Einleitung
Mit der Wahl Barack Obamas zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten im November 2008 gingen auch weitreichende klimapolitische Hoffnungen einher. Durch die Präsidentschaft des "Messias der Moderne"
Die Anfänge von Obamas Präsidentschaft gestalteten sich vielversprechend: Die Konturen eines Programms wurden deutlich, um in den USA einen Pfad einzuschlagen, der zu einer Transformation der Energiesysteme und hin zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft führt. Gleichzeitig wurden Bemühungen sichtbar, das Land nach langjähriger Abstinenz wieder an den Tisch der Klimaverhandlungen zurückzuführen und dort eine konstruktive Rolle einzunehmen. Ein Jahr vor Ende der ersten Amtszeit Obamas klafft jedoch eine deutliche Kluft zwischen Anspruch und Realität. Und die Aussichten, dass sich dies in den kommenden Jahren ändern wird, sind nicht nur unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Wahlniederlage des Amtsinhabers alles andere als rosig. Die klimapolitische Zwischenbilanz der Präsidentschaft Obamas zeigt, dass es einer Bündelung aller gesellschaftlichen Kräfte bedarf, um in der politischen Konfliktlandschaft der USA nach 2012 Veränderungen herbeiführen zu können.
Neuer Führungsanspruch
Präsident Obama kündigte zu Beginn seiner Präsidentschaft an, bei der Bekämpfung des Klimawandels eine Führungsrolle übernehmen zu wollen. Der Aufbau eines auf der Nutzung sauberer Energien basierenden Wirtschaftssystems sei Merkmal internationaler Führerschaft. Er unterstütze eine umfassende Klimagesetzgebung und setze auf die amerikanische Innovationskraft, welche die USA im friedlichen Wettstreit um die Energien der Zukunft weltweit wirtschaftlich wieder an die Spitze bringen könne - eine Position, die insbesondere von China streitig gemacht werde. Die Wichtigkeit einer stärkeren Unabhängigkeit von fossilen Energieimporten zusammen mit den Chancen durch saubere Technologie auch Arbeitsplätze zu schaffen, bildeten zunächst das Leitbild einer Reihe von Reden des Präsidenten.
Dieser Ansatz wurde auch institutionell durch die Auswahl des politischen Personals flankiert. Mit dem Physik-Nobelpreisträger Stephen Chu im Energieministerium zog ein Befürworter von alternativen Energien in das Ressort ein. Bemerkenswert auch die Auswahl des klimapolitischen Stabs der Administration: Der Klimabeauftragte der Außenministerin, Todd Stern, war bereits führend an der Aushandlung des Kyoto-Protokolls beteiligt, und der stellvertretende Chefunterhändler Jonathan Pershing hat sich vorher beim World Resources Institute einschlägig mit klima- und energiepolitischen Fragen befasst.
Der Führungsanspruch des Präsidenten wurde schließlich durch eine Reihe politischer Initiativen untermauert.
Fossile Abhängigkeiten
Der klima- und energiepolitische Ansatz der Regierung Obama ist, wie die seiner Vorgänger auch, maßgeblich von den fossilen Ausgangsbedingungen der Energienutzung geprägt.
Es fällt offenkundig schwer, sich von dieser kohlenstofflastigen Ausgangsbasis weg zu bewegen, auch wenn Obama bereits im Wahlkampf angekündigt hatte, bis 2025 ein Viertel des Strombedarfs über erneuerbare Energien abdecken zu wollen. Zusätzlich soll die Abhängigkeit von Erdölimporten durch den Ausbau von heimischen Biokraftstoffen gemindert werden. Um die Herausforderungen der Energiesicherheit anzugehen, setzt die US-Regierung auf einen Ansatz, der im Wesentlichen die Energiequellen diversifiziert und hierbei auch klimaschädliche wie riskante Optionen weiter verfolgt. Weder das Erdöl-Desaster im Golf von Mexiko 2009 hat hier zu einem Umsteuern geführt noch die Fukushima-Katastrophe 2011. Die von Obama für die internationalen Klimaverhandlungen angekündigte Emissionsreduzierung in den USA um 17 Prozent zwischen 2005 bis 2020 fällt deutlich hinter den internationalen Erwartungen zurück, da er auf das Basisjahr der internationalen Klimaverhandlungen bezogen (1990) nicht einmal an die 1997 vereinbarte Minderungsverpflichtung unter dem Kyoto-Protokoll heranreicht.
