Einleitung
In der medialen Berichterstattung über die sogenannte postkoloniale oder gar "Dritte" Welt stehen meist gesellschaftliche Konflikte und Probleme im Vordergrund. Insbesondere von Afrika und Asien ist vor allem dann zu hören, wenn Bevölkerungen verhungern, ertrinken oder gar "explodieren". Ansonsten geraten diese Erdteile häufig nur ins Blickfeld, wenn sich die dort lebenden Menschen gegenseitig bekriegen. Während im ersten Fall in der Regel soziale Missstände und Naturkatastrophen verantwortlich gemacht werden, führen im zweiten Fall sowohl die berichterstattenden Medien als auch die beteiligten Konfliktparteien häufig ethnische und religiöse Unterschiede als Ursachen ins (kriegerische) Feld. Sehr viel seltener hört und liest man von Afrika oder Asien im Zusammenhang mit Integration, Konfliktregulierung oder gelungenen Beispielen für ein Zusammenleben in einem oft durch ein hohes Maß an Diversität geprägten Alltag.
Um den Verlauf von Konflikten verstehen und um deren Eskalation vermeiden bzw. beenden zu können, muss man deren Ursachen verstehen. Man muss aber, vereinfacht gesagt, auch die Ursachen eines weitgehend friedlichen Miteinanders verstehen, um selbiges bewahren zu können. Alle Gesellschaften sind sowohl durch integrative Prozesse als auch durch Konflikte gekennzeichnet, die mit bestimmten sozialen Dynamiken, historischen Entwicklungen und politischen Strukturen in Verbindung stehen und nicht etwa naturgegeben sind. Überall, wo Menschen miteinander leben, gibt es divergierende Interessen, Überzeugungen und Lebensweisen, die einander ergänzen bzw. nebeneinander existieren können, die aber insbesondere in Verbindung mit ungleichen Möglichkeiten ihrer Verwirklichung sowohl zu konstruktiven als auch destruktiven Konflikten führen. Neben den Unterschieden gibt es aber überall auch Gemeinsamkeiten, die dazu beitragen, dass Diversität nicht entzweit, Konflikte nicht gewalttätig eskalieren und Gesellschaften nicht auseinanderbrechen.
Nationale Identität im postkolonialen Kontext: Versuch eines Perspektivwechsels
Im Folgenden geht es um das Verhältnis von ethnischer Diversität und nationaler Einheit in Indonesien. Dabei wird der Blick vor allem auf die integrativen Dimensionen dieses Verhältnisses gelenkt und der Frage nachgegangen, wie ethnische Diversität auf der einen und nationale Einheit auf der anderen Seite miteinander verknüpft werden. Damit soll die Existenz und Virulenz von Konflikten keinesfalls geleugnet werden. Vielmehr soll durch einen Perspektivwechsel von konfliktären zu integrativen Prozessen verstärkt auch der Frage nachgegangen werden, wie innerhalb von postkolonialen Gesellschaften, die durch große ethnische Vielfalt geprägt sind, gesellschaftliche Integration konzeptualisiert und praktiziert wird. Nicht die Frage, warum es wie und wo eskaliert, steht bei dieser Betrachtungsweise im Vordergrund, sondern die, warum es wie und wo nicht (häufiger und lauter) "knallt".
Nationale Identität in Indonesien muss also in einem gesellschaftlichen Kontext konstruiert und kommuniziert werden, der (unter anderem) durch extreme ethnische Diversität geprägt ist.
In postkolonialen Gesellschaften mit ethnisch heterogenen Bevölkerungen werden nationale Identitäten häufig ganz anders konstruiert, als es das europäische Modell des Nationalstaates vorsieht. So werden ethnische Identitäten vielerorts nicht als nationale Identität behindernd, sondern als diese konstituierend aufgefasst. Nationale Identifikationen benötigen demnach einerseits ethnische Wurzeln, aus denen sie sich nähren, und bieten andererseits einen Bezugsrahmen, in dem ethnische Diversität mit dem Nationalen verknüpft wird.
