Einleitung
Das deutsche Wahlsystem wurde in der internationalen Literatur lange Zeit als vorbildlich gerühmt, weil es die Kernfunktionen der Repräsentation, Konzentration und Partizipation scheinbar optimal verband.
Auch wenn das positive Urteil zum Teil auf Fehlwahrnehmungen beruhte
Ins Gerede kam das Wahlrecht erst wieder nach der deutschen Einheit. Diese markierte in der Entwicklung des Parteiensystems eine tief greifende Zäsur, die das bis dahin problemlos funktionierende Wahlsystem auf die Probe stellte. Einerseits führte sie zu wachsender Fragmentierung: Die bipolare Vierparteienstruktur, die sich in den 1980er Jahren herausgebildet hatte, wurde durch das Hinzutreten der ostdeutschen PDS zunächst zu einer Viereinhalbstruktur erweitert, aus der nach Gründung der gesamtdeutschen Linken 2005 schließlich das heutige Fünfparteiensystem hervorging. Hinzu kamen Fragmentierungstendenzen im rechten politischen Spektrum, die sich schon in der alten Bundesrepublik angebahnt hatten. Andererseits - und damit verbunden - entwickelte sich das Parteiensystem in territorialer Hinsicht auseinander. Im Osten erreichte die PDS allmählich dasselbe Niveau wie Union und SPD; im Westen blieb es bei der vertrauten Struktur von zwei (nicht mehr ganz so großen) Volksparteien und zwei (größer gewordenen) kleinen Parteien - zu denen sich jetzt die Linke als weitere Kraft hinzugesellte.
Funktionsschwächen der personalisierten Verhältniswahl
Die Folgen der nach 1990 eingetretenen Veränderungen zeigen sich erstens auf der Repräsentationsebene. Hatte die personalisierte Verhältniswahl bis dahin eine hohe Übereinstimmung zwischen Stimmen- und Mandatsanteilen bewirkt, so fielen nun immer mehr Stimmen der Fünfprozenthürde zum Opfer. Gleichzeitig nahm die Zahl der Überhangmandate zu, die vor der Einheit nur sporadisch angefallen waren. Während um die Überhangmandate ein heftiger Streit entbrannte, blieben Vorstöße von Grünen und PDS für eine Abschaffung beziehungsweise Absenkung der Sperrklausel erfolglos. Die prinzipiellen demokratietheoretischen Einwände gegen die künstliche Hürde werden jedoch durch den wachsenden Anteil der nicht repräsentierten Stimmen gestützt. Wenn der Wahlakt die wichtigste Form der politischen Partizipation darstellt, sollte das Wahlrecht so konstruiert sein, dass möglichst jede Stimme zählt. Eckhard Jesse
Die eigentliche Bestimmung der Sperrklausel wäre durch die Einführung einer Nebenstimme nicht tangiert. Sie besteht darin, für eine angemessene Konzentration des Parteiensystems zu sorgen. Dass sie sich in dieser Funktion weiter bewährt, zeigt gerade die wachsende Disproportionalität von Stimmen- und Mandatsanteil. Dies hat aber nicht verhindert, dass zweitens durch den Wandel der Parteienlandschaft die Konzentration des Parteiensystems insgesamt zurückgegangen ist. Welche Negativfolgen das für die Regierungsbildung nach sich zieht, ist spätestens nach der Bundestagswahl 2005 ins Bewusstsein getreten, als Union und SPD - gegen ihren Willen - eine Große Koalition eingehen mussten. Wenn das Wahlsystem Mehrheiten für die klassischen Zweierkoalitionen nicht mehr hervorbringt, geraten Parteien und Wähler gleichermaßen unter Druck. Die Parteien müssen ihr Koalitionsverhalten flexibilisieren und bereit sein, Bündnisse auch mit Nicht-Wunschpartnern zu schließen, die Wähler einsehen, dass sie in einer Fünfparteien-Konstellation nicht sicher sein können, für welche Regierung sie mit ihrer Stimmabgabe letzten Endes votieren.
