Einleitung
Nichts wird mehr so sein, wie es war." Das war die unmittelbare Reaktion zahlreicher Beobachter auf die Anschläge in New York und Washington am 11. September 2001. Diese spontane Einordnung in den ersten Tagen und Wochen nach den Attentaten folgte weniger einer differenzierten sicherheitspolitischen Analyse der Wirkung der Anschläge auf die internationale Politik, der Bedrohung durch den transnationalen, islamistischen Terrorismus und der Möglichkeiten nationaler und internationaler Akteure, diesen einzuhegen.
Vielmehr reflektierte die verbreitete Einschätzung die Einzigartigkeit dieser Anschläge, ihre unvergleichliche Bildgewalt und den daraus resultierenden medialen Widerhall: Beim 11. September 2001 handele es sich unter vielfältigen Gesichtspunkten um eine historische Wegscheide; er markiere einen Paradigmen- oder Epochenwechsel; er stehe für einen Strukturbruch des internationalen Systems; er symbolisiere die neuen, asymmetrischen Konflikte, mit denen der Westen zukünftig konfrontiert sei; er illustriere einen Konflikt der Kulturen. Zahlreiche weitere, ähnlich gelagerte Einschätzungen aus dem Herbst vor zehn Jahren ließen sich anführen.
Je weiter die Anschläge zeitlich zurückliegen, umso deutlicher wird, dass viele der Charakterisierungen des Epochenbruchs so nicht zutreffen. Der 11. September 2001 hat viele bereits zuvor erkennbare Entwicklungstendenzen der internationalen Beziehungen befördert, stark beschleunigt und sie damit erst einer größeren Öffentlichkeit vor Augen geführt.
Wandel des Sicherheitsbegriffs
Bereits vor dem 11. September 2001 hatte in der sicherheitspolitischen Debatte eine starke Ausdifferenzierung zu der Frage eingesetzt, was denn das zu schützende Objekt sicherheitspolitischen Handelns sei: Nicht länger war traditionsgemäß der Staat das einzige Referenzobjekt, dessen territoriale Integrität und politische Souveränität zu schützen sei. Seit den 1970er Jahren war die Ordnungsvorstellung gesellschaftlicher Sicherheit daneben gerückt, in deren Mittelpunkt die Annahme stand, dass nicht die staatliche Sicherheit allein Ziel sicherheitspolitischen Handelns sei, sondern die Gesellschaft als eines Zusammenschlusses von Individuen, die in Frieden und Freiheit leben wollten. Schließlich war ab den 1990er Jahren die Dimension der menschlichen Sicherheit hinzugetreten, deren Verfechter darauf verwiesen, dass es Aufgabe von Sicherheitspolitik sei, Rahmenbedingungen sicherzustellen, die dem Individuum ein Leben in Freiheit, Sicherheit und Wohlstand ermöglichen.
Bei näherer Betrachtung dieser drei Typen wird man feststellen, dass hier etwas stärker analytisch getrennt wird, als dies die politische Wirklichkeit zuließe oder gar nahelegte: Selbstverständlich ging es beim Schutz des Staates niemals nur um den Erhalt einer konstitutionellen oder institutionellen Form, sondern auch um die Menschen, die Träger einer staatlichen Ordnungsidee sind. Und auch der Schutz des Individuums lässt sich gar nicht ohne eine überwölbende gesellschaftliche Organisationsform denken.
Für die Wirkung der Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon ist aber eine andere Dimension bedeutsam: Die Bedrohung einer Gesellschaft beziehungsweise der in ihr verbundenen Individuen ist durch den 11. September 2001 zum nahezu ausschließlichen Paradigma sicherheitspolitischer Wahrnehmungen und Analysen geworden. Das Nicht-Funktionieren wirtschaftlicher Prozesse und die Erosion gesellschaftlicher Bindekräfte erscheinen vielen Menschen im Westen heute bedrohlicher als klassische sicherheitspolitische Themen wie etwa Fragen der zwischenstaatlichen Rüstung und Rüstungskontrolle oder ungelöster Territorialkonflikte. Zugespitzt formuliert: Fragen sozialer Sicherheit erscheinen in dieser Sicht bedeutsamer als die Bürgerkriege in der Peripherie Europas.
