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Machtverschiebungen zwischen Indonesiens Zentrum und Peripherie | Indonesien | bpb.de

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Machtverschiebungen zwischen Indonesiens Zentrum und Peripherie

Bettina David

/ 14 Minuten zu lesen

Seit rund zehn Jahren gewährt die Zentralregierung den Distrikten mehr Autonomierechte. Doch die Probleme haben sich damit nur verschoben. Vielerorts geht der Aufschwung an der Bevölkerung vorbei.

Einleitung

Das demografische, politische und wirtschaftliche Zentrum Indonesiens befindet sich auf der Insel Java, die lediglich sieben Prozent der Landmasse Indonesiens ausmacht, auf der jedoch knapp über die Hälfte der etwa 240 Millionen Einwohner Indonesiens leben. Hier liegt die Hauptstadt Jakarta, eine dynamische, pulsierende Metropole schwindelerregender Gegensätze von bitterer Armut neben glitzernden Megamalls mit geschätzten 10 Millionen Einwohnern. In Jabodetabek, wie der rasant zusammenwachsende urbane Großraum der Städte Jakarta, Bogor, Depok, Tangerang und Bekasi genannt wird, wohnen über 22 Millionen Menschen. Auf Java liegen auch vier von fünf Städten Indonesiens mit über zwei Millionen Einwohnern. Über 60 Prozent des indonesischen Bruttoinlandsprodukts werden allein auf Java erwirtschaftet.

Bereits seit der niederländischen Kolonialzeit weist Indonesien eine signifikante regionale Disparität auf: Hinsichtlich demografischer Entwicklung, wirtschaftlicher Erschließung, Infrastruktur sowie im Bildungs- und Gesundheitssektor besteht ein deutliches Ungleichgewicht zwischen Java als Indonesiens Zentrum und der Peripherie, den sogenannten Außeninseln. Als es im Zuge der Asienkrise 1998 zum Sturz Suhartos kam und die Ära der Reformasi, der politischen Reformprozesse, eingeleitet wurde, waren mit dem ambitionierten Projekt der politischen Neugestaltung Indonesiens gerade in den peripheren Regionen außerhalb Javas große Hoffnungen verbunden auf eine Politik, die den regionalen Unterschieden und der ethnischen Vielfalt des Vielvölkerstaates Rechnung trägt.

Dezentralisierung und regionale Autonomie nach 1998

Mit den 1999 zügig verabschiedeten und 2001 implementierten Gesetzen zur regionalen Autonomie sollte die Selbstverwaltung der Regionen gestärkt werden. Seit 2005 werden zudem die Gouverneure der 33 Provinzen, die Distriktchefs und Bürgermeister in Direktwahlen (pilkada) gewählt. All das versprach eine Politik, in der nicht mehr wie in der Suharto-Zeit durch von oben bzw. aus Jakarta ernannte und javanisch-zentralistischen Interessen nahestehende Politiker das Sagen haben, sondern die regionalen Interessen der lokalen Bevölkerung durch von ihr direkt gewählte Regierungsvertreter besser umgesetzt werden können. Mit der konsequenten Dezentralisierung und Einführung der regionalen Autonomie wollte die Regierung in Jakarta bereits vorhandenen (Aceh, Papua, Ost-Timor) und potenziellen Sezessionsbewegungen in den Regionen der Peripherie entgegenwirken und so die territoriale Einheit des Vielvölkerstaates wahren. Vor allem aus sicherheitspolitischen Gründen kommt den zum Teil außerordentlich rohstroffreichen peripheren Provinzen seit Indonesiens Unabhängigkeit 1945 hohe Priorität zu.

Indonesien ist reich an natürlichen Ressourcen, vor allem an Tropenhölzern, Erdöl, Erdgas, Kupfer, Kohle, Zinn und Gold. Unter Suhartos zentralistisch-autokratischem Regime waren die Bodenschätze der rohstoffreichen Provinzen in Kalimantan (der zur Indonesien gehörende Teil Borneos), Sumatra und Papua fest in der Hand von eng mit dem Suharto-Clan zusammenarbeitenden nationalen und internationalen Großkonzernen, während die lokale Bevölkerung leer ausging und vom Rohstoffreichtum ihrer Heimat nicht profitieren konnte. Hier verhieß die Neuordnung der politischen, administrativen und finanziellen Beziehungen zwischen der Zentralregierung in Jakarta und den Regionen eine stärkere Entscheidungsmacht auf lokaler Ebene und damit eine gerechtere Verteilung der Einnahmen, die nicht mehr nur dem Zentrum Jakarta und dem Ausland, sondern endlich auch der lokalen Bevölkerung und damit dem regionalen Aufbau in Indonesiens Peripherie zugutekommen sollten.

