Am 7. Februar 1992 unterzeichneten die zwölf Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft den Vertrag von Maastricht, mit dem die Europäische Union gegründet und die Grundlage für eine Wirtschafts- und Währungsunion geschaffen wurde. 20 Jahre später hätten die Mitgliedstaaten der Eurozone "eingesehen (...), diese Wirtschafts- und Währungsunion auf ein stabileres Fundament zu stellen", wie Bundeskanzlerin Angela Merkel nach den Verhandlungen über einen "Fiskalpakt" am 9. Dezember 2011 in Brüssel konstatierte. Damit, so die Bundeskanzlerin weiter, werde "auch die politische Union vorangebracht".
Anlass der Bemühungen zu einer vertieften Integration ist die fortdauernde Schuldenkrise. Ob die Brüsseler Beschlüsse und immer neue Gipfeltreffen die Krise tatsächlich werden beenden können, bleibt abzuwarten. Der Weg in eine politische Union kann indes nur schwerlich mit finanz- und wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten allein begründet werden. Europa steht offenbar am Scheideweg: Was hält die Europäische Union über eine bloße ökonomische Zweckgemeinschaft hinaus und in Zukunft zusammen? Die eine "Europäische Identität", die es nur zu entdecken, formulieren und vermitteln gälte, gibt es nicht.
Zum Thema "Europäische Identität" hat die APuZ zum ersten Mal in ihrer über 60-jährigen Geschichte einen "Call for Papers" an Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen gerichtet. Aus der Fülle von bemerkenswerten Einsendungen hat die Redaktion zwei Beiträge ausgewählt, die am Anfang und am Ende dieser Ausgabe zu finden sind. Beide verweisen auf den konstruierten Charakter kollektiver Identitäten, auf eine Vielzahl konkurrierender Identitätsentwürfe - und auf die Chance, die in einem gemeinsamen Diskurs über europäische Identitäten und Interessen, über Ideen und Visionen liegen könnte.