Das "Wirtschaftswunder" in den 1950er und frühen 1960er Jahren veränderte die Bundesrepublik Deutschland nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich. Mit dem Wachstum und der Abriegelung der innerdeutschen Grenze entstand ein derart starker Arbeitskräftebedarf, dass Arbeitskräfte aus dem Ausland angeworben werden mussten. Das erste Anwerbeabkommen wurde 1955 mit Italien geschlossen. Es folgten weitere, so auch 1961 mit der Türkei. Zur Zeit des Anwerbestopps 1973 lebten etwa vier Millionen ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Bundesrepublik, etwa ein Drittel von ihnen kam aus der Türkei. Viele kulturelle Praktiken, Vorlieben und Lebensstile von "Gastarbeitern", die damals häufig auf Ablehnung der Mehrheitsgesellschaft stießen, sind aus dem deutschen Alltag heute nicht mehr wegzudenken.
Die damals gebräuchliche Bezeichnung "Gastarbeiter" - manchen galten sie auch als "Konjunkturpuffer" - drückte die Vorstellung aus, dass die Arbeitskräfte eines Tages wieder in ihre Heimatländer zurückkehren würden, weshalb weder sie noch staatliche Stellen Integrationsstrategien entwickelten. Trotz großer emotionaler Entbehrungen, meist körperlich anstrengender Arbeit, schlechter Wohnbedingungen und einem für Deutschland bescheidenen Lebensstandard haben sich die Hoffnungen vieler "Gastarbeiter" auf ein materiell besseres Leben erfüllt. Erfüllt haben sich auch die Hoffnungen der deutschen Wirtschaft auf tüchtige Arbeitskräfte sowie der deutschen Politik auf ununterbrochene Wohlstandsmehrung.
Die Spätfolgen des damaligen Versäumnisses, Arbeitskräfte nicht als Mitbürgerinnen und Mitbürger "mitgedacht" zu haben, treten mittlerweile offener zutage: Der Ausbau und die Anpassung öffentlicher Einrichtungen wie der kommunalen Infrastruktur oder auch die Neufassung des "gesellschaftlichen Wir" wurden lange Jahre vernachlässigt. Die gesellschaftlichen Strukturen in Deutschland waren auf Verschiedenheit nicht ausgelegt. Das belastet bis heute das soziale Klima. Diese Versäumnisse gilt es, nachzuholen, um die Potenziale einer Einwanderungsgesellschaft freizusetzen. Voraussetzung ist dabei, sich weder dem Diskurs um Integration zu verschließen, noch ihn für Partikularinteressen zu instrumentalisieren.