Ob ethnische Diversität und nationale Einheit einander ergänzen oder in Opposition zueinander stehen, hängt unter anderem von der Existenz transethnischer Gemeinsamkeiten ab, die als Basis einer gemeinsamen nationalen Identität fungieren können. Eine wichtige Rolle für die Konstruktion nationaler Gemeinsamkeiten spielen in postkolonialen Gesellschaften etwa Narrative - in Teilen oder der Gesamtheit der Bevölkerung verbreitete Erzählungen -, die sich insbesondere auf die gemeinsame historische Erfahrung des Kolonialismus, des Unabhängigkeitskampfes und der frühen postkolonialen Zeit beziehen. Es sind daneben Gemeinsamkeiten hinsichtlich Sprache, Religion und Lebensform, die transethnische Verbindungen schaffen und zum Prozess des postkolonialen nation-building beizutragen vermögen. Dabei können bestimmte ethnische Identitäten gut, andere weniger gut mit nationaler Identität vereinbar sein, was unter anderem von ihrer sozialen, ökonomischen und politischen Position im nationalstaatlichen Gefüge abhängt.
Das Bewusstsein, dass nationale Identität in postkolonialen, ethnisch heterogenen Gesellschaften nur gedeihen kann, wenn die vorhandenen ethnischen Identitäten als ihre Grundlage - und nicht etwa als ihr Gegenpol - begriffen werden, ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten gewachsen und schlägt sich auch in politischen Programmen und Schlagworten nieder, wie beispielsweise der indonesischen "Einheit in Vielfalt" oder der südafrikanischen "Regenbogennation".
Erfindung der indonesischen Nation
Bereits Anfang der 1960er Jahre bemerkte Benedict Anderson, dass sich seine indonesischen Bekannten allesamt als Indonesier bezeichneten, wenngleich "zu Beginn des Jahrhunderts nicht einmal der Begriff 'Indonesien' bekannt war".
Die Indonesier selbst lernten diese Bezeichnung für sich und "ihr" Land erst Ende des 19. Jahrhunderts kennen, als einige Auserwählte an holländischen Universitäten studieren durften und dort mit westlichen Vorstellungen über den Nationalstaat vertraut gemacht wurden. Die indonesische Unabhängigkeitsbewegung ging später maßgeblich von eben jenen Studenten aus, die im holländischen Exil erfahren hatten, dass sie, die sich bis dahin als inlanders, als einheimische Bevölkerung der holländischen Kolonie Nederlandsch Indië begriffen hatten, Indonesier waren, ein Volk, satu bangsa. "Indonesien", jener Begriff, der kreiert worden war, um sprachliche, historische und kulturelle Gemeinsamkeiten für ein bestimmtes koloniales Gebiet zu bezeichnen - bzw. zu unterstellen -, bot also die Grundlage für die nationalen Ideale jener, die fortan für die Unabhängigkeit ihres Landes stritten und zu den ersten postkolonialen Machthabern zählten. Die Vermittlung größtmöglicher Einheit einer auf über 6000 bewohnten Inseln verteilten Bevölkerung, die über 300 verschiedenen ethnischen Gruppen angehören und rund 250 Sprachen sprechen, wurde als Voraussetzung für die Verwirklichung nationaler Unabhängigkeit und für den postkolonialen Fortbestand eines geeinten Indonesiens betrachtet.
So wurden in Nederlandsch Indië seit Anfang des 20. Jahrhunderts verschiedene Organisationen gegründet, die zwar unterschiedlicher politischer und religiöser Ausrichtung waren, aber allesamt für nationale Einheit und Unabhängigkeit stritten. Jenseits dieser gemeinsamen Ziele jedoch gab es wenig Verbindendes. Javanisten
Sukarno war schließlich derjenige, der sich zum Führer der indonesischen Unabhängigkeitsbewegung aufschwang und 1927 mit Gründung der "Nationalistischen Partei Indonesiens" (Partai Nasional Indonesia, PNI) die diversen politischen Gruppen unter einem gemeinsamen Dach vereinte. Seine Politik des sogenannten NASAKOM - der magischen (und akronymischen) Verknüpfung von Nationalismus (nasionalisme), Religion (agama) und Kommunismus (kommunisme) - wurde durch Vorstellungen der Verbindung und Auflösung von Gegensätzen geleitet, die er, als erklärter Javanist, aus der hindu-javanischen Mystik ableitete.