Dass die amerikanische Energiebehörde für das Jahr 2009 dennoch eine Minderung der Treibhausgasemissionen von etwa sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr berichten kann, ist wesentlich auf die vermehrte Nutzung von Erdgas zurückzuführen, das aufgrund der verstärkten Schiefergasgewinnung den Preiskampf mit der Kohle aufnehmen kann. Das unter Einsatz von enormen Wasser- und Chemikalienmengen aus dem Erdinneren geförderte Schiefergas hat die USA in kurzer Zeit zum weltweit größten Gasproduzenten gemacht. Ein energiepolitisches Umdenken unter klimapolitischen Gesichtspunkten wird aber nicht nur durch diese neue Option bei den verfügbaren Energiequellen gebremst, sondern viel stärker noch durch die parteipolitische Frontstellung im US-Kongress.
Energieblockaden im Kongress
Noch im 110. Kongress (2007-2009) sah es durch die demokratische Mehrheit in beiden Kammern so aus, als ob nach jahrelanger gesetzgeberischer Zurückhaltung in Washington eine neue Dynamik entstehen könnte, die unter der Führung von Obama einen umfassenden klimapolitischen Ansatz ermöglicht.
Doch die Stimmung kippte zu Beginn der Obama-Präsidentschaft. Bei der Republikanischen Partei baute sich vehementer Widerstand gegen die Einführung eines Emissionshandelssystems auf. Wesentlich von Vertretern der zunehmend an Einfluss gewinnenden Tea Party befördert, kehrten schon längst überwunden geglaubte Zweifel an der Existenz des Klimawandels in die innenpolitische Debatte zurück. Auch einige demokratische Parteigänger Obamas, die angesichts der Wirtschaftskrise, hoher Arbeitslosigkeit und steigender Energiepreise nicht zuletzt um ihre Wiederwahl fürchteten, schlossen sich dieser Opposition an.
Im Repräsentantenhaus fand der Entwurf eines American Clean Energy and Security Act der demokratischen Abgeordneten Henry Waxman und Edward Markey im Juni 2009 noch eine knappe Mehrheit. Der Entwurf sah vor, gegenüber 2005 den Treibhausgasausstoß bis 2020 um 17 Prozent, bis 2030 um 42 Prozent und bis 2050 um 83 Prozent zu mindern.
Während sich die Bewerber um die republikanische Präsidentschaftskandidatur, die eine aktive Klimapolitik ablehnen, gegenwärtig warmlaufen, muss Obama selbst bei der demokratischen Wählerschaft um den notwendigen Rückhalt bangen. Dies zeigt sich unter anderem an dem heftigen Widerstand von Umweltgruppen gegen das geplante Projekt der Erdölpipeline "Keystone XL", die durch sechs Bundesstaaten hindurch Rohöl aus den enormen Ölsandvorkommen in Kanada in den Süden der USA transportieren soll. Das Projekt wurde mittlerweile zurückgestellt.
Gebremstes internationales Klimaschutzengagement
Ohne die notwendige innenpolitische Rückendeckung hat es die Obama-Administration in den internationalen Klimaschutzverhandlungen nicht geschafft, die erhofften Akzente zu setzen und den Weg für ein umfassendes Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls zu ebnen. Hierfür hätten die USA auf den Verpflichtungspfad zurückkehren müssen, um die großen Schwellenländer wie China und Indien zu vergleichbaren Schritten zu ermutigen. Ohne das angestrebte nationale Klimaschutzprogramm, welches entsprechende Minderungsverpflichtungen zunächst national etabliert, fehlt dem amerikanischen Präsidenten ein hinreichendes innenpolitisches Mandat.
Darüber hinaus versucht die US-Regierung der internationalen Klima- und Energiepolitik auf anderen Wegen neuen Schwung zu verleihen. In gewisser Kontinuität zu seinem Vorgänger hat Obama mit dem Major Economies Forum (MEF) eine Komplementärplattform zu den internationalen Klimaverhandlungen etabliert.
Aus diesem Prozess heraus ist ein zusätzliches Format namens Clean Energy Ministerial (CEM) entstanden, in dem wiederum eine begrenzte Zahl von Regierungen die Partnerschaft für verschiedene Technologiepfade übernimmt und Technologieaktionspläne umsetzt.
