Über Korruption gibt es die Alltagsweisheit, dass sie das zweitälteste Gewerbe der Welt sei. Das ist bemerkenswert. Denn zum einen deutet dies auf die moralische Anrüchigkeit der Korruption, ganz so wie beim "ältesten Gewerbe". Zum anderen unterstellt diese Aussage, Korruption begleite die Menschheit von Beginn an. Die Botschaft lautet also: Zu den Schwächen des Menschen gehört die Korrumpierbarkeit. Das kann mit fatalistischem Unterton versehen sein, der auf die Unausrottbarkeit des Übels verweist. Es kann aber auch die dringende Aufforderung motivieren, sich nun aber endlich von dieser Geißel zu befreien.
Beides sollte Interesse und Widerspruch von Historikerinnen und Historikern provozieren. Behauptungen, dass etwas überall oder seit jeher vorkomme, sind noch immer widerlegt worden. Auch spielt die angebliche Natur des Menschen keine Rolle in der seriösen Geschichtswissenschaft. Selbst zur moralischen Erbauung trägt Historie nur noch selten bei. Andererseits ist die Beobachtung hinter der Alltagsweisheit nicht völlig aus der Luft gegriffen: Über Korruption und Bestechung diskutieren die europäischen Gemeinwesen seit der griechischen und römischen Antike – bis hin zur Verurteilung des ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy wegen Bestechung oder zur sogenannten Masken-Affäre im Deutschen Bundestag im März 2021. Es handelt sich also gewiss um einen Dauerbrenner politischer und gesellschaftlicher Auseinandersetzung in unserem Kulturkreis. Außerdem kommt es für eine realistische Einschätzung aktueller Korruption und ihrer Bekämpfung darauf an, ihre Geschichte zu kennen. Der historische Blick ermöglicht es, ein wenig zurückzutreten und jenseits praktischer Anforderungen, juristischer Sachverhalte oder politischer Aufgeregtheiten über Grundstrukturen des Problems nachzudenken. Einige Dinge, so meine These, lassen sich niemals lösen – allerdings nicht, weil es sich um eine Fatalität der menschlichen Natur handelte. Andere Gründe sind entscheidend. Auch davon wird im Folgenden die Rede sein.
Von Wörtern und Begriffen
Spricht man über Korruption, so stehen vielfache Annahmen im Raum, die oft nicht klar benannt sind. Entscheidend sind die Wörter und Begriffe, mit denen man ein Problem beschreibt. Hier gilt es zu unterscheiden. Heutzutage ist das Wort "Korruption" (corruption, corruzione, corrupción, коррупция, etc.) in vielen Sprachen mit ähnlicher Bedeutung verbreitet. Man kann sich also leicht verständigen. Das war nicht immer so. Der aus dem Lateinischen entlehnte Wortstamm corruptio/corruptus ist in der europäischen (Rechts-)Kultur seit der Antike tradiert worden. Aber in einigen Sprachen fand er erst spät Verwendung. In deutschen Wörterbüchern setzte sich die Vokabel erst allmählich im Verlauf des 19. Jahrhunderts durch, ganz anders als in englischen Nachschlagewerken, in denen das Wort schon sehr früh verbreitet war.
Umgekehrt bedeutet der jahrhundertelange Gebrauch dieses Wortes nicht, dass jeweils dasselbe gemeint ist. Die lateinische "corruptio" etwa bezeichnete beim Kirchenvater Augustinus und im frühen Mittelalter noch etwas ganz anderes, als wir heute damit verbinden. Gemeint war der Unterschied zwischen dem perfekten Wesen Gottes und dem moralisch fehlerhaften Menschen. Korruption verwies also unspezifisch auf die Sündhaftigkeit der Erdenbewohner im Kontrast zur untadeligen Herrlichkeit Gottes.