Allerdings zeigten sich schon bald erste Schattenseiten der Dynamik regionaler Ermächtigung, die mit dem Dezentralisierungsprozess in Gang gesetzt worden war. Die regionale Autonomie hat besonders der Verwaltungsebene der Distrikte (kabupaten) und Städte - an den Provinzregierungen vorbei - einen erheblichen Zuwachs an Machtbefugnissen für die lokale Selbstverwaltung übertragen. Was als Förderung lokal verantwortlicher Regierungsführung gedacht war, erwies sich in der Praxis nur allzu oft als neue Arena für den Kampf lokaler Eliten um Kontrolle über die lokalen Ressourcen. Nicht selten entpuppt sich die regionale "Demokratie" bei genauerem Hinsehen als money politics und thuggery. Für Kandidaturen sind hohe Kosten zu veranschlagen, ohne Bestechung läuft kaum etwas. Zur Finanzierung sind gute Beziehungen zu vermögenden, einflussreichen Persönlichkeiten und Unternehmern nötig - nicht selten gehören die Kandidaten selbst zu dieser Personengruppe, die nun in der Lokalpolitik Karriere machen und ihre wirtschaftliche Macht gezielt zum Ausbau ihres politischen Einflusses (oder umgekehrt) einsetzen. Das schafft undurchsichtige und schwer zu überwindende klientelistische Abhängigkeitsverhältnisse, die den demokratischen Forderungen nach Transparenz entgegenstehen.

Kutai Kartanegara: Korruption in Zeiten der Demokratisierung

Ein Beispiel für durch die regionale Autonomie ermöglichte money politics und thuggery in der Peripherie zeigen Aufstieg, Fall und Nachleben des Distriktchefs von Kutai Kartanegara in der Provinz Ost-Kalimantan, Syaukani Hasan Rais. 1948 in der Distrikthauptstadt Tenggarong geboren, machte er unter Suharto in dessen Golkar-Partei in Ost-Kalimantan Karriere. Er war, wie der "Jakarta Globe" schreibt, ein "Apparatschik par excellence" in Suhartos korruptem und autoritärem Staat der "Neuen Ordnung". Doch gerade mit dessen Ende und dem Auftakt der Reformasi-Ära schlug Syaukanis große Stunde. 1999 wurde er vom Provinzparlament (Dewan Perwakilan Rakyat Daerah, DPRD) zum Distriktchef von Kutai Kartanegara gewählt; 2005 zählte er zu den ersten direkt gewählten Distriktchefs Indonesiens. Vorbildlich engagierte er sich in Institutionen, die sich für verantwortungsbewusste Regierungsführung einsetzen. Populistische Politik und finanzielle Unterstützung etwa von Koranlesegruppen für Frauen in Dörfern machten ihn beim Volk beliebt.

Gleichzeitig bereicherte er sich und die Seinen jedoch auf skrupellose Weise, bis die Kommission für Korruptionsbekämpfung (KPK) das Treiben stoppte: 2007 wurde er von der KPK zunächst zu zweieinhalb Jahren, 2009 vom Obersten Gerichtshof zu sechs Jahren Haft wegen Korruption und Veruntreuung von Geldern verurteilt. Zwischen 2001 und 2005 soll der Distrikt durch Syaukanis ausgedehnte Korruptions- und Kollusionspraktiken Einkünfte aus dem Öl- und Erdgasgeschäft in Höhe von 93 Milliarden Rupiah, umgerechnet etwa zehn Millionen US-Dollar, verloren haben. 2010 begnadigte Präsident Susilo Bambang Yudhoyono den gesundheitlich angeschlagenen Syaukani. Krank, aber weiterhin als einflussreiche lokale Persönlichkeit respektiert, kehrte Syaukani nach Kutai zurück. 2010 gewann seine Tochter Rita Widyasari die Wahlen zum Distriktchef.