In dem Maße, wie Parlamentswahlen ihren Charakter als quasi-plebiszitäre Regierungswahlen einbüßen, treten drittens die Partizipationsziele automatisch stärker hervor, die sich mit dem personenbezogenen Element der Verhältniswahl verbinden. Dass die überwiegend positive Würdigung, die das deutsche Wahlsystem in dieser Hinsicht erfahren hat, größtenteils auf einem Mythos beruht, ergibt sich bereits aus seiner Grundstruktur. Weil die über die Erststimme erworbenen Direktmandate - bis auf die Überhänge - auf den Mandatsanteil voll angerechnet werden, der sich aus dem Verhältnis der Zweitstimmen ergibt, tritt die Personenwahl hinter die Parteienwahl zurück. Hinzu kommt, dass die Wähler mit ihrer Erststimme oft gar keine wirkliche Wahl treffen können. Verfügen einer oder beide Wahlkreiskandidaten zugleich über einen sicheren Listenplatz, entscheiden sie in Wirklichkeit nur darüber, ob die Partei, der ein Mandat zusteht, dieses durch einen Direkt- oder Listenkandidaten besetzt.
Damit ist viertens auf das Problem der mangelnden Transparenz des Wahlrechts hingewiesen. Dieses Problem wurzelt im 1953 eingeführten Zweistimmensystem, dem sich inzwischen auch die meisten Bundesländer angeschlossen haben. Umfragen belegen, dass ein erheblicher Teil der Wähler die Funktionsweise dieses Systems nicht versteht, in dem allein die Zweitstimme den Ausschlag gibt. Das Missverständnis wird einerseits durch die unglückliche Bezeichnung "Erst- und Zweitstimme", andererseits durch die gleichgewichtige Anordnung der Stimmen auf den Wahlzetteln geschürt. Unterschiedliche Beurteilungen erfährt die Praxis des Stimmensplittings, die stetig zugenommen und sich bei den jüngsten Wahlen in einer Größenordnung von etwa 20 Prozent eingependelt hat. Während die einen in der Möglichkeit des strategischen oder taktischen Wählens einen begrüßenswerten Zugewinn an Partizipation sehen,
Leidiges Problem der Überhangmandate
Dass die zuletzt genannte Position inzwischen deutlich plausibler erscheint, liegt am verstärkten Auftreten von Überhangmandaten. Diese fallen an, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate erringt, als ihr nach dem Anteil der dort abgegebenen Zweitstimmen zustehen. Die starke Zunahme der Überhangmandate seit 1990
Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit der Problematik der Überhangmandate mehrfach befasst. In Kern geht es dabei um die Frage, ob die Regelung gegen den Wahlgrundsatz der Gleichheit verstößt. Ein solcher Verstoß könnte vorliegen, weil Überhangmandate das Stimmenverhältnis verzerren, das sich aufgrund der Zweitstimmen ergibt. Bezogen auf den einzelnen Wähler resultiert daraus ein unterschiedlicher Erfolgswert der Stimmen. Wer mit der Erststimme einem Wahlkreiskandidaten zum Direktmandat verhilft, dessen Partei in dem betreffenden Bundesland Überhangmandate erringt, mit der Zweitstimme aber eine andere Partei wählt, verfügt de facto über ein doppeltes Stimmgewicht.
Dass sich die Mehrheit des Zweiten Senats im überhangmandatfreundlichen Urteil von 1997
Dass er nach der Bundestagswahl 2005 in eine neue Runde ging, verdankte sich einer Zufälligkeit. Durch den Tod einer von der NPD aufgestellten Direktkandidatin kurz vor der Wahl musste im Wahlkreis 160 in Dresden eine Nachwahl stattfinden. Die dortigen Wähler gaben ihre Stimme also in Kenntnis des bereits vorliegenden Ergebnisses der Hauptwahl ab. Dabei konnten sie sich einen Effekt zunutze machen, der in der Literatur als "negatives Stimmrecht" oder als "inverser Erfolgswert" bezeichnet wird. Eine Partei kann danach durch weniger Zweitstimmen mehr Mandate gewinnen oder durch mehr Zweitstimmen Mandate verlieren. Der durch die Häufung von Überhangmandaten begünstigte Effekt war Eingeweihten zwar seit längerem bekannt.
