Einleitung
Als die Republik Belarus am 25. August 1991 ihre Unabhängigkeit erklärte, schien das Land gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche wirtschaftliche Transformation zu besitzen: Eine entwickelte Infrastruktur, der hohe Industrialisierungsgrad, eine gut ausgebildete Bevölkerung und die Nachbarschaft zu Polen, das später zum Motor des europäischen Erweiterungsprozesses werden sollte, bedeuteten nach dem Zerfall der Sowjetunion vielleicht sogar bessere Startbedingungen als für die baltischen Nachbarn im Norden. Dennoch wurde die politische und gesellschaftliche Entwicklung in Belarus in den darauf folgenden zwei Jahrzehnten durch die autoritäre Herrschaft von Aljaksandr Lukaschenka bestimmt, der das Land von den Transformationsprozessen in den später neuen EU-Mitgliedstaaten abkoppelte.
Eine der Hauptursachen dafür, dass sich Belarus nach 1991 politisch und gesellschaftlich nicht demokratisch, sondern autoritär entwickelte, liegt in einer schwach ausgebildeten nationalen Identität. Ähnlich wie die Nachbarn Polen (mit seinen östlichen Gebieten) und Litauen war Belarus das gesamte 19. Jahrhundert über Teil des russischen Zarenreichs, bekam in den Wirren des ausgehenden Ersten Weltkriegs nur für wenige Monate eine Chance auf staatliche Selbstständigkeit und war während der sowjetischen Periode einer besonders brutalen Russifizierungspolitik zunächst Josef Stalins, dann auch Nikita Chruschtschows ausgesetzt.
Zwar gab es Ende der 1980er Jahre wie in den baltischen Sowjetrepubliken auch in Belarus eine Unabhängigkeitsbewegung, doch gelang es den nationalen Kräften in den frühen 1990er Jahren nicht, mit ihren Plädoyers für Demokratie und marktwirtschaftliche Reformen Rückhalt in der Bevölkerung zu finden. Und so setzte sich 1994 in der ersten (und bislang einzigen) freien Präsidentschaftswahl Lukaschenka mit überwältigender Mehrheit sowohl gegen Wjatschaslau Kebitsch, den Kandidaten der sowjetischen Nomenklatura, als auch gegen den nationalkonservativen Sjanon Pasnjak durch.
17 Jahre später ist Lukaschenka noch immer Präsident eines autoritär geführten Landes: Zivilgesellschaft und Opposition sind marginalisiert, die bürgerlichen Freiheiten massiv eingeschränkt, die elektronischen Medien unter rigider staatlicher Kontrolle. Der Geheimdienst (hier immer noch KGB) wird als Instrument zur Bekämpfung der Opposition eingesetzt, eine unabhängige Justiz existiert nicht, und nach der Präsidentschaftswahl 2010 wird die Bevölkerung durch Repressionen (Verhaftungen, Verhöre, Hausdurchsuchungen) eingeschüchtert und gesellschaftliche Aktivität im Keim erstickt.
1991-1996: Dynamisches Wachstum
Die Entwicklung von Opposition und Zivilgesellschaft in den ersten zwanzig Jahren der Unabhängigkeit verlief in drei größeren Phasen. Die ersten fünf Jahre waren in Belarus wie in vielen Nachfolgestaaten der Sowjetunion durch ein dynamisches Wachstum politischer und gesellschaftlicher Aktivität gekennzeichnet.
Gleichzeitig bildete sich ein klassisches Parteienspektrum heraus, das in fünf größeren politisch-ideologischen Formierungen bis heute Bestand hat: der nationalkonservativen Belarussischen Volksfront ( /BNF), der liberalen Vereinigten Bürgerpartei, den Christdemokraten, den Sozialdemokraten und den (Post-)Kommunisten.
Als erste parteipolitische Formierung jenseits der Kommunisten wurde im November 1990 die Vereinigte Demokratische Partei gegründet, aus der 1995 die Vereinigte Bürgerpartei hervorging. Sie fand anfangs vor allem bei der technischen Intelligenz, bei Wirtschaftsfachleuten und gut ausgebildeten Arbeitern Unterstützung. Sie ist bis heute die führende liberalkonservative Kraft und hat das schärfste wirtschaftspolitische Profil aller Parteien.