Hinter den unterschiedlichen Vokabeln steht der Begriff, also der Sachverhalt, um den es geht. Wie bereits angedeutet, bestehen heutzutage kaum noch sprachliche Abweichungen. Dafür herrscht bei der Definition des Begriffs eine erhebliche Bandbreite. So gibt es etwa eine Art Standarddefinition von Korruption: Nach dieser handelt es sich bei Korruption um einen Missbrauch von anvertrauter Macht (oder: eines öffentlichen Amtes) zum privaten Nutzen. Allerdings gibt es daneben eine Vielzahl unterschiedlicher Spezifikationen. So wird in einem Teil der Literatur zwischen petty corruption und grand corruption unterschieden, also zwischen einer Art Alltagskorruption mit Bestechlichkeit in der öffentlichen Verwaltung und der strukturellen Käuflichkeit ganzer politischer Systeme. Noch allgemeiner wird mit Korruption auch der Niedergang ganzer Gesellschaften, ihrer Moral und Sitten beschrieben. Das sind fundamentale Unterschiede, die aber oft nur unzureichend reflektiert werden.
Auch der Begriff der "Käuflichkeit" ist verhältnismäßig unbestimmt. Liegt Korruption nur dann vor, wenn die Entscheidung eines Akteurs mit klingender Münze bezahlt wird (das wäre eine Form direkter Bestechung)? Können auch weitere Personen einbezogen sein, bis hin zu Vergünstigungen für Dritte oder Vierte? Solche Strukturen finden sich in Klüngelnetzwerken.
In der Masken-Affäre der Unionsabgeordneten Nikolas Löbel (CDU) und Georg Nüßlein (CSU) geht es eher um Vorteilsnahme als um Bestechung. Manipuliert ist nach derzeitigem Stand der Berichterstattung nicht die Sachentscheidung selbst, also der Kauf von Atemschutzmasken durch den Bund. Kritikwürdig ist, dass die Beschuldigten sich dabei Einnahmen verschafften, die ihnen nach allgemeiner Auffassung nicht zustanden, also ein ungerechtfertigter persönlicher Vorteil.
Modernität von Korruption
Korruption ist modern. Wie wir sie heute kennen, entstand sie erst um 1800. Diese Aussage überrascht auf den ersten Blick. Üblicherweise sehen wir Korruption als das Gegenteil von Modernität an, nämlich als ein Überbleibsel aus dunklen Zeiten der Vormoderne. Aber hier liegt ein Paradox vor: Die Auffassung, Korruption sei etwas Unmodernes, konnte erst mit dem Aufkommen der Moderne entstehen. Nicht die Korruption, sondern unsere Auffassung von Korruption ist also modern. Und das hat zwei Aspekte.
Dazu gehört zunächst einmal eine politische Strategie. Erst in der Epoche der Aufklärung gegen Mitte/Ende des 18. Jahrhunderts entstand eine Vorstellung davon, dass es so etwas wie gesellschaftlichen Fortschritt geben könne. Zuvor dominierte die Ansicht, Geschichte wiederhole sich in Zyklen von Aufstieg und Verfall.
In den Augen der neuen Staatseliten und zunehmend auch der Öffentlichkeit verfestigte sich das Bild von der korrupten vormodernen Gesellschaft, die ein moderner, reformorientierter Staat überwinden müsse und könne. Nun erscheint diese Darstellung des Alten als Propaganda einer aufsteigenden Elite. Ein Vorwurf, der scheinbar in jeder Reformära erhoben werden kann. Dies wird dem Kampf gegen old corruption aber nicht ganz gerecht. Es stand noch eine andere Veränderung dahinter, die bis heute unser Korruptionsverständnis prägt. Und damit sind wir beim zweiten fundamentalen Wandel.
Korruption als Grenzüberschreitung
Die oben erwähnte Standarddefinition von Korruption beruht auf dem Gegensatz zwischen öffentlichem Interesse oder Gemeinwohl auf der einen Seite und dem individuellen Interesse oder Privatnutzen auf der anderen. Diese Gegenüberstellung setzt voraus, dass beide Sphären, nämlich Gemeinwohl und Privates, systematisch voneinander getrennt und als Gegensatz aufgefasst werden. Man kann diese Grenze nur verletzen, wenn es sie gibt. Und hier finden wir um 1800 eine fundamentale Änderung. Zwar gab es auch in der Frühen Neuzeit ein Bewusstsein dafür, dass hohe Amtsträger das Wohl des Ganzen beachten mussten. Allerdings basierte diese Vorstellung nicht auf der abstrakten Trennung zwischen dem Eigenen und dem Fremden. Vor allem gab es sozusagen mehrere Formen von Gemeinwohl, die allesamt legitim erscheinen konnten. Unterschiedliche Normen standen in offener und unauflösbarer Konkurrenz.