Angesichts alarmierender Berichte über zum Teil bereits sichtbare Klimaveränderungen reicht dieses begrenzte Engagement indes kaum aus, um verlässliche Leitplanken für den notwendigen globalen Klimaschutz zu etablieren. Die Hoffnungen ruhen daher auf gesellschaftlichen Kräften innerhalb der USA, die zusammen mit den Klimaschutzbefürwortern in Washington eine neue Allianz bilden können. Oftmals finden sich solche Kräfte fernab der politischen Elite in Washington.
Staaten und Städte als Politiklabore
Das föderale System der USA gibt den Einzelstaaten vielfach den regulatorischen Raum, um in einzelnen Politikfeldern durch Standardsetzung und politische Innovationen ambitionierte Steuerungsansätze zu gestalten. Als Folge entsteht somit eine Politik unterschiedlicher Geschwindigkeiten in verschiedenen Regionen des Landes. Ähnliches gilt auch für die Rolle von Städten und Gemeinden. In der Klima- und Energiepolitik hat sich auf diese Weise in den vergangenen Jahren mitunter eine Dynamik entwickelt, die zumindest zum Teil die ausbleibenden Aktivitäten zur Etablierung eines umfassenden klima- und energiepolitischen Rahmens kompensieren konnte. Mittlerweile existieren in über 40 Staaten Zielsetzungen für den Ausbau erneuerbarer Energien, in 30 Staaten wurden Klimaschutzpläne verabschiedet.
Mittlerweile zeigen sich aber auch die Grenzen solcher bottom-up-Klimapolitik. Von der ursprünglich sechs US-Staaten umfassenden Western Climate Initiative ist im November 2011 nur noch Kalifornien übriggeblieben, der dortige Beginn des Handelssystems zudem auf 2013 vertagt. In den restlichen Staaten haben sich vorerst die Klimaschutzgegner durchgesetzt, die Ängste vor den Kosten durch die Etablierung dieses Instruments geschürt haben. Berechnungen aus dem Jahr 2010 zeigen auch, dass die Wirkungen einzelner Klimaschutzpläne auf bundesstaatlicher Ebene zusammen mit den angekündigten Maßnahmen auf Bundesebene nicht ausreichen, um das von Obama ausgewiesene Emissionsminderungsziel für 2020 zu erreichen.
Hoffnung auf neue Allianzen
Mögliche Partner in einer solchen Allianz sind bereits verschiedentlich identifiziert worden:
Auch international bestehen Ansatzpunkte, entsprechende Allianzen im inneramerikanischen Diskurs zu stärken: Noch zu Zeiten der Präsidentschaft von George W. Bush ist von der Bundesregierung mit der "Transatlantischen Klimabrücke" auf die schwierige Ausgangslage in den USA reagiert worden. Diese Initiative soll dazu beitragen, das Verständnis gemeinsamer Lösungsansätze für Klimaschutz und Energiesicherheit zu stärken und hierfür unterschiedliche Akteure auf substaatlicher Ebene, aus der Zivilgesellschaft oder der Wirtschaft einzubinden.
Daniel W. Drezner, Professor für Internationale Politik und Mitglied im Council on Foreign Relations, fragte in einem Beitrag für "Foreign Affairs" im Sommer 2011, ob Obamas Politik einer Grand Strategy folge.
Das heißt nicht, dass die Potenziale technologischer Innovationen auf der politischen Landkarte der Obama-Regierung fehlen würden. Vielmehr ist es ihr bislang nicht gelungen, diese im Rahmen einer gesellschaftlichen Großallianz gegen die sich innenpolitisch zunehmend polarisierende Stimmung gegen jegliche Form von Klimapolitik wirkungsmächtig in Stellung zu bringen. Die verbleibenden elf Monate bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen werden kaum von weiteren klimapolitischen Initiativen im Kongress bestimmt sein. Der ohnedies zu erwartende konfliktreiche Wahlkampf bietet jedoch die Möglichkeit, dem Wahlvolk das eigene klima- und energiepolitische Konzept - auch als Mittel gegen die Wirtschaftskrise - zu erklären und somit ein Leitbild für eine mögliche zweite Amtszeit zu entwerfen.