Ob das Verfassungsgericht mit der großzügigen Fristsetzung gut beraten war, lässt sich bezweifeln. Denn damit nahm man bewusst in Kauf, dass der nächste Bundestag nach einem in Teilen verfassungswidrigen Wahlgesetz gewählt werden würde. Auch die politischen Akteure drängte es zunächst nicht zur Eile. Erst als die SPD im Wahljahr in Umfragen deutlich hinter die Union zurückfiel, stand das Thema plötzlich auf der Tagesordnung. Simulationsrechnungen, die CDU und CSU für diesen Fall eine erhebliche Zahl von Überhangmandaten voraussagten, ließen bei SPD und Bündnisgrünen Forderungen laut werden, das Wahlrecht noch vor der Wahl zu ändern. Verbunden wurde dies mit dem vorsorglichen Hinweis, dass eine nur aufgrund von Überhangmandaten zustande gekommene Mehrheit mit einem Makel behaftet sein würde. Bündnis 90/Grüne legten im März 2009 einen Gesetzentwurf vor, der eine weitgehende Beseitigung der Überhangmandate anstrebte. Während SPD und Linkspartei den Entwurf prinzipiell guthießen, lehnten Union und FDP das Vorhaben strikt ab. Letzteres war verständlich, da eine Wahl unter dem bestehenden Wahlrecht beiden Parteien große Vorteile versprach - der vorgeschobene Verweis auf die vom Verfassungsgericht eingeräumte Frist, die keine schnelle, sondern eine gründliche Reform gebiete, konnte über dieses Motiv nicht hinwegtäuschen. Am Ende entschied die Koalitionsräson: Weil die SPD kein Interesse hatte, das Regierungsbündnis mit CDU und CSU kurz vor der Bundestagswahl an der Wahlrechtsfrage scheitern zu lassen, musste sie in der Schlussabstimmung zu dem Gesetzentwurf Nein sagen.
Große oder kleine Lösung?
Das Wahlergebnis vom 27. September 2009 ist mit Blick auf die anstehende Wahlrechtsreform in dreierlei Hinsicht bedeutsam. Erstens bestätigte es durch das Auftreten negativer Stimmeffekte erneut die Notwendigkeit der vom Verfassungsgericht verlangten Reform.
Zweitens bescherte es der Union den erhofften Bonus in Gestalt von 24 Überhangmandaten, vermied aber zugleich die - auch von neutralen Beobachtern befürchtete - Konstellation einer "illegitimen" Mehrheit.
Da das Wahlgesetz mit einfacher Mehrheit geändert werden kann, sind die Regierungsparteien bei der anstehenden Reform auf eine Konsenslösung mit der Opposition nicht zwingend angewiesen (auch eine Zustimmung des Bundesrates ist nicht erforderlich). Die spannende Frage wird daher sein, wieweit sie sich in den Beratungen vom Interesse an einer Beibehaltung des Status quo wegbewegen. Das Verfassungsgericht hat dem Gesetzgeber einen breiten Spielraum eröffnet. Ein Systemwechsel hin zu einem mehrheitsbildenden Wahlrecht wäre danach ebenso möglich wie eine systemimmanente Korrektur, die ausschließlich der Verhinderung eines negativen Stimmgewichts dient. Letzteres könnte wiederum durch eine völlige oder nur teilweise Beseitigung der Überhangmandate erfolgen.
Eine "große" Lösung würde auf die Einführung eines Mehrheitswahlsystems oder eines "Grabensystems" hinauslaufen. Letzteres hat das Verfassungsgericht in seinem Urteil zum negativen Stimmgewicht selbst ins Spiel gebracht. Unter allen Varianten des mehrheitsbildenden Wahlrechts genießt es in der deutschen Staatsrechtslehre traditionell die größte Sympathie, weil es die Prinzipien der Mehrheits- und Verhältniswahl scheinbar optimal verknüpft.