Diese "Entstaatlichung" betrifft aber auch die Frage, von wem sicherheitspolitische Bedrohungen ausgehen: Bereits mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes und dem sich anschließenden Transformationsprozess der internationalen Ordnung waren für weite Teile der Welt, vor allem in denjenigen Staaten, die politisch "dem Westen" zugeordnet werden, die Möglichkeiten eines zwischenstaatlichen Konfliktes unwahrscheinlich geworden. Stattdessen begann eine Wahrnehmung zu dominieren, der zufolge die weit überwiegende Zahl von sicherheitspolitischen Bedrohungen von nichtstaatlichen Akteuren ausgehe, beziehungsweise es sich um Akteure handele, die nicht immer klar ersichtlich sind (wie schwache oder zerfallende Staaten, die Wirkung unkontrollierter Migration) oder es sich um Risiken handele, deren Genese territorial unbestimmt ist (wie Klimasicherheit, Cybersicherheit).
Die Anschläge des 11. September haben beide Tendenzen - die "Entstaatlichung" sowohl in der Frage, was von der Sicherheitspolitik zu schützen sei, als auch in der, von welchen Akteuren die größten Bedrohungen ausgehen - nicht ausgelöst, aber diese bereits zuvor erkennbaren Entwicklungen enorm verstärkt.
"Versicherheitlichung" von Politikbereichen
Dabei ist Terrorismus kein sicherheitspolitisch isoliertes Phänomen. Er ist die Folge von bestimmten sicherheitspolitischen Herausforderungen und generiert weitere. So begünstigen bestimmte politische, soziale, ökonomische und demografische Rahmenbedingungen, die in weiter Lesart bereits selbst sicherheitspolitisch relevant sind, seine Entstehung. Schwache und zerfallene Staaten bieten terroristischen Gruppen einen Ort, um Personal zu rekrutieren, Geld zu akquirieren und ihre Anschläge vorzubereiten. Schließlich gehen terroristische Gruppen häufig Verbindungen mit "normalen" Kriminellen ein, um die für ihre Aktivitäten notwendigen Ressourcen zu nutzen. Eine Allianz von Terrorismus und organisierter Kriminalität, bei der die Grenzen zwischen beiden Bereichen verschwimmen, ist ein häufig anzutreffendes Phänomen.
Ohne dies an dieser Stelle weiter auszuführen, sei darauf verwiesen, dass diese Entwicklung auch erheblich zur "Versicherheitlichung" von Politikbereichen beiträgt, die noch vor zehn Jahren nicht als originär sicherheitspolitisch wahrgenommen worden wären.
Die Bedrohung durch Al Qaida, einen nichtstaatlichen, territorial nicht lokalisierbaren Akteur, hat jedoch einen gewichtigen Beitrag dazu geleistet, in der öffentlichen Wahrnehmung das Spektrum derjenigen sicherheitspolitischen Herausforderungen drastisch zu erweitern, vor denen der Staat seine Bürger zu schützen habe.
Bei den Anschlägen des 11. September hat es sich um ein global rezipiertes Phänomen gehandelt, das trotz der Tatsache, dass die Anschläge gegen die Vereinigten Staaten gerichtet waren, globale Bedrohungsängste und sicherheitspolitische Veränderungen gezeitigt hat. Die Anschläge haben damit einer sicherheitspolitischen Globalisierung den Weg bereitet, als deren Folge Bürger, Gesellschaften und Regierungen sicherheitspolitische Bedrohungen endgültig nicht länger in nationalen oder regionalen Kategorien, sondern als globale Herausforderung wahrnehmen. Gleichviel, ob eine Entwicklung tausende Kilometer von der Bundesrepublik reale Folgen für die Sicherheit Deutschlands zeitigt, besteht seit dem 11. September 2001 eine grundsätzliche Bereitschaft, eine derartige Entwicklung in sicherheitspolitischen Kategorien zu lesen und eine Verbindung zur Sicherheit der Bundesrepublik und ihrer Bevölkerung herzustellen.
