Als Michail Gorbatschow vor zwanzig Jahren, am 25. Dezember 1991, als sowjetischer Präsident zurücktrat, hatte die Sowjetunion bereits aufgehört zu existieren. Über siebzig Jahre lang, fast drei Generationen, herrschten die in der Oktoberrevolution 1917 siegreichen Bolschewiki. Der grausamen Diktatur Josef Stalins und den ungeheuren Verlusten im "Großen Vaterländischen Krieg" beim Triumph über das nationalsozialistische Deutschland folgte ein zaghafter Aufbruch unter Nikita Chruschtschow, bevor das Riesenreich mit Leonid Breschnew und den anderen Greisen im Politbüro der KPdSU in letztlich tödliche Stagnation verfiel.
Die frühe postsowjetische Phase war gekennzeichnet von tiefen gesellschaftlichen Verwerfungen, die noch heute zu spüren sind. Dem schnellen, sagenhaften Reichtum einiger "Oligarchen" stehen Verunsicherung und die Sehnsucht nach geordneten Verhältnissen bei der Masse der Bevölkerung gegenüber. Wladimir Putins "gelenkte Demokratie" trifft offenbar auf große Zustimmung. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie "Memorial", die sich die Aufarbeitung der stalinistischen Verbrechen zum Ziel gesetzt haben, finden in Russland kaum mehr Gehör. Kritische Journalisten werden drangsaliert, nicht wenige sind Gewalttaten zum Opfer gefallen.
Bis heute wirkt die Sowjetära nach - in allen postsowjetischen Staaten. Nostalgische Gefühle beschwören Erinnerungen an vermeintlich glanzvolle Zeiten, als die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken eine Respekt einflößende, hoch gerüstete Supermacht war. Die Wertschätzung des Rechtsstaats scheint wieder zu schwinden. Perestroika und Glasnost, einst Schlagworte der Reformen Gorbatschows, erscheinen wie ferne Echos. Der im Westen als Lichtgestalt Verehrte gilt im heutigen Russland als Unperson.