"Fünf Edelsteine aus dem Boden der indonesischen Nation"
Nachdem das gemeinsame Ziel der Unabhängigkeit erreicht war, gelang es Sukarno nicht, die errungene Einheit aufrechtzuerhalten. Die verschiedenen Flügel der Parteien zerstritten sich, und die Konflikte gipfelten 1965 in einem blutigen Machtkampf zwischen den Kommunisten auf der einen und dem nationalistischen Militär auf der anderen Seite. Suharto, der Sukarno 1967 als Präsident folgte und bis 1998 regierte, setzte auf Modernisierung und wirtschaftlichen Fortschritt. Er verlieh dem Militär mehr Macht, verfolgte einen antikommunistischen und (bis Ende der 1980er Jahre) antiislamischen Kurs, stellte so die durch Sukarno beschädigten Beziehungen zum Westen wieder her und sicherte sich deren Unterstützung in Form von Weltbankkrediten. Eine Maßnahme im Rahmen seines antiislamischen Kurses bestand darin, zunehmend javanische Katholiken ins Militär aufzunehmen. Langfristig konnte Suharto den Islam aber nicht aus dem politischen Leben verbannen - dafür besaß und besitzt er in Indonesien eine zu bedeutsame soziale, politische und historische Rolle als einigende Kraft.
Als es Ende der 1970er Jahre aufgrund der ausbleibenden sozialen und ökonomischen Fortschritte zu Massenprotesten vor allem von Studierenden kam und die islamistische Opposition an Einfluss gewann, diagnostizierte die Regierung als maßgeblichen Grund der Unruhen einen Mangel an nationalem Bewusstsein und Zusammenhalt. 1978 wurde auf diese Erkenntnis mit der Verabschiedung eines formalen "Leitfadens für die Vertiefung und Ausführung der Pancasila" reagiert. Die Pancasila, das heißt die "fünf Prinzipien", auf denen diese Staatsdoktrin basiert, lauten:
Prinzip der All-Einen Göttlichen Herrschaft/Monotheismus (Ketuhanan Yang Maha Esa),
Humanismus/Internationalismus (Perikemanusian/Internationalisme),
Nationale Einheit Indonesiens (Kebangsaan Indonesia),
Beratung/Konsensfindung (Permusyawaratan),
Soziale Wohlfahrt (Kesejahteraan Sosial).
Die Pancasila waren bereits 1945 in die Präambel der Verfassung aufgenommen worden und sollten nun als Teil der "Neuen Ordnung" (Orde Baru), die das über 30 Jahre lang währende Regime Suhartos kennzeichnete, als nationale Lehre verbreitet werden und die politische Ideologie und Praxis in allen staatlichen Einrichtungen wie Behörden, Schulen und Universitäten bestimmen. 1985 wurden die Pancasila zum obersten Glaubensprinzip aller Massenorganisationen und Parteien erklärt.
Die oft mystisch anmutende Bedeutung, die mit den Pancasila bis heute verbunden ist, hat ihren Grund auch in der Art und Weise, in der ihr Erfinder Sukarno ihren Ursprung erklärte. Demnach liegt selbiger in der vorkolonialen Zeit, im Reich Majapahit des 14. Jahrhunderts. Die Pancasila erscheinen als "Wiederkunft der Weisheiten, Rechtsauffassungen und Sitten aus der goldenen Zeit des javanischen Reiches von Majapahit im 14. Jh."
Indem Sukarno die Pancasila aus der javanischen Mythologie ableitete und nicht etwa als (seine) eigene Schöpfung darstellte, ordnete er sie divergierenden Ideologien gesellschaftlicher und politischer Gruppierungen über und verlieh ihnen eine Zeit und Politik transzendierende Qualität und Symbolik. Ein präkoloniales Indonesien, auf das sich die Staatsgründer und ihre politischen Nachfolger hätten beziehen können, hatte es nie gegeben, so dass es der postkolonialen Erfindung präkolonialer Gemeinsamkeiten bedurfte, die als Grundlage eines sich vom Kolonialen emanzipierten Nationalbewusstseins fungieren konnten.
