haben ihre Einkaufs- und Angebotspolitik auf Druck von PETA verändert. Aber nicht alle Kampagnen sind von Erfolg gekrönt. Seit 2001 versucht PETA Kentucky Fried Chicken wie zuvor andere Fastfoodketten dazu zu bringen, ihre Einkaufspolitik zu verändern, bisher nur mit kleineren Teilerfolgen. Diese eher kooperativen Kampagnen brachten der Organisation zudem Kritik von anderen Tierrechtsorganisationen, die in der Schaffung besserer Lebensbedingungen für Nutztiere einen Verrat der eigentlichen Ziele der Tierrechtsbewegung sehen.

Auch die wohl bekannteste Dauerkampagne von PETA gegen das Tragen von Pelzen ist keine hundertprozentige Erfolgsgeschichte. Zwar trugen die Kampagne und die spektakulären Aktionen maßgeblich dazu bei, das Tragen von Pelzen Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre zu einem Tabu zu machen - allerdings nicht auf Dauer. In den vergangenen Jahren verwenden viele Designer wieder Pelz, und einige Models, die sich in den 1990er Jahren noch für die PETA-Kampagne auszogen, machen inzwischen wieder Werbung für Mode mit Tierfellen. Dies offenbart ein weiteres Problem der lifestyleorientieren Kampagnen, die auf Prominente als Vorbild setzen. Die Prominenten werden eingesetzt, weil sie öffentliche Aufmerksamkeit garantieren, aber diese ist eben auch gewiss, wenn sie entgegen ihrer ursprünglichen Werbeaussage handeln. Auch arbeitet PETA bei anderen Themen mit Prominenten zusammen, die ganz offensichtlich bestimmte Ziele der Organisation nicht unterstützen und beispielsweise offen Pelz tragen. Solche Vorfälle reduzieren nicht nur die Glaubwürdigkeit der Prominenten, sondern auch die von PETA. Für Kritiker ist das eine Bestätigung, dass es PETA nur um öffentliche Aufmerksamkeit geht.

Stellt sich die Frage, wie die schockierenden Bilder, aber auch die Lifestyle-Kampagnen ankommen. Verschiedene Studien, vor allem aus den USA, kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Studien über die Mitglieder von Tierrechtsorganisationen zeigen, dass Info-Material von Organisationen, vor allem auch solches mit schockierenden Bildern, nicht nur einen hohen Einfluss auf die Entscheidung hatte, sich in diesem Feld zu engagieren, sondern meist auch eine vegane oder vegetarische Ernährung zur Folge hatte. Doch wie sieht es beim Rest der Bevölkerung aus? Viele Anzeigenmotive von PETA bewirken wohl eher das Gegenteil und schrecken Menschen ab, weil sie deren kulturelle Vorstellungen angreifen. Als abschreckend werden dabei nicht nur die schockierenden Bilder empfunden, abgelehnt werden auch die patriotischen, religiösen und sexualisierten Motive.

Zu der am häufigsten geäußerten Kritik gegenüber den Kampagnen von PETA gehört der Vorwurf des Sexismus, der sich in erster Linie darauf bezieht, dass PETA in Kampagnen immer wieder nackte oder halbnackte Frauen zeigt. Dazu enthalten die Slogans häufig sexuelle Anspielungen und die Gestaltung der Motive erinnert nicht selten an softpornografische Bilder. Kritiker werfen der Organisation daher vor, Frauen zu Objekten zu machen, Geschlechterstereotypen zu reproduzieren und das gängige Schönheitsideal zu propagieren. Einige Kritiker werfen der Organisation zudem vor, rassistisch zu sein, da die meisten Anzeigenmotive weiße, blonde Frauen zeigen. PETA-Gründerin Ingrid Newkirk verteidigt diese Vorgehensweise als legitimes Mittel, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen und verweist darauf, dass alle Models und Prominente in solchen Anzeigen Freiwillige seien. Aber wohl auch als Reaktion auf die anhaltende Kritik sind die PETA-Kampagnen zunehmend geschlechtsneutral geworden und bilden inzwischen sowohl Männer als auch Frauen ab. Geblieben ist allerdings die sexualisierte Darstellung. Kritiker sehen darin eine Bagatellisierung des eigentlichen Anliegens. Das Thema Tierrecht würde durch die sexualisierte Werbung in den Hintergrund rücken und PETA-Kampagnen den eigentlichen Zielen daher eher schaden.