Alle mehrheitsbildenden Systeme stoßen aber auf mindestens zwei gravierende Einwände. Zum einen ist es - wenn man vom relativen Mehrheitswahlrecht einmal absieht - keineswegs ausgemacht, ob sie ihren Zweck, unerwünschte Koalitionszwänge zu vermeiden, überhaupt erreichen.
Gegen die Einführung einer Mehrheitswahl spricht auch, dass die Herausbildung des Fünfparteiensystems in der Bundesrepublik bislang nicht zu einer starken Häufung oder gar Perpetuierung Großer Koalitionen geführt hat. Hier liegt ein deutlicher Unterschied etwa zu Österreich. Die Befürworter eines mehrheitsbildenden Wahlrechts wissen wahrscheinlich selbst, dass die Durchsetzungschance eines Systemwechsels in der derzeitigen politischen Situation gegen Null tendiert. Dennoch hat die von ihnen angestoßene Diskussion eine positive, "heuristische" Funktion, indem sie den Finger in die Wunde der Probleme legt, die das Verhältniswahlsystem auf der Regierungsebene verursacht (durch die Entkopplung von Parlamentswahl und Regierungsbildung). Diese Probleme können aber nicht mit Hilfe des Wahlrechts bekämpft werden, sondern nur im Rahmen der parlamentarischen Regierungsform: durch klare Koalitionsaussagen und die Etablierung fester Regeln beim Regierungsauftrag.
Das realistischere Szenario besteht in einer verfassungskonformen Reform des vorhandenen Systems der personalisierten Verhältniswahl. Sie müsste bei der Beseitigung der unerwünschten Nebenwirkungen der Überhangmandate ansetzen. Für eine solche "kleine" Lösung sind in der Wahlrechtsliteratur zahlreiche Vorschläge gemacht worden.
1. Am meisten Zuspruch fand bisher das von dem Mathematiker Friedrich Pukelsheim
2. Denkbar wäre auch, dass man den Anteil der Direktmandate an den Gesamtmandaten absenkt, was die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Überhangmandaten reduziert. Der Preis wäre hier eine Abschwächung des Elements der Personenwahl, die in ihrer Bedeutung allerdings - wie gesehen - ohnehin überschätzt wird. Außerdem müssten sämtliche Wahlkreise neu zugeschnitten werden, was nach den Erfahrungen der Vergangenheit ebenfalls nicht ohne Konflikte abgehen würde.
3. Weniger geeignet erscheint der Vorschlag einer "Landeslösung".
4. Noch untauglicher ist die in den meisten Bundesländern angewandte Variante, Überhänge durch zusätzliche Mandate für die nicht begünstigten Parteien so auszugleichen, dass der Verhältnisanteil, der sich aufgrund der Zweitstimmen ergibt, wiederhergestellt wird. Diese Lösung scheitert nicht daran, dass Ausgleichmandate einen minderen Status besitzen: Wer sie wie Josef Isensee
Welche Reform wird es am Ende geben? Am wahrscheinlichsten ist, dass sich der Gesetzgeber zwischen den Varianten 2 und 3 entscheidet. Beide Varianten zeichnen sich einerseits dadurch aus, dass sie nur geringe Eingriffe erforderlich machen. Andererseits lassen sie sich den unterschiedlichen Interessen der Regierungs- und Oppositionsparteien klar zuordnen. Union und FDP möchten an den Überhangmandaten festhalten, SPD, Grüne und Linkspartei sähen sie lieber beseitigt. Zumindest in den beiden großen Parteien gibt es dabei allerdings keine einheitliche Linie. Eine Reduktion der Direktmandate stößt auch in den Reihen der SPD auf Vorbehalte, weil sie zu Konflikten zwischen den Landesverbänden führt. Umgekehrt weiß die Union, dass die jetzige Konstellation, in der sie den Hauptnutzen aus den Überhangmandaten zieht, nicht von Dauer sein muss. Würde sie sich für die Landeslösung stark machen, hätte sie außerdem mit dem Widerstand der Öffentlichkeit zu rechnen, welche die Überhangmandate mehrheitlich als ungerecht empfindet.