Entsprechend war sie immer dann als einigendes nationales Prinzip weniger erfolgreich, wenn sie zu eng mit bestimmten politischen Ideologien verknüpft wurde. Als Sukarno 1959 die Verknüpfung von Nationalismus, Religion und Kommunismus als neue Staatsdoktrin verkündete, legte er gleichzeitig fest, dass jegliches Abweichen von dieser ideologischen Trinität als Pancasila - und damit staatsfeindlich anzusehen sei. Damit handelte er sich den Widerstand des antikommunistisch eingestellten Militärs - und letztlich seinen eigenen Sturz - ein.
Pancasila im Dienste unterschiedlicher Ideologien
Sein Nachfolger Suharto entpolitisierte die Pancasila folglich, indem er sie stärker in den Kontext der javanischen kebatinan-Mystik stellte und ilmu kasunyatan, die "höchste Weisheit", die mittels der Praktizierung von kebatinan erlangt werden könne, als ihren wesentlichen Kern bestimmte. Bei dieser Lehre geht es, vereinfacht gesagt, darum, Widersprüche und Verschiedenheiten des materiellen und seelischen Lebens mittels intuitiven Begreifens (rasa) des verborgenen, inneren Kerns des eigenen Wesens (batin) zu überwinden, das seinen Ursprung in Hyang Sukma, dem allumfassenden Gott hat. In diesem Konzept reflektiert die äußere Welt eine transzendente Ordnung, innerhalb derer jeder Einzelne eine bestimmte Position einzunehmen hat. Rasa vermag den Menschen an diese für ihn vorgegebene Position zu führen, von der aus er in der Lage ist, die damit verbundenen Aufgaben zu erfüllen, um so wiederum seine intuitive, emotionale Kraft zu mehren und seine Persönlichkeit zu festigen.
Das kebatinan-Ideal soll dem Einzelnen als ideelle Grundlage für sein Leben dienen, aber auch der heterogenen indonesischen Gesellschaft als Gesamtheit eine Anleitung sein, mittels derer Entzweiung aufgrund von Verschiedenheit verhindert bzw. überwunden werden kann - ohne Verschiedenheit zu unterdrücken. So, wie der Einzelne mittels rasa seine jeweilige Position innerhalb der Welt zu finden vermag und auf diese Weise sowohl seine individuelle Persönlichkeit als auch das kollektive Ganze stärkt, so sollen die verschiedenen ethnischen Gruppen ihre Position innerhalb der Gesamtheit der indonesischen Nation finden, deren Teil sie sind. So vermögen sie sowohl ihre ethnische "Persönlichkeit" zu stärken, als auch die der indonesischen Nation.
Entsprechend der zentralen Bedeutung der auch in den Pancasila proklamierten nationalen Einheit trägt der Garuda Pancasila (Pancasila-Adler), das Nationalsymbol Indonesiens, im Staatswappen ein Schriftband mit den Worten Bhinneka Tunggal Ika in seinen Krallen (vgl. Abbildung in der PDF-Version, S. 21). Bhinneka Tunggal Ika wird (auch von Indonesiern) mit Unity in Diversity bzw. "Einheit in Vielfalt" übersetzt. Laut javanischer Geschichtsauffassung ist dieses Motto aus einem Vers des Philosophen Mpu Tantular abgeleitet, der im 15. Jahrhundert im Reich Majapahit lebte und Bhinneka Tunggal Ika erstmals in einem religiösen Gedicht (sutasoma) schriftlich fixierte. Innerhalb dieses Gedichts formulierte er eine Doktrin zur Verbindung von hinduistischem und buddhistischem Glauben, die ein wichtiges spirituelles und politisches Element im mächtigen Staat Majapahit unter seinem Herrscher Gajah Mada bildete.