Dass PETA mit schockierenden Kampagnen den schmalen Grad zwischen positiver Aufmerksamkeit und Ablehnung zu überschreiten weiß, verdeutlicht wohl kein Beispiel besser als die Ausstellung "Der Holocaust auf Ihrem Teller". Die verglich Bilder vom Holocaust mit Bildern aus der Massentierhaltung und wurde 2003 erstmals in den USA gezeigt und ging später dann auch in andere Länder. Nicht nur in Deutschland löste der Vergleich Proteste aus. In den USA wurde die Ausstellung 2005 beendet. In Deutschland wurde PETA die Verbreitung der Ausstellung 2005 gerichtlich untersagt. Mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ist PETA 2009 gescheitert. Der Ausstellung "Der Holocaust auf Ihrem Teller" folgte in den USA eine weitere kontroverse Ausstellung mit dem Titel "Animal Liberation Project: We Are All Animals", dass Bilder von Massentierhaltung mit Bildern des Leidens von Sklaven und anderen unterdrückten Menschen verglich. Auch diese Ausstellung führte zu massiven Protesten. Analogien zwischen Tierausbeutung und Holocaust und Sklaverei hat es in der Tierrechtsbewegung bereits zuvor gegeben. Viele Tierrechtler bezeichnen sich beispielsweise als "Abolitionisten", um damit ihre Verbindung zu der historischen Anti-Sklaverei-Bewegung zu signalisieren und Gruppierungen wie die Animal Liberation Front haben schon immer Vergleiche zum Holocaust genutzt. Doch kaum eine Organisation nutzt den Vergleich so plakativ wie PETA. Bleibt die Frage, ob und in welchem Maße die Ausstellungen und solche Vergleiche das eigentliche Ziel, die Neubewertung der Sichtweise auf Mensch und Tier zu verändern, erreicht hat.

Auffallen um jeden Preis?

Der amerikanische Journalist Michael Specter hat PETAs Strategie treffend beschrieben: "PETA's publicity formula - eighty per cent outrage, ten per cent each of celebrity and truth - insures that everything it does offends someone." PETA-Gründerin Ingrid Newkirk gibt im selben Artikel zu, dass sie bei PETA alles tun, um mediale Aufmerksamkeit zu erlangen. Das gelingt ihnen ohne Frage. PETA hat dafür einen interessanten Mix von Strategien entwickelt. Wie Greenpeace setzt PETA zum einen darauf, Missstände durch drastische Bilder und Aktionen zu dokumentieren und einzelne Gegner in großen Kampagnen gezielt anzugreifen. Mit dieser Herangehensweise hat PETA auch einige Erfolge erzielt und sicherlich dazu beigetragen, die öffentliche Aufmerksamkeit auf Grausamkeiten gegen Tiere in der Landwirtschaft und in Forschungseinrichtungen zu lenken. Zum anderen schafft es PETA wie keine andere NGO, sich selbst als eine Marke mit Lifestyle-Charakter zu etablieren. Dafür werden vor allem Prominente geschickt in Szene gesetzt und auf das Prinzip Sex sells gesetzt. Diese Strategie hat PETA viel öffentliche Aufmerksamkeit beschert, auch außerhalb der klassischen Nachrichtenmedien. PETA konnte so Zielgruppen erreichen, die sich vorher kaum für Tierrechtsfragen interessiert haben. Ob diese Strategie auch langfristig funktioniert und vor allem, ob sie auch das Thema Tierrechte selbst transportieren kann, ist fraglich. Die Lifestyle-Strategie hat PETA auch viel Kritik eingebracht. In Artikeln über PETA geht es oft mehr um die Methoden der Organisation und um ihre prominenten Fürsprecher denn um das Thema Tierrechte selbst.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Der Spiegel, Nr. 12 vom 15.3.2004, S. 226ff.

  2. Die Tageszeitung vom 14.8.2006, S. 13.

  3. Focus Magazin, Nr. 41 vom 11.10.2010, S. 54ff.

  4. Die Welt vom 26.1.2005, S. 21.

  5. Vgl. James M. Jasper/Dorothy Nelkin, The Animal Rights Crusade: The Growth of a Moral Protest, New York 1992, S. 31f.; Mieke Roscher, Ein Königreich für Tiere: Die Geschichte der britischen Tierrechtsbewegung, Bremen 2009, S. 406.

  6. Online: www.peta.de/web/home.cfm?p=33 (9.1. 2012).

  7. PETA gibt an, weltweit über drei Millionen Unterstützer zu haben; Angaben zur Mitgliederzahl in Deutschland werden nicht gemacht. Im Vergleich dazu hat die Humane Society of the United States elf Millionen Mitglieder, der Deutsche Tierschutzbund 800000 Mitglieder. Vgl. online: www.peta.de, www.humanesociety.org, www.tierschutzbund.de (9.1.2012).

  8. Vgl. Interview mit Harald Ullmann, 2. Vorsitzender PETA Deutschland, in: Der Spiegel, Nr. 31 vom 30.7.2001, S. 160.

  9. Vgl. Karl-Werner Brand, Umweltbewegung (inkl. Tierschutz), in: Roland Roth/Dieter Rucht (Hrsg.), Die Sozialen Bewegungen in Deutschland seit 1945. Ein Handbuch, Frankfurt/M. 2008, S. 232f.

  10. Vgl. Brian M. Lowe/Caryn F. Ginsberg, Animal Rights as a Post-Citizenship Movement, in: Society & Animals, 10 (2002) 2, S. 203-215.

  11. Vgl. Wendy Atkins-Sayrem, Articulating Identity: People for the Ethical Treatment of Animals and the Animal/Human Divide, in: Western Journal of Communication, 74 (2010) 3, S. 309-328.