Das änderte sich fundamental mit dem Beginn der Moderne. Erst das moderne politische Denken schuf eine harte und eindeutige Grenze zwischen dem Gemeinwohl und dem Privatinteresse. Der Staat wird spätestens seit dem 18. Jahrhundert als etwas Abstraktes verstanden und der Staatszweck endgültig abgetrennt vom Interesse des Herrschers und seiner Beamten. Der Staatsdienst löste den Fürstendienst ab. Auch das Lebensgefühl, vor allem des Bürgertums, schuf eine Demarkationslinie zwischen dem Handeln in der Öffentlichkeit und dem Rückzugsort des Privaten. Für Inhaber öffentlicher Ämter bedeutet dies bis heute, dass sie ihr Amt nicht nutzen dürfen, um einen Vorteil für ihr privates Ich zu erwerben oder Verwandte und Freunde zu begünstigen. Die Beachtung dieses Grundsatzes wird in der Öffentlichkeit strikt eingefordert. Anders als in der Vormoderne lässt sich dessen Übertretung nicht mehr rechtfertigen. Man kann lediglich versuchen nachzuweisen, dass keine Übertretung vorlag – oder eine solche leugnen. Legitimieren kann man sie nicht mehr.
Später, im 20. Jahrhundert, wurde die Trennung zunehmend auch auf Privatunternehmen übertragen. Das öffentliche Interesse entspricht hier dem Unternehmensziel: Wer eine Firma zum eigenen Nutzen schädigt, begeht Untreue.
Unlösbarkeit des Korruptionsproblems
Die geschilderte Trennung zwischen öffentlichem Interesse und Privatperson führte dazu, dass ab dem frühen 19. Jahrhundert zunächst zögerlich, dann immer flächendeckender Gesetze erlassen wurden, die das Verhalten in öffentlichen Ämtern regulierten. Hier standen zunächst Beamte im Zentrum, später auch Inhaber politischer Funktionen. Bereits im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts gab sich das britische Unterhaus Regeln zur Abwehr von Korruption und Vorteilsnahme bei den Abgeordneten, insbesondere im Kontakt mit der Privatwirtschaft. Der mit der Industrialisierung beginnende Lobbyismus galt von Anfang an als Treiber von Korruptionsgefahren.
Allerdings scheint das Problem trotz zweier Jahrhunderte intensiver und konsequenter Auseinandersetzung weiter von einer Lösung entfernt als zuvor. Wie ist das zu erklären? Grund hierfür ist zum einen die seit etwa 1990 wieder gewachsene Sensibilität für das Thema, nachdem Korruption in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wenig Aufmerksamkeit erhielt. Der eigentliche Grund liegt jedoch in der Problembeschreibung selbst. Denn die Trennung zwischen öffentlichem und privatem Interesse ist in der Praxis oft nicht klar zu bestimmen, gelegentlich unmöglich. Es entstand im 19. Jahrhundert die bis heute gültige Fiktion, dass Amtsinhaber ähnlich abstrakt wie die Staatsidee seien, der sie dienen. Das funktioniert als Ideal, geht aber oft an der Lebenswirklichkeit vorbei. Oder, um es anders zu formulieren: Es kommt sehr auf die gesellschaftlichen und politischen Kontexte an, ob das Verhalten von Amtsträgern, Politikern und zunehmend auch von Unternehmensangehörigen akzeptabel oder problematisch erscheint.
Hierzu ein paar Beispiele: In den 1840er Jahren entzündete sich in Frankreich eine Debatte darüber, ob König Louis-Philippe den Erwerb von Kolonien im heutigen Algerien im Dienst des Landes (Gemeinwohl) oder zur Mehrung des Ruhms seiner Dynastie (Privatnutzen) betrieben habe. Es liegt auf der Hand, dass diese Frage nicht beantwortet werden kann, selbst von Louis-Philippe persönlich nicht.