Kutai Kartanegara, durch seine Bodenschätze - Öl, Erdgas, Kohle und Tropenhölzer - einer der reichsten Distrikte Indonesiens, bleibt in Zeiten der Demokratisierung fest in der Hand der lokalen Syaukani-Dynastie und ihrer oft noch auf die Suharto-Zeit zurückgehenden klientelistischen Netzwerke. Demokratisierung und Dezentralisierung haben diesem ressourcenreichen Distrikt in der Peripherie bisher weder den erwarteten wirtschaftlichen Aufschwung auf gesamtgesellschaftlicher Ebene noch eine gerechtere Verteilung der regionalen Einnahmen gebracht. Außerhalb der Distrikthauptstadt Tenggarong ist die Infrastruktur weiterhin äußerst mangelhaft. Örtliche Entwicklungsprojekte, von großen Unternehmen hauptsächlich aus der Ölindustrie gefördert, blieben durch Veruntreuung der Gelder unabgeschlossen oder wurden in derart miserablem Zustand fertiggestellt, dass sie so gut wie nutzlos waren.

Nusa Tenggara Timur: Armenhaus in der Peripherie

Die Stärkung der regionalen Autonomie konnte bisher wenig daran ändern, dass entlegene Provinzen im östlichen Indonesien wie Nusa Tenggara Timur (NTT), Gorontalo in Nord-Sulawesi und die Molukken weiterhin als Indonesiens Armenhaus gelten und bei allen entwicklungsrelevanten Indikatoren zum Teil weit unter dem nationalen Durchschnitt liegen. NTT lag 2010 mit einem regionalen Bruttosozialprodukt pro Kopf von 500 US-Dollar weit unter dem nationalen Durchschnitt von 3000 US-Dollar.

Ein Bericht der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2009 zu den Lebensbedingungen in NTT zeichnet ein düsteres Bild. Ungefähr 65 Prozent der Haushalte leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Die lokale Bevölkerung ist zu 80 Prozent von der Landwirtschaft abhängig, und das in einer Region, deren ungünstige geografische und klimatische Bedingungen ein hohes Ernterisiko darstellen. Der Ausbau anderer Sektoren wie Tourismus ist auf weitere Entwicklungsfortschritte angewiesen. Angesichts der niedrigen Einkommen und häufigen Dürreperioden kommt es in einigen Gebieten immer wieder zu Hungersnöten. Die Mehrheit der Menschen im erwerbsfähigen Alter weist einen niedrigen Bildungsgrad und mangelnde technische und unternehmerische Fähigkeiten auf und verfügt nur über unzureichenden Zugang zu Gesundheitsdiensten. In einigen entlegenen ländlichen Distrikten leiden über 40 Prozent der Kinder an Mangel- oder Unterernährung (Landesdurchschnitt im Jahr 2010 laut Weltbank: 18 Prozent). Erschwerend für die Entwicklung kommt hinzu, dass Nusa Tenggara Timur ein "Archipel im Archipel" ist: Die Provinz besteht aus über 500 Inseln, von denen ungefähr die Hälfte bewohnt ist. NTT selbst liegt schon fernab der großen wirtschaftlichen und urbanen Zentren Indonesiens, aber auch innerhalb NTTs sind viele Inseln und Gebiete nur schwierig oder unter erheblichem Zeitaufwand erreichbar.

Der UN-Bericht sieht keine Anhaltspunkte für einen Aufwärtstrend: Die Wachstumsrate der Provinz ist gering und bleibt beständig unterhalb des nationalen Durchschnitts. NTT gehört zudem zu den Provinzen mit der höchsten Korruptionsrate. Bisherige Entwicklungsprogramme der indonesischen Regierung, ausländischer Hilfsorganisationen und lokaler Nichtregierungsorganisationen konzentrierten sich zumeist auf einen bestimmten Sektor, etwa den Gesundheitsbereich. Diese sektorialen Interventionen haben gerade in den bitterarmen, isolierten ländlichen Regionen bisher wenige langfristige Erfolge vorzuweisen.

Die Gründe hierfür liegen vor allem im fehlenden Verständnis der lokalen Bevölkerung für Konzepte marktwirtschaftlichen Handelns und sich selbst erhaltende Organisationen zur Verbesserung der Lebensbedingungen. Die lokale Landwirtschafts- und Gesundheitspraxis ist noch stark in überlieferten Weltanschauungen und traditionellen Ritualzyklen verankert. Auch ein Gesundheits- und Hygienebewusstsein ist im Alltag noch wenig ausgeprägt und trägt zur weiterhin hohen Müttersterblichkeit von 306 Frauen pro 100000 Geburten bei, die deutlich über dem nationalen Durchschnitt liegt.

