Einleitung
Bei den Olympischen Spielen 2012 in London werden erstmals Medaillen im Frauenboxen vergeben. Doch deshalb von einer weiteren Episode der Emanzipation im Sport zu sprechen, wäre verfrüht.
Die Frage, wie die Ausdifferenzierung des Sportsystems die Frauen einbezieht und zu einer quantitativ wie qualitativ angemessenen medialen Präsenz von Sportlerinnen führt, ist weiterhin offen. Wenn aus emanzipatorischer Sicht die Neutralisierung der Geschlechterdifferenz anzustreben ist, dann gilt es bezogen auf die Sportberichterstattung, das Festhalten an der binären Geschlechterordnung zu überwinden. Weil die Sportmedien sowie die über sie transportierten Aussagen und Bilder über Frauen und Männer ein Element der sozialen Konstruktion von Geschlecht im Sport sind - also das öffentliche Bild von Frauen und Männern im Sport mitbestimmen - können die Medien einen aktiven Beitrag an der Auflösung der bestehenden, ungleichen Geschlechterordnung leisten.
Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden Befunde zur Präsenz von Sportlerinnen in den Medien zusammengetragen und der aktuelle Status einer Emanzipation im Mediensport reflektiert. Hierfür wird zunächst die Geschlechterstereotypisierung in der Sportberichterstattung näher beleuchtet. Anschließend folgt die Erläuterung der produktpolitischen Ästhetisierungsstrategie der Sexualisierung, wobei ein Schwerpunkt auf die Vermarktung des äußeren Erscheinungsbilds von Sportlerinnen gelegt wird. Abschließend gilt es zu hinterfragen, inwiefern die zunehmende Darstellung von Frauen in Männersportarten zu einer Emanzipation von Athletinnen im Mediensport beitragen kann.
Bedingungen für die mediale Präsenz von Sportlerinnen
Für Athleten bieten sich im Gegensatz zu Personen aus anderen gesellschaftlichen Teilbereichen günstige kommunikative Bedingungen. Denn seit Einführung des dualen Rundfunksystems 1984 hat sich der bereits hohe Stellenwert des Mediensports als publizistischer Inhalt nochmals gesteigert. Sport wird nicht nur umfänglicher als zuvor, sondern auch zunehmend unterhaltend aufbereitet. Sportliche Ereignisse, Handlungen und Personen werden entsprechend kontinuierlich wie seriell thematisiert. Die starke Unterhaltungsorientierung der Massenmedien hat weiterhin zur Folge, dass vor allem Personen in den Vordergrund gestellt werden. Dies sorgt entsprechend für hohe Aufmerksamkeits- und Bekanntheitswerte für Vertreter aus dem Bereich Sport - sofern es sich um männliche Protagonisten handelt.
Sportlerinnen in den Medien: unterrepräsentiert, trivialisiert, "entsportlicht"
Im Mediensport wird die unterschiedliche Behandlung der Geschlechter und die damit verbundene "differentielle Anerkennung des Leistungssports von Männern und Frauen"
Die Sportmedienrealität wird von den männlich dominierten Sportressorts konstruiert und funktioniert insofern nach geschlechterspezifischen Selektionskriterien. Da die Sportberichterstattung zudem überwiegend von Männern rezipiert wird, orientiert sie sich primär an deren Präferenzen. Demzufolge wird vielfach nur über jene Athletinnen berichtet, die traditionelle Weiblichkeitskonzepte aufrecht erhalten.
Auch lässt sich eine unvorteilhafte Darstellung von Sportlerinnen in Bezug auf die Foto-Berichterstattung in der Tagespresse ausmachen. Untersuchungen ergaben, dass Athletinnen weniger in triumphalen Posen, sondern vielmehr als bescheidene Siegerinnen abgelichtet werden. Zudem erfolgt die visuelle Präsentation von Männern in der Sportpresse häufiger in sportlicher Aktion, also beim Laufen oder Springen, in kämpferischer Auseinandersetzung, während Frauen zwar am Wettkampfort (etwa in gestellten Posen am Spielfeldrand), jedoch nicht bei der eigentlichen Sportausübung gezeigt werden. Stattdessen ist eine Zunahme von Abbildungen im außersportlichen Kontext - etwa im Privatleben in der Rolle als Mutter oder Ehefrau - zu beobachten.