"Vergebliche[s] Streben nach Eindeutigkeit" beherrscht all diese Debatten.
Die Dehnbarkeit des Korruptionsbegriffs führte um die Jahrtausendwende Peter Eigen vor, der damalige Vorsitzende der Antikorruptionsorganisation Transparency International. Er äußerte sich damals zur Parteispendenaffäre um Helmut Kohl. Kohl sah sich dem von ihm selbst nicht bestrittenen Vorwurf ausgesetzt, er habe illegale Parteispenden angenommen. Allerdings unterstrich der Altkanzler, dies sei keine Korruption, denn er habe das Geld nicht zum Privatnutzen, sondern zum Aufbau seiner Partei in den neuen Bundesländern eingesetzt. Peter Eigen widersprach: Kohl habe das Geld zur Festigung seiner persönlichen Rolle innerhalb der Partei genutzt, damit habe er das eigennützige und quasi private Ziel der Machtabsicherung verfolgt, es habe sich folglich um Korruption gehandelt.
Wer kritisiert politische Korruption?
Wie Debatten über Korruption politisch ausgehen, hängt weniger vom Sachverhalt als von politischen Machtverhältnissen ab. Das lässt sich im Verlauf der vergangenen zweihundert Jahre nachverfolgen. Kritik an Korruption und das Bemühen um Antikorruptionsmaßnahmen verschwanden in dieser Zeit nie ganz. Allerdings lösten sich Phasen intensiverer und weniger intensiver Debatten ab. Insgesamt sind drei Perioden mit starker Fokussierung auf das Korruptionsproblem festzustellen. Die erste Phase deckt sich mit der Kritik an old corruption und dem Ancien Régime an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Wie bereits geschildert, engagierten sich hier vor allem reformorientierte Kräfte des aufstrebenden Bürgertums und aus dem Adel mit dem Ziel, alteuropäische Rechts- und Moralvorstellungen zu modernisieren.
Die zweite Hochphase der Korruptionsdebatten fällt zeitlich mit der Entstehung des politischen Massenmarktes im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zusammen und zog sich bis in die 1930er Jahre. Beherrschende Themen dieser Debatten, die in nahezu allen europäischen Staaten geführt wurden, bezogen sich auf den Parlamentarismus und die in dieser Zeit aufkommende Figur des Berufspolitikers. Auch der Stimmenkauf bei politischen Wahlen fand damals große Aufmerksamkeit, jedenfalls bevor die geheime Stimmabgabe Anfang des 20. Jahrhunderts zur Regel wurde. In der Kritik standen wahlweise käufliche Volksvertreter oder käufliche Wähler.
Ein europaweit diskutiertes Fanal bildete der sogenannte Panamaskandal in Frankreich Anfang der 1890er Jahre. Hier hatten sich Hunderte Abgeordnete und Journalisten von einem Unternehmen dafür bezahlen lassen, positiv über die Finanzierung des Baus des Panamakanals zu berichten und ein vorteilhaftes Gesetz hierzu zu verabschieden. Leidtragende waren Tausende Kleinanleger, die durch die eigentlich schon längst absehbare Insolvenz der Finanzierungsgesellschaft ihr Vermögen verloren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte Korruption als beherrschende Zeitdiagnose des Politischen zunächst keine Rolle mehr. Das änderte sich nach 1990, als die dritte und bis heute anhaltende Hochphase der modernen Korruptionsdebatte begann. Auch diese Debatte weist einige Besonderheiten auf. Von Beginn an gab es einen globalen Bezug. Zum ersten Mal ging es um weltweite Entwicklungen, beispielsweise mit Blick auf die Schwellenländer und die postsozialistischen Länder des ehemaligen Ostblocks, und erstmals waren internationale Organisationen wie die UNO, die OECD und die Weltbank Treiber der Diskussion. Im scharfen Kontrast zur zweiten Hochphase der Korruptionskritik war der Kapitalismus nun nicht Teil des Problems, sondern eher Teil der Lösung. Zwar spielte auch in dieser Phase Kritik am Lobbyismus eine ganz zentrale Rolle, doch ebenso häufig sollte Korruptionsbekämpfung auch der Öffnung von abgeschotteten Märkten im Globalen Süden dienen, sollte der Abbau von Staatlichkeit im Globalen Norden das Korruptionsproblem lösen. Regulierung wurde gleichgesetzt mit Korruption, Korruptionsbekämpfung befreie dagegen die Wirtschaft von sachfremden Einflüssen. Dieser neoliberale Zungenschlag ist mittlerweile verklungen.