Palmölboom und Umweltprobleme

Im Gegensatz zu den von Überbevölkerung gekennzeichneten Hauptinseln Java, Bali und Madura sind die "Außeninseln" zu großen Teilen vergleichsweise spärlich besiedelt. Das ursprünglich auf die niederländische Kolonialzeit zurückgehende Projekt der Transmigration, mit dem Menschen aus dem Kernland auf noch kaum erschlossenen Inseln angesiedelt werden, wurde Anfang der 1970er Jahre wieder aufgenommen. Suhartos nationales Prestigeprojekt sollte neben der demografischen Entlastung des Zentrums vor allem der wirtschaftlichen Erschließung der Außeninseln dienen. Auch galt es, durch die Ansiedlung von javanischen Transmigranten in den peripheren Regionen die Integration dieser Gebiete in den indonesischen Einheitsstaat zu sichern.

Heute wird die Arbeitskraft der Transmigranten vornehmlich in die Plantagen- und Bergbauindustrie eingebunden. Die neuen Großprojekte der Palmöl- und Kautschukplantagen und des Abbaus von Bodenschätzen haben jedoch zu einer weiteren Verschärfung der Probleme, die durch großflächige Entwaldung ganzer Regionen entstehen, beigetragen. Schon die Transmigrantensiedlungen unter Suharto waren für die zunehmende Abholzung der Regenwälder verantwortlich gemacht worden, der derzeitige Palmölboom hat die Situation jedoch noch einmal verschärft.

Die indonesischen Tropenwälder, vor allem auf Sumatra, Kalimantan und Papua gelegen, sind nach den brasilianischen Urwaldgebieten die zweitgrößten der Erde. Doch Indonesien weist auch die höchste Entwaldungsrate auf. Die ostsumatranische Provinz Riau ist dem World Wide Fund for Nature (WWF) zufolge das "Entwaldungszentrum von Indonesien": 1982 waren noch 78 Prozent der Provinzfläche mit Tropenwald bedeckt, 2009 nur noch 27 Prozent. Kahlschlag in Indonesiens Peripherie - durch inländische und ausländische Unternehmer der Holz-, Papier-, Bergbau- oder Plantagenindustrie und durch illegalen Holzeinschlag - führte in den vergangenen Jahrzehnten zudem zu einem starken Anstieg von Wald- und Torfmoorbränden, denen Indonesien nun seine unrühmliche Position als weltweit drittgrößter Verursacher der für die globale Klimaerwärmung verantwortlichen Kohlendioxidemissionen verdankt.

Mit dem UN-Programm "Reduction of Emissions from Deforestation and Degradation" (REDD) soll den Entwicklungsländern geholfen werden, ihre für das globale Klima so entscheidenden Regenwälder zu schützen und die Treibhausgasemissionen zu senken. REDD sieht vor, dass Länder wie Indonesien für den Verzicht auf Abholzung ihrer Wälder von den Industrienationen Entschädigungen erhalten. Es bleibt allerdings fraglich, ob das Programm tatsächlich dazu beitragen kann, den Holzeinschlag signifikant zu verringern. Gerade die Palmölindustrie ist ein höchst lukrativer Wachstumsmarkt und schafft dringend benötigte Arbeitsplätze in Indonesiens Peripherie, vor allem für Kleinbetriebe in ländlichen Gegenden lohnt sich der Anbau von Ölpalmen. Indonesien ist inzwischen weltgrößer Produzent von Palmöl, weitere Großprojekte sind geplant. Eine Entschädigung, deren Höhe sich nur an den geschätzten Gewinnen bemisst, die den Palmölunternehmen durch Abholzungsverzicht entgehen würden, ist wenig realistisch: Zusätzlich müssten die Verluste, die der Lokalregierung durch ausbleibende Steuereinnahmen und der Bevölkerung durch den Verlust von verstärkter Nachfrage nach lokalen Waren- und Dienstleistungen im Umfeld der Unternehmen entstehen, berücksichtigt werden.

