Das repräsentativ-demokratische System steckt in einer Vertrauenskrise. Nicht erst seit den Protesten um "Stuttgart 21" sind "Wutbürger" omnipräsent. Sie beklagen laut die Abgehobenheit und Bürgerferne der etablierten Parteien und der Politik überhaupt. Die Wahlbeteiligung sinkt mancherorts unter die Fünfzigprozentmarke. Besonders bei Menschen aus einkommensschwachen und "bildungsfernen" Schichten vergrößert sich die Partizipationslücke.
In der Sozialwissenschaft wird längst der Befund einer "Postdemokratie" erhoben: Politik sei zum Medienspektakel verkommen und werde einer immer heterogeneren und mobileren, ja transnationalen Gesellschaft nicht mehr gerecht. Zudem begreifen sich Politiker immer weniger als gestaltende Generalisten für "das große Ganze", sondern eher als Experten. Wer behält den Überblick in Zeiten fundamentaler Verunsicherung? Sind die Gewählten - und die Wählerschaft - tatsächlich bloß Getriebene anonymer Märkte und globaler Verwerfungen?
Von Instrumenten direkter Demokratie sollten keine Wunder erwartet werden. Viele politische Gestaltungsfragen eignen sich nicht zum Entweder-oder. Überdies wirken Volksentscheide, an denen noch deutlich weniger Stimmberechtigte teilnehmen als an Parlamentswahlen, kaum legitimitätsstiftend. Selbstverständlich gibt es auch ein gutes Recht auf Nicht-Partizipation. Aber ist in der "Spaßgesellschaft" Max Webers "Bohren dicker Bretter" wirklich altmodisch und uncool? Demokratie neu denken meint: Partizipationsmöglichkeiten zu nutzen und (insbesondere digital) auszubauen, Anhörungsverfahren endlich ernster zu nehmen und innerparteiliche Demokratie intelligenter zu gestalten.