Ein anderes Motiv der 1990er Jahre aber blieb: das Staatsmisstrauen. Neben der neoliberalen Agenda grundierte zunächst eine antiautoritäre, von den Neuen Sozialen Bewegungen geprägte Politiker-, Parteien- und Staatskritik die neue Korruptionsdebatte. Ab den 2000er Jahren erklang die bis heute aktuelle Forderung nach Transparenz als Antikorruptionsstrategie, begleitet von einem fast grenzenlosen Misstrauen gegenüber der moralischen Integrität der politischen und ökonomischen Eliten. Dieses Misstrauen lässt sich an den immer sensibler anschlagenden Korruptionsskandalen beobachten. Außerdem, das ist ebenfalls neu, etablierten sich ab den 1990er Jahren private Organisationen, die als Kämpfer gegen die Korruption sowie verbundene Probleme wie Lobbyismus auftreten und schon aus diesem Grund der Debatte weitere Kapitel hinzufügen.
Lehren aus der Geschichte?
Dieser Parforceritt durch die Geschichte der modernen Korruptionsdebatten kann ein paar Dinge verdeutlichen. Zum einen ist Korruption ein sehr formbarer Begriff. Die damit verbundenen Vergehen unterscheiden sich erheblich je nach Epoche und Gesellschaft. Daher ist Korruption selbstverständlich keine Fatalität. Vielmehr ist das Unbehagen an Korruption ein Ausdruck veränderlicher Normen und Werte in sich wandelnden Gesellschaften.
Zum anderen ist die moderne Auffassung von Korruption seit zweihundert Jahren vergleichsweise stabil. Sie beruht auf einer rigorosen Trennung des privaten vom öffentlichen Interesse. Das ist einerseits ein Fortschritt an Klarheit im Vergleich zur Vormoderne. Andererseits stößt diese Trennung an die Grenzen der Realität. Wenn das Verbot der Vermischung öffentlicher mit privaten Interessen allzu expansiv postuliert wird, droht eine Tendenz zur Generalverdächtigung nahezu all jener, die ein öffentliches Amt ausüben.
Korruptionskritik wird häufig von Gruppen oder Strömungen vorgetragen, die die herrschenden Verhältnisse verändern oder umdeuten wollen. Sie kann Reformen legitimieren, kann aber auch dazu beitragen, politische Akteure zu delegitimieren. Die antidemokratische Stoßrichtung in der zweiten und der oft staatlichen Eliten gegenüber verächtliche Zungenschlag der dritten Debatte sollten zu denken geben.
Angesichts der aktuellen "Masken-Affäre" sollte sich jede Bürgerin und jeder Bürger fragen, ob sie oder er dem Impuls nachgeben will, das Fehlverhalten der beiden Abgeordneten für "die Spitze des Eisbergs" einer moralisch verrotteten Politikerkaste zu halten, oder ob es sich lohnt, ein Grundvertrauen in die Institutionen zu bewahren. Ähnliches gilt für Vertreterinnen und Vertreter der Medien. Die politischen Mitbewerberinnen und -bewerber der Unionsparteien wiederum müssen einen schmalen Grat beschreiten: ihre Funktion als Kritikerinnen und Kritiker zu erfüllen, ohne zugleich das Kind mit dem Bade auszuschütten. Der Unionsführung hingegen bleibt nichts anderes, als die zutage getretenen Probleme sehr ernst zu nehmen und Handlungsfähigkeit zu beweisen.