Die Dezentralisierung und Stärkung der regionalen Autonomie wirkt sich angesichts der drängenden Umweltprobleme als Hindernis für eine klare, konsequent an internationalen Umweltabkommen orientierte nationale Politik aus. Da nun auch die Lokalregierungen bis zu einem gewissen Grad eigenmächtig Konzessionen für Plantagen, Holzeinschlag und Bergbau vergeben können, hat sich die Lizenzvergabe zu einem für regionale Eliten profitablen und von der Zentralregierung kaum zu kontrollierenden Geschäft entwickelt. Gleiches gilt für Geschäfte aus dem illegalen Holzgeschäft, das seit der Dezentralisierung ebenso einen Aufschwung erlebt hat. Die Durchsetzung der geltenden Gesetze und Strafverfolgung ist als mangelhaft zu bezeichnen, nicht nur aufgrund der weitverbreiteten Korruption, sondern auch, weil im Zuge der Dezentralisierung vielerorts noch Unklarheit über die jeweilige Rechtslage und die Frage nach lokaler oder nationaler Zuständigkeit herrscht. Das öffnet eigenmächtigem Handeln der lokalen "Könige" und einflussreichen Großunternehmern Tür und Tor. Konzessionen für großflächigen Abbau von natürlichen Ressourcen werden zwar weiterhin von der Zentralregierung vergeben, aber die lokalen Autoritäten sind befugt, unabhängig von den Provinzregierungen Lizenzen für kleinere und befristete Projekte zu erteilen. Das hat dazu geführt, dass viele Unternehmen ihre Konzessionsanträge unterteilen und für jeweils mehrere kleinere Gebiete stellen, um so innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Distriktebene zu bleiben.

Ungeklärt ist die Rechtslage auch, was die traditionellen Landrechte lokaler Bevölkerungsgruppen angeht. Hier stehen sich nationales Recht einerseits und traditionelles Gewohnheitsrecht (adat) vieler indigener Ethnien andererseits gegenüber. Im Zuge von Holzeinschlag und großflächiger Umwandlung von Waldgebieten in Palmöl- und Kautschukplantagen wird den indigenen Bevölkerungsgruppen ihr traditionell genutztes Land genommen und ihr Lebensraum zerstört. Auf die wiederkehrenden Proteste reagiert der Staat nicht selten brutal. Polizei und Militär lassen sich zudem regionale "Sicherheitsdienste" von lokalen Regierungen und in der Plantagen- und Bergbauindustrie tätigen Unternehmen großzügig bezahlen und sind tief in die regionalen Machtkämpfe um Einfluss und Kontrolle über die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen verwickelt.

Papua: Peripherie im Zentrum globaler Dynamiken

In der im Osten Indonesiens gelegenen Provinz Papua zeigt sich die komplexe Problematik zwischen Zentrum und Peripherie auf extreme Weise. Papua gehört einerseits zu den ressourcenreichsten Gebieten Indonesiens, andererseits war es 2011 die Provinz mit der höchsten Armutsrate, nämlich 31 Prozent (nationaler Durchschnitt: 12,3 Prozent). Papua weist zudem die höchste HIV/AIDS-Rate in Indonesien auf. Die indigenen Papua leben zumeist in größter Armut und fühlen sich als Fremde im eigenen Land, während die Zentralregierung in Jakarta und internationale Investoren vom außerordentlichen Ressourcenreichtum der Provinz profitieren. Daran hat sich auch nach Verleihung des Status einer "Sonderautonomie" (gemeinsam mit Aceh) für die Provinz wenig geändert.

Das Unternehmen PT Freeport Indonesia im Hochland Papuas gehört zum amerikanischen Konzern Freeport McMoRan Copper & Gold. Die von Freeport betriebene Grasberg-Mine ist nicht nur die größte Goldmine der Welt, sondern macht Freeport auch zum größten Steuerzahler Indonesiens. Die indonesische Regierung hat Freeport daher zum "lebenswichtigen nationalen Objekt" erklärt. Für dessen Sicherheit soll mit einer enormen Armee- und Polizeipräsenz gesorgt werden, die mit massivster Gewalt nicht nur gegen Anhänger der papuanischen Unabhängigkeitsbewegung, sondern auch gegen lokale Protest- und Oppositionsbekundungen vorgeht. Menschenrechtsorganisationen sprechen von "systematischem Staatsterrorismus". Immer wieder kommt es zu Klagen und Protesten seitens lokaler Gemeinschaften, vor allem indigener Papua, die ihr angestammtes Land durch Enteignung verloren haben und die zusammen mit internationalen Nichtregierungsorganisationen auf die andauernden Menschenrechtsverletzungen und die Zerstörung der natürlichen Umgebung im Konzessionsgebiet aufmerksam machen.