Diese Annahme wird durch die zahlreichen Trivialisierungen von Sportlerinnen in der medialen Berichterstattung verstärkt. So werden sie wesentlich häufiger als ihre männlichen Kollegen mit verniedlichenden Attributen beschrieben, wie "Turnküken", "Rennmieze" oder "Sportmädel".
Sexualisierung des Mediensports
Seit Mitte der 1980er Jahre lässt sich medienübergreifend verstärkt die visuelle Repräsentationsstrategie der Sexualisierung in der Sportberichterstattung beobachten. Dabei werden Aussehen und attraktive Ausstrahlung der Sportlerinnen zur wichtigsten Bildaussage, ihre Darstellung soll möglichst erotisch sein. Die sportlichen Leistungen oder der errungene Sieg werden so in den Hintergrund gedrängt.
Damit werden entsprechende Ästhetisierungen sowohl von den Medien vorgenommen, die eventuell nicht erotisch intendierte Bewegungen und Positionen aus ihrem Kontext herauslösen und in einen neuen, nun sexuell anmutenden Zusammenhang stellen, als auch von den Sportlerinnen selbst, indem sie sich qua Bekleidung oder gezielt in einem Männermagazin erotisch positionieren lassen.
Sexualisierung als produktpolitische Ästhetisierungsstrategie
Der Körper nimmt im medial vermittelten Sport einen zentralen Stellenwert ein. Denn der Sport ist ein Sozialsystem, das in seinen Handlungsorientierungen primär auf den Körper und die Steigerung körperlicher Leistungen ausgerichtet ist.
In diesem Zusammenhang haben Ilse Hartmann-Tews und Bettina Rulofs festgestellt, dass der Körper "von den Sportlerinnen und ihren Managern auf sehr deutliche Weise als Kapital eingesetzt [wird], mit dem sie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gewinnen".
Die Manager der Athletinnen und die PR-Strategen der Verbände setzen die Sexualisierung daher bewusst als produktpolitische Strategie zur Sponsorenakquise ein, indem sie ihre Klientinnen im Rahmen der Vermarktung gezielt für entsprechende Fotostrecken anbieten. Seit 1995 haben sich mehr als 30 weibliche Sportprofis für den Playboy oder ein anderes einschlägiges Männermagazin (etwa "FHM", "GQ", "Maxim") erotisch in Szene setzen lassen. Hinzu kommen unzählige mediale Platzierungen von Einzelsportlerinnen in Tageszeitungen und Publikumszeitschriften sowie nackten Mannschaften in Kalendern. Eine Analyse dieser Publikationen zeigt, dass sich zwei Typen von medial sexualisierten Athletinnen identifizieren lassen: Erstens die ehemalige Sportlerin, die sich durch den erotischen Auftritt Anschlussengagements im Film-, Fernseh- und Showbusiness verspricht, um ihren Produktlebenszyklus maßgeblich zu verlängern und auch in der nachsportlichen Zeit Einnahmen zu erzielen. Zweitens die junge Athletin aus einer wenig medienaffinen Sportart, die am Anfang ihrer sportlichen Karriere steht und allenfalls einem interessierten Fachpublikum bekannt ist. Mittels der individuellen Ästhetisierungsstrategie qua Erotik kann sie eine erste mediale Beachtung erlangen. Darüber hinaus hilft diese Platzierung im Unterhaltungsressort beiden Typen, losgelöst aus einem sportlichen Kontext, neue und auch an Sport nicht interessierte Gruppen sowie potenzielle Sponsoren zu erreichen. Zudem führt sie zu weiteren bezahlten Medienplatzierungen, etwa als Gast in Talkshows und TV-Serien sowie auf Messen, die extra vergütet werden.
Frauen in "Männersportarten" - eine Chance auf Emanzipation?
Der moderne Sport wurde von Männern für Männer erfunden. Die Sportentwicklung verlief deshalb über einen längeren Zeitraum ohne die Einbeziehung von Frauen. Zahlreiche Disziplinen, in denen Männer schon seit Beginn der Neuzeit bei den Olympischen Spielen um Medaillen kämpften, wurden zum Teil erst viele Jahrzehnte später für Frauen geöffnet.
Im Mediensport stoßen Athletinnen aus "Männersportarten" jedoch auf Ablehnung, da ihre Körper aufgrund des harten Trainings oftmals nicht mehr dem traditionell weiblichen Schönheitsideal entsprechen. Abweichungen von dieser männlich konstruierten (aber auch von Frauen mitgetragenen) Norm werden selten akzeptiert und mit kommerzieller Nichtbeachtung gestraft. Protagonistinnen aus entsprechenden Disziplinen sind sowohl in der klassischen Sportberichterstattung als auch in der werblichen Anschlusskommunikation kaum vertreten.