Wandel sicherheitspolitischer Instrumente und Institutionen
Dies hat eine zunehmende Differenzierung der sicherheitspolitischen Instrumente zur Folge, welche der Staat bereit halten muss. Für viele der heute als relevant erachteten sicherheitspolitischen Herausforderungen reichen traditionelle militärische Mittel allein nicht aus, sondern erfordern einen komplexen Mix unterschiedlicher Werkzeuge. Dieser Anforderung kann der demokratische Staat kaum ausweichen, da er der veränderten sicherheitspolitischen Erwartungshaltung seiner Bürgerinnen und Bürger Rechnung zu tragen hat, die sich seit dem 11. September in vielfacher Weise unsicherer fühlen als jemals zuvor.
Sicherheitspolitik ist also in veränderter Form auch nach den Anschlägen von New York und Washington eine Kernfunktion geblieben, über deren Gewährleistung sich der Staat gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern zu legitimieren hat. Angesichts knapper finanzieller Ressourcen müssen Regierungen jedoch immer stärker priorisieren und laufen Gefahr, durch die erhöhten Erwartungen sicherheitspolitisch überfordert zu werden.
Die Anschläge haben auch auf internationale Organisationen einen wichtigen Effekt ausgeübt. Zahllose Institutionen haben sich nicht nur rhetorisch gegen den transnationalen Terrorismus ausgesprochen und sich zu dessen Bekämpfung verpflichtet, sondern sich dieser Bedrohung angepasst, indem sie neue Gremien geschaffen haben, in welchen die Mitgliedstaaten ihre Aktivitäten koordinieren und neue Instrumente entwickelt haben, um den islamistischen Terrorismus einzuhegen. Internationale und regionale Organisationen haben sich mit der Terrorismusbekämpfung in den unterschiedlichsten Spielarten beschäftigt, von der Organisation amerikanischer Staaten (OAS) über die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bis zur Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ).
Dabei sind auf der Ebene der internationalen Organisationen drei Typen dieser funktionalen Adaption festzustellen: Erstens gibt es "klassische" sicherheitspolitische Organisationen wie die NATO oder die Vereinten Nationen (VN), die sich seit zehn Jahren mit spezifischen Programmen im Bereich der Terrorismusbekämpfung engagieren.
Schließlich sind daneben neue Formen multilateraler Kooperation, die dem Bereich der Terrorismusbekämpfung zuzurechnen sind, hinzugetreten, die sehr spezielle Einzelaspekte behandeln und nur rudimentär institutionell unterfüttert sind. Ein Beispiel dafür ist die Proliferation Security Initiative, die auf einen Vorschlag der USA zurückgeht.
Dabei unterliegt die multilaterale Kooperation bei der Terrorismusbekämpfung in besonderer Weise der Gefahr, für andere Zwecke missbraucht zu werden, da die vom VN-Sicherheitsrat mit der Resolution 1566 im Jahr 2004 vorgenommene Definition des Begriffs "Terrorismus" bislang keine umfassende Anerkennung gefunden hat. Was eine terroristische Bedrohung oder Organisation ist, unterliegt damit in weiten Teilen der Definitionsmacht nationaler Regierungen. Internationale Organisationen mit einer Mehrheit von autoritär regierten Staaten (wie die SOZ) haben das genutzt, um innenpolitische Gegner als Terroristen zu stigmatisieren und diese zu verfolgen.
Die Vielzahl an Aktivitäten hat aber keine Erfolgsbilanz hervorgebracht, welche die internationalen Organisationen im Bereich der Terrorismusbekämpfung erfolgreicher erscheinen ließe als die Sicherheitsbehörden einzelner Staaten. So ist das Phänomen der funktionalen Diffusion festzustellen. Mit anderen Worten: Angesichts der Tatsache, dass diverse Organisationen Aktivitäten im Bereich der Terrorismusbekämpfung entwickelt haben, fühlt sich keine von ihnen zwingend zuständig und letztlich unterbleiben die entsprechenden Schritte. Wenn diese erfolgen, überschneiden sie sich häufig mit Aktivitäten anderer Organisationen. Angesichts der durchwachsenen Erfolgsbilanz dürften sich diejenigen Beobachter bestätigt fühlen, die multilaterale Organisationen im Bereich der Terrorismusbekämpfung für ungeeignet halten und stattdessen für nationale Strategien und Instrumente plädieren.