Das an Indonesiens östlichster Peripherie gelegene Papua, auch ethnisch denkbar weit vom javanischen Zentrum entfernt, erfährt die Machtausübung der Zentralregierung auf besonders drastische Weise. Gleichzeitig zeigen sich transnationale Interessensverflechtungen, die in Zeiten der Globalisierung über Indonesien hinaus auf ganz andere Zentren hinweisen, nämlich die westliche Welt, in der internationale Großkonzerne ihren Sitz haben, sowie die internationale Öffentlichkeit, an die mit indigenen Papuas zusammenarbeitende westliche Menschenrechts- und Umweltorganisationen appellieren.

Ausblick

Auch ein Jahrzehnt nach der konsequent durchgesetzten Demokratisierung und Dezentralisierung zeigt eine Bestandsaufnahme der Entwicklungen ein zwiespältiges Bild. Obgleich die regionale Autonomie besonders den Distrikten zuvor undenkbare Möglichkeiten der Selbst- und Mitbestimmung gegeben hat, geht doch vielerorts der in den vergangenen Jahren zu verzeichnende wirtschaftliche Aufschwung (2011 betrug das Wachstum 6,5 Prozent) weiterhin an den Bedürfnissen gerade der Ärmsten - und das sind in den peripheren Gebieten zumeist große Teile der Bevölkerung - vorbei.

Dezentralisierung geht nicht unbedingt automatisch einher mit Demokratisierung und verantwortlicher Regierungsführung. Der zuvor im Zentrum ausgetragene Machtkampf um Ressourcen ist nun unter den lokalen Eliten in den regionalen Zentren der Peripherie entbrannt. Korruption, Kollusion und politisch motivierte Gewalt - einst fest in der Hand der Zentralregierung - haben sich dezentralisiert und eine nur schwer zu kontrollierende Eigendynamik entwickelt. Ob es der Zentralregierung in Jakarta gelingen wird, eine Entwicklung zu fördern, die den wirtschaftlichen Aufschwung mit nachhaltigem Umweltschutz und gesamtgesellschaftlicher sozialer Gerechtigkeit verbindet, bleibt abzuwarten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Das neue Verhältnis zwischen Zentrum und den Regionen regeln vor allem Gesetz 22/1999 ("Gesetz über das Regierungswesen der Regionen") und Gesetz 25/1999 ("Gesetz über den Finanzausgleich zwischen der Zentralregierung und den Regionen").

  2. Die Bevölkerung des 1975 von Indonesien annektierten, zuvor unter portugiesischer Herrschaft stehenden Ostteils der Insel Timor hatte sich 1999 in einem Referendum für die Unabhängigkeit ausgesprochen. Nach einem Bürgerkrieg zwischen indonesischer Armee, indonesischen Milizen und ost-timoresischen Freiheitskämpfern wurde Ost-Timor 2002 als Timor Leste in die Unabhängigkeit entlassen.

  3. Vgl. Edward Aspinall/Greg Fealy, Introduction: Decentralisation, Democratisation and the Rise of the Local, in: dies. (eds.), Local Power and Politics in Indonesia, Singapore 2003, S. 4.

  4. Vgl. Fitria Fitrani/Bert Hofman/Kai Kaiser, Unity in Diversity? The Creation of New Local Governments in a Decentralising Indonesia, in: Bulletin of Indonesian Economic Studies, 41 (2005) 1, S. 57-79.

  5. Vgl. Vedi Hadiz, Reorganizing political power in Indonesia. A reconsideration of so-called "democratic transitions", in: Maribeth Erb/Priyambudi Sulistiyanto/Carole Faucher (eds.), Regionalism in Post-Suharto Indonesia, London-New York 2005, S. 50.

  6. Vgl. Akiko Morishita, Prosperous in the provinces, in: Inside Indonesia, 104 (2011) April-June.

  7. Benny Subianto, Impunity Allows New-Order Spirit to Haunt Rich Regions, in: The Jakarta Globe vom 5.9.2010, online: www.thejakartaglobe.com/commentary/impunity-allows-new-order-spirit-to-haunt-rich-regions/394673 (16.2.2012).