  12. Vgl. Svenja Koch, Greenpeace: Umweltkampagnen mit Herz und Verstand, in: Ulrike Röttger (Hrsg.), PR-Kampagnen - Über die Inszenierung von Öffentlichkeit, Opladen 2001, S. 264.

  13. Fouad Hamdan, Wie kommt die Bohrinsel ins TV? Internationale Kommunikation zum Schutz der Umwelt. Manuskript, Universität der Künste Berlin, Berlin 2003, S. 4.

  14. Vgl. Lyle Munro, Strategies, Action Repertoires and DIY Activism in the Animal Rights Movement, in: Social Movement Studies, 4 (2005) 1, S. 75-94.

  15. Für weitergehende Informationen zu Nachrichtenwerten vgl. Walter Lippmann, Public Opinion, New York 1922; Johan Galtung/Maria Holmboe Ruge, The Structure of Foreign News. The Presentation of the Congo, Cuba and Cyprus Crisis in Four Norwegian Newspapers, in: Journal of Peace Research, 2 (1965), S. 64-91; Winfried Schulz, Die Konstruktion von Realität in den Nachrichtenmedien, Freiburg-München 1976.

  16. Vgl. online: www.peta.de/web/wiesenhof.4817.html (9.1.2012).

  17. Vgl. M. Roscher (Anm. 5), S. 507.

  18. Vgl. Kevin R. Grubbs, Saving Lives or Spreading Fear: The Terroristic nature of Eco-Extremism, in: Animal Law, 16 (2010), S. 351-370.

  19. Vgl. M. Roscher (Anm. 5), S. 507.

  20. Ebd., S. 309f.

  21. Vgl. Peter Simonson, Social noise and segmented rhythms: News, entertainment, and celebrity in the crusade for animal rights, in: The Communication Review, 4 (2001) 3, S. 399-420.

  22. Vgl. ebd.

  23. Vgl. Carrie Packwood Freeman, Framing Animal Rights in the "Go Veg" Campaigns of U.S. Animal Rights Organizations, in: Society & Animals, 18 (2010) 2, S. 163-182.

  24. Vgl. www.peta50plus.de (9.1.2012), in den USA http://prime.peta.org (9.1.2012).

  25. Vgl. online: www.peta2.de (9.1.2012), in den USA www.peta2.com (9.1.2012).

  26. Vgl. Annegret März, Einbinden/Identität stiften: Virtualisierte kollektive Identität und Gemeinschaft in: Sigrid Baringhorst et al. (Hrsg.), Unternehmerische Kampagnen. Politischer Protest im Zeichen digitaler Kommunikation, Wiesbaden 2010, S. 194.

  27. Vgl. dies., Mobilisieren: Partizipation - vom 'klassischen Aktivismus' zum Cyberprotest, in: S. Baringhorst (Anm. 26), S. 248

  28. Vgl. online: www.peta.de/erfolge und www.peta.org/about/learn-about-peta/success-stories.aspx (9.1.2012).

  29. Vgl. Heather M. Griffiths/Christopher Steinbrecher, The Colonel's Strategy: KFC, PETA, and Superficial Appeasement, in: Sociological Spectrum, 30 (2010) 6, S. 725-741.

  30. Vgl. Gary Francione, Rain Without Thunder: The Ideology of the Animal Rights Movement, Philadelphia 1996, S. 34f.

  31. Vgl. B.M. Lowe/C. F. Ginsberg (Anm. 10); James M. Jasper/Jane D. Poulsen, Recruiting Strangers and Friends: Moral Shocks and Social Networks in Animal Rights and Anti-Nuclear Protests, in: Social Problems, 42 (1995) 4, S. 493-551.

  32. Vgl. Marie Mika, Framing the Issue: Religion, Secular Ethics and the Case of Animal Rights Mobilization, in: Social Forces, 85 (2006) 2, S. 915-941.

  33. Vgl. Andrea Heubach, Der Fleischvergleich - Sexismuskritik in der Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung, in: Chimaira - Arbeitskreis für Human-Animal Studies (Hrsg.), Human-Animal Studies - Über die gesellschaftliche Natur von Mensch-Tier-Verhältnissen, Bielefeld 2011, S. 243-277; Carol J. Adams, The Pornography of Meat, New York, 2003; Maneesha Deckha, Disturbing Images. Peta and the Feminist Ethics of Animal Advocacy, in: Ethics & the Environment, 13 (2008) 2, S. 35-76; Nikki Craft, PETA - Where Only Women Are Treated Like Meat, online: http://nostatusquo.com/ACLU/PETA/peta.html (9.1.2012).

  34. Vgl. Claire Jean Kim, Moral Extensionism or Racist Exploitation? The Use of Holocaust and Slavery Analogies in the Animal Liberation Movement, in: New Political Science, 33 (2011) 3, S. 311-333.

  35. Michael Specter, The extremist - The woman behind the most successful radical group in America, in: The New Yorker vom 14.4.2003, S. 52-67.

Dr. phil., geb. 1974; selbstständige Beraterin, spezialisiert auf den Non-Profit-Bereich; Lehrbeauftragte an der Universität Hamburg und Mitglied der Arbeitsstelle Medien & Politik der Universität Hamburg. E-Mail Link: kv@kathrinvoss.de