Weitergehende Reformansätze
Das Problem einer kleinen Lösung - in sämtlichen hier beschriebenen Varianten - liegt darin, dass sie zwei wesentliche Schwachstellen des bestehenden Systems ausblendet. Das Wahlrecht bliebe genauso intransparent wie vorher, und auch mit Blick auf eine Stärkung der personellen Komponente wäre nichts gewonnen. Deshalb stellt sich die Frage, ob es nicht einen mittleren Weg der Wahlrechtsreform geben könnte, der über die vom Verfassungsgericht aufgegebene Änderung hinaus weitere Verbesserungen anstrebt.
Was das Transparenzproblem betrifft, wäre die einfachste Lösung die Rückkehr zu einem Einstimmensystem. Dabei sind zwei Varianten denkbar: Entweder man führt ein lediglich durch die Sperrklausel eingeschränktes, reines Verhältniswahlsystem ein, oder man behält die Einerwahlkreise bei und wertet die Stimme gleichzeitig als Personen- und Parteistimme. (Dieses Verfahren wurde bei der Bundestagswahl 1949 angewandt.) Die erste Variante hätte den Vorteil, dass keine Überhangmandate mehr anfielen. Bei der zweiten Variante entstünden sie in geringerer Zahl, weil die Wähler ihre Stimmen nicht mehr splitten könnten.
Eine Alternative bestünde in der Einführung von großen Mehrpersonenwahlkreisen, wie sie Volker von Prittwitz
Auch in einem reinen Verhältniswahlsystem gibt es Möglichkeiten, die Stimmabgabe zu personalisieren. Voraussetzung dafür wäre ein Übergang von den starren zu offenen oder lose gebundenen Listen. Bei letzteren könnte der Wähler zwischen den Kandidaten einer Partei auswählen, bei offenen Listen dürfte er seine Stimmen sogar auf Kandidaten unterschiedlicher Parteien verteilen ("Panaschieren"). Für das Bundestagswahlrecht kämen wahrscheinlich nur lose gebundene Listen in Betracht, wie sie etwa Österreich oder die Niederlande verwenden. Dabei müsste man sicherstellen, dass die vorgegebene Reihenfolge nicht komplett umgestoßen wird und die Parteien die Möglichkeit behalten, Spitzenpolitiker und Fachleute auf ihren Listen abzusichern.
Ein Nachteil von Präferenzstimmensystemen liegt darin, dass sie die Komplexität des Wahlsystems erhöhen. Will man an den Vorzügen eines einfachen Wahlsystems festhalten, wäre deshalb zu überlegen, ob man die Demokratisierung der Listenwahl nicht besser vorverlegt, indem man die Wähler bereits an der Kandidatennominierung beteiligt. Im heutigen System obliegt diese ganz den Parteien, genauer: den Parteitagsdelegierten, da auch die Mitglieder die Kandidaten im Regelfall nicht direkt wählen.
So sinnvoll die zuvor erörterten Vorschläge im Einzelnen sein mögen, so wenig spricht dafür, dass sie im Rahmen der anstehenden Wahlrechtsänderung ernsthaft ins Kalkül gezogen werden. Einerseits stellt sich die Frage, warum die Parteien durch eine Demokratisierung der Personenwahl ihr Monopol bei der Kandidatenrekrutierung antasten sollten. Andererseits bietet das föderale System in der Bundesrepublik eine Spielfläche, um Änderungen der Wahlsysteme in Ländern und Kommunen herbeizuführen, die den Reformdruck auf der Bundesebene abschwächt. Ob beides auch in Zukunft hilft, den Wunsch nach einer weiterreichenden Reform des Bundestagswahlrechts zu unterdrücken, hängt von der Entwicklung der Kontextbedingungen ab - besonders derjenigen des Parteiensystems. Fürs Erste werden wir uns wohl mit einer kleinen Lösung zufriedengeben müssen.