Unterschiedliche Bedrohungswahrnehmungen
Der Effekt der Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon auf die nationalen Politiken ist trotz vieler Gemeinsamkeiten in der Bedrohungseinschätzung unterschiedlich. So ist die Wirkung beispielsweise in den USA ungleich größer gewesen als in Europa, wo nahezu alle europäischen Staaten bereits seit den 1970er Jahren mit unterschiedlichen Formen terroristischer Anschläge und Organisationen (wie die RAF in Deutschland, die ETA in Spanien, die IRA in Nordirland) konfrontiert waren. Politische Eliten betrachteten und verstehen diese bis heute vorwiegend als Herausforderung für die nationalstaatlichen Strafverfolgungsbehörden. Der Fokus westeuropäischer Staaten lag entsprechend auf der verbesserten Zusammenarbeit dieser und der Zuweisung zusätzlicher Befugnisse.
In den Vereinigten Staaten interpretierte hingegen die Regierung von Präsident George W. Bush die Anschläge als definierendes Moment nicht nur ihrer Amtszeit, sondern als neues Paradigma der amerikanischen Außenpolitik, das völlig neue Instrumente erforderte. Dadurch, dass sich die USA in den Jahren der Bush-Ära als im Krieg befindlich verstanden, stießen die drei wichtigsten Maßnahmen der Vereinigten Staaten zu Beginn auf vergleichsweise wenig Widerstand in der amerikanischen Bevölkerung: Dazu gehörten eine starke Betonung der militärischen Dimension der Terrorismusbekämpfung (die den Krieg in Afghanistan ebenso umfasst wie in diversen Ländern die Ausbildung nationaler Streitkräfte für diese Aufgabe), eine Reorganisation und Erweiterung der Behörden durch die Schaffung des Heimatschutzministeriums (dessen Hauptaufgabe der Schutz der amerikanischen Bevölkerung und des Staatsgebietes vor terroristischen und anderen Bedrohungen ist) und schließlich die Schaffung von neuen, umfangreichen exekutiven und judikativen Befugnissen (die tiefe Eingriffe in das amerikanische Rechtssystem bedeuteten).
Die Regierung von Präsident Barack Obama hat in weiten Bereichen diese Politik abgemildert. So vermeiden ihre Vertreter die Kategorisierung der Terrorismusbekämpfung als "Krieg". Aber einige andere Maßnahmen bestehen weiterhin fort wie das umstrittene Gefangenenlager auf der Guantanamo Bay Naval Base, das entgegen der Ankündigung von Präsident Obama auf Drängen des US-Kongresses bislang nicht geschlossen wurde. Auch die Geltungsdauer zahlreicher Gesetze, die den amerikanischen Behörden Eingriffe in diverse Lebensbereiche der amerikanischen Bürgerinnen und Bürger erlauben, sind erst in diesem Jahr wieder verlängert worden.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Terrorismusbekämpfung
Drei Instrumente sind trotz einzelner Unterschiede für alle internationalen wie nationalen Programme zur Terrorismusbekämpfung bestimmend:
die Verschärfung nationaler Gesetze und die Gewährung größerer Befugnisse für die nationalen Strafverfolgungsbehörden,
Bemühungen, die Finanzierung terroristischer Gruppen und Aktivitäten zu unterbinden,
die Verbesserung der Zusammenarbeit der zuständigen Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene.