Eine sozialdemokratische Vereinigung Hramada (Gemeinschaft) entstand im März 1991. Mitglieder waren anfangs vor allem Arbeiter, Bauern, Studenten, Militärangehörige sowie Vertreter der städtischen Intelligenz. Auch die Parlamentssprecher Stanislau Schuschkewitsch und Premierminister Metschyslau Hryb, der spätere Präsidentschaftskandidat Aljaksandr Kasulin und selbst Aljaksandr Lukaschenka waren zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit den Sozialdemokraten assoziiert. Die Partei verstand sich als Teil der weltweiten sozialdemokratischen Bewegung, spaltete sich aber in den folgenden Jahren wiederholt, so dass es heute mehrere winzige sozialdemokratische Gruppierungen gibt.
Eine christdemokratische Tradition gibt es in Belarus seit den 1930er Jahren. Die 1991 gegründete Christlich-Demokratische Union versuchte daran anzuknüpfen, aber sie hatte nicht lange Bestand. Erfolgreicher entwickelt sich seit 2005 die Belarussische Christdemokratische Partei, die zu den aktivsten Gruppierungen innerhalb der Opposition zählt. Ihr Mitgliederkern stammt vorwiegend aus den orthodoxen, protestantischen und katholischen Kirchengemeinden.
Wie in allen ehemaligen Ostblockstaaten entstanden auch in Belarus Nachfolgeformationen zur kommunistischen Partei. Seit Anfang der 1990er Jahre existiert eine "demokratische" kommunistische Partei, die seit dem Verfassungskonflikt von 1996 in Opposition zu Lukaschenka steht. Bei der Parlamentswahl 1995 erhielt sie 22 Prozent der Stimmen und stellte 45 Abgeordnete. 2008 benannte sie sich in "Gerechte Welt" um.
Ein besonderes Merkmal des autoritären Systems besteht darin, dass es anders etwa als in Russland keine einflussreiche Regierungs- oder Lukaschenka-Partei gibt. Die Parlamentsabgeordneten werden seit der Wahl 2000 eher ernannt als gewählt und zeichnen sich durch Loyalität zum Präsidenten aus. Gruppierungen wie die Liberaldemokratische Partei mit ihrem notorischen Vorsitzenden Sjarhej Hajdukewitsch (einer politischen Marionette des Regimes) oder die Lukaschenka-treue kommunistische Partei sollten zwar anfänglich der Legitimierung eines parlamentarischen Systems dienen. Sie besaßen aber in Parlament oder Gesellschaft zu keinem Zeitpunkt Bedeutung, so dass ihre statistische Funktion offensichtlich ist. Bei der Parlamentswahl 2008 waren von 110 ernannten Abgeordneten 103 parteilos, sechs gehörten der kommunistischen Partei an, einer wurde von der Agrarpartei gestellt.
1996-2002: Politisierung
Zwei von Lukaschenka initiierte Referenden markierten die grundlegende politische und gesellschaftliche Wende: 1995 wurde Russisch zur zweiten Amtssprache erklärt, und die alten sowjetischen Staatssymbole (Flagge, Wappen) wurden leicht verändert wieder eingeführt. Damit sollte der beginnende Prozess der Stärkung einer nationalen Identität an der Wurzel gekappt werden. In einem zweiten Referendum ließ Lukaschenka im Herbst 1996 seine Amtszeit um zwei Jahre verlängern, erweiterte die Vollmachten des Präsidenten und schwächte das Parlament, indem er ein Zweikammernsystem einführte. Es gelang ihm, innerhalb von nur zwei Jahren - außenpolitisch gedeckt durch Russland - den durch die Verfassung von 1994 ursprünglich demokratisch organisierten Staat zu beseitigen und seine autoritäre Macht zu institutionalisieren.