Die Integration von Verschiedenheit ist aber auch ein javanisches Ideal, das über das Politische hinaus sowohl das Leben des Einzelnen als auch das von sozialen Gruppen prägt. Auch wenn der präkoloniale Entstehungskontext dieses Prinzips dabei ein postkoloniales Konstrukt sein mag, vermindert dies doch nicht seine aktuelle Bedeutung. Dass so generalisierte Prinzipien wie die der Pancasila im Dienste unterschiedlicher Ideologien und im Sinne der Legitimation divergierender politischer Machtverhältnisse interpretiert werden können, ist leicht nachzuvollziehen, ebenso die Tatsache, dass die "fünf glänzenden Edelsteine" unter der Jahrzehnte währenden Diktatur des Suharto-Clans und der ethnischen Dominanz der Javaner an Glanz einbüßten.
Die Pancasila dienten sowohl der Konstruktion eines nationalen Gemeinschaftsgefühls als auch der Legitimation von staatlicher Verfolgung und Unterdrückung Andersdenkender. Dennoch scheint der Pancasila-Doktrin auch nach den politischen Veränderungen seit 1998, die mit Demokratisierung, Liberalisierung und der Dezentralisierung politischer Macht einhergingen, seitens der meisten Indonesier eine wichtige Bedeutung beigemessen zu werden. Auch politisch kritisch eingestellte Personen sind großteils der Auffassung, dass die Lehre der Pancasila zu wahren beziehungsweise überhaupt erst zu verwirklichen sei. Nicht so sehr die Lehre der Pancasila wird in Frage gestellt als vielmehr die politischen Machthaber, die sie zu ihren Zwecken missbraucht hätten.
Zur Bedeutung des Islam für die Einheit in Vielfalt
Indonesien ist das größte islamische Land der Welt. Fast 90 Prozent der Indonesier sind Muslime und der Islam spielt aus verschiedenen Gründen eine entscheidende Rolle auch für die nationale Identität. Zum einen ist über die Zugehörigkeit zum Islam auch der Widerstand gegen die (christlichen) Kolonialherren symbolisiert und mobilisiert worden - der Islam steht so auch für den erfolgreichen Kampf gegen den Kolonialismus und für die nationale Unabhängigkeit. Zudem fungiert der Islam für die muslimischen Indonesier als transethnisches Verbindungsglied.
Über die Zugehörigkeit zum Islam wird also auch gemeinsame nationale Identität konstruiert, und nicht muslimisch zu sein wird häufig mit einem Mangel an Nationalbewusstsein und Loyalität gegenüber dem indonesischen Staat in Verbindung gebracht. Dies gilt insbesondere für Chinesen, deren Loyalität gegenüber Indonesien auch in anderer Weise infrage gestellt wird; es gilt aber auch für christliche Indonesier allgemein. Durch die Zugehörigkeit zum christlichen Glauben wird für viele muslimische Indonesier zudem auch die Anlehnung an eher westlich geprägte Werte zum Ausdruck gebracht sowie eine kritische Haltung gegenüber dem Islam und eine mangelnde Verankerung im Glauben an eine islamisch-indonesische Souveränität.
Daneben gibt es besonders unter den Anhängern islamistischer Ideologien auch viele Kritiker der Pancasila und des Prinzips der Einheit in Vielfalt, vor allem aufgrund des dort festgelegten Prinzips einer relativen Religionsfreiheit und der Verknüpfung der Pancasila-Prinzipien mit präislamischen, javanischen Mythologien.
Es sind in Indonesien selten ethnische Diversität und nationale Einheit, die sich in ihrer Existenz und Entfaltung gegenseitig behindern. Wo gesellschaftliche Integration erschwert und gefährdet wird, sind in erster Linie extreme soziale und ökonomische Ungleichheiten verantwortlich oder islamistische Fundamentalisten am Werk. Das "Beispiel Indonesien" zeigt so auch, dass Diversität an sich weder zu gesellschaftlicher Desintegration noch zu Gewalt und Niedertracht führt. Es ist vielmehr die soziale und politische Bewertung von Vielfalt, Unterschieden und Verschiedenheit, die darüber entscheidet, ob Diversität innerhalb einer Gesellschaft als erheblich oder irrelevant, als entzweiend oder komplementär, als bereichernd oder bedrohlich wahrgenommen und kommuniziert wird.