Die Notwendigkeit einer Akzentuierung des "Frau-Seins" besteht insbesondere im außersportlichen Kontext und zeigt sich in der Praxis in besonders eindrücklicher Weise im Frauenboxen: Einer genuinen "Männersportart", die in Deutschland seit Mitte der 1990er Jahre durch die mehrfache Weltmeisterin Regina Halmich deutlich an Popularität gewinnen konnte. Halmich entspricht mit ihrer durchtrainierten, aber zarten Figur (Gewichtsklasse: Fliegengewicht) und langen Haaren dem gängigen Schönheitsideal. Ihr Management verfolgte im Rahmen der Vermarktung einerseits die Sexualisierung als produktpolitische Strategie ("Playboy" 2003, "Max" 2007), anderseits wurde sie auch außerhalb der klassischen Sportberichterstattung platziert, um ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Halmichs Showkämpfe gegen TV-Entertainer Stefan Raab (2001 und 2007) erzielten hohe Reichweiten (jeweils über sieben Millionen Zuschauer) und führten zu zahlreichen Anschlussengagements, etwa als TV-Moderatorin ("Biggest Loser", Kabel Eins) oder Schauspielerin ("Hinter Gittern", RTL). Zur Vermarktungsstrategie passt es, dass Halmich auch nach Beendigung ihrer aktiven Karriere ein kontinuierliches "Gendern" ihres Sportlerinnenkörpers beibehält. So ließ sie sich jüngst ihre durch mehrere Brüche zertrümmerte Nase unter medialer Begleitung korrigieren. Damit signalisiert Halmich, dass sie auch weiterhin für potenzielle Medien- und Werbepartner attraktiv bleiben möchte. Fraglich ist jedoch, inwiefern die ehemalige Profiboxerin mit diesem "Schönheitshandeln"
Das emanzipatorische Potenzial des Frauenboxens wird da vielmehr in Sportfilmen sichtbar. Beispiele sind die mehrfach ausgezeichneten Boxfilme "Girlfight" (USA 2000) und "Million Dollar Baby" (USA 2004), die Hinweise für die Überwindung von Geschlechterdifferenzen im Sport und der Ausbildung einer weiblichen Sportidentität geben. Die Hauptdarstellerinnen Michelle Rodriguez ("Girlfight") und Hillary Swank ("Million Dollar Baby") vermitteln in ihren Rollen als emanzipierte Sportlerinnen, also mit fiktiven Figuren, eher ein positives weibliches Vorbild für junge Mädchen als viele reale Athletinnen.
Fazit
Unsere Ausführungen zeigen, dass Sportlerinnen zwar mittels der produktpolitischen Sexualisierungsstrategie durchaus eine hohe mediale Aufmerksamkeit erzielen können, dies jedoch nicht als emanzipatorischer Erfolg zu werten ist. Denn Emanzipation bedeutet primär die Befreiung von gesellschaftlicher Abhängigkeit und fremdbestimmten Normen. Da die weiblichen Sportprofis indes bereit sind, sich den männlichen Präferenzen anzupassen, internalisieren sie letztlich die Gechlechterhierarchie. Insbesondere weil sie diese Normen widerstandslos übernehmen und sich so in die hegemonialen Strukturen einordnen, reproduzieren sie das Patriarchat und verhindern langfristig eine Emanzipation - mit negativen Konsequenzen für Nachwuchssportlerinnen und Sportrezipientinnen. Die Geschlechterdifferenz im Sport ist somit noch lange nicht überwunden - "der Sport ist und bleibt eben ein Abbild der Gesellschaft, aus der er entstammt".
Langfristig lässt sich eine Dekonstruktion der traditionellen Geschlechterbilder im Mediensport nur realisieren, wenn sich nicht nur die quantitative und qualitative Präsenz von Sportlerinnen erhöht, sondern Frauen auch in den Führungspositionen der Redaktionen, Sponsoringabteilungen und Sportverbänden angemessen vertreten sind. Denn für eine Emanzipation von Frauen im Sport ist es zwingend erforderlich, sie aktiv an allen Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Abschließend stellt sich daher die Frage, inwiefern die aktuell diskutierte Frauenquote für die Vorstände und Aufsichtsräte der DAX-Unternehmen nicht auch für die Institutionen der Sport-Medien-Wirtschafts-Allianz gelten sollte.