Die Oppositionsparteien wurden von diesen Ereignissen überrumpelt. Wiederholte Versuche, sich auf Koalitionen oder eine gemeinsame Strategie zu einigen, blieben erfolglos. Zudem mangelte es an Führungspersönlichkeiten, welche die politischen Kräfte hätten bündeln können und die eine glaubwürdige personelle Alternative zu Lukaschenka darstellten. Potentiell ernsthafte Konkurrenten wurden ein Jahr vor der Parlaments- und zwei Jahre vor der Präsidentschaftswahl aus dem Weg geräumt: Wiktar Karpenka, ehemaliger stellvertretender Parlamentssprecher, starb überraschend und unter ungeklärten Umständen im April 1999, Juri Sacharenka, erster Innenminister unter Lukaschenka, verschwand im Mai 1999, Wiktar Hantschar, ehemaliger Vorsitzender der Zentralen Wahlkommission, verschwand im September 1999.
Es waren vor allem zivilgesellschaftliche Initiativen, die bei der Präsidentschaftswahl 2001, als mit Uladzimir Hantscharyk ein blasser Kompromisskandidat aus dem Gewerkschaftslager gegen Lukaschenka antrat, durch aktive Wahlbeobachtung und die Kampagne "Wähle!" (gegen die vom Regime propagierte Praxis der vorzeitigen Stimmabgabe) den Protest der Bevölkerung gegen den gefälschten Urnengang zu organisieren versuchten.
Kennzeichnend für die zweite Hälfte der 1990er Jahre war außerdem eine Professionalisierung, bei der Beratungszentren und Netzwerkorganisationen entstanden, die bis heute die Visitenkarte des Dritten Sektors in Belarus sind: der "Verband pro-demokratischer NGOs", das analytische Zentrum "Strategie", die "Lew Sapieha-Stiftung", das "Unabhängige Institut für sozioökonomische und politische Studien", das Menschenrechtszentrum "Wiasna" (Frühling) oder das Zentrum "Supolnasc" (Zusammengehörigkeit). Vielen NGOs gelang es, nachhaltige Strukturen aufzubauen, sie arbeiteten dabei zunehmend mit westlichen Akteuren zusammen, welche die in die Defensive geratene Demokratiebewegung in Belarus systematisch zu unterstützen begannen.
Die Regierung betrachtete die Aktivitäten unabhängiger Organisationen mit Argwohn und versuchte, Kontrolle über ihre Tätigkeit zu erlangen. Eine Methode war, NGOs per Erlass dazu zu zwingen, sich neu zu registrieren. Während der zweiten verordneten Neu-Registrierungs-Welle verloren 1999 beinahe die Hälfte aller unabhängigen Organisationen ihren legalen Status.
2003-2010: Gewaltsame Marginalisierung
Etwas mehr als ein Jahr nach seiner Wiederwahl waren Lukaschenkas Umfragewerte auf ein bis dahin nicht gekanntes Tief von 26 Prozent gerutscht. Zudem musste er mit ansehen, wie - beginnend in Serbien 2001 und sich fortsetzend mit den farbigen Revolutionen in der Ukraine, Georgien und Kirgisien - eine Reihe von repressiven, autoritären Regimes in der Region gestürzt wurde. Die Präsidentschaftswahl 2001 hatte gezeigt, dass die Zivilgesellschaft in der Lage war, landesweite Kampagnen zu initiieren, zudem hatte es auch im Apparat - etwa um den ehemaligen Außenhandelsminister Michail Marinytsch - Absetzbewegungen gegeben.