Während sich im ersten Bereich die einzelnen Maßnahmen von Staat zu Staat stark unterscheiden, so ist die Zielrichtung dieser Instrumente doch im Kern identisch: Staatlichen Behörden wurden größere Befugnisse bei der Überwachung von allen Formen der Kommunikation eingeräumt; die Hürden für die Kontrolle von Privaträumen wurden gesenkt, und der Zugriff auf große Datenbanken, vor allem nichtstaatlicher Akteure (wie Banken, Fluggesellschaften, Telekommunikationsunternehmen) wurde erleichtert. Diese Maßnahmen zielen weniger auf die Aufklärung bereits erfolgter Terroranschläge; sie haben vielmehr präventiven Charakter: Prospektive Täter, ihre Verbindungen und ihre Vorbereitungen, sollen möglichst frühzeitig erkannt und Anschläge dadurch verhindert werden.
Vor allem die Vereinten Nationen haben die Bemühungen im zweiten Bereich - die Kontrolle internationaler Finanzströme mit dem Ziel, die materielle Basis terroristischer Gruppen auszutrocknen - koordiniert. Dazu gehören Änderungen in den nationalen Gesetzen zur Verhinderung von Geldwäsche und eine intensivierte internationale Zusammenarbeit beim entsprechenden Datenaustausch. Gerade diese Dimension hat für vielfältige Kritik gesorgt. Denn sie bedeutet konkret, dass private Daten zu internationalen Finanztransfers von einem Staat an einen anderen geliefert werden können, ohne dass die Betroffenen im Detail davon Kenntnis erhalten oder sich dagegen wehren könnten. In der Frage der Kontrolle internationaler Finanzströme manifestiert sich das Spannungsverhältnis von der Gewährleistung von Sicherheit und dem Schutz bürgerlicher Freiheiten also in besonderem Maße.
Eine bessere Koordinierung zwischen nationalen Behörden und eine vertiefte internationale Kooperation ist die dritte Dimension der Terrorismusbekämpfung. Zahlreiche Zentren sind entstanden, in denen unterschiedliche nationale Behörden, vor allem Polizei und Geheimdienste, ihre Aktivitäten koordinieren und dadurch effektiver zu gestalten suchen. Korrespondierend dazu haben viele Staaten ihre nationalen Antiterrorprogramme mit denen anderer Länder verknüpft und tauschen zu unterschiedlichen Graden Informationen aus.
Dabei dominieren bilaterale Kooperationsformate, vor allem dann, wenn der Austausch von sensiblen Geheimdienstinformationen betroffen ist, die nationale Regierungen nicht mit einer Vielzahl von Staaten teilen wollen. Daneben stehen aber die etwas weniger prominenten, dennoch nicht weniger wirksamen Kooperationsformate internationaler Organisationen.
Doch die institutionelle Perspektive allein greift zu kurz. Aufgrund der unterschiedlichen Wertvorstellungen, historischen Erfahrungen und politischen Kulturen der kooperierenden Staaten kommt es bei der Zusammenarbeit in Fragen der Terrorismusbekämpfung immer wieder zu Normkonflikten, in denen sich die Handlungsdilemmata der Akteure widerspiegeln: Soll man die anzuwendenden Antiterrormaßnahmen ausschließlich an rechtsstaatlichen Prämissen ausrichten und können sich die beteiligten Staaten überhaupt auf solche einigen? Oder räumt man sicherheitspolitischen Notwendigkeiten angesichts konkreter Bedrohungen, auf die häufig unter hohem Zeitdruck zu reagieren ist, Priorität ein?
Diese Güterabwägung determiniert nicht nur Umfang und Tiefe der Zusammenarbeit, sondern entscheidet im Zweifelsfall sogar prinzipiell über die Kooperation. Die Auseinandersetzungen zwischen den USA und der Europäischen Union in Fragen der Terrorismusbekämpfung (wie Listungen von Verdächtigen, Datenaustausch, außerordentliche Überstellungen von Gefangenen) illustrieren diesen Punkt.
Ohne auf die einzelnen Maßnahmen an dieser Stelle detailliert eingehen zu können, lassen sich jedoch einige Lehren hinzufügen, welche die internationale Terrorismusbekämpfung in den vergangenen zehn Jahren gemacht hat:
ein erweitertes und differenziertes Verständnis dessen, was im September 2001 noch sehr eindimensional als "islamistischer Terrorismus" beschrieben wurde, seiner Ursachen und seiner regionalen Spielarten,
eine Abwendung von massiven Militärschlägen zu gezielteren und kleineren militärischen Maßnahmen,
ein über militärische Maßnahmen hinausgehendes instrumentelles Verständnis, das polizeiliche, ökonomische und zivile Elemente einschließt (comprehensive approach).