  8. Vgl. Nivell Rayda, Legislature Falls Apart as District Head Sentenced for Corruption in East Kalimantan, in: The Jakarta Globe vom 16.3.2009, online: www.thejakartaglobe.com/news/legislature-falls-apart-as-district-head-sentenced-for-corruption-in-east-kalimantan/310150 (16.2.2012).

  9. Vgl. Rosa Evaquarta, Corrupting Politics, in: Inside Indonesia vom 7.2.2010, online: www.insideindonesia.org/weekly-articles-99-jan-mar-2010/corrupting-politics-06021838 (16.2.2012).

  10. Vgl. ebd.

  11. Für Gorontalo vgl. Elizabeth Morrell, Local Agency and Region Building in Indonesia's Periphery: Shifting the Goalposts for Development, in: Asian Journal of Political Science, 18 (2010) 1, S. 48-68.

  12. Vgl. Wijayanto, Komodo for the prosperity of NTT, in: The Jakarta Globe vom 3.1.2012, online: www.thejakartaglobe.com/columnists/komodo-for-the-prosperity-of-ntt/488850 (16.2.2012).

  13. Vgl. Taco Bottema/Keppi Sukesi/Simon Seran, NTT at a Crossroads. A report commissioned by UNRC to support the UNDAF Process, 14.10.2009, online: www.un.or.id/documents_upload/publication/NTT at a crossroads.pdf (16.2.2012).

  14. Vgl. ebd., S. 31.

  15. Vgl. Riwanto Tirtosudarmo, Demography and Security: Transmigration Policy in Indonesia, in: Myron Weiner/Sharon Stanton Russell (eds.), Demography and National Security, o.O. 2001.

  16. Vgl. A Special Report on Indonesia, in: The Economist vom 12.9.2009, S. 14f.

  17. Vgl. Indonesia to Create Giant Palm Oil, Rubber Firm, in: The Jakarta Globe vom 3.2.2012, online: www.thejakartaglobe.com/business/indonesia-to-create-giant-palm-oil-rubber-firm/495542 (16.2.2012).

  18. Vgl. Colin Hunt, The Costs of Reducing Deforestation in Indonesia, in: Bulletin of Indonesian Economic Studies, 46 (2010) 2, S. 187-192.

  19. Zu den Folgen der Dezentralisierung auf die Verwaltung der Wälder Indonesiens vgl. Christopher Barr et al., Decentralization of Forest Administration in Indonesia. Implications for Forest Sustainability, Economic Development and Community Livelihoods, Bogor 2006.

  20. Zur besseren Vertretung ihrer Rechte haben sich die indigenen Völker Indonesiens 1999 zur Alliance of the Indigenous Peoples of the Indonesian Archipelago (AMAN) zusammengeschlossen. Vgl. Leena Avonious, Indonesian Adat Communities: Promises and Challenges of Democracy and Globalisation, in: Minako Sakai/Glenn Banks/John H. Walker (eds.), The Politics of the Periphery in Indonesia. Social and Geographical Perspectives, Singapore 2009.

  21. Vgl. Henk Schulte Nordholt, Renegotiating boundaries. Access, agency and identity in post-Soeharto Indonesia, in: Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde, 159 (2003) 4, S. 550-589, hier: S. 571; Farouk Arnaz, Indonesia Police Admit Payments From Palm Oil Companies, in: The Jakarta Globe vom 18.1.2012, online: www.thejakartaglobe.com/home/indonesia-police-admit-payments-from-palm-oil-companies/492030 (16.2.2012).

  22. Vgl. Berita Resmi Statistik No. 06/01/Th. XV, 2 Januari 2012, Badan Pusat Statistik, online: www.bps.go.id/brs_file/kemiskinan_02jan12.pdf (16.2.2012).

  23. Vgl. Richard Chauvel, Rulers in their own country?, in: Inside Indonesia vom 23.10.2008, online: www.insideindonesia.org/edition-94-oct-dec-2008/rulers-in-their-own-country-24101128 (16.2.2012).

  24. Zu Freeport vgl. Denise Leith, The Politics of Power. Freeport in Suharto's Indonesia, Honolulu 2003.

  25. Vgl. Berita Resmi Statistik (Anm. 22).

M.A.; Studium der Südostasienkunde, Indonesistik, Soziologie und Thaiistik; derzeit Doktorandin an der Universität Hamburg; Redaktionsmitglied bei "Zenith - Zeitschrift für den Orient". E-Mail Link: bettidavid@yahoo.de Externer Link: www.bettina-david.de