Deshalb begann Lukaschenka ab 2003, in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen die seit 1996 institutionell angelegte präsidiale Machtvertikale auszubauen. Hunderte von unabhängigen Organisationen wurden zur Selbstauflösung gezwungen, gleichzeitig war es praktisch unmöglich, neue oppositionelle Vereinigungen oder Parteien zu gründen. 2005 wurde Artikel 193 (1) ins Strafgesetzbuch aufgenommen, der die Tätigkeit im Namen von nichtregistrierten Organisationen unter Strafe stellt. Unabhängige Zeitungen erhielten Verwarnungen, wenn sie über die Tätigkeit nichtregistrierter Organisationen berichteten, und konnten nach drei Verwarnungen geschlossen werden. Im Bildungsbereich reglementierten Erlasse des Präsidenten die Auslandskontakte von Studierenden und Lehrenden. 2003 wurde das Belarussische Humanistische Lyzeum und 2004 die Europäische Humanistische Universität in Minsk geschlossen, letztgenannte ging ins litauische Exil. Seit 2004 existiert eine schwarze Liste von Musikern, deren Lieder in den staatlichen Medien nicht mehr gespielt werden dürfen. Eines der wirksamsten Kontrollinstrumente war die Aufhebung der unbefristeten Beschäftigung von Staatsbediensteten und die Einführung von - in der Regel einjährigen - Zeitverträgen. Damit ließ sich jeder soziale Protest im Keim ersticken: Weigerte sich etwa ein Lehrer, an der Fälschung von Wahlergebnissen teilzunehmen - Wahllokale befinden sich in der Regel in Schulen, die Wahlkommissionen bestehen vielerorts überwiegend aus Lehrern -, kann das mit dem unmittelbaren Verlust des Arbeitsplatzes geahndet werden.
Parteien und Organisationen waren gezwungen, ihre Tätigkeit in den Untergrund zu verlegen, sie verloren den Kontakt mit der Bevölkerung und wurden gesellschaftlich marginalisiert. Oppositionspolitiker und in der Öffentlichkeit aktive Menschen entwickelten sich zu Dissidenten im ursprünglichen Sinne des Wortes, sie übten Kritik am herrschenden System, befanden sich damit aber abseits vom gesellschaftlichen Mainstream. Parteien wurden zu politischen Klubs mit kaum mehr als 2000 Mitgliedern, von denen nicht einmal ein Zehntel aktiv war. Mitte des Jahrzehnts war der autoritäre Staat durchorganisiert. Die außerhalb des staatlich-gesellschaftlichen Rahmens bestehenden Parteien und Vereinigungen wurden "zu Staatsfeinden erklärt oder aber als Sektierer ohne öffentliche Unterstützung diffamiert".
Die Repressionen waren intelligent angelegt, denn sie betrafen gezielt eine sozial aktive Minderheit der Bevölkerung. Die physischen Freiheiten (vor allem Reisefreiheit) der unpolitischen Mehrheit wurden nicht angetastet; wer sich politisch nicht exponierte, hatte nichts zu befürchten. Formal gesehen existierte eine pluralistische Fassade, die von der staatlichen Medienpropaganda schöngefärbt wurde: Regelmäßig fanden Wahlen auf allen Ebenen statt, die "Volksvertretungen" tagten, und es gab sogar eine unbedeutende Opposition. Durch kontrollierte Freiheit im vorpolitischen Raum, vor allem aber durch wirtschaftliche Stabilität auf niedrigem Niveau gelang es dem Regime in dieser Phase, wesentliche Bevölkerungsschichten mit sozialen Verträgen (oder impliziten Gesellschaftsverträgen
Während der Präsidentschaftswahl 2006 manifestierte sich diese Entwicklung. Die demokratischen Kräfte nominierten einheitlich mit Aljaksandr Milinkiewitsch einen Kandidaten mit einem vor allem zivilgesellschaftlichen Hintergrund. Wahlkampf, Wahlen und Stimmauszählung wurden umfassend von Lukaschenka kontrolliert, die Wahlkampfauftritte von Milinkiewitsch durch die Behörden massiv behindert, es gab Dutzende präventiver Festnahmen, und eine unabhängige Wahlbeobachtung, koordiniert von der Organisation Partnerstwa, wurde gewaltsam unterbunden. Dennoch vermochte eine marginalisierte Opposition, ein politisches Momentum zu kreieren: Die Proteste in der Wahlnacht und in den Tagen danach waren die größten Demonstrationen seit Jahren, und für wenige Tage gab es eine Zeltstadt auf dem Oktoberplatz im Zentrum von Minsk, die schließlich brutal aufgelöst wurde. Letztendlich gelang es der Opposition wie 2001 nicht, mit den Wahlen eine demokratische Wende einzuleiten, auch weil Lukaschenka bei den Wahlfälschungen und den Repressionen von Russland gedeckt wurde. Die Konfrontation einer demokratischen, proeuropäischen und nationalbewussten Opposition mit einem von Russland gestützten autoritären Regime war zu keinem Zeitpunkt deutlicher als im Frühjahr 2006.