Die meisten Staaten des internationalen Systems sowie eine große Zahl internationaler Organisationen befinden sich seit 2001 in einem bis heute anhaltenden Prozess, in dessen Verlauf sie ihre Politiken, Institutionen und Instrumente an die "neue" Bedrohung des islamistischen Terrorismus angepasst haben. Diese Entwicklung hat nicht nur ihre Fähigkeiten verbessert, derartige Anschläge zu verhüten, ihre Auswirkungen zu minimieren und ihre Täter strafrechtlich zu verfolgen.
Dieser Adaptionsprozess hat auch die Staaten, die ihn eingeleitet haben, selbst verändert: Das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit ist bei den rechtlichen Anpassungsprozessen neu justiert worden; die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit sind angesichts der "Entterritorialisiertheit" des transnationalen Terrorismus weiter verschwommen - für die Strafverfolgungsbehörden spielt es heute angesichts der globalen Vernetzung des sogenannten hausgemachten Terrorismus (homegrown terrorism) immer weniger eine Rolle, ob Anschläge in Köln, Kabul oder Kuala Lumpur vorbereitet werden.
Schließlich unterlag auch der traditionelle militärische Planungsprozess angesichts der Anforderungen der Terrorismusbekämpfung einem Paradigmenwechsel: Heute gilt es fast als ein Allgemeinplatz, dass angesichts der spezifischen Anforderungen von Einsätzen zur mittel- und langfristigen Terrorismusbekämpfung das militärische Vorgehen selbst nur einen kleinen Teil des angestrebten Erfolges sicherstellen kann und dass konzeptionell wie instrumentell ein koordinierter Einsatz von militärischen, polizeilichen, finanziellen und administrativen Instrumenten ins Auge zu fassen ist.
Ein Risiko unter vielen
Es ist schwer, anhand von öffentlichen Quellen den Erfolg der skizzierten Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung zu bewerten. Erfolgt ein Anschlag, erscheinen die staatlichen Maßnahmen wirkungslos, obgleich die Öffentlichkeit nicht substanziell einzuschätzen vermag, wie viele Anschläge erfolgreich verhindert werden konnten. Unterbleiben Anschläge, muss dies nicht zwangsläufig in einer effektiven Adaptionsstrategie begründet sein, sondern kann auch mit einem Strategiewechsel des Gegners zu tun haben.
Festzuhalten ist jedoch, dass der transnationale, islamistische Terrorismus, der im September 2001 noch als die nunmehr alles dominierende sicherheitspolitische Bedrohung erschien, heute lediglich ein Risiko unter vielen anderen ist, mit dem westliche Gesellschaften umgehen müssen. Al Qaida in seinen diversen regionalen Spielarten und seine Anschläge werden kaum jemals vollständig zu beseitigen sein.
Terroristische Aktivitäten lassen sich aber durch eine Vielzahl von Gegenmaßnahmen stark einhegen, so dass sie bislang beherrschbar geblieben sind und statistisch kein größeres Risiko darstellen, als bei einem Autounfall in Mitleidenschaft gezogen zu werden.
Schließlich ist ein Letztes zu bedenken: Hauptziel des islamistisch inspirierten Terrorismus ist weniger die Schädigung "des Westens" an sich, sondern der Sturz diverser politischer Regime im Nahen und Mittleren Osten, in Südasien sowie in Nordafrika. Die Zahl entsprechender Anschläge in diesen drei Regionen liegt im Vergleich zu denen in Europa und den USA ungleich höher. Doch entspricht das Unsicherheitsgefühl westlicher Gesellschaften diesem Sachverhalt kaum. Im Gegenteil: Die eigene Gefährdung und die eigenen Opfer werden überhöht wahrgenommen, die Gefährdung anderer hingegen weitgehend ausgeblendet.