Präsidentschaftswahl 2010: "Hauptsache nicht wieder Lukaschenka"
Bei der Präsidentschaftswahl im Dezember 2010 wiederholten sich für Zivilgesellschaft und Opposition die Entwicklungsschritte der vergangenen zwanzig Jahren in kondensierter Form: eine Kandidatenvielfalt wie Anfang der 1990er Jahre, die Unfähigkeit der Opposition, sich auf eine gemeinsame Strategie zu einigen, ein mit Abstrichen freier Wahlkampf wie 1994 und ein manipuliertes Wahlergebnis wie bei allen Abstimmungen seit 1996. Nach der Wahl dann: Repressionen, die in ihrer Brutalität und Willkür selbst die aggressive Unterdrückung der Opposition in den Jahren 2003 bis 2006 weit übertrafen.
Die beiden ernsthaftesten Herausforderer von Lukaschenka waren der Dichter Uladzimir Nekljajeu und der ehemalige stellvertretende Außenminister Andrej Sannikau. Beide führten einen weitestgehend aus dem Ausland finanzierten Wahlkampf und verfügten als Kandidaten über keinen breiten Rückhalt in der Bevölkerung. Obwohl sie erklärten, für ein freies, demokratisches und unabhängiges Belarus anzutreten, kokettierten sie unverhohlen mit Russland. Das war ihr größter Fehler. Dennoch spielten sie, wie auch die fünf Kandidaten der Oppositionsparteien, eine wichtige Rolle: Sie füllten den öffentlichen Raum, den ein unerwartet liberaler Wahlkampf bot, denn das Regime hatte beschlossen, drei Monate lang politischen Pluralismus zu inszenieren, der zumindest einen öffentlichen Wettstreit unterschiedlicher Meinungen zuließ. Während dieser drei Monate war die Stimmung "Hauptsache nicht wieder Lukaschenka" in weiten Teilen der Bevölkerung so stark, dass die alternativen Kandidaten Gehör fanden und vielen erstmals klar wurde, dass es neben bat'ka (Vater) Lukaschenka noch andere, interessante und ernstzunehmende Politikangebote für das Land gab. Die zentrale Forderung "Neuwahlen ohne Lukaschenka" zeigte, dass die belarussische Gesellschaft reif für politische Alternativen ist.
Lukaschenka hatte das Protestpotential unterschätzt, deshalb fiel seine Reaktion militant aus: Die Demonstration ließ er gewaltsam auflösen, weit über sechshundert Personen inhaftieren und die Kandidaten Nekljajeu und Sannikau brutal zusammenschlagen. Der eigentliche Gewinner aus dieser unerwarteten Wende in der Wahlnacht aber war Russland, das sich trotz eines monatelangen bizarren Streites mit Lukaschenka im letzten Moment offensichtlich doch hinter ihn stellte. Und so wiederholte sich auch in dieser Hinsicht die Situation von 1996, 2001 und 2006, als Opposition und Zivilgesellschaft Wahlen und Referenden nutzen wollten, um - unterstützt vom Westen - einen demokratischen Wandel einzuleiten, letztlich aber gegen Lukaschenka, den Autokraten von Russlands Gnaden, auf verlorenem Posten standen.
Die vielleicht wichtigste Lektion aus der Präsidentschaftswahl 2010 lautet, dass sich die jahrelang vor allem von westlichen Realpolitikern und Wirtschaftskreisen vertretene Meinung, angesichts der Schwäche und Zerstrittenheit der Opposition könnten demokratische Veränderungen nur durch einen Dialog mit dem Regime eingeleitet werden, als falsch und naiv erwiesen hat. Wer die Demokratie in Belarus und nicht das autoritäre Lukaschenka-Regime stärken will, hat keinen anderen Partner als die Opposition und die autonomen Akteure der Gesellschaft.